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Full text of "Der Brief an die Römer"

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Kritisch - exegetischer 


Kommentar über das Neue Testament 
begründet von Heinr. Aug. Wilh, Meyer. 
IV. Abtheilung. — 9. Auflage. 


Der Brief an die kömer. 


Von der 6. Auflage an neu bearbeitet 


von 


Dr. Bernhard Weiss, 


Wirk]. Oberconsistorialrath u. 0. Prof. an nd. Universität Berlin. 


+ 
Göttingen 
Dandenhoed und Rupredt 
1899. 





F 


Kınudy Behert 
] 


Übersetzungsrecht vorbehalten. 


Frühere Auflagen dieses Kommentars: 


1. Auflage von H. A. W. Meyer . . 1886. 
2. " „m 9 „ .. 184. 
8. [1] sm 1 50, ” . . 1880 
4. „ ee 1 .ıı 9 33 . 1865. 
δ. ” „m vn „ . . 1872. 
6 „ „ Bermh. Weis . . . 1881. 
7. 39 ”„ ” ” . . 1885. 
8. ” Ὶ ” 41 . .. 181. 


Vorwort. 


Bei der neuen Bearbeitung des BRömerbriefes hatte ich 
zunächst die bereits in 2. Aufl. von Lipsius bearbeitete Ab- 
theilung des Holtzmann’schen Hand-Kommentars zu berück- 
sichtigen.. Die Auseinandersetzung mit dieser sorgfältigen 
Arbeit wäre fruchtbarer gewesen, wenn es nicht die Einrichtung 
dieses Kommentars mit sich brächte, dass seine Erklärung nur 
in den seltensten Fällen mit einer die Ablehnung anderer Auf- 
fassungen eingehender rechtfertigenden Begründung gegeben 
wird. Sodann hielt ich mich für verpflichtet, den Theil des 

n »International critical commentary«, welcher die Be- 
arbeitung des Römerbriefes von Sanday und Headlam ent- 
hält, durchweg zu vergleichen. So wenig es dem Zwecke des 
Kommentars entspricht, von der ganzen ausländischen Literatur 
über den Römerbrief ebenso wie von der deutschen ein mög- 
lichst vollständiges Bild zu geben, so schien es mir doch 
einem Unternehmen gegenüber, das einen internationalen Aus- 
tausch ausdrücklich beabsichtigt und so reichlich die deutsche 
Arbeit berücksichtigt, eine Art Ehrenpflicht zu sein, auch seine 
Resultate in Betreff des Römerbriefes, soweit sie für den deut- 
schen Exegeten überhaupt greifbar waren, zu registriren. 
Endlich habe ich mich sehr eingehend mit den neueren Aus- 
führungen Hilgenfelds über den Zweck und die Adresse des 
Römerbriefes auseinandergesetzt. Da der Kommentar von 
Lipsius im Wesentlichen von denselben Anschauungen darüber 
ausgeht, wie er, und doch nach seiner ganzen Anlage dieselbe 
nicht im Einzelnen so eingehend zu begründen vermag, war 
mir eine eingehendere Begründung, wie sie Hilgenfeld giebt, 
sehr willkommen, um ihr gegenüber Punkt für Punkt zeigen 
zu können, warum ich die von mir vertretene Auffassung auch 
nach eingehender Prüfung jener Gründe aufrecht erhalten 
Muss, 








IV Vorwort. 


Dass mir immer wieder die Frage entstand, ob ich nicht 
einen grossen Theil der von Meyer sorgfältig gesammelten 
und von mir in seinem Geiste fortgeführten Uebersicht über 
die verschiedenen Auffassungen aller einzelnen exegetischen 
Fragen streichen und so den ganzen, mit Anmerkungen etwas. 
überladenen Kommentar geiälliger und lesbarer machen solle, 
wird man verstehen. Mich hielt davon ein gewisses Pietäts-- 
gefühl gegen diese Riesenarbeit Meyers, aber auch die Er- 
wägung zurück, dass dieser Kommentar nach seiner ganzen 
Anlage eben nicht bloss fertige Resultate bieten will, wie die 
Handbücher, sondern in die exegetische Arbeit einführen. 
Dazu gehört aber vor Allem, dass aus ihm erhellt, wie viele 
Fragen in der Geistesarbeit der Jahrhunderte, die sich um 
diesen Brief angesammelt hat, aufgeworfen und kontrovers ge- 
worden sind, die dem schlichten Leser oft garnicht einmal 
entstehen, und die doch zuletzt alle dazu dienen müssen, den 
Gedankengang des Apostels immer klarer und immer tiefer 
verstehen zu lehren. Ausserdem zeigt die Geschichte der 
Exegese, wie oft Auffassungen, die längst als überwunden 
galten, manchmal mit Recht, oft auch mit Unrecht, plötzlich 
wieder, zuweilen mit geringen Modifikationen, auftauchen und 
ihre Berücksichtigung fordern. Es ist dann doch nicht ohne 
Nutzen, zu wissen, dass und wo diese Auffassungen schon 
früher ihre Vertretung resp. Widerlegung gefunden haben. 
Nur hie und da habe ich mir Kürzungen erlaubt, um durch 
die nothwendig gewordenen Zusätze den Kommentar nicht so 
sehr anschwellen zu lassen. Besonders habe ich meine eigene 
Darstellung vielfach zu kürzen und dadurch durchsichtiger zu 
machen gesucht: Dass ich auch an ihr vielfach gefeilt und 
en habe, wird der Kenner der früheren Ausgaben leicht 
sehen. 


Berlin, im November 1898. 
D. Weiss. 


Abkürzungs - Verzeichniss 
siehe 8. 614. 


Des Paulus Brief an die Römer. 


Einleitung. 


δ 1. 
Abriss des Lebens des Apostels. 


1. Paulus war von Jüdischen Eltern aus dem Stamme 
Benjamin (Rom 111. Phl 35) zu Tarsus in Cilicien *) ge- 
boren (Act 911. 21%) und hatte bei seiner Beschneidung den 
Namen SV erhalten, besass aber bereits durch Geburt das 
römische Bürgerrecht (22 5.71) ἢ. Seine erste Jugendbildung 


5) Dass Paulus zu Gischala in Galiläa geboren, wie Hieron. de 
vir. ill. 5 (vgl. denselben zu Phm 23) angiebt, und mit seinen Eltern 
nach der Einnahme der Stadt durch die Römer nach Tarsus aus- 
gewandert sei, wird zwar von Krenkel (Paulus d. Ap. d. Heiden 1869. 
p. 215, vgl. auch Overbeck zu de Wette’s Apostelgesch. 1870, p. 370 
Anm.) für geschichtlich gehalten. obwohl es durch Act 223 direkt 
ausgeschlossen wird, ist aber schon darum ganz unwahrscheinlich, 
weil Gischala erst im Jüdischen Kriege unter Titus durch die Römer 
erobert wurde (Joseph. bell. jud. IV. 2, 1sq.). Das altberühmte Tarsus, 
nach der Sage von Perseus gegründet, nennt Xenophon eine πόλες 

aln χαὶ εὐδαίμων (Anab. 1, 2, 23), Strabo rühmt seine Blüthe in 
unst und Wissenschaft (14, 5, 13. p. 673). 

**) Er selbst nennt sich in seinen Briefen stehend Παῦλος, die 
Apostelgeschichte nennt ihn Σαούλ, Σαῦλος, bis sie 139 (Σαῦλος δέ, 
ὁ χαὶ Παῦλος) jenen Römischen Namen einführt und, abgesehen von 
absichtsvollen Rückblicken auf frühere Zeit (227. 18. 2614), ihn aus- 
schliesslich beibehält.e Damit ist nicht angedeutet, dass er ihn auf 
Anlass der Bekehrung des Römischen Prokonsul von Cypern, Sergius 
Paulus (137) angenommen habe (Meyer, Ewald nach Hieron. de vir. 
ill. 5), da ja der Prokonsul erst V.12 bekehrt wird; sondern dass er 
diesen Namen in seiner Wirksamkeit als Heidenapostel führte, die 


Meoyer'’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 1 


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Kritisch - exegetischer 


Kommentar über das Neue Testament 
begründet von Heinr. Aug. Wiilh, Meyer. 
IV. Abtheilung. — 9. Auflage. 


Der Brief an die hömer. 


Von der 6. Auflage an neu bearbeitet 


von 


Dr. Bernhard Weiss, 


Wirkl. Oberconsistorialrsth u. o. Prof. an ἃ. Universität Berlin. 


φ. 
Göttingen 
Dandenhoed und Rupredt 
1899. 





ξ 


Übersetzungsrecht vorbehalten. 


Frühere Auflagen dieses Kommentars: 


| 


.Α. W. Meyer . . 1886. 


2. x 
8. 2) ν᾽ ΨΦ ᾽ν" ” « 1860. 
4. Π] 4. 8} 1 u?) „ . 1865. 
5 ” »». 1 9» ” 4} . 1872. 
6 „ „. Bernh. Weiss . 1881. 
7. ν᾽ „ ” 41 1886. 
8 41 33 „ ” . . 1891. 


Vorwort. 


Bei der neuen Bearbeitung des Römerbriefes hatte ich 
zunächst die bereits in 2. Aufl. von Lipsius bearbeitete Ab- 
theilung des Holtzmann’schen Hand-Kommentars zu berück- 
sichtigen. Die Auseinandersetzung mit dieser sorgfältigen 
Arbeit wäre fruchtbarer gewesen, wenn es nicht die Einrichtung 
dieses Kommentars mit sich brächte, dass seine Erklärung nur 
in den seltensten Fällen mit einer die Ablehnung anderer Auf- 
fassungen eingehender rechtfertigenden Begründung gegeben 
wird. Sodann hielt ich mich für verpflichtet, den Theil des 

n »International critical commentary«, welcher die Be- 
arbeitung des Römerbriefes von Sanday und Headlam ent- 
hält, durchweg zu vergleichen. So wenig es dem Zwecke des 
Kommentars entspricht, von der ganzen ausländischen Literatur 
über den Römerbrief ebenso wie von der deutschen ein mög- 
lichst vollständiges Bild zu geben, so schien es mir doch 
einem Unternehmen gegenüber, das einen internationalen Aus- 
tausch ausdrücklich beabsichtigt und so reichlich die deutsche 
Arbeit berücksichtigt, eine Art Ehrenpflicht zu sein, auch seine 
Resultate in Betreff des Römerbriefes, soweit sie für den deut- 
schen Exegeten überhaupt greifbar waren, zu registriren. 
Endlich habe ich mich sehr eingehend mit den neueren Aus- 
führungen Hilgenfelds über den Zweck und die Adresse des 
Römerbriefes auseinandergesetzt. Da der Kommentar von 
Lipsius im Wesentlichen von denselben Anschauungen darüber 
ausgeht, wie er, und doch nach seiner ganzen Anlage dieselbe 
nicht im Einzelnen so eingehend zu begründen vermag, war 
mir eine eingehendere Begründung, wie sie Hilgenfeld giebt, 
sehr willkommen, um ihr gegenüber Punkt für Punkt zeigen 
zu können, warum ich die von mir vertretene Auffassung auch 
nach eingehender Prüfung jener Gründe aufrecht erhalten 
muss, 











IV Vorwort. 


Dass mir immer wieder die Frage entstand, ob ich nicht 
einen grossen Theil der von Meyer sorgfältig gesammelten 
und von mir in seinem Geiste fortgeführten Uebersicht über 
die verschiedenen Auffassungen aller einzelnen exegetischen 
ee streichen und so den ganzen, mit Anmerkungen etwas. 
überladenen Kommentar geiälliger und lesbarer machen solle, 
wird man verstehen. Mich hielt davon ein gewisses Pietäts- 
gefühl gegen diese Riesenarbeit Meyers, aber auch die Er- 
wägung zurück, dass dieser Kommentar nach seiner ganzen 
Anlage eben nicht bloss fertige Resultate bieten will, wie die 
Handbücher, sondern in die exegetische Arbeit einführen. 
Dazu gehört aber vor Allem, dass aus ihm erhellt, wie viele 
Fragen in der Geistesarbeit der Jahrhunderte, die sich um 
diesen Brief angesammelt hat, aufgeworfen und kontrovers ge- 
worden sind, die dem schlichten Leser oft garnicht einmal 
entstehen, und die doch zuletzt alle dazu dienen müssen, den 
Gedankengang des Apostels immer klarer und immer tiefer 
verstehen zu lehren. Ausserdem zeigt die Geschichte der 
Exegese, wie oft Auffassungen, die längst als überwunden 
galten, manchmal mit Recht, oft auch mit Unrecht, plötzlich 
wieder, zuweilen mit geringen Modifikationen, auftauchen und 
ihre Berücksichtigung fordern. Es ist dann doch nicht ohne 
Nutzen, zu wissen, dass und wo diese Auffassungen schon 
früher ihre Vertretung resp. Widerlegung gefunden haben. 
Nur hie und da habe ich mir Kürzungen erlaubt, um durch 
die nothwendig gewordenen Zusätze den Kommentar nicht so 
sehr anschwellen zu lassen. Besonders habe ich meine eigene 
Darstellung vielfach zu kürzen und dadurch durchsichtiger zu 
machen gesucht. Dass ich auch an ihr vielfach gefeilt und 
rg habe, wird der Kenner der früheren Ausgaben leicht 
sehen. 


Berlin, im November 1898. 
D. Weiss. 


Abkürzungs - Verzeichniss 
siehe S. 614. 


Des Paulus Brief an die Römer. 


Einleitung. 


δ 1. 
‚lbriss des Lebens des Apostels. 


1. Paulus war von Jüdischen Eltern aus dem Stamme 
Benjamin (Rom 111. Phl 35) zu Tarsus in Cilicien *) ge- 
boren (Act Yıı. 21) und hatte bei seiner Beschneidung den 
Namen bısV erhalten, besass aber bereits durch Geburt das 
römische Bürgerrecht (2227f.)**). Seine erste Jugendbildung 


5) Dass Paulus zu Gischala in Galiläa geboren, wie Hieron. de 
vir. ill. 5 (vgl. denselben zu Phm 23) angiebt, und mit seinen Eltern 
nach der Einnahme der Stadt durch die Römer nach Tarsus aus- 
gewandert sei, wird zwar von Krenkel (Paulus d. Ap. d. Heiden 1869. 
p-. 215, vgl. auch Overbeck zu de Wette's Apostelgesch. 1870, p. 370 
Anm.) für geschichtlich gehalten. obwohl es durch Act 223 direkt 
ausgeschlossen wird, ist aber schon darum ganz unwahrscheinlich, 
weil Gischala erst im Jüdischen Kriege unter Titus durch die Römer 
erobert wurde (Joseph. bell. jud. IV. 2, 1sq.). Das altberühmte Tarsus, 
nach der Sage von Perseus gegründet, nennt Xenophon eine zolıs 

ain καὶ εὐδαίμων (Anab. 1, 2, 23), Strabo rühmt seine Blüthe in 
unst und Wissenschaft (14, ὃ, 13. p. 673). 

**) Er selbst nennt sich in seinen Briefen stehend Παῦλος, die 
Apostelgeschichte nennt ihn Σαούλ, Σαῦλος, bis sie 189 (Σαῦλος δέ, 
ὁ χαὶ Παῦλος) jenen Römischen Namen einführt und, abgesehen von 
absichtsvollen Rückblicken auf frühere Zeit (227. 18. 2614), ihn aus- 
schliesslich beibehält. Damit ist nicht angedeutet, dass er ihn auf 
Anlass der Bekehrung des Römischen Prokonsul von Cypern, Sergius 
Paulus (187) angenommen habe Leit Ewald nach Hieron. de vir. 
ill. 5), da ja der Prokonsul erst V.12 bekehrt wird; sondern dass er 
diesen Namen in seiner Wirksamkeit als Heidenapostel führte, die 


Meoyor’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 1 





2 Einleitung. ὃ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


ward wohl von dem zur pharisäischen Partei gehörigen (Act 
236) Vater nach den strengen Grundsätzen derselben betrieben 
(Phl 35. Gal 114), und der Knabe für eine pharisäische Rab- 
binenschule Jerusalem’s vorbereitet. Dort, wo er nach Act 
2316 Verwandte hatte, erscheint er schon in früher Jugendzeit 
(264, vgl. Gal 114) als Zögling des allgeehrten Gamaliel (Act 
228) ἢ. Daneben hatte der junge Saul, wie dies die beim 
Mangel stehender Besoldung der Rabbinen für ihre Unab- 
hängigkeit sehr wohlthätige Sitte mit sich brachte, ein Hand- 
werk erlernt, die Zeltschneiderei (Act 183), welcher er nach- 
mals auch in seiner apostolischen Wirksamkeit oblag, um nicht 
die Verpflegung durch die Gemeinden in Anspruch nehmen 
zu dürfen (IThs 29). Der Unterricht, den er empfing, war 
natürlich nach Form und Stoff rein rabbinisch, weshalb auch 
seine Briefe in ihren Argumentationen wie in ihrer Schrift- 
behandlung mehr oder weniger das rabbinisch-didaktische Ge- 
räge an sich tragen. Eine, wenn auch dilettantenmässige, 
Bekanntschaft mit Griechischen Geisteswerken, die er nach 
Meyer bereits in Tarsus erworben haben soll, folgt weder aus 
Act 172, noch aus IKor 153 (ΤΙ 112); von heidnischer Phi- 
losophie und Rhetorik wollte Paulus wenigstens später prin- 
zipiell nichts wissen (IKor 2ı—:), er war und blieb ein 
ἰδιώτης τῷ λόγῳ (1IKor 110) ἢ. Körperlich scheint Paulus 


—  -΄-΄΄-.-.- ς..ςἘς.- mn 


nach ihr mit dieser Reise begann. Dass er ihn damals erst ange- 
nommen (Bleek, Einleit. p. 420), ist nicht ausgedrückt, und dass er 
ihn bei seiner Bekehrung angenommen (Umbreit, StKr 1852, p. 377 £.: 
ΣΕ, der Gemachte, Neugeschaffene), nach der Darstellung der Apostel- 
geschichte sehr unwahrscheinlich. Vielmehr hatte er wohl von Anfang 
an beide Namen, was bei den Hellenistischen Juden sehr gewöhnlich 
war, und begann erst bei seiner heidenapostolischen Wirksamkeit den 
im Umgange mit Griechen ihm passenderen Römischen zu führen. 
E. Renan (St. Paul 1869, p. 256), Hausrath, Overbeck (a. a. O. p.266 
Anm.) u. A. bezweifeln ohne Grund sein Römisches Bürgerrecht. Das 
Geburtsjahr des Paulus ist völlig ungewiss. 

*, Vgl. Tholuck in d. StKr 1835, p.364 ff. (auch in s. vermischten 
Schriften II, p. 274 ff.), wo auch (p. 378) Züge aus den Rabbinen von 
der milden Freisinnigkeit dieses Enkels des berühmten Hille. Auch 
Act 534 erscheint er trotz seiner strengen Orthodoxie ost ad 
Matth. p.33) als ein mit weiser Mässigung urtheilender Mann. Dass 
sich gleichwohl der jugendliche Saul zelotisch entwickelte, kann nicht 
berechtigen, zu bezweifeln, dass er Gamaliel’s Schüler gewesen (gegen 
Hausrath neut. Zeitgesch. II, p. 419 ff.). 

54 Mit Unrecht führt Meyer zustimmend an, was Hieron. z. Gal 
437 sagt: »Paulum scisse, licet non ad perfectum, literas saeculares«. 
Das Wort, das ihm Act 1728 in den MunJ gelegt wird, ist ein Wort 
seines Landsmanns Aratus aus Cicilien, kommt aber auch bei Anderen 
vor und wird ausdrücklich als vielgebrauchtes Dichterwort angeführt; 





Einleitung. $ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 3 


nicht von sonderlich starker Natur gewesen zu sein; Gal 4:18 
sehen wir ihn durch Krankheit gehemmt, IIKor 127 hören 
wir von einem schweren leiblichen Leiden, das ihn quälte, und 
wenn er auch die Strapazen und Mühen, die ihm sein späteres 
Reiseleben auferlegte, und die Misshandlungen, die er dabei 
erfuhr (IIKor 11), aushielt, so fühlte er doch seine Körper- 
kräfte rasch schwinden (IIKor 47. 10). Auch daher vielleicht 
hatte er eine gewisse Schüchternheit in seinem Auftreten 
(IKor 23), die man ihm als Schwächlichkeit auslegen konnte 
(I1lKor 1010). Verheirathet ist Paulus nach IKor 77 nicht 
gewesen. 

2. Ob Paulus während der öffentlichen Wirksamkeit 
Jesu in Jerusalem war, wissen wir nicht, jedenfalls folgt aus 
ΤΟΣ 5ıs nicht, dass er ihn gesehen hatte. Er meinte es 
ernst mit dem Ideal des Pharisäismus (Phl 3e), und nichts 
lag ihm ferner, als die gleissnerische Scheinheiligkeit, welche 
damals bei dem gewöhnlichen Pharisäerschlage heimisch war 
{vgl. Keim, Gesch. Jesu I, p. 265). Gerade sein Ringen mit 
der eigenen widerstrebenden Natur, wie er es Röm 7 ff. so 
erschütternd schildert, gerade das stete Gefühl von der Un- 
genüge seiner eigenen, mit allen Kräften erstrebten Gesetzes- 
erfüllung machte ihn zu einem immer leidenschaftlicheren 
Eiferer für Jehova’s und des Gesetzes Ehre (Act 223), wie 
für die pharisäischen Satzungen (Gal 114), in denen er nur die 
Normen für die pünktlichste Erfüllung des göttlichen Willens 
sehen konnte. Als nun zuerst die Gemeinde der Messias- 
gläubigen in dem Auftreten des Stephanus als Gegnerin der 
Gesetz-Orthodoxie (vgl. Act 6ısf.) erschien, da musste auch 
sein Zelotismus gegen dieselbe entflammt werden, und schon 
bei der Steinigung des Stephanus sehen wir Saul, obwohl 
noch sehr untergeordnet, mit Wohlgefallen thätig (Act 768, 
vgl. 22»). Da ihm sich hier aber eine erwünschte Gelegen- 
heit bot, seinen Gesetzeseifer im Dienste Gottes zu bewähren 
und durch ganz neue Leistungen dem unerreichten Ideale 
sich anzunähern, so trat er bald auch als selbstständiger 
Christenverfolger auf und wüthete gegen die Christen mit 


Tit l1ı2 ist ein Wort des Kretenser Epimenides über seine Lands- 
leute, das auf der Insel natürlich in Aller Munde war; und dass 
Paulus den Spruch IKor 1533 nicht in der Thais des Menander ge- 
lesen, erhellt schon daraus, dass er in der Wiedergabe das Metrum 
zerstört, also sichtlich nicht weiss, dass es ein Vers ist. Die Ueber- 
treibungen Aelterer (s. z. B. Schramm de stupenda eruditione Pauli. 
Herborn 1710) sind ganz aus der Luft gegriffen. Nicht einmal, dass 
er an einzelnen Schriftstellern, wie Demosthenes (Köster in d. StKr 
1854, p. 305ff.), seine Sprache gebildet habe, lässt sich nachweisen. 


1: 





4 Einleitung. & 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


einer so entschiedenen und beharrlichen Gewaltthätigkeit (Act 
88, vgl. 22 888. 2698), dass ihm dieses Treiben immer der 
demüthigendste Stachel seines Bewusstseins blieb (I Kor 189). 
Zeigen schon diese Thatsachen, dass er nicht etwa aus Ga- 
maliel’s Schule irgendwelche freisinnige oder tolerante Grund- 
sätze mitgebracht hatte, die allmählig gegen seinen Zelotismus 
zu reagiren begannen, so ist es ebenso unzulässig, dafür auf 
Eindrücke, welche er bei seinen Disputationen mit den Christen 
oder von ihrem Verhalten beim Martyrium bekam, zu re- 
flektiren, da seine eigene Darstellung Gal lısf. geflissentlich 
hervorhebt, wie seine ganze Richtung vor dem Ereigniss bei 
Damaskus ihn völlig unempfänglich für jede Berührung mit der 
christlichen Wahrheit machte. Erst als ihm, da er, vom 
Sanhedrin bevollmächtigt (Act 9ıf.), sein zelotisches Wirken 
über Palästina’s Grenzen trug, bei Damaskus jene wunderbare 
Erscheinung des erhöhten Jesus in himmlischer Glorie (8. z. 
Act 93. IKor 9ı. 158) zu Theil ward*), die sein ganzes 
bisheriges Treiben thatsächlich als Irrthum und Sünde ver- 
urtheilte, da fühlte er sich von Christo ergriffen (Phl 312) und 
von Gott zur Mitgliedschaft der Gemeinde berufen (Gal 115), 
in die er sich sofort durch Ananias in Damaskus aufnehmen 
liess (Act 9ırf.)**). Die Hauptthatsachen des Lebens Jesu 
konnten ihm schon in Jerusalem bei seinem gegnerischen 
Wirken wider die Christen im Allgemeinen nicht unbekannt 
bleiben; aber die neue Erkenntniss, dass der am Kreuze ge- 
storbene Jesus von Gott auferweckt und durch seine Erhöhung 


Ἢ Ueber und gegen die Versuche der Tübinger Schule (beson- 
ders Baur’s und Holsten’s), das Ereigniss bei Damaskus als eine auf 
pre een Wege erklärbare Vision darzustellen, in welcher die 

eberzeugung Sauls von der Messianität Jesu zum Durchbruch ge- 
kommen sei und sich ihm selbst objektivirt habe, s. Beyschlag in d. 
StKr 1864, 2. 1870, 1. 2. 

**) Nach der stehenden Ausdrucksweise des Apostels ist seine 
Taufe in seine Berufung eingeschlossen zu denken. enn es Paulus 
später so ansah, dass er auf dem Wege nach Damaskus bereits be- 
rufen sei, um unter den Heiden das Evangelium zu verkündigen (Gal 
116), und er in der Gnade, die ihn zum Christen machte, immer zu- 
gleich die Gnade sah, die ihn zum Apostel bestimmte und befähigte 
(Gal 29. 1Kor 310. Rom 15. 123), so folgt daraus keineswegs, dass 
ihm dies bei seiner Christenberufung von vorn herein klar war. Die 
Apostelgeschichte schwankt hierüber, indem sie die nach Act 2616. 18 
dem Apostel bei seiner Bekehrung zu Theil gewordene Offenbarun 
2231 nach Jerusalem verlegt und 915 sie nur dem Ananias zu Thei 
werden lässt, woraus erhellt, dass auch jene Stellen in den Reden 
des Apostels nur seine spätere Ueberzeugung ausdrücken, dass seine 
wunderbare Bekehrung von vorn herein die Absicht gehabt habe, ihn 
zum Heidenapostel zu machen. 


Einleitung. ὃ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 5 


zum Himmel in die volle Würde und Machtstellung des Mes- 
sias eingesetzt sei, liess dieselben in völlig neuem Lichte er- 
scheinen; und die göttliche Offenbarung, die ihm in Folge 
seiner Bekehrung (durch den Geist) zu Theil ward, lehrte ihn 
erst die Person Christi und sein Heilswerk in seiner ganzen 
Bedeutung erkennen (Gal 116), so dass er sein Evangelium, 
dessen Inhalt dieselbe bildete, mit vollem Rechte als ein nicht 
von Menschen empfangenes bezeichnen konnte: (111). Um 
ausschliesslich dem Verkehre mit Gott zu leben, welcher die 
neue ihm aufgegangene Erkenntniss vertiefen und befestigen 
sollte, begab sich Paulus gleich nach seiner Berufung nach 
Arabien (lısf.), ἃ. ἢ. wohl nach dem nördlichen, an Syrien 
grenzenden Theil desselben, dem Hauran (Auranitis), wo er 
nach 118 fast drei Jahre lang in stiller Zurückgezogenheit 
verweilte *). 

3. Da Paulus von Arabien nach Damaskus zurückkehrte 
(Gal 117), so wird in diese Zeit fallen, was Act 90%—z von 
seiner Verkündigung der Messianität Jesu in den dortigen 
Synagogen erzählt ist. Dadurch wurde die Feindschaft der 
Juden gegen ihn erregt, die den Ethnarchen des Königs 
Aretas anstifteten, ihn zu verhaften, so dass er schleunigst 
und heimlich entfliehen musste (Act 98—x. IIKor 11sf.)**). 
Von hier erst begab sich Paulus nach Jerusalem, um daselbst 


ἢ Schon Schrader, Köllner, Rückert, Holsten, Krenkel u. M. 
lassen Paulus sich gleich nach seiner Bekehrung in eine angrenı.snde 
Einöde Arabiens zurückziehen, um sich im Stillen auf seinen Beruf 
vorzubereiten; vgl. auch Hausrath neut. Zeitgesch. II, p. 455. Der 
Ansicht Meyer’s, dass Paulus den grössten Theil dieser Zeit predigend 
in Damaskus zugebracht und dieselbe nur durch eine kurze Reise 
nach Arabien, welche einen ersten Versuch auswärtiger Wirksamkeit 
bezweckte, unterbrochen habe, widerspricht der Wortlaut und Sinn 
von Gal lısf., auch finden wir von einer Wirksamkeit desselben in 
Arabien keine Spur (vgl. z. Rom 1519). Die Apostelgeschichte, die 
ihn nur mehrere Tage in Damaskus verweilen lässt (928), ist tiber 
diese Anfänge Pauli ungenau unterrichtet, da es eine willkürliche 
Annahme ist, dass sie tendenziös diese drei Jahre übergangen habe 
(Hilgenfeld, Zeller), und kann deshalb in 9ısf. keinen Gegenbeweis 
dagegen abgeben. Auch Eichhorn, Hemsen, Ewald, Weizsäcker, 
Jülicher u. Aeltere lassen den Apostel die ganzen oder fast die 
ganzen drei Jahre in Arabien zubringen. 

**) Gewöhnlich nimmt man an, dass Aretas, als der gegen ihn 
ausgesandte Vitellius nach der Nachricht von dem Tode des Tiberius 
seine Heere in die Winterquartiere geführt hatte, sich des reichen 
Damaskus bemächtigt und dasselbe bis zur Ordnung der Arabischen 
Angelegenheiten im 2. Jahr des Caligula besessen habe, und setzt 
danach die Flucht des Apostels ins Jahr 38, seine Bekehrung also ins 
Jahr 35. So auch Meyer. Andere dagegen nehmen an, dass Aretas 





6 Einleitung. ὃ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


nn Bekanntschaft mit Petrus anzuknüpfen und blieb 
ort fünfzehn Tage (Gal Is). Anfangs von den dortigen 
Gläubigen mit Misstrauen betrachtet, ward er durch Barnabas 
bei den Aposteln eingeführt (Act 9zf.), von welchen jedoch 
nach Gal 119 ausser Petrus nur Jakobus, der Bruder des 
Herrn, anwesend war. Nach Act 9»f. hat Paulus auch hier 
epredigt und insbesondere mit den Hellenistischen Juden 
dia bis die Verfolgung der Hellenisten auch hier seinem 
Wirken ein Ende machte*).. Er zog sich durch Syrien in 
seine Heimath zurück (Gal 121), wo er ganz in stiller Ver- 
borgenheit gelebt und gewirkt zu haben scheint, bis Barnabas, 
welcher die Grösse und Wichtigkeit des ausserordentlichen 
Mannes erkannt hatte, ihn zu Tarsus wieder aufsuchte und 
nach Antiochia, der Hauptstadt Syriens, mitnahm, wo da- 
mals gerade zuerst eine wesentlich heidenchristliche Gemeinde 
sich bildete, und wo beide Männer ein ganzes Jahr ohne Unter- 
brechung der Verkündigung des Evangeliums oblagen (Act 
11 51). Von dort aus soll er nach Act 11] 21---80ὺ mit Barnabas 
eine Kollekte der Antiochenischen Brüder den von einer 
Hungersnoth heimgesuchten Gemeinden Judäas gebracht 
haben ἢ. Bald nach ihrer Rückkehr wurden sie von der 
Antiochenischen Gemeinde förmlich und feierlich für eine 
Missionsreise geweiht (Act 131—ıs), die sie in Begleitung des 
aus Jerusalem mitgebrachten Johannes Markus antraten. Es 
erhellt aus der Apostelgeschichte nicht, dass sie speziell für 
die Heidenmission bestimmt war, wie Meyer annimmt, ihr ur- 
sprünglicher Zweck scheint vielmehr auf die Diasporajuden 


eschenkweise (Schürer, Wieseler) oder vertragsmässig (Ewald) die 
tadt von Caligula erhalten habe, wodurch diese Berechnung ganz 
unsicher wird. Vgl. Weiss, Lehrbuch der Einl. 3, Aufl. 1897, p. 114. 
Ἢ Ersteres wird durch Rom 1519. Gal 1986, so ausdrücklich 
bestätigt, dass die Einwendungen der Kritik hier völlig hinfällig 
werden; und wenn die Gemeinden Judäa’s hörten, dass er den Glauben, 
den er einst verstörte, verkündige, und darüber Gott priesen, so er- 
hellt, dass damals in seiner Verkündigung von der Messianität Jesu 
noch kein irgend auffälliger Unterschied von der urapostolischen Ver- 
kündigung hervorgetreten sein kann, und dass er sıch damals noch 
keineswegs spezifisch oder gar ausschliesslich zum Heidenapostel be- 
rufen glaubte. 

**) Dass Saul bei dieser Gelegenheit wenigstens nicht mit bis 
Jerusalem gekommen sein kann, nimmt Meyer auf Grund von Gal 2ı 
an, woraus aber bei richtiger Würdigung der Absicht, in welcher 
Paulus hervorhebt, dass er erst 14 Jahre nach seinem Beginn der 
evangelischen Verkündigung sein Evangelium der dortigen Gemeinde 
und ihren Autoritäten vorgelegt habe, nicht folgt, dass er inzwischen 
nicht in Jerusalem gewesen war. Näheres vgl. Weiss, Einl. p. 117. 


Einleitung. $ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 7 


gegangen zu sein; aber sie bot Gelegenheit, sich vielfach und 
namentlich, wo die Juden die Heilsbotschaft verwarfen, zu den 
Heiden zu wenden. Diese Reise ist es oflenbar gewesen, auf 
welcher dem Paulus auf Grund seiner Erfolge unter den 
Heiden (Gal 2’f.) sein spezieller Beruf zum Heidenapostel 
aufging, und auf welcher er sehr bald, seiner ei enthümlichen 
Begabung dafür entsprechend, die Leitung der Mission ergriff, 
die ursprünglich Barnabas gehabt hatte, wie die Apostel- 

eschichte klar andeutet*), Die Reise ging zuerst nach der 

eimath des Barnabas, nach der Insel Cypern, wo gleich der 
doppelte Erfolg sein Werk krönte, dass er, von Salamis bis 
Paphos vorgedrungen, hier den Go&äten Elymas demüthigte 
and den Prokonsul Sergius Paulus bekehrte (Act 136—12). 
Dann wurden Pamphylien, wo sich Markus von den Missionaren 
trennte (13 15), Pisidien und Lykaonien besucht, wo sie be- 
sonders zu Antiochia und Iconium, Lystra und Derbe Ge- 
meinden stifteten und durch Anstellung von Presbytern (1425) 
ordneten. Bald um eines Wunderwerkes willen vergöttert 
(14 uff.), bald verfolgt und gesteinigt (1350. 145. 19), kehrten sie, 
von Perge nach Attalia hinabgezogen, zur Antiochenischen 
Muttergemeinde zurück. 

4. Sicher hatte bei der Entstehung einer heidenchrist- 
lichen Gemeinde in Antiochia Niemand daran gedacht, von 
den bekehrten Heiden die Beschneidung und die Gesetzes- 
erfüllung zu verlangen. Je näher man die Wiederkunft Christi 
glaubte, um so eher konnte man es ihm überlassen, die eigen- 
thümliche Ausnahmestellung, welche diese Unbeschnittenen 
in der Messiasgemeinde Israels einnahmen, zu regeln oder 


Ἢ Meyer schildert hier, wie Paulus überall, wo Juden waren, 
zuvörderst bei ihnen, der bewussten göttlichen Ordnung (Rom 116. 
1584.) und seiner tiefen Liebe zu seinem Volke gemäss (Rom 9 18.) 
sein Amt zu versehen pflegte, dann aber, gewöhnlich von den Juden 
verworfen, den Heiden das Licht Christi leuchten liess und unter 
allen Verhältnissen eine Kraft und Gewandtheit des Geistes, eine 
Schärfe und Tiefe, Klarheit und Konsequenz des Gedankens, eine 
Reinheit und Festigkeit des Willens, eine Innigkeit des Gemüthes, 
eine heilige Kühnheit des Strebens, eine Weisheit des Benehmens, 
eine Sicherheit und Feinheit des praktischen Tactes, eine Stärke und 
Freiheit des Glaubens, eine Gluth und Kunst der Beredsamkeit, einen 
Heldenmuth in Gefahren, eine Liebe, Selbstverleugnung, Geduld und 
Demuth und in dem Allen eine hehre Macht genialer Begabtheit ent- 
wickelte, welche dem von Christo zu seinem auserkorenen Rüstzeug 
emachten Saul die Ehrfurcht und Bewunderung aller Zeiten sichern. 
gl. noch Luthardt, d. Ap. P. e. Lebensbild, 1869. Sabatier, l’apötre 
Paul 1870. Hausrath, der Ap. Paul. 2. Aufl. 1872. Weizsäcker, das 
apostolische Zeitalter 2. Aufl. 1892. p. 65ff. 





8 Einleitung. ὃ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


aufzuheben. Anders wurde die Sachlage nach den Erfolgen 
dieser ersten Missionsreise. In dem Messe, in dem sich 
Paulus bewusst wurde, zum Heidenapostel berufen zu sein, 
konnte von der Beschneidung der durch ihn berufenen Heiden 
vollends nicht die Rede sein, da dieselben ja dadurch zu Juden 
gemacht wurden und somit die Eigenthümlichkeit seines 
Apostelberufes aufgehoben wäre*). Andrerseits hatte sich nun 
an die Antiochenische Gemeinde in Folge der Wirksamkeit 
ihrer Missionare eine Reihe blühender Heidengemeinden an- 
geschlossen, und das gesetzesfreie Heidenchristenthum begann 
an Zahl und Bedeutung die gesetzestreue judenchristliche 
Urgemeinde, welche immer noch die Heilsvollendung in den 
Formen der Israelitischen Theokratie erwartete, zu überflügeln ; 
es musste also die Frage zur Entscheidung gebracht werden, 
ob es nicht an der Zeit sei, dass die neubekehrten Heiden- 
christen durch die Beschneidung und die Auferlegung des 
Gesetzes dem gläubigen Israel einverleibt würden. In der 
That wurde diese Forderung jetzt in Antiochia gestellt (Act 
151. Gal 24), und dies bewog den Apostel, mit Barnabas 
nach Jerusalem zu gehen und der Urgemeinde wie ihren 
Autoritäten sein gesetzesfreies Evangelium vorzulegen (Gal 22). 
Wie sehr dasselbe dort Anerkennung fand, beweist Paulus 
dadurch, dass nicht einmal der Heide Titus, mit dem er, der 
beschnittene Jude, als mit seinem ständigen Begleiter verkehrte, 
zur Beschneidung gezwungen wurde (V. 3). Er deutet an, 
dass diese Forderung gestellt, aber, als er um der Prinzipien- 
frage willen, die daraus gemacht wurde, nicht nachgeben 
konnte (V. 4f.), nicht aufrecht erhalten wurde; und da dies 
Resultat nur durch die entscheidenden Autoritäten in Jeru- 
salem herbeigeführt sein kann, so begreift es sich, dass von 
diesen sein Evangelium voll und ganz anerkannt und ihm mit 
Barnabas das ihnen speziell von Gott zugewiesene (Gebiet 
der Heidenmission überlassen wurde (V.6—10)**). So gewiss 


Ἢ So wenig wir auch voraussetzen dürfen, dass dem Apostel 
schon jetzt die ganze tiefsinnige Begründung seiner Lehre von der 
Rechtfertigung allein durch den Glauben und von der prinzipiellen 
Gesetzesfreiheit aller Gläubigen, wie er sie später im Kampfe mit den 
jJudaistischen Gegnern entwickelte, sich ausgebildet hatte, so brachte 
es doch die Art, wie er selbst zum Glauben gekommen war, und der 
Weg, auf dem ihm Gott selbst seinen eigenthümlichen Beruf zuge- 
wiesen hatte, mit sich, dass er schon jetzt in einer von der uraposto- 
lischen Predigt erkennbar verschiedenen Weise die freie Gnade (ottes 
in Christo und den Gekreuzigten als den Retter der ganzen Sünder- 
welt verkündigte. j 

**) Diese Verhandlungen in Jerusalem fanden nach Gal 21 vier- 


Einleitung. ᾧ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 9 


hiemit die Freiheit der Heidenchristen vom Gesetz anerkannt 
war, so gewiss geschah dies unter der Voraussetzung, dass die 
Judenchristen dem väterlichen Gesetze treu blieben. Um so 
grösseren Anstoss erregte es daher in Jerusalem, als nach der 
Rückkehr des Paulus nach Antiochia bei einem Besuche des 
Petrus daselbst dieser mit den dortigen Heidenchristen ass und 
so sich seinerseits von der strengen Befolgung des Gesetzes 
um der christlichen Brudergemeinschaft willen dispensirte. Als 
dieser aber aus Scheu vor einigen Sendlingen aus Jerusalem, 
die ihn offenbar deswegen zu interpelliren kamen, sich wieder 
von den Unbeschnittenen zurückzog und auch den Barnabas 
und die anderen Judenchristen daselbst zu solcher Verleugnung 
ihrer freieren Ueberzeugung verleitete: da musste ihn Paulus 
öffentlich zurechtweisen, weil er durch diese Verweigerung der 
christlichen Brudergemeinschaft die Heidenchristen indirect 
zwang, Juden zu werden, wenn sie ihrerseits dieselbe nicht 
entbehren wollten, und Christum zum Sündendiener machte, 
um deswillen er sich seine jetzt als Sünde verurtheilte freiere 
Stellung zum Gesetz erlaubt hatte (Gal 2uff.). Ob dieser 
Streit noch dazu mitwirkte, dass Barnabas, als ihm Paulus 
eine Visitationsreise in die gemeinsam gestifteten Gemeinden 
antrug, sich mit demselben wegen der Frage, ob Markus 


zehn Jahre nach der ersten Jerusalemreise des Apostels, also nach 
der gewöhnlichen Rechnung im Jahre 52 statt. Es kann kein Zweifel 
sein, dass Lukas dieselben Verhandlungen Act 15 darstellen will. 
Die Frage, ob sein Bericht sich mit dem Paulinischen (Gal 2) ver- 
einigen lasse, hängt lediglich davon ab, ob man die Enthaltungen, 
die auf den Vorschlag des Jakobus nach Act 1520 den Heidenchristen 
auferlegt wurden, als eine wenigstens theilweise Auferlegung des 
Gesetzes oder nach der richtigen Auffassung ihrer Motivirung in 
V. 21 als eine Rücksichtnahme auf die Diasporajuden fasst, denen 
dadurch der schlimmste Anstoss an den gesetzesfreien Messias- 
gemeinden in der Heidenwelt gehoben werden sollte, und ob man es 
für möglich hält, dass Paulus diese Ordnungen in den auf der Mis- 
sionsreise mit Barnabas gestifteten Heidengemeinden einführte (Act 
164), während er auf dem neuen Missionsgebiet, das er von jetzt ab 
betrat, sich an dieselben nicht gebunden hielt (vgl. das Nähere bei 
Weiss, Einleitung p. 121). Meint man Beides bestreiten zu müssen, 
so folgt daraus keineswegs, dass Act 15 eine tendenziöse Fälschung 
der Thatsachen vorliegt, sondern dass die dort von Lukas augen- 
scheinlich benutzte Quelle Verhandlungen in Jerusalem erzählte, 
welche Lukas irriger Weise mit denen in Gal 2 identifizirt hat, und 
von denen also nicht erhellt, dass Paulus irgendwie an ihnen Theil 
genommen hat. Die Thatsache aber, dass Paulus und sein Evan- 
gelium in Jerusalem von den Uraposteln anerkannt ist, liegt in Gal 2 
so klar vor, dass nur die entschlossenste Umdeutung dieser Stelle 
das Vorurtheil eines prinzipiellen Gegensatzes zwischen Paulus und 
ihnen aufrecht erhalten kann. 


10 Einleitung. 8 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


wieder mitgenommen werden sollte, veruneinigte (Act 1 86----89), 
wissen wir nicht; gewiss ist nur, dass Paulus nunmehr ganz 
selbstständig eine grössere Missionsreise unternahm und anstatt 
des Barnabas den Silas, der mit ihm von Jerusalem nach 
Antiochia gekommen war (V. 32), mitnahm (V. 40). 

5. Ob es wirklich noch in demselben Jahre war (Meyer: 
52 n. Chr.), als Paulus diese Missionsreise antrat, ist völlig 
ungewiss. Er zog durch Syrien und Cilicien, das christliche 
Leben der Gemeinden kräftigend (Act 1541), und dann durch 
Lykaonien, wo er zu Lystra (s. z. Act 161) den Timotheus sich 
zugesellte, an welchem er, um seinen Volksgenossen keinen 
Anstoss zu geben (vgl. IKor 9%), die Beschneidung vollzog 
(Act 108). Während Paulus sonst Kleinasien nur durchzog 
I 16eff.), wurde er in Galatien durch leibliche Schwachheit 

alt zu machen genöthigt und so zur Pflanzung der dortigen 
Gemeinden veranlasst (Gal 418); aber nach Troas gelangt, 
empfing er in einem nächtlichen Gesichte einen Ruf Christi 
nach Macedonien (16sff... Diesem folgend, betrat er zum 
ersten Male Europäischen Boden, legte in Macedonien den 
Grund zu den Gemeinden in Philippi, Thessalonich und Beroea 
(Act 16ızff. 171ff. V. 1082), und predigte, nachdem er durch 
die Verfolgungen der Juden zur Flucht genöthigt war, in 
Athen, ohne dort zu einer Gemeindegründung' zu schreiten 
(Act 1Tısfl.). Desto länger und gedeihlicher war seine Arbeit 
in Korinth, wo er eine blühende Gemeinde gründete und in 
Gemeinschaft mit Silas und Timotheus, die in Beroea ge- 
blieben waren, und hier wieder zu ihm stiessen, über andert- 
halb Jahre (Act 1811. 18, nach Meyer: 53 u. 54) wirkte. Er 
fand dort Wohnung und Arbeit bei seinem Handwerksgenossen 
Aquila (Act 18ıff.), der sich nebst seiner Frau Priscilla als 
Römischer Emigrant daselbst aufhielt, und schrieb von dort 
auch die ersten seiner uns aufbehaltenen Briefe, nämlich an 
die Thessalonicher, welche besonders charakteristisch sind 
für die Feindseligkeit, mit der ihm damals die ungläubigen 
Juden überall entgegentraten, und für die Zeit seiner grössesten 
Spannung mit seinen eigenen Volksgenossen. Von Korinth 
aus trat er seine Rückkehr an, doch nicht geraden Weges, 
sondern er ging über Ephesus (bis wohin ihn Aquila und 
Priscilla begleiteten) zu einem kurzen Besuch nach Jerusalem, 
von wo er in den Schooss der Syrischen Mutterkirche zurück- 
gelangte (Act 1818. 2). 

6. Es ist nur eine ungenaue Ausdrucksweise, wenn man 
gewöhnlich (auch Meyer) es so darstellt, als ob Paulus Act 
18:28 seine dritte Missionsreise antritt. Offenbar war es der 
Wunsch, seinen neuen Schöpfungen in Macedonien und 


Einleitung. $ 1. Abries des Lebens des Apostele. 11 


Griechenland näher zu sein, was ihn bewog, seinen Sitz von 
Antiochia nach Ephesus zu verlegen, wohin er nach V. 21 
schon bei dem ersten Besuch wiederzukommen versprochen 
hatte. Als er durch Galatien und Phrygien zog, fand er be- 
reits dort die von ihm gestifteten heidenchristlichen Gemeinden 
durch eine judenchristliche Agitation in Unruhe versetzt, deren 
ihm hier zum ersten Male begegnende Opposition diese ganze 
Periode für ihn zu einer Zeit schwerer Kämpfe machte. 
Kaum in Ephesus angelangt, erfuhr er, dass sein energisches 
Auftreten gegen dieselbe seinen Zweck keineswegs erreicht 
hatte, und schrieb nun seinen Brief an die Galater, durch 
welchen es ihm gelang, die christliche Freiheit seiner dortigen 
Gemeinden zu retten. In Ephesus selbst wirkte er fast drei 
Jahre (nach Meyer: 56—58) mit besonderer Kraft und In- 
brunst und mit vorzüglichem Segen (Act 19:---201), obwohl 
auch von schweren Bedrängnissen angefochten (Act 2018. 
IKor 152). Von hier aus machte er wahrscheinlich eine 
Reise nach Korinth, wohin er also jetzt zum zweiten Male 
kam, und schrieb auch gegen das Ende jenes Aufenthaltes 
unseren ersten Korintherbrief. Sein beharrlicher Ent- 
schluss aber, nunmehr seine Thätigkeit in den fernen Occident, 
und zwar nach Rom, zu verlegen, und vorher nicht nur seine 
Macedonier und Achäer wiederzusehen und zur Glaubenstreue 
zu ermahnen, sondern auch noch einmal nach Jerusalem zu 
ziehen (Act 1921), bewog ihn endlich, Ephesus zu verlassen. 
Er durchreiste daher, nachdem erst noch der Silberschläger 
Demetrius einen Tumult, obwohl fruchtlos, gegen ihn erregt 
hatte (Act 1924}, und nach anderen harten Bedrängnissen, 
die er noch in Asien erlitt (IIKor 18), Macedonien, wohin 
er über Troas (IIKor 212) gelangte. Hier schrieb er, nach- 
dem Titus von Korinth, wohin er ihn gesandt hatte, um Nach- 
richt über den Eindruck seines ersten Briefes zu empfangen, 
wieder bei ihm eingetroffen war, den zweiten Korinther- 
brief. Aus diesem erhellt, dass die judaistische Opposition, 
die nach manchen Spuren im ersten Briefe bereits damals, als 
er diesen schrieb, in Korinth aufgetreten war, in Folge des- 
selben eine nur zu erfolgreiche Agitation daselbst eröffnet 
hatte, welche zunächst auf die Verdächtigun seiner Person 
und die Untergrabung seiner Autorität gerichtet war. Wie 
weit es den sehr scharfen Worten, mit denen er diese Agitation 
zu vernichten suchte, und seiner erregten Selbstapologie un- 
mittelbar gelang, die Opposition niederzuschlagen, wissen wir 
nicht; aber sein dreimonatlicher Aufenthalt in Achaia (Act 
208), während dessen er wohl hauptsächlich in Korinth ver- 
weilte, zeigt hinlänglich, dass sein Verhältniss zu dieser Ge- 





12 Einleitung. ὃ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


meinde vollständig wiederhergestellt war. Nunmehr sah Paulus 
seinen Beruf in seinem bisherigen Wirkungskreise als erfüllt 
an; von Jerusalem bis nach Illyrien hatte er das Evangelium 
gepredigt (Rom 18 19. 3) und wollte nun, über Rom reisend, 
sich einen neuen Wirkungskreis in Spanien suchen, sobald er 
eine in Macedonien und Griechenland gesammelte Collecte 
nach Jerusalem gebracht habe (Rom 18 258}. In dieser Situa- 
tion schrieb er seinen Brief an die Römer. Aber dass ihm 
Leiden und Bedrängnis in Judäa bevorständen, entging 
seinem ahnenden Geiste nicht (Rom 15 9). Schon jetzt 
wurde er durch Jüdische Nachstellungen verhindert, von 
Achaia unmittelbar nach Syrien zu schiffen, kehrte wieder 
nach Macedonien zurück und setzte nach den Ostertagen von 
Philippi nach Troas über (Act 203—s), wo ihn seine voraut- 
gereisten Begleiter erwarteten. Von hier nach Milet gelangt, 
nahm er feierlich von den Presbytern seiner theuren Epheser- 
gemeinde auf immer Abschied (Act 2017ff.); denn er war fest 
überzeugt, dass er Banden und Drangsalen Si eBeugee 
(208). Zu Tyrus warnten ihn die Christen vor Jerusalem 
214); zu Cäsarea verkündigte ihm Agabus mit prophetischer 
estimmtheit den nahen Verlust seiner Freiheit (21 10ff.), und 
seine Freunde suchten ihn mit Thränen jetzt noch zur Rück- 
kehr zu bewegen; aber nichts konnte seine Entschiedenheit, 
dem Zuge des Geistes, der ihn nach Jerusalem drängte (202), 
unbedingt zu folgen, im mindesten wankend machen. 

7. So kam er nach Jerusalem, nach Meyer kurz vor 
dem Pfingstfeste des Jahres 59, und ward gleich am folgenden 
Tage von Jakobus und den Presbytern bewogen, um der 
Judaisten willen ein Nasiräat zu übernehmen (21zff.); allein 
ehe noch die dazu nothwendige Weihe vollbracht war, über- 
fielen ihn die Asiatischen Juden im Tempel, indem sie ihn 
beschuldigten, der Gesetz- und Tempelfeind habe auch Heiden 
mit in’s Heiligthum genommen; und sie würden ihn getödtet 
haben, wenn ihn nicht der Tribun der Burg Antonia mit 
militärischer Gewalt ihren Händen entrissen hätte (212»—3). 
Vergeblich vertheidigte er sich vor dem Volke (Act 22) und 
Tags nachher vor dem Sanhedrin (231—ı0), aber vergeblich 
war auch ein Mordanschlag, welchen jetzt verschworene Juden 
gegen ihn machten (2311—2); denn der Tribun, davon unter- 
richtet, liess den Apostel sofort zum Procurator Felix nach 
Cäsarea bringen (2?38—s). Felix wusste, trotz seiner treff- 
lichen Verantwortung, ihn zwei Jahre lang als Gefangenen 
hinzuhalten, sogar Bestechung von ihm erwartend. In dieser 
Zeit, wo Paulus, der Hoffnung einer baldigen Befreiung lebend, 
in Cäsarea gefangen sass, und nicht, wie man gewöhnlich an- 





Einleitung. & 1. Abriss des Lebens des Apostele. 13 


nimmt, in der Römischen Gefangenschaft, ist wahrscheinlich der 
Brief an die Kolosser Geschrieben, den ein Handschreiben 
an Philemon begleitete, und das Rundschreiben an die klein- 
asiatischen Gemeinden, das jetzt den Namen des Epheser- 
briefes führt. Bei seinem Abgange aus der Provinz hinter- 
liess Felix den gefangenen Apostel aus Gefälligkeit gegen die 
Juden seinem Amtsnachfolger Porcius Festus (Act 24) ἢ. 
Auch bei diesem, vor welchem die Juden ihre Anklagen und 
Paulus die Verantwortung seiner Unschuld erneuerte, fand der 
Apostel sein Recht nicht und sah sich daher genöthigt, förm- 
liche Berufung an den Kaiser einzulegen (251—ı2). Die 
Appellation hatte, ungeachtet der einstimmig günstigen Ur- 
theile, welche nach seiner feierlichen Verantwortung vor dem 
Könige Agrippa II. und dessen Schwester (25ısff.) über ihn 
gefällt wurden (Act 26), die nothwendige Folge, dass er von 
Cäsarea nach Rom überantwortet wurde. Auf der herbst- 
lichen Seefahrt, auf welcher ihn Lukas und Aristarchus be- 
gleiteten, häufte sich Gefahr auf Gefahr, nachdem man des 
Apostels weise Warnungen verschmäht hatte (Act 2710. 1121); 
und nur dadurch, dass man nachher ihm Folge leistete (Act 
27%0—3%), wurden Alle gerettet und nach Strandung des 
Schiffes bei Malta glücklich auf dieser Insel zur Ueber- 
winterung geborgen. Im folgenden Frühjahr sah er Rom, 
obwohl nicht, wie es so lange sein inständiger Wunsch ge- 
wesen war (Rom 1 108}, als freier Herold des Evangeliums. 
Doch genoss er daselbst die Vergünstigung, nachdem er eine 
Custodia militaris empfangen, in einer eigenen Miethwohnung 
sich aufhalten und ununterbrochen an Allen, die zu ihm 
kamen, seine Lehrthätigkeit fortsetzen zu dürfen. Volle zwei 
Jahre (vom Frühjahr 61 oder 62 an) dauerte diese milde Haft, 
aus welcher er den Brief an die Philipper schrieb. Nach 
Act 28sf. muss nach diesen zwei Jahren eine entscheidende 
Wendung eingetreten sein; ob aber sein Tod oder seine Frei- 
lassung, das erhellt weder aus der Apostelgeschichte, noch 
haben wir sonst darüber direkte Nachrichten. Nur so viel 
ergiebt sich aus den Zeugnissen der Kirchenschriftsteller als 
geschichtlich gewiss, dass er in Rom unter Nero den Märtyrer- 
tod durch Enthauptung starb (vgl. Credner, Einl. I, p. 318fl.), 
nicht so gewiss, ob er mit Petrus zu gleicher Zeit starb. 
Sieht man die Briefe an Timotheus und Titus als ächt an, 


*) Der Amtsantritt des Porcius Festus, der für die Chronologie 
des Lebens Pauli von entscheidender Bedeutung ist, wird von Anger, 
Wieseler, Schürer in den Sommer 60, von Meyer in den Sommer 61 


gesetzt. 


14 Einleitung. $& 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


80 muss man, wie schon Euseb. insbesondere hinsichtlich des 
IlTim gethan, die Ueberlieferung von der Befreiung des 
Apostels aus Rom und von einer zweiten Gefangenschaft 
daselbst als geschichtliches Postulat nehmen, um für die 
historischen Beziehungen der Briefe den sonst unfindbaren 
Raum und für ihren sonstigen Inhalt die möglichst späte Zeit 
zu gewinnen. Sie wären dann eben das einzige geschichtliche 
Document einer Lebensperiode des Apostels, ohne deren An- 
nahme man ihre Aechtheit nicht vertheidigen kann. Von dem 
früher gehegten spanischen Reiseplan findet sich übrigens in 
dem zu Rom geschriebenen Briefe an die anpper keine 
Spur mehr, vielmehr hat er (wenigstens zunächst) für den Fall 
seiner Befreiung Macedonien, also die Rückkehr in den Osten, 
im Auge (12f. 24). Aus Act 20» aber lässt sich nicht er- 
weisen, dass er nicht mehr in sein früheres Missionsgebiet 
zurückgekehrt ist. 


Anmerkung. Hiernach muss die Frage eine offene bleiben, 
ob der Märtyrertod des Paulus der Ausgang seiner uns bekannten 
(Petavius, Lardner, Schmidt, Eichhorn, Heinrichs, Wolf de altera 
Pauli captivit. Lips. 1619. 1821, Schrader, Hemsen, Köllner, Winer, 
Fritzsche, Baur, Schenkel, de Wette, Matthies, Wieseler, Schaff, 
Ebrard, Thiersch, Reuss, Holtzmann, Hausrath, Hilgenfeld, Otto, 
Volkmar, Krenkel u. M.) oder einer zweiten Römischen Gefangenschaft 
war, wie seit Euseb. 2, 22 die meisten Aelteren und Neueren ange- 
nommen haben, auch Michaelis, Pearson, Hänlein, Berthold, Hug, 
Guericke, Köhler (welcher gar noch eine dritte und vierte Gefangen- 
schaft annimmt), Wurm, Schott, Neander, Olshausen, Kling, Credner, 
Neudecker, Wiesinger, Baumgarten, Lange, Bieek, Döllinger, Sepp, 
Gams, d. Jahr d. Märtyrertodes d. Ap. Petr. u. Paul. 1867, Ewald, 
Huther, Hofmann u. M. Allein obwohl sich Euseb. auf eine Ueber- 
lieferung beruft (»λόγος ἔχεις), so zeigt doch die Art, wie er dieselbe 
durch exegetische Gründe aus IITim 416. und durch Wahrschein- 
lichkeitsgründe zu stützen sucht, dass er derselben keineswegs sicher 
ist. Geschichtliche Zeugnisse über eine zweite Gefangenschaft be- 
sitzen wir nicht, da von der stark rhetorisch gefärbten Stelle des 
Dionys. v. Korinth (bei Euseb. 2, 25) jedenfalls soviel abgezogen 
werden muss, dass eine gemeinsame Reise des Petrus und Paulus 
nach Rom, die allerdings eine zweite Gefangenschaft voraussetzen 
würde, sowenig wie ein gleichzeitiges Martyriun daraus mit Sicher- 
heit erschlossen werden kann. Zweifellos wäre dieselbe, wenn sich 
eine Reise des Apostels nach Spanien, die nur nach der Befreiung 
aus der uns bekannten Römischen Gefangenschaft gemacht sein 
könnte, erweisen liesse. Einen Beweis für dieselbe meinte man nun 


Einleitung. ὃὶ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 15 


vielfach in der Stelle des Clemens Rom. ad Cor. 5 gefunden zu 
haben *), sofern in derselben angedeutet sei, dass Paulus vor seinem 
Tode über Italien hinaus, an das Aeusserste des Westens, nach 
Spanien gekommen sei. Allein mit Nothwendigkeit liegt das in den 
Worten nicht, und die Verbindung des ἐλθών mit χαὶ μαρτυρήσας ἐπὶ 
τῶν ἡγουμένων (in Anspielung an Mt 1018) führt doch immer am 
nächsten darauf, dass die Gewalthaber, vor denen er sein Zeugniss 
abgelegt, in dem τέρμα τῆς δύσεως zu suchen sind und dass das 
οὕτως, welches die vorhergehenden Partizipialsätze zusammenfasst, 
andeutet, dass eben in Folge dieser μαρτυρία er von der Welt erlöst 
ward und die Reise nach dem heiligen Orte (dem Himmel) antrat. 
Dazu kommt, dass keine irgend sichere historische Spur Paulinischer 
Gemeindegründungen in Spanien aufbehalten ist. Wohl folgt aller- 
dings aus dem freilich sehr verderbten Texte des Canon Muratorii **) 


*) Die Stelle lautet nach der neuesten Edition von Gebh. und 
Harnack: διὰ ζῆλον χαὶ ἔριν Παῦλος ὑπομονῆς βραβεῖον ἔδειξεν, Entaxıs 
δεσμὰ φορέσας, φυγαδευϑείς, λιϑασϑείς, κῆρυξ γενόμενος ἔν τε τῇ ἀνα- 
τολὴ χαὶ ἐν τῇ δυσει, τὸ γενναῖον τῆς πίστεως αὐτοῦ χλέος ἔλαβεν, δὲ- 
καιοσύνην διδάξας ὅλον τὸν χόσμον, χαὶ ἐπὶ τὸ τέρμα τῆς δύσεως ἐλϑὼν 
καὶ μαρτυρήσας ἐπὶ τῶν ἡγουμένων, οὕτως ἀπηλλάγη τοῦ χόσμου, καὶ εἰς 
τὸν ἅγιον τόπον ἐπορεύϑη, ὑπομονῆς γενόμενος μέγιστος ὑπογραμμός. 
Die Erklärung des τὸ τέρμα τῆς δύσεως von der dem Paulus bestimmten 
Westgrenze (Baur, Schenkel, Otto), die sehr nichtssagend wäre, von 
der Scheidegrenze zwischen Ost und West (Schrader, Hilgenfeld, 
apostol. Väter p. 109), von dem Centrum des Westens (Matthies) oder 
von der westlichen meta der arena, in welcher Paulus als Athlet (?) 
kämpft (Hilgenfeld, Ein]. p. 349), verwirft auch Meyer, der aber seiner- 
seits geltend macht, dass die Worte überhaupt ein starkes rednerisch 
hyperbolisches Gepräge tragen (vgl. das vorhergehende δεδάξας ὅλον 
τὸν χόσμο»), und dass es daher schon aus diesem Grunde sehr gewagt 
sei, die Grenze des Occidents (τὸ τέρμα τῆς δύσεως) nach geogra- 
Re. Genauigkeit aufzufassen, dass Clemens nicht von seinem 

ömischen Standpunkte aus rede. sondern nach dem Zusammenhange 
vom Standpunkt des Paulus aus, der, zuerst im Orient (Asien) wirkend, 
auch im ÖOccident (Griechenland) Herold geworden und so bis in den 
fernen Westen, bis nach Rom gekommen sei, was noch dadurch unter- 
etützt werden würde, wenn wirklich in der sogen. Epist. Clem. ad 
Jacobum cap. 1 ein Anklang an unsere Stelle zu finden wäre. 

**, Die betreffende Stelle lautet: »Acta autem omnium apostolorum 
sub uno libro scripta sunt. Lucas optime Theophile comprendit [com- 
prehendit], quia sub praesentia ejus singula gerebantur, sicuti et se- 
mote passionem Petri evidenter declarat, sed [et] profectionem Pauli 
ab urbe ad Spaniam proficiscentie«. Man hat die jedenfalls corrum- 
pirte Stelle mit den verschiedensten Conjecturen herzustellen ver- 
sucht, die natürlich verschieden ausfallen, je nachdem man einen 
griechischen Urtext annimmt oder nicht. (Meyer liest: sieuti id se- 
motam — declarat et profectionem). Aber darin einigen sich die 
meisten neueren Erklärungen, dass der Verfasser sagen wolle, Lukas 
habe, da er nur erzählte, was er selbst erlebt, das Martyrium des 


16 Einleitung. ᾧἧ 1. Abriss des Lebens des Apostels. 


wohl sicher, dass der Verfasser eine Spanische Reise des Apostele 
annimmt; aber ob diese Annahme nicht auf einem blossen Schluss 
aus Rom 1524. 38 beruht (vgl. Hieron.: »ad Italiam quoque et, ut 
ipse scribit, ad Hispanias — — portatus est«), lässt sich schlechter- 
dings nicht sagen. Umgekehrt freilich kann auch die Bemerkung des 
Origenes (Ὁ. Euseb. 3, 1: τέ δεῖ περὶ Παύλου λέγειν ἀπὸ Ἱερουσαλὲμ 
μέχρι τοῦ Ἰλλυρικοῦ πεπληρωχότος τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ χαὶ ὕστερον 
ἐν τῇ Ῥώμῃ ἐπὶ Νέρωνος μεμαρτυρηχότος) gegen die Spanische Reise 
nichts beweisen, da sie offenbar nur aus der Stelle Rom 1519 ge- 
schöpft ist. Beachtenswerth findet Meyer noch, dass der Pseudo- 
Abdias in 8. Historia apostolica 2,7.8 (Ὁ. Fabric. Cod. Apocr. p. 452 ff.) 
die Hinrichtung 818 den Ausgang der in der Apostelgesch. berichteten 
Gefangenschaft darstellt. Im Wesentlichen dasselbe gilt von den 
Actis Petri et Pauli b. Tischendorf Act. ap. apocr. p.1ff. Vgl. noch 
Weiss, Einl. 8 26, 6. 7. 


δ 2. 
Die Römische Christengemeinde ”). 


1. Dass die Christengemeinde zu Rom, als Paulus an 
sie schrieb, schon längere Zeit bestanden hatte, erhellt aus 
1s—ıs. 1311; wie weit sie eine förmlich organisirte Gemeinde 
war und ihr Presbyterium hatte, wissen wir nicht, da es sich 
aus 12 5. nicht beweisen lässt (gegen Meyer). Die Apostel- 
eschichte setzt 2815 das Bestehen der Gemeinde als etwas 
ekanntes voraus; den Ursprung und die Ausbildung derselben 
zu berichten, hatte der Verf. keine Veranlassung. 
Der Ursprung der Römischen Gemeinde lässt sich nicht 
mit Gewissheit nachweisen. Da die Menge der Römischen 
Juden seit Pompejus ausserordentlich gross (s. Philo leg. ad 


Petrus und die Spanische Reise des Paulus weggelassen. Vgl. Hesse, 
d. muratorische Fragment. Giessen 1873. ἃ 14. Hilgenfeld, Einl. 
p. 103. Mangold zu Bleek’s Einl. p. 544. 

*) 5. ΤῊ. Schott, d. Römerbr. 8. Endzweck u. Gedankengang nach, 
Erl. 1858. Mangold, d. Römerbr. u. d. Anfänge d. Röm. Gem., Marb. 
1866, und der Römerbrief u. seine geschichtlichen Voraussetzungen, 
Marburg 1884, welche Schrift im Folgenden überall als Mang. eitirt 
ist. Wieseler in RE XX, p. 588ff. (1866) und Zur Gesch. der NTI. 
Schrift u. d. Urchristenth. Leipz. 1880. p. B4ff. Beyschlag in den 
StKr 1867. p. 627ff.; Grau, z. Einführ. in d. Schriftth. NT, 
1868 und Entwickelungsgesch. ἃ. neut. Schriftth. II. 1871, p. 102. 
Seyerlen, Entstehung u. erste Schicksale d. Christengemeinde in Rom. 


1874. Weizsäcker in d. JdTh 1876, 2. 


Einleitung. ὃ 2. Die Römische Christengemeinde. 17 


Caj. II. p. 568. Cass. Dio 36, 6. Joseph. Antt. 17, 11, 1) 
und, unmittelbar aus Palästinensern (insbesondere Kriegsgefan- 
genen) erwachsen, grossentheils zur Freiheit, zum Bürgerrecht 
und zum Wohlstand gediehen war, so pflegten auch unter 
den aus allen Ländern in Jerusalem zusammenströmenden 
Festpilgern, und zwar gewiss in erheblicher Anzahl, Römer 
zu sein (Act 21:0). Daher ist es kaum glaublich, dass nicht 
unter den drei Tausend, welche beim ersten Pfingstfeste ge- 
tauft wurden, auch Römische Festpilger gewesen sein sollten, 
die dann den Samen des Glaubens in die dortige Judenschaft 
zurücktrugen und den Grund zu einer Gemeinde messias- 

läubiger Juden daselbst legten. Ebenso konnte die mit der 

teinigung des Stephanus ausgebrochene Verfolgung manche 
geflüchteten christlichen Palästinenser (Act 8.1) bis in die ferne 
durch religiöse Duldung ausgezeichnete, ja den orientalischen 
Kulten senniet Weltstadt getrieben haben ἢ. Ausserdem mag 
durch den lebhaften Verkehr, in welchem die Römische Juden- 
schaft mit Asien, Aegypten und Griechenland, vorzüglich aber 
mit Palästina (Gieseler, Kirchengesch. I, $ 17) stand, mancher 
Christ nach Rom gelangt, und mancher Jude aus Rom Christ 
geworden sein; jedenfalls werden wir uns diese Anfänge einer 
Gemeindebildung in Rom als rein judenchristliche zu denken 
haben **). Man hat die Römische Gemeinde daher geradezu 


*) Diese Zerstreuung der Jerusalemischen Christen erstreckte 
sich ja keineswegs bloss auf Samaria und Judäa (Reiche, Köllner), 
sondern auch auf Phönizien und Cypern (Act 1119), die im lebhaften 
Schiffsverkehr mit Italien standen. Ganz müssig dagegen ist es, auf 
die Möglichkeit zu reflectiren, dass schon bei Lebzeiten Jesu einzelne 
Römische Festpilger, von dem Eindrucke des Wortes und der Thaten 
Jesu in Jerusalsn ergriffen, den ersten Samen des Glaubens mit in 
ihre Heimath zurückbrachten (Meyer mit Verweisung auf Clem. Re- 
cogn. 1, 6), da es damals ja auch in Palästina noch keinen vom 
Volke sich aussondernden Kreis der Messiasgläubigen gab. 

**), Wenn Meyer behauptet, dass durch alles Angeführte noch 
kein christliches Gemeindeleben, keine organisirte Gemeinde entstehen 
konnte, da eine solche die amtliche Lehrthätigkeit von Seiten solcher 
Männer, welche mit apostolischer Autorität unmittelbar oder mittelbar 
begabt waren, voraussetzte, so beruht dies auf einer Vorstellung von 
apostolischen Amtsbefugnissen, die dem NT völlig fremd ist, wider- 
spricht den zweifellosesten Thatsachen (vgl. z. B. die Gründung der 
Antiochenischen Gemeinde Act 11 1986.) und jeder geschichtlichen Vor- 
stellung von der Art, wie sich allmählich die messiasgläubig ge- 
wordene Judenschaft aus dem Schoosse der Synagoge aussondern 
musste. Gänzlich bestreiten diese judenchristlichen Anfänge der 
Römischen Gemeinde Godet und Otto. Jener lässt sie durch Heiden- 
christen von Antiochia aus gegründet, dieser durch einen Grundstock 
eingewanderter Pauliner entstanden sein, welcher in kurzer Zeit eine 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 2 





18 Einleitung. $ 2. Die Römische Christengemeinde. 


als eine Tochter der Jerusalemischen (Renan) oder als eine 
indirekte Gründung des Petrus (Beyschlag) bezeichnet, sofern 
von ihm Bekehrte den Samen des Evangeliums dorthin trugen. 


Anmerkung. Die katholische Kirche nennt als Gründer der 
Römischen Gemeinde den Apostel Petrus, der im zweiten Jahre oder 
überhaupt zu Anfang der Regierung des Claudius (nach Gams 41. 
Aer. Dion.) zur Besiegung des Simon Magus nach Rom gekommen 
und daselbst 25 Jahre lang bis zu seinem Tode der erste Bischof 
gewesen sein soll. 5. Euseb. Chron. (bei Mai Script. vet. πον. coll. 
VIII, p. 376. 378) u. Hieron. de vir. ill. 1 (Vgl. Lipsius, d. Quellen 
der Röm. Petrussage, Kiel 1872. Wieseler, chronol. Syn. p. 571. 
Sepp, Gesch. d. Apostel ed. 2, p. 341). Aber dass Petrus in dem 
Jahre 44 noch und zur Zeit des Apostel-Convents wieder in Jeru- 
salem verweilte, erweist sich aus Act 124 u. 157. Gal 2ıff., und 
wenn wir auch nicht wissen, wohin sich Petrus Act 1217 begab und 
sich sogar aus IKor 95 ergiebt, dass er weitere Missionsreisen ge- 
macht habe, so kann er doch schon darum nicht in Rom eine Ge- 
meinde gegründet haben, weil Paulus, der den Grundsatz befolgte, 
nicht in eines anderen Apostels Wirkungskreis einzugreifen (Rom 1530, 
vgl. IIKor 1016), dann nicht so früh schon nach Rom zu gehen ge- 
plant hätte (Act 1921). Aber auch, als Paulus an die Römer schrieb, 
kann Petrus nicht zu Rom gewesen sein, da jener ihn dann vor Allen 
gegrüsst haben würde; und dass die Apostelgeschichte ihn, als er 
später nach Rom kam, zwar von den dortigen Brüdern begrüsst 
werden lässt (Act 2815), aber des Petrus mit keinem Worte gedenkt, 
zeigt, dass er auch damals noch nicht da war. Höchst unwahrschein- 
lich ist selbst, dass Petrus vor Abfassung des Philipperbriefes oder 
zur Zeit dieser Abfassung in Rom gewesen; denn es ist nicht denkbar, 
dass Paulus einen Mitapostel, und gerade den Petrus, in diesem 
Briefe unerwähnt gelassen haben würde. Demnach ist die Ankunft 
des Petrus in Rom, auf welche sehr bald nachher seine Hinrichtung 
folgte, und welche an sich so alt und stark beglaubigt ist (Dionys. v. 
Cor. u. Cajus bei Euseb. 2, 25. Orig. bei Euseb. 3, 1, Iren., Tertull. 
u. 8. w.), dass sie nicht verworfen werden darf, jedenfalls erat der 
Abfassung des Philipperbriefes nachfolgend zu setzen. Die Ueber- 
lieferung von der Römischen Gemeindegründung durch Petrus ist 
darum gänzlich fallen zu lassen *). 


bedeutende Anzahl von Heiden an sich zog. Auch Kneucker (die 
Anfänge des röm. Christenthums 1881) macht die Gemeinde geradezu 
zu einer paulinischen, durch Titns vermittelten Stiftung. 

Ἢ Dieselbe ist selbst von katholischen Theologen, wie Hug, Feil- 
moser, Klee, Maier, Stengel aufgegeben, dagegen von Windischmann, 











Einleitung. 8. 2. Die Römische Christengemeinde. 19 


Eine geschichtliche Bestätigung erhält diese Thatsache 
durch die Nachricht des Sueton, wonach Kaiser Claudius 
Judaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit 
(Claud. c. 25). Unter der naheliegenden Voraussetzung, dass 
Chrestus nur die volksmässige Römische Aussprache für Christus 
ist, waren es also die durch den Streit über den Messiasglauben 
in der Römischen Judenschaft erregten Unruhen, welche die 
Vertreibung der Juden unter Claudius zur Folge hatten *). 
Mag auch jene Maassregel nur unvollkommen durchgeführt 
oder bald modifizirt und im Wesentlichen zurückgenommen 
sein (vgl. Dio Cass. Hist. R. 60, 6); jedenfalls wurde die- 
selbe von entscheidender Bedeutung für die Römische Christen- 
gemeinde, was Lipsius (Einl. zu Röm. IV. p. 77) ohne Grund 
bestreitet. Wenn schon die ihr vorhergehenden Streitigkeiten 
eine Auseinandersetzung mit der Judenschaft zur Folge gehabt 
hatten (vgl. Weizsäcker a. a. O. p. 266), so lag es nahe, dass 
die nach derselben sich wieder sammelnde Christengemeinde 


Stenglein, Reithmayer u. A., selbst von Protestanten, wie Bertholdt, 
Mynster, Thiersch vertheidigt. Vgl. noch Döllinger, Christenth. und 
Kirche p. 95ff. ed. 2, der einfach davon ausgeht, die Römische Kirche 
müsse von einem Apostel gestiftet sein, und dieser könne nur 
Petrus gewesen sein. Mit dem Römischen Episcopate des Petrus 
verträgt sich schlecht genug, dass b. Euseb. 3, 2. Iren. 3, 3 aus- 
drücklich Linus als erster Römischer Bischof genannt, ja in d. 
Constit. ap. 7, 46, 1 gesagt wird, er sei von Paulus eingesetzt; erst 
den zweiten Bischof (Clemens) habe Petrus nach des Linus Tode be- 
stellt. Uebrigens ist in Rom die Succession von Bischöfen erst von 
Xystus an ({ 125) geschichtlich nachzuweisen; 8. Lipsius a. a. 0. 

Ἢ Ein Beispiel davon giebt uns Act 182 in dem Pontischen 
Juden Aquila und seiner Frau Priscilla, mit denen Paulus in Korinth 
zusammentraf ($ 1, 5). Dass Aquila bereits Christ war, erklärt zwar 
Seyerlen p. 22 wieder mit Berufung auf Ewald, Hilgenfeld und Renan 
als über allen Zweifel erbaben, aber ohne jeden Grund und gegen 
die Darstellung der Apostelgeschichte.. Dass übrigens durch das 
Edict des Claudius auch die messiasgläubigen Juden mit exilirt 
wurden, liegt in der Natur der Sache, da diese ja noch garnicht von 
der Synagoge getrennt waren und vom römischen Standpunkte aus 
Juden waren wie alle anderen. Dass die etwa in Rom bekehrten Pro- 
selyten (des Thores) von der Ausweisung verschont blieben (Bey- 
schlag, vgl. Lipsius), ist eine um so grundlosere Annahme, als die 
Ursache jener Maassregel ja die religiösen Streitigkeiten innerhalb 
der Judenschaft waren, an denen sich die Proselyten sicher besonders 
lebhaft betheiligten, und als ja seit Augustus auch viele National- 
jaden das Römische Bürgerrecht besassen. Unter dem bei Sueton 
erwähnten Chrestus verstehen Meyer, Wieseler p. 585, Hofmann, 
Godet, Otto einen jüdischen Aufwiegler dieses Namens oder be- 
streiten doch die Beziehung der dort erwähnten Unruhen auf den 
Streit über den Messiasglauben (vgl. auch Mommsen, Röm. Gesch. 
V, p. 523, Anm.). 


2% 





20 Einleitung. 8 2. Die Römische Christengemeinde. 


sich nun völlig von der Synagoge schied, um nicht aufs Neue 
in die Schicksale derselben mit verwickelt zu werden. 

2. In die Zeit aber nach dem Claudianischen Edict 
fallen die grossen Missionserfolge des Apostel Paulus in Mace- 
donien und Griechenland. Viele der Emigrirten, welche sich 
dorthin begeben hatten, sind ohne Zweifel dort durch Paulus 
bekehrt und als Paulinische Christen zurückgekehrt; viele von 
Paulus bekehrte Heiden werden nach Rom gekommen sein 
und sich der dortigen nun absichtlich sich von der Juden- 
schaft getrennt haltenden Christengemeinde angeschlossen haben. 
Ihr gesetzesfreies Christenthum fand aber um so leichter in 
Rom auch unter den Heiden Eingang, weil daselbst die 
heidnische Volksreligion bereits unter Gebildeten und Unge- 
bildeten in verzweifelnde Verachtung gerathen (8. Gieseler 1.1. 
$ 11—14. Schneckenburger, neutestament. Zeitgesch. p. 59. 
Holtzmann, Judenth. u. Christenth. p. 305ff.), daher die Ge- 
neigtheit zum Monotheismus sehr allgemein, und schon die 
Menge der zum Judenthum Uebertretenden sehr gross war 
(Juven. Sat. 14, 96 Tac. Ann. 15, 44. Hist. 5.5. Seneca 
Ὁ. Augustin. de οἷν. Dei 7, 11. Joseph. Antt. 18, 3, 5). Wie 
sehr aber musste nun ein von den lästigen Fesseln des jüdi- 
schen Gesetzes befreites Christenthum, wie es von Paulinischen 
Christen gepredigt wurde, Aufmerksamkeit und Beifall bei den 
vom Heidenthume unbefriedigten Römern finden! Wenn 
Paulus ohne Widerspruch in das allgemeine Lob der Ge- 
meinde einstimmt (ls, vgl. 1514), wenn er 617 ausdrücklich 
den τύπος διδαχῆς, dem sie zugeführt seien, anerkennt und 
sich 216 auf sein Evangelium als ihnen bekannt beruft, so 
erhellt daraus, dass Paulinische Verkündigung dort eine Stätte 
gefunden hatte; und das setzt voraus, dass zahlreiche Heiden 
sich der Gemeinde angeschlossen hatten, wenn auch immer 
noch ein judenchristlicher Bestandtheil in derselben verblieb 
(157—s), der aber, schon nach den Ermahnungen von Kap. 14 
zu schliessen, nur die Minorität gebildet haben kann. Dagegen 
muss der heidenchristliche Theil der Gemeinde der über- 
wiegende gewesen sein und den Hauptbestand ausgemacht 
haben, da Paulus die Römer im Allgemeinen ausdrücklich 
und wiederholt als unter die ἔϑνῃ gehörig bezeichnet und an- 
redet (16. ıs. 1]. 13), und vor ihnen das Gewicht seines heiden- 
‚apostolischen Berufes geltend macht (18 5. 15). Ja, nach 
Gal 2: ist vorauszusetzen, dass Paulus einen Lehrbrief an 
die Römer gar nicht geschrieben haben würde, wenn die Ge- 
meinde im Ganzen und (5rossen eine Gemeinde der szegırour, 
nicht der axgoßvori« gewesen wäre, da dies eben das von 
ihm UIKor 101sff. perhorrescirte Eingreifen in ein fremdes, 





Einleitung. & 2. Die Römische Christengemeinde. 21 


weil judenchristliches, Arbeitsgebiet gewesen wäre. Die vielen 
alttestamentlichen Beziehungen und Beweisführungen zeugen 
keineswegs für das Vorherrschen des Judenchristenthums in 
Rom, sondern erklären sich völlig daraus, dass alle christliche 
Erkenntniss in der apostolischen Zeit durch alttestamentliche 
Vermittelung hindurchgeführt wurde (16%), und dass die über- 
dies durch Vorlesung in den Versammlungen (vgl. z. Gal 421) 
beständig geförderte Kenntniss des Gesetzes und der Pro- 
pheten auch bei den Heidenchristen stattfand (über 7ı vgl. 
z. d. St). Dass Paulus 4ı Abraham unseren Vater nennt, 
wird nicht anders zu erklären sein, wie IKor 10ı (vgl. be- 
sonders Weizsäcker p. 259), Trotzdem ist durch Baur (in d. 
Tübing. Zeitsch. 1836. 3. p. 114ff. 1857. p. 60ff. und in 8. 
Paulus I, p. 343ff. ed. 2, auch in s. Christenth. d. drei erst. 
Jahrh. p.62ff. ed. 2; 8. auch Volkmar, d. Röm. Kirche p. 1ff. 
Holsten, z. Ev. d. Paul. u. Petr. p. 411) die Ansicht fast zur 
herrschenden geworden (bei Schwegler, Krehl, Baumgarten- 
Crusius, v. Hengel, Reuss, Lutterbeck, Thiersch, Holtzmann, 
Hausrath, Sabatier, ser dass die Römische Gemeinde 
eine überwiegend judenchristliche gewesen sei, und auch von 
Mangold (unter vielfacher Berichtigung Baur’s) vertheidigt 
worden (vgl. neuerdings K. Schmidt, die Anfänge des Christen- 
thums in Rom 1879. Theod. Zahn, der Hebräerbrief in RE 
V,.1879). Dagegen hat Weizsäcker a. a. O. p. 249ff. aus- 
reichend gezeigt, wie dieselbe den obigen Stellen des Römer- 
briefes gegenüber nur durch die gewaltsamsten Umdeutungen 
aufrecht erhalten werden kann, und ihm haben neuerdings 
Schürer, Harnack, Pfleiderer u. A. beigestimmt (vgl. besonders 
Grafe über Veranlassung und Zweck des Römerbriefes 1881 
und Weiss, Einl. $ 22, 2. 3) ἢ. 

Wenn Act 28 uf. zeigt, wie freundlich die Römische Ge- 
meinde dem Apostel entgegenkam, so kann dies ja allerdings 
der Wirkung seines Briefes zugeschrieben werden. Aber dass 
die Gemeinde schlechterdings keine näheren Beziehungen mehr 
zu der Judenschaft hatte, und also keinem irgend wesentlichen 
Bestandtheil nach judenchristlich gewesen sein kann, erhellt 
aus 232, wonach, al; Paulus gefangen nach Rom kommt und 


*) Der von Beyschlag a. a. O. p. 640 versuchte Mittelweg, der 
Hauptbestand der Gemeinde seien National-Römische Proselyten des 
Judenthums gewesen, so dass man die Gemeinde der Abkunft nach 
als heidenchristliche, aber der Denkart nach als judenchristliche sich 
vorzustellen habe (vgl. H. Schultz, JdTh 1876, I. p. 105 u. Schürer, 
StKr 1876, IV. p. 769, wozu auch Lipsius wieder neigt), beruht auf 
einer unnachweislichen Voraussetzung. 





22 Einleitung. $ 2. Die Römische Christengemeinde. 


sich mit der dortigen Judenschaft verständigen will, die Vor- 
steher derselben die Römische Christengemeinde garnicht 
erwähnen, sondern nur von der Christensecte überhaupt eine 
oberflächliche Kenntnissnahme verrathen, was sicher nicht bloss 
aus dem grossstädtischen Wesen Roms (Neander) erklärt 
werden darf*. Vor Allem aber hat Weizsäcker mit Nach- 
druck darauf hingewiesen, wie die beglaubigten Thatsachen 
der Neronischen Chrstenserölzung, die sich gegen die Chri- 
stiani als solche richtet im Unterschiede von den unter Nero 
sich ganz gut stehenden Juden, ein schlagender Beweis für 
die Existenz einer wesentlich heidenchristlichen Gemeinde in 
Rom sind (a. a. Ο. p. 266—74), und nicht bloss für die 
Trennung der judenchristlichen Gemeinde von der Synagoge 
(Mangold p. 251). Es ist aber ganz unmöglich, diese angeb- 
liche Verrückung des Schwerpunktes in der Römischen Ge- 
meinde von der judenchristlichen auf die heidenchristliche Seite 
mit Seyerlen und Mangold auf die zweijährige Wirksamkeit 
des gefangenen Paulus zurückzuführen. Endlich ist auch der 
Brief des Clemens, das Römische Sendschreiben an die Ko- 
rinther, ein entscheidender Beweis, dass die Römische Ge- 
meinde jener Zeit im Wesentlichen auf heidenchristlichem 
Boden erwachsen ist (Weizsäcker p. 278). 


*, Es beruht doch auf einer völlig unhaltbaren Vorstellung von 
urchristlicher Schriftstellerei, wenn man einen solchen Zug einfach 
als tendenziöse Erdichtung beseitigt (Baur, Zeller, Holtzmann, Man- 
gold, vgl. auch Lips.); selbst wenn man. im weitesten Umfange zu- 
geben müsste, dass der Verf. sich seine Quellen, Ueberlieferungen 
oder Erinnerungen vielfach nach späteren Vorstellungen zurechtgelegt 
hat, so liegt hier doch jedenfalls die Thatsache zu Grunde, dass die 
Römische Gemeinde von der Judenschaft völlig getrennt bestand (vgl. 
selbst Weizsäcker p. 278). was keineswegs nöthigt, die Existenz einer 
ordentlich eingerichteten Gemeinde in Zweifel zu stellen (Bleek, Beitr. 
p. 55. Einl. p. 480, vgl. schon Calov. u. ἃ). Wenn Aeltere an ein 
unredliches und heuchlerisches Vorgeben der Römischen Juden 
dachten, und Neuere an eine behördenmässige (Meyer), vorsichtige 
(Schneckenburger, Tboluck) oder scheue Zurückhaltung (Philippi, vgl. 
Ewald, apost. Zeit. p. 588, ed. 3), so liegt doch selbst diesen Auf- 
fassungen, die wohl in der psychologischen Motivirung eines schwerlich 
so authentisch überlieferten Wortlauts zu weit gehen, immer dieselbe 
Voraussetzung zu Grunde. 





Einleitung. $ 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 23 


8 3. 
Veranlassung und Zweck des Briefes. 


1. Da der Apostel, als er den Römerbrief schrieb, im 
Denn stand, eine in Macedonien und Achaia gesammelte 
Kollekte nach Jerusalem zu bringen (15%. 29), um sich dann 
nach dem fernen Occident zu wenden, so werden wir dadurch 
in seinen letzten dreimonatlichen Aufenthalt in Achaia ver- 
setzt (Act 203). Schon Act 1921 sehen wir ihn gegen Ende 
seines dreijährigen Aufenthaltes in Ephesus (δ 1, 6), den nach 
Röm 118. 152 oft und seit lange gehegten Wunsch nach Rom 
zu kommen, zu einem bestimmten Reiseplan ausgestalten, 
dessen ersten Theil die IKor 16— erwähnte Reise nach 
Jerusalem bildete. Im zweiten Korintherbriefe finden wir ihn 
in Ausführung desselben bereits auf der Reise durch Mace- 
donien, wir sehen ihn eifrig mit der Sammlung der Kollekte 
beschäftigt, die er schon nach IKor 164 unter Umständen 
selbst nach Jerusalem zu bringen gedenkt, und erfahren, dass 
der Act 203 erwähnte Besuch in Achaia vorzugsweise Korinth 
selbst galt (vgl. schon IKor 166). Dort wohnte er nach Rom 
1623 bei Cajus, einem der Wenigen, die er nach IKorl1ıa in 
Korinth selbst getauft hat, und die Kollektenreise, die er jetzt 
antritt (152), ist also dieselbe, die wir ihn Act 20sf. in Be- 
gleitung der Vertreter der Gemeinden, welche die Kollekte 
esammelt (vgl. IKor 163), beginnen sehen ἢ. Jetzt aber er- 
ahren wir zuerst, dass er sich, weil er sein Werk im Orient 


4) Fraglich kann höchstens sein, ob der Brief noch in Korinth 
selbst, wie man seit Theodor. gewöhnlich annimmt (auch Meyer), oder, 
wofür der Wortlaut von Rom 1535 und die Erwähnung der Phoebe 
(161) noch mehr zu sprechen scheint, in der Hafenstadt Kenchreae 
geschrieben ist, wo Paulus auf Schiffsgelegenheit nach dem Orient 
wartete (Act 203). Meyer meint zwar, die Nichterwähnung der Nach- 
stellungen, die ibn nach dieser Stelle nöthigten, die Seereise aufzu- 

eben und zu Lande durch Macedonien zu reisen, zeige, dass der 
rief noch während seines Aufenthalts in Korinth verfasst sei, aber 
die Rom 158: geäusserten Befürchtungen sprechen doch eher dafür, 
dass, als er den Brief schloss, er davon bereits Kunde hatte, und die 
Grüsse der Korinther 1623 können ihm schon beim Abschiede von 
der Stadt aufgetragen sein, oder von solchen, die ihn noch vor der 
Abreise zu begrüssen gekommen waren. Dass ihrer nicht mehr sind, 
spricht eher dagegen, dass er noch in Korinth selbst verweilte. 
einesfalls ist mit Dr. Paulus (de orig. ep. ad Rom. paralip. Jena 
1801. Römerbrief p. 321) wegen 1519 (8. z. d. St.) an eine Stadt 
Illyriens zu denken. 


24 Einleitung. $ 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 


als abgeschlossen betrachtete (Rom 1 19. 28), als künftigen 
Wirkungskreis Spanien ausersehen hatte (V. 24. 28), und dass 
er auf dem Wege dahin endlich in Erfüllung seines alten 
Wunsches nach Rom zu kommen beabsichtigte (V. 251). 

Aus dieser Situation ergiebt sich zunächst nur die Ab- 
sicht, der Römergemeinde seinen bevorstehenden Besuch an- 
zukündigen und höchstens denselben insofern vorzubereiten, 
als sein nur für die Durchreise geplanter Aufenthalt daselbst 
(16 251) immer nur eine kurze Wirksamkeit gestattete, die um 
so fruchtbarer werden konnte, je mehr die Gemeinde vorher 
bereits in den Kern seiner Lehre eingeführt war und durch 
den Brief seine ganze Lehrweise kennen gelernt hatte. Aber 
dass damit doch der reiche Inhalt des Briefes nur unzu- 
reichend erklärt sei, hat man schon frühe gefühlt. Daher be- 
betrachteten schon die patristischen Ausleger (August, Theodor.) 
als den Zweck des Schreibens die Polemik gegen Jüdische 
Anmassung, die sich besonders wegen Berufung der Heiden 
erhob (vgl. Melanthon, Michaelis, Eichhorn, Schmidt, Flatt, 
Schott u. M.), obwohl sie nicht zu erklären vermochten, wie 
in einer heidenchristlichen Gemeinde dazu Veranlassung sein 
konnte, weshalb schon v. Hengel (interpretatio epist. ad Rom. 
1855-—59) sich genöthigt sah, dieselbe in eine judenchristliche 
zu verwandeln und Rückert in s. Commentar (2. Ausg. 1839 
die Polemik gegen das Judenchristenthum auf Kap. 9—1 
beschränkte. Andere dachten den Zweck des Briefes mehr 
als einen konziliatorischen (Hug, Delitzsch in d. ZITh 1849, 4, 
Bleek Einl. p. 482f); da aber von einem Missverhältniss 
zwischen dem judenchristlichen und heidenchristlichen Theil 
der Gemeinde, wenn überhaupt, so jedenfalls erst in ganz 
spezieller Beziehung in dem Abschnitt 141ı—152ı die Rede ist, 
so ist damit der eigentliche Haupttheil des Briefes offenbar 
nicht erklärt. So beruhi man sich meist bei der Ansicht, 
dass Paulus der Römischen Gemeinde, deren hohe Wichtig- 
keit er schon jetzt erkannte, seine ganze Lehre in ihrem Zu- 
sammenhange darzulegen beabsichtigt habe, indem man damit. 
höchstens einen prophylaktischen Zweck verband *). 


*) So schon Erasmus (vgl. Schmid, de Paulinae ad Rom. ep. cons. 
et arg. 1830) und im Wesentlichen die meisten neueren Ausleger. 
Vgl. Huther, Zweck u. Inhalt der 11 ersten Kap. d. Römerbr. 1846, 

ieseler a. a. Ὁ, und jetzt auch Reouss, les epitres Pauliniennes II, 
1878. p. 16. Nach God. p. 63 ff. sendet Paulus der Gemeinde, die 
er nieht hat gründen dürfen, den Lehrgang seines Religionsunter- 
richts, gleichsam seinen dogmatischen und moralischen Katechismus. 
Dabei bleibt im Wesentlichen auch Meyer stehen. Obwohl er erkennt, 
dass es sich hier nicht um die Abfassung eines systematischen Lehr- 





Einleitung. 8 8. Veranlassung und Zweck des Briefes. 25. 


2. Epochemachend waren auch hier die Untersuchungen 
Baur’s. r sah in der (judenchristlichen) Römergemeinde 
einen (ebjonitischen) Antipaulinismus vertreten, welcher zwar 
die Forderung der Beschneidung und Gesetzeserfüllung seitens 
der Heidenchristen und seine Opposition gegen den Paulinischen 
A lat aufgegeben hatte, aber in der heidenapostolischen 

irksamkeit des Paulus eine Verkürzung der Juden den ihnen 
gegebenen Verheissungen Gottes zuwider und eine Beeinträch- 
tigung ihrer theokratischen Prärogative erblickte, und fand in 
Kap. 13 eine Verwerfung der weltlichen Obrigkeit, in Kap. 14 
eine Verwerfung des Fleisch- und Weingenusses, die ihn auf 
eine Verwandtschaft dieser Richtung mit der der clementini- 
schen Homilien führte. So erschien der Römerbrief als eine 
spezifisch polemische Schrift gegen diese judenchristliche Rich- 
tung, und wenn bisher namentlich der Abschnitt Kap. 9—11 
nicht zu seinem vollen Rechte gekommen war (vgl. de Wette,. 
Tholuck, die ihn nur als ein corollarium betrachteten), so sah 
er denselben gerade als den eigentlichen Kern des Briefes an,. 
wenn er auch später den Gegensatz der Römischen Gemeinde 
gegen Paulus zu mildern und den ersten acht Kapiteln mehr 
ihr Recht widerfahren zu lassen suchte. Im Wesentlichen von 
seinen Voraussetzungen aus sah Schwegler in dem Briefe eine 
systematische Apologie des Paulinischen Christenthums gegen 
das Judenchristenthum (Nachapostol. Zeitalt. I, p. 285ff., vgl. 
Hilgenf. in s. Zeitschrift 35, 3. p. 298). Allein schon Man-- 
gold sah sich genöthigt, jeden antipaulinischen, ebjonitischen 
Charakter des Römischen Judenchristenthums zu bestreiten 
und den Zweck des Briefes darauf zu beschränken, dass Paulus. 
durch Darlegung seiner Lehre als der allein zum Heile führenden 


begriffse handle (8. sn Köstlin in d. JdTh 1856, ἣ 68. Grau,. 
Entwickelungsgesch. II, p. 114), was freilich auf der Hand liegt, da 
eine Reihe der wichtigsten Lehrstücke kaum ganz gelegentlich, oder 
auch das nicht einmal, berührt werden, so bleibt er doch dabei 
stehen: »Paulus wollte den Römern zu deren christlicher Kräftigung 
(111. 1625) schriftlich seine evangelische Lehre, die Lehre von dem 
einzigen in Christo gegebenen Heilswege, und zwar nach deren vollem 
spezifischen Charakter der Ueberwindung des Judaismus, so darlegen, 
wie es die Bedürfnisse und Verhältniese der Gemeinde heischten, und 
wie er, persönlich ee (1 11), unter ihnen gepredigt haben 
würde. Die Art und Weise, wie er dies auszuführen hatte, war ihm 
dadurch gegeben, dass er es für seinen Zweck nöthig erachtete, der 
Römischen Gemeinde nach Maassgabe der ihr eigenen hochwichtigen 
Stellung sein Evangelium, in welchem sie bereits durch seine Schüler 
uanterwiesen waren, in dem ganzen Zusammenhange seiner constitu- 
tiven Grundgedanken ausführlich vorzutragen«, weshalb der Brief die 
Grundlage von Melanthon’'s loci communes werden konnte. 


26 Einleitung. $ 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 


(Kap. 1—8) und durch Rechtfertigung seiner Missionspraxis 
als der von Gott gewollten (Kap. 9--11) die Römische Ge- 
meinde zum Aufgeben ihrer Bedenken gegen seine Lehre und 
ihre praktische Kane uenz, die Heidenmission, bewegen wollte 
(vgl. Sabatier p. 160f.)*). Im schroffen Gegensatze gegen 
Baur hat endlich Beyschlag gerade im Römerbrief eine aus 
ehemaligen Proselyten erwachsene Gemeinde Petrinischer 
zur gefunden, die Paulus nur zu der ihr noch mangelnden 
vollen Höhe und Freiheit Paulinischer Erkenntniss des evan- 
gelischen Heilswegs und des weltgeschichtlichen Heilsrathes zu 
erheben sucht, um in ihr willige Förderer seines Missions- 
werkes heranzubilden (StKr 1867. 4. Vgl. schon die ähnliche 
Ansicht von Thiersch, Kirche im apostol. Zeitalter p. 166). 
Aber auch die mildeste Fassung des Unterschiedes der Römer 
gemeinde von dem Paulinischen Standpunkt scheitert an der 
Anerkennung ihres Glaubenstandes (1 8. 61. 15%), ja sie 
macht Stellen wie 112 zu einer innerlich unwahren Captatio 
benevolentiae; und während jede direkte Polemik gegen die 
noch irrthümlichen oder unentwickelten Auffassungen der 
Leser fehlt, lässt sie die wirklich polemischen Partieen des 
Briefes unerklärt, da dieselben gegen eine so geartete Gemeinde 
jedenfalls nicht gerichtet sein können. 


*) Auch Lipsius, der, wenn auch schwankend, doch die Mehr- 
zahl der Gemeinde zur Zeit des Briefes für heidenchristlich hält, 
lässt dieselbe ihrer geistigen Richtung nach von dem ihren Grund- 
stock bildenden Judenchristenthum beeinflusst sein, das bei aller 
Anerkennung des christlichen Universalismus und der Freiheit der 
Heidenchristen von der Beschneidung doch den Vorzug Israels in der 
Messiasgemeinde (wovon im Briefe nirgends die Rede ist) und seine 
Gesetzespflicht (die er doch selbst durch die freie Haltung der jüdi- 
schen Hellenisten in der Diaspora dem Gesetz gegenüber einschränkt) 
unangetastet liess, und mit dem Paulus eine Verständigung für ebenso 
nöthig als möglich hielt (p. 141). Ihm stimmt jetzt Hilg. (a. a. O. 
P- 312) im Wesentlichen bei. Ganz auf die Mangold'sche Auffassung 

ommt im Wesentlichen auch Riggenbach (Luth. Zeitschrift 1868. 
Den hinaus, obwohl er die Gemeinde im Ganzen für heidenchrist- 
ich hält. Eine scharfe antijüdische Polemik des Römerbriefes ver- 
einigt mit heidenchristlicher Adresse Bleibtreu (die drei ersten Ka- 
pie des Römerbriefes. Gött. 1884), nach welchem Paulus die dafür 
esonders empfängliche Gemeinde auf die Höhe des heidenchristlichen 
Bewusstseins erheben will, weil die Begründung seiner Freiheit vom 
Judenthum dem Christenthum nothwendig sei, wenn es sich lehrhaft 
erfassen wolle (p. 41). Böhmer, der den Umfang der judenchrist- 
lichen Opposition gegen Paulus in Rom dahingestellt sein lässt, hat 
im Briefe eine Entwickelung seiner Rechtfertigungslehre gefunden 
mit Beziehung auf die angebliche kurze Abweisung derselben im 
Jakobusbrief (p. XXXV). 


Einleitung. ᾷᾧ 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 27 


3. Von anderer Seite suchte Hilgenfeld die Baur’sche 
Auffassung zu modifiziren, indem er nicht nur die dortigen 
einfachen Judenchristen von den »Ultramontanen seiner Zeit« 
unterschied, sondern auch den hinzugekommenen, heidenchrist- 
lichen Theil höher veranschlagte und durch die inneren 
Reibungen beider Theile den Brief veranlasst denkt, in welchem 
Paulus »das Patrizierbewusstssein des Judenchristenthums mit 
der so überraschend verbreiteten und erstarkten Plebs des 
Heidenchristenthums aussöhnen will, indem er die Abneigung 
der Judenchristen gegen das gesetzesfreie Evangelium voll- 
ständig zu beseitigen versucht« (Einl. p. 310). Auf demselben 
Wege kehrt Volkmar (Paulus Römerbrief 1875) vollends zu 
der konziliatorischen Fassung zurück, indem der Geistesapostel 
in seinem »Streit- und Friedensschreiben« eine noch judaistisch 
beschränkte Mehrheit mit seiner gesetzesfreien Heilsbotschaft 
und deren erschütternden Erfolgen in der Heidenwelt zu ver- 
söhnen und damit in ihr selbst den Frieden mit einer kleinen 
übereifrigen Paulinischen Minderheit zu begründen sucht zur 
Verhütung eines Zerfalls der Gemeinde*), Aehnlich fasst 
Holsten (der Gedankengang des Römerbriefs, in den JprTh 
1879, 1. 2. 4) unseren Brief wesentlich als eine konziliatorische 
Schrift, in welcher der Apostel, von der name geleitet, 
dass die Jüdischen Messiasgläubigen in Rom, im Mittelpunkt 
des Weltverkehrs und der Weltherrschaft über die Schranke 
des rein nationalen Empfindens und Bewusstseins hinaus- 
gehoben und noch unberührt von der Gereiztheit persönlichen 
Kampfes, das Ohr ihres Glaubens der Wahrheit seines univer- 
salen Evangeliums Öffnen würden, das Bedürfniss und die 
Nothwendigkeit fühlt, um des Christenthums willen das Heiden- 
christenthum mit dem Judenchristenthum zu versöhnen, und 


nn mn 


ἢ Damit weiss er es freilich zu vereinigen, dass der Brief der 
Form nach ein Lehrbuch ist, so ruhig doktrinär, so genau und sorg- 
fältig gegliedert, wie kein anderer Brief des Apostels, das er nur den 
Judenchristen in der Welthauptstadt im Besonderen gewidmet hat 
(p. 107), und lenkt von dieser Seite thatsächlich zu der alten Auf- 
fassung des Briefes als einer reinen Lehrschrift, eines »Lehrgebäudes 
des reinen Christenthums« zurück. Otto dagegen sieht als den Anlass 
des Briefes geradezu den Konflikt zwischen einer Sondergemeinde 
von Christen aus den Juden, die sich unter Aquila’s Führung kürzlich 
in Rom angesiedelt hatten (der ἐχχλησία xar' οἶχον αὐτῶν Röm 165), 
und der römischen »Altgemeinde« an, welche wegen ihres Festhaltens 
an jüdischer Lebensordnung ihrer Aufnahme in die Gemeinde wider- 
strebte, so dass Paulus durch seine Darstellung des Christenthums 
als Weltreligion allen solchen partikularistischen Sonderungen ein 
Ende machen will (p. 20. 25). 


28 Einleitung. $ 8. Veranlassung und Zweck des Briefes. 


dabei bis an die Grenze des Möglichen sich zum Bewusstsein 
des Judenchristenthums herabgelassen hat (p. 97—100) ἢ). 

4. Hält man an dem wesentlich heidenchristlichen Cha- 
rakter der Römergemeinde fest und will doch die Ausführungen 
des Apostels auf spezielle Bedürfnisse der Leser zurückführen, 
so bleibt nur übrig, eine Bearbeitung der Gemeinde durch 
Judaistische Agitatoren anzunehmen (vgl. Weizsäcker p. 279. 
Grau, Entwickelungsgesch. II, p. 1048 *) und vor Allem 
E. Grafe, über Veranlassung und Zweck des Bömerbriefes 
1881). Allein die einzige Stelle, in der man dergleichen nach- 
weisen könnte, bleibt doch 38 wegen der dort erwähnten τινές: 
denn die dialektischen Fragen, durch welche Paulus seine 
Erörternngen fortleite, wie 61.1. 77 und vollends 9ıa. 19. 
101. 111. 4, gehören so ganz der auch sonst uns bekannten 
eigenthümlichen Gedankenbewegung des Apostels an, dass es 
durchaus willkürlich ist, in ihnen Einwürfe der Gegner zu 
sehen, die er bekämpft. Aber wenn sich auch der Abschnitt 
Kap. 6—8 als Antithese gegen den Vorwurf begreifen liesse, 
dass er durch seine Gnadenlehre zum Sündigen verleite und 

gen die göttliche Institution des Gesetzes frevie, so wird 
erselbe doch in so paradoxer Weise mit dem scheinbar an- 
stössigsten Ausspruch über das Gesetz eingeleitet (5»f.), wie 
Paulus gewiss nicht gethan hätte, wenn dies gerade der in 
Rom angegriffene Punkt gewesen wäre. Dann aber entwickelt 
sich seine Darstellung, wie der Christ in der Taufe bereits 
prinzipiell von der Sünderherrschaft befreit sei (Kap. 6), und 
zwar gerade, weil er von dem Gesetze freigeworden, das 





5) Hierhin gehört auch Pfeiderer (JprTh 1882. p. 486—537, 
vgl. auch sein Urchristenthum 1887, p. 117—27), welcher, indem er 
den ganz überwiegend heidenchristlichen Charakter der Gemeinde 
anerkennt, betont, dass Paulus nicht nur die von den zucht- und 
lieblosen Heidenchristen abgestossene judenchristliche Minorität von 
der Wahrheit seines Evangeliums überzeugen und mit der Thatsache 
des siegreichen Heidenchristenthums versöhnen, sondern auch den 
Heidenchristen die tiefere Erkenntniss der Bedeutung seines Evan- 
geliums, besondere auch nach seinen praktischen Konsequenzen, er» 
schliessen und in praktischer Paränese ans Herz legen will. Auch 
er betont νον, dass die Anerkennung einer im weiteren Sinne dog- 
matischen Exposition in Kap. 1—8 der historischen Auffassung des 
Römerbriefes keinen Abbruch thue. 

**) Wenn sich der Brief viel in Rechtsbegriffen bewegt, so liegt 
dies nicht an seiner Bestimmung für die Römer, denen Paulus ein 
Römer geworden sei (Grau a. a. O. p.113), und deren juridische An- 
schauungen sie zu den eigentlich heidnischen Gesetzesmenschen 
machten (Beek a. a. O. p. 16), sondern im Wesen der Paulinischen 
Evangeliums überhaupt, und findet 2. B. auch im Galaterbriefe statt. 


Einleitung. $ 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 29 


immer die Sündenherrschaft herbeiführe (Kap. 7), und unter 
der Herrschaft‘ des Geistes stehe, der ıhn zugleich seiner 
Gotteskindschaft und der in der göttlichen Vorherbestimmung 
schon garantirten Heilsvollendung gewiss mache (Kap. 8), so 
ganz doktrinär und geht namentlich in Kap. 8 so weit über 
jenen Angrifispunkt hinaus, dass der Abschnitt dadurch gewiss 
nicht erklärt ist. Ebensowenig aber wird der Abschnitt Kap. 
9—11 dadurch genügend erklärt, dass Paulus den Vorwurf 
der Verleugnung der eigenen Nation und der Aufhebung der 

öttlichen Verheissung zurückweise, und noch weniger durch 

ie Absicht, seine Heidenmission zu rechtfertigen; denn der 
Ausschluss Israels vom Heil erscheint Kap. 9 nicht als durch 
seine Heidenmission bewirkt, sondern als Gegenstand seines 
tiefsten Schmerzes, der nach der Vereinbarung desselben mit 
den Verheissungen Gottes sucht; und die Thatsache, dass das 
ungläubige Israel das Heil nicht erlangt hat (Kap. 10), konnte 
ihm in keiner Weise zum Vorwurf gemacht und von keiner 
'judenchristlichen Opposition bezweifelt werden. Die Aus- 
führungen des Kap. 11 haben keinerlei apologetische oder 
polemische Spitzen gegen Judenchristen, und die Gegner, die 
sich der Apostel in den dialektischen Wendungen 91. 195. 
vergegenwärtigt, sind keineswegs ‚Judenchristen, sondern un- 
gläubige Juden. Vollends aber erklären sich auf diesem Wege 
nicht die ganz theoretischen Expositionen von Kap. 1—5, 
ja an ihnen scheitert jeder Versuch, den Ausführungen des 
Apostels eine polemische Beziehung auf innerchristliche Irr- 
thümer zu vindiziren. Denn dass das Heidenthum um seines 
Sündenwesens willen unentschuldbar dem Verderben verfallen 
sei (lıs—sı), und dass das Judenthum als solches, wenn es 
selbst das Gesetz nicht erfülle, die Gerechtigkeit nicht 
besitze (2ı—32%), darüber kann doch innerhalb des Christen- 
thums nie Streit gewesen sein. Hier liegt also jedenfalls der 
Beweis vor, dass die Erörterungen des Römerbriefes, selbst 
wenn sie einen konkreten geschichtlichen Anlass gehabt haben 
sollten, zu theoretischen Entwickelungen angewachsen sind, 
welche weit über das nächste Bedürfniss hinausgehen. Aber 
auch die Darstellung der neuen aus Gnaden geschenkten 
Gerechtigkeit und des neuen Heilsweges durch den Glauben 
an Christum nimmt weder in ihrer Begründung (8 21----80), noch 
in dem Nachweis ihres alttestamentlichen Vorbildes (Kap. 4) 
und ihrer zum Ziele der Heilsvollendung führenden Folgen 
er 5) irgend eine direkte Beziehung auf die Frage, die 

urch die Judaistische Opposition angeregt war, ob den 
Heidenchristen diese Heilsvollendung erst durch die Annahme 
des Gesetzes und die Aufnahme in die Theokratie Israels ge- 


30 Einleitung. $ 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 


sichert werden müsse*. Damit aber wird es immer wieder 
zweifelhaft, ob auf dem seit Baur eingeschlagenen Wege ein 
richtiges geschichtliches Verständniss unseres Briefes erreicht 
werden kann. 

5. Endlich hat Th. Schott eine besondere persönlich 
apologetische Absicht des Apostels angenommen; dieser habe 
nämlich, jetzt im Begriff, mit seinem Heidenmissionswerk in 
den fernen Westen zu schreiten, an der Römischen Gemeinde 
einen festen Stützpunkt für diese seine neue Wirksamkeit ge- 
winnen: wollen (vgl. auch Mangold, Riggenbach, Sabatier, 
Beyschlag), und er habe deshalb die Römer über die Be- 
deutung und Berechtigung seines Schrittes unterrichten und 
mit guter Zuversicht für denselben erfüllen wollen, weshalb 
er ihnen die Natur und die Grundsätze seines Wirkens aus- 
führlich aufzeige. Allein diese ohnehin nur künstlich in den 
Prolog und Epilog des Briefes eingetragene Absicht hat doch 
nur einen Sinn, wenn man mit Schott zu der ungeheuerlichen 
Annahme fortschreitet, dass die ganze Paulinische Wirksam- 
keit im Orient noch wesentlich Judenmission war, und dass 
erst mit diesem Schritt seine eigentliche Heidenmission 
beginne, oder wenn man mit Mangold die Römische Ge- 
meinde für eine noch wesentlich Judenchristliche erklärt **). 
An sich aber heisst es keineswegs auf ein geschichtliches Ver- 
ständniss des Römerbriefes verzichten, wenn man den Anlass 





*) Obwohl Lipsius p.74 die Beziehung des Briefes auf eine ein- 
edrungene judaistische Agitation entschieden ablehnt und den ganzen 
Brief mehr apologetisch als polemisch fasst, sucht er doch p. 72f. 
durchweg Beziehungen auf judenchristliche Bedenken und Einwen- 
dungen nachzuweisen. Allein er selbst erkennt Ὁ. 81 an, dass seine 
Ausführungen von Voraussetzungen ausgehen, die auch die Juden- 
christen anerkennen, und hat thatsächlich doch nichts angeführt, was 
über die Auseinandersetzung mit dem Judenthum hinaus und auf 
spezielle Apologetik gegen das Judenchristenthum führt. Selbst die 
rmahnungen 131—7 sollen nur an ehemalige Juden gerichtet sein 
können, obwohl doch die gesammte Kritik die ganz parallelen Er- 
mahnungen des Petrusbriefes als an Heidenchristen gerichtet ansieht. 
**) Auch Hofm. fasst den Zweck des Apostels persönlich. Paulus 
setze voraus, dass eg in Rom befremde, warum er, der Heidenapostel, 
immer noch von der Welthauptstadt fern geblieben sei und auch jetzt 
wieder fern bleibe. Es habe scheinen können, als sei ihm die ohne 
sein Zutbun entstandene Gemeinde gleichgültig, oder als trage er 
Scheu, in dem Mittelpunkte heidnischer Bildung die Heilsbotschaft zu 
verkündigen. Diese zwiefache irrige Vorstellung habe er vor Allem 
widerlegen wollen. Zum Beweise, wie ferne ihm jene Scheu sei, lege 
er dar, was ihm die Heilsbotschaft sei u. s. w. So dürfe er hoffen, 
dass ihm die Gemeinde der Weltstadt ein eben 80 sicherer Stütz- 
punkt seiner Wirksamkeit im fernsten Abendlande sein werde, wie 


Einleitung. 8 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 81 


zu seinen Ausführungen nicht sowohl in Bedürfnissen der 
Römischen Gemeinde sucht, als vielmehr in einem Bedürfniss 
des Apostels selbst, ja die Thatsache, dass noch keine Fassung 
seines Zwecks von ersterem Gesichtspunkte aus dem vollen 
Umfange derselben gerecht geworden ist, weist mit Noth- 
wendigkeit auf diesen Weg. 
Paulus fühlte sich auf dem Höhepunkte seiner Wirksam- 
keit; ein Haupttheil seiner Berufsarbeit lag abgeschlossen 
hinter ihm. on Jerusalem bis Illyrien hatte er das Evan- 
gelium verkündigt (Rom 19:19), überall waren Brennpunkte 
christlichen Lebens gegründet, von denen aus das Christen- 
thum sich leicht selbständig weiter verbreiten konnte; da er 
nur die erste Anpflanzung desselben für seinen spezifischen 
Beruf hielt (V. 20), hatte er im Morgenlande keinen Spiel- 
raum mehr für seine Wirksamkeit (V. 28. Mehr denn je 
fühlte er sich als den Heidenapostel, der sein Werk in einem 
Theile der Welt gethan und sich nun nach dem anderen begab, 
um es neu zu beginnen. Aber Paulus hatte nicht nur seine 
grosse heidenchristliche Schöpfung in Asien und Europa fest- 
begründet, er hatte sie zugleich durch den siegreichen Kampf 
mit der Judaistischen Agitation in Galatien und Korinth 
egen Irrungen und Verwirrungen von dieser Seite gesichert. 
n diesem Kampfe hatte er erst seine ganze gesetzesfreie 
Heilslehre nach allen Seiten dialektisch entwickelt, war er 
sich ihrer Begründung und ihres inneren Zusammenhanges 
bewusst geworden; er hatte aber auch gelernt, das berechtigte 
Moment an der ihm entgegentretenden Opposition anzu- 
erkennen und in seine Anschauung mit aufzunehmen ἢ. Von 
zwei Seiten ergab sich dieselbe dem Apostel von selbst. Die 
Anerkennung der heilsgeschichtlichen Bedeutung Israels und 
ihre Vereinbarung mit seinem heidenapostolischen Universalis- 
mus fand doch zuletzt den tiefsten Anklang in seinem hoch- 
sinnigen Patriotismus; und seine prinzipielle Anerkennung der 


wenn er sie selbst gestiftet hätte. Aehnlich Luthardt p.294f. Nach 
ihm will der Apostel die Leser zum Einverständniss mit seiner Auf- 
fassung von dem Weltberuf des Christenthums führen, weil dieses 
die Voraussetzung ihrer Unterstützung seiner abendländischen Missions- 
wirksamkeit war. 

*) Auch die kritische Theologie hat die im Römerbrief vor- 
liegende »irenische Wendung« des el vollauf anerkannt (vgl. 
Hilgenfeld in s. Zeitschr. 1866, P: 354 ff., Holsten ebendas. 1872, p- 456, 
besonders Pfleiderer in 8. Paulinismus 1873. p. 311ff.), und dieselbe 
tritt noch ungleich schärfer hervor, wenn man die Thessalonicher- 
briefe, welche die stärkste Spannung des Apostels mit dem Juden» 
thum repräsentiren (vgl. $ 1, 5), als ächt ansieht. 








.32 Einleitung. 8 3. Veranlassung und Zweck des Briefes. 


alttestamentlichen Offenbarung forderte unabweisbar, seine 
neue Heilslehre als allseitig begründet in der Geschichte und 
Lehre des Alten Testaments nachzuweisen. 

Es lag tiefbegründet in der eigenthümlichen Begabung 
des Apostels, dass er das Bedürfniss fühlte, den gesammten 
geistigen Ertrag dieser Jahre sich selbst zum Bewusstsein zu 
bringen und durch eine schriftstellerische Darstellung zu fixiren. 
Nicht ein Bedürfniss der Polemik oder Apologetik, welches 
‚durch die Verhältnisse der Römischen Gemeinde hervorgerufen 
war, sondern die Art, wie seine ganze Anschauung sich in 
diesen Jahren des Kampfes entwickelt hatte, giebt der Dar- 
stellung derselben ihre bald polemisch, bald apologetisch klin- 
‚gende Form, die aber, wo sie auftritt, vielmehr das ungläubige 

udenthum, als das Judenchristenthum im Auge hat. Dass er 
dieselbe nicht in einem Buche gab, sondern ım einem Briefe, 
lag an der Art seiner Schriftstellerei, die.ihm die Verhältnisse 
geläufig gemacht hatten Dass er diesen Brief an die Römer- 
gemeinde richtet, und nicht zugleich an andere (Renan), lag, 
abgesehen von dem äusseren Anlass, den er hatte, an sie zu 
schreiben, an der hohen Bedeutung, die er dieser Gemeinde 
beilegte. Sein klarer Blick erkannte, dass die Gemeinde der 
Welthauptstadt der Mittelpunkt der grossen Heidenkirche 
werden müsse, wie Jerusalem der Mittelpunkt des Juden- 
christenthums blieb. Während er im Begriff war, nach Jeru- 
‚salem zu gehen, um durch das grosse Liebeswerk der Kollekte 
ein festes Band zwischen den Heidengemeinden und der juden- 
christlichen Muttergemeinde zu knüpfen (1526.), schrieb er 
an die heidenchristliche Gemeinde der Welthauptstadt diesen 
Brief, welcher seine neue gesetzesfreie Heilslehre 
mit der Gottesoffenbarung des Alten Testaments 
und mitdenheilsgeschichtlichen Ansprüchen Israels 
auseinanderzusetzen beabsichtigte Nicht weil diese 
Gemeinde von Judaistischen Irrungen bedroht war, oder weil 
er solche von der Zukunft befürchtete, sondern weil sie die 
Trägerin einer Auffassung des Christenthums werden sollte, 
weldhe für immer dem Streit zwischen Judenchristenthum und 
Heidenchristenthum ein Ende machte, legte er ihr eine Dar- 
stellung des neuen und doch alten Heilsweges vor, welcher an 
seinem Ende Israel mit der Völkerwelt zum Ziele des gött- 
lichen Heilsrathschlusses führen musste. Es darf dabei nicht 
übersehen werden, dass grade in Rom eine mächtige und ein- 
flussreiche Judenschaft dem Christenthum gegenüberstand, der 

egenüber die Heidenchristen befähigt werden mussten, ihre 
Einwürfe zu widerlegen unter voller Anerkennung des AT’s, 
auf das sie sich beriefen, und die Ansprüche, die sie auf das- 


Einleitung. 3 3. Veranlassung und Zweck des Brıefes. 33 


selbe stützten, auf das Wahrheitsmoment, das sie enthielten, 
zurückzuführen. Daher hie und da die apologetische oder 
polemische Färbung, die aber nie gegen das Juden- 
christenthum, sondern nur gegen das ungläubige Juden- 
thum gerichtet ist, wie im Grunde schon die Kirchenväter 
sahen (vgl. p. 24) ἢ. Uebrigens liegt die Vermuthung nicht 
fern, dass die Befürchtungen, die er 15sı ausspricht, ihm den 
Gedanken weckten, es könne dieser Brief vielleicht sein Testa- 
ment an die Gemeinde und in ihr an die Christenheit über- 
haupt sein (vgl. schon Rückert) **). 


8. 4. 
Aechtheit und Integritäi. 


1. Die Aechtheit unseres Briefes ist durch die Zeugnisse 
der Kirche ***), wie auch der Gnostiker so entschieden be- 


Ἢ Es ist also durch diese Auffassung weder die 118—ı5. 1515 
angedeutete Rücksichtnahme auf eine Förderung, und insofern auf 
»bestimmte Bedürfnisse der Leser« ausgeschlossen, wie Pfleiderer 
meint, der übrigens selbst manches in den Ausführungen des Römer- 
briefes auf das persönliche Bedürfniss des Apostels zurückführt (p. 505), 
noch erscheint bei ihr die Römergemeinde als Briefempfängerin nur 
»in Ermangelung einer anderen passenderen gewählt« (Bleibtreu p.41), 
oder gar ale »äusserer Zufall« (Lipsius p. 76). Mangold aber hat 
dieser Auffassung nichts entgegenzusetzen gewusst, als dass dieselbe 
auf sich beruhen müsse, bis ein Paulinischer Brief mit analoger 
Zweckbestimmung aufgezeigt sei (p. 181 Anm.), wie Andere, dass er 
damit völlig aus dem Rahmen der anderen paulinischen Briefe heraus- 
falle, obwohl doch seine Eigenartigkeit bei jeder Auffassung bestehen 
bleibt. Vgl. Weiss, Einl. p. 223f. Auch die Erörterung über den 
Zweck des Briefes bei Bandar and Headlam (Introd. $ 4) kommt im 
Wesentlichen darauf hinaus, den Brief aus persönlichen Bedürf- 
nissen des Apostels zu erklären. 

**) ‚Diese Epistel ist das rechte Hauptstück des NT’s und das 
allerlauterste Evangelium, welche wohl würdig und werth ist, dass sie 
ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, 
sondern täglich damit umgehe, als mit täglichem Brod der Seelen; 
denn sie nimmer kann zu viel und zu wohl gelesen oder betrachtet 
werden, und je mehr sie gehandelt wird, je köstlicher sie wird und 
bass schmecket«. Luther, Vorrede. 

***) Die ersten ausdrücklichen und namentlichen Anführungen 
finden sich bei Iren. adv. Haer. 3, 16, 3. 9, vorher mehr oder minder 
sichere Anklänge und Benutzungen, wie Clemens ad Cor. 1, 88. 
Polykarp ad Phil. 6. Justin, Dial. c. Tryph. 23. 47. Athenagoras, 
Legat. 13. Theoph. ad Autol. 1, 20. 8, 14. Brief d. Gem. von Vienn. 
u. Lugd. b. Euseb. 5, 1. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 3 


34 Einleitung. & 4. Aechtheit und Integrität. 


laubigt, und selbst bei den Judaisirenden Häretikern, welche 
die Geltung des Apostels verwarfen, ist so gänzlich keine Spur 
einer Verwerfung der Paulinischen Abfassung unseres Briefes 
vorhanden, dass die nichtigen Bedenklichkeiten Evanson’s 
(Dissonance of the four generally received evangelists 1792. 
. 259ff.) und B. Bauer’s keine Nachfolge finden konnten. 
t neuerdings ist durch die Holländer Loman (Quaestiones 
Paulinae, Theol. Tijdschrift 1882. 83. 86), von Manen (de brief 
aan de Romeinen 1891) u. A., denen Steck (in s. Galaterbrief 
1888) folgt, der Brief mit allen anderen paulinischen Briefen 
verworfen worden. Weisse nimmt eine Menge von Inter- 
olationen an, mit denen der Brief durchwoben sei (s. philos. 
ogm. 1, p. 146 u. Beitr. z. Krit. d. Paul. B., herausgeg. von 
Sulze p. 28 ff.), auf Grund einer subjectiven Stilkritik, die jedes 
thatächlichen Anhaltes entbehrt. Ihm folgten Michelsen (in 
der Theol. Tijdschrift 1886. 87), Völter (ebendas. 1889, vgl. 
die Komposition der paul. Hauptbriefe 1890) u. A., worüber 
vgl. Clemen, die Einheitlichkeit der paulinischen Briefe, 1894. 
Eine Parodie auf diese neueste Kritik bietet die pseudonyme 
Schrift von C. Hesedamm, der Römerbrief beurtheilt und ge- 
viertheilt 1891. 

Die Ursprache des Briefes ist die Griechische, in welcher 
ihn Paulus dem Tertius dictirte (162)*. Die Note des 
Syrischen Scholiasten zur Peschito, Paulus habe seinen Brief 
Lateinisch geschrieben, was auch Harduin, Salmeron, Bellar- 
min, Corn. a. Lapide u. M., aber in polemischer Absicht, be- 
haupteten, beruht bloss auf einem voreiligen Schlusse aus der 
Landessprache der Leser. Die Griechische Abfassung aber 
entspricht völlig nicht nur der Hellenistischen Abkunft des 
Apostels selbst, sondern auch den sprachlichen Verhältnissen 
Roms (8. Credner Einl. II, p. 888), wie der Analogie des 
übrigen altchristlichen, nach Rom bestimmten Schriftthums 
(Ignat., Justin., Iren. al.). 

2. Schon Marcion hatte nach seiner Weise (s. Hahn, d. 
Ev. Marcions p. 50ff) Kap. 15. 16 vom Römerbrief abge- 


*) Den Grund, weshalb Paulus seine Briefe nicht selbst zu 
schreiben pflegte, sucht Meyer nicht in einer Ungeübtheit im 
Griecbisch-Schreiben, welche bei seiner Hellenischen Bildung mit 
Unrecht angenommen werde, sondern in seiner apostolischen Stellung, 
welcher, wo statt der mündlichen Predigt, für die der Apostel be- 
rufen war, der schriftliche Verkehr einzutreten hatte, befreundete und 
untergeordnete Hände zu Dienste waren. Allein der Apostel hatte 
eben keine Hellenısche, sondern eine ausschliesslich Rabbinische Bil- 
dung (ὃ 1, 1‘, die wohl zum Lesen und Erklären der heiligen Schrift, 
er nicht zum Griechisch-Schreiben anleitete.. Vgl. übrigens z. 

al 61:. 


Einleitung. $& 4. Aechtheit und Integrität. 35 


schnitten, offenbar weil Stellen wie 1548 seinem schroffen 
Antijudaismus nicht zusagten ἢ. An ihn knüpfte Baur an, 
mit dessen Auffassung des Römerbriefes sie freilich nicht har- 
monirten (s. ausser den $2 angeführten Schriften noch Theol. 
Jahrb. 1849. 4. p. 299ff. 493ff. Schwegler, nachapostol. Zeit- 
alter II, p. 1258. Holsten, ZwTh 1872. 3. p. 446ff.), da die 
Stelle 151. —ıs zu auffällig der Vorstellung von dem anti- 
paulinischen Judaismus der Römergemeinde, und die Stelle 
154. s der Vorstellung von dem Antijudaismus des Paulus 
widersprach. Der intendirte Besuch soll hier im Widerspruch 
mit Kap. 1 auf die Durchreise nach Spanien verlegt und in 
ungeschichtlicher Weise durch die Vollendung seiner orienta- 
lischen Mission motivirt sein (vgl. besonders 151, das freilich 
der Baur’schen Auffassung von den Anfängen des Paulus 
widerspricht, aber mit der Apostelgesch. stimmt, vgl. ὃ 1, 3). 
Im Uebrigen fand er grundlose Wiederholungen, Entlehnungen 
aus den Korintherbriefen, in Kap. 16 ein Verzeichniss von 
Notabilitäten der Römischen Gemeinde, das eine vertraute 
Verbindung mit derselben beweisen solle, und hielt den An- 
hang für das Werk eines Pauliners, der im Geiste des Verf. 
der Apostelgesch. dem scharfen Antijudaismus des Apostels 
zu Gunsten der Judaisten und im Interesse der Einigung ein 
milderndes und begütigendes Gegengewicht geben wollte. 
Baur’s Ansicht modifizirte Lucht (über die beiden letzten Kap. 
ἃ. Römerbriefes. Berl. 1871) dahin, dass der ursprüngliche 
(schroffere) Schluss des Briefes, frühe absichtlich weggelassen, 
in Marcionitischen Kreisen durch die blosse Doxologie, in 
katholischen durch eine Ueberarbeitung desselben ersetzt sei, 
in welcher noch viel Paulinisches enthalten (vgl. Holtzmann, 
der insbesondere die Doxologie dem autor ad Ephes. zu- 
schreibt, in s. Ephes.- u. Kol.-Brief 1872 u. ZwTh 1874, 4). 
Endlich hat Volkmar in s. Römerbrief 1875. p. 129ff. eine 
ganze Genealogie der an den ächten Schluss (153. 162. 
2ı—24) sich ansetzenden verschiedenen Briefschlüsse aufgestellt, 


——_ En 


*) Vgl. Orig. z. 1635: »Caput hoc (nämlich 1625—37) Marcion, 
a quo scripturae evangelicae et apostolicae interpolatae sunt, de hac 
epistola penitus abstulit; et non solum hoc, sed et ab eo loco, ubi 
scriptum est: omne peccatum etc. (1423) usque ad finem cuncta dis- 
secuit«, was wohl nicht auf blosse Verstümmelung geht (Reiche u. 
M., vgl. auch Nitzsch in d. ZhTh 1860, p. 285ff.), sondern mit abstulit 
gleichbedeutend ist. Auch Tertull. c. Marc. 5, 14 fand die Stelle 
1410 (in dem Exemplar des Marcion) in clausula. Vgl. Rönsch, d. 
N.T. Tertullians p. 850. Auch andere Stücke, wie 105—1133, scheint 
Berccı ausgestossen zu haben. Vgl. Hilgenfeld in d. ZbTh 18585. 
p. s 


8" 





36 Einleitung. ὃ 4. Aechtheit und Integrität. 


deren allmähliche Entstehung er selbst nach Jahren zu be- 
stimmen weiss (vgl. schon Theol. Jahrb. 1856. p. 321ff. und 
Röm. Kirche 1857. p. 3). Dagegen haben besonnenere Kri- 
tiker wie Hilgenfeld (in 8. Ztschr. 1872. 4, Einl. p. 320ff.), 
Schenkel, Pfleiderer, Seyerlen, Weizsäcker u. A. mit Recht 
an der Paulinischen Abiassung von Rom 15. 16 festgehalten, 
die durch die neueren Untersuchungen nur bestätigt erscheint. 
Vgl. besonders die eingehende Widerlegung bei Mangold 
.81—164. Lipsius p. 85 will wenigstens 15ısf. 2sf. als späteren 
usatz streichen. 

Andrerseits hatten schon früh das Vorkommen der 
Doxologie am Schlusse von Kap. 14 (s. d. Folg.) und die ver- 
schiedenen Briefschlüsse in Kap. 16 zu allerlei Hypothesen 
in Betreff der beiden Schlusskapitel Anlass gegeben, die jetzt 
wohl als verschollen gelten können ἢ. Nur die Vermuthung, 
dass 161ı—2 ein besonderes Empfehlungsschreiben für die 
Phoebe sei, hat bis in die neueste Zeit immer zahlreichere 
Anhänger gefunden; doch so, dass dasselbe nicht nach Korinth 
(Eichhorn), sondern nach Ephesus (D. Schulz in d. StKr 1829, 
Reuss, Sabatier, Laurent, Neutest. Stud. 1866. p. 32ff, Man- 
gold, Lipsius) gerichtet ist. In der That wissen wir von 
Aquila und Priscilla (V. 8), dass sie kurz vorher noch in 
Ephesus wohnten (IKor 16:9), und aus IITim 419 erhellt 
doch wenigstens so viel, dass sie später immer noch dort 
wohnend gedacht werden. Dass Paulus so viele Bekannte in 
Rom hatte, ist ja an sich möglich, da er bei dem regen Ver- 
kehr Roms mit dem Osten auf seinem Missionsgebiete mit 
Römischen Christen viel zusammengetroffen oder viele von ihm 
Bekehrte dorthin gegangen sein konnten, zumal ja, wie Meyer 
mit Recht bemerkt, die Grüsse an sich nicht nothwendig per- 
sönliche Bekanntschaft voraussetzen; und dass dieselben Per- 


*, Nach Semler war Kap. 16 ein ostensibles Verzeichniss der 
Lehrer, welche die Briefüberbringerin auf ihrer Reise besuchen sollte, 
um ihnen ein Exemplar des Briefes zu behändigen und mit ihnen 
den Inhalt eines offenen Schreibens an sie (Kap. 15) zu besprechen 
(paraphrasis ep. ad Rom. Hal. 1769, vgl. Keggermann, de duplice ep. 
ad Rom. appendice, Hal. 1767 und dagegen Koppe Exc. VI, p. 400f. 
ed. Ammon, Flatt u. Reiche), nach Paulus Kap. 15 ein Nebenbrief für 
die Aufgeklärten, Kap. 16 ein besonderes Blatt für die Ueberbringerin 
der Briefe (de orig. ep. ad Rom. Jen. 1801, Komm. z. Gal. u. Rom. 
1831), nach Griesbach (vgl. im Wesentlichen Flatt) Kap.15 eine Bei- 
lage zur näheren Ausführung des Gegenstandes, nach Abschluss des 
Briefes zugegeben, während Kap. 16 aus verschiedenen beigelegten 
Blättchen bestand (Curae in hist. text. Graec. epp. P. p. 45 and Opusc. 
ed. Gabler II, p. 63, wogegen G. selbst in ἃ. Praefat. p. XXIV). Vgl. 
auch Eichhorn III, p. 99. 


Einleitung. $ 4. Aechtheit und Integrität. 87 


sonen nicht im Philipperbrief (und IITim) erwähnt werden, 
kann an veränderten Zeitverhältnissen liegen. Allein den 
Epaenetus, der V. 5 der Erstling Asiens genannt wird, sucht 
man doch am natürlichsten in der Metropole Vorderasiens, 
in Ephesus; die V. 7 erwähnten Verwandten (vgl. V. 11), die 
sogar irgendwo mit ihm seine Gefangenschaft getheilt haben; 
den Urbanus V. 9, der jedenfalls auch sein Mitarbeiter 8- 
wesen; die Hausleute V. 10f., die ohne ihre Herrschaft 
kehrt zu sein scheinen; die Mutter des Rufus, die auch ihm 
nach V. 13 mütterliche Liebe erwiesen; die Personen alle, 
deren Verdienste um die Leser oder die christliche Sache er 
aus eigener Anschauung zu kennen scheint (V. 6. 10. 12), 
sucht man doch, wenn man nicht immer neue Hülfshypothesen 
häufen will, am ehesten auf seinem bisherigen Missionsgebiet. 
Die von den anderen Grussbestellungen (V. 21—23) getrennte 
Grussbestellung in V. 16 geht am natürlichsten an eine andere 
Adresse. Am Auffallendsten erscheint die nachträgliche War- 
nung vor Irrlehrern V. 17—20, die daher nicht mit Hausrath 
ausgeschlossen werden darf, da der ganze grosse Brief nirgends 
eine Hindeutung auf solche enthält, zumal die Erwähnung des 
Gehorsams der Leser und seiner Freude an ihnen (V 19) 
deutlich auf eine von ihm selbst gestiftete Gemeinde hinweist. 
Der Segenswunsch in V. 20 fällt nach dem schon 188 da- 
gewesenen umsomehr auf, wenn V.24 ein gleicher oder an 
seiner Statt die Doxologie V. 25—27 folgt. Nur müsste man, 
um die Einschaltung dieses Empfehlungsschreibens in den 
Römerbrief zu erklären, annehmen, dass die Phoebe wirklich 
mit dem Römerbrief über Ephesus nach Rom ging und nur 
dorthin diesen Brief mitbekam *). 


4 Es kommt daher im Grunde auf dasselbe hinaus, wenn man 
mit Ewald, Ritschl (JdTh 1866, p. 352), Mangold p. 138 nur V. 3—20 
ausscheidet, nur dass man sich, zumal wenn man den hier erhaltenen 
Epbheserbrief aus der Römischen Gefangenschaft datirt, wie Ewald u. 
ngold, jeder natürlichen Erklärung des Umstandes beraubt, dass 
dieses Stück in den Schluss des Römerbriefes hineingerathen ist, was 
Lipsius p. 8f. sehr äusserlich zu erklären sucht. Ganz willkürlich 
ist es, wenn Ammon (Praef. p. 24) das Empfehlungsschreiben für die 
Phoebe nach der Römischen Gefangenschaft geschrieben sein liess, 
und Schott (Isag. p. 249 ff.) das ganze 16. Kap. für Bruchstücke eines 
aus Korinth nach Kleinasien geschriebenen Briefes hielt. Schulz 
(JaTh 1876, 1) hielt ausser 163—20 auch Kap. 12-157 für ein Stück 
eines gegen das Ende seines Lebens von dem Apostel geschriebenen 
Epheserbriefes (vgl. Straatmanns ThT 1868: Kap. 12—14 und schon 
eisse, der Kap. 9—11 hinzuzählte). Meyer hält an der Zugehödrig- 
keit von 163—3»0 zum Römerbrief fest und ebenso Hilgenfeld, Seyerlen 
u. A. Vgl. neuerdings Sanday and Headlam Introd. 8 9. 





38 Einleitung. 8 4. Aechtheit und Integrität. 


4. Besonderen Anstoss hat noch die Schlussdoxologie er- 
regt (163—x). Mit Recht erklärt Meyer, dass, wenn dieselbe 
schwerfälliger und überladener erscheint als andere Pau- 
linische Doxologien, wir doch eben keine haben, welche, wie 
diese, am Einde eines grossen Briefes steht, wo sich die ganze 
Gedankenmacht desselben noch einmal im Gemüth des 
Schreibenden concentrirt und einen »Erguss von Gluth und 
Gedankenfülles erzeugt. Die Klagen über das Schwankende 
des Gedankens, die Dunkelheit und Unverständlichkeit des 
Ausdrucks und das Unpaulinische in der Lehrweise erledigen 
sich durch die richtige Erklärung. Dass aber Paulus diesen 
eigenartigsten seiner Briefe mit einer Doxologie schloss anstatt 
mit einem schon 1588 dagewesenen Segenswunsch, erklärt sich 
um so leichter, wenn V. 24 unächt (s. d. krit. Anm.), was 
freilich Meyer nicht zugeben will. Da aber ihre Stellung in 
den Codices schwankt, andere sogar sie weglassen, so erklärte 
schon Reiche sie für unecht*); in den neueren Hypothesen 
über die Bearbeitung von Kap. 15. 16 spielt ihre Hinzu- 
fügung meist eine ndere Rolle, und selbst Hilgenfeld 
erklärt sie allein für einen unächten Zusatz (Einl. p. 327). 
Vgl. H. Schultz, Pfleiderer, Seyerlen, Holtzmann, Lipsius und 
besonders Mangold p. 44—81, der sie mit Volkmar ca. 145 
in antimarcionitischem Interesse entstanden sein lässt (p. 70). 
Es muss zugestanden werden, dass ihre Transponirung nach 
1433 noch nicht ausreichend erklärt 18. Allein das kann 
offenbar nicht ausreichen, um die Aechtheit der Doxologie zu 


*) Während die Doxologie in L, den meisten Minuskeln, den 
Griech. Vätern und Lectionarien nach 1433 steht, wo Beza, Grotius, 
Mill, Wettstein, Semler, Griesbach, Matthbaei, Morus, Paulus, Eich- 
horn, Klee, Schrader und auch Hofmann, Laurent, Otto ihren ursprüng- 
lichen Ort euchten, ist die Stellung am Schlusse von Kap. 16 durch 
BCDE Sin., die wichtigsten Versionen u. Lat. Väter entscheidend be- 
zeugt, und die Beibehaltung derselben an beiden Orten (AP) oder ihre 
völlige Auslassung (FG Codd. bei Hieron. u. Erasm.) eine so natürliche 
Folge jenes alten Schwankens ihrer Stellung, dass es der von Meyer 
supponirten kritischen Erwägungen dafür nicht bedarf. Nach Reiche 
hätte man gewöhnlich nur die 14 ersten Kapitel öffentlich vorgelesen 
und dann eine Doxologie gesprochen, die der Anagnost aus Paulini- 
schen Formeln zusammengestoppelt und dem Schlusse des Judasbriefes 
nachgeahmt habe. Diese seı erst an den Rand geschrieben und 
dann in den Text gekommen. Vgl. auch Schmidt, Einl. p. 227, Krehl, 

.6587—41 u. selbst Delitzsch, Zeitschrift f. luth. Theol. 1849. p. 611ff. 

ach a hat der Anstoss an dem ungewöhnlichen Brietschluss 
und die Beziehung des στηρέξαε auf die Glaubensschwachen in Kp. 14 
die Umstellung herbeigeführt, nach Rückert u. Aelteren hängt die- 
selbe mit der Weziassung vom Kap. 15.16 durch Marcion (Ew.: schon 
vor Marcion) zusammen. 








Einleitung. $ 5. Exegetische Literatur. 39 


verdächtigen, zumal das Problem ibrer Umstellung auch bei 
der Annahme ihrer Unächtheit wesentlich dasselbe bleibt und 
auch bei Mangold p. 80 keineswegs gelöst erscheint. 


85. 
Exegetische Literatur zu den paulinischen Briefen überhaupt 
und dem Römerbrief insbesondere. 


Aus der patristischen Zeit. 

Origenes, Comm. in ep. ad Rom. opp. ed. de la Rue tom. IV. Nur 
noch lateinisch erhalten in der verstümmelten Uebersetzung des 
Rufinus. 

Chrysostomus, Homiliae XXXII in ep. ad Rom. opp. ed. Mont- 
faucon tom. IX. 

Theodoret v. Cyrus, Interpretatio XIV epp. Pauli ed. Nösselt. 
Hal. 1781. Dazu vgl. die Fragmente von Theodor. v. Mops. bei 
Friedr. Fritzsche, Theod. Mops. in N.T. comm. 1847 und die grossen 
Katenen von: 

Oecumenius v. Tricca (10. Jahrh.), Comm. in act. ap. Pauli epp. 
et epp. cath. ed. Morell. Par. 1630. 

Theophylact. v. Achrida (11. Jahrh.), Comm. in epp. Pauli ed. 
Lindsel Lond. 1636. 

Aus der lateinischen Kirche haben wir von Augustin eine inchoata 
expositio ep. ad Rom (nur über die ersten Verse) und expos. qua- 
rundam propos. ex ep. ad Rom in der Benediktiner-Ausgabe tom. III. 

Pelagius Kommentar zu den 13 paul. Briefen (in der Bearbeitung 
des Cassiodorius) findet sich in den Werken des Hieronymus (ed. 
Vallarsi tom. XI) u. Augustin (Benediktiner-Ausg. tom. XII), der 
des sogen. Ambrosiaster, weil zuerst dem Ambrosius zuge- 
schrieben, später dem Diacon Hilarius, jetzt vielfach für ein Sammel- 
werk gehalten, in den Werken des Ambrosius (Benediktiner-Ausgabe 
tom. IV). 

Aus dem Mittelalter. 

Hugo a Sto Victore, Annotationes et quaest. circa ep. ad Rom. 
(Opp. ed. Mogunt. tom. ἢ. 

Abaelard, Comm. in ep. ad Rom. (Opp. Par. 1716.) 

Thomas v. Aquin., Comm. in epp. Pauli Bas. 1475. (Opp. Antw 
tom. XVI.) 

Aus der katholischen Kirche. 
Erasmus, Annotationes in N. T. 1516. Paraphrasis N. T. 1522. 


40 Einleitung. $ 5. Exegetische Literatur. 


Wilh. Este (16. Jabrh.), Comm. in epp. Pauli 1614—16, mehrfach 
neu aufgelegt. 

Ben. Justinian, Explanationes in omn. epp. Paul. 1612. 

Cornelius a Lapide, Comm. in omn. divi Paul. epp. 1679. 

Calmet (1 1757) Comm. litteralis in sacram scripturam. Dazu vgl. 
aus neuerer Zeit die katholischen Kommentare von Klee (1880), 
Stengel (1836), Reithmayr (1845), Ad. Maier (1847), Bisping (1857, 
2. Aufl. 63), Klofutar (1880). 


Aus der Reformationszeit. 

Luther’s klassische »Vorrede zur Epistel an die Römer« (1522 er- 
schienen) ist abgedruckt unter den Traktaten d. niedersächsischen 
Gesellschaft zur Verbreitung christlicher Erbauungsschr. No. 31. 

Melanchthon, Annotationes inep. ad. Rom. 1522. Commentarii 1532. 

Bugenhagen, Annotationes in ep. ad. Rom. 1523. 

Brenz, Commentarius in ep. ad. Rom. 1568. 

Hunnius, Expositio ep. ad. Rom. 1587. 

Balduin, Comm. in epp. Pauli, wovon der Brief an die Römer 1611 
erschien. 

Calvin, Comm. in epp. Pauli Gen. 1565, ed. Tholuck, Halle 1881—34. 

Th. Beza, Annotationes majores in N. T. Gen. 1565. Novum Test. 
4. Aufl. 1598. 

Zwingli, Annotationes in ep. ad Rom. (Opp. 1581. tom. III.) 

Bucer, Enarrationes epp. Paulinarum 1536. Metaphrasis et enarratio 
in ep. ad. Rom. 1562. 

W.Musculus, Ep. ad. Rom. 1565. Piscator, Comm. in. Nov. Test. 
1601. 

Aretius, Comm. in. ep. Apost. 1608. David Pareus, Comm. in. 
ep. ad. Rom. 1601. 


Aus dem 17—18. Jahrh. 

Hugo Grotius, Annotationes in N. T. 1641—50. 

Gegen ihn Abraham Calov, biblia illustrata 1672. 

Jo. Schlichting, Comm. posth, in plerosque libros N. T. 1656 
(Theil 1 enthält den Römerbrief). 

Die CGritici sacri (Amsterd. 1698) enthalten die Annot. von Valla, 
Erasm., Clarius, Camerarius, Drusius, de Dieu, Heinsius, Grotius, 
den beiden Cappellus u. A. 

Spener, Erklärung des Briefes an die Römer, neu herausgegeben 
von H. Schott 1839. 

Limborch, Comm. in acta apost., in ep. ad. Romanos et Hebr. 1711. 

Turretin, Praelectiones in ep. ad. Rom. 1741. 

Chr. Wolf, Curae philolog. et crit. ed.8 Hamb. 1739. 

Bengel, Gnomon Ni. Ti. Tub. 1742, zul. herausg. Berlin 1858. 

Job. Jac. Wettstein, Nov. Test. cum comm. Amst. 1751. 52. 


Einleitung. 8 5. Exegetische Literatur. 4 


5. J. Baumgarten, Ausl. des Briefes an die Römer. Halle 1747. 

J. B. Carpzov, strieturae in ep. ad Rom. 1758. 

J. Lv. Mosheim, Exeg. Einl. in d. Brief an die Römer mit eigener 
Erklärung hrag. v. Boysen 1771. 

Chr. Fr. Schmid, Annot. in ep. ad. Rom. 1777. 

J. Andr. Cramer, Brief an die Römer, übers. u. erklärt 1784. 

Morus, Praelect. in ep. ad. Rom. ed. Holzapfel 1794. 

Chr. Fr. Boehme, Ep. ad. Rom. c. comm. perp. 1806. 


Vgl. noch die rationalistischen Kommentare von 
Semler, paraphrasis in ep. ad. Rom. 1769. 
Koppe, Nov. Test. graece. Vol. IV, den Römerbrief enth., 3. Aufl. 
v. Ammon 1824. 
Paulus, des Apost. Paul. Lehrbriefe an die Galater- und Römer- 
christen 1831. 


Die neuere Auslegung des Römerbriefes beginnt mit 
A. Tholuck, Kommentar zum Brief an die Römer Halle 18. 
δ. Ausg. 1856. 
J. Fr. v. Flatt, Vorlesungen über den Brief an die Römer, herausg. 
v. Hofmann 1825. 
W. Benecke, der Brief an die Römer erläutert 1831. 
L.J.Rückert, Kommentar über den Brief an die Römer Leipz. 1831. 
2. Aufl. 1839. 
J. G. Reiche, Versuch einer ausf. Erklärung d. Br. P. an d. Römer. 
Goett. 1833. 34, vgl. Comm. criticus in Nov. Test. I. 1858. 
C. Glöckler, der Brief des Ap. Paul. an die Römer Frankf.a.M. 1834. 
Ed. Köllner, Komm. zu d. Briefe des Ap. Paul. an die Römer 
Darmstadt 1834. 
K. Schrador, der Apostel Paulus. Thl. IV. (Erkl. d. Briefe an die 
Kor. u. Röm.) Leipz. 1835. 
Mit dem Jahre 1885 beginnen die drei grossen Bibelwerke die 
Erklärung des Römerbriefes 
Olshausen, Biblischer Kommentar in Bd 3. Königsberg 1888. 
2. Aufl. 1840. 
de Wette, Kurzgefasstes exeget. Handbuch in Bd. 2, 1. Leipz. 1835. 
4. Aufl. 1847. Vgl. noch den Auszug daraus 1889. 
Meyer, Krit. exeget. Kommentar in Abth. 4. Goett. 1836. 5. Aufl. 
1872. Die 6—8. ist neu bearbeitet von B. Weiss 1881. 86. 91. 
Ihnen reihte sich neuerdings an 
Holtzmann, Handkommentar zum Neuen Testamient. Freiburg. 
Bd. 2. Briefe an die Galater, Römer, Philipper von Lipsius. 
2. Aufl. 1892. 
C. F. A. Fritzsche, Pauli ad Rom. ep. rec. et c. comm. prop. ed. 
Hal. 1836—48. 8 Bde. 


42 Einleitung. $ 5. Exegetische Literatur. 


Baumgarten-Crusius, Komm. über den Brief Pauli an die Römer, 
hreg. von Kimmel. Jena 1844. 

A.L.G. Krehl, der Brief an die Römer Leipz. 1845. 

F. A. Philippi, Kommentar über den Brief des Paulus an die Römer 
Frankfurt a. M. 1848. 3. Aufl. 1866. 


Vgl. noch die englischen Kommentare von R. Haldane (1838), Beet 
(5. Aufl. 1885), und besonders von W. Sanday and A. Headlam 
(2. Aufl. Edinburgh 1896) und die amerikanischen von Stuart in 
Andover (1832), Chr. Hodge in Princeton (1835), L. Abbot (1888), 
den dänischen von Nielsen (deutsch von Michelsen 1843) und den 
franz. von Oltramare 1881. 82. 

van Hengel, Interpretatio epist. Paul. ad Rom. Sylv. Duc. 
1854 —59. 

Umbreit, der Brief an die Römer auf Grund des A.T.’s ausgelegt. 
Gotha 1856. 

Ewald, die Sendschreiben des Apostel Paulus. Gött. 1857. 

Mehring, der Brief an die Römer. Stettin 1859 (Röm. 1—6. Un- 
vollendet). 

Ortloph, der Brief P. an die Römer. Erlangen 1865. 66. 

v. Hofmann, der Römerbrief (die heilige Schrift N. T.’s Thl. III). 
Nördlingen 1868. 

G. Volkmar, Paulus Römerbrief. Zürich 1875. 

Godet, Komm. zu d. Brief an d. Römer, deutsch v. Wunderlich. 
Hannover 1881. 82. 2. Aufl. 1883. 90. 

Chr. Hoffmann, Bibelforschungen. Bd. 1. 2. Jerusalem 1882. 84. 

Beck, Erklärung des Briefes Pauli an d. Römer, hrsg. v. Lindenmeyer. 
Gütersloh 1884. 

Lorenz, der Brief an die Römer. Uebers.u. erkl. Umschrb. Breslau 
1884. 

Ed. Böhmer, des Apostels Paulus Brief an die Römer, Bonn 
1886. 

Otto, Kommentar zum Römerbrief. Glauchau 1886. 2. Aufl. 1891. 

Zimmer, der Römerbrief übersetzt und kurz erklärt. Quedlin- 
burg 1887. 

B. Weiss, die paulinischen Briefe im berichtigten Text mit kurzer 
Erläuterung. Leipzig 1896. 

Vgl. noch Bonnet's Nouveau Testament (Epitr. de Paul. 1875) und 
Reuss, la Bible (Epitr. pauliniennes 1878). 


Mehr praktischen Zwecken dienen das theol.-homilet. Bibelwerk von 
Lange (Abth. VI.: der Römerbrief von Lange u. Fay. 8. Aufl. 1880), 
Strack-Zöckler, kurzgefasster Kommentar (der Römerbrief von Lut- 
hardt 1887). Siegfried Goebel, Neutestamentliche Schriften (Bd.1, 
die älteren Briefe des Paulus). Gotha 1889. 


Röm 11. 43 


Zu einzelnen Partieen vgl. noch Bleibtreu, die drei ersten Kap. 
des Römerbriefs Gött. 1884. M. Morison, Critical expos. of the 
third Chapter of Paul’s epistle to the Romans. 1866. Matthias, 
das 8. Kap. des Römerbriefs. Cassel 1857. R. Rothe, neuer Ver- 
such einer Auslegung von Röm 5Bu—sı. Wittenberg 1836. Stöl- 
ting, Beiträge zur Exegese der paul. Briefe (Kap. 5). 1869. 
Dietzsch, Adam und Christus. Röm. V, 12—21. Bonn 1871. 
Fricke, de mente dogm. loc. P. ad Röm. 5, 12ff. 1880. Der paulin. 
Grundbegriff der dıx. ϑεοῦ 1888. Beyschlag, die paul. Theodicee 
Röm. 9—11. 1868. Klostermann, Korrekturen zur Erklärung des 
Römerbriefs.. Gotha 1881. Hilgenfeld, der Brief des Paulus an 
die Römer, Zeitschr. f. wiss. Theol. 85, 3—36, 4. 


Παύλου ἐπιστολὴ πρὸς Ῥωμαίους. 


Die einfachste, älteste Ueberschrift ist: πρὸς ρωμαίους bei 
ABCSin. 


Kap. 1. 


V. 1—7. Der apostolische Gruss erscheint hier un- 
ewöhnlich erweitert, indem er nicht nur ausdrückt, dass sich 
Paulus an die Christen in Rom wendet, sondern zugleich her- 
vorhebt, was ihm ein Recht giebt, dies zu thun. Indem 
Paulus sich aber zu diesem Behuf als Heidenapostel charak- 
terisirt, kommt schon hier der Grundgedanke des Römerbriefes 
zum Ausdruck, dass das Evangelium, welches er als solcher 
allen Völkern zu verkündigen hat, doch nur die Erfüllung der 
Verheissung Israels ist. 

V.1f. Παῦλος δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ) Wie im AT 
Moses, Josua, David u. A. als Knechte Gottes bezeichnet 
werden (Jos lı. Jud2s Ps 13110), weil ihr Lebensberuf ein 

zieller Dienst Gottes war, ohne dass über die Art ihres 
ienstes damit etwas Näheres ausgesagt wird, so bezeichnet 
sich Paulus (vgl. Einl. $ 1, 1) zunächst als einen von Christo 
in seinen Dienst Genommenen, wie Gal 110. Phl 11, um 
dann erst näher zu sagen, zu welchem Dienste er speziell be- 





44 Röm 1:1. 3. 


rufen sei*). Der mit ihm persönlich noch nicht bekannten 
Gemeinde der Welthauptstadt stellt er sich nemlich als einen 
berufenen Apostel («Anzög ἀπόστολος) vor, d.h. als einen, 
der zur glaubenwirkenden und darum gemeindegründenden 
Verkündigung des Evangeliums im Dienste Christi von Gott 
berufen ist (vgl. Weiss, Lehrb. d. bibl. Th. $ 89, b. c), um 
anzudeuten, dass er nicht in persönlichem Interesse, sondern 
kraft eines gottgegebenen Amtes sich an die Leser wendet **). 
— ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον ϑεοῦ) bezeichnet näher, 
für welchen Zweck er zum Apostel berufen ist, nämlich für 
eine Freudenbotschaft Gottes, d. h. natürlich für ihre Ver- 
kündigung. Der Artikel vor δύαγγ. fehlt nicht, weil das Wort 
durch den Genit. bestimmt (Mehr. u. A.), oder weil es term. 
techn. ist (Lips.), sondern weil Paulus die Gottesbotschaft, von 
welcher er reden will, zunächst ihrer Art nach ins Auge 
fasst (vgl. v. Heng., Hofm. und die meisten et und sie 
in V. 2ff. näher charakterisiren will. Er thut dies aber nicht 
bloss der grösseren Feierlichkeit wegen (Meyer), sondern weil 
es dem Zweck dieses erweiterten Briefeingange gemäss (s. o.), 
eben auf eine solche Charakteristik abgesehen ist. Das dem 
χλητὸς ἀπόστολος parallele ἀφωρισμένος (vgl. Lev 20%. Num 
80) erläutert dies näher dahin, dass er als berufener Apostel 
für diesen Zweck aus der Zahl der anderen Knechte Christi 
ausgesondert ist, welche Aussonderung sich in und mit der 
geschichtlichen Thatsache seiner Berufung bei Damaskus voll- 
zog, jetzt aber in ihrer Wirkung fortdauert (daher das part. 
perf.) ***). — V.2. 6 προετεηγγείλατο) vgl. Dio Cass. 42, 32. 


*) Nur auf ganz speziellen Anlass (IKor 732. Eph 66) bezeichnet 
Paulus das Verhältniss der Gläubigen überhaupt zu Christo als ein 
Dienstverhältnises; hier aber wäre eine blosse Hervorhebung seines 
Christenstandes, den er mit den Adressaten theilt (Rück., Reiche, 
Frtzsch., Hofm., Beck, Luth., Zimmer), ganz bedeutungslos. Die 
Stellung von Xgsorov vor Inoov (Tisch. Treg. txt. WH.a. R.) ist nach 
B codd. vg. arm. Orig. u. latt. Vätern aufzunehmen (gegen Meyer). 
Diese dam Paulus ausschliesslich eigene Umkehrung des gangbaren 
Ἰησοῦς Χριστός betont die messianische Würde Jesu (vgl. Hofm.: der 
in der Person Jesu erschienene Heiland, Volkm., Lips.: der Messias 
Jesus), und zwar hier, weil er ale der erhöhte Heilsmittler nicht 
erst wie Jehova selbst Menschen in seinen Dienst nimmt (vgl. 
Lut .): 

**) Der Annahme eines Seitenblicks auf unberufene Lehrer (Glöckl.) 
oder Wanderphilosophen (Luth.) bedarf es dafür so wenig, wie des 
Rückblicks auf die Bestreitung seiner Apostelwürde Seitens der 
Judenchristen (Holst., Lips.). ass er von (zsott berufen, ist hier 
nicht einmal ausgedrückt, wie IKor 11, sondern erhellt erst aus der 
näheren Bestimmung ἀφωρισμένος — ϑεοῦ. 

***) Etwas anders ist die Vorstellung Gal 115, wo dypoploas μὲ ἐκ 


Röm 12. 4b 


46, 40. Gott hat das jetzt in der frohen Botschaft Verkündigte 
lange vorher verheissen, weil Paulus den neuen Heilsweg, wie 
ihn das Evangelium weist, bereits in Geschichte und Lehre 
des AT’s geweissagt sieht. Gerade darauf aber kommt es 
dem Apostel in dem ganzen Briefe an, zu zeigen, wie die von 
ihm unter den Heiden verkündigte Heilsbotschaft keine neue, 
mit der Verheissung Israels im Widerspruch stehende ist, 
sondern durchaus identisch mit dem, was Gott durch seine 
Propheten, ἃ. ἢ. die Organe der Gottesoffenbarung im Alten 
Bunde (δεὰ τῶν προφητῶν αὐτοῦ) von jeher verkündigt 
hat. Natürlich ist dabei nicht an die Propheten im engeren 
Sinne zu denken, da nach dem Folgenden keiner von denen, 
welche in der Schrift AT’s geweissagt haben, also auch Mose, 
David u. A. nicht, ausgeschlossen werden kann, — ἐν γρα- 

αἷς ἁγίαις) qualitativ: in heiligen Schriften. Dass es 
Keilige sind im Gegensatz zu den aus dem natürlichen Welt- 
leben hervorgegangenen (Hofm.), bürgt eben dafür, dass die in 
ihnen vorliegende Verheissung Gottes Verheissung und durch 
seine Organe gegeben ist (vgl. das artikellose γραφῶν zroo- 
φητικῶν (162) ἢ). 


κοιλ. unto. als der bestimmte Prädestinationsakt im Rathschlusse 
Gottes dem xal&oas, als dem geschichtlich gewordenen Faktum voran- 
eht. Daher darf der Ausdruck nicht mit Reiche, Ew., v. Heng., 
eck, God., Lips. nach Chrys. u. M. aus dieser Stelle (vgl. Jer 15) 
erläutert werden, ebensowenig aber aus Act 132 (Olsh., Otto u. A.), 
wo die Aussonderung einen ganz speziellen Zweck hat. Ganz fern 
liegt eine Anspielung auf sein vormaliges Pharisäerthum (Ersm., Bez., 
Paul. nach Drusius de Sectis 2, 2. 6 u. Schöttgen.. Der Ausdruck 
bezeichnet nicht, dass er von den anderen Aposteln ausgesondert sei 
in Betreff des Evang. (Otto, vgl. Böhmer), nämlich zur Verkündigun 
desselben unter den Heiden, da ja ἀπόστολος schon durch χλητὸς 
näher bestimmt ist (Luth.). Das εὐἰαγγέλεον von der Thätigkeit der 
evangel. Verkündigung zu fassen (Rück., God., Lips.), erlaubt weder 
der Gen. ϑεοῦ, noch der folgende Relativsatz, noch das Fehlen des 
Artikel. Der Gen. ϑεοῦ ist nicht (Chrys.), auch nicht zugleich (Sand.) 
Gen. obj., sondern subj. (autoris), und bezeichnet, wie V. 2 zeigt, 
dass diese Freudenbotschaft von Gott und nicht vom Menschen 
stammt (IIKor 117). Die kontextmässige Bedeutung des εἰς εὐαγγ. - 
ϑεοῦ schliesst die gegensätzliche Beziehung auf die Beschuldigung, 
dass er sich selbst verkündige (Hlst.), aus. 

*) Gemeint ist natürlich der Inhalt des Evangeliums und nicht 
das Verkündigtwerden desselben (vgl. Jes 40ıff. 424. Zph 89), wie 
hier ausser solchen, die schon V.1 an τὸ εὐαγγελίζεσϑαι denken (doch 
nicht Lips.), auch Hofm. und Meyer annehmen, obwohl es doch ganz 
willkürlich ist, das auf τὸ εὐαγγέλιον zurückgehende 5 zu analysiren: 
nämlich dass sie (die Botschaft) an die Welt ergehen werde. Bei 
der kontextmässigen Bedeutsamkeit der Aussage kann dieselbe weder 
bloss aus der Absicht, die Heiligkeit des ihm anvertrauten Gutes 





46 Röm 13. 


V. 3f. περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ) gehört nicht über den 
Relativsatz in V.2 hinweg zu δὐαγγέλιον (Calv., Grot., Beng,, 
Reiche u. A., vgl. noch Hofm., Luth.), das ohnehin nie mit 
sregi c. Gen. verbunden wird, weil die Präposition naturgemäss 
sich an das unmittelbar vorhergehende Verbum anschliesst. 
Dass das sreoerenyyeilaro schon sein Objekt hat (Luth.), be- 
weist nichts dagegen, da das σεερί eben nicht Objektsbezeichnung 
ist, sondern besagt, dass die frohe Botschaft schon in der alt- 
testamentlichen Verheissung an die Person des Heilsmittlers 
geknüpft erscheint, in Betreff‘ dessen die Propheten das 
kommende Heil weissagten. Wenn diese Person nun als 
ὁ υἱὸς τοῦ ϑεοῦ bezeichnet wird, so zeigt schon die An- 
knüpfung an die prophetische Verheissung, dass der Ausdruck 
in keinem anderen Sinne genommen werden kann, als in dem, 
welchen er schon im AT hat (vgl. Ps 27), d. h. im theo- 
kratischen Sinne als Bezeichnung des Messias (Winzer, Progr. 
1835. p. 51); nur muss man dabei festhalten, dass es darum 
kein leerer Titel ist, sondern den erwählten Gegenstand der 
er Liebe bezeichnet, welcher als solcher zum Organ 

er Ausführung aller göttlichen Heilsrathschlüsse über sein 
Volk bestimmt ἰδὲ ἢ). — Die beiden folgenden Partizipial- 


bervorzuheben (Meyer), noch aus einer polemischen Nebenabsicht (»ut 
invidiam norvitatis depelleret< Par., Grot. u. M. nach Chrys.) abge- 
leitet werden. Auch hier erklärt Lips. das Fehlen des Art. vor yo«- 

is ἁγίαις aus dem technischen (Gebrauch, während die Meisten 
(selbst Fritzsche) übersetzen: in den heiligen Schriften, als ob der 
Art. stände. Die Parenthesirung von V.2 ist ebenso willkürlich, wie 
die von rov γενομένου — vexowr V. 3f. oder von V. 5f., da überall 
strukturmässige Zwischensätze vorliegen und keine den Satzbau durch- 
brechende Einschaltungen. 

*) Meyer verwechselt hier, wie gewöhnlich geschieht, die Frage, 
ob Paulus den Sohn Gottes als ursprünglich göttlichen Wesens ge- 
dacht habe, die er mit vollem Rechie mit Verweisung auf 83. 3. Cal 
44. Kol 1188. Phl 26 al. bejabt, mit der völlig anderen, ob υἱὸς r. 
ϑεοῦ, im metaphysischen Sinne genommen, den »wesensgleich aus 
dem Wesen des Vaters Hervorgegangenen« (vgl. auch Phil., God., 
Beck, Otto u. A.) oder »eine überirdisch-übermenschliche Persönlich- 
. keit« (Lips.) bezeichne, was ebensowenig nachweisbar ist, wie die 
Erklärung Hofm.’s, wonach es den bezeichnen soll, »der von Gott in 
das Leben gewirkt worden, in welchem er stand und steht« Mit 
vollem Recht dagegen verwirft Meyer die Annahme einer bei Paulus ein- 

etretenen Modifikation der Vorstellung (Usteri, Kölln., s. dagegen 

ück.), sowie die Annahme Holst.’s (a. a. OÖ. p. 427) von einem Ent- 
gegenkommen Pauli gegen die judenchristliche Vorstellungsweise. 
Uebrigens ist αὐτοῦ zu lesen, nicht αὑτοῦ, wie es vom Standpunkte 
des Subjekts aus der Fall sein müsste, da die Reflexion, wie gewöhn- 
lich, vernachlässigt und der Ausdruck vom Standpunkt des Schreiben- 
den aus gebildet ist. 


Röm 153. 47 


bestimmungen schildern keineswegs bloss die erhabene Würde 
des (Grottessohnes mit Rücksicht auf die beiden Hauptepochen 
seiner Geschichte (Meyer), sondern heben mit Bezug auf V. 2 
die beiden entscheidenden Hauptpunkte hervor, an welchen 
sich zeigt, dass das in dem Evangehum von Christo Verkün- 
digte bereits in der Verheissung in Betreff des Sohnes Gottes 
in Aussicht genommen war. — τοῦ γενομένου) Dies ohne 
weiteres durch »geborens zu übersetzen (Meyer, Ged., Luth.), 
wird durch Gal 4: nicht nur nicht empfohlen, sondern auch 
in dieser Stelle durch das parallele γενόμ. ὑσχεὸ νόμον eher 
verhindert. Es bezeichnet die Herkunft (Ew., Volkm.), die 
aber natürlich in diesem Fall durch Geburt vermittelt ist. 
Die Herkunft aus Davidischem Geschlecht ist die Grundlage 
alles dessen, was die prophetische Weissagung von dem Messias 
aussagt (IISam 7ızfl. Jer 235. Ps 13211. Mt22.0. Joh 7a. 
Act 13%), und darum als erstes Hauptmoment der Ueberein- 
stimmung zwischen ihr und der evangelischen Verkündigung 
(OH Tim 28) hervorgehoben. — ἐκ σπέρματος .1.) nöthigt 
keineswegs, mit Meyer an den Samen Davids zu denken, wie 
er durch die männliche Stammlinie von γενεά zu γενεά fort- 
gepflanzt war (Mt lısff., vgl. Act 20), was höchstens möglich 
wäre, wenn das yervou. &x nothwendig von der Geburt ge- 
nommen werden müsste, da das osröpue im ganzen biblischen 
Sprachgebrauch nicht nur der Same als zeugender, sondern 
auch ne) die erzeugte Nachkommenschaft ist, mag 
es kollektiv (418. 16) oder von einem Einzelnen (97. Gal 815. 19) 
ausgesagt werden ἢ. — zara σάρκα) fleischesgemäss; be- 
zeichnet freilich nicht die Norm des Werdens (Beck.), oder 
die Art, nach der es bei menschlicher Herkunft hergeht (wie 
Gal 42»), da ja das Einzige, was soeben über die Art seiner 


*) Darum heisst aber σπέρμα nicht ohne Weiteres »das nach 
David sich benennende, weil auf seine Ahnherrschaft sich zurück- 
führende Geschlecht« (Hofm.), und noch weniger ist dabei an eine 
Saat zu denken, welche aus David erwachsen, da in einem Zusammen- 
hange, wo von menschlicher Herkunft die Rede und ein menschlicher 
Ahnherr genannt ist, nur an das semen virile gedacht werden kann 
(gegen Luth.). Trotzdem liegt die Vorstellung der Zeugung durch 
einen Davididen in dem Ausdruck keineswegs mit Nothwendigkeit; 
aber ebensowenig darf man freilich behaupten, Paulus habe bei dem 
Samen Davids an die aus Davidischem Samen erzeugte Maria gedacht 
(ex virgine Maria; vgl. noch Phil., God.), da er nirgends (auch nicht 
88. Gal44) die Anschauung von einer übernatürlichen Erzeugung Jesu 
direkt ausspricht (Usteri, Lehrb. p. 328. R. Schmidt. Paul. Christo- 
logie p. 140ff.) oder die Davidische Herkunft der Maria als etwas 
Selbstverständliches voraussetzen kann. Näheres vgl. Weiss, Bibl. 
Theol. p. 78, b. 





48 Röm 18. 4. 


Herkunft ausgesagt, nichts allgemein menschliches ist, sondern 
heisst: hinsichtlich Fleisches, d. h. sofern er ein Fleisches- 
wesen war*). Dies soll vorandeuten, dass in dem Wesen des 
Sohnes Gottes noch ein anderes höheres Wesenselement (das 
σενδῦμα) enthalten war, welches in dem beseelten Fleisch an 
sich nicht enthalten und darum auch mit der menschlichen 
Herkunft nicht gegeben ist. Eben darum aber kann auch 
hier die σάρξ, worauf die erste Aussage beschränkt wird, nur 
das gesammte natürlich-menschliche Wesen bezeichnen, wie es 
allein auf Grund menschlicher Herkunft sich entwickelt. — 
V. 4 reiht eine andere Aussage über den Gottessohn asyn- 
detisch an, wodurch dieselbe nur noch gewichtiger hervortritt. 
Dissen ad Pind. Exc. II. de Asynd. p. 275 ἢ. Auch diese 
aber wird dazu dienen müssen, zu zeigen, wie an dem in der 
evangelischen Botschaft verkündigten Gottessohn verwirklicht 
ist, was die prophetische Weissagung bei ihm in Aussicht ge- 
nommen hat. — τοῦ δρισϑέντος υἱοῦ ϑεοῦ ἐν δυνάμει) 
der bestellt ward zum Sohne Gottes in Kraft. In der Ver- 
heissung war nicht nur ein Davidide in Aussicht genommen, 
den Gott zum Gegenstande seiner höchsten Liebe und Für- 
sorge erwählen werde, sondern auch die Einsetzung desselben 


Ἢ Dennoch kann σάρξ hier nicht bloss den sinnlichen Stoff 
der Leibesform (Holst.) bezeichnen, weil zur σάρξ, wie bei allen 
Menschen, so auch bei Christo die ψυχή als das Prinzip des ani- 
malischen Menschenlebens gehört; ebensowenig kann es aber auf die 
fleischliche Seinsweise gehen, die der Sohn Gottes auf Erden hatte, 
sofern seine konkrete Erscheinung eine materiell-menschliche Persön- 
lichkeit war (Meyer, Lips.), da dies den Gegensatz zu einer himm- 
lischen Seinsweise voraussetzen würde, die in dem υξὸς τ. 9. nicht 
angedeutet liegt. Es kann auch nicht die Aussage auf diejenige 
Herkunft einschränken, vermöge deren er die sich forterbende 
menschliche Natur zu seiner Natur hatte (Hofm.), weil ebensowenig 
in der Benennung als Sohn Gottes eine andere Herkunft ausgedrückt 
ist. Jede Beziehung der σάρξ auf die ἀσϑένεια (Beck, Lips.) oder gar 
die Versuchbarkeit (Meyer) des Fleisches liegt völlig fern. 

*®*) Allerdings ist kein Gegensatz der beiden Aussagen angedeutet 
(gegen Reiche, Rück., de W., God. u. A.), allein eine Steigerung 
( ol.) ist doch kaum zu verkennen, und man kann nicht bloss sagen, 

ie erste habe nicht ohne die zweite bleiben sollen, welche selbständig 
neben sie tritt, aber sie eben deshalb, weil sie eine zweite ist, zur 
Voraussetzung hat (Hofm., vgl. Blbtr).. Wenn das Neue, was sie 
use aber etwas sein soll, was über den Zusammenhang mit der 
Geschichte Israels hinausliegt (Hofm.), oder was auf die »überjüdische« 
Bestimmung Christi hinweist (Blbtr., God.), so liegt darin doch gewiss 
eine Steigerung gegen das Vorige. Lips. bestreitet, dass τοῦ ögı- 
σϑέντος von τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ abhänge, und fasst es als Näherbestimmung 
von V. 3, weil υἱοῦ ϑεοῦ wiederholt werde, das ja aber nicht, wie 
jenes, Subjekt ist. 





Röm 14. 49 


in die volle Machtherrlichkeit (Ps 27ff.), in die Theilnahme an 
der Weltherrschaft Gottes selbst (Ps 1101. Erst dadurch 
wird er zum Sohne Gottes in Kraft, d. h. in voller Wirklich- 
keit, nicht nur der göttlichen Bestimmung nach, sondern auch 
seiner thatsächlichen Herrscherstellung nach, in welcher sich 
der Sohn Gottes als solcher, d. h. in der ihm gebührenden 
Machtwirkung darstellt. Dass also das ἕν δυνάμει eng mit 
dem prädikativen artikellosen υἱοῦ ϑεοῦ zu verbinden ist, wird 
nach Melanchth., Paul., B.-Crus. von Phil., Hofm., Luth., God., 
wie von Holst, Pfleid., Lips. u. vielen Neueren anerkannt. 
Allerdings heisst ὁρίζειν zunächst: bestimmen zu etwas 
(Act 1781), aber Tempus und Zusammenhang zeigen, dass es 
sich um einen geschichtlichen Akt handelt, in welchem sich 
diese Bestimmung verwirklichte (vgl. Luth.. Goebel, Cremer, 
bibl. theol. Wörterbuch p. 670)*) Vielleicht ist der eigen- 
thümliche Ausdruck (statt Erroinoe, Act 23) mit Absicht ge- 
wählt, um an die schon in der prophetischen Weissagung 
liegende Bestimmung zu erinnern, welche sich in der Er- 
höhung des Sohnes zu der dem Messias bestimmten Macht- 
herrlichkeit verwirklichte. — xare πνεῦμα αἀγιωσύνης) 
gemäss Heiligkeitsgeistes ἢ. Natürlich sagt der artikellose 


*, Holsten will bei der Bedeutung: bestimmen (als Aeusserung 
eines göttlichen Willensaktes) stehen bleiben, und Hofm., Blbtr. be- 
haupten geradezu, es könne nur die Bestimmung darüber bezeichnen, 
was er werden solle. Aber wenn Hofm. sich dafür auf das Part. 
Aor. beruft, so bemerkt Meyer mit Recht, dass dieses gerade einen 
dem γενομένου nachfolgenden Akt bezeichnen muss, also nicht die 
vorgängige göttliche Bestimmung bezeichnen kann, wie das ὡρισμένος 
Act 104. Mit Recht beruft man sich dafür auf die einzig analoge 
klassische Stelle Meleag. in d. Anth. 12, 158, 7: σὲ ϑεὸν ὥρισε δαίμων, 
während der von Hofm. beabsichtigte Gedanke sicher durch προορέζειν 
ausgedrückt wäre. Ganz willkürlich nehmen Umbreit, Zimmer das 
ὁρίζειν im Sinne von ἀφορέζεεν V.1 und keinesfalls heisst es: erwiesen 
als (Luthb., de W., Sand. nach Chrys.: desydEvros, ἀποφανϑέντορ), 
welche Bedeutung man immer wieder indirekt erzwingt, indem man 
einträgt: eingesetzt für Menschen, d.h. für die menschliche Er- 
kenntniss und Ueberzeugung (Frtzsch.) oder: thatsächlich bekundet, 
zweifellos festgestellt (Rück., Chr. Hoffm., Otto). Man verband dann 
ἐν δυνάμεε mit ἃ. Verbum entweder in dem adverbialen Sinne: 
kräftiglich (Luth., de W., vgl. auch Meyer, God., Beck), oder in 
instrumentaler Bedeutung (Chrys., Theoph., Calov: per virtutem i. e. 
per signa et prodigia; Grot., Frtzsch.: vi ei data; Chr. Hoffm.: ver- 
möge einer Machtwirkung ; Zimmer: durch eine Machtthat; Otto: im 
Gebiet machtvoller Thatsachen). Beides verbindet Sanday. 

**, Da ἀγεωσίνη sowohl bei Paulus (bei Griechen und in anderen 
Schriften des NT’s kommt es nicht vor) als bei den LXX immer 
Heiligkeit (II Kor 7ı. ΤῺ 8185. Ps 966. 97:2. IIMk 3ı2), nicht 
Heiligung (Vulg., Erasm. u. V., auch Glöckl. und Schrader) heisst, so 


Meyor’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 4 











50 Röm 1a. 


Ausdruck nur, welcher Art das sıveiua war, in Gemässheit 
dessen ihm die Einsetzung in die volle Machtherrlichkeit der 
Sohnschaft zu Theil ward, setzt aber eben darum voraus, dass 
er ein solches πρνδῦμα hatte, da nicht nur von einer anderen 
Betrachtungsweise die Rede ist, unter welche der auf Erden 
erschienene Gottessohn fällt (Meyer), sondern von einem Vor- 
gange, der dem Vorhandensein solchen Geistes (in ihm) ent- 
sprach. Denn natürlich gehört das xara zu ὁρισϑέντος, wie 
χατὰ σάρχα zu γενομένου; allein es liegt in der Verschieden- 
heit der Verbalbegriffe, mit denen das zweimalige «ara ver- 
knüpft wird, dass es dort nur die Wesensseite bezeichnet, hin- 
sichtlich welcher allein von menschlicher Herkunft die Rede 
sein kann, hier aber, wo es sich um einen göttlichen Akt 
handelt, die Wesensseite, in Gemässheit welcher seine Ein- 
setzung bestimmungsmässig vollzogen ward. Die Thatsache 
also, dass Heiligkeitsgeist in ihm war, ist als die Voraussetzun 

und maassgebende Ursache seiner Erhöhung gedacht, un 

schon daraus folgt, dass mit σενεῦμα ἁγιωσύνης etwas bezeich- 
net ist, was, dem natürlich-menschlichen Wesen (σάρξ) an sich 
fremd, die einzigartige Wesenheit des Gottessohnes konstituirte, 
kraft welcher ihm die einzigartige Erhöhung zu göttlicher 
Machtherrlichkeit zu Theil werden konnte (vgl. Lips.) ἢ. 
Absichtlich vermeidet wohl Paulus den Ausdruck σενεῦμα 
ἅγιον, um ihn von dem durch Christum allen Gläubigen mit- 
getheilten Geist zu unterscheiden, da er vielmehr die Quelle 


ist der Genetiv ein Gen. qualitatis (Kühner $ 402, c) und bezeichnet 
das spezifische Beschaffensein des πνεῦμα, nicht den Stand der Heilig- 
keit, welchen es setzt (Hofm., der das xara nv. ay. zu υἱοῦ 9. ἐν dw. 
zieht; vgl. de W., Holst.). 

*) So wenig nun σάρξ bloss die äussere, sinnenfällige Seite des 
Wesens des Gottessohnes war, so wenig ist dieser Heiligkeitsgeist 
bloss die innere, geistige, das Substrat seines voös (IKor 216), das 
Prinzip und die Potenz seines innerlichen Lebens, das erkennende 
und sittliche, die Mittheilung des Göttlichen empfangende Ich, kurz der 
ἔσω ἄνϑρωπος Christi (gegen (Kölln., de W., B.-Crus., Ew., Hofm., 
Luth., Sand., auch Meyer, der dann freilich wieder diesen Geist als 
den Sitz des zu seiner Person gehörenden göttlichen Wesens, das 
Continens der metaphysischen vlörns ϑεοῦ denkt), sondern ein spe- 
zifisch göttliches Wesenselement, das, der göttlichen «ysörns ent- 
sprechend, durch den Gen. qual. eben als solches charakterisirt wird 
(Bibtr.: Heiligkeit »im Sinne der göttlichen Ueberweltlichkeit«, Beck: 
das seinem persönlichen Wesen immanent gewordene göttliche Prinzip, 
vgl. Zimmer). Bei jener Auffassung kommt man immer mehr oder 
weniger dazu, den Ausdruck auf das studium sanctitatis (v. Heng.), 
seine heilige Gesinnung (Böhmer), oder die Sündlosigkeit Jesu (Otto) 
zu reduziren, was eine rationalisirende Abschwächung des Gedankens 


ergiebt. 





Röm 14. . δ] 


des letzteren ist, an dessen Mittheilung durch Christum darum 
keinesfalls gedacht werden kann (gegen Chrys., Luther, Böhme 
u. A. Es erhellt eben aus der Stelle, dass Paulus das 
Einzigartige der Person Christi in der ursprünglichen Verbin- 
‚dung des menschlichen Fleischeswesens mit diesem höheren 
göttlichen Wesenselement sah (vgl. Weiss, 010]. Theol. 8. 78,d)*). 
Auch von diesem dem Messias eignenden Geiste hatte bereits 
die Alttestamentliche Prophetie geweissagt (Jes 112. 421). — 
ἐξ ἀναστ. νεχρῶ ») auf Anlass von Todtenauferstehung, d.h. 
so dass erst ein Auferstehen, wie es eintritt, wenn Todte auf- 
erstehen, voraufgehen musste, ehe es zur Verwirklichung jener 
Bestimmung kam; denn durch die Auferstehung Christi voll- 
zog Gott, der ihn auferweckt hat (IIKor 134), thatsächlich 
seinen Einsetzungsspruch: Du bist mein Sohn, heute u. 8. w. 
Act 138. Sonach konnte Paulus auch διά schreiben, aber 
ἐχ ist bezeichnender für den Gedanken, dass seine Erhöhung 
zu göttlicher Machtherrlichkeit ursächlich hervorging aus einer 
Todtenauferstehung. Vgl. zu dieser Bedeutung des ἐκ Buttm. 
neut. Gr. p. 281. Ellendt Lex. Soph. I, p. 550f. **). — Ἰησοῦ 
Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν) ist Apposition zu τοῦ υἱοῦ 
αὐτοῦ V. 3, nicht zu τοῦ ὁρισϑέντος υἱοῦ ϑεοῦ (Lips. nach 





4) Darin liegt die Wahrheit der alten dogmatisirenden Erklärung 
von der göttlichen Natur (Melanth., Calov., Beng. u. V.), wobei man 
wohl zur Erklärung von πνεῦμα das hier fremdartige πνεῦμα ὁ ϑεός 
Joh 434 heranzog (Beza, Olsh., Maier, Phil.), oder den Ausdruck als 
der Sache nach gleich mit dem Johanneischen λόγος fasste (Rück,., 
vgl. Reiche: »das sun seiner höhern Wesenheit«) und eine Apolli- 
narische Vorstellung nicht vermied. Ebenso falsch dogmatisirend ist 
die Erklärung, welche an das πνεῦμα ἅγιον als die dritte Person der 
göttlichen Trias denkt (Frtzsch.: secundum Spir. s. ei divinitus con- 
cessum, vgl. Beza, Wolf, Koppe, Thol., God. u. A.), wobei, sobald man 
ihre dogmatisirende Form aufgiebt, gerade der im Ausdruck absicht- 
lich gewahrte spezifische Unterschied zwischen Christo und den 
Gläubigen verwischt wird. Dagegen kommt es trotz Meyers Wider- 
spruch im Wesentlichen auf das Richtige hinaus, wenn nach Zeller 
in d. theol. Jahrb. 1842. p. 486 das πνεῦμα das Element sein soll, 
aus welchem die höhere Persönlichkeit Christi besteht; nach Baur, 
Paulus II, p.375 der Messianische Geist, das die Messianität Christi 
konstituirende immanente Prinzip. 

ἘΦ Die Fassung, welche bei ὁρισϑείς an Jie Erweisung der 
Gottessohnschaft denkt und darum 2x vom Erkenntnissgrunde nimmt 
(vgl. noch de W.), sowie die zeitliche Fassung: seit oder nach (Theod,, 
Erasm., Luther, vgl. Flatt, Umbr., Mehr.), die noch Beck wenigstens 
einmischt, scheitert schon daran, dass nicht die Auferstehung Christi 
in concreto bezeichnet, sondern nur die Art des Hergangs charakteri- 
sirt ist, vermöge dessen es zu jener Erhöhung Christi kam. Denn 
der Ausdruck ἐξ dvaor. νεχρ. ist nicht, wie oft geschieht (vgl. noch 
Beck), für ἐξ «vaor. ἐκ vexo. zu nehmen, so dass das zweite 2x des 


4* 





52 Röm 14.5. 


seiner falschen Verknüpfung dieser Worte. Es ist durchaus 
nicht entbehrlich und nur der Fülle des Ausdrucks in diesem 
ganzen Briefeingange mit seinem majestätischen Gepräge ent- 
sprechend (Meyer), sondern bezeichnet nun die historische 
erson, welche schon die Prophetie im Auge hatte, wenn sie 
von dem Messianischen Gottessohn die Herkunft aus dem 
Samen Davids und die Erhöhung zur göttlichen Machtherr- 
lichkeit weissagte, und welche daher jetzt die evangelische 
Botschaft verkündigt, mit dem solennen Doppelnamen, in 
welchem sein Personname (]ησοῦς) mit seinem einzigartigen 
Würdenamen (Χριστός) zu einem Eigennamen verschmolzen 
ist (s. z. Mt 11), und ihre spezifische Würdestellung, zu wel- 
cher dieselbe in Folge jener Einsetzung in die Messianische 
Machtherrlichkeit gelangt ist (ὁ χύριος ἡμῶν). Zugleich wird 
damit in sehr geschickter Weise der Anknüpfungspunkt ge- 
boten für die Fortführung dessen, was Paulus über sein 
Apostelamt (V. 1) zu sagen hat. 

Υ. δὲ, δὲ οὗ ἐλάβομεν χάριν καὶ ἀποστολήν) Zu 
dem, was er bisher (V. 1—4) über sein Apostelamt im Allge- 
meinen gesagt, fügt Paulus hinzu, wie ihm dieser Beruf speziell 
für die Heiden gegeben, um dadurch nachher zu motiviren, 
weshalb er sich an die ihm persönlich noch unbekannte Ge- 
meinde zu Rom wendet. Durch Vermittelung des erhöhten 
Herrn, der ihm bei Damaskus erschien, hat er diesen Beruf 
empfangen, den er stets als den ihm im Gegensatz zu den 
Uraposteln (Gal 27) wie zu anderen Verkündigern des Evan- 
ΛΠ (IKor 86. 10) gegebenen betrachtet, so dass er weder 

arnabas (Otto), noch seine Amtsgehülfen (Hofm.), geschweige 
denn die übrigen Apostel (Beng., v. Heng., Sand.) in den von 
ihm gebrauchten Plural einschliessen kann. Gewiss ist dieser 
schriftstellerische Plural darauf zurückzuführen, dass man sich 
mit Seinesgleichen zusammengedacht sehen will; und es liegt 
darum allerdings in ihm eine gewisse Bescheidenheit (Reiche 
nach Est. u. A.), die sich scheut, etwas besonders Grosses 
von seiner Person als einen individuellen Vorzug auszusagen. 
Aber darum sind es keineswegs immer bestimmte Personen, 


Wohlklangs wegen weggelassen sei, sondern ist allgemeine Bezeichnung 
der Kategorie (Todtenauferstehung), von welcher die eigene Erstehung 
des todten Jesus der betreffende konkrete Fall war. Vgl. Act 173. 
So auch de W., Hofm., der aber auch diesen präpositionellen Zusatz 
nicht mit ὁρισϑέντος verbinden will, und Phil., welcher nach Erasm., 
Beng. den hier fremden Gedanken, dass in Christi Auferstehung die 
unsrige enthalten sei, mit einbringt. Aehnlich Beck, Chr. Hoffm., 
Otto, Zimmer u. A 





᾿ Röm 15. 53 


die dabei mit der eigenen zusammengeschlossen werden, son- 
dern es liegt darin nur, dass auch Andere zu gleichem Beruf 
erwählt sein oder werden könnten. Er bezeichnet aber diesen 
Beruf als eine ihm in und mit seiner Christenberufung zu 
Theil gewordene besondere (inade (vgl. 123. 1515) und zwar 
insonderheit als eine Sendung, die aber in Korrelation mit 
dem ἀπόστολος in V. 1 nur speziell als apostolische Sendung 
im spezifischen Sinne (Gal 27) gedacht sein kann (gegen 
Hofm.). Wie in jenem Ausdruck das Bewusstsein einer un- 
verdienten Gabe liegt, die ihm damit zu Theil geworden, so 
in diesem die unausweichliche Verpflichtung, die ihm damit 
auferlegt ist ἢ). — eis ὑπακοὴν τείστεως ἐν πᾶσιν τοῖς 
ἔϑνεσιν) um Glaubensgehorsam zu wirken unter allen Heiden, 
ehört nothwendig zusammen, da erst durch den Zusatz mit 
ev das noch unbestimmte εἰς dahin näher bestimmt wird, dass 
es sich um Herstellung von Glaubensgehorsam in einem be- 
stimmten Kreise handel. Da nach dem Neutestamentlichen 
Se en σείστις stets der subjective Glaube ist, und 
weder für doctrina fidei steht (Beza, Estius, Beng., Frtzsch., 
Thol. u. M.), noch »als Potenz oder Lebensrichtung objektivirt« 
wird (Meyer, vgl. Rück., Olsh., Phil, so kann der Genitiv 


Ἢ Paulus knüpft also keineswegs bloss an das Verhältniss, in 
welchem Christus als der allgemeine Herr zur ganzen Christenheit 
steht, das besondere Verhältnisse, in welchem er zu diesem χύριος 
steht, um die Glückseligkeit und Würde dieses Verhältnisses nochmals 
hervorzuheben (Meyer), wobei die aus V. 6 klar erhellende kontext- 
mässige Bedeutung dieser Aussage verkannt wird. Dass διά unbe- 
stimmt gebraucht sei, wird von Rück., Kölln., de W. ohne Grund an- 
genommen. Es erhellt aus obiger Darlegung, dass im Gebrauch des 
schriftstellerischen Plural die ursprüngliche Vorstellung doch nicht 
so gänzlich untergegangen ist, wie Meyer meinte (vgl. auch Lips.); 

anz gekünstelt ist es aber, ihn in irgend einem Sinne mit auf alle 
Christen zu beziehen (Böhmer, Chr. Hoffm.). Bei χάρες ist weder an 
die allen Christen widerfahrene verzeihende Gnade (August., Calv., 
Cal., Reiche, Thol., Olsh., Chr. Hoffm., Sand. u. A.), noch an die 
Gnade, die ihn überhaupt zu ausserordentlicher Dienstleistung aus- 
sonderte (Otto, Zimmer), noch an die ausserordentlichen apostolischen 
Gnadengaben (Theod., Luther, Flatt, Beck u. A.) zu denken; und 
willkürlich ist es, χάρεν χαὶ ἀποστολὴν als ἕν διὰ δυοῖν für χάριν τῆς 
ἀποστολῆς zu nehmen (Chrys., Bez., Grot., Wttst., Seml., Frtzsch., 
Phil. u. A.), da jedes der beiden Momente in seiner besonderen Be- 
deutung für sich hervortreten soll. »Apostolische Machtfülle« (Lips.) 
heisst ἀποστολή nicht. Es entspricht ganz der Anschauung des 
Apostels, dass die Gnade, die ihm in der allgemeinen Christen- 
berufung zu Theil wurde, für ihn eine ganz besondere war, indem 
gerade er, der Verfolger der Gemeinde, nicht nur zum Christen, 
sondern zum Apostel berufen ward. Vgl. Weiss, bibl. Theol. $ 89, b. 
Anm. 4, 


54 Röm 15. e. 


nicht, wie in dem Ausdruck ὑπαχοὴ Χριστοῦ (IIKor 10, 
vgl. IPt 12), dasjenige bezeichnen, dem der (sehorsam ge- 
leistet wird (vgl. noch Sand.), sondern nur epexegetisch oder 
als Green. appos. genommen werden: Gehorsam, der ım Glauben 
besteht (Theod., Calv., God., Luth. u. A... Dann ist der 
Glaube freilich hier noch nicht das Heilsvertrauen auf Christum 
(Volkm.), sondern die zuversichtliche Ueberzeugung von der 
Wahrheit der Gottesbotschaft oder die gläubige (vertrauens- 
volle) Aufnahme derselben (Hofm.), welche Gott selbstver- 
ständlich fordert, wenn er einen Apostel mit seiner Heils- 
botschaft sendet (V. 1), also das ὑχεαχοΐδιν τῷ εὐαγγελίῳ 
(1016. IITh 189) ἢ. Ungenauer Weise dachten die Aelteren 
bei τὰ ἔϑνη meist alle Nationen mit Einschluss der Juden ἢ 
(ve noch Rück., Reiche, Kölln., Frtzsch., Beck). weshalb denn 

ΔῸΣ die Leser, die nach V. 6 zu den ἔϑνῃ gehören, meinte 
als Judenchristliche betrachten zu können. Allein wo Paulus 
sonst seinen speziellen Beruf für die &9vn hervorhebt, stehen 
dieselben im ausdrücklichen Gegensatz gegen die περιτομή 
(Gal 2sf.), wie sonst gegen die Kinder Israel oder den λαός 
schlechthin (Act 9ı5. 2617, vgl. Ex 195. Neh 5s), und die 
Behauptung, dass Paulus im Römerbrief sich einen eigenen 
Universalapostolat beilege, der auch die Juden einschliesse 
(Volkm., Holst.; vgl. dagegen Weizs. p. 250 nnd selbst Mang. 
p. 193), scheitert unrettbar an 1118. Gemeint sind also, wie 
32. 9%, die im Gegensatz zu den Juden gesetzlos (214. 9%) 
lebenden Heiden-Völker, zu denen auch die Römer gehörten 
(Beza, Thol., Phil. und die meisten Neueren). Endlich hebt 
der Apostel hervor, dass solcher Glaubensgehorsam gewirkt 
werden soll seinem Namen zu gut (ὑπὲρ τοῦ ὀνόματος 
αὐτοῦ), sofern der Name Christi dadurch verherrlicht wird, 
dass die gläubig gewordenen Heiden ihn bekennen, vgl. Act 
ὅθ. "ἢ. — V.6. ἐν οἷς ἐστὲ καὶ ὑμεῖς) subsumirt die Leser 


8) Dagegen erfordert es willkürliche Eintragungen, wenn man 
bei ὑπαχοή an die Werktbätigkeit des Glaubens (Reithm.) denkt oder 
den Gen. mit Beza, Grot, v. Heng. als Bezeichnung der causa efficiens 
fasst: »ut Deo obediatur per fidem«, wobei eben das »Deo« eigen- 
mächtig eingetragen wird. Aber auch an den Gehorsam gegen den 
κύριος V.4 zu denken (Otto), ist willkürlich. Ganz unklar Beck: ein 
Gehorsam, welcher den im Evangelium sich lebenskräftig offenbsren- 
den Glauben (im objektiven Sinne) als eigenes Glaubensleben in sich 
aufnimmt und zur πλήρωσις fortentwickelt. Unnatürlich ist es, das 
εἰς statt mit dem ἐλάβομεν χ. χ. ἀπ. mit diesem Objekt selbst zu ver- 
binden (Mehr., Hofm.), da es ja zu γάρεν an sich gar nicht passt und 
ai ἀποστολήν allein (Chr. Hoffm., Fühmer) nicht verbunden werden 

ann. 
54) Da in dem εἰς ὑπαχοήν ein Verbalbegriff enthalten ist, schliesst 


Röm 1e. δῦ 


unter die ἔϑγνη, unter welchen Paulus Glaubensgehorsam be- 
wirken soll, und rechtfertigt damit, dass er sich an sie wendet: 
Auch sie gehören unter jene ἔϑνη, sofern sie der Geburt nach 
Heiden sind. Freilich unterscheiden sie sich von ihnen inso- 
fern, als die Heiden, in denen er erst den Glaubensgehorsam 
bewirken soll, noch unbekehrte Heiden, sie aber bereits gläubig 
sind; aber ihrer Nationalität nach gehören sie dennoch zu 
seinem Missionsgebiet. Hieraus folgt, dass xAnroi ᾿Ιησοῦ 
Χριστοῦ einfache Apposition zu ὑμεῖς ist (vgl. God.) und 
nicht Prädikat (de W., Meyer, Hofm., Hilgenf.), wodurch die 
Pointe des Satzes, die auf ihrer Zugehörigkeit zu den &: 
ruht, nur verdunkelt wird, und der unrichtige Gedanke ent- 
steht, dass alle 299, wie sie, berufen sind. Denn die Be- 
rufung ist bei Paulus eben nicht die Einladung zum Heil, 
die an alle &9»n ergeht, sondern die göttliche Gnaden- 
wirkung, durch welche in den Erwählten der Glaube gewirkt 
und sie dadurch zur Gemeinde herzugeführt (herzugerufen) 
werden (8%. I1Kor 1261). Da diese Berufung bei Paulus 
ohne Ausnahme Gott zugeschrieben wird (IKor 10. ITh 
218: vgl. Weiss, bibl. Theol δ 88), so ist der Ausdruck nicht 
nach Luther zu erklären: von Christo Berufene (Rück., Hofm., 
God. u. M., wie Zph 17), sondern: Berufene (von Gott), die 
Christo angehören (so Erasm., Beza, Estius u. die meisten 
Neueren, vgl. auch Win. 8 30, 4. Denn eben als zur Ge- 
meinde Herzugerufene gehören sie Christo als dem Herrn der 
Gemeinde (V. 4) an ἢ). 


sich das ὑπέρ naturgemäss an diesen an, wie das ἐν π. τ. ἔϑνεσιν 
(Frtzsch., Phil.), und nicht an den ganzen Satz (de W., Hofm., Beck), 
oder gar an ἐλάβομεν χάριν x. ἀποστολήν allein (Rück., God.). Ganz 
verfehlt aber war es, darin das Objekt des Glaubens (Patr.) oder des 
Gehorsams (Zimmer) zu sehen, und das ὑπέρ zu erklären: zur Er- 
füllung desselben, damit sein Name χύριος werde, was er ausdrückt 
(Otto). Die Absicht, die Verherrlichung seines eigenen Namens aus- 
schliessen zu wollen (Hofm.), liegt dem Kontext ganz fern. 

®) Mang. (p. 197 ff.), der richtig erkannt hat, dass die Umdeu- 
tüng des Begriffs der 29vn unmöglich ist, fasst das ἐν οἷς ἐστέ im 
geographischen Sinne, um die Angeredeten für Judenchristen erklären 
zu können, welche Paulus, weil sie im Bereiche der Heiden wohnen, 
zu seinem Missionsgebiet rechnet (vgl. auch Hilgenf.). Aber abge- 
sehen davon, dass dies durch das blosse ἐστέ sehr unklar ausgedrückt 
wäre, war die Theilung der Missionsgebiete Gal 27ff., wie schon der 
Gegensatz der περιτομή zeigt, national und nicht geographisch ge- 
meint, und schliesst nach Sinn und Wortlaut aus, dass Paulus selbst- 
ständig entstandene Judenchristliche Gemeinden, weil sie im Gebiet 
der Völkerweit lagen, zu seinem Missionsgebiet gerechnet haben 
sollte. Obige Fassung verlangt keineswegs einen partizipialen Aus- 
druck (χλητοὶ ὄντες: obschon Ihr χλητοί seid), da das χαΐί schon einen 





56 Röm 17. 


V.7T. πᾶσιν τοῖς οὖσιν ἐν Ῥώμῃ) Erst jetzt, nach- 
dem Paulus durch V. 6 sein Recht, sich an die Leser zu 
wenden, begründet hat, richtet er an sie die förmliche Zuschrift 
des Briefes und vollendet so dessen Adresse. Er nennt aber 
in derselben nicht, wie gewöhnlich, die Gemeinde in Rom, 
sondern alle in Rom befindliche Christen. Dass dies auch 
Eph lı. Kol lı geschieht, verbietet nicht, nach einem Grunde 
dafür zu fragen (gegen Meyer); derselbe kann aber nur darin 
liegen, dass er durch das πᾶσιν ausdrücken wollte, wie sein 
Brief allen Gemeindegliedern in gleicher Weise gelte. Dann 
aber kann dies allerdin nicht bloss dem ausführlichen, an 
eine grosse, dem Apostel noch fern stehende Gemeinde ge- 
richteten Briefe ein gewisses diplomatisches Gepräge geben 
Meyer), sondern es schliesst neben den nach V. 6 zu den 
ἔϑνη gehörigen Berufenen auch die ehemaligen Juden in der 
Gemeinde ein (vgl. God., Lips.)*), ohne dass man natürlich 


Unterschied der Leser von den übrigen ἔϑνη, unter denen Paulus 
Glaubensgehorsam wirken soll (V. 5), andeutet, so dass nım das 
Appositionsverhältniss vollkommen genügt, um zu zeigen, wodurch 
sie sich von jenen, denen sie Paulus zuzählt, unterscheiden. Die 
Fassung des χλητοὶ I. Xo. als blosse Anrede (Rück., Frtzsch., Phil., 
v. Heng. u. A.) macht dasselbe für den Zusammenhang bedeutungslos. 
Die Erläuterung der Apposition durch »als Berufene Jesu Christi« 
(Volkm., Lips., der es Apposition zu ἐν oıs ἐστε sein lässt) ergiebt 
ebenfalls den unrichtigen Gedanken, dass alle Berufene als solche zu 
den ἔϑνη gehören. Otto vollends trennt ganz unnatürlich /no. Χροῦ 
von χλητοί: »unter welchen auch ihr als Berufene Unterthanen Christi 
seid«e, und verbindet so nur den Fehler der Meyer'schen Erklärung 
mit dem der Volkmar’schen. Da xAnros in Stellen, wie dieser, ganz 
substantivische Natur angenommen hat, kann es, wie ἐχλεχτός Mt 24sı, 
mit einem Gen. poss. verbunden werden (vgl. Hom. Od. e 886: χλητοί 
γε βροτῶν). Eine Beziehung auf das χλητὸς ἀπόστολος (Hofm., God.), 
die Schott, Hilg. (»dass sie, wie er selbst, unter den Heiden Berufene 
sind, er als Apostel, sie als Grläubige«) gar in dem χαί finden, wird 
eingetragen. 
*) So auch Otto, der dabei aber speziell an die von ihm ent- 
deckte judenchristliche 2xx4. xar’ οἶχον im Gegensatz zur Gesammt- 
emeinde denkt (vgl. Bibtr.: im Gegensatz zu Einzelnen oder beson- 
a Kreisen, zu denen er in persönlichen Beziehungen stehen könnte), 
und umgekehrt nach seiner Ansicht von dem wesentlich judenchrist- 
lichen Bestande der Römergemeinde Volkm. z. V.8. So einfach sich 
aus der Absicht, dies πῶᾶῶσεν zu betonen, die Modifikation der Adresse 
ergiebt, so wenig setzt dieselbe voraus. dass in Rom noch kein 
ordentlicher Gemeindeverband bestand (Beng., v. Heng., God., vgl. 
Hilg.), oder erklärt sie sich daraus, dass Paulus zur Gemeinde noch 
in gar keinem Verhältniss stand (Schott), oder dass er auch die zu- 
fällig in Rom sich aufhaltenden fremden Christen einschliessen wollte 
(Wolf, Bhm., Thol. und noch Böhmer), wogegen schon das ὑπὲρ πάντων 
ὑμῶν V. 8 und der ganze Eingang entscheidet, der sich ausdrücklich 


Röm 16. 57 


mit Beng. die folgenden Prädikate, welche ihren Christen- 
stand charakterisiren, auf Juden- und Heidenchristen vertheilen 
darf. Paulus bezeichnet nämlich die Leser als Gottgeliebte 
(ἀγαπητοῖς ϑεοῦ, vgl. Ps 607. 1087), weil in Folge der 
Versöhnung mit Gott durch Christum die väterliche Liebe 
Gottes ihnen als seinen Kindern zugewandt ist. Daher ist es 
natürlich nicht die Folge (Böhmer), sondern die Voraussetzung 
dieser Liebe, wenn sie im parallelen Ausdruck als berufene 
Heilige bezeichnet werden. Das χλητός ἀπόστολος V.1 zeigt, 
dass dabei xAnzoig als adjektivischer Zusatz mit dem sub- 
stantivischen &@yloıg verbunden wird. Die Christen sind in 
Folge ihrer Berufung aus der Welt ausgesondert und Gott- 
geweilite geworden, was neben dem hohen Vorzug, den sie als 
Gottgeliebte besitzen, auf ihre Verpflichtung hindeutet, sich 
dieser Weihe an Gott entsprechend zu verhalten *). — Der 
ursprüngliche Griechische Briefgruss ist durch die Weglassung 
des χαίρειν λέγει oder χαίρειν (Jak lı. Act 152) zur blossen 
Adresse herabgesetzt, und es folgt nun, wie das ὑμῖν zeigt, 
in einem selbständigen Satze (erg. &i7) der apostolische Gruss 
(vgl. schon Dan 3sı. 62). — χάρες) ist die freie göttliche 
Liebe, aber eben nicht als ruhende Gesinnung (Meyer), sondern 
immer als thätige, wirksame gedacht, daher als die Kausalität 
alles im Christenthum gewirkten Heils, als das Heilsprinzip. 
Die Anwünschung dieser Gnade tritt nun an die Stelle des 
rein weltlichen Wunsches χαΐρειν, an den sie nur noch ganz 
äusserlich erinnert. Verbunden wird damit aber die An- 
wünschung der εἰρήνη, wie sie der übliche jüdische Gruss bot 


auf die römische Gemeinde als solche bezieht (vgl. V. 10f.). Dass 
G g das ἐν ρωμη fehlt (wie V.15 τοις ἐν ρωμη), was dann die Aenderung 
von ἀγαπητοῖς in ἐν ayarın nach sich zog, hat natürlich nicht seinen 
Grund darin, dass Paulus nur die Christen als solche angeredet, und 
erst die Abschreiber ihren Wohnort nach Kontext oder Ueberlieferung 
ergänzt hatten (Reiche), oder dass Paulus selbst Abschriften an andere 
Gemeinden ohne Ortsbestimmung gelangen liess (Rück.), sondern dass 
man für die kirchliche Vorlesung die spezielle Adresse tilgte, um den 
Inhalt des Briefes jeder anderen Gemeinde anzueignen (vgl. God.). 


5) Ganz irrig nehmen de W., B.-Crus., Volkm. den Ausdruck als 
adjektivische Bestimmung zu ἀγαπητοῖς im Sinne von: berufen zu 
Heiligen. Uebrigens zeigt der Ausdruck, dass die Berufung nicht als 
Berufung zum Messiasreich (Meyer), sondern zur Gemeinde gedacht 
ist, die aus solchen ἁγέοις besteht (IKor 12), wenn auch selbstrver- 
ständlich damit die Berufung zum Gottesreich gegeben ist. Dass die 
&yıoıns nicht im Sinne der individuellen sittlichen Heiligkeit (Par., 
Est., Grot., Glöckl. und noch de W.), sondern von der Gottgeweiht- 
beit im theokratischen Sinne des AT’s zu verstehen ist, wird wohl 
von allen neueren Auslegern anerkannt. 


58 Röm 11. 8. 


(vgl. Beck, Zimmer), wenn auch natürlich im christlichen Sinne 
vertieft, in welchem nur die göttliche Gnade wahres Heil wirkt. 
Aber schon wegen dieser Anknüpfung kann weder an den 
Frieden mit Gott, noch an das Gefühl des Friedens, wie es 
das Bewusstsein der Versöhnung giebt (so seit den Vätern die 
meisten Ausleger bis auf die Neuesten, wie God., Beck, Otto, 
Luth.. Zimmer, Sand. u. A., oft dieses beides nicht klar 
scheidend), sondern nur im Sinne des Hebr. Sibw an das 
allen Mangel und alle Noth ausschliessende Heil gedacht 
werden. Fast stehend leitet Paulus in den Eingangsgrüssen 
seiner Briefe das Gewünschte von Gott unserm Vater her 
(ἀπὸ ϑεοῦ πατρὸς ἡμῶν), d. ἢ. von dem Urquell aller 
χάρις und εἰρήνη, die er seinen geliebten Kindern nicht vor- 
enthalten kann, und von dem Herrn Jesu Christo (καὶ χυρίου 
Ἰησοῦ Χριστοῦ), der als der Herr und Heilsmittler die Er- 
lung dieses Wunsches den Seinen vermitteln wird *). 


Υ. 8—17. Persönlicher Eingang, in welchem der 
Apostel, wie unter mannigfachen Formen in fast allen seinen 
Briefen, unter Danksagung gegen Gott seine Freude über den 
Glauben seiner Leser ausspricht und sie dann seiner Sehn- 
sucht versichert, persönlich unter ihnen zu sein und zu wirken. 


V. 84 Πρῶτον μέν) Dem, was Paulus zuvörderst 
schreiben will, sollte dann ein Weiteres (wohl die Aussage 
über seine Bitte V. 10, vgl. Lips.), etwa durch ἔπειτα δέ an- 
geknüpft, nachfolgen. Aber diese Anlage verlässt er im Drange 
der Gedanken, und so bleibt das μέν allein. Vor Allem liegt 
dem Apostel, wenn er der römischen Gemeinde gedenkt, der 
Dank gegen Gott am Herzen, dem er als seinem Gott Alles 
verdankt und so auch, dass hier inmitten der Welthauptstadt 
eine Gemeinde der Gläubigen sich findet, von der aus er 





*) Meyer bemerkt: »Die formale Gleichstellung Gottes und Christi 
ist zum Beweis für das übrigens auch bei Paulus fest genug stehende 
öttliche Wesen Christi so gewiss nicht zu brauchen (gegen Phil., 
ehr.), wie durch die verschiedenen Prädikate πατρός und χυρέου die 
verschiedene Vorstellung der causa principalis und medians gegeben 
ist. Verschiedener Präpositionen bedurfte es dazu nicht. Vgl. z. Gal 
lıe. Immerhin wäre diese Koordination des Heilsurhebers und Heils- 
mittlers für das religiöse Bewusstsein kaum erträglich, wenn nicht 
die χυριότης Christi als eine gottgleiche gedacht wäre, die wieder auf 
ursprünglich göttlichem Wesen beruht. Vgl. God. Ganz verwerflich 
ist es, wenn Glöckl. wieder nach Erasm. vor χυρέου nicht ano er- 
en sondern es mit ἡμῶν verbinden will, so dass Gott unser und 
hristi Vater genannt wird, was bei Paulus nie geschieht. Gegen die 
Ableitung des Segenswunsches aus dem Aaronitischen Segen (Otto, 
JdTh 1867 p. 678) vgl. zu IKor 18. 


Röm 18.9. 59 


seinem Berufe gemäss den fernen Westen erobern kann ἢ). — 
διὰ Ιησοῦ Χριστοῦ) ist sein Danken vermittelt, sofern das, 
wofür er Gott dankt, durch Christum zu Stande gekommen 
ist (vgl. schon Theod. Mops... Ihn als den zu denken, der 
unseren Dank Gott darbringt (Orig., Theophyl., Beng. u. M., 
auch Hofm., God., Sand.), ist gegen die Paulinische An- 
schauungsweise, wonach gerade durch Christum uns der freie 
Zugang zu Gott vermittelt ist (52); und dass Christus kraft 
uhserer Lebensgemeinschaft mit ihm die Dankbarkeit selbst 
wirkt (Beck), würde eben durch ἐν Χριστῷ ausgedrückt sein. 
In Betreff ihrer Aller dankt er (πιδρὶ πττάντων ὑμῶν), weil 
der Gegenstand seiner Danksagung nicht etwas Besonderes ist, 
das er an Einzelnen unter ihnen zu rühmen hätte, sondern die 
Thatsache, dass sie gläubig geworden sind und nun ihr Glaube 
in der ganzen Welt verkündet wird. Eben weil das Dasein 
einer Christengemeinde in der Weltbauptstadt überall nach 
seiner hohen Bedeutung für die Christenheit gewürdigt wird, 
dankt er Gott dafür und spricht so seine eigene Werth- 
schätzung dieser Thatsache in der eindringlichsten Weise aus. 
Das ἐν ὅλῳ τῷ κόσμῳ ist wohl eine populäre Hyperbel, ent- 
spricht aber der Stellung der Gemeinde in der Stadt, auf 
welche aller Welt Augen gerichtet waren. Wo er hinkommt, 
hört er von ihrem Glauben reden, natürlich nur unter den 
Gläubigen (gegen Otto)**). — V.9. μάρτυς γάρ μου ἐστίν 

*, Mit Unrecht bestreiten Hofm., Luth., Otto u. A. die Hin- 
weisung auf ein zweites Glied und lassen das μέν nur den Ton auf 
πρῶτον festhalten, das die Geflissentlichkeit betone, mit der er seinen 
Brief so und nicht anders anfangen wolle (vgl. dagegen Buttm. 
Gramm. d. NT Sprachgebr. p. 313). Wie willkürlich dies ist, zeigt 
am besten Klosterm.: »Zuvörderst habe ich zwar nur zu danken«. 
Aber das »nur« steht eben nicht da. Das Verb. evyapıcra findet 
sich zwar nicht in den LXX, aber in den Apokryphen (IIMak 1ıı. 
Sap 182). Das τῷ ϑεῷ μου (IKor 18) erläutert Meyer durch Act 
2723 (οὗ εἰμὶ, ᾧ χαὶ λατρείω). wo aber gerade umgekehrt er als Gottes 
Angehöriger bezeichnet wird. Hier aber bezeichnet er Gott als den, 
der sich ihm zu eigen gegeben hat, in ein Liebesverhältniss mit ihm 
getreten ist. 

**) Gegen die Verbindung des δεὰ Inc. Xp. mit τῷ ϑεῶ μου (Koppe 
Glöckl.) entscheidet 735. Die Rcpt. hat gegen entscheidende Be- 
zeugung ὑπὲρ statt eg, das schon darum ganz unpassend, weil der 
Grund des Dankes erst in dem Satz mit ὅτε folgt. Eine besonders 
rühmliche Beschaffenheit ihres Glaubens ist durch ἡ πέστες ὑμῶν 
nicht angedeutet (Hofm., Beck, Lips. gegen Meyer); aber er würde 
nicht so rückhaltlos dafür danken, dass er von ihrem Glauben überall 
reden hört, wenn die Gemeinde noch auf einem niedrigen oder gar 
ihm und seinem Evangelium feindlichen Standpunkte stände (gegen 
Mang., der sich vergeblich auf die völlig andere Stelle Phl 115 ---18 
beruft). Zu χαταγγέλλεταε vgl. IIMak 880. 911. 








0 Röm 19. 


ὁ ϑεός) begründet sein Danksagen durch die Betheuerung 
seiner unablässigen Fürbitte für sie, sofern das warme Interesse, 
das ihn zu dieser Fürbitte treibt, ihn nothwendig veranlassen 
muss, für das zu danken, was Gott bereits an ihnen gethan 
hat. Man denkt diese Betheuerung neuerdings meist durch 
den scheinbar befremdlichen Umstand motivirt, dass Er, der 
Heidenapostel, noch nicht in der Gemeinde der Hauptstadt 
der Heidenwelt thätig geworden war (Meyer, vgl. Beck., 
Zimmer), oder gar durch Gerüchte, die ihm aus Rom darüber 
zu Ohren gekommen waren (v. Heng., Otto); aber sie erklärt 
sich genügend aus dem unwillkürlichen Drange der Liebe, die, 
ausser Stande, sich dem entfernten Geliebten so zu bezeugen, 
wie sie möchte, sich auf den Zeugen beruft, der ins Herz sieht 
(vgl. God.). In solchen Fällen, wo weder ein Misstrauen oder 
Verdacht (Hofm.) vorausgesetzt wird, noch eine bestimmte 
Absicht der Beglaubigung obwaltet, darf man von einer eid- 
lichen Betheuerung (Meyer) im eigentlichen Sinne nicht reden. 
Vgl. Phl 18. — ᾧ λατρεύω ἐν τῷ πνεύματι μου) moti- 
virt seine Berufung auf Gott, der sein Herz kennt und wissen 
muss, ob er ihm in seinem Geiste dient. Eben darum ist ja 
sein Gottesdienst als ein in seinem (reistesleben vor sich 
gehender bezeichnet, weil es sich überhaupt nur um den inner- 
lichen Gottesdienst in seinem (febetsleben handelt (Hofm.), zu 
dem auch jenes εὐχαριστεῖν V. 1 in seinem tiefsten Grunde 
gehört, und um den der Herzenskündiger, aber auch er allein 
weiss. Wenn nun mit ἐν τῷ εὐαγγελίῳ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ 
offenbar das Gebiet näher abgegrenzt werden soll, auf welchem 
jener innerliche Gottesdienst gethan wird, so ist es doch sehr 
unnatürlich, an den Gegenstand seiner Berufsthätigkeit, an 
welcher sich sein Gottesdienst vollbringt, zu denken (Hofm., 
Luth., Otto) und nicht an diese Thätigkeit selbst, so dass 
hier also τὸ εἰαγγέλιον = τὸ εὐαγγελίζεσϑαι ist (de W., God.). 
In der evangelischen Verkündigung von dem Sohne Gottes 
dient er Gott selbst; aber nicht bloss mit seiner äusseren 
Thätigkeit für diesen Zweck, sondern vor Allem mit Bitten 
und Danken, indem er Alles, was sich auf die Verkündigung 
von seinem Sohne bezieht, im Gebete vor Gott bringt. Eben 
darum aber muss er auch mit diesem innerlichen Gottesdienst 
Gott allezeit offenbar sein, und kann sich auf ıhn dafür be- 
rufen, wie unablässig er ihrer gedenkt*. Der Nachdruck liegt 


Ἢ Das ᾧ λατρεύω ist also nicht Verstärkung der Betheuerung 
(Meyer), am wenigsten Motivirung seiner Theilnahme für sie (Hofm., 
Beck) und das ἐν τῷ πνεύματί μου nicht bloss unwillkürlicher Aus- 
druck der inneren Erfahrung (Meyer). Der heilige Geist ıTheodoret) 


Röm 19. 10. 6 


auf dem Wie (ὡς) nicht auf dem Dass, als ob ὅτε stände 
(so die Meisten nach Vulg., auch Frtzsch., de W., Volkm., 
Holst.); denn nach der richtigen Fassung der Betheuerung 
handelt es sich nicht um die Wahrheit einer Aussage, sondern 
um die Stärke des in ihr sich aussprechenden Gefühls, was 
(od. vergeblich feugnet. Vgl. Phl1s. IThs 210. Das μνείαν 
υμῶν ποιοῦμαι bezeichnet die thatsächliche Erinnerung an 
sie, die er bezeugt (vgl. Job 1418), indem er ihrer in seinen 
Gebeten allezeit Erwähnung thut. 
V.10f. πάντοτε — δεόμενος) gehört zusammen und 
reiht an μνδίαν ποιοῦμαι eine Näherbestimmung an, welche 
zeigt, in welcher Weise sich in seinen Gebeten sein Interesse 
für sie ausprägt. Es ist nicht nur ihr Wohl, dass er dabei be- 
ständig Aue dem Herzen trägt, sondern er bittet auch allezeit 
bei seinen Gebeten, dass es ihm vergönnt werden möchte, zu 
ihnen zu kommen ἢ. — εἴσεω ς) statt ἕνα giebt dem Ausdruck 
etwas Zagendes, hervorgerufen durch den Gedanken an mög- 
liche Hindernisse: ob ich etwa endlich einmal das Glück haben 
werde, zu Euch zu kommen vgl. IMak 41. Zu ἤδη ποτέ 
vgl. Dionys. Hal. Ant. 7, 32. 51. 11, 31. 41. Beispiele zu 
ndn, bereits, welches eine andere Zeit mit der jetzigen ver- 
gleichend, durch die Beziehung auf längst Gehofftes und Ver- 
spätetes den Begriff: endlich ausdrückt, s. b. Hartung, Partikell. 
I, p. 238. Das Activ etodoüv steht selten in eigentlicher 
Bedeutung: wohl führen, expeditum iter praebere, wie Soph. 
O. Ο 1437. Theophr. de caus. pl. 5, 6, 7. LXX. Gen 
2427.48; das Passiv aber heisst nie: via recta incedere, expe- 


kann τὸ πνεῦμά μου nicht sein, auch nicht als dem Apostel ver- 
liehener (Holst., z. Ev. d. Paul. u. Petr. p. 386. 8. dagegen . Schmidt. 
Paul. Christol. p. 33ff.).. Es ist vielmehr das vom Geiste gewirkte 
neue Geistesleben in ihn (816), von dem alle höhere Lebensthätigkeit 
des Christen ausgeht. Vgl. Weiss, bibl. Th. 8 86, b. Ganz fern aber 
liegt dem Ausdruck der Gegensatz zu einem unlauteren (de W., Phil., 
v. Heng.), bloss äusseren und pflichtmässigen Dienst oder gar zu der 
λατρεία ἐν τῷ νόμῳ (Grot., Reiche, vgl. Thol., Beck, Lips., der sogar 
diesen »geistlichen Gottesdienst« in der Predigt des Evangeliums 
selbst bestehen lässt). Schon im AT steht λατρεύεεν keineswegs nur 
vom Öpferdienst (Ex 816. 1024), sondern auch von jedem wahren 
Gottesdienst (Dtn 613. Jos 2415). Zu ἀδεαλεέπτως vgl. IMak 121. 
II Mak 3se. 

5) Zieht man das πάντοτε ἐπὶ τῶν προσευχ. μου zu V. 9 (Tisch., 
WH., vgl. Beck, Sand.), so entsteht eine Tautologie mit adırleinrax. 
Das πάντοτε (Sap 1131. 1928) wird näher bestimmt durch ἐπὶ ὁ. gen., 
das hier nach Analogie der Ausdrücke für die Regierungszeit eines 
Herrschers (Lk 82. Act 1138) oder für andere Zeitumstände (Mt lu. 
I Pt 120) von der Zeit steht: bei meinen Gebeten (Win. $ 47, g, d). 
Zu προσευχή vgl. Ps 42. 616. Jes 607. 


62 Röm 110—.ıe. 


ditum iter habere, wie es hier nach Oec., Vulg., Bez., Est., 
Wolf wieder v. Heng., Hofm., Otto, Sand. u. A. nehmen 
wollen, sondern immer metaphorisch: prospero successu gaudere. 
S. Herod. 6, 73. IlChr 1312. Prv 28:15 (auch 178). JSir 
1115. Tob 419. Geschehen kann dies aber nur auf Grund 
des Willens Gottes (ἐν τῷ ϑελήματι τοῦ ϑεοῖ), in 
welchem es ursächlich beruht, wenn einer glücklichen Er- 
folg hat. — V. 11. ἐπιποϑῶ) vgl. Ps 421. 119174, ist nicht 
ein verstärktes στοϑεῖν (so d. Aelteren), sondern gleich 2.0.90» 
ἔχω Erst τι, also die Richtung des Sehnens bezeichnend 
(Frtzsch.). Es ist aber nicht nur persönliches Liebesverlangen, 
das den Apostel es so heiss ersehnen lässt, sie zu sehen, 
sondern der Wunsch, ihnen eine geistliche Gnadengabe mitzu- 
theilen. Beachte die Sperrung in der Wortfolge, durch welche 
das feine, bescheidene (Oec.: μεερεάζοντος) τι, das sachliche 
χάρισμα und das eigenschaftliche σενευματικέν desto sonder- 
licher hervortreten. Denn Alles, was er durch seine Ver- 
kündigung des Evangeliums an Belehrung, Tröstung, Kräfti- 
gung etc. unter ihnen wirken kann, wird nicht von seiner 
menschlichen Individualität beschafft, sondern ist ein Erfolg, 
welchen der heilige Geist durch ihn wirkt, und somit eine 
Gabe göttlicher Gnade, welche durch den Geist, dessen Wirk- 
samkeit er vermittelt, ihnen zu Theil wird. Vgl. Beck, God. 
— εἰς τὸ στηριχϑῆναι ὑμᾶς) Zweck der beabsichtigten 
Mittheilung solcher Gabe: damit Ihr befestigt werdet. Diese 
Festigung wird durch den Geist gewirkt, daher der passive 
Ausdruck; sie sollte aber, wie Paulus hoffte, durch ihn als des 
Geistes Werkzeug geschehen. Schon dieser Ausdruck setzt 
voraus, dass ihr Glaubensstand im Wesentlichen der rechte ist 
und nur der Befestigung bedarf*). — V. 12. τοῦτο de 


5) Diese Befestigung kann also nicht in einem »Aufgeben juden- 
christlicher Bedenken gegen die Heidenmission« (Mang. p. 300), in 
einer Stärkung ihres sinnlichen Bewusstseins, das leicht ins Jüdisch- 
esetzliche zurückfallen mochte (Holst.), oder in einer Befestigung des 
emeindefriedens (Volkm.) bestehen. Das in den LXX häufige στηρέ- 
ζεεν (Jer 175. Prv 1535) kommt dort noch nicht von innerlicher Stär- 
kung vor (vgl. dagegen Ps 3135). Zu μεταδιδόναε τινέ τι (statt zıvd 
τινος) vgl. Τοῦ 79. IIMak 185. Herod. 8,5. 9, 34. Xen. Anab. 4,5, 5. 
Kühner 8 416,1. Anm. 1. Ganz unnöthig daher Volkm.: um in Etwas 
mitzutheilen ein Gnadengeschenk. Aeltere, wie Beng., dachten bei χά- 
ρισμα ganz unpassend an apostolische Wundergaben, viel zu eng Lips. 
an ihre Förderung in der Erkenntniss der Heilsbedeutung des Todes 
Christi (bem. dagegen schon das rı). Unpaulinisch und einen nichts- 
sagenden, weil selbstverständlichen, Gedanken ergebend, erklären 
Morus, Kölln, Maier vevuarıxoy von einer auf den (menschlichen) 
Geist sich beziehenden Gabe (vgl. Hofm.: »eine Gabe für das innere 
Leben«; Volkm., Holst.: eine Gnadengabe geistiger Art). 





Röm 112.13, 63 


ἐστιν) »Wenn er sagt, es verlange ihn die Gemeinde zu 
sehen, damit er ihr etwas leiste, das ihr zur Befestigung diene, 
so will er dies so verstanden wissen, dass ilın verlange mit er- 
muntert zu werden unter ihnen«, Hofm. Das συμπαραχλη- 
ϑῆναι hängt also von Errızrodw ab (vgl. schon Grot., Beng,, 
Olsh., Ew.). _ Gewöhnlich nimmt man es seit Chrys. dem 
σεηριχϑῆναι ὑμᾶς parallel (vgl. Phil., Otto, God., Lips.: oder 
um mich richtiger auszudrücken); dann aber müsste nothwendig 
ἐμέ zugesetzt sein, da das Subjekt nicht ὑμᾶς sein kann, schon 
wegen des ἐν ὑμῖν (inter oe das dem ὑμᾶς bei ἐδεῖν ent- 
spricht und nothwendig fordert, dass Paulus allein (nicht: ὑμᾶς 
χαὶ ἐμαυτόν) als das Subjekt des συμπεαρακληϑῆναι gedacht 
werde, das zugleich mit ihnen ermuntert zu werden verlangt *). 
— διὰ τῆς ἐν ἀλλήλοις πείστεω ς) bezeichnet den Glauben 
als in ihnen beiderseits vorhanden und darum sich bei ihrem 
Zusammensein begegnend (daher nicht das einfache ἀλλήλων, 
vgl. IE Tim 15), und markirt die Identität desselben auf eine 

eise, die zu einer unwahren und unwürdigen Schmeichelei 
würde, wenn man sich den Glaubensstandpunkt der Leser als 
einen noch unreifen, zurückgebliebenen oder gar dem Paulini- 
schen feindseligen denken sollte. In dem ὑμῶν ve χαὲ ἐμοῦ 
bem. den leichten Wechsel der Ausdrucksweise statt ἐν ὑμῖν 
te χαὶ ἐμοί und die feine Voranstellung des ὑμῶν. 

V. 151: οὐ ϑέλω δὲ ὑμᾶς ἀγνοεῖν) eine dem Paulus 
eigenthümliche Wendung (I Ths 415. IKor 10:1. 121. ΠῚ Κὸγ 
18), mit der er auf die so eingeleitete Mittheilung besonderes 
Gewicht legt, sofern er nicht wünscht, dass sie damit unbe- 
kannt bleiben. Es ist aber wirklich ein Neues, zu dem er mit 


ἢ Fälschlich denken Frtzsch., v. Heng. ὑμᾶς als Subjekt, wes- 
halb letzterer das ἐν ὑμῖν in cordibus vestris übersetzt. De W., Bisp. 
machen gar das συμπαραχλ. von στηρεχϑ. ὑμᾶς abhängig; falsch auc 
Luth.: τοῦτο i. e. τὸ στηριχϑ. ὑμᾶς. Das Richtige haben jetzt auch 
Beck, Goeb., Böhmer. Das Comp. συμπαραχλ. nur hier im NT, auch 
nieht bei den LXX u. Apocr. (s. aber Plat. Rep. p. 5656A. Polyb. 
δ, 83, 3), ist nicht mit d. Pesch., Vulg., Erasm., Luther u. V., auch 
Koppe, Ew. vom Troste oder von der Erquickung (Grot., Böhme, God.) 
zu verstehen, was der Kontext gebieten müsste, wie I The 32. II Ths 
211, durch das allgemeine ἰδεῖν ὑμᾶς, ἕνα ete. aber verbietet; sondern 
ganz allgemein von der christlichen Ermunterung überhaupt. Die 
feine verbindliche Ausdrucksweise (zu stark Erasm.: »pia vafrities et 
sancta adulatio«) soll nicht den Apostel der ihm noch fremden Ge- 
meinde gegenüber vor dem möglichen Scheine der Anmaasslichkeit 
und zu geringen Beurtheilung des christichen Standpunktes seiner 
Leser (Meyer) verwahren, sondern pen! nur die Erfahrung jedes 
Dieners am Worte aus, dass seine Wirksamkeit um so segensreicher 
auf ihn zurückwirkt, je empfänglicher der Boden ist, auf dem er ar- 
beitet. Vgl. die schöne Ausführung von God. 





64 Röm 113. 


dem metabatischen de fortschreitet, weil erst die Thatsache, 
dass er wiederholt den Vorsatz gefasst habe, zu ihnen zu 
kommen (ὅτε πολλάχις προεϑέμην ἐλϑεῖν πρὸς ὑμᾶ ᾿ 
und nur an seiner Ausführung behindert sei, zeigt, dass die 
V. 11f. ausgesprochene Sehnsucht keine vorübergehende 
Gefühlsregung war, sondern die Grundlage seines beständigen 
Bittgebetes (V. 10), und weil erst die Zurückführung dieses 
Vorsatzes auf eine in seinem apostolischen Pflichtbewusstsein 
(V. 14f.) wurzelnde Absicht im Stande ist, zugleich zu moti- 
viren, weshalb er sich mit seiner Verkündigung des Evan- 
Bun jetzt wenigstens schriftlich an die Heidenchristen in 

m wendet, die nach V.6 zu seinem apostolischen Missions- 


ἢ 


gebiet gehören ἢ). — καὶ ἐκωλυϑην ἄχρι τοῦ δεῦρο) ist 
eine von der Satzstructur getrennte Parenthese, die sich mit 
dem einfachen χαΐ anschliesst, weil es den Lesern ebenso zu 
wissen wichtig ist, dass er diesen Vorsatz nicht etwa immer 
wieder selbst aufgegeben hat. Wodurch Paulus bis hieher ver- 
hindert worden, sagt indirekt 15»f., also weder vom Teufel 
(I Ths 2.18). noch vom heiligen Geiste (Act 166), sondern da- 
durch, dass er immer noch in seinem bisherigen Wirkungs- 
kreise pflichtmässig zu thun hatte (vgl. Grot.) ἢ"). — ἕνα τενὰ 


*, So erledigen sich die Bedenken Hofm.’s, der für diesen Ge- 
danken willkürlich ein za‘ vor προεϑέμην fordert und hier vielmehr 
den Übergang zu einem zweiten Zwecke findet, weswegen Paulus nach 
Rom kommen wollte. Dem einfachen Einwande, dass ein zweiter 
Zweck seines Kommens mit einem »auch darum« oder dergl. ange- 
deutet sein müsste, begegnet Mang. p. 204f. damit, dass dies der 
Hauptzweck seines Kommens sei, obwohl doch dann erst recht, nach- 
dem nun einmal in V. 11f. ein ganz anderer genannt war, dieser 
Zweck zu jenem in eine nähere Beziehung gesetzt werden müsste. 
Klosterm. a. a. O. p. 4—13 will hier die Fortsetzung des πρῶτον μὲν 
εὐχαριστῶ finden, indem er ὅτε »weil« übersetzt, das ἕνα von οὐ ϑέλω 
ἀγνοεῖν abhängen lässt, das Objekt von letzterem in τὸ xara ἐμὲ πρό- 
ϑυμον V. 15 findet, das χαϑὼς — ὀφειλέτης εἰμί das οὕτως -— xal in 
V. 15 vorbereiten lässt und so hier den Zweck angegeben sieht, wes- 
halb Paulus, nachdem er so oft verhindert ist, zu ihnen zu kommen, 
und da er nicht weiss, ob und wann dies geschehen wird, jetzt wenig- 
stens indirekt als Heidenapostel unter ihnen wirken will durch seinen 
Brief. Dass das Richtige an dieser Auffassung auch ohne diese ge- 
künstelte Konstruktion sich zur Geltung bringen lässt, zeigt die obige 
Darlegung. Vgl. auch zu V. 185. 

**) Den Satz noch von ὅτε abhängen zu lassen (Hofm., Beck), ver- 
bietet der folgende Absichtssatz, der nur auf jenen oft gefassten Vor- 
satz gehen kann. Eben deshalb kann aber auch das χαΐ nicht adver- 
sativ genommen werden (vgl. Frtzsch. gegen Kölln.). Zu mollaxıs 
vgl. Job 42. 3131. Mt 1715; zu προτέϑεσϑαι im Sinne von: sich 
etwas vornehmen vgl. IIIMak 227, zu χωλύεεν vgl. Num 1128. ISam 
2526. Das δεῦρο stebt nur hier im NT als Zeitpartikel, aber öfter 


Röm 118. 14. 65 


καρπὸν σχῶ) Den Erfolg seiner persönlichen Wirksamkeit 
unter ihnen bezeichnet er in verbindlicher Weise mit einem 
gangbaren Bilde als eine Errndtefrucht, welche, obwohl jener 
natürlich ihnen zu Gute kommt, wegen der Freude und Er- 
quickung, die sie ihm bringt, ein ihm werthvolles Besitzthum 
wäre. Mit dem ἐν ὑμῖν (ganz wie V. 12) kann aber nicht 
gemeint sein, dass er unter ihnen an Anderen, nämlich an 
den heidnischen Römern, Frucht schaffen will (Hofm., Th. Schott, 
God., Goeb., Böhmer), da eben kein von ihnen, den Gläubigen 
in Rom, unterschiedenes Objekt seiner Thätigkeit genannt ist, 
so dass als dieses Objekt nur die ὑμεῖς selbst (vgl. zu V. 15 
ὑμῖν) gemeint sein können. Durch jede Mittheilung einer 
Gnadengabe an sie (vgl. die Korrespondenz des zıva mit dem 
τι V.11) schafft er ja unter ihnen eine Frucht, indem sie da- 
durch in ihrem Glaubensleben gefördert werden. — xaswc 
χαὶ ἐν τοῖς λοιτεοῖς ἔϑνεσιν») entsprechend der Art, wie 
auch unter den übrigen Nationen, d. i. Heiden (8. z. V. ὅ), sc. 
ich Frucht habe, woraus denn freilich unzweifelhaft folgt, dass 
sie ihrer Nationalität nach der Kategorie der Heiden ange- 
hören (V. 6) ἢ. — V. 14 führt seinen Vorsatz, auch unter 


bei Plato und Späteren. Vgl. μέχρι τοῦ δεῦρο Athen. I, p. 34c. Plut. 
vit. Num. 4. Pomp. 24. 

*) Mang. benutzt die Auffassung, welche an eine Heidenmission 
in Rom denkt, und welche schon mit 153 in unlösbarem Widerspruch 
steht, um auch hier seine Auffassung von dem judenchristlichen Cha- 
rakter der Römergemeinde durchzuführen. Aber die römischen Heiden 
wohnten ja nicht unter den Juden in Rom (am wenigsten unter den 
Christgläubigen), sondern die Juden unter den Heiden; und die vueis 
hier, abweichend von der seit V. 6 schon 13 Mal vorangehenden Be- 
ziehung auf die Christgläubigen allein, mit-den Römern, unter denen 
sie wohnten, zusammenzufassen, ist doch ganz willkürlich. Daher 
will Hilg. lieber an die inmitten der Römergemeinde bereits vorhan- 
dene Hausgemeinde geborener Heiden denken, wobei aber die beiden 
korrespondirenden ἐν durchaus verschieden gefasst werden müssen. 
Dass in dem bescheidenen τέρα angedeutet liege, Paulus erwarte eine 
grosse Frucht in Rom selbst nicht (Volkm.), widerlegt sich durch 
das τε in V. 11. Lips. denkt willkürlich bei der Frucht an die Ein- 
führung der Römer ın das Verständniss seines Evangeliums (vgl. da- 
gegen v. 11). Das ἔχεεν braucht keineswegs in consequi umgesetzt 
(Wolf, Kölln., Thol. u. M.) oder auf den jüngsten Tag verlegt zu 
werden (Mehr.). Zu dem χαέ nach χαϑώς bemerkt Meyer: »Paulus hat 
in der Lebhaftigkeit und Fülle des Denkens das xa/ der Vergleichung 
doppelt gesetzt, indem ihm die zweifache Vorstellung gegenwärtig 
war: 1) »auch unter Euch, wie untere, und 2) »unter Euch, wie auch 
untere. So oft bei den Griechen. 5. Win. ὃ 58, δε. Nothwendig ist 
diese Annahme nicht, wenn das χαί vor ὑμῖν sie den übrigen ἔϑνη, 
das χαΐί nach χαϑώς die Frucht, die er unter diesen hat, der Frucht, 
die er unter jenen haben will, gleichsetzt. Vgl. Otto, der aber schon 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 5 





66 Röm 114. 


ihnen, weil sie zu den Heiden gehören, eine Frucht zu schaffen, 
auf die mit seinem Heidenapostolat gegebene Verpflichtung 
zurück. — Ἑλλησίν ve καὶ βαρβάροις) Wenn Paulus 
hervorhebt, wie er den Heiden jeder Art verpflichtet sei, so 
a es nach dem Folgenden nur, um hervorzuheben, 

ass auch die Römer (V. 15) darunter mit eingeschlossen 
seien. Unmöglich kann man dann aber sagen, dass er die- 
selben keiner der beiden Klassen zutheilt (Rück., Frtzsch., 
de W., Meyer, Lips., vgl. Hilg., der sie sogar als »eine dritte 
Menschenart« betrachtet), da er die Heiden ja eben zu diesem 
Behuf in Hellenen und Barbaren theilt. Nun bezeichnet aber 
der Ausdruck βάρβαροι nach Griechischem Bewusstsein und 
Gebrauch überhaupt alle Nichtgriechen (Plat. Polit. p. 262 Ὁ, 
vgl. Ammonius: τὸ οὐχ Ἑλληνιχόν), Alle, denen Griechische 

ationalität und Sprache fremd war ἢ. Es widerspricht daher 
keineswegs der Feinheit des Apostels, die Römer den Barbaren 
zuzuzählen (Reiche, Kölln.); denn eben um jeden Gedanken 


in dem χαϑώς (im Unterschiede von ws) die materielle Gleichheit der 
Frucht angedeutet findet (seine solche Frucht, wie«). Keinesfalls 
darf man mit Mehr. und Klosterm. mit χαϑώς einen neuen Satz anfangen, 
wie schon die Korrespondenz des ἐν τοῖς A. 29%. und ἐν ὑμὶν zeigt. 
Die geläufigere Wortstellung χαρπον τέρα (Bept.) hat nur Min für sich. 

*) Es ist doch nur der uns geläufige, aber jener Zeit fremde 
Begriff der Barbarei, welcher die Ausleger bewegt, sich gegen die 
Subsumirung der Römer unter die βάρβαροι zu sträuben, die grie- 
chischen Schriftstellern (vgl. Polyb. 5, 104, 1. 9, 87, 5) ganz geläufig 
ist. Wenn Dion. Halic. (bei Kypke, Observat. 11, p. 151) sagt, er 
wolle die Griechen von den Barbaren nicht bloss nach der Sprache 
unterscheiden, sondern prudentia ac moribus, 80 sieht man eben, wie 
früh schon Einzelne dem herrschenden Sprachgebrauch gegen- 
über in diese Unterscheidung einen anderen Gesichtspunkt eintrugen, 
von dem aus auch Cicero sich sträubt, die Römer zu den Barbaren 
zu zählen, ohne sie deshalb unter die Griechen zu rechnen (de fin. 
215: non solum Graecis et Italia, sed etiam omnis barbaria), was 
sonst nie geschieht und darum auch hier nicht geschehen kann (gegen 
Ambrst., Est., Dez: und die meisten Neueren). Sobald man hier 
den Gegensatz des Bildungsstandes einträgt, wird ja die folgende 
Partition rein tautologisch, da die Unterscheidung eines nationalen 
und individuellen Bildungsgegensatzes (Hofm. u. A.) hier doch gänz- 
lich bedeutungslos wäre, während es keineswegs »bedeutungslos« war 
(gegen Blbtr. p. 22), die Gesammtheit der Heidenvölker erst nach 
dem zunächstliegenden Gesichtspunkte der Nationalität, dann nach dem 
für ihn hier insbesondere in Betracht kommenden (V.16) der Bildung 
zu scheiden. Natürlich zählten die Hellenen auch die Juden zu den 
βαρβάροις, wogegen jene hinwiederum von den Juden als Barbaren 
bezeichnet wurden. 8. Grimm 2. IIMak 2sı. R 61. Aber hier, wo 
eben die ἔϑνη nach ihren verschiedenen Theilen aufgezählt werden, 
kommen die Juden gar nicht in Betracht. 


Röm 114. 15. 67 


an eine Herabsetzung ihres Bildungsstandes auszuschliessen, 
fügt der Apostel noch die Partition in σοφοῖς re καὶ avor- 
τοις hinzu, bei der er die Römer natürlich zur ersten Klasse 
rechnet. Vgl. Phil. Paulus hatte bisher nur unter Heiden 
Hellenischer Abstammung gewirkt, und so hebt er hervor, 
dass er auch den Römern als Nichthellenen verpflichtet sei. 
In dem ὀφειλέτης liegt, dass Paulus in der durch Christum 
empfangenen ἀποστολή (V. 5) die Uebernahme einer Schuld 
sieht, welche er d die Predigt des Evangeliums unter 
allen Heidenvölkern abzutragen habe, nicht dass das Evan- 
gelium ein ihm anvertrautes Gut ist, das er an Andere ge- 
langen lassen muss (Otto. Hilg. betont, dass Paulus‘ 
sich hier nicht auf seinen Beruf zum Heidenapostel berufe; 
aber worauf soll sich denn seine »Verpflichtung« sonst 

ünden, als auf die V. 5 erwähnte asoozoAn? Vgl. zur 
Sache IKor 916. — V. 15. οὕτω) so, d. i. diesem Verhält- 
nisse gemäss, wonach ich allen Heiden, welcher Klasse sie 
auch angehören, leistungspflichtig bin (vgl. Buttm. neut. Gram. 
p. 307: so nun). Nicht aus allem V. 9—14 Gesagten (Otto), 
sondern gerade aus seiner Amtspflicht allein folgert der Apostel 
nunmehr die aus seinem persönlichen Wunsche bereits V.11f. 
hinlänglich sich ergebende Bereitwilligkeit, auch den römischen 
Christen das Evangelium zu verkündigen. Fasst man das 
οὕτως prädikativ (Hofm., Volkm., Zimmer, Goebel): »so ver- 
hält es sich mit meiner Bereitwilligkeit«, so durfte ein ἐστίν 
nicht fehlen. — τὸ κατ᾽ ἐμὲ τερόϑυμον) gehört zusammen, 
und das κατ᾽ ἐμέ statt des einfachen μου (vgl. Eph 115) hebt 
nur stärker die bei ihm obwaltende Bereitwilligkeit hervor im 
Gefühl der Abhängigkeit von einem höheren Willen hinsicht- 
lich der Ausführung (V. 10): Unter diesen Umständen geht 
die auf meiner Seite stattfindende Bereitwilligkeit dahin u. s. w. 
Diese Modifikation empfängt die einfache Kopula (ἐστίν), die 
allein ergänzt werden kann, dadurch, dass im Prädikat des 
Satzes die Bereitwilligkeit nach dem, worauf sie abzielt, 
charakterisirt wird. Zum substantivischen χζερόϑυμον im Sinne 
von 7Ζεροϑυμία vgl. IIIMak 5%. Plat. Leg. 9. p. 859B. Eur. 
Med. 178. Thuc. 3, 82, 8. Herod. 8, 3, 15*). Eben jener 
allumfassenden Verpflichtung (V. 14) entsprechend ist Paulus 


4) Nähme man τὸ xar’ ἐμέ für sich, so käme der Sinn heraus: 
so ist, was mich betrifft, Geneigtheit vorhanden; vgl. de W., Beck, 
(od., Luth., Lips. (in der Uebers., während er im Kommentar richtig 
erklärt. Aber so gewiss ro xar’ ἐμέ den Sinn pr mea virili, wie 
Dem. 1210. 20, haben könnte, so abgerissen und ungefügig stände 
πρόϑυμον, das mindestens den Artikel haben müsste, da es ja Subjekt 


δ" 





68 Röm 115. 


bereit, auch ihnen (καὶ ὑμῖν) das Evangelium zu verkündigen, 
nicht, obwohl sie zu den σοφοῖς gehören (Beng., Phil.), son- 
dern, wie das hinzugefügte τοῖς ἐν Ῥώμῃ hervorhebt, weil 
Rom (»caput et theatrum orbis terrarum«, Beng.) am wenigsten 
von jener heidenapostolischen Aufgabe ausgenommen sein 
kann*). Dass das εὐαγγελίσασθαι nur auf die Missions- 
predigt unter Nichtchristen gehen könne (Hofm.), ist eine 
ganz willkürliche, schon durch 15». Gal 1sf. widerlegte Be- 
hauptung. Wenn aber Paulus V. 14f. so nachdrücklich seine 
gegenwärtige Bereitschaft zur Verkündigung des Evan- 
geliums an sie hervorhebt und motivirt, so kann er allerdings 
nicht bloss die V. 13 ausgesprochene Absicht begründen 
wollen, wozu auch die asyndetische Anknüpfung von V. 14 
nicht passt (vgl. Klosterm. p. 4), sondern er will dieselbe 
dadurch bewähren, dass er jetzt durch schrittliche Verkündi- 

ng seiner Heilsbotschaft eine Frucht zu schaffen sucht, 
ie = bisher durch mündliche nicht gewinnen konnte (vgl. 
zu V. 13). 


ist (gegen Otto), und würde nicht die Ergänzung der blossen Kopula, 
sondern eines πάρεστι, adest, erfordern. Dagegen nehmen Beza, Grot., 
Beng., Thol., Rück., Kölln., B.-Crus., Sand. allem Sprachgebrauch zu- 
wider ro xar’ ἐμέ als Umschreibung von ἐγώ, so.dass 009. Prädikat 
wäre (ich meinerseits bin geneigt), und Otto fasst es gar ala Objekt 
zu εὐαγγελίζεσϑαι: so ist Willigkeit vorhanden, das mir Zugehörige 
(Eigentbümliche) auch Euch zu verkündigen. Das Richtige haben 
ausser denen, die οὕτως prädikativisch nehmen, im Wesentlichen 
schon Reiche, Frtzsch., Phil. v. Heng., Mehr. u. A. Ein lebhaftes 
Verlangen aber u Klosterm., Bibtr.) bezeichnet πρόϑυμον nicht. 
Vgl. πρόϑυμος Mk 1438 und προθυμία II Kor 8ıf. 98. JSir 452. 
Dass der Ausdruck seiner Bereitwilligkeit, das Evang. zu ver- 
kündigen, im Gegensatz steht zu ihrer zweifelhaften Geneigtheit, ihn 
zu hören (Luth.), ist doch wohl gesucht. 

ἢ An dem vorangehenden ὑμῖν scheitert jeder Versuch, hier an 
eine intendirte Missionswirksamkeit des Apostels unter den Heiden 
in Rom (s. z. V. 13) zu denken: denn wollte man auch damit helfen, 
dass das ὑμῖν die Leser nicht in ihrer Eigenschaft als Christen, son- 
dern als Römer meine (Hofm., God.), was der durchgängigen Beziehung 
des ὑμεῖς in V. 6—13 widerspricht, so bleibt es doch unbestreitbar, 
dass jener Sinn durch Weglassung des ὑμῖν so leicht nahezulegen 
gewesen wäre, die um 80 notbwendiger war, wenn Paulus die Juden- 
christen Roms mit seiner heidnischen Bevölkerung zusammenfassen 
wollte (Mang. p. 208). Gewiss sagt der Ausdruck an sich nichts 
über die Nationalität der Leser aus, wohl aber im Zusammenhange 
mit v. 14; und wenn Hilg. sagt, dass er Leuten, bei denen er die 
von ihm selbst vertretene Fassung des Christenthums als herrschend 
voraussetzt, das Evangelium nicht vortragen würde, so beruht das 
lediglich auf der irrigen Voraussetzung, dass es sich im KRömerbrief 
um den Gegensatz verschiedener »Fassungen des Christenthums« 
handelt, was nun einmal nicht der Fall ist. 





Röm 116. 69 


V. 16f. οὐ γὰρ ἐπαισχύνομαι τὸ εὐαγγέλιον) be- 
stätigt negativ seine V. 15 positiv ausgesprochene Bereitwillig- 
keit in Erinnerung der Erfahrungen, welche er in anderen 
Gochgebildeten Städten (Athen, Korinth, Ephesus), so wie 
überhaupt in Bezug auf den Kern und Mittelpunkt des Evan- 
eliums (IKor 118), gemacht hatte. Auf Grund dieser Er- 

gen könnte er sich scheuen, unter den Römern, die er 

also zu den σοφοῖς rechnet (8. z. V. 14), das Evangelium zu 
verkündigen, weil mit ihm, das den Gegensatz zu aller welt- 
lichen Weisheit bildet (IKor lzıff.), keinerlei Ehre einzu- 
legen ist*). Indem der Apostel diese Aussage durch einen 
Hinweis auf Wesen und Inhalt des Evangeliums begründet, 
spricht er im Folgenden den Grundgedanken seiner Heils- 
botschaft aus und formulirt damit gleichsam das Thema des 
anzen Briefes. — δύναμις γὰρ ϑεοῦ ἐστιν) Eine 
tteskraft im Gegensatz zu einer nur mit menschlichen 
Mitteln wirkenden Verkündigung ist das Evangelium, sofern 
(sott mittelst der Heilsbotschaft, die ja von ihm stammt (V. 1), 
wirksam ist. Vgl. IKor 1186. Eben darum aber ist es etwas 
Anderes als alle menschliche Weisheit und darf keine Ver- 
gleichung mit derselben scheuen, weil diese, wie hoch sie auch 
sei, doch nie zu wirken vermap, was das Evangelium wirkt **). 


*) Von seinem Gesichtspunkte aus, dass die Gemeinde in Rom 
judenchristlich gewesen, denkt Mang. an theokratische Bedenklich- 
eiten der Leser, welche den Apostel seines Universalismus wegen 
der Treulosigkeit gegen sein Volk zeihen könnten (p. 304 Anm.), 
Volkm. an lästernde und verspottende Judenchristen 38 und Hilg. 
meint geradezu: das Evangelium mit dem jüdischen Gesetz und seiner 
Gerechtigkeit vereinbaren heisse für Paulus: sich des Evangeliums 
schämen. Aber die offenbare Beziehung zu den σοφοῖς in V. 14 zeigt 
unwidersprechlich, dass es sich um die Scheu handelt, vor den Hoch- 
gebildeten der Hauptstadt (die schon darum sicher als Heidenchristen 
gedacht sind) mit seiner schlichten Kreuzespredigt mit Schanden zu 
bestehen. Lips. findet das »sehr unwahrscheinlich«, und Hilg. sucht 
es dadurch als unklar darzustellen, dass er es bloss von seiner »mangel- 
haften Rhetorik« versteht; aber der Kontext macht es nothwendig. 
Auch Böhmer, Chr. Hoffm. mischen ein, dass er sich auch vor den 
Juden des Evang. nicht schämt (vgl. Holst., der auf das ox«vdalov 
IKor 138 verweist), wovon doch gar nicht die Rede ist. Nach Bibtr. 
2 30—34 soll gar gemeint sein, dass Paulus durch seine Jüdische 
erkunft und das stolze Bewusstsein um die Vorzüge seines Volkes 
sich gehindert fühlen könnte, gerade den gebildeten Römern das 
Bogen alles Jüdische gleichgültige Evangelium zu ver- 

igen. Zu ἐπαισχύνομαι vgl. Jes 129. Job 3419. Mk 888. 
Plat. Wr 247D;, zu dem damit verbundenen Acc. des Objekts 
Kühner ἃ 409, 5. Das του Χριστου nach evayy. (Rept. nach KLP) ist 
offenbare (slosse. 

**) Da τὸ evayy£lıov lediglich das εὐαγγελίσασθαι aus V. 15 auf- 


10 Röm 118. 


Das εἰς σωτηρίαν charakterisirt diese Gotteswirkung näher 
dadurch, dass sie zu Errettung führt, und dass es sich dabei 
um eine Errettung vom ewigen Verderben oder vom Zorne 
Gottes handelt, wie im ganzen paulinischen Sprachgebrauch 

Kor 1186. Phl 128), zeigt schon der Zusammenhang mit 

. 18 (Otto, Goebel). Weder der positive Begriff des ewigen 
Heils im Messiasreich (Meyer, Sand.), noch der alles gegen- 
wärtigen Heils (Lipe.: der schon jetzt gewissen Zugehörigkeit 
zum Reiche Gottes), vor Allem der Vereöhnungsgnade (Luth.) 
liegt im Worte. — zavsi τῷ πιστεύοντι) Der Glaube ist 
auf Seiten des Menschen die Bedingung, ohne welche ihm 
das Evangelium jene Kraft nicht sein kann; denn ohne die 
zuversichtliche Annahme der Heilsbotschaft (vgl. V. 5) kann 
dieselbe das Vertrauen auf das in ihm dargebotene Heil nicht 
wirken. Darin aber, dass sie die einzige, also jedem zu- 
musucı ist, liegt allerdings ein neues Moment, welches dem 

vangelium seine Einzigartigkeit sichert und darum motivirt, 
dass sich Paulus desselben vor keiner Weltweisheit zu schämen 
braucht. Dagegen ws eine Antithese gegen Jüdische Vor- 
züge, die man etwa für Mitbedingung halten könnte (Blbtr. 
er vgl. schon Beck, Mang. p. 306), oder gar gegen jüdische 

erkgerechtigkeit (Lips.), dem Kontext ganz fern. — ’Iov- 
δαίῳ re πρῶτον κ΄ Ἕλληνι) τε — καί bezeichnet stärker 
als das einfache χαί, dass das Gesagte beiden in ihrer Zu- 


nimmt, bezeichnet es natürlich die Verkündigung des Evangeliums 
(Th. Schott, Mang., Volkm., God. nach Calv.) und nicht seinen Inhalt 
Dr u. d. Meisten), von welcher Ansicht aus Otto sogar einen 
segensatz zwischen der Gnadenbotschaft Gottes und ihrer apostoli- 
schen Verkündigung konstruirt, wodurch der Zusammenhang mit 
V. 15 aufgehoben wird. Aber jene Verkündigung ist natürlich nur 
wirksam wegen des von Gott stammenden Inhalte. Der Ausdruck 
u mehr, als dass das Evangelium »ein kräftiges Mittel in Gottes 
Hand« sei (Rück.), denn es ist selbst eine Macht, eine gotteskräftig 
wirkende Potenz, und nicht bloss eine von Gott herrührende (Volkm., 
Lips.: gen. aut.), sondern eine unmittelbar göttliche. Als die hier 
une Wirkung zählt nun Meyer »Busse, Glaube, Trost, Liebe, 

iede, Freudigkeit, Lebens- und Todesmuth, Hoffnung u. 8. w.< auf; 
aber die meisten dieser Stücke sind nach Paulinischer Lehre Wirkung 
des dem Gläubigen mitgetheilten Geistes und nur indirekt eine Wir- 
kung des Evangeliums, sofern durch seine Verkündigung das dieselbe 
bedingende Glaubensleben gefördert wird. Seine einzige spezifische 
Wirkung ist aber der Glaube im Sinne des Heilsvertrauens auf Chri- 
stum, welcher die Bedingung der Rechtfertigung, der Geistesmitthei- 
lung ist und somit zur Errettung führt. Otto, der dagegen polemi- 
eirt, übersieht, wie die meisten Ausleger, dass das eis nicht sagen 
kann, was das Evangelium wirkt, sondern wozu die göttliche Wirkungs- 
kraft des Evang. führen soll. 





Röm 116. 11. 71 


sammengehörigkeit (vgl. Otto p. 85), also als den beiden 
Theilen des gesammten Menschengeschlechts in gleicher Weise 
gilt. Das schliesst natürlich nicht aus (gegen (Klosterm. 
p. 14ff.), dass es von einem Juden vornehmlich gilt und zwar 
nicht bloss in zeitlichem Sinne hinsichtlich der von Gott ge- 
troffenen Ordnung, nach welcher die Messianische Predigt bei 
den Juden beginnen und zu den Heiden gelangen sollte 
Chrys., Theodor., Theoph., Grot. u. V., auch Olsh., v. Heng,, 

.), sondern auf Grund der heilsgeschichtlichen Prärogative, 
welche auch der Grund jener successiven Ordnung in der 
Mittheilung des Evangeliums war, wie nach Erasm., Cal. die 
meisten Neueren anerkennen. Weit entfernt also, dass für den 
Juden, der in der religiösen Beziehung, um die es sich hier 
allein handelt, unbestreitbar unter den πάντες eine hervor- 
ragende Sonderstellung einnimmt, das Evangelium jene einzig- 
artige Bedeutung nicht hätte, besteht sein spezifischer Vorzug 
eben darin, dass ihm das erste verheissungsmässige Anrecht 
auf die nur vom Glauben abhängige Wirkung des Evangeliums 
zusteht, und nicht zugleich in seiner grösseren Heilsbedürftig- 
keit (Otto. Dass Paulus aber unter den den Juden gegen- 
überstehenden &9vn, wie auch sonst (IKor 10». 121. Gel 
32) speziell die Hellenen nennt, hat hier seine besondere 
Bedeutung darin, dass die Hellenen, als der gebildetste Theil 
der Heidenwelt, auch das religiöse Leben derselben auf einer 
höheren, geistigeren Stufe zeigten, und dass doch auch für sie 
das Evangelium allein eine Gotteskraft zur Errettung war, 
dessen Wirkung ausschliesslich vom Glauben und nicht von 
irgend welchen Vorzügen an Bildung, Weisheit oder dergl. 
abhängig war, so dass sich Paulus diesen gegenüber mit 
seinem Evangelium nicht schämen darf*). — V. 17 begründet 
das über die gottesmächtige, errettungbringende Wirkung des 


5) Dies gegen die haltlosen Bedenken von Blbtr. p. 31 und 
Klosterm. 2 14ff., welcher Schwierigkeiten deswegen erhebt, dass 
V. 14 die Hellenen den Barbaren, hier den Juden entgegengestellt 
erscheinen. Dort handelte es sich eben um den Gesichtspunkt der 
Nationalität und Bildung, nach dem die Gesammtheit der 299n um- 
fasst wurde, hier um den der Religion, der da allein in Betracht 
kommt, wo es sich um den Werth des Evangeliums handelt; dort um 
das Missionegebiet des Heidenapostels, bier um den Weltberuf des 
Evangeliums (Otto p. 82). gen die ungeheuerliche Deutung 
Klosterm.’s aber, wonach sich das πρῶτον auf Juden und Hellenen 
bezieht, und beide nur denjenigen Theil der nichtchristlichen Mensch- 
heit umfassen, von dem Paulus zeigen will, dass er am wenigsten 
der σωτηρέα entbehren könne, spricht die Stellung des πρῶτον, wie das 
völlig Unpaulinische des Gedankens (vgl. dagegen Bibtr. p.27, Mang. 
p. 306 Anm... Wenn Hilg. behauptet, die Hervorhebung dieses 





1 Röm 111. 


Evangeliums Gesagte durch Hinweisung auf seinen Inhalt. — 
δικαιοσίνῃ γὰρ ϑεοῦ) Dass dies nicht wie 35 eine Eigen- 
schaft in Gott bezeichnen kann, beweist der Zusammenhang, 
nach welchem etwas genannt sein muss, was den nach der 
Heise Gerechtigkeit gerade dem Verderben Verfallenen zur 

ttung führt, wıe denn auch in der zum Belege angeführten 
Stelle Hab 24 nicht von der göttlichen δικαιοσύνη, sondern 
von dem Menschen als δίχαιος die Rede ist. Es muss daher 
eine Beschaffenheit des Menschen gemeint sein, welche ihn 
der Errettung gewiss macht, nämlich die normale, Gott wohl- 
gefällige Beschaffenheit, welche keinen Zorn Gottes und keine 
Verdammniss mehr zu fürchten hat: Dann aber kann der 
Genitiv Jeov nur insofern die Zugehörigkeit der menschlichen 
δικαιοσύνη zu Gott oder ihre Abhängigkeit von ihm aus- 
drücken, als dieselbe von Gott ausgeht, von ihm (durch einen 
gerechtsprechenden Akt, vgl. 311— as) gesetzt wird (vgl. Phl 89 
7 ἐχ ϑεοῦ δικαιοσύνη) ἢ. Allerdings sollte der Mensch die 
vor Gott wohlgefällige Beschaffenheit selbst erwerben durch 


πρῶτον setze voraus, dass eine starke Zahl römischer Christen einen 
Vorzug der Juden auch im Christenthum aufrecht erhalten wollte, so 
könnte Paulus vielmehr dasselbe unmöglich konzediren, ohne sein 
richtiges Verständniss sicher zu stellen; denn in der hier allein be- 
tonten »Gleichheit des Heils gläubiger Hellenen«, die ja Juden- 
christen, welche mit Heidenchristen in einer Gemeinde zusammen- 
lebten, selbstverständlich anerkennen mussten. lag dasselbe doch 
noch nicht. Die Weglassung des πρωτὸν (BG Txt. .u. WH . ΚΙ). 
beruht schwerlich auf einem Anstoss, den man neben πιστευοντε 
daran nahm (Meyer), sondern ist durch Schreibeversehen ausgefallen, 
weil man das re x«ı, wie 114 unmittelbar verband. Da der ganze 
vierte Be (Kap. 9—11) an dieses πρῶτον anknüpft, kann davon 
nicht die Rede sein, dass es aus 29f. eingekommen (Volkm., Lips.) und 
darum zu streichen sei. 
5) Von der Voraussetzung aus, dass hier eine göttliche Eigenschaft 
emeint sein müsse (vgl. auch Zimmer), hat man theils wortwidrig an 
die Wahrhaftigkeit (Ambros.) oder die Güte Gottes (Seml., Mor., Krehl), 
theils an die justitia Dei essentialis (Osiand.), die Schuldfreiheit 
Gottes (Otto), oder die justitia distributiva (Orig. u. Aeltere, vgl. 
Flatt) gedacht. Beide Deutungen des Gen. vermischen Ew.: die 
öttliche Gerechtigkeit als Kraft und Lebensgut, an deren Güte der 
Mensch vollen Theil nehmen könne und müsse, wenn er nicht ihren 
Stachel und ihre Strafe empfinden wolle, Beck p. 91: die Gerechtig- 
keit Gottes als eine Wirksamkeit Gottes, die von Gottes eigener Ge- 
rechtigkeit ausgeht und in den Glaubenden als belebende Gotteskraft 
eingeht, so dass der Mensch aus dem Glauben heraus eine Grerechtig- 
keit erhält, die aus Gott ist und eben darum auch vor Gott gilt, 
Volkm.: eine Bersenligseit, die Gott hat und giebt. Aehnlich Sand. 
Das Richtige haben Chrys., Beng. u. M., auch Rück., Olsh., Reiche, 
de W., Win. 880,1, Bisp., v. Heng., Mehr., Hofm., God., Luth., Lips., 








Röm 111. 78 


Erfüllung des ganzen Gesetzes (idia δικαιοσύνη: 108, vgl. 
Phl 39); da aber der unter die Herrschaft der Sünde gerathene 
natürliche Mensch nicht im Stande war, diese Gerechtigkeit 
zu beschaffen, so gab es kein Mittel für ihn, dem Zorne 
Gottes oder dem Verderben zu entrinnen, welchem jeder ver- 
fallen muss, der der göttlichen Norm nicht entspricht. Das 
Evangelium erweist sich aber als zur Errettung führend, weil 
in ihm eine solche Gerechtigkeit offenbart wird, freilich, wie 
das durch γάρ von δικαιοσύνη getrennte ϑεοῦ sehr nachdrück- 
lich hervorhebt, eine nicht von Menschen, sondern von Gott 
selbst herrührende. Das ἐν αὐτῷ ἀποκαλύπτεται steht 
aber nicht sowohl dem entgegen, dass diese διχαιοσύνη ϑεοῦ 
vorher etwas lediglich im Rathe Gottes Verborgenes, ein un- 
enthülltes Mysterium war (Meyer), zumal sie doch wenigstens 
in der Gerechtsprechung Abrahams (Kap. 4) vorgebildet und 
von der Weissagung der Propheten (V. 2) bezeugt war (321), 
sondern der Thatsache, dass vor der Verkündigung des Evan- 
geliums keine menschliche Weisheit wusste und wissen konnte, 
wie eine solche Gerechtigkeit ia und mit dem Erlösungswerk 
Christi thatsächlich gegeben 86] ἢ. — ἐκ πίστεως eig 
σείστεν) darf nicht mit δεκαιοσ. verbunden werden (Luther, 
Beng., Koppe, Rück., Reiche, Thol., Phil., Mehr., Volkm., 
God., Otto, Goeb. u. M.), sondern, wie es die Wortstellung 
ohne Willkür nicht anders gestattet, nur mit απεοχαλύτσετεται. 
Die neue Gesetzesgerechtigkeit wird nämlich im Evangelium 


vgl. Baur, neutest. Theol. p. 184, Holst. z. Ev. d. Paul. u. Petr. p. 408£., 

eiss., bibl. Theol. 8 82, R. Schmidt, Paulin. Christol. p. 10, Pfleid., 
Paulinismus p. 172ff. Die Erklärung Luthers (vgl. Kölln,, Frtzsch., 
Phil., Umbr.): »Gerechtigkeit vor Gott« ist zwar der Sache nach 
richtig, aber der Analyse des Genetivse nach falsch, und ergiebt einen 
für Paulus selbstverständlichen Gedanken, da eine Gerechtigkeit, 
welche nicht vor Gott gilt, überhaupt gar keine ist. 

*) Daraus folgt aber nicht, dass in dem ἐποχαλύπτειν, das die 
von Gott herrührende Gerechtigkeit (natürlich zugleich mit der Art, 
wie sie sich vermittelt und wie sie erlangt wird) nur zum Gegen- 
stande der Erkenntniss macht, bereits die wirkliche Gewährung liegt 
(de W. nach Beza, Otto: nicht deklarativ, sondern exhibitiv.. Man 
verwechselt dabei die Kundmachung dieser Gerechtigkeit als einer in 
Christo thatsächlich vorbandenen und sich der Aneignung dar- 
bietenden (Luth.), wie sie in der Weissagung noch nicht gegeben war, 
mit der Zutheilung derselben. Bei Beck hängt das damit zusammen, 
dass er die Gottesgerechtigkeit wieder als eine von Gott gewirkte 
fasst (vgl. auch Chr. Hoffm.); ebenso bei Klosterm. p. 29, der deshalb 
die Worte dahin verdreht, dass in ihm, nämlich dem Glaubenden, eine 
solche Gottesgerechtigkeit, d.h. ein neuer sittlicher habitus offenbart 
d. h. hergestellt wird (vgl. auch Michelsen, StKr 1873, p. 327 ff. und 
dagegen Kaehler, ebendas. p. 263). 





74 Röm 111. 


&x zeiorewg enthüllt, sofern nur für den, welcher glaubt, was 
das Evangelium sagt, dasselbe also gläubig annimmt (V. 5. 16), 
die in ihm dargebotene Gerechtigkeit als vorhanden enthüllt 
wird, während sie für den, welcher der Heilsbotschaft nicht 
glaubt, verborgen, ein unenthülltes Gut bleibt, also so gut wie 
nicht da ist; vgl. Hofm., Luth. Dann aber kann auch εἰς 
σείστιν nur besagen, worauf es mit dieser Offenbarung abge- 
sehen sei, nämlich Glauben herzustellen (Fritzsch.: ut fides 
habeatur, vgl. Krehl, Niels, νυ. Heng.. Der Nerv des Ge- 
dankens liegt auf dem Doppelsinn, den σεέίστις bei Paulus hat. 
Während die Offenbarung der Gottesgerechtigkeit den Glauben 
im Sinne der gläubigen Annahme des Evangeliums voraus- 
setzt, wirkt sie den Glauben im Sinne des Heilsvertrauens 
auf Christum, welches die Bedingung der Rechtfertigung und 
Beseligung ist, und diese Wirkung macht eben das Evangelium 
so heilskräftig (vgl. zu V. 16) ἢ. — χαϑὼς γέγραπται) 
Diese bei Paulus gangbare Einführung eines Beweisen aus 
der Schrift, sofern, was dort geschrieben steht, dem Gesagten 
genau entspricht, bestätigt nicht die Offenbarung der Gerechtig- 
keit &x σείστεως (Meyer), von der ja in der Stelle Hab 24 
gar nicht die Rede ist, sondern zeigt, dass das Evangelium, 
sofern es eine Gerechtigkeit &x σείστεως εἰς πείστιν offenbart. 


*) Diesen Doppelsinn, welchen Hilg. völlig missversteht, wenn 
er damit einen >»provisorischen Glauben« statuirt findet, und 
nicht als paulinisch anerkennen will, so zweifellos er es ist (vgl. m. 
bibl. Theol. 8 82, b), bestreitet Lips., indem er das 2x πέστεως daraus 
erklärt, dass die διχαέωσις eben 2x πέστεως erfolgt (also sachlich doch 
wieder dasselbe mit διχαίοσ. verbindet), und ihn vermeiden Hofm., 
Luth. (vgl. Zimmer, Hilgenf.), indem sie in dem εἰς πέστεν nur finden, 
dass vor und nach dem Empfange der Gottesgerechtigkeit nichts 
von uns gefordert werde als Glaube (was der Bedeutung des εἰς nicht 

erecht wird), Andere, indem sie eis πέστιν gleich εἰς τὸν πιστεύοντα, 
für den Glaubenden, fassen (Oec., Morus, Rück., Reiche, de W., Olsh., 
Reithm., Maier, Phil., Goeb.), wovon schon das abstrakte korrelate 2x 
πίστεως hätte abhalten sollen. Ganz verkehrt war es, εἰς πέστεν von 
πίστεως abhängen zu lassen und den Ausdruck von dem Glauben an 
die Treue Gottes (Mehr.) zu nehmen, oder mit Berufung auf IIKor 
318 zu erklären: aus Glauben in Glauben (Luth.), d.h. zur Förderun 
und Stärkung des Glaubens (Clem. Al. Strom. 5,1. II. ᾿ 644 
Tbeophyl., Erasm., Melanth., Beza, Kölln., vgl. B.-Crus., Klee, Steng., 
Sand.); denn der Gedanke: »aus stets neuem, nie ermattendem, un- 
endlich fortschreitendem Glauben« (Ew., Umbr., jetzt auch Klosterm. 
a. a. Ο. p. 25) liegt dem Zusammenhange ebenso fern, wie die Deu- 
tung: ex fide legis in fidem evangelii (Tertull., vgl. Orig., Chrys., 
Theodoret.). Ganz wunderlich Böhmer: auf Grund des Glaubens, den 
der Messias hatte (vgl. Haussleiter),, — damit Andere glauben, und 
Otto: ἢ ἐκ πίστεως γιγνομένη εἰς πίστιν γένεται, τούτεστιν εἰσέρχεται. 





Röm 111. 18. 15 


eine Gotteskraft ist, welche Errettung erzielt. Denn das 
Leben, von welchem die Prophetenstelle redet, ist nach der 
Messianischen Deutung des Apostels der Korrelatbegriff der 
σωτηρία V.16 (vgl. God... Wer das (ewige) Leben empfängt, 
der ıst eben vom Verderben errettet; und wenn der Gerechte 
dieses Leben empfängt auf Anlass seines Glaubens, so kann 
das Evangelium, welches eine Gerechtigkeit & sriorews εἰς 
σείστιν offenbart, bewirken, dass man zu diesem vom Glauben 
allein abhängigen Leben gelangt. Es erhellt daraus, dass der 
Apostel nicht, wie Meyer mit Beza, Win., Lips. u.M. annimmt 
8. bes. Hölem. de justitiae ex fide ambab. in V. T. sedibus, 

ps. 1867), ἐχ σπείστεως mit δίχαιος verbunden haben will, 
sondern, wie die Meisten mit Recht es fassen (vgl. auch Sand.), 
mit ζήσεται, da dieses sonst für den Zusammenhang ganz 
bedeutungslos würde. So hebt der Apostel schon hier den 
Grundgedanken des ganzen Briefes hervor, dass das Evan- 
gelium, wie er es verkündigt, den Glauben als den alleinigen 

eg zur Erlangung der Gerechtigkeit und des Heils darstellt, 
ohne darum die Prärogative Israels zu negiren oder mit der 
Schrift AT’s zu brechen. 

Hier beginnt nun der erste Haupttheil des Briefes 
(11s—3%), welcher zeigt, wie die ganze Menschheit der eigenen 
Gerechtigkeit entbehrt und darum dem Verderben verfallen 
ist, also einer solchen heilskräftigen Offenbarung einer Gottes- 
gerechtigkeit bedarf; er führt dies zunächst durch in Betreff 
der Heiden (118---8)). 

Υ. 18—23. Der Sündenfall des Heidenthums — 
ἀποκχκαλύπτεται γαρ) Dass sich der Apostel des Evan- 
geliums, welches mittelst Offenbarung der Gottesgerechtigkeit 
eine Gotteskraft zur Errettung sei, nicht schämen dürfe, wird 
dadurch begründet, dass es ausserhalb desselben nur eine 
Offenbarung göttlichen Zornes giebt, welcher seinem Wesen 
nach eben das Verderben herbeiführt, von dem das Evan- 
gelium erretten will*. Dem zur Begründung der Aussage 


ἢ Nach Meyer (vgl. Thol., Phil.) wird begründet, dass, wo keine 
πίστις ist, auch keine Offenbarung der Gerechtigkeit statt hat, während 
doch im Folganden von keinem Mangel an πέστες die Rede ist, und 
die Offenbarung des Zornes keinen Gegensatz zur Offenbarung der 
Gerechtigkeit bildet. Auch war ja schon mit dem χαϑὼς γέγραπται 
der Apostel von dem erläuternden V. 17a zu dem erläuterten V.16 
zurückgekehrt, an den er hier (natürlich in seiner Erläuterung durch 
V.17) anknüpft. Volkm. findet, seiner falschen Erklärung der δικαιοσ. 
ϑεοῦ entsprechend, hier die Begründung von V. 17 aus dem Wesen 
Gottes und zwar zunächst aus seiner Strafgerechtigkeit. Bilbtr. p. 48 
sucht auch in dieser Ausführung (bis 28) eine Antithese gegen das 





76 Röm 118 


über die spezifische Bedeutung des Evangeliums in V. 16 in 
ihm aufgewiesenen arcoxadvsereraı V. 17 tritt absichtsvoll 
gegenüber das nachdrücklich voranstehende ἀσεοχαλύστεται. 
Ueberall, wo die erst im Evangelium ofienbarte Gerechtigkeit 


4 


noch nicht vorhanden, offenbart sich göttlicher Zorn (ὀργὴ 
ϑεοῦ). Der Zorn Gottes ist das nothwendige Korrelat de 
Liebe des heiligen Gottes zu allem Guten, welche nur in der 
gleich affektvollen Energie, mit welcher sie alles Böse von sich 
ausstösst, sich bewähren kann (vgl. zu Mt 37). Die rationali- 
sirende Umdeutung des Begriffs in den der poena divina bei 
Vätern, Erasm. und vielen Späteren übersieht, dass das Sünd- 
hafte am menschlichen Zorn die leidenschaftliche Erregung 
ist, welche in der Verletzung des eigenen Ich das Böse sieht 
und sich darum gegen den Sünder richtet statt gegen die 
Sünde. — ἀπ οὐρανοῦ) bezeichnet den Himmel, die Wohn- 
und Thronstätte Gottes (vgl. z. Mt 6»), als den Ort, von 
welchem aus die ἀποχάλυψις der ὀργὴ ϑεοῦ ergeht. Es 
wird dadurch diese Zornesoffenbarung als ein Moment der 
weltregierenden Thätigkeit Gottes charakterisirt. Schon daraus 
erhellt, dass es sich um eine Offenbarung handelt, welche 
innerhalb der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit zu 
Tage tritt und zwar dadurch, dass Gott die Sünde durch 
Dakingäbe in immer tiefere Sündengreuel straft, wie die fol- 
gende Ausführung darlegt*). Ausgeschlossen durch das ἀπ᾽ 


Judenthum, sofern die Enthüllung von Gotteszorn »nicht unter maass- 
gebender ums von Jüdischem« erfolgt, dem Christen also 
(Gottes Zorn vollständig zum Bewusstsein gebracht werden kann, ohne 
dass er dazu des dräuenden Gesetzes bedarf (p. 69). Hofm. sucht 
das eigentlich begründende Moment eret in V.19 und erklärt darum: 
denn Alles, was den Menschen sonst zu wissen gethan sein mag, 
ist, eben weil es nicht Offenbarung einer Gottesgerechtigkeit ist, un- 
dienlich, ihnen zum Heil zu verhelfen. Allein die der Offenbarung 
im Evangelium entgegengesetzte Zornesoffenbarung wirkt nicht nur 
nicht die σωτηρέα, sondern ihr Gegentheil. 

ἢ Diese Fassung (vgl. Thol., Weber, v. Zorne Gottes p. 89, 
Mehr., God., Beck, Luth.) verlangt keineswegs den Aor. ὠπεχαλύφϑη 
(gegen Hofm.), weil diese Zornesoffenbarung in der Heidenwelt ja 
immer noch fortdauert. Dass vollends ἀποχαλύπτειν immer eine über- 
natürliche Offenbarung bezeichne, ist ganz unrichtig, zumal ja auch 
das ἀποχαλύπτεται ἐν τ. evayy. V. 17, dem das ἐπ᾽ οὐρανοῦ parallel 
steht, ohne einen Gegensatz dazu zu beabsichtigen (wie Meyer, Hofm. 
wollen), menschlich vermittelt ist. Der Modus der Enthüllung liegt 
nicht im Worte selbst, das lediglich das Enthüllen des vorher Un- 
erkannten bezeichnet, geschehe es unmittelbar durch Gott oder durch 
menschliche Vermittelung (Mt 1617), sondern im Kontexte, der hier, 
wie IITh 23. 68, auf thatsächliche Enthüllung führt. Ueberdies ist 
8 auch nach unserer Fassung eine göttliche Enthüllung gemeint, 





Röm 118. 77 


οὐρανοῦ ist die Beziehung der ἀποχάλυψις auf die innere, 
durch Vernunft und Gewissen vermittelte Offenbarung des 
göttlichen Zornes (Ambros. Wolf u. M., auch Reiche, Glöckl.), 
oder gar eine durch das Evangelium vermittelte (so Thhom., 
Est., Grot., Seml., Morus, Böhme, Maier, Böhmer, Zimmer, 
vgl. Umbr., welcher auch das AT hinzunimmt, an das Beng,, 
Flatt gar allein dachten), zumal dann das ἐν αὐτῷ nicht nur 
aus V. 17 ergänzt werden dürfte, sondern nachdrücklich 
wiederholt sein müsste ἢ). — Das ἐπί c. Acc. bezeichnet hier 
nicht die feindliche Richtung (Meyer, God., Beck: gegen, vgl. 
Dem. 743. 22), sondern das Gesammtgebiet, über welches sich 
diese Zornesoffenbarung erstreckt, wie die Hervorhebung des 
σεᾶσαν zeigt. Nach dem Zusammenhange (vgl. auch das folg. 
ἐν ἀδικίᾳ) handelt es sich wesentlich um die α δὲ xia, welche 
bei Paulus den umfassenden Gegensatz gegen die δικαιοσύνη 
V. 17 bildet, so dass überall, wo es diese noch nicht giebt, 
und, da dieselbe erst im Evangelium kundgethan wird, abge- 
sehen von demselben schlechthin überall nur göttlicher 
Zorn offenbar wird. Dass die ἀσέβεια voraufgeschickt wird, 
hat seinen Grund darin, dass damit auf die Quelle der 
ἀδικία hingewiesen werden soll, die dieser nothwendig den 
göttlichen Zorn zuzieht**). Nachdem zuerst in dem artikel- 


durch welche allerdings auch ein μυστήριον, nämlich der Zusammen- 
hang der gemeinten Thatsachen mit der göttlichen ὀργή, zur Er- 
kenntniss gebracht wird. Fälschlich verbinden Bez., Est. u. V., auch 
wieder Klosterm. p. 34, ἀπ᾽ οὐρανοῦ mit ὀργὴ ϑεοῦ, der darin den 
ersten sittlich erneuernden Impuls sieht, den der Gläubige vom Evang. 
erfährt, in welchem sich dieser Gotteszorn enthüllt. 

5) Das rein präsentische ἀποχαλύπτεται V. 17, erlaubt nicht, 
dasselbe hier von der zukünftigen Zornesoffenbarung beim Weltgerieht 
(Chrys., Tbeodor., Theophyl., Oecum., Koppe, Phil., Reithm., Ew.) zu 
nehmen, auch nicht als ein Vorspiel davon (Sand.). Wenn man das 
Präsens dadurch erklären wollte, dass von der Offenbarung des letzten 
Zorngerichts im Evangelium die Rede ist, so müsste eben ἐν αὐτῷ 
dabeistehen. Auch Ritschl muss, um seine eschatologische Fassung 
des Zornes Gottes aufrecht zu erhalten, die hier gemeinte Offenbarun 
desselben erst in 25 suchen (rel. «ἃ. christl. Lehre v. d. Rechtf. II, 
P- 144 ff). Andere haben die ἀποχάλυψις hier in völliger Allgemein- 

eit belassen (Olsh., Thol., vgl. Calov) und sich freilich somit jeder 
Erklärung überhoben, während Hofm. zu allgemein und ohre text- 
mässigen konkreten Inhalt an die die Welt als Aeusserung des gött- 
lichen Zornes treffenden Uebel überhaupt denkt. 
**, Gewöhnlich unterscheidet man ἀσέβεια und ἀδικία (Plat. Prot. 
p. 323E, Xen. Cyr. 8, 8, 7; Tittm., Synon. N.T. p. 48), wie Irreligio- 
sität und Immoralität, so dass Beides die Improbitas, jedoch unter 
den verschiedenen Beziehungen auf die Gottesfurcht und auf die sitt- 
liche Norm bezeichnet; nur ist auch diese als eine von Gott gesetzte 
und keineswegs nur das Verhalten gegen den Nächsten normirende 


18 Röm 118. 


losen ἀνθρώπων der Begriff ganz unbestimmt und allgemein 
hingestellt, so dass es menschliche Sünde ist, über welche die 
öttliche Zornesoffenbarung ergeht, wird mit dem artikulirten 
artizipium (τῶν τὴν ἀλήϑειαν ἐν ἀδικίᾳ κατεχόντων) 
dasjenige Charakteristikum hinzufügt, welches den (otteszorn 
über ihre Sünde erregt. Vgl. Win. $ 20, 4. Nicht von den 
Menschen als solchen ist die Rede (Otto), sondern von Men- 
schen, über deren Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der gött- 
liche Zorn ergeht, wird gesagt, dass sie die Wahrheit in Un- 
erechtigkeit aufhalten. Dabei wird vorausgesetzt, dass sie 
ie Wahrheit besitzen, und dass diese Wahrheit sich in ihnen 
hätte entwickeln, d. h. immer umfassenderen Einfluss auf ihre 
intellektuelle und ethische Ausbildung gewinnen sollen. Aber 
sie haben dieselbe in dieser Entwickelung gehemmt, gehindert 
und zwar so, dass es ddıxia war, was gleichsam den Keim 
der Wahrheitserkenntniss in ihnen von allen Seiten umschloss 
und ihm so jede Freiheit der Entwickelung abschnitt *). 
Obwohl der ne sich absichtlich so allgemein ausdrückt, 
so zeigt doch die Fortführung der Rede V. 19ff, dass er hier 
schon die Heiden im Auge hat, die er auch sonst als die 
ἄδικοι charakterisirt (IKor 61), und von denen allein die 
ἀσέβεια als allgemeines Charakteristikum ausgesagt werden 
kann, und nicht das ganze Menschengeschlecht (Hofm., vgl. 
Mehr., Volkm., Chr. Hof. Otto), geschweige denn vorzugs- 
weise die Juden (Koppe). 


(gegen Kölln. nach Theoph., Grot., Calov., Wolf u. V., welche an die 
injuria in proximum im Unterschied von der profanitas in deum 
denken) gedacht. Vgl. Dem. 548. 11: ἀσέβημα, οὐχ adlınua μόνον. 
Zu ἀσέβεια vgl. Din 1822. Ez 2829. Prrv is, besonders Ps 7286. 

*) Vgl. Beng.: Veritas in mente nititur et urget, sed homo eam 
impedit. Gemeint ist natürlich nicht die Wahrheit des Evang., welches 
von Juden und Heiden in seiner Ausbreitung gehemmt werde (vgl. 
Ew.), sondern das den Menschen nach V. 19f. offenbar gewordene 
Wesen Gottes. das immer er normgebend für den Menschen 
wird und eben darum in den Kampf mit der adızda tritt, die sie aus- 
tilgt, wenn sie nicht von ihr in ihrer une gehemmt wird. Dass 
κατέχειν hier nicht: besitzen heisst (Michael, Koppe, Baur, Klosterm. 
p. 85, Lipe.), wie IKor 7s0. IIKor 610, oder: in der Knechtschaft 
der Unsittlichkeit halten (Melanth., v. Heng.), wie 16. Gen 42:19, folgt 
aus V. 21, wonach sie die Wahrheit in Folge ihres Verhaltens eben 
verlieren. Zu der Bedeutung: hemmen vgl. IITh 26. Lk 4a. Rt 
1ıs. IMak6»7. Plat. Phaed. p.117C. Soph. El. 754. Das ἐν ἀδιχίᾳ 
adverbial gleich ἀδέκως zu nehmen (Reiche, God. nach ae Bez., 
Calv.), wodurch ohnehin der Zusatz ganz bedeutungslos wird, wider- 
spricht der offenbaren Beziehung auf τὴν adızlav. Es ist aber auch 
weder rein instrumental zu nehmen (Meyer), noch gar vom Erfolge 
(Blbtr. p.48 : so dass Ungerechtigkeit an ibrer Stelle zu stehen kommt) 





᾿ Röm 11. 79 


V. 19f, διότι) vgl. Zph 2w. IIMak 7581, propterea 
quod, nur durch ein Komma vom Vorigen zu trennen, giebt 
näher an, weshalb Gottes Zorn über solche Menschen sich 
offenbar. Wenn schon V. 18 vorausgesetzt war, dass sie 
ursprünglich die Wahrheit besassen und: deshalb ihre ἀσέβεια 
καὶ adınia nicht unverschuldet war, so wird jetzt noch aus- 
drücklich gezeigt, welche Veranstaltung Gott getroffen habe, 
um ihnen alle Erkenntniss darzureichen, die sie bedurften, so 
dass sie seinem Zorn verfallen mussten, wenn sie trotzdem in 
unentschuldbare Sünde geriethen. Vgl. Hofm., Beck ἢ). — 
τὸ γνωστὸν τοῦ ϑεοῦ) das von Gott Erkennbare (Orig., 
Theoph.,. Erasm., Beza, Calv., Grot, Rück., Hofm., Volkm., 
God., Otto, Goeb. Sand. u. M.), welche Bedeutung γνωστός 
häufig bei Klassikern hat (vgl. ἄγνωστος, welches bei Plato 
immer unerkennbar heisst. Dass es dieselbe nie sonst im 
NT, bei den LXX u. Apokr. hat, sondern dort, wie, obwohl 
seltener, auch im Klassischen (Xen. Oyr. 6, 3,4. Arian. Epict. 
2, 20, 4. Aesch. Choeph. 702), quod notum est u ulg.) heisst, 
also gleich γνωτός oder γνώριμος ist, kann nichts ers 
da es sonst bei Paulus nicht vorkommt. Trotzdem erklären 
Chrys., Theod., Reiche, de W., Meyer, Phil., Beck, Luth. 
Lipe.: das von Gott Bekannte, wodurch eine offenbare Tau- 
tologie mit dem folgenden φανδρὸν ἐστιν entsteht **). Das, 
was von Gott an sich, also ohne die heilsgeschichtliche Offen- 
barung, erkennbar, ist in ihnen, d. h. in ihrem Bewusstsein 
kund (ἐν αὐτοῖς, wie Gal 1.16); denn Gott selbst, wie das 


*) So auch Frtzsch., Phil, jedoch dsors gleich γάρ fassend, 
welcher Gebrauch aber niemals, auch nicht Act 1810, stattfindet. 
Diese sprachlich unrichtige Deutung des διότε ist auch gegen Thol., 
Rück,., de W., Reithm., God., welche hier den Nachweis finden, dass 
die Heiden die Wahrheit durch Unsittlichkeit niederhalten. Ganz 
verkehrt lässt Volkm. hier asyndetisch einen neuen Satz beginnen, . 
der bis zum Schlusse von V. 27 fortgehen soll. | 

55) Die beschränkende Bestimmung, dass es sich nur um das 
handelt, was von den Menschen überhaupt (auf Grund der allgemeinen 
Naturoffenbarung) erkannt wird, und nicht um das, was erst durch 
die Heilsoffenbarung im Alten oder Neuen Bunde kundgethan wird, 
ist bei beiden Fassungen nothwendig und durch den Zusammenhang 
mit dem Folgenden von selbst an die Hand gegeben (gegen Meyer). 
Wenn aber Blbtr. p.49 hier wie bei V.20 bemerkt, dass »nicht etwa 
in einem äusseren (sesetze«, »nicht erst durch das Gesetz« diese 
Kundmachung erfolgt sei, so trägt er eben den Gegensatz, den er in 
diesem Abschnitte nachweisen will, einfach hinein. Keinesfalls ist 
das γνωστὸν τοῦ ϑεοῦ mit Frtzsch., Thol., Krehl u. M. in das sub- 
jektive scientia Dei umzusetzen, — ohne empirischen Gebrauch, zum 
folgenden φανερόν ἔστεν nicht passend, auch nicht durch LXX Gen 29 
zu stützen. 








80 Röm 119. 20. 


mit Nachdruck vorantretente ὁ $eöc sagt, hat es ihnen kund- 
gemacht (ἐφανέρωσεν, vgl. Jer 336) ἢ). — V. 20 zeigt nun, 
wie es zu einer solchen Kundmachung Seitens Gottes ge- 
kommen ist. — τὰ γὰρ ἀόρατα αὐτοῦ) vgl. Gen 12. Jes 488. 
II Mak 95: sein Unschaubares, die mannigfachen unsichtbaren 
Eigenschaften, welche zu seinem Wesen gehören und welche 
als solche charakterisirt werden, um anzudeuten, woher es 
einer besonderen Kundmachung bedurfte. Wenn diese aber 
ausdrücklich von der Weltschöpfung her datirt wird (ἀπὸ 
#Tioswg κόσμου), so wird damit eben angedeutet, dass die 
zoınnara, durch welche sie erfolgte, seit eine Welt ge- 
schaffen wurde, die Schöpfungswerke sind, d. h. Alles, was 
Gott als Schöpfer hervorgebracht hat (vgl. Eccles. 3, 11. Ps 
1435). Wenn nämlich diese Werke nicht nur sinnlich ange- 
schaut werden, sondern mittelst der Thätigkeit des vovg, 
welcher das spezifische Organ für das Innewerden des Gött- 
lichen im Menschen ist, betrachtet werden (voovuera), so 
wird durch sie jenes an sich unsichtbare Wesen Gottes sicht- 
bar, wie in einem frappanten Oxymoron das καϑορίᾶται es 
ausdrückt **). — 7 re ἀΐδιος αὐτοῦ δύναμις x. ϑειότης) 
erklärt ausdrücklich, woran Paulus bei ἀόρατα gedacht habe, 


5“) Erasm., Grot., erklären das ἐν αὐτοῖς : inter ipsos und beziehen 
es auf die Gnosis der heidnischen Philosophen, vgl. auch Kölln., 
B.-Crus., Klosterm. p. 35, Beck, Otto. Aber der Begründungssatz 
zeigt zweifellos, dass es sich nicht um eine Kundmachung an Einzelne 
unter ihnen, sondern an sie selbst handelt. Diese Kundmachung ist 
allerdings als eine Thatsache der Vergangenheit bezeichnet, weil der 
Apostel ja von einer geschichtlichen Offenbarung des Gotteszornes 
reden will, welche dieselbe voraussetzt. Aber sie dauert der Natur 
der Sache nach fort, so lange es eine Schöpfung Gottes giebt (vgl. 
V. 20), weshalb man nicht mit Hofm. die präsentische Begründung 
in V. 20 über diesen Satz hinweg auf φανερόν ἐστίν beziehen darf 
(vgl. Beck). Die Rcpt. hat o γαρ Heos (KLP) statt ο 3805 γαρ. 

**) Nach der nachher von Paulus selbst gegebenen Erklärung 
sind τὰ ἀόρατα nicht die actiones dei invisibiles (Frtzsch., vgl. Thol.), 
auch nicht seine Unsichtbarkeit als solche (Beck). Das ἀπό bezeichnet 
nicht das medium cognoscendi (Luth., Cal., Wolf, Morus, Reithm.), da 
ja dieses in τοῖς ποιήμασι folgt. Diese sind aber nicht die Werke 
der Welterhaltung und Weltregierung (Otto, vgl. Beck), wodurch das 
ἀπὸ χτίσ. χύσμ. zwecklos würde, das darum Otto höchst gesucht darauf 
bezieht, dass nicht erst in der Geschichte Israels jene Kund- 
machung erfolgt sei. Hofm. verbindet r. ποιήμασιν mit νοούμενα, 
Phil. mit χαϑορᾶται; aber es gehört zu beiden, da nur von einem 
durch den τοῦς vermittelten Sehen der ἀόρατα die Rede sein kann. 
Zu dem verstärkenden Comp. χαϑορὰν vgl. IIIMak 311. Xen. Cyr. 
3, 3, 31. Pind. Pytb. 9, 45. Zu νοεῖν als Bezeichnung des geistigen 
animadvertere beim Sehen (Hom. Il. A, 599: τὸν δὲ ἰδὼν ἐνόησε) oder 
im Gegensatz dazu (Plat. Rep. p.529B: νοεῖν, ἀλλ᾽ οὐχ ὄμμασι ϑεωρεῖν) 





Röm 120. 81 


indem er mit der Eigenschaft der göttlichen Allmacht, die 
zunächst durch die Schöpfungswerke offenbar wird, sofern nur 
durch sie dieselben ins Dasein gerufen werden konnten, die 
Gesammtheit aller göttlichen Qualitäten verknüpft, die man 
alle mehr oder weniger an ihnen wahrnimmt. Das τέ — καί 
verbindet beides aufs Engste, um ihre Zusammengehörigkeit 
auszudrücken (vgl. zu V. 16); denn die δύναμες soll auch als 
ein Bestandtheil der ϑειότης, d. ἢ. als göttliche, und diese 
nicht ohne die dazugehörige δύναμις gedacht werden. Schon 
daraus folgt, wie misslich es ist, in der ϑειότης an eine einzelne 
vorzugsweise göttliche Eigenschaft zu denken. Das ἀΐδιος 
(statt aeıdıos, d. h. immerwährend, vgl. Sap 72. Xen. Oyr. 
7, 5, 26) gehört zu beiden, weil das, was von Weltanfang her 
immer noch gesehen werden soll, ein Andauerndes, in allem 
Wechsel der Dinge Beharrendes sein muss*. — eis τὸ 
εἶναι αὐτοὺς ἀναπτολογήτους) vgl. Polyb. 12, 12. p. 927. 
Dion. Hal. ant, 7, 46. Plut. Brut. 46. Die von der Welt- 
schöpfung her, natürlich von Gott selbst, getroffene und daher 
allerdings über die menschliche Verschuldung zurückliegende 
Veranstaltung (gegen Hofm.), durch welche sich die göttliche 
Offenbarung W. 19 vermittelte, hatte die Absicht, dass die 
V.18 charakterisirten Menschen unentschuldbar seien. Natür- 
lich war diese Unentschuldbarkeit nicht die letzte und nicht 
die einzige Absicht Gottes bei seiner Selbstoffenbarung, aber 
weil sie in und mit der durch dieselbe ermöglichten Erkennt- 
niss nothwendig gesetzt war, musste sie auch von Gott mit 
gewollt sein und so die Offenbarung des göttlichen Zormes 


vgl. Nägelsb. z. Ilias p. 416. ed.3. Zum Oxymoron selbst vgl. Aristot. 
de mundo 6. p. 899. 21. Bekk.: ἀϑεώρητος an’ αὐτῶν τῶν ἔργων 
ϑεωρεῖται (ὁ ϑεος). 

*) Hofm. schliesst aus der Stellung des τέ darauf, dass ἀΐδιος 
nur zum ersten (vgl. God., Beck, Luth.), Meyer (mit Berufung auf 
Hartung, Partikell. I, p. 116f., Stallb. ad Plat. Crit. p. 43B, Schäfer, 
Poet. gnom. p. 73, Schoem. ad Is p. 325), dass es zu beiden gehört, 
und hierfür spricht, dass der voraufgehende Artikel, wie das folgende 
αὐτοῦ zu beiden gehören. Ueber den Unterschied von ϑεότης (Kol 29), 
welches die Deitas, Gottheit, das Gott-Sein bezeichnet und ϑειότης 
als den Inbegriff dessen, was Gott als göttlich geeigenschaftetes 
Wesen, als ein ϑεῖον ist, 8. Elsner, Obss. p.6 u. Frtzsch. z. St. Sehr 
häufig ist ϑεεότης Ὁ. Plutarch. Treffend Vulg.: divinitas. Gleich will- 
kürlich ist es, an die Geistigkeit des göttlichen Seins (Hofm., Luth., 
Zimmer) oder an seine Erhabenheit über alles Geschaffene (Goeb.), an 
seine ethische Wesenheit überhaupt (Beck, Böhmer), an seine Weis- 
heit und Güte (Reiche) oder an die letztere allein (Otto) zu denken. 
Analoge Hinweisungen auf die physikotheologische Erkenntniss Gottes 
5. Ὁ. Spies, Logos spermaticos, 1871. p. 212. 


Meyer's Kommentar. ΤΥ. Abth. 9. Aufl. 6 





82 Röm 130. 91. 


über die menschliche Sünde sollizitiren (V. 18), die trotz 
besserer Erkenntniss, ja mit Unterdrückung derselben gegen 
Gott und die von ihm gesetzte Norm frevelte *). 

V. 21. διότι) Indem nun der Apostel sagt, weswegen 
die Menschen unentschuldbar waren und (nach Gottes Rath) 
sein sollten, kehrt der Gedanke zu V. 19 zurück, wo bereits 
mit dem gleichen διότι darzulegen begonnen war, weshalb 
sich der Zorn Gottes in der Menschheitsgeschichte offenbart, 
und exponirt nun näher durch geschichtliche Thatachen, in- 
wiefern die Menschen die ihnen ofienbarte Wahrheit in ihrem 
unsittlichen Verhalten an der nothwendigen Entwickelung ge- 
hindert haben und dadurch schuldig geworden sind **). 
Zunächst wird noch einmal der Hauptsatz aus V.19, der nun 
eingehend begründet ist, in dem y»o»vreg wieder aufgenommen, 
weil nur, wenn sie den wahren Gott (τὸν $eo») erkannten, 
es eine unentschuldbare Sünde war, dass sie ihn nicht nach 
Maassgabe seiner Gottesqualität (ὡς 80») priesen oder ihm 
dankten. Das ἐδόξασαν (Lev 103. Jud 131. Jes 242) 
wäre die Anerkennung seiner überweltlichen Herrlichkeit an 
sich gewesen, das ηὐχαρίστησαν (18) die Anerkennung 
seines Verhältnisses zu den Menschen, wonach er der Geber 


*) Weil man sich an dieser Vorstellung von dem göttlichen Ver- 
hängniss, unter welche Paulus die Unentschuldbarkeit der Menschen 
stellt, und welche Meyer wenig passend als die »biblische Schicksals- 
idee« bezeichnet, stiess, nahm man dem, wie es scheint, durchgängigen 
Sprachgebrauch des Paulus entgegen das εἰς mit dem artikulirten Inf, 
vom Erfolge (Chrys., Oecum., Vulg., Luther u. V., vgl. noch Reiche, 
Kölln., de W., Rück., Thol., Frtzsech., Reithm., Phil, Ew. und neuer- 
dings Böhmer, der eine gewisse Vermittelung versucht). Natürlich 
hängt die Präposition nicht von dyaregwoe ab, so dass Ta yap «op. — 
ϑειοτῆς parenthesirt werden müsste (Griesb. u. M.). 

ἘΦ Daraus folgt natürlich nicht, dass auch grammatisch διότε das 
διότε in V. 19 aufnimmt und V. 20 Parenthese ist (gegen Zimmer). 
Otto findet darin einen Widerspruch, dass die Unentschuldbarkeit 
den Menschen absichtlich von Gott herbeigeführt und nun doch durch 
ihr Verhalten begründet sein soll, als ob nicht eben Gott dies Ver- 
halten zu einem unentschuldbaren stempeln wollte! Er fasst daher 
διότε als Vordersatz von χαὶ ἐσχοτέσϑη, wodurch der Zusammenhang 
abgerissen wird. Allerdings setzt der Apostel V. 19f. voraus, dass 
sich jene Selbstoffenbarung Gottes immer noch vollzieht und immer 
noch die Menschen unentschuldbar macht; aber die folgenden Aoriste, 
die Hofm. sehr künstlich erklärt, zeigen doch, dass er den Abfall der 
Menschheit von der ihr gewährten Gotteserkenntniss als eine abge- 
schlossene Thatsache betrachtet und so wirklich den Abfall des 
Heidenthums von dem ursprünglichen Monotheismus beschreibt, wenn 
auch derselbe sich immer noch aufs Neue wiederholt. Deswegen wird 
aber keineswegs bloss das allgemeine menschliche Sittenverderben be- 
schrieben (Klosterm., Blbtr., Otto). 


Röm 131. 83 


aller Güter ist, beides also die nothwendige praktische Be- 
thätigung der Grotteserkenntniss, die sie ursprünglich besassen. 
Wenn sie, obwohl sie ihn erkannten, diese pflichtmässige Ver- 
ehrung ihm nicht darbrachten, so konnte der Grund davon 
nur in anomaler Gesinnung (ἀδικία) liegen, sofern der Hoch- 
muth sich sträubt, etwas Höheres über sich anzuerkennen, 
und die Selbstsucht den Geber über der Gabe vergisst ἢ). — 
ἀλλ᾿ ἐματαιώϑησαν) Dass Jer 25. IIReg 1715 dies mit 
Anspielung auf die Verehrung der wesenlosen Götzen (μάταια; 
ausgesagt ist, beweist nicht, dass es hier sich darauf bezieht 
(gegen God., Beck), da der Ausdruck auch IChr 218 ohne 
solche Beziehung vorkommt. Hier aber sagt das ἐν τοῖς 
διαλογισμοῖς (vgl. IKor 3» nach Ps 9411) ausdrücklich, 
dass sie in ıhren Gedanken vereitelt, d. h. jedes rechten In- 
halts entleert wurden. Nicht bloss, weil die Vorstellungen, 
Begriffe und Reflexionen, welche sie sich über die Gottheit 
bildeten, des der Wahrheit entsprechenden (ehaltes baar uud 
ledig waren (Meyer, vgl. Sand.), sondern weil sie ihre Ge- 
danken überhaupt nicht mehr auf den höchsten Gegenstand 
alles Denkens richteten, sondern auf das Eitle, Nichtige (die 
irdischen Dinge). — καὶ ἐσχοτέσϑη), im AT nur eigentlich 
ebraucht. Vgl. Eph 4185. Weil nur die Gotteserkenntniss 
em Menschen auch das rechte Licht über alles Andere zu 
geben vermag, so musste sein Inneres durch die Entleerung 
von diesem höchsten Inhalt aller Erkenntniss nothwendig ver- 
finstert werden. Das Innerste des Menschen aber ist die 
καρδία, welche als der Sitz der gesamten geistigen Lebens- 
thätigkeit des Menschen (vgl. Weiss, Lehrb. der Thheol. des 
NT ὃ 27, d) auch der Sitz des vois, d. ἢ. der Vernunft ist, 
die den Menschen für das Göttliche empfänglich macht (V. 20). 
Je mehr nun das menschliche Geistesleben sich der Beschäfti- 

g mit dem Göttlichen entwöhnt, umsomehr verliert es die 
Empfänglichkeit und Fähigkeit zum Verständniss desselben 





4) Offenbar falsch lösen Flatt, Niels. das γνόντες auf durch: cum 
agnoscere potuissent (vgl. schon Oecum.), da sie nach dem Vorigen 
ja eine wirkliche Gotteserkenntniss hatten. Desbalb braucht man 
aber nicht zu übersetzen: obgleich sie Gott erkannt hatten (Meyer, 
de W., Hofm., Beck), da gerade hervorgehoben werden soll, dass 

leichzeitig mit ihrem Gotterkennen ein demselben widersprechendes 
Verhalten eintrat (Phil., v. Heng.) Dass sie jene Gotteserkenntniss 
verloren (Luth.), war die Folge davon, ist aber hier nicht ausgedrückt 
(vgl. Lips.).. Das ws ist natürlich nicht komparativ, sondern bezeichnet 
die Art, wie man (iott preist (vgl zu Joh 114). Dass das ἤ hervor- 
hebt, wie die dankbare Anerkennung seiner Wohlthaten noch leichter 
gewesen wäre als der Preis seiner Erhabenheit (Beng.: aut saltem, 
vgl. God., Beck., Luth.), erhellt nicht. 


6* 





84 Röm 1gı. 22. 


und wird ἀσύνετος (Ps 766. Sap 16. 1116. JSir 157). Zu 
dem so verständnissunfähig (unverständig) gewordenen Herzen 
hat das Licht der Gottesoffenbarung keinen Zutritt mehr, und 
so wird es verfinstert*).. Uebrigens scheinen die Passiva ab- 
sichtlich anzudeuten, dass schon diese Vereitelung und Ver- 
finsterung wie ein Strafverhängniss auf ihre Unterlassung des 
Lobens und Dankens folgten. Vgl. God. Blbtr. 


V. 22f. Das Asyndeton zeigt, dass ein Neues beginnt, 
und der Satz nicht mehr von διότι V. 21 (Glöckl., Ew., 
Volkm., Böhmer) abhängig ist. — φάσκοντες) dictitantes, 
vgl. Dem. Phil. 1, 46. 3, 9. Herodian. 3, 12, 9, steht von un- 
gegründeten, dünkelhaften Behauptungen. Ihr falscher Weis- 
heitsdünkel war aber nicht die Ursache (Meyer), sondern die 
unmittelbare Folge (Otto) des V. 21 Gesagten, dessen Resultat 
nur in diesem Vordersatz aufgenommen wird, um die Dar- 
stellung weiterzuführen. Denn während die wahre Weisheit, 
die aus göttlicher Offenbarung stammt, sich demüthig ihres 
Ursprungs bewusst bleibt, stellt, gerade wo der rechte Wahr- 
heitsgehalt fehlt, der Dünkel auf die selbst erfandene Weisheit 
sich ein. Dieser erweist sich aber dadurch als ein falscher, 
dass die Entleerung von allem wahren Gedankeninhalt und 
die Verfinsterung des gesammten geistigen Lebens das gerade 
Gegentheil von aller Weisheit ist. Diese Aussage zielt aller- 
dings nicht speziell auf die heidnischen Philosophen, doch 
sind dieselben auch schwerlich von diesem Urtheil auszu- 
schliessen, weil bei ihnen nicht die V. 23 erwähnte Folge ein- 
getreten sei (gegen Calv., de W., Meyer). Der grelle Wider- 
spruch aber, in welchem ihr Vorgehen mit ihrem faktischen 

ustande stand, ist es, wodurch sie zu Thoren gemacht wur- 
den (ἐμωράνϑησαν, vgl. Jes 19:1. Jer 101). In dieser 
Selbstverblendung aber, mit der ihre Thorheit begann, mussten 
sie in immer neue Thorheiten gerathen. und der Gipfelpunkt 


Ἢ Es kann darum ἀσύνετος nicht proleptisch gefasst werden; 
denn nicht durch die Verfinsterung ist ihr Herz ἀσύνετος geworden, 
sondern in Folge des ἐμασαιώϑησαν. Gewiss wird diese Verständniss- 
unfähigkeit (Luth.), wie jene Verfinsterung (God., Beck.) auch eine 
Einwirkung auf das ethische Verhalten des Menschen haben; aber 
diese liegt im "Ausdruck und Zusammenhange nicht angedeutet. Ganz 
willkürlich Lips.: Unverständig war ihr Herz, sofern sie Gott die 
ihm gebührende Ehre wider besseres Wissen entzogen, verfinstert 
aber wurde dasselbe, indem sie garnicht mehr erkannten, wie unver- 
ständig sie handelten. Ueber das Verhältniss dieser ganzen Schil- 
derung der heidnischen Unsittlichkeit zu Sap 11ls0ff. 13—1B. νεῖ. 
Nitzsch in d. Deutsch. Zeitschr. 1850. p. 387. Bieek in d. S 
1853. p. 340f. 


Röm 123. 85 


derselben war ihr Versinken in den Götzendienst*). — V. 23. 
χαὶ ἡλλαξαν τὴν δόξαν τοῦ ἀφϑάρτου ϑεοῦ) Besassen 
die Heiden auf Grund der Naturoffenbarung die Gottes- 
erkenntniss (V. 21), so war ihnen in derselben die Majestät 
des über alles Kreatürliche erhabenen Gottes, welche schon 
das AT als die ‘= "ia>, die Herrlichkeit Jehova’s, bezeich- 
net, offenbar. Ausdrücklich wird derselbe mit Beziehung auf 
den Gegensatz, den der Apostel bereits im Auge hat, als der 
unvergängliche (vgl. Sap. 12:1. 184) bezeichnet. Aber statt 
seine Herrlichkeit durch ihr δοξάζειν zum Gegenstande ihrer 
Verehrung zu machen, vertauschten sie dieselbe mit einem 
anderen Gegenstande ihrer Verehrung (ἀλλάσσειν, wie JSir 7 18. 
Jer 211), machten sie Anderes dazu. Offenbar schwebt dem 
Apostel die Stelle Ps 106%» vor: ἠλλάξαντο τὴν δόξαν αὐτῶν 
ἐν ὁμοιώματι μόσχου. Daher das ἐν an Stelle des instrumen- 
talen Dativ (Herod. 7,152. Soph. Niob. fr. 400) zur Bezeich- 
nung dessen, womit sie den Umtausch vollzogen. Es ist aber 
hier keineswegs von blossem Bilderdienst die Rede (vgl. Hofm., 
Klosterm., Beck., Böhmer, Zimmer). Denn Paulus sagt eben 
nicht, dass sie die Herrlichkeit Gottes in ein Bild gefasst 
hätten, sondern, dass sie dieselbe mit einer Gleichgestalt 
eines Menschen- oder Thierbildes vertauscht haben (ἐν ὁ uoıw- 
ματι eixovoc). Sie hatten also das Wahngebilde, das sie 
anstatt der Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes verehrten, 
solchen Bildern gleichgestaltet.e Wenn sie ihre Götter durch 
diese Bilder darstellen wollten, so musste doch das Wahn- 
gebilde, das sie sich von ihren (iöttern gemacht hatten, irgend- 
wie dem in ihnen Abgebildeten gleichgestaltet sein; sonst 
hätten sie es ja nicht in ihnen abbilden können**). Paulus 


*, Allerdings erscheint diese Thorheit hier als selbstverschuldete, 
da ja V. 24ff. die göttliche Strafe dafür beschrieben wird (Meyer), 
und es ist willkürlich, aus der doch wesentlich anderen Stelle IKor 
120 ein dirigente deo einzutragen (Grot.); allein wie schon die Passiva 
in V. 21 eine von ihnen nicht beabsichtigte Folge ihrer Ursünde be- 
zeichnen, so tritt es hier noch stärker hervor in dem passiven Aus- 
druck, dass ihr sträflishes Thun immer zugleich in ein Erleiden über- 

ing (vgl. Bibtr. p. 54), dass diese thörichte Afterweisheit zugleich 
huld und Strafe war, indem sich die Ursünde ihres Abfalle von 
Gott durch Versinken in immer neue Sünde und Thorheit strafte. 
Daher ist es entschieden falsch, zu übersetzen: sie haben sich als 
Thoren gezeigt (Kölin., B.-Crus.), und zu schwach: sie wurden dumm, 
verdummten (Meyer). Ganz verfehlt Klosterm.: Solche, welche prahlten 
weise zu sein, verfielen in Narrheit. Otto lässt hier erst die Indivi- 
dualisirung der Darstellung mit Bezug auf die Heiden beginnen. 

ἢ Zu ὑμοέωμα im Sinne von Gleichgestalt vgl. ISam 65. 

IIReg 1610. Jes 4018. JSir 3828. Plat. Phaedr. p.250A. Parm.p. 132 ὃ. 





86 Röm 123. 34. 


denkt also nicht daran, dass sie die Götzenbilder selbst für 
Gottheiten hielten; aber er sieht auch die Thorheit des Götzen- 
dienstes nicht nur darin, dass sie sich Bilder von der Gottheit 
machten, sondern, dass sie sich solche Bilder machten, welche 
zeigen, dass sie die Gottheit für etwas den im Bilde darge- 
stellten vergänglichen Naturwesen Aehnliches hielten. Wenn 
daher Paulus nun die einzelnen Wesen aufzählt, deren Bilder 
zeigen, dass sie die Gottheit ihnen ähnlich dachten, so betont 
er durch die Voranstellung des φϑαρτοῦ (vgl. IIlMak 7ıe. 
Sap. 9ı5. 148), wie selbst das Höchste derselben, der Mensch, 
dessen Bild die Hellenischen Götterstatuen trugen, so tief 
unter der Herrlichkeit des ἀφϑαρτος ϑεός stehe. Bei den 
Vögeln und vierfüssigen und kriechenden Thieren (vgl. Gen 
126. Job 127) denkt er wohl an den Aegyptischen Thier- 
(Ibis-, Apis-, Schlangen-) Dienst. Philo Leg. ad Caj. p. 566. 
570. Zur Sache vgl. noch Dtn 4ıs—ıs. 

V. 24-32. Das göttliche Zorngericht über das 
Heidenthum. — V. 245). dıo) vgl. Ps 116w. Mt 978. 
Deshalb (zur strafenden Vergeltung für ihren Abfall) gab sie 
Gott in den Gelüsten ihrer Herzen dahin in Unreinigkeit. 
Das πταρέδωκεν (vgl. Jes 538. 15. Prv 3010) drückt die wirk- 
liche aktive Preisgebung von Seiten Gottes aus und ist nicht, 
wie seit Orig. u. Chrys. so oft rationalisirt wird, durch Ver- 
tauschung mit εἴασε in eine passive Zulassung der Folgen des 
Abfalls zu verwandeln. Hat Gott geordnet, dass der Mensch 
durch Abfall von ihm in sittliche Unreinigkeit gerathe, dass 


Es ist nicht bloss Aehnlichkeit (Phil.: die Aehnlichkeit, die im Bilde 
sich findet; de W.: mit dem ähnlichen Bilde, vgl. Beck), sondern be- 
zeichnet ein Gleichgemachtes und darum etwas, das dem im Genitiv 
Genannten gleicht. Vgl. roch Holst., z. Ev. des Paul. u. Petr. p.440, 
Pfleid. in Hilg. Zeitschr. p. 523f. Mit ὁμοίωμα kann unmöglich bloss 
solches gemeint sein, was wie ein Bild etc. gestaltet war (Meyer), 
oder ein Gleichniss, welches in einem Bilde etc. bestand (Hofm.), da 
dann entweder der Begrifl' des εἰχών oder der des ὁμοέωμα schlechthin 
überflüssig ist. Wenn God. sagt, ὁμοέωμα beziehe sich auf das ma- 
terielle Bild, εἰχών auf das dem Geiste des Künstlers vorschwebende 
Ideal, so hat er die Sache nur umgekehrt, da eben das Menschen- 
oder Thierbild es ist, dem das Gottheitsideal ähnlich gemacht ist, 
wenn es dadurch abgebildet werden sollte. Vgl. Weiss, bibl. Theol. 
8 69, 2. Anm. Ganz sprachwidrig nimmt Otto das ἐν ὁμοιώματε im 
Sinne von: indem sie ihn darstellten nnter dem Bilde u. 8. w. Die 
Genitive nach εἰχόνος gehören natürlich zu diesem Wort und nicht zu 
ὁμοιώματε (v. Heng.). 

*») V. 24. Das xas nach dio (Rept. Meyer nach DEGKLP it.) ist 
zur Verstärkung zugesetzt. Nach Meyer ist die Reflexion in ἐν αὐτοῖς 
NABCD) vernachlässigt, aber das ἐν eavross (Ropt.) ist nach V. 27 
konformirt, wo aus gleichem Grunde ΒΚ εν αὐτοῖς (WH.: αὑτοῖς) haben. 


Röm 12. 87 


also Sünde durch Sünde gestraft werde, so kann diese Ord- 
nung nur durch die bewirkende Thätigkeit ihres Urhebers in 
Wirklichkeit treten; sein Zorngericht v 18 offenbart sich eben 
darin, dass sich jener moralische Zusammenhang faktisch voll- 
Ζι οὶ. Das ἐν — worin befangen, d. i. in welcher sitt- 
lichen Verfassung befindlich sie von Gott der Unreinigkeit 
Daßekeben wurden. Die instrumentale Fassung (Erasm., 
Glöckl., Krehl) ist ganz un nd; denn die ἐσπεεϑυμίαι 
τῶν καρδιῶν αὐτῶν, ἃ. h. die auf das Weltliche und 
Sündliche gerichteten re sind ja nur die praktische 
Kehrseite des V. 21 geschilderten Abfalls von Gott und der 
Abwendung des intellektuellen Lebens von ihm, sofern das 
nicht mehr auf ihn gerichtete Verlangen sich dem Weltlichen 
und Sündlichen zuwenden muss. — εἰς ἀκαϑαρσίαν) vgl. 
Ez 363.2. 3924; bezeichnet zunächst nur ganz allgemein die 
Sünde als Unreinigkeit, welche den Menschen befleckt (619), 
was allerdings vorzugsweise von den Wollustsünden gilt (II Kor 
122. Gal 51). Die nähere Beziehung auf sie ergiebt erst 
der Gen. des Inf. (vgl. zu Mt 2:5), welcher die Absicht aus- 
drückt (τοῦ arıualsodaı, vgl. JSir 8.4.6. 102): damit ent- 
ehrt würden (Rück., Phil., v. Heng., Hofm., Volkm., God., 
Beck., Luth., Lips.) ihre Leiber an ihnen (ἐν αὐτοῖς). Da 
ἀκαθαρσία ein dem Apostel geläufiger Begriff ist, welcher 
keiner Erklärung bedarf, da der Artikel fehlt, welcher allein 
darauf hinweisen könnte, dass das Wort noch eine nähere 


*, Vgl. Pirke Aboth. c. 4: »Festina ad praeceptum leve tanguam 
ad grave, et fuge transgressionem; praeceptum enim trahit praecep- 
tum, et transgressio transgressionem: quia merces praecepti prascep- 
tum est, et transgressionis transgressio«. Ganz willkürlich behauptet 
Reiche, Paulus bediene sich mit mehr oder weniger Bewusstsein des 
Irrigen dieser jüdischen Ansicht, während Kölln., Frtzsch. wenigstens 
die jüdische Form des Gedankens von der christlichen Wahrheit ab- 
lösen wollen. Natürlich bleibt der Mensch auch für die neue Sünde, 
in die er durch das göttliche Zorngericht dahingegeben wird, verant- 
wortlich (V. 32. 26. 35), sofern Gott ja zuletzt nur das psychologische 
Entwicklungsgesetz geordnet hat, wonach der sich der Sünde ergebende 
Mensch sich selbst der in die tiefsten Greuel hinabführenden Herr- 
schaft derselben preisgiebt (Eph 419), und dies zen Zornver- 
hängniss ist zugleich doch eine Offenbarung der heiligen Liebe Gottes, 
welcbe den Sünder, indem sie ihn alle Konsequenzen seiner Sünde 
erfahren lässt, zur Busse führt (718). Es genügt daher auch nicht die 
durch Augustin. und Oecum. gangbar gewordene privative Fassung 
(vgl. Rück., Phil., God.), wonach Gott seine Hand abzieht oder seinen 
Geist zurückweichen lässt, da dieselbe doch im Grunde identisch ist 
mit der permissiven Fassung. Höchstens könnte man mit Meyer 
sagen, dass das Zurückweichen, durch welches der Mensch von Gott 
im Stiche gelassen wird, dem παρέϑωχεν vorangeht (JSir 419). 


88 Röm 134. 25. 


Bestimmung empfangen soll, und da das passivische azıua- 
ζεσϑαι, dessen medialer Gebrauch (God.) nicht nachweislich 
ist, dazu auch wenig geeignet wäre, so kann τοῦ ἀτιμάζεσϑαι 
nicht näher bestimmender Gen. von ἀχαϑαρσία sein und die 
Unreinigkeit des Geschändetwerdens (welche darin bestand) 
bezeichnen (Frtzsch., Thol., de W., Meyer, vgl. Win. u. Buttm. 
.230f.)*). Das Eigenthümliche der Unzuchtsünden ist, dass 
der Mensch durch sie seinen Leib der Schande preisgiebt. 
Die Unzuchtlaster, die übrigens hier noch ganz allgemein, 
nicht schon speziell als unnatürliche, nach ihrem schandbaren 
Wesen, in welchen Formen sie auch geübt werden mögen, 
gemeint sind, betrachtet Paulus neben der zAeoveäi« überall 
als spezifisch heidnische (IKor di). In der That mussten 
die vielfach unsittlichen Mythen und Kulte des Heidenthums 
dazu beitragen, die Sinnlichkeit zu beschönigen und aufzu- 
stacheln. 

V. 25. οἵτινες) quippe qui, als welche, knüpft an αὐτοῖς 
an und charakterisirt die isgegebenen von der Seite her, 
nach welcher ihre Preisgabe zugleich motivirt erscheint, sofern 
die Kongruenz ihrer Strafe mit ihrer Schuld hervorgehoben 
wird **). — μετήλλαξαν) vgl. Est 2». Cod. Vat. Das Com- 


*) Zu speziell nimmt Meyer ἀχαϑαρσ. von wollüstiger Unflätherei, 
Lips. von widernatürlichen Wollustsüänden, mit willkürlicher Näher- 
bestimmung Hofm. von allem die geschöpfliche Ehre des Menschen 
schändendem Thun und Wesen. Otto löst den Gen. des Inf. durch 
ὥστε auf: so dass ihre Leiber entehrt werden durch sie selbst. Das 
allein richtige ἐν αὐτοῖς ist nicht auf τὰ σώματα zu beziehen (Hofm.), 
da es dieselbe Beziehung haben muss, wie das αὐτῶν (Luth.) Ganz 
verkehrt will es Meyer nehmen: unter ihnen, in ihrer Verkehrs- 
gemeinschaft. Er selbst liest ἐν ἑαυτοῖς und nimmt dies im Sinne 
von ἐν ἀλλήλοις, so dass dadurch nur stärker ausgedrückt wäre, wie 
einer dem Anderen gegenseitig die Entehrung des Leibes anthut 
(Kühner ad Xen. Mem. 2, 6, 20). Aber nach Paulinischer Anschauung 
ist die Unzucht eine Sünde wider den eigenen Leib (IKor 6 18). 
Gekünstelt ist es, diese Entehrung der Leiber in einen Gegensatz zu 
stellen zu der Verehrung menschlicher Leiber in den Götterbildern 
(Böhmer), da V. 23 ja keineswegs bloss von der Verehrung mensch- 
licher Leiber die Rede war. Anders erküusteln eine Analogie von 
Schuld und Strafe Mehr., Otto. 

**) Da die Letztere V. 22. eben noch nicht als frevelhafte 
Schändung der Ehre Gottes, sondern als Gipfelpunkt der Thorheit 
dargestellt war, so fällt jeder Grund weg, um deswillen man ange- 
nommen hat, dass hier ein neuer Satz beginnen müsse. Hofm. lässt 
deshalb bei οἴτενες einen relativischen Vordersatz anheben, dessen 
Nachsatz in V. 26 folge. Da dies wegen des in ein stets den Satz 
beendendes ἀμήν (95. 1136. Gal 15) auslaufenden Lobpreises in V.25, 
wie wegen des ausrors ganz unmöglich ist, beginnt Klosterm. den 
Nachsatz schon mit ἐν τῷ weude: (p. 38f.), während Blbtr. einfach 


Röm 13. 89 


pos. ist bezeichnender als ἤλλαξαν V. 23: sie tauschten um 
die Wahrheit Gottes. Das τὴν ἀλήϑειαν τοῦ ϑεοῦ kann 
nur dem Ausdruck τὴν δόξαν τοῦ ϑεοῦ V. 23 entspre- 
chend gefasst werden, so dass τοῦ Jeov Gienit. subj. ist: die 
Wahrheit Gottes, das wahre Wesen Gottes, welches eben in 
seiner δόξα besteht. Dem entspricht dann, womit sie dies 
wahre Wesen vertauschten (ἐν, wie V. 23), nämlich die Wahn- 
gebilde, welche nach V. 23 lügenhafter Weise (weil trotz bes- 
serer Erkenntniss, vgl. V. 190) für Götter ausgegeben werden 
und so die Negation der Wahrheit Gottes in concreto sind 
(to ψεύδει, vgl. Jes 4420. Jer 31. 132. Philo Vit. Mos. 
p- 678 C. p. 679 A)*). — καὶ ἐσεβάσϑησαν καὶ Elarpev- 
σαν) fügt einfach an, worin diese Verkehrung zum Ausdruck 
kam, nämlich in der göttlichen Verehrung een g0t: nicht 
in den LXX, doch Aquil. Hos. 20, 5, vgl. Orph. Arg. 550) 
und dem Kultus (vgl. zu 1,9), den sie der Kreatur (τῇ «ri- 
osı, im Unterschiede von 1%», metaphorisch von dem Ge- 
schaffenen, vgl. Sap. 5ır. 162) widmeten. Der Dativ entspricht 
dem nächststehenden Verbum, so dass bei &osß. der Akkus. 
hinzuzudenken ist. Das Heidenthum ist seinem Wesen nach 
Kreaturvergötterung, wie schon V. 23 dadurch angedeutet war, 
dass sie die Herrlichkeit Gottes vertauschten mit einem Wahn- 
gebilde, das den Bildern geschöpflicher Wesen gleichgestaltet 
war, so dass hier keineswegs von etwas Anderem die Rede 
ist (s. ἃ. Anm. **) auf S. 88), am wenigsten von Pantheismus 
(Beck p. 143). Es wird vielmehr nur der Götzendienst als 
eine Entehrung Gottes (dessen Verehrung sie auf die Kreatur 
übertrugen) dargestellt, so dass sie zur Strafe dafür mit Recht. 


das οἵτενες als »ein relativisch angeschlossenes Demonstrativum fasst, 
dessen -tıves die Engigkeit des Anschlusses der neuen Aussage an die 
vorausgegangene zu betonen dient« (p. 52f.). Der Sache nach thut 
dies auch Beck mit Verweisung auf Hartung II, μ.. 185 und übersetzt: 
als solche haben sie dann weiter u. s. w. Alle diese Künsteleien 
sind hervorgerufen durch die Voraussetzung, dass V. 25 eine noch 
weitergehende Verirrung als V. 23 geschildert sein müsse. 


ἢ Die ἀλήϑεια τοῦ ϑεοῦ ist also zwar dem wirklichen Sinne nach, 
aber nicht der Form der Vorstellung nach identisch mit: »wahrer 
Gott« (Luth. u. ἃ. Meisten, auch Rück., de W., Thol., Frtzsch., Phil., 
v. Heng., God., Beck). Andere denken an die von Gott den Heiden 
eoffenbarte Wahrbeit (Wolf, Kölln., Lips.) oder, indem sie ϑεοῦ als 
Genit. obj. nehmen, an die wahre Gotteserkenntniss (Par., Est., Reiche, 
vgl. Glöckl., Otto). Gegen diese Fassungen ist die genaue Parallele, 
in welcher V. 25 mit V. 28 steht; dass die Wahrheit Gottes, welche 
sie mit etwas Anderem vertauschten, eine ihnen offenbar gewordene 
war, er im Zusammenhang, aber nicht im Ausdruck. Ganz falsch 
Hofm.: Die Wahrheit, welche Gott selbst ist. 





90 Röm 136. 36. 


selbst Entehrung (V. 24) traf. — παρὰ τὸν χτίσαντα) vgl. 
Dtn 452. Ps 898,48. Jes 457f.e Die Präposition zaga be- 
zeichnet eig.: im Vergleich mit dem Schöpfer (Win. $ 49, g); 
und nur aus dem Zusammenhange erhellt, dass es sich nicht 
nur um die Bevorzugung des einen Theils gegen den anderen 
handelt (Vulg., Erasm., Luth., Grot., Rück. u. M.: mehr als 
den Schöpfer), sondern dass die Verehrung des Letzteren 
änzlich ausgeschlossen ist (Win.: mit Uebergehung des Schöpfers). 
Denn die Heiden hatten ja den Schöpfer gar nicht verehrt, 
sondern den wahren Gott mit den Götzen vertauscht und so 
das Geschöpf verehrt statt des Schöpfers, den sie hätten ver- 
ehren sollen. So mit Recht die Meisten ἢ). — ὃς ἐστιν ev- 
Aoynros) vgl. Gen 9%. Dan 828, welcher gepriesen ist in 
Ewigkeit! Amen — natürlicher Erguss der erregten Pietät, 
welchen der verabscheute Kontrast der eben geschilderten 
Heidengräuel hervortreibt. Der Plur. eig τοὺς αἰῶνας, d.h. 
bis in die Weltzeiten hin, so viele ihrer irgend nachfolgen 
möchten, ist neutestamentlich. 

V. 26f. διὰ τοῦτο) vgl. Mt 6%, einen selbständigen 
Satz anhebend, bezieht sich auf die V. 25 enthaltene Schilde- 
rung. Da diese aber bereits den V. 24 motivirte, so kehrt 
der Gedanke im Wesentlichen zu V. 24 zurück; und in der 
That folgt nur der tiefste Greuel der Unreinigkeit, in die sie 
Gott dahingab, und damit der Gipfelpunkt der Entehrung, die 
ihnen widerfuhr, geschildert in den widernatürlichen 
Wollustlastern, um nun zu zeigen, wie die Unnatur auf 
religiösem Gebiete, auf welchem sie das Geschöpf mit dem 
Schöpfer vertauschten, sich bestrafte durch die Unnatur auf 
sittlichem Gebiet, auf dem sie die natürliche Befriedigung des 
Geschlechtstriebes mit der widernatürlichen vertauschten. — 
εἰς πάϑη ἀτιμίας) Genit. qualitatis, wie 1.4, nicht Bezeich- 
nung des Gegenstandes der ‚za (Beck). Eine Steigerung 
im Vergleich mit V. 24 liegt schon in dem 7εάϑη (Xenoph. 
Cyrop. 5, 5, 10. Memor. 3, 10, 8), wodurch die unreine Be- 


Ἢ Das contra creatorem (Koppe, Flatt, Frtzech., Mehr.) wäre 
ebenfalls auf den Sinn der Vergleichung zurückzuführen (s. ἃ. Stellen 
aus Plato b. Ast. Lex. III. p. 28), hat jedoch gegen sich, dass Paulus 
im ganzen Kontexte die Sache unter den Gesichtspunkt. einer Ver- 
tauschung des Wahren mit dem Falschen, nicht der Befeindung des 
Wabren, stellt. Lips. (praeter creatorem: statt des Schöpfers) polemi- 
sirt gegen die richtige Auffassung, die er fälschlich mit der von Rück. 
identifizirt. — Zum Folgenden bemerke, dass εὐλογητός nicht cele- 
brandus (Frtzsch., Rück.) beisst. In dem Lobpreis sucht Koppe be- 
sondere Absichtlichkeit: ne ipse in meajestatem divinam injurius videri 
possit, vgl. Tbol. 


Röm 146. 21. 91 


gierde als Leidenschaft dargestellt wird, welche den Menschen 
zum willenlosen Knechte macht und in einen leidentlichen 
Zustand versetzt. - Schon den Leidenschaften als solchen eignet 
die ἀτιμία, sofern es für den Menschen entehrend ist, von den 
Begierden beherrscht zu werden, statt sie zu beherrschen. 
Allein der Begründungssatz zeigt, dass Paulus hier bereits 
solche schandbare Leidenschaften im Auge hat, welche durch 
Verkehrung „der geschöpflichen Ordnung seiner Natur, auf 
welcher die Ehre desselben beruht,« (Hofm.) den Menschen 
entwürdigen. — Ueber τὲ γάρ, namque, denn — ja 8. Herm. 
ad Soph. Trach. 1015. otz ad Devar. p. 149}. — Die 
Ausdrücke InAsıaı, wie V. 27 ἄρσενες, ihre Weiblichen 
und ihre Männlichen (vgl. unser: Weibebilder und Manns- 
bilder), nicht γυναῖχες und ἄνδρες, welche Ausdrücke auf das 
sittliche Verhältniss der Ehe hindeuten, sind gewählt, weil 
lediglich der Gesichtspunkt des Geschlechtlichen obwaltet (vgl. 
Gen 1x. 72. Hom.Il.8,7). Bem., wie das Laster der Weiber 
vorangestellt ist, weil bei dem von Natur schamhafteren Ge- 
schlecht die Unnatur sich in der grellsten Weise zeigt, wie 
dasselbe aber mit zarter Enthaltung nur kurz angedeutet ist. 
Sie verwandelten den natürlichen Gebrauch (scil. ihres Ge- 
schlechtes durch den Mann in der Beiwohnung) in den wider- 
natürlichen (durch Weiber selbst)*). — V. 27. ὁμοίως δὲ 
xat) vgl. Ez l4ıo. Prv 127, steht nicht eigentlich anakolutisch 
(so gew.), da bei τὲ γὰρ das τά nicht correspondirend gesetzt 
sein muss. Ebenso aber auch sind die Männer, verlassend 
(ἀφέντες, vgl. Mt 4::. 20. 2) den natürlichen Gebrauch des 
Weibes, gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde. Das 
Comp. ἐξεκαύϑησαν ist noch stärker als das Simplex (vgl. 
Alciphr. 3, 67: ἐξεχαύϑην eig ἔρωτα) und bezeichnet nicht die 
dem Unzuchtsakte vorangehende, sondern die bei diesem selbst 
entflammte Brunst, da ja das diesem Akte vorangehende eben 
die oge&ıc ist (vgl. JSir 18:29. Herod. 3,13, 14. 6, 1, 12)**). — 


.-.-..-ὄ.Ψ.... nn 


ἢ Zu χρῆσες vom Gebrauche zur Beiwohnung vgl. Plat. placit. 
5, 5. Ocellus Luc. ce. 4. p. 534. Corai ad Heliodor. Aeg. p. 81. Wie 
sehr bei den Heiden (auch bei den Juden fand es sich, 8. Schöttg. 
Hor. z. St.) das sogenannte Lesbische Laster (Lucian. D. Mer. 5, 2). 
da Weiber mit Weibern ihr Geschlecht missbrauchten (tribades, bei 
Tertull. frictrices), im Schwange war, 8. Ὁ. Salmas. foen. Trapez. 
p. 143f. 152f. Intpp. ad. Ael. V. H. 3, 12. Vgl. die ἑταιρέστριαχε Ὁ. 
Plat. Symp. p. 191E. u. d. ἀσέλγεια τριβαχή Ὁ. Luc. Amor. 28 und 
überh. Rosenbaum, Gesch. d. Lustseuche im Alterth. ed. 2. 1845. 

**) Lips. fasst das ἐξεχαύϑησαν passivisch (sie wurden aneinander 
erhitzt), was sehr unnatürlich. Der Uebergang zum männlichen Laster 
ist keineswegs steigernd (Hofm.: weil dasselbe stärker den Fort- 





92 Röm 137. 28. 


ἄρσενες ἐν ἄρσεσι etc.) indem sie, Männer an Männern, 
die Schande (τὴν ἀσχημοσύνην, JSir 301, vgl. Gen 347) 
vollführten. Der Artikel weist nach Frtzsch., de W., Luth., 
Lips. auf die bekannte, nach Rück., Meyer auf die nach V. 26 
bewusste, richtiger wohl auf die in der ersten Vershälfte an- 
gedeutete »wollüstige Ungebühr« (Hofm., der aber kontext- 
widrig hinzusetzt: mit der sie sonst Frauen schänden würden). 
Zu der emphatischen Zusammenstellung ἄρσ. ἐν ἄρσ. vgl. 
überh. Lobeck ad Aj. 522 und insbesondere Porphyr. de 
abstin. 4, 20. Das Comp. xareoyaleosaı, welches vom 
Bösen (23. 78. 1517f.) und Guten (53. 15:18. Phl 212) gebraucht 
wird, drückt, im Unterschiede vom Simpl., immer das zu Stande 
bringen, das Vollführen aus. — xai τὴν ἀντιμισϑίαν etc) 
und den entsprechenden Lohn, den sie (nach der göttlichen 
Strafgerechtigkeit, nicht: nach dem natürlichen Zusammenhang 
von Ursache und Wirkung, Otto) nothwendig empfangen 
mussten (ἣν ἔδει, sc. ἀπολαμβάνεσϑαι), für ihre Verirrung 
(τῆς πλάνης αὐτῶν, vgl. Ez 3310. Sap 112) dahinnahmen 
(ἀπολαμβάνοντες, vel. Num 3414). Die Verirrung, welche 
Paulus meint, ist nach V. 21—23. 25 die Abirrung von Gott 
zu den Götzen. — ἐν ἑαυτοῖς) an ihren eigenen Personen, 
deren Leiber nach V. 24 geschändet wurden *). 

V. 28. «ai) führt zu einem neuen Moment der Offen- 
barung des göttlichen Zorngerichts V. 18 über, nämlich zur 





bestand des Menschengeschlechts gefährdet). Tisch., WH., Treg. txt. 
lesen mit der Rcpt. nach NBEKL re statt de, das aber der Konfor- 
mation nach V. 26 sehr verdächtig ist. Mit Recht haben Meyer, 
Lchm., WH., Treg. die im NT durchgängige Form agoeves beibehalten, 
während Tisch. nach NA, denen die beiden ersten Male C und das 
erste Mal ELP folgen, «ogeves schreibt. 

Ὁ Meyer nimmt es auch hier gleich ἐν ἀλλήλοις : an sich wechsel- 
seitig. Hofm. (vgl. Bibtr. ᾿ 56f., Otto) denkt bei der πλάνη an die 
in der geschlechtlichen Verkebrung der göttlichen Ordnung ent- 
haltene; aber diese fällt ja nach V. 24 gerade unter den Gesichts- 
punkt der strafenden Vergeltung für die πλάνη. Als den Gegenlohn 
der letzteren muss man dann betrachten, dass den Männern »von 
ihres Gleichen geschieht, was sie an ihres Gleichen thun«, oder dass 
sie in ihrer Person ibr Geschlecht entehren (Otto), was bier obnehin 
viel zu schwach ist und offenbar dem Kontext widerspricht, in welchem 
die tiefe Entwürdigung, welche diese widernatürlichen Wollustlaster 
berbeiführten, als die äquivalente Vergeltung für ibre widernatürliche 
Entehrung Gottes betrachtet ist. Vgl. dagegen Luth., Goeb., Lips. 
Zu ἀντιμισϑίέα vgl. 11Kor 618. Clem. Cor. II, 1. Es findet sich 
weder bei Griechen, welche das Adject. ἀντέμισϑος haben (Aesch. 
Suppl. 273), noch bei d. LXX u. Apokr. Eine Menge Belege dazu, 
wie gemein bei den Heiden, besonders Hellenen, die (den Juden Lev 
1822 verbotene) Unzucht zwischen Männern war, besouders Päderastie, 





Röm 12. 9 


völligen Verdunkelung des sittlichen Bewusstseins ἢ). 
Nochmals hebt der Apostel hervor, wie dieses Gottesgericht 
genau der Art ihrer Versündigung entsprach (χαϑώς, vgl. 
118. 17). Er charakterisirt dieselbe darum jetzt als Mangel an 
Werthschätzung des Erkenntnissbesitzes, den sie durch die 
Naturoffenbarung empfangen hatten (V. 19). In οὐχ ἐδο- 
κίμασαν geht die ursprüngliche Bedeutung des Wortes: 
rüfen über in den Sinn von: würdigen, werthschätzen (ITh 

4), sofern es eine mangelhafte Prüfung einer Sache ist, wenn 
man sie nicht nach ihrem wahren Werthe würdigt. Bei dem 
τὸν ϑεὸν ἔχειν ἐν ἐπειγνώσει liegt, wie schon die Wort- 
stellung zeigt, der Nachdruck nicht auf dem ἔχδβιν, als handle 
es sich um das dauernde Festhalten des Erkenntnissbesitzes 
(Frtzsch. u. A., vgl. noch Otto), sondern um einen Besitz, der 
mehr ist, als das von ihnen V.21 ausgesagte γνῶναι τὸν Febr. 
Während in den LXX ἐσείγνωσις noch reines Synonymon 
von γνῶσις ist (Hos 46, vgl. 41. 66), hat Paulus das Comp. 
unzweifelhaft als Steigerung des Simpl. gebraucht (IKor 13 12); 
‘daher falsch Lips.: im Bewusstsein. Es ist aber ganz will- 
kürlich, in das Comp. eine Reflexion auf eine die Erkenntniss 
begleitende Willensrichtung (Hofm.) oder auf eine derselben 
folgende Wirkung (Cremer, Wörterbuch p. 228, vgl. Otto) ein- 
zutragen, während es lediglich eine eindringende und darum 
der Wirklichkeit voll entsprechende Erkenntniss bezeichnet. 
In einer solchen hätten sie Gott besitzen können, wenn sie 
es der Mühe werth geachtet hätten, in die ihnen verliehene 
Erkenntniss tiefer einzudringen, und nicht die Entwickelung 
der Wahrheit in ihnen ἐν ἀδικίᾳ gehemmt (V. 18) und so 
auch das verloren hätten, was sıe besassen (V. 21). Dem 
entsprach nun, dass Gott sie dahin gab in einen unwürdigen, 
d. ἢ. nach gemeinem Sprachgebrauch, in einen nicht probe- 
haltigen (ἀδόκιμον, vgl. Jes In. Prv 254. IKor 9. 


un mu mer 


8. Ὁ. Becker, Charik!. I, B- 346 ff., Herm., Privatalterth. $ 29, Bernh., 
Griech. Lit. ed. 2. p. 50ff. Uebrigens lag es im Wesen der ent- 
fesselten sinnlichen Lust, dass dieselbe, für die gewöhnlichen Genuss- 
mittel bald abgestumpft, nach immer neuen Reizmitteln suchte und 
so zu widernatürlicher Befriedigung kam. 


4) Unklar Hofm.: zu einer Sinnesart, welche dahin geht, das 
nach dem eigenen Urtheil Ungebührliche zu thun. Gewöhnlich sieht 
man hier nur eine summarische Aufzählung der übrigen Laster (so 
auch Meyer, vgl. Lips.), was ein mattes Herabsteigen der Rede er- 
gäbe, ebenso wenn Zimmer hier die Sünden der Selbstsucht zusammen- 
gefasst findet. Nach Volkm. u. Otto geht der Apostel gar zur Ver- 
sündigung der jüdischen Welt über (vgl. dagegen Holst. a. a. O. 
p. 121). 








94 Röm 128. 29. 


IIKor 135ff.) Sinn ἢ. — ποεεῖν τὰ un καϑήκοντα) Der 
Infin. ist epexegetisch: so dass sie thun, was sich nicht ziemt. 
Vgl. IIMak 6:4 IIIMak 4ıs. Da die Heiden kein positives 
(göttliches) Gesetz haben, so kann der Maassstab für ihr Thun 
nur sein, was sich nach ihrem in der Sitte sich ausprägenden 
Verständniss für das Sittliche geziemt oder nicht geziemt. 
Dann aber wird die subjektive Ne nicht die Gattung 
dessen, was nicht ziemlich ist, bezeichnen (Meyer), sondern was 
bei ihnen selbst als. unziemlich gilt und was sie doch, indem 
sie es ungescheut thun, nicht mehr als böse anerkennen wollen; 
τὰ οὐ καϑήχοντα wäre das Unziemliche an sich. Nach Lips. 
ist das μή nur durch den Infinitivsatz veranlasst. 

V.29ff. πεχεληρωμένους πάσῃ ἀδικίᾳ) Nähere Be- 
stimmung zu σεοιδὲν τὰ un χαϑήχ.: als solche, die da voll sind 
von jeglicher Ungerechtigkeit in dem umfassenden Sinne von 
 V. 18, so dass keineswegs bloss an die Verletzung des Suum 
cuique (Luth.., Zimmer) gedacht ist. Es handelt sich nicht 
um ein gelegentliches Ueben von Unsittlichkeit, sondern um 
eine Lebensführung, die ganz und gar mit ihr und den speziellen 
Arten der adıria, die in verschiedener Wendung nachher auf- 
gezählt werden, angefüllt is. Zu dem bei den Klassikern 
seltenen Dat. instr. bei σεληροῦσϑαι vgl. IIMak 721. Wie 
in ähnlichen Sündenverzeichnissen ὧν or 12%». Gal ὅ "98. 
Eph 5sf. ITim 1sf. IITim 3:ff.), folgt Paulus einer logisch 
disponirten Ordnung nicht; es wechseln Begriffe von weiterem 
und engerem Umfange, verwandte werden verbunden, kehren 
aber auch getrennt von einander wieder; manche sind offenbar 


Ἢ Es ist auf’s Bestimmteste festzuhalten, dass vous bei Paulus 
nie eine Sinnesart (Hofm.), eine Gesinnung (so gew., vgl. noch Zimmer) 
oder eine Denkweise (Goeb.) bezeichnet. Es ist überall der Sinn für 
das Göttliche und Sittliche, das Vermögen, mittelst dessen die geistigen 
und göttlichen Wahrheiten erkannt werden (vgl. das vosioda« V. 20), 
was wir die Vernunft nennen (Böhmer), also ein rein theoretisches 
Vermögen, welches das ethische Verhalten als solches nicht be- 
stimmt, wie aus den Erörterungen in Röm 7 aufs Klarste hervorgeht 
(gegen Meyer, Lips.). Dieser μοὺς ist nicht probehaltig, wenn er nicht 
mehr im Stande ist, das Böse als Böses zu erkennen; er ist dann 
selbst werthlos geworden, weil sie das, was sie durch ihn erlangen 
konnten, in seinem wahren Werth nicht würdigten. Dann aber liegt 
es in der That sehr nabe anzunebmen, dass Paulus, übersehend, dass 
das Wort von δέχομαι herkommt, es mit δοχεμάζεεν (123. Eph 5ıo) 
zusammengebracht hat, wodurch das von ihm auch nach Meyer inten- 
dirte Wortspiel doch erst wirklich herauskommt, und einen Sinn be- 
zeichnen wollte, welcher Gut und Böse nicht mehr prüft und unter- 
scheidet (Beza, Glöckl.: judicii expers, vgl. Beng.). Da sie das Gottes- 
bewusstsein sich aus Geringschätzung verloren gehen liessen, so ist 
ihnen nun auch das Sittenbewusstsein genommen. 


: Röm 12. 95 


‘der Paronomasie wegen zusammengestellt. Vgl. Sand.*). So 
steht hier das ganz spezielle zAsove$i« (vgl. Ps 1193. Jer 
221. Ez 22x), ἃ, ἢ. die Habgier, die Sucht immer mehr zu 
haben, die Paulus auch sonst als das spezifisch heidnische 
Laster neben der Unzucht, die bereits V. 24—27 eingehend 
behandelt war und darum hier fortgelassen wird, nennt (ΠΟΥ 
510), zwischen zzovneig und xaxie, die IKor 5s verbunden 
erscheinen, und die beide in umfassendster Weise die Schlechtig- 
keit und Bösartigkeit bezeichnen; denn weder der Sprach- 
ebrauch des Paulus, wo zzovnei@ noch Eph 612, xaxia noch 

Kor 14». Eph 4sı. Kol 88. Tit 33 vorkommt, noch des 
übrigen NT’s giebt eine sichere Unterscheidung an die 
Hand **). — ueorovg) im eigentlichen Sinne Ez 37ı. Nah 
110, übertragen wie hier Prv 634, nimmt nachdrücklich das 
bedeutsame zsrerzAne. auf, um in anderer Form eine neue 
Reihe von Begriffen anzuknüpfen, unter denen φϑόνου (Sap 
6%. IMak 81), φόνου (Exod 171. Din 228) offenbar 
durch Paronomasie verbunden sind, obwohl deshalb der Mord 
hier als Gedanke gedacht werden muss, welcher den Menschen 
erfüllt hat, das μερμηρίζειν φόνον, Hom. Od. 19,2, vgl. Act 9ı, 
da ja der Mord keineswegs nur aus dem Motive hervorgeht, 
zu besitzen, um was man den Anderen beneidet (gegen Hofm.). 
Wie bei φόνος es auf den Mordgedanken ankommt, so bei 
dem Streit (ἔρες, wie IKor 111. 33) auf die Streitsucht, die 
auch Phl 115 mit dem Neide verbunden wird, aber keineswegs 
bloss den Anderen im friedlichen Genuss dessen, was er Gutes 
hat, zu stören trachtet (gegen Hofm... Mit dem Gedanken 








Ἢ Völlig vergebliche Versuche, bier eine Disposition herzustellen, 
vgl. bei Hofm. (modifizirt von Luth.), Beck u. Otto, die nur dem vor- 
ausgesetzten Schema zu Liebe den Ausdrücken Gewalt anthun und sie 
ganz willkürlichen. bei Verschiedenen verschieden gefassten Gesichts- 
punkten unterordnen. Das πορνεία, das L (Rcept.) nach adızıa, DEG 
(vgl. P: xas zopv.) nach xaxıe einschalten (letztere mit Weglassung 
von zornece), ist nach NABCK als unpassender Zusatz zu streichen 
(gegen Sand.). Das xaxıa, das nach BL (vgl. ΚΡ) hinter zAsovefıa 
steht (Rept., WH. txt, Treg.), ward tbeils mit adscıa (Lehm. nach C, 
vgl. DEG), tbeils mit πονηρία (Tisch. nach NA) verbunden, um die 
aa fir Allgemeinbegriffe zusammenzurücken. 

**) Meyer, Volkm. finden in zzovne. Bosheit (Malice), in χαχ. 
Schlechtigkeit (Niederträchtigkeit), de W., God. umgekehrt in jenem 
die böse Gesinnung und Handlungsweise überhaupt, in diesem speziell 
die Bosheit, Hofm. in jenem die Beschaffenheit dessen, welcher auf 
das gerichtet ist, was er Anderen zu Leide thun kann, in diesem 
dessen, der seine Befriedigung darin findet, Uebel anzurichten (vgl. 
Luth.), Otto in jenem die eigung, Schlechtes zu thun und dadurch 
Verdruss zu erwecken, in diesem die böse Gesinnung, welche lediglich 
dem sündlichen Willen Gehör giebt, was alles gleich unbeweisbar ist 














96 Röm 129. 80. 


an den Streit verbindet sich leicht der an hinterlistigen Betrug 
(6oAog, wie (fen 273. Jer br), während das χακοήϑεια 
(IIIMak 32. IVMak 14) wieder ein viel umfassenderer Be- 
griff ist, den man doch wohl am besten nicht näher bestimmt 
als durch die dem schlechten Charakter (xaxöv 1905) ent- 
sprechende Gesinnung*). — V. 30 folgt eine neue Reihe, in 
welcher in der Form von Appositionen zu sesrAngwusvoug, 
μεστούς die Personen selbst nach ihren bösen Eigenschaften 
charakterisirt werden. — ἱϑεϑυρισταί, wie vrdvoog JSir 
514. 2818, sind Zischler, Ohrenbläser, womit nicht nothwendig 
heimliche Verleumder (Dem 1358. N emeint sind, da man 
auch Anderes als Böses wider den Nächsten und aus anderen 
Motiven heimlich zutragen kann, und hier ausdrücklich der 
eigentliche Ausdruck für Verleumder (κατάλαλοι) damit ver- 
bunden wird, wie IIKor 12» χαταλαλιαί, ψιϑυρισμοί, und 
die blosse Unterscheidung heimlicher und öffentlicher Ver- 
leumdung (Theoph., Kölln., de W.) doch zu unerheblich wäre. 
Ebenso unpassend aber ist es, mit Hofm. das χαταλαλ. nur 
als adjektivische Bestimmung zu ὑεϑιρισταί zu nehmen, und 
noch unpassender das voranstehende ϑεοστυγεῖς, als Ad). 
zum Folgenden (vgl. auch Volkm., Zimmer). Dieses bezeichnet 
den höchsten Grad von Ruchlosigkeit, welcher die Menschen 
zu Gott verhassten macht **) (vgl. Plat. Legg. 8. p. 838B: 
ϑεομισῆ — — καὶ αἰσχρῶν αἴσχιστα). Bei dem vielfachen 


5) So seit Erasm., Calv. die Meisten: perversitas, corruptio morum, 
mit Bezug auf Xen. Cyr. 13, 16. Dem. 542, 11. Plat. Rep. 348D. 
Vgl. noch Beck, Otto. Meyer denkt an hämisches Wesen, dessen 
Eigenthümlichkeit es ist ἐπὶ τὸ χεῖρον ὑπολαμβάνειν τὰ πάντα (Aristot. 
Rhet. 2, 13); God. an den, der durch mürrische Laune dem Anderen 
das Leben sauer macht, Hofm. an den, welcher dem Anderen sein 
Gutes zum Bösen deutet und, was ihm dienlich sein könnte, zum 
Uebel wendet, Goeb. Lips. an heimtückisches Wesen. 

**), Diese passive Fassung des besonders den Tragikern eigen- 
thümlichen Wortes (Pollux 1, 21), also gleich ϑεῷ ἐχϑαιρόμενος (vgl. 
Soph. Aj. 458), ist als die einzig richtige durch den Sprachgebrauch 
gesichert. S. Eurip. Troad. 1213. Cycl. 395. 698. Neophr. Ὁ. Stob. 
serm. 20. p. 172. Vgl. ϑεοστύγητος Ὁ. Aesch. Choeph. 635. Falsch ist 
daher die seit Theodoret von den Meisten bevorzugte Erklärung: Dei 
osores; so Koppe, Rück., Frtzech., de W., Pbil., B.-Crus., Hofm., God., 
Beck, Böhmer, Sand., vgl. dagegen auch Luth., Otto, Goeb., Zimmer, 
Lips. Auch Suid. und Oecum. verrathen, dass sie die von ihnen an- 
genommene aktive Fassung als abweichend von dem Gebrauche der 
Alten erkannt haben. Die Analoga, auf welche man sich berufen hat, 
ϑεομισής (ganz gleich ϑεοστυγής, das Gegentheil von ϑεοψελής, Gott- 
geliebt Plat. Rep. p. 612E), βροτοστυγής (Aesch. Choeph. δ]. Prom. 
799), sind ebenfalls passivisch zu fassen, und zeugen daher gegen die 
aktive Erklärung. Vgl. ϑεοβλαβής, von Gott geschlagen, Herod. 8, 137, al. 





Röm 130. 97 


Wechsel sehr allgemeiner und ganz spezieller Begriffe bedarf 
es wohl nicht der Annahme, dass dieses summarische Urtheil 
sittlicher Entrüstung über alle vorhergegangenen Momente im 
Rückblick auf diese einen Ruhepunkt in dem schmachvollen 
Register bildet, dessen Fortführung dann im Folgenden einen 
neuen Anlauf nehme (Meyer). — Es folgt eine dreifache Be- 
zeichnung der Selbstüberhebung, und zwar in absteigender 
Klimax. Das Stärkste ist offenbar die Bezeichnung als 
ὑβρισταί (Job 401. Jes 212. 166), die in frechem Frevel- 
muth der Selbstüberhebung göttliches und menschliches Recht 
mit Füssen treten, während die Hoffärtigen (ὑπερήφανοι, 
vgl. Job 4012. Ps 11921. 1406) stolz auf wirkliche oder ein- 
gebildete Vorzüge Andere verachten, und die ἀλαζόνες 
Job 288. Prv 212) nur leere Prahler sind, die, ohne gerade 
Verachtung und Beleidigung Anderer zu beabsichtigen, sich 
in ihrer Ruhmredigkeit gefallen. Auch hier machen Hofm., 
Volkm. das jedenfalls Schlimmere nur zur adjektivischen Be- 
stimmung der ἀλαζόνες. Nicht weniger allgemein als ϑεοστυ- 
yeig bezeichnet &psvperal κακῶν die Erfinder (Anacr. 41, 3) 
schlechter Dinge, ein Ausdruck für das Raffinement der Bos- 
heit, die nicht Böses genug ausdenken kann. So wird IIMak 
731 Antiochus Epiphanes als σεάσης χαχίας δὑρετής, Sejan 
bei Tacit. Ann. 4ıı als facinorum inventor bezeichnet. Vgl. 
Philo in Flacc. 4. 14. p. 968. 975. Mit γονεῦσιν ἀπειϑεῖς 
beginnt eine Reihe von fünf Ausdrücken, die sämmtlich negativ 
sind und mit « priv. beginnen ἢ. Voran steht der Mangel 
der kindlichen Pietät, wie er im Ungehorsam gegen die Eltern 


Gotthassend heisst μισόϑεος, Lucian. Tim. 35. Aesch. Ag. 1090; vgl. 
«ιλόϑεος, Gottliebend.. Man fand eben den passiven Sinn anstössig 
(Calv.) und nahm das Dei osores von dem heidnischen Laster des 
Zürnens gegen die mit menschlichen Leidenschaften gedachten Götter 
{Grot,, Reiche), oder dachte an Ankläger der Vorsehung, an Prome- 
theische Charaktere (Tbol., God.), an Gotteslästerer (Ew., Beck) oder 
an solche, welche Abscheu vor Gott haben wegen seiner Gerechtig- 
keit (Calv.). 

4) Darauf baut Hofm. seine Eintheilung, nach welcher diese fünf 
Glieder den fünf mit usorovs verbundenen entsprechen, wie die vier, 
die er durch Verkoppelung von dreimal zwei in V. 30 gewann, den 
vier bei πεπληρωμέγοις, so dass zwei Doppelreihen aus je vier und 
fünf Gliedern entstehen! Aber auch die Eintheilung nach den Kate- 
gorieen: allgemeine heidnische Laster (bis xax/e), feindselige Ge- 
sinnungen (bis x«xon3.) und Reden (1:9. xar.), beide durch Yeooruyeis 

eschlossen, übermüthiges Wesen (bis ἀλαζ,.) und eine Reihe negativer 
Stücke mit dem positiven ἐῴφευρ. xax. an der Spitze (Meyer), giebt 
doch nur den schlagenden Beweis, dass hier eben keine prämedirte 
Ordnung waltet. — Das aonowdous in V. 31 (Rept. nach CKLP) ist 
als Zusatz nach [11 Tim 33 zu streichen. 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 7 








98 Röm 1831. 3. 


sich offenbart. — V. 31 ist wieder ἀσυνέτους nur durch 
Paronomasie mit ἀσυνϑέτους verbunden; denn jenes be- 
zeichnet, in umfassenderer Bedeutung wie V. 21, ganz allge- 
mein den Unverstand, der sich durch kein verständiges Ein- 
sehen in seinem Thun leiten lässt. (Vgl. Luth.: »Hans Un- 
vernunft, mit dem Kopf hindurch«); dieses aber heisst nicht: 
unverträglich (Castal., Tittm., Ew., vgl. Hofm.), sondern: bund- 
brüchig (Jer 37f. ı0f,, Suidas, Hesych.; 8. auch Dem. 383, 6). 
Vgl. Volkm.: Unverständige, Unbeständige.. Erst nachdem 
jenes so ganz Allgemeine und dies so ganz Spezielle dazwischen- 
geschoben ist, folgt nun das ἀστοργοι, das den natürlichen 
Affekt der Liebe, insbesondere gegen die nächsten Verwandten 
(vgl. Athenaeus 14. p. 655C), negirt, und ἀνελεήμων (Prv 
59. 171, das den Mangel des allgemein menschlichen Mit- 
gefühls ausdrückt, wie ihn der Unbarmherzige hat. 

V. 32. οἵτινες) quippe qui, grundangebend, wie V. 25, 
zeigt, wiefern in diesem ἜΝ das ja vereinzelt auch ander- 
wärts vorkommt, sich beweist, dass Gott sie in einen γοῖς 
ἀδόχεμος dahingegeben hat. Vgl. Hofm., God. Da der νοῦς 
V. 28 ebenso das Organ zur Erkenntniss des göttlichen 
Wesens, wie des göttlichen Willens ist, welcher nicht unge- 
straft übertreten werden darf, so kann Paulus den Heiden 
ebenso wie die Erkenntniss Gottes, so auch die Erkenntniss 
der Strafbarkeit des Unsittlichen zuschreiben (gegen Otto), ja 
da letztere sich unmittelbar im Gewissen fühlbar macht (215), 
ist sie eine ungleich genauere und zuverlässigere (ἐσειγνόν- 
τες), als jene (γνόντες V. 21). In dem ἀδόχεμος gewordenen 
γοῦς ist natürlich auch diese Erkenntniss in ihrer Entwicke- 
lung gehemmt (V. 18) und mehr oder weniger ganz verloren, 
daher: obwohl sie die Rechtssatzung Gottes genau erkannt 
hatten. Das δικαίωμα τοῦ ϑεοῦ ist nach der Wortbildung 
Alles, was von Gott als δίχαιον erklärt ist, sei es, was er als 
Gesetzgeber für der Norm seines Willens entsprechend erklärt 
(so im AT, vgl. Ex 1526. Lev 25ıs. Din 3016), sei es, was 
er in seiner Richterqualität als gerechte Strafe festsetzt. So 
hier: dass diejenigen, welche die derartigen Dinge (va τοιοῦτα, 
wie IKor 55. IlKor 27), d. h. Sünden, wie die V. 29—31 
genannten üben, todeswürdig sind. Das πράσσοντες be- 
zeichnet umfassender als das einfache σεοιεῖν (thun) das Be- 
treiben dieser Unsittlichkeiten als den Gesammtcharakter ihrer 
Handlungsweise. Vgl. Dem. de cor. 62: τέ προσῆχον ἦν 
ἑλέσθαι πράττειν καὶ τπεοιεῖν. — Zu afıoı ϑανάτου vgl. 
Symm. ISam 961.. IISam 126. Plut. de mul. virt. p. 256. 
Was im Sinne der Heiden von dem Strafzustande im Hades 
galt (vgl. Phil. und Weiss, bibl. Theol. ὃ 69, a), welcher durch 


Röm 13%. 99 


Laster und Verbrechen zugezogen werde, bezeichnet Paulus 
nach der Wahrheit, die darin liegt (vgl. Plat. Rep. p. 340D), 
von seinem Standpunkte aus als ϑάνατος, und meint damit 
den ewigen Tod*., — οὐ μόνον αὐτὰ ποιοῦσιν») Dies 
könnte geschehen in Schwachheit, in Folge von Verführung 
oder derg. Aber sie thun es nicht nur, sondern stimmen 
auch den Thätern mit bei, geben ihnen Beifall (ovvsvdo- 
“00019 τοῖς περάσσουσιεν, vgl. IMak 16. IIMak 112). 
Während man sonst wohl dergleichen bei sich selbst ent- 
schuldigt, aber wenigstens an Anderen tadelt, wo man doch 
im Allgemeinen mehr geneigt ist zu tadeln als zu loben (vgl. 
Mt 78), zeigen sie durch den Beifall, den sie solchen Sündern 
schenken, eine völlige Verdunkelung ihres sittlichen Bewusst- 
seins. Vgl. Beng.**). 


Kap. I. 


Es beginnt nun der zweite Abschnitt des ersten Haupt- 
theils, in welchem Paulus zeigt, dass auch die Juden dem 
Zorngericht Gottes verfallen seien, weil sie selbst thun, was 





Ὁ Hofm. meint, die Thatsache, dass man auch unter Menschen 
mit dem Tode bestrafe (vgl. Grot.), was mit dem friedlichen Fort- 
bestand der menschlichen Gesellschaft unverträglich ist, zeige, dass 
sie sich durch eigenes Nachdenken von der eben dahin lautenden 
göttlichen Rechtsordnung vergewissert haben. Allein er selbst muss 
zugestehen, dass die bürgerliche Gesetzgebung deu Vollzug der hier- 
nach zu verhängenden Strafe auf eine grössere oder kleinere Zahl der 
schlimmsten derartigen Versündigungen einschränkte, d. h. dass seine 
Erklärung an dem οὗ τὰ τοεαῦτα πράσσοντες scheitert, da unter den 
vV. 29-31 genannten Sünden doch die allerwenigsten mit »dem Fort- 
bestand der menschlichen Gesellschaft unverträglich« und nach mensch- 
lichem Recht todeswürdig sind. Vgl. dagegen schon Melanth., aber 
selbst Luth., Beng., v. Heng., Mehr. denken an den zeitlichen Tod, 
Frtzsch., de W. u. A. an schwere Strafen, Sündenelend u. dgl. 

**) Der Apostel denkt weder bloss an die Philosophen, welche 
manche Laster (Päderastie, Rache u. a.) billigten oder als Adiaphora 
betrachteten (Grot., B.-Crus.), noch an die Obrigkeiten, welche viele 
Verbrechen ungestraft liessen und durch ihr Beispiel förderten (Ew.), 
sondern an den sittlichen Zustand des Heidenthums überhaupt, in 
welchem das öffentliche Urtheil gegen die im Schwange gehende Un- 
sittlichkeit ganz abgestumpft zu sein schien. Selbatverständlich gilt 
diese ganze Schilderung nur dem Heidentbum im Grossen und Ganzen, 
wie es unter dem göttlichen Zorngericht, das über ihm waltet, sich 
entwickelt bat, was Ausnahmen, wie die 214. 26f. erwähnten, nicht 
ausschliesst, da sie nicht kraft des heidnischen Wesens, sondern trotz 
desselben zu Stande gekommen sind. 


;* 


100 Röm 21. 


sie an Anderen richten (21—ı0), und dass weder der Ge- 
setzesbesitz als solcher (211—2%), noch die Beschneidung 
2 28---- ὃ 8) sie davor schützen könne, da auch die Schrift ihre 
ündhaftigkeit bezeuge (3s—%»). Denn der Beweis für die 
Nothwendigkeit der in seinem universalistischen Evangelium 
verkündigten neuen Gerechtigkeit konnte nur geführt werden, 
indem das Heilsbedürfniss der Heiden und Juden in gleicher 
Weise u und bei Letzteren gezeigt wurde, dass auch 
die ihnen verliehenen Vorzüge, die Paulus voll zugesteht, 
dasselbe nicht mindern, vielmehr die Schrift AT’s es auch bei 
ihnen anerkennt *). 
V.1—10. Die Zornverfallenheit des Judenthums. 
— V.1. dı0), wie 1%, kann nur auf den Grundgedanken 
der letzten Ausführung in 12»—x» gehen, der im Schluss- 
verse noch einmal auf einen prägnanten Ausdruck gebracht 
war: darum, weil das göttliche Zorngericht über die Heiden 
darin gipfelt, dass .sie in Folge der völligen Abstumpfung 
ihres sittlichen Gefühls selbst an Anderen das Böse nicht mehr 
erkennen und rügen, was sie auf ihrem jetzigen Standpunkte 
einigermassen entschuldbar macht (vgl. God.), ist der erst in 
vollem Maasse unentschuldbar, welcher, wie sein Richten des 
Anderen zeigt, jenes sittliche Unterscheidungsvermögen noch 
nicht verloren hat. War auch der Heide unentschuldbar nach 
12, sofern er ursprünglich die Gotteserkenntniss und damit, 
wie noch 13% erinnert hatte, die sittliche Unterscheidungs- 
gabe besass, so hatte er sie doch wenigstens jetzt kraft gött- 
lichen Zorngerichts verloren. Das nachdrücklich vorantretende 
ἀναπολόγητος vor el weist aber mit Bezug auf 1» darauf 
hin, wie ın vollem Sinne dies doch erst recht von dem gilt, 


*, Dass es ihm hauptsächlich auf diese zweite Beweishälfte ankam, 
und die Ausführlichkeit der Schilderung der heidnischen Schlechtig- 
keit in Kap. 1 zugleich darauf angelegt war, dem entarteten Juden- 
thum einen Spiegel vorzuhalten (was doch wenigstens hinsichtlich der 
Thorheit des Götzendienstes und der unnatürlichen Wollustlaster 
sicher nicht der Fall ist!) und so seinen Dünkel niederzuschlagen 
(Meyer, vgl. Mang.), oder darauf, sich gegen die unmoralischen Konse- 
quenzen zu verwahren, die man aus seiner Gnadenlehre zog, und die 
Leser zum Dank gegen die Gnade Gottes und zum ausschliesslichen 
Vertrauen auf sie zu ermuntern (Grafe p. 64), erbellt durchaus nicht. 
Bibtr. lässt 132—2s die Beweisführung fortgesetzt sein, dass es für 
den Christen des Gesetzes nicht bedürfe, um ihn zur Busse zu führen, 
und findet 29—34 den Beweis, dass er auch für eine gottgefälli 
Lebensführung und den sie lohnenden l,ebensstand des Gesetzes nicht 
benöthigt sei. Auch Böhmer sieht hier den Christen angeredet, indem 
er aber an den Christen Jüdischer Abkunft denkt, lenkt er zu der 
gewöhnlichen Auffassung zurück. 


Röm 2ı. 101 


der jene Unterscheidungsgabe noch hat und im Richten aus- 
νι ἢ). — ὦ ἄνϑρωτπεξ πᾶς ὃ xeivwv) Wie Paulus 118 die 
Heiden mit dem allgemeinen ἀνϑρώ7εων bezeichnete und erst 
im Verlaufe der Rede die besondere Beziehung auf sie hervor- 
treten liess: so bezeichnet er auch die Juden jetzt noch nicht 
namentlich (s. erst V. 17), sondern redet mit dem übrigens 
schon einen Zug des Vorwurfs in sich schliessenden (9x. 
Plat. Prot. p. 330D. Gorg. p. 452B.) ἄνθρωπε überhaupt 
jeden an, der durch sein Richten zeigt, dass sein sittliches 

wusstsein ein noch lebendig thätiges ist. Da er aber von 
der götzendienerischen Menschheit insgesammt 132 das Um- 
gekehrte gesagt hat, so folgt schon daraus, dass er sich jetzt 
an die ihr gegenüberstehenden Juden wendet, und in der 
That war ja das selbstgerechte Richten über die Heiden, als 
von Gott Verworfene (Midr. Tillin 1. 6, 3. Chetubb. f. ὃ, 2. 
u. v. a), eben ein Charakteristikum der Juden **). — Ueber. 


— 


4) Das διό kann sich nicht auf die ganze Ausführung (V. 18—32) 
bezieben (Meyer), da aus ihr die Unentschuldbarkeit der Juden nicht 
gefolgert werden kann, wenn man nicht den Gedanken, dass sie eben 
dasselbe thun, gleich mit hinzunimmt, also im Grunde das διό pro- 
leptisch fasst, wie Tbol., v. Heng., was doch Meyer mit Recht, weil 
dieser Gebrauch wenigstens dem NT ganz fremd ist, selbst verwirft. 
Dasselbe gilt aber im Grunde gegen die von Reiche, Frtzsch., Krehl, 
de W. u. Aelteren angenommene Beziehung auf den Satz in 132, dass 
die Rechtsforderung Gottes den Uebelthätern den Tod zuspreche (vgl. 
Lips.: »weil die Strafwürdigkeit darin liegt, dass man sündigt, obwohl 
man weiss, dass man sich dadurch des Todes schuldig macht«, was 
direkt keineswegs 133 gesagt ist), oder auf die Erkenntniss dieses 
Rechtsspruches, trotz deren die Heiden so unsittlich seien (Phil., Baur, 
Holst., Mang.). Dazu kommt, dass aus jener göttlichen Rechtsordnung 
wohl die Strefbarkeit (vgl. Beck, der darum auch das ὠναπολόγητος 
εἶ verwandelt in: Du bist noch nicht entschuldigt), aber nicht die 
Unentschuldbarkeit, und aus ihrer Erkenntniss letztere nur dann 
folgt, wenn hier von denselben Personen die Rede ist, wie 183, was 
doch schon durch den Uebergang aus der dritten Person in die An- 
rede ausgeschlossen wird. Lips. meint zwar, nicht auf die Identität 
der Personen komme es an, sondern auf die gleiche Verantwortlich- 
keit; aber diese findet doch nur statt, wenn von den jetzt Angeredeten 
dasselbe gilt, wie von 188 genannten, was eben nach ihrer Charak- 
teristik nicht der Fall ist. Daher nehmen auch zu Gunsten der Be- 
ziehung auf das ἐπιγνόντες Hofm., Th. Schott. Luth, Goeb., welche 
21—8 noch keine Beziehung auf die Juden finden, wirklich die Iden- 
tität der Personen an, und umgekehrt Otto, der schon 138—32 auf die 
Juden bezog. Interessant ist, wie Sand. den Zusammenbang analysirt 
(the gentile sinner is without excuse, and his critic is equally 
without excuse); aber dies equally steht nicht nur nicht da, sondern 
in dem nachdrücklich vorantretenden avanoloynros liegt das Gegen- 
theil, was die meisten Ausleger übersehen. 

855) Demnach erscheint sowohl die Beziehung auf die Menschen 


102 Röm 21. 


den Nominat. als weitere Epexegese des Vocat. s. Buttm., neut. 
Gr. p. 123. — ἐν ᾧ γὰρ κρίνδις τὸν ἕτερον) ist aufzulösen 
durch: ἐν τούτῳ ἔν ᾧ: denn in dem Punkte, auf Grund dessen 
Du den Anderen richtest, verurtheilst Du Dich selbst. Das 
xolveıy bezeichnet keineswegs an sich das verdammende Richten 
(Meyer), wie schon aus dem sofort von letzterem gebrauchten 
χατακχρίνειν folgt. Allerdings gelangt das hier gemeinte 
Richten, wie aus dem ganzen Kontext erhellt, thatsächlich 
immer zu einem verurtheilenden Resultat; aber nicht auf dieses 
Resultat kommt es an, sondern darauf, dass einer sich zum 
Richter über Andere aufwirft (vgl. Mt 7ı) und damit zeigt, 
dass er einen sicheren Maasstab hat, wonach er ihr Thun be- 
urtheilt, während den Heiden derselbe verloren gegangen war. 
Darum heisst es auch nicht ἐν οἷς, weil nicht die einzelnen 
Sünden gemeint sind, sondern die sittliche Qualität des Han- 
delns als die Norm gedacht ist, nach der das Richten 
geübt wird. Eben dadurch aber zeigt der Angeredete, dass 
er ein klares sittliches Bewusstsein hat und verdammt damit 
sich selbst, da er thatsächlich dasselbe (der Kategorie nach) 
treibt (πράσσεις, wie 12), wie der Andere, und er also 
die bei ıhm als unsittlich beurtheilten Handlungen auch bei 
sich als solche erkennen und verdammen muss*). Auch hier 
ist ἕτερος nicht gleichbedeutend mit ἄλλος, es handelt sich 
nicht um den Unterschied von Person und Person, sondern 
um den Gegensatz des ὃ χρίνων zu einem Andersartigen, und 
auch daraus folgt, dass dem Apostel der Angeredete ein Jude 


überhaupt (Beza, Calov., Mehr., Hofm., Luth.), als auch die Beziehung 
auf die Heiden als die richtenden Subjekte (Th. Schott, Goeb.), oder 

ar speziell auf heidnische Obrigkeiten (Chrys., Theodoret, Theophyl., 
Öecum.. Cajet., Grot.) verwerllich. Otto hebt den Gegensatz zwischen 
132 u. 21 auf, indem er das ovvevdoxoüdıy τοῖς πράσσουσι dahin ab- 
schwächt, dass sie kein strafendes Wort wider die Gesetzesübertreter 
in ihrer Mitte hatten, und das χρένεεν τὸν ἕτερον auf das Richten 
der Heiden bezieht. Bibtr. p. 62 lässt vollends den Christen ange- 
redet sein, welcher etwa meinte, die Gewissheit des zukünftigen Ge 
richts und seiner unfehlbaren Erstreckung über jeden Sünder sich 
erst aus dem Jüdischen Gesetze herholen zu müssen (p. 78). So trägt 
er überall einfach die Antithese ein, die er im Römerbrief nach- 
weisen will. 

*) Hofm., Luth., God., Otto, Goeb. u. A. lösen das ἐν ᾧ durch 
ἐν τούτῳ ὅτι auf: dadurch dass, indem Du richtest, was aber dem 
nachdrücklich betonten τὰ αὐτά im Gegensatz weniger entspricht. 
Allerdings ist nicht gemeint, dass der Angeredete alles thut, was der 
ἕτερος thut, den er richtet. Allein es sind doch die nämlichen Sünden 
und Laster (vgl. 139ff.), wenn auch gewisse spezifisch-heidnische Greuel 
(123—27) den Juden mehr oder weniger fremd blieben. Kölln., Reithm. 
nehmen das ἐν ᾧ gar zeitlich (eodem tempore quo). 


Röm 21. 3. 108 


im (Gegensatz zu den 1] 18--τ-δὰ besprochenen Heiden ist. — 
ὃ χρίνων) mit vorwurfvollem Nachdruck, der den inneren 
Widerspruch, in dem der Angeredete sich bewegt, noch einmal 
stark hervorhebt. — V.2. οἴδαμεν δέ) bringt mit dem näher- 
bestimmenden de die Voraussetzung nach, die bei jenem καξα- 
xeiveıs zu Grunde liegt, dass es im göttlichen Gericht, in 
Bezug auf welches jenes Verdammungsurtheil gefällt wird, auf 
das Thun ankommt, was Lips. vergeblich bestreitet, obwohl er 
in der Sache auf dasselbe herauskommt. Diese Voraussetzung 
wird aber durch οἰδαμδν, als eine dem Apostel und seinen 
Lesern zweifellose, d. h. als eine christliche Wahrheit hinge- 
stell. Vgl. Luth., Blbtr., Göb. Es handelt sich nämlich um 
die jedem Christen bekannte Art, wie das Richturtheil Gottes 
τὸ χρῖμα τοῦ ϑεοῦ, vgl. Mt 72) gefällt wird ἢ. Dasselbe 
ergeht (ἐστίν) wahrheitsmässig über (ri, wie lıs) die, 
welche das Derartige treiben. Auf dem τοὺς τὰ τοιαῦτα 
zrea0govrag (1582) liegt der Nachdruck, weil ja im Zusammen- 
hange Alles auf die entscheidende Bedeutung des Thuns an- 
kommt; aber diese Richtung, welche das göttliche Strafurtheil 
nimmt, wird durch κατὰ ἀλήϑειαν (wie Prv 294 mit ἐν 
ἀληϑείᾳ) als eine dem wirklichen Thatbestand entsprechende 
bezeichnet, sofern Gott bei solchem Gericht nicht fragt, ob 
einer durch sein Richten sich als ein für das Gute Eifernder 
geberdet, was ein Richten nach Schein wäre (vgl. Volkm.), 
sondern lediglich nach dem πράσσδιν, weil dieses allein den 
wirklichen Thatbestand des Unterschiedes zwischen Guten und 
Bösen konstituirt (vgl. Beck, Blbtr. p. 64 ἢ) **). 


*) Tisch, Treg. u. WH. a. R. lesen auf die ungenügende Be- 
zeugung von ΝΟ it. vg. cop. arm. yoo statt de. Meyer findet bier die 
ropositio major zu dem, was V. 3 nachgewiesen werden soll, aber 
. 8 hat durchaus nicht die Form eines Schlusses, setzt vielmehr den 
Satz, dass der Richtende und doch das von ihm Verurtheilte Thuende 
dem göttlichen Gericht an sich verfallen ist, voraus, weshalb auch das 
χρῖμα τοῦ ϑεοῦ keinen Gegensatz gegen menschliches Richten bildet 
(gegen Meyer). In der That liegt aber dieser Satz auch schon in V. 1 
ausgesprochen, sofern das χαταχρίέγνεις eben der Anspruch ist, welcher 
ihn dem göttlichen Gericht verfallen erklärt. Das οἴϑαμεν beruft sich 
aber nicht auf das allgemein menschliche Bewusstsein (so d. M., auch 
God., Beck mit Verweisung auf 152), geschweige denn auf das aus 
der heil. Schrift Bekannte (Böhmer) oder auf einen geschichtlich kon- 
statirten Erfahrungssatz (Otto). Nicht χρέμα, sondern χρῖμα ist mit 
Lebm. zu accentuiren. 8. Lobeck Paralip. p.418. Anders urtheilt für 
das NT Lips., gramm. Untersuch. p. 401. 

55) Irrig findet Meyer darin, pie das göttliche Gericht ohne alle 
Irrung und Parteilichkeit ist, Frtzsch., dass es alle gleichmässig trifft 
(v. Heng., Biep.), Juden, wie Heiden (Sand... Böhmer denkt bei der 
ἀλήϑεια gar an das Sittengesetz. Raphel., Kölln., Krehl, Mehr., Hofm., 





104 Röm 28. «. 


V. 84. λογίζῃ de) vgl. IIKor 102, führt gegenüber 
der V. 1f. Bageställten Thatsache, dass der Richtende, der 
doch das Verurtheilte thut, sich selbst als dem göttlichen Ge- 
richt verfallen verurtheilt, mit verwunderter Frage ein Urtheil 
desselben ein, das eben wegen seines Gegensatzes gegen diese 
Thatsache sich von vorn herein als ein Wahn darstellt. Das 
τοῦτο bereitet mit dem Nachdruck höchsten Befremdens den 
nachher in dem Objektsatz angegebenen Inhalt seiner thörichten 
Gedanken vor. enn ehe derselbe folgt, charakterisirt die 
aus V. 1 wiederholte Anrede (ὦ ἄνθρωπε) noch einmal 
den Widerspruch in dem Verhalten des Menschen, der noth- 
wendig zu einer Verdammung im göttlichen Gericht führen 
muss, sofern er einerseits die das Derartige Treibenden richtet 
und andererseits, wenn er es auch nicht gerade zu seiner 
ständigen Handlungsweise erhebt, wie jene, es doch gelegent- 
lich auch thut, wie sie. Bem. den Unterschied von πράσσειν 
und ποιδῖν, wie 132. — σύ) Du Deinerseits, als ob Du eine 
Ausnahme machtest. Diese Betonung seiner Person setzt 
nothwendig voraus, dass der Angeredete der Repräsentant 
einer Gesammtheit ist, welche auf Grund gewisser unzweifel- 
hafter Vorzüge meint, auf eine solche Ausnahme rechnen zu 
können, und das kann nur ein Jude sein, der als Glied des 
auserwählten Volkes solche in der That besitzt (vgl. Mt 37). 
Nur die Heiden sollten nach Jüdischem Wahne gerichtet 
werden (Bertholdt, Christol. p. 206£f.), und so hofft der Jude, 
weil ihm als solchem das Messiasreich gewiss sei, dass er dem 
Richturtheil Gottes (V. 2) entfliehen werde (ἐχφδύξῃ, vgl. 
Prv 10:9. JSir 1618. IIMak 62. 73. Dem. 602. ὃ Aristoph. 
Vesp. 157)*). — V.4. 7), wie Mt 14. 9, abstrahirt von dem 


Zimmer nehmen χατὰ ἄληϑ. gleich ἀληϑῶς, wirklich (IV Mak 5ı5 und 
bei Griechen): es ergeht in Wirklichkeit über sie, was einen Gegen- 
satz bilden soll gegen ein Anderes, was die Menschen sich vorspiegeln 
(Hofm.), während die xefvovres sich nach V. 1 durchaus nichts vor- 
spiegeln, sondern vielmehr mit ihrem xo/vesw sich selbst verurtheilen. 
Bei derselben Fassung denkt Otto an die thatsächlichen Gottes- 

erichte, die man über die Sündengreuel der Welthauptstadt sich im 
Sinne von lıs bereits vollziehen sieht. 

*) Dies kann nicht bloss auf die handgreifliche Thorheit gehen, 
dass ein Einzelner in seinem Leichtsinn meinen könnte, einen Bergungs- 
ort vor dem ibn bedrohenden Gottesgericht zu finden (Hofm., vgl. 
Bibtr. p. 66, Goeb.), und damit ist jede Ausdehnung des Kreises, den 
der Angeredete repräsentirt, ausgeschlossen. Hilg., der völlig die 
dialektische Entwicklungsweise seiner Ansichten bei Paulus verkennt, 
findet hier eine »selteame Deklamation gegen Abwesende«, hat aber 
nicht nachgewiesen, dass gläubige Juden. auf die dies seiner Ansicht 
nach gehen soll, je gemeint haben, durch ihre nationalen Vorzüge vor 





Röm 24. 105 


erst gefragten Falle und setzt einen anderen: Oder — falls 
Du diesen Wahn nicht hast — trotzest Du etwa auf die bis- 
herigen Gnadenerweisungen Gottes über Israel und seine bis- 
herige Verschonung vom Gericht als auf "ein Zeichen, dass 
Gottes Gericht über Dein Bösethun nicht ergeht? Vgl. 
JSir 54. Auch hier (vgl. die vorige Anm.) kann es sich nicht 
um individuelle Lebenserfahrungen eines Einzelnen handeln, 
da der Reichthum der Güte, Geduld und Langmuth als eine 
bekannte Erfahrungsthatsache betrachtet wird, wie sie eben in 
der Geschichte Israels vor Augen liegt. Die Bezeichnung 
der Fülle und Grösse göttlicher Eigenschaften durch τοῦ 
σελούτου, bei Paulus sehr häufig, ist nicht Hebraismus, son- 
dern kommt auch bei Griechen vor; vgl. Plat. Euth. p. 12A. 
Die χρηστότης (Ps 257. 119es. es) ist die Gütigkeit Gottes, 
nach welcher er zum Wohlthun (nicht: aber zum Strafen) 
geneigt ist, die ἀνοχή (nur noch 3%) bezeichnet die Geduld, 
nach welcher Gott die Sünden nachsichtig erträgt (vgl. das 
ἀνέχεσϑαι IKor 4ız. IIKor 11ı), ohne sie zu strafen, und 
die μαχροϑυμία es 1515. Prv 2515) die Langmuth, welche 
andauernd mit der Strafe verzieht. Vgl. Tittm., Synon. p. 194. 
Eine Verachtung dieser göttlichen Güte (καταφρονεῖς, vgl. 
Mt 62. 18:0) liegt nicht in dem blossen Unbekümmertsein um 
ihre heilige Absicht (Meyer), sondern in der Herabwürdigung 
derselben, wenn man sie zum Ruhepolster für sein Sündigen 
ausbeutet. Das ἀγνοῶν (vgl. 118) giebt nicht den Grund an, 
warum eine solche Handlungsweise ein χαταφρονεῖν der gött- 
lichen Güte ist (Lips.), sondern hebt hervor, dass solche Ver- 
achtung eine unbegreifliche Unwissenheit voraussetzt, die natür- 
lich selbst verschuldet ist, da diese Wahrheit aus eigener Er- 
fahrung erkannt werden sollte (vgl. zu V. 5), aber ohne dass 
diese Verschuldung im Ausdruck an sich liegt*). Treffend 
Beng.: »miratur Paulus hanc ignorantiam«. — τὸ χρηστὸν 
τ. ϑεοῦ) Das Neutr. adj. steht statt des Subst. abstr., vgl. 





dem Gottesgericht geschützt zu sein, auch wenn sie das Gesetz nicht 
erfüllten. Hofm. will V. 3 u. 4 nicht als Frage fassen, was nur die 
lebensvolle Kraft der Rede schwächt und durch das in Doppelfragen 
80 gangbare ἢ V.4 verboten wird. Irrig legen Chrys., Theoph. u. M. 
auf ϑεοῦ den Nachdruck. 

Ἢ Den Wortsinn willkürlich ändernd Reiche, de W., Meyer u. M.: 
es bezeichne das Nicht-wissen-wollen, was es auch Act 1728. Rom 
103 nicht bezeichnet; und noch Kölln. nach Grot., Koppe u. V.: es 
heisse: non considerans, auch Hofm.: »wahrnehmen, wie man sollte«, 
Zimmer: »willst nichts davon wissen«. Selbst in dem Ausdruck: ver- 
kennen (Luth., Goeb.) liegt mehr, als in dem einfachen ἀγνοεῖν, da ja 
von keiner Reflexion auf den Zweck der Güte die Rede ist. 





106 Röm 24—e. 


116 und Win. $ 34, 2. Die Güte Gottes in ihrer konkreten 
Erweisung treibt (ἄγει, vom ethischen Antreiben durch 
Willensbestimmung, vgl. Plat. Rep. p. 572 D) zur Sinnes- 
änderung (sig μετάνοιαν, vgl. Sap. 1128. 1210. 19), wobei es 
natürlich von dem Verhalten des Menschen abhängt, ob er 
sich treiben lässt. Nicht das &@ysıv Gottes, aber die Erkenntniss 
desselben hängt von diesem Verhalten ab. — V. 5. κατὰ δέ 
τὴν σκληρότητα σου) bildet den Gegensatz zu dem Wahn, 
als ob die persönlichen Vorzüge des Juden oder die Er- 
weisungen der göttlichen Güte ihn straffrei machten (V. 8 ἢ). 
Der in den beiden Fragesätzen liegenden Verneinung dieses 
Wahns tritt steigernd gegenüber, wohin sein Verhalten in 
Wahrheit führt: Vielmehr aber. Mit grossem Nachdruck tritt 
die Präposition voran, welche aussagt, in Gemässheit welcher 
in seinem Verhalten sich erweisenden Herzensbeschaffenheit 
dieser seinem Wahn so ganz entgegengesetzte Erfolg eintreten 
muss. Denn offenbar ist es seine σχληρότης (Din 9x) und 
sein in Folge dessen der Sinnesänderung nicht mehr fähiges 
(ἀμετανόητος, vgl. Lucian. Abdic. 11) Herz, was ihn für 
das göttliche ἄγειν v. 4 unempfänglich macht und ihn darum 
in der Unwissenheit lässt, welche seine Verachtung der gött- 
lichen Güte ermöglicht. In Gemässheit dieser Herzensbe- 
schaffenheit verwandelt sich ihm nothwendig der Reichthum 
der göttlichen Güte, Geduld und Langmuth in eine wachsende 
Fülle göttlichen Zorns, die daher mit furchtbarer Ironie als 
ein Schatz bezeichnet wird, den der Unbussfertige sich selbst 
aufhäuft (ϑησαυρίζεις σεαυτῷ, vgl. Prv 118. Dieser 
Zorn kommt noch nicht zur Erscheinung, wie bei den Heiden 
(118), da noch thatsächlich Israel den Reichthum der Güte, 
Geduld und Langmuth ertährt; aber es kommt ein Zornestag 
(ἡμέρα ὀργῆς, vgl. Ps 1105), d. h. ein Tag, welcher nicht 
mehr göttlicher Güte, sondern göttlichem Zorne gehört, und 
welcher, indem an ihm der Gotteszorn sich über die Unbuss- 
fertigen entladet, zur Offenbarung des gerechten Gerichtes 
Gottes bestimmt ist (zal ἀποχαλύψεως διχαιοχρισίας 
τοῦ ϑεοῦ). Denn so lange noch die Langmuth Gottes 
regiert, bleibt auch sein gerechtes Richten noch verhüllt. 
Erst, wenn ein solcher Tag anbricht — und das geschieht 
am Abschluss der Weltgeschichte im Endgericht — tritt gött- 
licher Zorn an die Stelle göttlicher Güte; und darum kann 
die Mehrung desselben, welche der Unbussfertige durch sein 
Verhalten herbeiführt, erst an diesem Tage erfolgen (ϑησαυρί- 
las σεαυτῷ ἐν ὑμέρᾳ) ἢ. — V. 6 hebt der Apostel noch 


Ἢ Der Vers setzt also nicht die Frage fort (Koppe, B.-Crus., 





Röm 2e. 107 


einmal auf Grund von Ps 62:8. Prv 2412 hervor, dass die 
Vergeltung in diesem gerechten Gerichte den Handlungen 
eines Jeden entsprechen wird, wie schon V.2 angedeutet war, 
dass also den, der thatsächlich das Böse thut, weder sein 
Richten Anderer, noch irgend ein Vorzug, den er sonst hat, 
vor dem göttlichen Zorne bewahren kann. 


Anmerkung. Da der Apostel immer noch in der Darlegung 
begriffen ist, wie allein das Evangelium mit seiner Offenbarung einer 
gottgeschenkten Gerechtigkeit vom Zorne Gottes und dem ewigen 
Verderben erretten kann (lısf.), so handelt es sich hier zunächst 
zweifellos um die Urnorm der göttlichen Gerechtigkeit, ἃ. ἢ. darum, 
wie eich das Schicksal der Menschen gestalten würde, wenn es kein 
Evangelium gäbe. Insofern haben de W., Reiche u. A. (wohl schon 
Calov.) ganz Recht, dass Paulus hier vom gesetzlichen Standpunkte aus 
rede, ohne dass deshalb von einem besonderen Gericht für die Nicht- 
christen die Rede ist (Frtzsch.), und streng genommen gehört also die 
Frage gar nicht hierher, wie sich zu dieser Aussage die Paulinische 
Rechtfertigungslehre verhält, ob in ihr eine theilweise Aufhebung der 
allgemeinen moralischen Weltordnung liegt (Reiche), oder ob neben 
ihr jene Aussage nur einen unüberwundenen Rest Jüdischer Dogmatik 
repräsentirt (Pfleid.), wie schon Frtzsch. hier eine Inkonsequenz fand. 
Diese Frage entsteht vielmehr erst dadurch, dass Paulus auch an 
Stellen, wo er unzweifelhaft vom christlichen Standpunkte aus redet, 
von einem Gericht nach den Werken spricht (IIKor 5ıo. Gal 5fl. 
Eph 68. Kol 324). Meyer hebt hervor, dass diese Werke nur die 
nothwendige Wirkung und Frucht der fides salvifica sind (vgl. Sand.), 
dass sie bei den Christen nicht nach dem Mosaischen Gesetz, wie bei 
den Juden, oder nach dem natürlichen Gesetz, wie bei den Heiden, 
sondern nach der durch Christum eingetretenen πλήρωσις τοῦ νόμου 


Ew.), bildet auch nicht den Gegensatz zu dem ἀγνοῶν, als ob der 
Partizipialsatz aufgelöst würde (Otto), oder zu dem über die göttliche 
Absicht Gesagten (Meyer). Das ἐν ἡμέρᾳ ist nicht gleich: in diem irae 
zu fassen (Luther, Beza, Calv., Est. u. Viele), aber auch nicht mit 
ὀργήν zu verbinden (Meyer, Luth., Lips, Sand... Das ϑεοῦ mit zu 
ὀργῆς zu ziehen (Hofm.) verbietet die offenbar beabsichtigte Correlation 
des ὀργήν — ὀργῆς. — Das zu nach αποχαλυψεὼως (KLP) ist als Nach- 
hälfe für die gehäuften Genitive zu streichen. Das Wort dızasoxgı- 
σέα findet sich ausser bei Vätern wie Justin. de resurr. p. 223 nur 
noch bei einem unbekannten Uebers. Hos 65 (wo die LXX zoiu« 
baben) und Test. XII Patr. p. 547 u. 581. Dass der Tag des End- 
gerichte und nicht irgend ein N geschichtliches Gottesgericht 

emeint ist, hätte Otto nicht in Zweifel stellen sollen; trotzdem wird 

erselbe nicht als solcher in concreto bezeichnet, sondern seinem 
Wesen nach charakterisirt, weshalb gewiss nicht absichtslos die Artikel 
fehlen (vgl. Hofm., Volkm. gegen Meyer). 











108 Röm 27. 


(Mt 5ı7) beurtheilt werden, und dass auch so der Christ nicht aus 
Verdienst der Werke, sondern durch den Glauben, dessen Thbatzeugniss 
und Massstab die Werke sind, des Heils theilbaftig werde, und er- 
klärt mit Calov.: secundum opera i. 6. secundum testimonium operum 
sei etwas Anderes als propter opera i. e. propter meritum operum 
(vgl. Apol. Conf. Aug. art. 3 u. Beza z. St.), womit freilich das Problem 
noch nicht gelöst ist. Näheres vgl. Ὁ. Weiss, bibl. Th. $ 98, ς ἢ). 


V. TE. τοῖς μὲν — ζητοῦσιν) gehört zusammen, wie 
fast alle neueren Ausleger richtig erkennen. Um das ἑχαστῳ 
V. 6 näher zu erläutern, wird an den beiden Hauptkategorien 
von Menschen nachgewiesen, wie ihnen nach ihren Werken 
vergolten wird. Die erste derselben umfasst die, welche in 
Gemässheit ausdauernden Gutesthuns nach dem rechten 
Ziele trachten. Das χατα, das nicht bloss die Art und Weise 
bezeichnet (Lips.), nimmt mit Absicht das κατά aus V.6 auf; 
denn die rechte Art des Trachtens (Inreiv, wie Mt 6s) 
wird sich nach derselben Norm richten, nach welcher die Ver- 
geltung erfolgt. In den LXX steht ὑσεομονή nur von aus- 
dauernder Hoffnung (Ps Yıs. 626. Esr 105), hier, wie ITh 18, 
mit dem Gen. obj. von der Ausdauer (Polyb. 4,51,1. Theophr. 
Char. 6,1) in sittlichem gutem Verhalten. So wird das ἔργου 
ἀγαϑοῦ in kollektivem Sinne (God.) hier den einheitlichen 
Charakter (Luth.) des wahrhaft sittlichen Thuns bezeichnen. 
Als Gegenstand des Trachtens nennt Paulus δόξαν x. τιμὴν 
x. ἀφϑαρσίαν, weil er denselben eben nicht vom christlichen 
Standpunkte aus charakterisiren will el. Beck gegen Meyer), 
sondern von der Menschheit an sich redet, abgesehen von der 
Erlösung (vgl. z. V. 6). Diese kann aber schon gemäss der 
ihr (und selbst den Heiden) gegebenen ursprünglichen Gottes- 
erkenntniss nach der Theilnahme an der Herrlichkeit und 


*) Um dieges Problem zu umgehen, fasst Otto p. 152f. die Futura 
in V. 6—16 nicht als Futura der Zeit, sondern der logischen Folge 
und denkt bei dem «nodıdoraı an den Gerechtigkeitsakt Gottes, kraft 
welches er jedem, der sich dazu geeignet erweist (durch seine ἔργα), 
den Zutritt zum Reiche Gottes durch Bewirkung des Glaubens gewährt 
oder durch Verstockung verschliesst, so dass also die gemeinten Werke 
gerade nicht Früchte des Glaubens sind, sondern dem Glauben vorher- 

ehen und die Lebensrichtung des Menschen anzeigen, welche zur 
laubensbewirkung qualifizirt. Lips. meint, es handle sich hier nicht 
um die religiöse Weltanschauung des Apostels, sondern um die be- 
sondere Beurtheilung der thatsächlich gegebenen Verhältnisse des 
sittlichen Lebens und nicht um Gesetzeswerke, Hilg. kann es sich 
sogar sebr wohl denken, dass Paulus ex lege Judaeorum den Grund- 
satz der Werkgerechtigkeit beibehalte, obwohl derselbe in concreto 
bei ihm keine Anwendung finden könne. 


Röm 27.8. 109 


Unvergänglichkeit Gottes (123) streben, nur dass sich mit dem 
Begriff der Herrlichkeit der Correlatbegriff der Ehre (Hbr 
2.9) verbindet, welche dem Besitzer derselben nothwendig zu 
Theil wird. Dass dabei nicht an irdische Herrlichkeit und 
menschliche Ehre gedacht ist, setzt der Zusatz καὶ ἀφϑαρσίαν 
ausser Zweifel, der nach Sap 22 auf das Ziel hinweist, zu 
dem der Mensch geschaffen ward. Diesen also wird Gott 
nach dem Grundsatz in V. 6 ewiges Leben (ζωὴν aiwvıo») 
zur Vergeltung geben (erg. ἀσεοδώσει). Gemeint ıst das Leben 
der alttestamentlichen Verheissung (117), welches Herrlichkeit, 
Ehre und Unvergänglichkeit in sich schliesst (vgl. IKor 15.af.), 
da nach gerechter Vergeltung jeder nur empfangen kann, 
wonach er in rechter Weise gestrebt hat*), — V 8. τοῖς 
δὲ ἐξ ἐριϑείας) sc. οὖσι, Umschreibung des Substantiv- 
begrifis, aus der Vorstellung zu erklären, dass ihre ganze sitt- 
liche Verfassung aus der ἐριϑεία herrührt. S. Bernhardy 

.228f. Vgl. schon Vulg., Chrys. Mit ἐρεϑεία (vgl. Frtzsch.’s 

xcurs zu Kap. 2) wird im NT die Ränkesucht, Parteitreiberei 
(Arist. Pol. 5, 2f.) bezeichnet, die aber hier, wie überall (vgl. 
Gal 5». Jak 8:4. ı6) nicht sowohl an sich (Meyer, Volkm.), 
als vielmehr wegen der ihr zu Grunde liegenden eigensüchtigen 
oder rechthaberischen Gesinnung in Betracht kommt (vgl. 
Mehr., Hofm.: die Sucht, sich selbst, sein schlechtes Ich, sowie 
es ist, geltend zu machen), welche ja in den alltäglichen Ver- 
hältnissen ihre egoistischen Zwecke nur erreichen und mit 
ihrer Ansicht nur Recht behalten kann, wenn sie eine Partei 
um sich sammelt**. Das folgt schon daraus, dass als das 


*) Nimmt man τοῖς μέν für sich (Reiche, Ew., Hofm., Blbtr.), so 
bildet χαϑ᾽ ὑπομονήν die Norm des zu ergänzenden ἀποδώσει, 
was die Analogie des V.6 für sich zu haben scheint. Allein indirekt 
liegt ja auch in der richtigen Wortyerbindung, dass die Norm des 
Trachtens nach dem in der Vergeltung zu erlangenden Ziel zugleich 
die Norm jener Vergeltung ist, und das ζητοῦσεν ζωὴν alavıoy (wenn 
oder weil sie nach ewigem Leben trachten) schleppt unerträglich 
matt nach. Die Verbindung des τοῖς μὲν χαϑ᾽ ὑπομονήν durch ein 
ergänztes οὖσιν (Beng., Frtzsch., Krehl), nöthigt δόξαν — ζητοῦσιν als 
eine asyndetische Apposition zu nehmen; und die Uebersetzung 
Luther’s will gar trotz der Verbindung des χαϑ᾽ ὑπομ. mit ζητοῦσιν 
ζωὴν alov. auf Grund eines Hyperbaton (vgl. schon Oecum) δόξαν — 
ἀφϑαρσ. ale Objekt zu dem zu ergänzenden ἀποδώσει fassen. 

ἘΦ) Das Wort ist nicht von ἔρις oder ἐρέζω abzuleiten, sondern 
von ἔριϑος, Lohnarbeiter, Spinner (Hom. o, 550. 560. Hesid. ἔργ. 
600 f. Dem. 1313. 6. LXX. Jes 3812); davon ἐρεϑεύω, um Lohn 
arbeiten (Tob 211), dann auch: selbstsüchtig handeln, Umtriebe 
machen (vgl. ἐξερεϑεύεσθαι Polyb. 10. 25, 9 und ἀνερέϑευτος, ohne 
Parteiränke, bei Philo p. 1001 E). Falsch ist daher, wie schon IlKor 
1230 zeigt (wo es neben ἔρις steht), die gewöhnliche Auslegung: qui 


110 Röm 28.9. 


aus der ἐριϑεία Fliessende mit xai ἀπει ϑοῦσιν τῇ ἀληϑεῖ 

etwas verbunden wird, was weder aus der Parteisucht noch 
aus der Streitsucht an sich folgt. Wohl aber muss der Un- 
gehorsam gegen die (dem Menschen offenbarte) Wahrheit 
(1 18) die immer zugleich normgebend für ihn ist, die Folge 
einer Gesinnung sein, welche überall das Eigene sucht oder 
mit ihrer Ansicht Recht behalten will. — πεειϑομένοις δὲ 
τῇ @dıxia) hebt noch ausdrücklich hervor, dass der Unge- 
horsam gegen die (göttliche) Wahrheit, welcher sie sich aus 
eigensüchtiger Rechthaberei nicht fügen wollten, sie nur dazu 
bringt, ihrem Widerspiel, der adıxia (1 18), zu gehorchen. — 
ὀργὴ καὶ ϑυμός) sc. ἔσται. Paulus hat die vorherige 
Struktur in der Lebendigkeit der Gedankenbewegung (vielleicht 
auch weil das ἀποδώσει zu dey. κ. ϑυμ. nicht recht gepasst 
hätte) abgebrochen. Der Begriff des göttlichen Zornes, der 
ihnen zu Theil wird (vgl. V. 6), wird durch seine Verbindung 
mit ϑυμός, das auch Ps 26. ı2 das Auflodern der göttlichen 
Entrüstung bezeichnet, noch gesteigert*). — V. 9 folgt eine 





sunt ex contentione (Vulg.), die Streitsüchtigen (Orig., Chrys., Oecum., 
Theophyl., Erasm., Luther, Beza, Calv. u. 8. w.), unter welchen man 
meist die wider Gott sich Auflehnenden verstand (Beck: Wider- 
spenstigkeit, mit Berufung auf ἐρεϑέζεον 1Sam 1214, ἐρεϑισμός Din 
2120. 8121, vgl. de W., Zimmer, auch Sand. bei richtiger Ableitung), 
wenn man den Begriff nicht ganz verflüchtigte in »gottloses Wesen« 
(Kölln., vgl. Frtzsch.: homines nequam). Unerweislich ist Reiche’s 
Vermuthung, dass der vulgäre Sprachgebrauch das Wort fälschlich 
von ἔρες hergeleitet und ihm die entsprechende Bedeutung geliehen 
habe, und hier würde dieselbe, wie man sie auch herauszubringen 
sucht (vgl. Phil.), wenig passen. Ganz fern liegt es, mit God. an die 
rabbinischen Schulstreitigkeiten, mit Rück., Otto an den jüdischen 
Partikularismus oder mit Lips. an das prahlerische Wesen der in 
ihrer vermeintlichen Gerechtigkeit sich über die Heiden erbebenden 
Juden (weshalb er das xa/ durch trotzdem analysirt!) zu denken. 
Auch v. Heng. denkt an Hochmutb, Goeb. an irdischen Sinn. Hofm. 
muss, um seine falsche Fassung des τοῖς μέν V. 7 zu stützen, auch 
bier τοὶς δέ für sich nebmen, 2x in causalem Sinne mit ἀπειϑοῦσεν 
verbinden, und das χαί auf’e Gezwungenste erklären: denen, die aus 
ἐριϑ., statt nach ewigem Leben zu begehren, vielmehr u. s. w., ohne 
selbst auf diesem Wege zu einem völlig entsprechenden Gegensatz zu 
gelangen. Aehnlich Bibtr. p. 68. 

5) Das μὲν nach απείϑουσιν (Ropt. nach AEKLP u. griech. Vätern) 
ist nicht aus Unachtsamkeit übergangen (Meyer), sondern wegen des 
folgenden de zugesetzt. Es wäre auch in der Tbat ganz unpassend, 
da dies πεέϑεσθαι (vgl. Eurip. Phoen. 2. Xenoph. Cyrop. 4. 3, 3) 
keineswegs bei jenem ἐπειϑεῖν intendirt war, sondern vielmehr die 
ausschliessliche Geltendmachung des eigenen Interesses und der eigenen 
Ansicht, und da eben nur vom Apostel angedeutet wird, dass sie dieser 
Intention entgegen durch jenes ἀπειϑεῖν nur den Herrn wechseln. 
Die Stellung von ogyn vor ϑύυμὸς ist gegen die Rept. (KLP) ent- 


Röm 29. 10. 111 


nachdrucksvolle Zusammenfassung von V. 7f. in umgekehrter 
Ordnung, welche die Absicht hat, es noch einmal hervorzu- 
heben, dass dieses Grundgesetz der Vergeltung für Juden und 
Heiden in gleicher Weise gilt, und die beiden Theile der 
vorchristlichen Menschheit, die bisher nur charakterisirt waren, 
nun ausdrücklich zu bezeichnen ἢ. — ϑλῖψις “ai orevo- 
χωρία) sc. ἔσται, knüpft unmittelbar an das zuletzt be- 
sprochene Sckicksal derer an, die das Gute nicht thun, weil 
eben darin, dass auch die Juden, weil sie das Böse thun, dem 
göttlichen Zorngericht verfallen sind, die Pointe der ganzen 
Ausführung liegt. Die στενοχωρία ist Steigerung von ϑλῖψες 
und bezeichnet einen höheren Grad der Drangsal, eine Drang- 
sal, aus der man, von allen Seiten her bedrängt, keinen Aus- 
weg mehr sieht (Böhmer). Vgl. Jes 82. 306. Dtn 288. — 
ἐπὶ τεᾶσαν ψυχὴν ἀνθρώτεου) bezeichnet, wie lıs. 22, 
dass sich diese Drangsal und Bedrängniss über jeden einzelnen 
Menschen (Beck) erstreckt, der das Böse verübt (τοῦ κατερ- 
yalou&vov τὸ χαχόν, vgl. 1). Indem nun der Apostel, 
dem ἑκάστῳ V. 6 entsprechend, diese Wahrheit auf die beiden 
Theile der vorchristlichen Menschheit in ihrer Zusammen- 
gehörigkeit anwendet (1.16), deutet er, wie in dieser Stelle, mit 
dem πρῶτον auf die in der heilsgeschichtlichen Prärogative 
Israels begründete Priorität hin. Die besteht aber darin, dass 
das Volk, welches kraft seiner heilsgeschichtlichen Stellung 
die göttlichen Verheissungen und Drohungen empfangen hat, 
auch zunächst und vor Allem ihre Erfüllung zu erfahren be- 
kommen wird**). — V. 10. δόξα δὲ χαὶ rıun) wie V. 7, 


scheidend bezeugt. Die Verbindung mit dem Folgenden (Mehr.) stört 
unnöthig den gewichtigen Gleichbau. Ueber den Unterschied beider 
Worte 8. Tittm. Synon. p. 181 ff. und vgl. Isocr. 12, 81: ὀργῆς x. ϑυμοῦ 
μεστοί. Herodian. 8, 4, 1: ὀργῇ x. ϑυμῷ χρώμενος. Lucian. de 
calumn. 23. 

*, Daraus folgt natürlich nicht, dass bisher noch nicht von den 
Juden die Rede war (Hofm.), da gerade jetzt die Absicht der ganzen 
Auseinandersetzung V. 1—8, die Juden als ebenso wie die Heiden dem 
Zorne Gottes verfallen zu erklären (vgl. Holst. a. a. O. p. 124, Anm,, 
Lips.), direkt hervortritt. Vollends mit V. 9f. einen neuen Absatz 
zu beginnen (vgl. auch Volkm., Bibtr. p. 71), verbietet die schon im 
Ausdruck angedeutete enge Zusammengehörigkeit mit V. 71. 

**) Ungenügend erklärt Meyer die chiastische Ordnung damit, 
dass die Rede dadurch drohender und schreckender wird, zumal der 
Apostel nach dem Zusammenhang ja Niemand schrecken will, und 
findet in orevoywela (vgl. God., Beck, Lips.) das innerlich mit dem 
Gefühle der Rettungslosigkeit empfundene Unglück im Unterschiede 
von dem von aussen eindringenden (ϑλῖψες), was nach 835. IIKor 48 
willkürlich eingetragen ist. Allerdings bezeichnet das ao. ψυχ. α»ϑρ. 
nicht einfach »jeden Menschen« (Phil.), aber dass in dem Ausdruck 











112 Röm 210—12. 


verbindet sich hier mit xai eienvr, das darum wie 17, Heil 
im umfassendsten Sinne bezeichnet, wie es in der Heilsvollen- 
dung dem Menschen zu Theil wird und eine durch nichts 
mehr gestörte Seligkeit wirkt (vgl. Böhmer, der an die dort 
damit verbundene ἀφϑαρσία erinnert, Lips., obwohl obige 
Deutung ablehnend: Gottesfrieden im künftigen Se 
Dies wird jedem zu Theil, der das Gute übt (Bem. das Simpl. 
τῷ ἐργαζομένῳ im Unterschiede von dem Comp. V.9) und 
zwar wieder dem Juden in erster Linie, was hier offenbar auf 
die Israel speziell gewordenen göttlichen Verheissungen geht 
(32) ἢ). 

V. 11—24. Die Werthlosigkeit des (Gesetzes- 
besitzes als solchen. — V.11. οὐ γάρ) begründet die in 
V. 9£. hervorgehobene allgemeine Anwendung des Grund- 
gesetzes der göttlichen Vergeltung V. 7f. dadurch, dass par- 
teiisches Vorziehen aus persönlichen Rücksichten bei tt 
nicht stattfindet. Aus dem alttestamentlichen zz000w7z0v Aau- 
Baveıv (Lev 1915. JSir4z. IllEsr 48, vgl. z. Gal 26) bildet 
das NT das Subst. zeoowrzzoAnwia (Jak 21. Eben weil 
diese Parteilichkeit nur auf die besonderen Vorzüge, die das 
Jüdische Volk vor den Heiden voraus hat, Rücksicht nehmen 
könnte, bahnt sich Paulus durch diesen Allgemeinsatz den 
Weg, um nun im Einzelnen nachzuweisen, warum diese Vor- 
züge die Juden nicht vor dem Zorngericht, dem sie nach 
V. 2—10 verfallen sind, schützen können; und er führt dies 
zunächst aus an ihrem Gesetzesbesitz. — V. 12f. begründet 








die Seele als der Theil bezeichnet ist, von welchem die 94. x. or. 
empfunden wird (Rück., Meyer, Luth., Lips.), ist doch wohl gesucht, 
da sich der Ausdruck einfach daraus erklärt, dass die ψυχή das 
Prinzip der Individualität ist (Weiss, bibl. Theol. 827, Ὁ). Vgl. 181. 
Das πρῶτον ist sicher nicht ironisch gemeint (Reiche); aber die Re- 
flexionen darauf, dass das Gericht auf dem heilsgeschichtlichen Gebiet 
sich anbahnt und darum dem Volke Gottes früher gilt, während der 
Grieche der entferntere Gegenstand des Gerichts ist (Hofm., vgl. 
Böhmer), dass mit dem stärkeren Antrieb zur Erfüllung des gött- 
lichen Willens die Verantwortung wächst (de W., Phil., God. eck, 
Luth.), dass die Sünde des Judenthums bewusster Ungehorsam ist 
(Holst.), oder dass der Jude sich besser dünkt als der Heide (Lips.), 
passen zu dem πρῶτον im Parallelsatz nicht. 
*) Der Gedanke, dass die Tugend der Juden bewusster Gehorsam 
egen Gott ist (Holst.), liegt doch zu fern, und da eine Tendenz, dem 
Jüdischen Dünkel entgegenzutreten, nicht vorliegt, kann man nicht 
sagen, dass hier der Hauptnachdruck auf dem χαὶ Ἕλληνι liegt (Meyer). 
Beck vertbeidigt energisch eine höhere Lohnertheilung an den höher 
begabten Juden, wovon die Schrift nichts weiss. Das auf die δόξα 
καὶ τιμή folgende εἰρήνη kann der Natur der Sache nach nicht: Friede 
(Volkm., God., Beck) heissen. 


Röm 212. 113 


nämlich den Allgemeinsatz in V. 11 dadurch, dass die Be- 
strafung des Sünders eintritt ohne Rücksicht darauf, ob der- 
selbe ein Gesetz besass oder nicht. Paulus redet nur von 
der Bestrafung und nicht von der Beseligung, weil es sich ja 
in der ganzen Darlegung nicht um die Unparteilichkeit Gottes 
in abstracto, sondern um die konkrete Frage handelt, ob der 
Jude hoffen darf, um seines Gesetzesbesitzes willen dem gött- 
lichen Zorngericht zu entgehen. — ὅσοι γὰρ ἀνόμως) Wie- 
viele (Mt 2291.) ohne die Norm eines Gesetzes (gehabt zu 
haben) sündigten, wie die Heiden, die auch IKor 921. Sap 
172. IMak 35 die ἄνομοι heissen. Natürlich ist dabei an 
ein gottgegebenes Gesetz gedacht, da es sich ja darum 
handelt, wie sie im Gerichte Gottes zu stehen kommen, aber 
nicht in concreto an das den Heiden fremde Mosaische Gesetz 

(Meyer, Lips). Das Präteritum ἥμαρτον ist vom zeitlichen 
᾿ Standpunkte des Gerichts aus gesagt. Jedes ἁμαρτάνδιν 
schliesst den Zustand der Gottwohlgefälligkeit aus und hat 
daher das Verderben zur Folge. Das xa: drückt aus, dass 
ihr ἀπολεῖσϑαι ihrem auapraveıv entsprechen wird, und nicht, 
dass jenes ebenso ἀνόμως geschehen wird, wie dieses (de W., 
Hofm., God.), da dann χαί vor ἀνόμως stehen müsste *). Die 
Unparteilichkeit Gottes, welche begründet werden soll, besteht 
ja darin, dass er in jedem Fall über die Sünde Strafe ver- 

ängt, und die Erwähnung des spezifisch verschiedenen Wie 
dient nur dazu, hervorzuheben, wie durch die Verschiedenheit 
der Verhältnisse wohl dieses Wie modifizirt, aber das Dass 
nicht aufgehoben werden kann. — ἀπολοῦνται) bezeichnet 
im AT das Getödtetwerden (Est 9u.ı.. IMak 23%, vgl. Mt 
218) oder sonst ein Umkommen im unnatürlichen Tode (Gen 
204. Jes 302, vgl. Mt 8%) und wird im NT der technische 


ἢ Da im ἀπολεῖσθαι die höchste Strafe liegt, darf man in dem 
zweiten ἀνόμως nicht etwas Milderndes finden (Chrys., Theophyl., 
Oecum., vgl. Beck), als ob es die Strenge des Gesetzes ausschliessen 
solle. Wiefern bei dem Mangel einer (positiven) Gesetzesnorm über- 
haupt von zurechenbarer Sünde und Strafe die Rede sein kann, erhellt 
aus V. 14f., aber daraus folgt durchaus nicht, dass ἀνόμως auf den 
Mangel des mosaischen Gesetzes gehen muss, wie Lips. meint, da das 
ursprüngliche Sittenbewusstsein den Heiden eben nicht ein ihnen 
gegenüberstehendes (positives) Gesetz war. Das zweite ἀνόμως schliesst 
die Fassung des ersten aus, nach welcher eine Verwerfung jedes 
Gesetzes darin liegen soll (Sand... Dass Paulus nur von der Be- 
strafung redet, erklärt Hofm. fälschlich dadurch, dass bei ihr die 
Parteilichkeit näher liegt, Meyer dadurch, dass nur sie bei Un- 

läubigen eintreten kann. Uebrigens vgl. zu diesen Versen Charles 
holmondeley, the passage of the four γάρ Rom 211—ıe. London 
1880. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 8 





114 Röm 912. 18. 


Ausdruck für den Tod, dem der Sünder auf ewig verfallen 
bleibt, wenn er nicht durch die Auferweckung zum ewigen 
Leben (117. 27) davon errettet wird (vgl. die σωτηρία 116), 
also das ewige Verderben. Vgl. Weiss, ib Theol. $ 34, c. — 
„al ὅσοι ἐν νόμῳ ἣἥ μαρτον) heisst entweder beim Gesetz, 
d.h. im Besitz des le (Meyer, Lips. nach Win. 8 48, a, 2) 
oder wohl besser innerhalb eines Gesetzes, als der göttlichen 
Ordnung ihres Gemeinlebens (Hofm.). Gewöhnlich nimmt 
man an, dass auch νόμος ohne Artikel vom Mosaischen Ge- 
setz stehe; aber dem adverbialen ἀνόμως entspricht offenbar 
viel besser: innerhalb einer (gottgegebenen) gesetzlichen Ord- 
nung (vgl. God. Luth.). Dass es eine solche nur in Israel 
gab, ist ja richtig; allein hier kam es nicht auf die geschicht- 
liche Wirklichkeit einer solchen, sondern auf die Verhandlung 
der ganz allgemeinen Frage an, ob Besitz eines (fesetzes für 
das Schi des Menschen im Gerichte Gottes einen Unter- 
schied mache *). — χρεϑήσονται) der Wechsel des Verbums 
ist durch δεὰ νόμου dargeboten, da von einem Gerichtet- 
werden streng genommen nur die Rede sein kann, wo das 
Verhalten des Menschen nach der Norm eines Gesetzes be- 
bemessen und in Gemässheit seiner Strafandrohung mit Strafe 
belegt wird. Nur wo einer innerhalb einer gesetzlichen Ord- 
nung steht, ist auch eine gesetzliche Norm vorhanden, mittelst 
derer er, wenn er sündigt, gerichtet werden kann. Auch hier 
liegt aber der Nachdruck nicht auf der relativ gleichgültigen 
Art, wie das Gericht vollzogen wird, sondern darauf, dass 
es vollzogen wird. — V. 13 begründet dies κρεϑήσονται mit 
offenbarer Rücksichtnahme auf die Vorstellung, als ob der 
Besitz eines gottgegebenen Gesetzes, welcher der unleugbare 
Vorzug des Judenthums ist, als solcher vor Gott wohlgefällig 
mache und somit vom Gerichte eximire **). — οἱ ἀχροαταί 


*) Das Fehlen des Artikels erklärt man gewöhnlich daraus, dass 
vöuos zu den Worten gehört, die einen nur einmal vorhandenen 
Gegenstand bezeichnen und deshalb den Nom. propr. sich nähern 
(Meyer nach Win. 8 19, 1), also daraus, dass es terminus technicus 
ist (80 sehr nachdrücklich wieder Lips.); ja Volkm. behauptet sogar, 
dass νόμος immer das Mosegesetz bezeichne und ὁ söuos im Unter- 
schiede davon die sittliche Verpflichtung oder das Gottesgesetz über- 
haupt. Ganz umgekehrt ist von v. Heng., Th. Schott, Hofm., Holst. 
u. M. bestritten, dass νόμος ohne Artikel je vom Mosaischen Gesetz 
stehe. Dagegen besonders Grafe. die paulinische Lehre vom Gesetz 
1884, p. ‚ welcher meint, dass das Setzen und Weglassen des 
Artikels rein philologisch nach dem Sprachgefühl und bestimmten 
Sprachgewohnheiten des Apostels erklärt werden müsse. In dieser 
Stelle aber liegt dazu wenigstens durchaus kein Grund vor. Vgl. 
die treffliche Auseinandersetzung von Sanday p. 583. 

“4 Die Rcept. (nach KL) hat den Art. vor vogov beide Male zu- 


Röm 218. 14. 115 


vouov) vgl. 741 1 ἢ. Das Substantiv hebt stärker, als durch 
den Partizipialausdruck geschehen würde, das Charakteristische 
hervor: diejenigen, deren Sache das Hören ist. So werden 
die Juden charakterisirt, weil sie das Gesetz meist nur aus 
der sabbatlichen Vorlesung in der Synagoge (Act 1521. IlKor 
31. Joseph. Antt. 5, 1, 26. 5, 2, 7) kennen lernten. Nicht 
die Hörer eines Gesetzes sind gerecht, d. h. der Norm des 
göttlichen Willens entsprechend und damit Gott wohlgefällig 
(dixauoı, vgl. 11 nach göttlichem Urtheil (παρὰ Yew, 
vgl. IKor 8:9 und dazu Win. ὃ 48, d), sondern die Thäter 
eines Gesetzes (οἱ zroınrai νόμου, vgl. IMak 2er. Jak 
4), da Gott nach dem Grundsatz V. 6 nicht fragen kann, 
ob einer durch den Besitz eines Gesetzes einen persönlichen Vor- 
zug hat (V. 11), sondern nur, ob er durch Erfüllung desselben 
seiner Forderung entspricht. Hier zeigt der Parallelismus mit 
dem δίκαιος παρὰ ϑεῷ unzweifelhaft, δικαιωϑήσονται 
den richterlichen Akt bezeichnet, durch welchen einer für 
rechtbeschaffen, der gottgesetzten Norm entsprechend und 
dadurch Gott wohlgefällig erklärt wird (8. z. 117), womit er 
dann freilich vom Gericht eximirt wäre. Paulus spricht hier 
die Urnorm der göttlichen Gerechtigkeit aus (vgl. z. V. 6), 
ohne Rücksicht auf die Frage, ob es Thäter des (Gesetzes im 
vollen Sinne giebt (was er später verneint, 3»). Gäbe es 
aber solche, so gäbe es auch eine Rechtfertigung aus den 
Werken, die vollkommen genügte, vom Gericht und damit 
von der arwiee (V. 12) befreit zu werden. Vgl. Weiss, 
bibl. Th. $ 66, b. »Haec descriptio est justitiae legis, quae 
nihil impedit alia dieta de justitia fidei«, Melanth. 

V. 14ff. begründet den Gedanken von V. 13, dass nicht 
der Gesetzesbesitz, sondern die Gesetzeserfüllung vor Gott 
rechtfertige, dadurch, dass ja auch die Heiden ein Analogon 
des Gesetzes haben, also wenn es auf den blossen Gesetzes- 
besitz ankäme, vor Gott gerecht sein müssten, während doch 
auch bei ihnen alle Selbstzurechnung nur danach stattfinde, 
ob sie die Forderung des Gesetzes erfüllt haben oder nicht ἢ). 
— V.14. ὅταν) vgl. Mt. 62. 6.6, setzt einen Fall, welcher 





gesetzt; aber es ist klar (gegen Lips.), dass hier gerade es darauf an- 
kam, den Satz ganz allgemein auszusprechen, da von jedem anderen 
gottgegebenen (Gesetze als dem mosaischen dasselbe ebenso gelten 
würde. Der Art. vor 9ew, der in BD fehlt (WH. i. Kl.), ist aus V.11 
eingekommen. Otto versteht unter den ποιηταὶ νόμου die, welche die 
Bestimmung des Gesetzes d. ἢ. das Anklagen und Verurtheilen ihrer 
selbst (an sich) zum Vollzug bringen! 

Es wird also weder bloss die erste Hälfte von V.13 begründet 
(Phil., God., Hofm., vgl. dagegen Luth.), noch bloss die zweite, als ob 


8r 





116 Röm 914. 


in irgend welcher Zeit stattfindet, und dessen öfteres Eintreten 
möglich ist: im Falle wenn, so oft als. — ἔϑνη) ohne Art. 
Der Apostel redet also nicht von der Heidenschati überhaupt, 
sondern von einzelnen Heiden, bei welchen der angenommene 
Fall statt habe, und charakterisirt sie durch das artikul. Par- 
tizip (vgl. 1.18) nach dem Punkte, auf welchen es hier an- 
kommt, näher als τὰ un νόμον ἔχοντα, d.h. als solche, 
die ein Gesetz doch nicht haben. Die subjektive Negation 
verneint, mit Beziehung auf das im scheinbaren Widerspruch 
damit stehende σεοιεῖν τὰ τοῦ νόμου, das νόμον, wobei es steht, 
sofern doch Heiden als solche ein Gesetz, wie es Israel hat, 
jedenfalls nicht besitzen und darum ein Gesetz überhaupt zu 
entbehren scheinen (vgl. Sand... — φύσει) bezeichnet die 
nativa indolos, d. i. die ursprüngliche, mit dem Dasein ge- 
setzte und durch Naturanlage und deren natürliche Ent- 
wickelung gestaltete Verfassung; »quia natura eorum ita fert«, 
Stallb. ad Plat. Phaedr. p. 249. er Dativ bezeichnet die 
bewirkende Ursache, hier nach dem Zusammenhange im 
Gegensatz zu dem durch den Antrieb eines positiven (gott- 
gegebenen) Gesetzes oder durch andere Antriebe und Leitun- 
gen positiver Offenbarung Gewirkten. Es handelt sich also 
um den Fall, wo Heiden von Natur thun za τοῦ νόμου, 
d. ἢ. was zum Gesetze gehört, einzelne Vorschriften desselben. 
Nicht schlechthin τὸν νόμον sagt Paulus, da doch nie Heiden 
von Natur das ganze Gesetz erfüllen, sondern höchstens in 
konkreten Fällen durch ihr Thun den betreffenden Stücken 
des Gesetzes entsprechen ἢ. Bemerke, wie hier ausdrücklich 


der Vorwand, dass dann die Heiden ohnehin nicht gerechtfertigt 
werden könnten, abgelehnt werden solle (So im Wesentlichen schon 
Chrys., Ersm. u. M., neuerlich unter verschiedenen Modifikationen 
Tbol., Rück., Rche., Köllner, Frtzech., v. Heng., Ew., Meyer, Holst., 
Zimmer, Otto). Dies erkennt auch Lips. an, obwohl er irrig die Be- 
ründung der 2. Hälfte ia V. 14—16, die der ersten in V. 17—24 
findet. eder kann über V. 13 hinweg, den Koppe, Mehr. paren- 
thesiren wollen, die V.12 behauptete Verdammung ἀν Heiden (Calr., 
Flatt, Krebl, vgl. noch Beck) bewiesen werden, von der ja auch im 
Folgenden garnicht die Rede ist, noch bloss mit Bezug auf V. 195. 
die Zurechnungsfähigkeit der Heiden (de W.), obwohl dieselbe that- 
sächlich auf dem hier Besprochenen berubt. Vgl. zu 2ı4fl. noch 
Michelsen und Köhler, StKr 1873, p. 327ff., 1874, p. 271ff. 

*) Gewöhnlich erklärt man einfach als ob τὰ ἔϑνη stände (Bch., 
de W., Kölln., Phil., Beck), obwohl doch keineswegs bei allen Heiden 
dies vorkommt. Auch Lips. bestreitet, dass nur an einzelne heid- 
nische Personen gedacht sei und erklärt das Fehlen des Art. nach 
Rck. aus dem folgenden Partizipialsatz (ὃ !). Vgl. dagegen Sand. 
Das un lassen Holst., Lips. aus jüdischer Vorstellung heraus 
gesagt sein. Beza u. A., auch Flatt, Mehr., Beck erklären: quae lex 





Röm 214. 15. 117 


auf das bestimmte Gesetz zurückgewiesen wird, welches die- 
jenigen lıaben, von denen V. 12f. gesagt war, dass sie inner- 
alb eines Gesetzes sündigen und durch ein solches gerichtet 
werden, nämlich auf das Mosaische. — οὗτο 4) nachdrückliche 
Wiederaufnahme des Subjekts; Kühner $ 469, 4. Buttm. 
p. 262 f. — νόμον un ἔχοντες) ohne Artikel angeschlossen, 
also als Partizipialsatz aufzulösen: weil dieser Mangel bei 
ihnen stattfindet, vgl. Buttm., neut. Gr. p. 301. Denn die 
nicht, wie vorher, vor νόμον, sondern vor ἔχοντες gestellte Ne- 
gation negirt den Besitz eines Gesetzes, wie es die Juden 
haben, und wie es die eben nicht haben, welche φύσει das 
Gesetz thun. Eben weil sie ein Gesetz (als ausser ihnen 
stehender Lebensnorm) nicht haben, müssen sie sich selbst 
ein solches sein. — ἑαυτοῖς εἰσὶν νόμος) sie sind sich 
selbst ein Gesetz, d. i. ihr Sittenbewusstsein vertritt bei ihnen 
die Stelle eines geoffenbarten Gesetzes, wie es die Juden 
haben. Während diesen das Gesetz saet, was Gott fordert, 

n sie es sich selbst, wie daraus erhellt, dass sie gelegent- 
lich aus eigenem innerem Antriebe thun, was das Gesetz, d.h. 
Gott im Gesetze fordert, also sich doch vorher gesagt haben 
müssen, dass dies zu thun sei ἢ). 

V. 15. οἵτινες etc.) quippe qui, vgl. 1%. Die οὗτοι 
V. 14 werden so, dass dadurch das eben behauptete ἑαυτοῖς 
εἶσι νόμος bestätigt wird, charakterisirt: als καὶ εὐ die da, 
sofern sie eben durch das σοιεῖν τὰ τοῦ νόμοι V. 14 that- 


facit, nämlich das Gebieten und Verbieten, Verurtheilen und Bestrafen 
u. s. w. Dagegen entscheidet die genaue Beziehung, in welcher hier 
das ποιεῖν τὰ τοῦ νόμου zu ποιηταὶ τοῦ νόμου V.13 steht, das darum 
Otto bereits, ebenso wie diesen Ausdruck, missdeutet (s. ἃ. Anm.). 
Um den Heiden diese »natürliche« Sittlichkeit nicht zuzugestehen, 
zieht Beng. φύσεε zu un νόμον ἔχοντα, und Klosterm. p. 73—177 denkt 
gar an die durch das Evangelium wiedergeborenen Heiden. 

*) Parallelen vgl. bei Manil. 5, 495: ipse sibi lex est, Arist. Ni- 
com. 4, 14: γόμος ὦν ἑαυτῷ, Porph. ad Mare 25, p. 304. Dass sie 
den Willen Gottes schon zu ihrem eigenen gemacht haben (Hofm.), 
liegt in dem Ausdrucke noch keineswegs. Otto denkt zu dem ἑαυτοῖς 
als Gegensatz οὐχ ἄλλοις hinzu (während doch der Gegensatz in dem 

n ἔχοντες und εἰσίν liegt), und findet hier den Gedanken, dass ihr 
Crthoil nur ein subjektives, nach eigener Erfahrung bemessenes sei! 
Das Part. kann nicht durch: obwohl aufgelöst werden (vgl. noch 
Luth., Zimmer, Göb., Lips.), was einfach unlogisch ist, da ja im 
Folgenden garnicht etwas gesagt ist, was in gewissem Sinne das u 
ἔχειν aufhebt, sondern lediglich, was an seine Stelle tritt; aber auch 
nicht durch: während (Hofm.), wodurch der Zusatz jede logische 
Bestimmtheit verliert. Das zosn der Rept. statt ποίωσιν (δὲ ΑΒ) ist 
verkehrte Besserung wegen des Neutr. plur. 








118 Röm 216. 


sächlich erweisen (ἐνδδέχνυνται, vgl. IIMak 98. Sap 12ır), 
dass in ihren Herzen geschrieben stehe, was das Gesetz zu 
thun befiehlt. Absichtlich sagt der Apostel nicht τὸν νόμον, 
weil ja nicht das Mosaische Gesetz in seiner konkreten Form 
ihnen von Natur bekannt ist, auch nicht τὰ ἔργα τοῦ νόμου, 
weil ja nicht alle einzelnen Gebote dieses Gesetzes von dem 
natürlichen sittlichen Bewusstsein bestätigt werden, sondern 
τὸ ἔργον τοῦ νόμου, d. h. nicht das dem Gesetz ent- 
sprechende, es erfüllende Handeln (Meyer), sondern dem τὰ 
τοῦ νόμου entsprechend: dass dem Gesetz angehörende, ἃ. ἢ. 
von ihm gebotene Thun. Der Singul. geht nicht auf die im 
egebenen Falle vorgeschriebene Handlung (Lips.), sondern ist 
ollektiv, wie V. 7 (vgl. Sand.), und weist auf das Thun hin, 
das mit dem ποιεῖν τὰ τοῦ νόμου V. 14 gemeint war, und 
‘das sie ja nicht ausüben könnten, wenn es nicht als sittliche 
Verpflichtung ihnen kund würde. Darum erweisen sie dies 
Thun als ein in ihren Herzen geschriebenes. Als yoarrov 
wird es bezeichnet mit Beziehung auf das geschriebene Mo- 
saische Gesetz, obgleich das sittliche Gesetz bei ihnen ἄγρα- 
φος ist (Plat. Leg. p. 481 ΒΒ. Thuc. 2, 37, 3. Xen. Mem. 
4,4, 19. Soph. Ant. 450. Dem. 317. 23. 639. 22. Dion. 
Hal. 7,41). Das prädikativisch gemeinte Adject., welches zur 
Bezeichnung des Dauernden und Beständigen statt des Partic. 
gesetzt ist, bedarf der Ergänzung von ὅν ee) nicht. Das 
ἐν ταῖς χαρδίαις αὐτῶν zeigt, dass auch das ursprüng- 
liche Sittenbewusstsein seinen Sitz im Herzen hat, wie das 
ursprüngliche Gottesbewusstsein, vgl. 121 ἢ. — ovuuaerv- 
eovons) vgl. Xenoph. hist. gr. 3, 3, 2, kann kontextmässig 
nur bezeichnen, dass mit dem Zeugniss, welches die Thatsache 
ihres zvoreiv τὰ τοῦ νόμου für das Vorhandensein einer ob- 
jektivren Norm in ihnen ablegt, zugleich ihr Gewissen dafür 
Zeugniss ableg. Die συνείδησις ist, wie schon Sap 171: 


*, Man sollte dabei nicht an Jer 8158 erinnern (so gew., auch 
Meyer), wo es sich darum handelt, dass das Gesetz Gottes, völlig 
innerlich angeeignet, von innen heraus und nicht mehr als äusseres 
Gebot das Thun des Menschen bestimmt, wie es schon im alten 
Bunde als Ideal erkannt war (Dtn 8014. Jes 517), aber erst im neuen 
verwirklicht werden konnte. Dieses innerliche Gesetz ist nicht das 
Gewissen selbst (vgl. noch Lips.), sondern der normative Inhalt des 
dem Menschen ursprünglich eingepflanzten Sittenbewusstseins; den 
Erweis desselben bildet auch nicht das Gewissenszeugnies (Beng., 
Tbol.), das ja nachher ausdrücklich als zu dem in dem no««iy τὰ τοῦ 
vouov liegenden Thaterweise hinzutretend gedacht ist. Böhmer ver- 
steht unter dem ἔργον τοῦ vouov willkürlich die Liebe. Beck denkt, 
wie Otto, auch hier an das Geschäft, die Verrichtung, Funktion des 
Gesetzes mit Berufung auf Knapp, Scripta varii argum. p. 432. 


Röm 215. | 119 


(anders Koh 10%), bei Paulus das Bewusstsein, welches man 
über die sittliche Qualität seiner Handlungen hat (die sog. 
conscientia consequens); und dieses setzt allerdings voraus, 
dass man eine objektive Norm in sich hat, nach der man be- 
urtheilen kann, ob dieselben böse oder gut seien*. Das 
durch seine Voranstellung betonte αὐτῶν lässt von vom 
herein erwarten, dass dem, was in ihrem eigenen Inneren vor- 
geht, wo das Gewissen über die Qualität ihrer Handlungen 
urtheilt, etwas gegenübergestellt werden wird, was im Verkehr 
der Heiden mit einander geschieht (μεταξὺ ἀλλήλων, vgl. 
Mt 181), da auch in ihm zur Erscheinung kommt, wie un- 
willkürlich man ein sittliches Urtheil über die Qualität der 
- Anderen fällt. Mag es noch so oft von Umständen abhängen, 
ob und wie man sich über das Verhalten des Anderen aus- 
spricht; aber in Gedanken wenigstens (τῶν λογισμῶν, 
vgl. Ps 3310f. Prv 125) wird man immer dasselbe entweder 
anklagen oder auch entschuldigen. Nicht der Zustand der 
Heiden (Meyer) aber die allgemein menschliche Neigung, 
zunächst das Böse am Anderen wahrzunehmen (Mt 1581), 
bringt es mit sich, dass das χατηγορεῖν (IMak 76.2. Xen. 
mem. 1, 3, 4) das Gewöhnliche ıst, wenn auch gelegentlich 
(N καὶ) ein ἀπολογεῖσϑαι Je 12ı. IIMak 13%. IIKor 
1219) vorkommt. Auch die verklagenden oder rechtfertigenden 
Urtheile über die Handlungen Anderer setzen aber das Vor- 
handensein einer objektiven Norm im Inneren des Menschen 
voraus, nach der dieselben sich bestimmen, und sind darum 
ebenso wie das Gewissen Mitzeugen dafür, dass den Heiden 
das ἔργον τ. νόμ. ins Herz geschrieben sei. Dann ist freilich 
συμμαρτυρούσης, obwohl im Numerus durch das zunächst 
stehende Wort bestimmt (Win. $ 58, 6, Ὁ, β), nicht allein zu 
τ. συνειδήσεως, sondern auch zu τ. λογισμῶν zu ziehen, so 


Ὁ Es ist ganz willkürlich, das Comp. im Wesentlichen im Sinne 
des Simpl. zu nehmen (Kölln., Olsh., Thol. nach Aelteren und wieder 
Bibtr. p. 74, Klost. p. 56), da es immer die Uebereinstimmung mit 
der Person, für welche gezeugt wird (Thuc. 8, 51,2. Plat. Hipp. maj. 
p. 282 B), oder mit Anderen (Xen. Hist. Gr. 7, 1, 2. 3, 3, 2), oder, 
wie hier, mit einen Thatbeweise ausdrückt. Vgl. Isoer. p. 47A. In 
der Stelle Plat. Legg. 3. p. 680D wird ξυμμαρτυρεῖν von uaprvo. aus- 
drücklich unterschieden; denn nach dem vorhergegangenen τῷ σῷ 
λόγῳ Eosxe μαρτυρεῖν muss das os ξυμμαρτυρεῖ γὰρ heissen: er ist 
mein Mitzeuge, dessen Zeugniss mit meiner Rede übereinstimmt. 
Willkürlich aber ist es, zu denken an ein Mitzeugen mit dem gött- 
lichen Urtheil (Hofm.), oder gar mit dem Zeugniss Christi (Böhmer), 
wovon ja garnicht die Rede ist, aber unrichtig ist auch die Beziehung 
auf das positive Gottesgesetz (Beck) oder die ins Herz geschriebene 
Forderung (Luth., Göb.), die ja eben erwiesen werden soll. 





120 Röm 915. 16. 


dass xarny. ἢ κ᾿. ἀττολ. nicht als Prädikat dazu einen zweiten 
Gen. abs. bildet, sondern sich attributiv anschliesst: und im 
Verkehr mit einander die Urtheile, wenn sie (scil. den Nächsten) 
anklagen oder auch vertheidigen. Zu dem artikellosen Partic. 
nach dem artikulirten Nomen vgl. Win. ὃ 20, 1, c.*). 

V. 16. ἐν ἢ ἡμέρα)": kann nur an συμμαρτυρούσης 


% 


anknüpfen wel. olst. a. a. O. p. 114f. Anm.), sofern das 
Zeugniss der beiden Mitzeugen, welche den schon jetzt offen- 


kundigen Thatbeweis für das Vorhandensein jenes vöuos Ye. 
ἐν τ. καρ. bestätigen, erst am Gerichtstage ofenkundig ind. 
Denn in der Gegenwart wird ja die Stimme des Gewissens 
von den Heiden vermöge ihres γνοὺς ἀδόχειμος (128) vielfältig 
zum Schweigen gebracht, und die Sprache der inneren λογισμοί 


*, Gewöhnlich findet man hier nur eine weitere Exposition des 
Gewissensprozesses, indem man an die Gedanken denkt, die unterein- 
ander Anklage oder Entschuldigung führen. Dabei übersieht man 
nicht nur den klar angedeuteten Gegensatz von αὐτῶν und ἀλλήλων, 
sondern auch, dass ein solches Schwanken des Gewissensurtheils viel 
eber im Stande wäre, das Vorhandensein einer objektiven Norm im 
Innern des Menschen zweifelhaft zu machen, als sie zu beweisen. 
Das Richtige hat nach Flatt, B.-Crus. schon Meyer, vgl. Holst. a. a Ὁ. 
Β' 113f. Sand., im Wesentlichen auch Lips., der aber ganz unnöthige 
krupel gegen obige Erklärung erhebt und höchst wunderlich daran 
denkt, dass die guten Gedanken der Einen die Andern der Verletzung 
des Gewissensgesetzes anklagen, die bösen der letzteren jene davon 
freisprechen, was doch alles rein eingetragen ist. Ganz verkehrt hat 
man das μεταξύ für sich genommen (Koppe: dereinst, nämlich ἐν 
ἡμέρᾳ ete., Kölln., Jatho: dazwischen, dabei) oder mit dem folgenden 
Gen. abs. verbunden (Klosterm. p. 56-59: selbst mitten in dieser 
gegenseitigen Verklagung oder Vertheidigung der Gedanken). 

85) So WH txt. Trg. a. R. nach B, woraus leicht ev ἡμέρα ἢ 
(Lchm. nach A) oder ἐν nu. ore (Mjsc. Rept. Tisch.) entstand. ährend 
Laurent den Vers für eine Glosse zu V. 13 erklärte, die an unrechter 
Stelle in den Text gekommen sei, wollten gleich willkürlich Ew. an 
V.5, Volkm. an V. 9, Beck an V. 12 (ohne mit Beza, Grot., Griesb., 
Win., Reiche V. 13—15 zu parenthesiren), Meyer mit Lehm., B.-Crus., 
God., Zimmer an V. 13 anschliessen, so dass V. 14, parenthesirt 
würde. Allein abgesehen davon, dass für eine solche Parenthesirun 
jede Andeutung fehlt, welche dieselbe erkennbar machen könnte, Ber | 
dass sie einen so wichtigen und so ausgeführten Gedanken zu einer 
Zwischenbemerkung macht, spricht gegen diese Verbindung, dass der 
(redanke eines bestimmten Gerichtstages keineswegs im Zusammen- 
hang eine solche Bedeutung hat, dass Paulus damit »nachdrücklich 
und feierlich« abschliessen könnte, und dass die Hervorhebung des 
zelveıw τὰ χρυπτά in gar keiner Beziehung zu V. 18 steht, nach 
welchem gerade das Thun im Gegensatz zum blossen Hören Gegen- 
stand des richterlichen Urtheils ist. Klosterm. schliesst ἐν ἡμέρᾳ 
ebenfalls an dıxuwsnoovzse: V. 13 an, aber nachdem er sich dies 
durch die Verbindung von V. 15 damit und die Parenthesirung von 
V, 14 ermöglicht hat (p. 52). 





Röm 216. 191 


durch das laute συνευδοχεὶν 122 übertönt; dann aber, wenn 
Gott auch das im Menschen Verborgene behufs seines Gerichtes 
aufdeckt, wird sich zeigen, dass ihr Gewissen sie gestraft, und 
ihr sittliches Urtheil die Qualität der Handlungen Anderer wohl 
zu unterscheiden vermocht hat. Diese Urtheilsthätigkeit ist 
also ebenso wie die Gewissensthätigkeit durchaus mit dem 
ἐνδείκνυνται gleichzeitig zu denken, und auch das ovuuapr., 
obwohl es erst am Gerichtstage offenbar wird, findet doch 
thatsächlich (wenn auch oft nicht wahrnehmbar) schon gleich- 
zeitig mit dem ἐνδείκνυνται statt*. Vgl. die ganz ähnliche 
Wendung in dem ϑησαυρίζεις ἐν V. 5. Auch hier, wie dort, 
fehlt der Art. nicht ohne Absicht. Es wird ja ausdrücklich 
nicht von dem Gerichtstage als einer bekannten Thatsache 
geredet, sondern von einem Tage, wie ihn Paulus überall in 
seiner evangelischen Verkündigung in Aussicht stellt, wo Gott 
richten wird za χρυπτὰ τῶν ἀνθρώπων (vgl. Jes 229 u. 
bes. Sir 127), d. h. das Verborgene der Menschen, Alles, was 
in der Gegenwart noch nicht zu Tage tritt, und dazu gehört 
eben das Zeugniss ihres Gewissens und ihrer Urtheile über 
die Handlungen Anderer, welches ihr Thun als ein ihrem 
besseren Wissen widersprechendes konstatirt und darum zum 
Gegenstande des göttlichen Gerichtes macht**. Unnöthiger 


*) Die Präposition knüpft also nicht an xerny. und anol. an, 
als ob diese futurisch zu nehmen (Frtzsch.), oder die Gedanken am 
Gerichtstage gegenwärtig gedacht seien (Blbtr. p. 77, Lips.: als Be- 
lastungs- und Entlastungszeugen). Auch ist es durchaus irrig an- 
zunehmen, dass Paulus sich von der Gegenwart plötzlich in die Zeit 
des Gerichts versetze, wo der Gewissensprozess der Heiden vornehmlich 
thätig sein werde, und dass er deshalb ἐν ἡμέρᾳ etc. unvermittelt 
gleich anschliesse, ohne etwa ein χαὶ τοῦτο μάλιστα, χαὶ τοῦτο γενή- 
σεται oder dergl. einzufügen (Rück., Thol. de W., Reithm, Phil., 
v. Heng., Umbr., vgl. schon Est.), da am Gerichtstage, wo durch Gott 
selbst die Qualität aller Handlungen aufgedeckt wird, nicht mehr 
von einem Gewissensprozess die Rede sein kann. Es ist nicht einmal 
richtig, dass jener Prozess sich dann erst in seinem Resultate dar- 
stelle und offenbare (Luth., vgl. Goeb.), da nur der Zeitpunkt hervor- 
gehoben wird. wo jenes Mitzeugniss eben als Zeugniss wider den 
Sünder zur vollen Geltung kommt. 

**) Holst. will xo(ves accentuiren (vgl. WH. txt. Sand.), sofern die 
Verse 14—16 von Anfang an im Praesens nicht sowohl ein zeitlich That- 
sächliches, als ein zeitlos Wesenhaftes aussprechen. So auch Hofm., 
Böhmer, Otto, der, wie V.6, die Futura V.12—13 logisch fasst von dem, 
was vernünftiger Weise eintreten wird, indem sie (wie auch Göb.) ἐν 
ἡμέρᾳ mit ἐνδεέχνυνται verknüpfen und mit geringen Modifikationen an 
den Tag denken, wo die Heiden, indem Christus durch die Predigt des 
Evangeliums ihnen ihr Inneres aufdeckt, zur Selbsterkenntniss und 
damit zum Heil gelangen. Aber der ganz auf das Endgericht weisende 


122 Röm 316. 11. 


Weise hat man an dem κατὰ τὸ εὐαγγέλιόν μου Anstoss 
genommen, da sich Paulus doch für die alinekannte und unbe- 
zweifelte Thatsache, dass Gott richten werde (Frtzsch. u. d. M.), 
oder dass er das Verborgene richten werde (Klee, Klosterm. 
p. 60, Göb.), nicht auf sein Evangelium berufen könne. Aber 
man übersieht, dass, wenn auch den Juden das Gericht des 
jüngsten Tages eine bekannte Thatsache war, die heidenapo- 
stolische Predigt gerade dies als etwas schlechthin Neues ver- 
kündi (vgl. Act 1781 u. dazu Weiss, bibl. Theol. $ 61, a), 
und dass es so auch den Heiden in Rom verkündigt war. 
Ebenso übersieht man, dass es speziell auf das ausdrücklich 
durch diese Bestimmung von dem übrigen Satze getrennte 
διὰ Χριστοῦ Ἰησοῦ (Orig., Grot, Krehl, Glöckl., de W., 
Luth., Lips., El u. A.) geht und absichtsvoll hervorhebt, 
wie dieses Gericht durch den Christ Jesus d. h. durch Jesum 
als den erhöhten Heilsmittler (vgl. zu 1ı) gehalten werden 
wird, durch den darum auch allein Errettung in diesem Ge- 
richt gefunden werden kann. 

V 17f. Von der allgemeinen Ausführung, dass nicht 
der Gesetzesbesitz, sondern nur das Thun des Gesetzes vor 
Gott rechtfertige (V. 13—16), macht der Apostel nun die An- 
wendung auf die, deren Verhalten im äussersten Gegensatz 
dazu steht (δέ), und zwar indem er in lebendiger Apostrophe 
(σύ) den Juden sich vergegenwärtigt, der im Dünkel auf 
seinen Gesetzesbesitz übersieht, dass sein Verhalten mit dem- 
selben im schrofisten Widerspruch steht; „oratio splendida ac 
vehemens“ (Est). — ei de σύ) Zu dem so beginnenden 
Vordersatz findet sich kein Nachsatz, weil der Apostel den 
weitausgesponnenen Vordersatz in anderer Form V. 21 reka- 
pitulirt und so ein Anakoluth eintritt (s. Win. $ 63, 1. Buttm. 
p. 331)*). — ’lovdaiog &rrovoualn) vgl. Gen 4:1. »f.: 


Ausdruck (vgl. Luth.) erlaubt diese ohnehin sehr gezwungene Deutung 
nicht, und das χατὰ τὸ εὐαγγέλεόν μου fordert es keineswegs, da das- 
selbe sich aus dem Context ausreichend erklärt. Allerdings geht es 
nicht auf die Norm des Urtheils (Calov. u. M., auch Umbr., Meyer, 
God.), da eine neue Norm in dem Paulinischen Evangelium für das 
Endgericht keineswegs festgestellt wird (vgl. die Anm. zu V. 6), und 
das Evangelium in seinem Unterschiede vom Gesetz eben keine Ge- 
richtsnorm ist, am wenigsten eine erst τὰ χρυπτὰ τ. ἄνϑρ. enthüllende 
(gegen Bibtr. ß. 76). In dem τὸ εὐαγγέλεόν μου liegt keineswegs eine 
antithetische Beziehung auf die Predigt anderer Apostel, wohl gar 
falscher, judaistischer Lehrer (Meyer, Bibtr), geschweige denn eine 
Hindeutung auf das Lukasevangelium (Orig., Hier. u. a. Väter). 
Nach ΝΒ lies δια χρέστου ınoov st. ıno. χο (Bept. WH.a.R. Tre. txt.). 

8) Schon die Abschreiber nahmen Anstoss daran, wie die ganz 
schlecht beglaubigte Rcpt. ἴδε (L) zeigt. Beck will den Vordersatz 


Röm 217. 18. 123 


_ wenn Du »Jude« benamt wirst. Dies war der dem Heiden- 
'thume entgegengesetzte theokratische Ehrenname (77 77, 8. 
Philo Alleg. I, p. 55B. de plant. No& p. 233A.) und πιο 
ein zu seinem Personennamen (Beng., Hofm., Luth.) oder zu 
seinem Menschennamen (Böhmer, Göb.) hinzutretender Bei- 
name, welchen Sinn das Compos. auch im Klassischen nicht 
hat. Vgl. Plat. Crat. p. 397E. 406A. Phaedr. p. 238A. al. 
Xen. Oec. 6, 17. Thuc. 2, 29, 3. Polyb. 1, 29, 2. — ἐπ᾿ίανα- 
παίζῃ νόμ ῳ) acquiescis, Du verlässest Dich (Mch 311. IMak 82) 
darauf, ein Gesetz zu haben, als wäre Dir dessen Besitz und 
Kenntniss die Gewähr des Heiles. — χαυχᾶσαι ἐν ϑεῷ) 
Du rühmst Dich Gottes, als welcher der ausschliessliche Vater 
und König der Nation sei. Vgl. Gen 177. Jes 452. Jer 81 5. 
Beachte die Klimax der drei Momente in V. 17*. — V. 18. 
τὸ ϑέλημα) ist im unmittelbaren Anschluss an ἐν ϑεῷ 


in einen selbständigen Fragesatz verwandeln, Th. Schott sucht ganz 
verkehrt schon in 2ravanavun und χαυχᾶσαι den Nachsatz, wie Otto 
in V. 18, Benecke, Glöckl., οί. Luth., Göb. und der Sache nach 
auch Lips. suchen den Nachsatz umgekehrt erst in V. 23, während 
God. auch V. 23 noch zum Vordersatz zieht und den Nachsatz durch 
man ausgefallen denkt. Natürlich ist nicht ein Judenchrist 
angeredet (Böhmer). Ueber die Zusammensetzung und Beschaffenheit 
der Römischen Gemeinde ist aus dieser rednerischen Form nichts zu 
erschliessen (vgl. Th Schott p. 188f., Grafe p. 37); denn selbst wenn 
die Leser Judenchristen wären, ist doch daran nicht zu denken, dass 
sie meinten, der blosse Gesetzesbesitz ohne Gesetzeserfüllung könne 
ihnen etwas helfen. Vielmehr wird hier, wo die Rede sich am leben- 
digsten einen Gegner vergegenwärtigt, klar, dass seine Leser nicht 
diese Gegner sind und dass diese Art, die Voraussetzungen seiner 
Heilsbotschaft dialektisch zu verhandeln, ihren Grund nur darin hat, 
dass Paulus dieselbe darlegt, wie er gewohnt war, sie in der Missions- 
0 Εἰ an Juden auszuführen. Nach Bibtr. p.78 freilich ist gar ein 

eidenchrist angeredet, welcher zu einer gerechten Lebensführung 
des Judenthums benöthigt zu sein glaubt (!), und der Bedingungssatz 
sagt: Angenommen Du wärest ein Jude, was hättest Du denn darann ὃ 
Hofm. bestreitet den tadelnden Charakter des Vordersatzes, der sich 
erst leise, dann mit steigender Stärke V. 19f. kundgiebt. 

*) Die Rcept. (EKL) hat auch hier den Art. von vouw. Um das 
offenbar Tadelnde des Ausdrucks zu entfernen, bezieht Hofm. denselben 
nur darauf, dass das Gesetz ihn der Unruhe überhebt, erst suchen zu 
müssen, was (rottes Wille sei, während doch solch Suchen vom Be- 
sitze des Gesetzes nicht getrennt, sondern eben auf's (sesetz angewiesen 
ist (s. V.18). Aber im Gesetze sah der Jude die magna charta seiner 
Heilsgewissheit. : Er steifte sich darauf. Vgl. Luth. Das ἐν (IIKor 
1015. Gal 613) bei dem dem Apostel so besonders geläufigen χαὺ - 

ἄσϑαε (vgl. schon Prv 209. Ps 497. Jer 9928. Jak 19. 416), welches 

erbum bei Griechen mit ἐπέ oder eis oder mit Accus. verbunden 
wird, bezeichnet das, worin das xavy. beruht, nach Analogie von 
zxeloeıv, τέρπεσϑαι ἐν (Kühner ἃ 431, 3, a.). 





124 Röm 218. 19. 


natürlich der Wille Gottes, dessen sie sich als ihres Gottes 
rühmten. Der Jude weiss aber nicht nur, was Gott will, wie 
es ja gelegentlich auch bei dem Heiden der Fall ist (V. 14), 
sondern er hat auch an der Offenbarung desselben im Gesetz 
einen Maasstab, in jedem einzelnen Palle zu prüfen, was 
recht und unrecht sei. Der Gedankenfortschritt fordert also 
keineswegs, von der ursprünglichen Bedeutung des doxı ualsıc 
(Ps 173. 262. Jer 1710) abzugehen (vgl. vielmehr die ganz 
analoge Stelle 122), und dann kann sich za διαφέροντα 
(das Unterschiedene, vgl. za διαφέροντα ἀλλήλων Dan 785) 
nur beziehen auf den Unterschied zwischen Recht und Unrecht 
(Theod., Theophyl., Est., Grot. u. M., auch Rück., Rche., Thol., 
Frtzsch., Krehl, Phil, νυ. Heng., Beck, Göb... Aus diesem 
Grunde kann es bei dem Juden nie zu dem νοῦς ἀδόχεμος 
(123) wie bei den Heiden kommen*). — χατηχούμενος), 
wie Gal 66. IKor 14:19, vgl. Joseph. Vit. 65, Lucian. Asin. 
p. 110, indem Du unterrichtet wirst aus dem V. 17 gemeinten 
Gesetze (durch dessen Vorlesung und ne elle in den Syna- 
ogen, vgl. axeoerai V. 13), über den Willen Gottes und 
enselben als Maasstab für Deine sittliche Prüfung gebrauchen 
lernst. — V. 19f. schildert nun, mit nicht zu verkennender 
Rücksichtnahme auf die Jüdische Dünkelhaftigkeit und Prose- 
lytenmacherei (Mt 2315), was Lips. vergeblich bestreitet, in 
gehäuften asyndetischen Bezeichnungen ihre Selbsterhebung 
über die Heiden und den Einfluss, welchen sich die Juden 
auf sie zutrauten. — πέποιϑάς τε σεαυτόν) Das adjunk- 
tive re statt des konjunktiven χαΐ deutet an, dass dieses 
Selbstvertrauen die Folge jener besseren Erkenntniss (V. 18) 
war. Der Acc. c. Inf. nach πέσοιϑα (Ps 25ı. 1188. Prv 85. 
1125), nur hier im NT, ist auch bei den Griechen selten 


*) Dagegen liegt die Anspielung auf. die rabbinieche Gesetzes- 
kasuistik (God.) fern, da es sich ja nicht um Lehrer des Gesetzes 
handelt, sondern um solche, die im Gesetz unterwiesen werden. Der 
Gedanke wird nicht wesentlich geändert, wenn man mit Bez., Glöckl., 
Mehr., Hofm., Luth., Otto, Zimmer an das von dem göttlichen Willen 
Verschiedene, also Unrechte und Sündliche allein denkt. Dagegen ist 
es ganz unmotivirt, mit Vulg. (probas utiliora), Luther, Erasm., Beng., 
Ew. und vor allem Meyer, der es des klimaktischen Verhältnisses 
wegen für nothwendig hält, δοχεμάζεις im Sinne von 138 von dem 
Billigen, Würdigen (Volkm ) des Besseren zu nehmen (so auch Sand.). 
Denn so gewiss das dery.£peev durch den Kontext die Bedeutung eines 
Unterschiedes im Sinne der Steigerung in irgend einer Beziehung 
erhalten kann (IIMak 15ıs. Mt 626. IKor 1541), so wenig bietet 
der Kontext hier, wie Phl 110, irgend eine Veranlassung dazu. Mit 
Recht bemerkt auch Otto, dass dies nur die Folge der Unterweisung 
aus dem Gesetze sein könnte, was das Part. praes. χατηχούμενος nicht 
ausdrückt. 





Röm 219 —21. 125 


(Aesch. Sept. 444. Du hast die Zuversicht, traust Dirs zu, 
dass Du Deinerseits ein Wegführer (ὁ δηγός, eigtl. Esr 8ı, 
übertragen, wie hier, Sap 715) seiest für Blinde (vgl. Mt 15a). 
Die Heiden betrachten sie als die geistig Blinden (ευφλῶν, 
wie Jes 49:. 160) oder unter einem anderen Bilde als die in 
der Finsterniss der Unwissenheit Lebenden {τῶν ἐν σκότει, 
vgl. Jes 499), denen sie 'ein Licht sind (φῶς, wie Jes 426. 
496). — V. 20 sagt dasselbe ohne Bild: ein Erzieher (ra: - 
δευτήν, vgl.JSir 3728 und im Sinne des Züchtigers Hos 52) 
Unverständiger (ἀφρόνων in dem umfassenden Sinne des 
AT, vgl. Ps 141. Prv 16x), ein Lehrer Unmündiger. Zu 
διδάσκαλος vgl. IIMak 110. Hbr ὅ::, zu νήπτειοι im über- 
tragenen Sinne Ps 119%. Prv la. Ein solcher aber vermisst 
sich der Jude zu sein als einer, der im Gesetze besitzt die 
Ausgestaltung de leibhaftige Verkörperung) der Erkenntniss 
und der Wahrheite Der Wortbildung nach bezeichnet τὴν 
μόρφωσιν die Thätigkeit des Gestaltens (Theophr. caus. 
plant. 3, 7, 4), hier aber natürlich nach bekannter Metonymie 
das Resultat dieser Thätigkeit, wie τῆς γνώσεως nicht die 
Thätigkeit des Erkennens, sondern das Erkannte ist und des- 
halb mit χαὶ τῆς ἀληϑείας verbunden werden kann, so dass 
das explikative χαΐ erst den Inhalt dieser Erkenntniss angiebt. 
Es ist also die Wahrheit (28), d. ἢ. der wirkliche Thatbestand 
(22) des göttlichen Willens, dessen Erkenntniss im Gesetz 
ihre Ausgestaltung empfangen hat und sie so zur geistigen 
Anschauung bringt, dass man auf Grund ihrer Andere belehren 
und erziehen kann *). 

V. 21f. ὃ οὖν διδάσκων ἕτερον) Der Apostel nimmt 
das in den Vordersätzen V. 17—-20 Enthaltene noch einmal 
auf und fasst es in einen kurzen Ausdruck zusammen, indem 
er die dort gewählte Form des Bedingungssatzes verlässt und 
sie anakoluthisch durch die Form des Partizipialsatzes ersetzt**). 


8) Falsch erklärt Lips. die ἀληϑ. von dem Wahrheitsbesitz. 
Ganz willkürlich beziehen Hofm., Luth. γνώσ. auf παιδευτήν und «aAN9. 
auf διϑάσχαλον. Mit dem Gegensatz vom Wesen und Schein (II Tim 
35) hat μόρφωσιν hier nichts zu thun (gegen Oecum., Olsh.). Die 
Wahrheit und Erkenntniss ist im Gesetze ἔμμορφος (Plut. Num. 8. 
Mor. p. 428F) oder μορφοειϑής (Plut. Mor. p. 735A) geworden. Vgl. 
διαμόρφωσις bei Plut. Mor. p. 1023C. Ganz wortwidrig hält Otto an 
dem aktiven Sinn von μόρφωσις fest: sie haben den Beruf, Wissen- 
schaft und Wahrheit mittelst des Gesetzes darzustellen. 

“Ὁ Meyer, Volkn., Sand. wollen in der befremdeten Frage den 
regelrecht gebildeten Nachsatz zu dem Vordersatz mit εἰ V. 17-20 
finden und lassen nur die Charakteristik des Subjekts aus dem 
V.17-20 Gesagten gefolgert sein. Allein dadurch wird die Struktur 
unnöthig verschränkt, und man würde eher ein διϑάσχων οὖν oder σὺ 








126 Röm 2sı. 22. 


— σεαυτὸν οὐ διδάσκεις;) nämlich eine bessere Gesinnungs- 
und Lebensweise als Du durch Dein Verhalten zeigst. In ἧς 
befremdeten Frage liegt, dass sie dies nicht thun; und das 
Befremden darüber gründet sich auf das Missverhältniss, in 
welchem der V. 19f. geschilderte hochfahrende Anspruch auf 
jenes dıdaoxeıv zu diesem ihrem eigenen Verhalten steht. — 

ie auf ὃ κηρύσσων, wie auf das ὁ λέγων V.22 folgenden 
Infinitive schliessen nicht den Begriff von deiv oder ἐξεῖναι 
in sich (s. Lobeck ad Phryn. p. 1087), finden aber ihre Er- 
klärung in dem Begriffe des Gebietens, welcher in den Verbis 
dicendi liegt, 8. Kühner ad Xen. Mem. 2, 2, 1. Anab. 5, 7, 34. 
Paulus wählt die Beispiele des Stehlens und des Ehe- 
bruchs (vgl. Ex 201. ı), weil sie den spezifisch heidnischen 
Lastern der Habgier und der Unzucht (s. z. 1%) entsprechen, 
die also, wenn auch in anderen Formen, auch bei den Juden 
vorkamen, um dann zu dem Punkt überzugehen, der am augen- 
tälligsten Juden und Heiden scheiden sollte, was Lips. vergeblich 
bestreitet. — ὁ βδελυσσόμενος) bezeichnet schon im AT 
den Abscheu vor allem götzendienerischen Wesen (Lev 1890. 
Hos 91. IIIMak 6s), dessen unse nnd die Götzen 
selbst (τὰ δἴδωλα, (vgl. Ex 20. Num 33%. Jes 302). 
bilden. In den schrofisten Gegensatz dazu tritt die Beschul- 
digung, dass sie trotzdem aus gemeiner Gewinnsucht Tempel- 
raub treiben (iseoovAeig, vgl. Aristoph. Vesp. ραν »Der 
Du jede Berührung mit den Götzen für eine abscheuliche Be- 
fleckung hältst, — vergreifst Dich räuberisch an ihren Tempeln ?« 
Vgl. Chrys., Theophyl. Koppe, Frtzsch., Rück, de W., Το]. 
Phil, Mehr., Volkm., Klosterm. p. 45, Otto, Lips., Sand. Dass 
Tempeldieberei wirklich bei den Juden vorkam, folgert man 
mit t aus Act 1987, besonders aber aus Joseph. Antt. 4, 
8, 10; und natürlich trifft dasselbe Urtheil auch die, welche 
dabei den Hehler machten (God., Luth.)*). 


οὖν διϑάσχων erwartet haben. Das οὖν ist eben nicht folgernd, sondern 
epanaleptisch, zur Wiederaufnahme zusammenfassend, was vorher ge- 
sagt war, wie Meyer selbst sagt, womit die Einwürfe Hofm.'s gegen 
diese Fassung hinfällig werden. Ohne eine Wiederholung des εἰ ist 
seine Annahme, dass bier der Vordersatz durch Wiederaufnahme des 
Subjekts a λα δεν werde, ganz unmöglich. Vgl. Bäuml., Part. p. 1787. 
Ὁ Der Einwand von Rch., v. Heng., Hofm., dass ἱεροσυλεῖν immer 

auf Tempel gehe, die der Redende wirklich als heilige Orte ansehe, 
asst deshalb nicht, weil Paulus das Wort, welches nun einmal im 

riechischen da war, nehmen musste, um den Tempelraub zu be- 

zeichnen. Ganz willkürlich nehmen sie daher mit Pelag., Grot., 
Cramer, Glöckl.. Reithm., Ew., Göb. an, es sei von der Beraubung 
des Jüdischen Tempels zu verstehen, welche durch Unterschlagung 
oder Verkürzung von Tempelgeldern und Opfern (Belege zu diesem 


Röm 2.28 -- 25. | 127 


V.23f. ὃς ἐν νόμῳ καυχᾶσαι) Gewöhnlich nimmt man 
auch V. 23 als eine den vier vorhergehenden parallele Frage; 
aber theils, dass Paulus den dort gebrauchten Partizipialaus- 
druck verlässt, theils die Begründung in V. 24 zeigt, dass er 
zar assertorischen Fassung übergeht, wodurch er auf jene 
Fragen des Befremdens den kategorischen Ausschlag giebt, 
und die Rede weit abgerundeter, gewichtiger, strafier hervor- 
tritt. Vgl. Volkm., Lips, Sand. Auch hier ist durch den 
Wechsel des ἐν νόμῳ — τοῦ νόμου angedeutet, dass sie sich 
eines Gesetzes rühmen (ἐν, wie V. 17) und doch durch die 
Uebertretung desselben (dıa τῆς zapaßdosws, vgl. Ps 1012. 
Sap 1451. Joseph. Antiq. 18, 8, 2. Porphyr. de abstin. 2 
extr.) Gott entehren (ἀτεμαζεις). Wie man einen König 
entehrt, wenn man seinen Befehlen nicht gehorcht (Est 1.16), 
so raubt man Gott seine Ehre durch Uebertretung seiner 
Gebote*). — V. 24 begründet das τὸν ϑεὸν ἀτιμάζεις durch 
‘ein Schriftwort, nämlich Jes 525. Paulus macht das Citat 
durch das nicht im Grundtexte und bei den LXX stehende 
γάρ zu seinem Eigenthum, nur am Ende noch, wie es bei 
ausdrücklichen Schrifteitaten nie geschieht, mit va $wg γέγρατπε- 
ται (111 angebend, dass er so eine Schriftstelle sich angeeignet 
habe. Um ihretwillen, d. h. um ihrer Gesetzesübertretungen 
willen, wird der Name Gottes gelästert nnter den Heiden, so- 
fern sie ihn verachten als einen ohnmächtigen Gott, der nicht 
einmal bei seinem Volk seinen Willen durchsetzen könne **). 

V.25—3s. Der relative Werth der Beschneidung. 
— Hier geht der Apostel von dem Vorzuge, welclien die 
Juden im Gesetzesbesitz haben, zu dem anderen über, welchen 
sie in der Beschneidung besitzen, wird also auch hinsichtlich 


Verbrechen 8. bei Joseph. Antt. 8, 3, 5f.), Vorenthaltung der Tempel- 
abgaben u. dergl. geschehen sei. Vgl. Test. XII Patr. p. 578. Noch 
uneigentlicher ausdeutend Luther: (»Du bist ein Gottesdieb; denn 
Gottes ist die Ehre, die nehmen ihm alle Werkheiligen«), vgl. Beng., 
Flatt, Kölla., Umbr., Beck, Bibtr., p. 80 u. M., es bezeichne die 
»profanatio divinae majestatis« (Calv.) überbaupt. ÖOlsh. denkt gar 
an den Geiz als eine Abgötterei, Böhmer an Christenverfolgung. 

*) Hofm. u. A. beginnen hier den Nachsatz zu dem zweitheiligen 
Vordersatz (V. 17—20. 21f.). Vgl. zu V.17. Eine Gesetzesübertretung 
war auch das ἱεροσυλεῖν; denn Dtn 726. wird zwar die Zerstörung 
der heidnischen Statuen geboten, aber das Rauben ihres Goldes und 
Silbere verpönt. 

46) Weniger gut Meyer: sie schliessen aus dem unsittlichen Ver- 
halten der Juden auf einen unheiligen Gott und Gesetzgeber derselben. 
Hier, wo Paulus nicht einmal den nur mit Weglassung des διαπαντός 
wörtlich aus den LXX aufgenommenen Spruch als erfüllte Weissagung 
anziebt, ist vollends an eine Berücksichtigung seines historischen Sinnes 
nicht zu denken. Trotzdem zwingen ihn Otto und Zimmer auch 














128 Röm 235. 


dieser nachweisen wollen, dass sie die Zornverfallenheit der 
Juden (21—ı0) so wenig aufheben könne, wie ihr Gesetzes- 
besitz (V. 11—24), wenn auch die Beschneidung in anderer 
Beziehung ihren Werth behalten könne, was bei dem Gesetzes- 
besitz nicht der Fall ist, der, wenn ihm Gesetzeserfüllung nicht 
folgt, ein ganz werthloser ist. Dann aber kann das γάρ, mit 
welchem de neue Abschnitt eingeführt wird, nur die ganze 
vorige Ausführung von der Straffälligkeit der Juden trotz 
ihres Gesetzesbesitzes begründen, die ja durch die Aufdeckung 
ihres widerspruchsvollen Verhaltens V. 17—24 (Volkm.) nur 
in das hellste Licht gesetzt war, und die in dem Schluss- 
ergebniss V. 23f. (Meyer, Lips.) nur insofern noch einmal 
vergegenwärtigt war, als ja das durch V. 24 begründete τὸν 
ϑεὸν ἀτιμάζεις nothwendig seine Strafe finden muss*).. — 
V. 25. περιτομή) vgl. Gen 171. Ex 42 Der artikel- 
lose Ausdruck hebt absichtlich hervor, dass es sich um etwas 
derartiges handelt, wie es Beschneidung ist. Solches Be- 
schnittensein bringt zwar Nutzen (wpedei, vgl. Prv 114. 
102. Jes 805), sofern es die Mitgliedschaft des theokratischen 
Volkes bedingt und damit die Theilnahme an allen Segnungen 
und Verheissungen, die Gott seinem Bundesvolke verliehen 
hat. Da aber mit der Mitgliedschaft des theokratischen Volkes 
auch die Verpflichtung zur Erfüllung der göttlichen Gebote 
gegeben ist (Lev 185. Dtn 27%) und darum die Beschneidung, 
ebenso wie sie jenes Anrecht verleiht, auch diese Verpflichtung 
auferlegt (Gal 5s), so nützt sie nur im Falle, wenn (ἐάν, vgl. 
Win. $ 41, 6, 2, b) einer dieser Verpflichtung nachkommt. 
Das geschieht aber nicht durch gelegentliches ποιεῖν τὰ τοῦ 
νόμου (V.14), sondern dadurch, dass die ständige Praxis (vgl. 
zu 12) des Juden das νόμον zoaoceıv ist. Das artikel- 
lose νόμον entspricht absichtsvoll dem artikellosen szegroun 
und bildet zugleich den Gegensatz zu dem ebenso artikellosen 
»wenn Du aber Gesetzesübertreter bist«. Zu dem zaepgaßarns, 


unserer Stelle auf, indem sie an die Knechtung Israels unter die Heiden 
denken, der sie um ihrer Sünden willen preisgegeben waren. Calv., 
Ew. u. A. denken an die viel unähnlichere Stelle Ez 86 59ἴ., welche 
Paulus nach Hofm. der ihm »bequemeren« Griechischen Uebersetzung 
von Jes 1. ].. gemäss ausdrücken soll, während God. eine Anspielung 
auf beide Stellen annimmt. 

*, Nach Hofm. soll das γάρ erklären, warum sich Paulus an den 
Juden sonderlich gewendet hat, wenn ihm doch, falle er wider das 
Gesetz handelt, sein (resetzesbesitz nichts hilft, nach Holst. nur die 
Verwunderung der vorigen Fragen begründen, die aber mit V. 23 
aufgehört haben. Nach Blbtr. p. 82 wird nun die Behauptung des 
V.10 bewiesen: Man braucht kein Jude zu sein, um belohnt zu werden! 


Röm 235. 26. 129 


das in der LXX noch nicht vorkommt, vgl. Symm. zu Ps 164. 
Ez 18:1. Jak 23.11. In diesem Falle hat die Beschneidung 
allen Vortheil, welchen sie Dir vor dem Unbeschnittenen zu 
ben bestimmt war, für Dich verloren, so dass Du nun vor 
em Unbeschnittenen nichts voraus hast, sondern, wie dieser, 
dem Zorne Gottes verfallen bist, als ob Du kein Zugehöriger 
des Gottesvolkes wärest: Deine Beschneidung ist Vorhaut 
(ἀκροβυστία, vgl. Gen 1711. Lev 123) geworden. Das Perf. 
γέγονεν betont die fortdauernde Wirkung der eingetretenen 
mwandlung *). 

V. 26f. ἐὰν οὖν) folgert aus dem V.25 erwiesenen un- 
zertrennlichen Zusammenhang zwischen Beschneidung und Ge- 
setzeserfüllung in der Form einer selbsverständlich zu be- 
jahenden Frage. — ἡ axeoßvoria) abstr. pro concr., be- 
zeichnet die Heiden nach dem Merkmal, auf das es in diesem 
Zusammenhange ankam, als Unbeschnittene, wie sie im AT 
ΕΛ werden (ἀπεερίτμητοι, vgl. Jud 148. 1518. Jes ὅ21. 

z 2810). Der Apostel setzt, aber rein hypothetisch — ohne 
wie V.14 durch ὅταν c. conj. auf ein von Zeit zu Zeit wirklich 
vorkommendes Eintreten desselben zu reflektiren —, den Fall, 
- dass solche Unbeschnittenen die Rechtssatzungen (ra δεχαιώ- 
ματα, vgl. zu 13) des Gesetzes beobachten (φυλάσσῃ, Gen 
265. Ex 158%) **). — ἡ ἀκροβυστία) im Sinne von V. 25. 

ἢ Hier steht ἀχροβυστίέα noch nicht metonymisch für Unbe- 
schnittene, 80 wenig wie περιτομή vom Beschnittenen (gegen Kölln. 
u. V.); es bezeichnet lediglich die Abwesenheit der Beschneidung. 
Hofm. nimmt das μέν elliptisch, eo dass der Gegensatz verschwiegen 
wird (Baeuml. Part. p. 168; vgl. Luth.: allerdings); aber es folgt ja 
ein durchaus entsprechendes δέ, und die Stellung nach περιτομή ist 
nur dadurch bedingt, dass dieser Begriff als der neu eintretende 
Hauptbegriff betont werden soll, von dem zwar etwas dem blossen 
Gesetzesbesitz Widersprechendes zugestanden wird, aber nur bedin- 
gungsweise. Zum Gedanken vgl. R. Berechias in Schemoth Rabb. ἢ, 
138. 13: »Ne haeretici et apostatae et impii ex leraelitis dicant: 
Quandoguidem ceircumeisi sumus, in infernum non descendimus. Quid 
agit Deus S.B.? Mittit angelum et praeputia eorum attrahit, ita ut 
ipsi in infernum descendant«. 8. noch andere ähnliche Stellen Ὁ. 

isenm., ertdeckt. Judenth. II, p.339f. Die Unterscheidung Hofm.’s 
zwischen dem Volke, welches die Gemeinde Gottes ist, und zwischen 
der Gemeinde Gottes, welche in Volksgestalt lebt, ist reine Willkür 
und ergiebt entweder eine Tautologie oder trifft nicht zu, da keines- 
w jeder, der das Gesetz in diesem oder jenem Punkte übertritt, 
sich damit von der Lebensordnung lossagt, welche jene Volksgestalt 
konstituirt. Auch Luther und selbst in gewissem Sinne Meyer unter- 
scheiden zwischen der äusseren Volksgemeinschaft und der Gemein- 
schaft an der Gemeinde Gottes in Isr.; aber Paul. macht einen solchen 
Unterschied eben nicht. 

**) Es ist darum völlig unnöthig und dem ganzen Tenor der Dar- 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 9 





130 Röm 326. 27. 


Das αὐτοῦ geht auf das in dem vorigen ἀχροβυστία liegende 
Concretum axedßvoros, vgl. Win. 8 22, 3,2. Wird nicht, 
fragt der Apostel, seine Vorhaut als Beschneidung (eig im 
Sinne des Resultats wie Jes 4017. Sap 96) in Rechnung ge- 
bracht werden? Es liegt gar kein Grund vor, das λογισϑή- 
σεται bloss als Futurum der logischen Gewissheit (Mehr., 
Hofm., Luth. u. Aeltere) zu nehmen, was nur in einer dem 
γέγονεν entsprechenden Ausdrucksweise liegen würde, sondern 
der Blick des Apostels erstreckt sich auf das jüngste Gericht. 
Dem Unbeschnittenen, welcher das Gesetz beobachtet, wird 
dereinst dasselbe Heil zuerkannt werden, welches Gott denen, 
die durch die Beschneidung Mitglieder seines Volkes sind, 
unter der Verpflichtung zur Gesetzeserfüllung bestimmt hat; 
denn schon V.10 ist ja die Fülle aller Heilsvollendung jedem 
Grutesthuenden, und dem Juden (kraft der Verheissung) nur 
zunächst zugesagt. — V. 27. «ai κρινεῖ) An die in der 
Frage schon ihrer Form nach liegende Bejahung schliesst sich 
mit dem einfachen »und«, wie oft auch bei Klassikern (Kühner 
ad Xen. Mem. 2, 10, 2), nicht »auch« (Böhmer), die Fort- 
setzung der Antwort an, in welcher mit grossem Nachdruck 
das χρινεῖ voransteht. Der Heide wird nicht nur dem Juden 
gleichgestellt werden, er wird ihm sogar das Urtheil sprechen, 
sofern er gethan hat, was der Jude unter soviel günstigeren 
Verhältnissen nicht gethan hat, und was ihn darum als um so 
viel strafwürdiger darstellt, vgl. Mt 124 ἢ). — Εἠἡ ἐκ φύσεως 


legung, die von der Offenbarung in Christo noch ganz abstrahirt, 
widersprechend, hier an gläubig gewordene Heiden zu denken (gegen 
God., Beck) oder an Proselyten (Phil... Es ist auch nicht bloss das- 
selbe bezeichnet, was V. 14 ποιεῖν τὰ τοῦ νόμου hiess (Meyer), oder 
gar das Geschäft des Gesetzes zu richten und zur Sündenerkenntniss 
zu führen (Otto). Nach 320 tritt der Fall, der nur mit Beziehung 
auf V.20f. rein hypothetisch erwogen wird, thatsächlich niemals ein, 
wenigstens nicht im vollen Umfange. 

Ἢ Also nicht vermöge der Zurechnung V. 26 (God.), nicht so, 
dass der richtende Gott den heidnischen Gesetzesgehorsam als Maass- 
stab zur Beurtheilung des jüdischen Gesetzesübertretens anlegen 
werde (Th. Schott), was eingetragen ist. Der Maasstab des Gerichtes 
bleibt das Gesetz (Gottes (V. 12f.. Auch dieses indirekte Richten 
vr dem künftigen Gerichtstage an (gegen Hofm., der bloss an das 

rgebniss seines »ouor τελεῖν denkt, weil nicht τελέσασα stehe!). 
Meistens fasst man neuerlich, auch Rück., Kölln., Frtzsch., Olsh., 
Phil., Lehm., Ew., Mehr., @od., Beck, den Vers als Fortsetzung der 
Frage in V. 26, so dass vor xoıvei wieder οὐχέ gedacht wird. Aber 
weit gewichtvoller tritt die Gedankenfolge hervor, wenn man V. 97 
assertorisch fasst, als Erwiderung auf die Frage in V. 26 (so Chrys,., 
Erasm., Luther, Beng., Wtitst. u. ὟΝ jetzt auch Thol., deW., v. Heng., 
Hofm., Volkm., Otto, Luth., Goeb., Zimmer, Lips., Sand.). 





Röm 221. 28. 181 


ἐχροβυστία) die Vorhaut von Natur, d. ἢ. die vermöge ihrer 
heidnischen Geburt Unbeschnittenen. Das ἐκ φύσδως weist 
im Gegensatze zu dem Juden, dessen Beschneidung «xg0ß. 
γέγ. (V.25), darauf hin, dass diese Vorhaut eine unverschuldete, 
von Geburt her überkommene Beschaffenheit ist (Hofm.). Wie 
V. 15 schliesst sich an das artikulirte Subjekt ein artikelloses 
Part. an, das also aufzulösen ist: wenn sie das Gesetz erfüllt 
(τελοῦσα, wie Jak 28), womit offenbar das τὰ dırauwu. τ. ». 
aus V. 26 aufgenommen wird*. — τὸν dıa γράμμ. x. 
περιτ. παραβ. νόμου) der Du bei Buchstabe und Beschnei- 
dung Gesetzesübertreter (V. 25) bist. δεά bezeichnet die Um- 
gebung, durch welche hin, die Umstände, unter welchen, und 
hier nach dem Kontexte: ungeachtet welcher das Uebertreten 
geschieht **). Vgl. Win. $ 471,1. Weil der Jude das Gesetz 
geschrieben vor sich hat und durch seine Beschneidung be- 
ständig an seine Verpflichtung, es zu erfüllen, gemahnt wird, 
erscheint seine Uebertretung doppelt schuldbar. Das γράμμα 
bildet also nicht den Gegensatz zum 7ζενεῦμα (Phil.), sondern 
markirt die unerschütterliche Objektivität des Gesetzes im 
Gegensatz zu dem Analogon des tzes, das der Heide in 
seinem Sittenbewusstsein hat (V. 147), das aber durch die 
Sünde verdunkelt werden kann. 

V. 28f. begründet den Grundgedanken von V. 25—27, 
dass Beschneidung an sich und damit der spezifische Vorzug 
des Judenthums nichts nütze, dadurch, dass der Werth der 
Beschneidung und damit des Judenthums ee N nicht in 
dem liege, was sie an sich sind, d. h. ihrer äusseren Erscheinung 
nach. — ὁ ἐν τῷ φανερῷ) vgl. lıs. Nicht, der es im Offen- 
baren, d.h. in augenfälliger Weise (Hofm.), dem Augenscheine 


*, Es bezeichnet darum wieder viel mehr als τὰ τοῦ νόμου ποιεῖν 
V.14 und unterscheidet sich von φυλάσσειν nur dadurch, dass es die 
nämliche Sache von ihrer thätlichen Seite darstellt, sofern durch das 
vom Gesetz geforderte Thun das Gesetz vollzogen wird. Vgl. Plat. 
Leg. 11. p. 926A. 12. p. 958D. Xen. Cyr. 8, 1,1. Soph. Adj. 528. 
Lucian. d. morte Peregr. 33. Ueberhaupt entspricht τελεῖν oft dem 
Begriffe patrare, facere (Ellendt, Lex. Soph. II, p. 804). Ganz ver- 
kehrt verbinden Koppe, Olsh. damit das 2x φύσεως, das Mehr. fälsch- 
lich gleich ἐν σαρχέ nimmt und de W., Meyer zur Hebung des Gegen- 
satzes διὰ γραμμ. x. περιτ. dienen lassen. 

4) Die Versuche, die instrumentale Bedeutung von διά festzu- 
halten, fordern willkürliche Eintragungen. So Oecum.: διὰ νόμου 
προαχϑείς͵ vgl. Umbr.; Beza, Est. u. M.: occasione legis, vgl. Benecke; 
Kölln.: der Du das Gesetz übertrittst und als solcher dargestellt wirst 
durch den Buchstaben u.s. w., was ohnehin: die Stärke des Kontrastes 
unnöthig mildert, Beck: der Du das geschriebene Gesetz und die Be- 
schneidung gebrauchst (?) zur Übertretung des Gesetzes. 


9% 


132 Röm 238. 29. 


nach ist, wie er namentlich in der Beschneidung zu Tage tritt, 
ist ein echter Jude. Es ist also aus dem Prädikat zu ὁ ἐν 
τῷ φανερῷ zu ergänzen Ἰουδαῖος, wie nachher aus περιτομή 
ein zweites En Vgl. Buttm., neut. Gr. p. 335f. — ἐν 
σαρκὦῦ bestimmt als Apposition das ἐν τ. φανερῷ näher als 
die, welche es als sichtbar am Fleisch vollzogene ist; nicht 
eine solche Beschneidung ist in Wahrheit Beschneidung *). — 
V. 29. ἀλλ᾽ ὃ ἐν τῷ κρυπτῷ Ἰουδαῖος) nimmt man ge- 
wöhnlich als ein neues positives: Subjekt zu Ἰουδαῖός ἐστιν 
und mit vollem Recht, da auch bei ὁ ἐν τῷ xevzzıo aus dem 
Prädikat heraus Ἰουδαῖος zu ergänzen ist, und die Ergänzung 
hier nur vollzogen werden musste, weil das Prädikat nicht 
noch einmal wiederholt wird. Nur der Jude, der es im Ver- 
borgenen, d. h. in dem verborgenen inneren Leben (V. 16) ist, 
ist ein wahrer Jude. Damit ist wohl trotz des folgenden 
ἔπαινος nicht auf die Deutung des Namens Juda Gen 498 
angespielt (God., Otto, Böhmer, vgl. Luth.); vielmehr, wenn 
᾿Ιοιδαῖος der theokratische Ehrenname ist (V. 17), so versteht 
sich von selbst, dass nur diejenige Beschaffenheit des inneren 
Lebens, welche den wahren Theokraten kennzeichnet, zu einem - 
rechten Juden macht. Ebenso ist dann im Parallelgliede zu 
ergänzen: und Herzensbeschneidung ist wahre Beschneidung **). 
Da die Beschneidung das Abthun der Vorhaut, als des Sitzes 
der Unreinheit am Fleische, war, so bezeichnet schon das AT 
die Entfernung alles Unsittlichen aus dem inneren Leben als 


Ἢ Man kann also nicht sagen, dass V. 27 speziell begründet 
werde (Meyer, Luth., Lips.), geschweige denn der Gedanke, dass Ge- 
setzesübertretung und -erfüllung maassgebend sei für die Geltung 
des Juden gegenüber dem Heiden (Hofm.), womit ja das Folgende 

rnichts zu thun hat. Zu künstlich lässt God. V. 25 durch V. 28, 
. 26f. durch V. 29 gerechtfertigt werden. Kontextmässig liegt die 
Pointe auf dem über die περιτομή Gesagten, weshalb bei dem ersten 
ἐν τῷ φανερῷ schwerlich zugleich an Bekenntnises, Tracht, Ceremonien- 
dienst des Juden u. dgl. gedacht ist (Meyer). Beck umgeht jede Er- 
änzung, indem er das ἐστίν als Verbum zu beiden Versen zieht im 
inne von valet, ἰσχύει. 

**) Wenn Meyer nach Luth., Erasm. u. M., auch Frtzsch., Ew., 
Sand. erklärt: Sondern der es im Verborgenen ist, ist Jude (im wahren 
Sinne), so wäre dazu ein wiederholtes ἐστέν kaum entbehrlich, und 
vor Allem entscheidet dagegen die Fassung des Parallelgliedes. Denn 
in ihm ist nun Meyer genöthigt, ein mit dem folgenden 2» zu ver- 
bindendes ἐστίν zu ergänzen, das keineswegs blosse Copula ist, son- 
dern den Verbalbegriff: »beruht in« vertritt und eben darum nicht 
fehlen könnte, während Ew. offenbar wortwidrig erklärt: »Beschnei- 
dung ist die des Herzens«, was ohne den Artikel 7 vor xzapdtas ganz 
unmöglich ist. Beide aber zerreissen willkürlich den Parallelismus 
der Vershälften. 


Röm 229. 133 


eins περιτομὴ καρδίας (Dtn 306) und solche, bei denen 
dies nicht geschehen, als unbeschnitten am Herzen (Jer 92. 
Ez 44). enn hierzu mit ἂν zzyevuarı eine nähere Be- 
stimmung hinzugefügt wird, bei welcher oflenbar dem Apostel 
noch das näherbestimmende ἐν σαρκί aus V.28 als Gegensatz 
vorschwebt, so bezeichnet dieselbe, weil es sich hier um einen 
inneren Vorgang handelt, als die Potenz, in welcher die 
Herzensbeschneidung ursächlich beruht, Geist, wie es der hei- 
lige, göttliche Geist ist, durch dessen Kraft sie geschieht, im 
Gegensatz zu einer Potenz, wie es der Buchstabe ist (Bem. 
den artikellosen Ausdruck), welcher lediglich die äusserliche 
Beschneidung durch sein Gebot bewirkt*). — οὔ) beziehen 
die Meisten mit Recht maskulinisch auf den Hauptbegriff des 
᾿Ιουδαῖος; denn der wahre Jude ist zugleich der, dessen Be- 
schneidung Herzensbeschneidung ἰδὲ ἢ. Die epexegetische 
Relativbestimmung ist argumentativ zu fassen; denn in ihr 
liegt der Grund, weshalb dies das wahre Wesen des Juden- 
thums und der Beschneidung ist. — ὁ ἔσεαινος) vgl. IT Chr 
21». Der Art. bezeichnet das einem solchen echten Juden 
gebührende Lob, wie es am Enndgericht von Gott ertheilt wird 


*, Gemeint ist also weder das neue gottgewirkte Lebensprinzip 
im Menschen (Rück., vgl. schon Luthers Glosse), geschweige denn 
der natürliche Menschengeist (Theod. Mopsv., Oecum., Erasm., Beza, 
Rche., Mehr.), was gegen allen paulinischen Sprachgebrauch ist und 
den völlig selbstverständlichen Gedanken ergiebt, dass Herzensbe- 
schneidung im menschlichen Geiste, oder den ganz schriftwidrigen, 
dass sie durch den Menschengeist (Otto) stattfindet. Dass aber der 
göttliche Geist schon im wahren Judenthum das göttliche wirksame 
Prinzip ist (Meyer), folgt aus 714 nicht und ist der ganzen Paulini- 
schen Lehre zuwider. Thatsächlich konnte unter dem AT so wenig 
wahre Herzensbeschneidung vorhanden sein, wie volle Gesetzeser- 
füllung bei den Heiden (V. 267). Eben darum musste ja an die 
Stelle des γράμμα das πνεῦμα im NT treten, 76. IIKor 36. Um 80 
weniger kann hier von dem wahren Jüdischen von Gott kommenden 
Gemeingeist (de W., vgl. Thol.) oder dem Geist des Gesetzes im 
Gegensatz gegen dessen äussere Beobachtung (v. Heng., welcher mit 
Unrecht den Mangel des Artikels geltend macht) die Rede sein. Beck 
will wegen der abweichenden Bedeutung des ἔν das ἐν zveuuarı nicht 
dem ἐν σαρχί parallel fassen, sondern zum ganzen Verse beziehen. 

**) Meyer, der für die maskulinische Fassung unbegreiflicher 
Weise nach 88 ὧν verlangt, fasst das οὗ (wovon) neutrisch (Volkm., 
Böhmer: wofür, vgl. Zimmer) und bezieht es auf das Ganze, wodurch 
V. 29 das wahre Judenwesen bezeichnet ist, wie oft auch bei Klas- 
sikern das Neutr. Rel. dem ganzen Satze angehört (s. Richter de 
anac. graec. ling. ἃ 28. Matthiae II, p. 9871). Ganz kontort kon- 
struiren Grot., Th. Schott, Otto, als ob das 2orev V. 28 unmittelbar 
vor οὗ stände (nicht der offenbare Jude u. 8. w. ist es, dessen Lob 
u. 8. W.). 





134 Röm 2». 81. 


(I Kor 45). Denn nur für die Frage, ob man im Endgericht 
Lob emptängt, oder zum Verderben verurtheilt wird, ist nach 
dem ganzen Zusammenhang die äussere Beschneidung und die 
dadurch konstituirte äussere Zugehörigkeit zum Gottesvolk 
etwas schlechthin Gleichgültiges (gegen Luth... Dieses Lob 
stammt nicht von Menschen her (οὐκ ἐξ avdeWrw»), wie 
das, womit sich die Juden gegenseitig ihrer äusseren Vorzüge 
rühmen, sondern von Gott selbst (a iv: ἐκ τοῦ ϑεοῦ), womit 
natürlich nicht gesagt ist, dass der Apostel an das von der 
Schrift her (z. B. Jer 4sf.) bekannte Lob denkt (Otto). 


Kap. III 


V. 1f. So gewiss nach dem ganzen Zusammenhange die 
Auseinandersetzung über die Werthlosigkeit der Beschneidung 
V. 25-29 nur beweisen sollte, dass dieselbe an der Zornver- 
fallenheit des Gesetzesübertreters nichts ändern könne, so nahe 
lag es doch, aus V. 28f. zu folgern, Paulus hebe den Vorzug 
des Judenthums oder den Nutzen der Beschneidung überhaupt 
auf. Er wirft daher selbst die Frage auf, was denn dem 
Judenthum und der Beschneidung für ein Vorzug verbleibe 
nach dem V. 28f. Gesagten (ov»), um durch die Antwort 
darauf jene falsche Folgerung abzuschneiden ἢ). — τὸ σεερισ- 
σόν) eig. das über Andere inausgehende, der Vorzug (Koh 
68. Symm., wo die LXX τίς ἡ περίσσεια haben, vgl. Mt 
dar. Plat. Ap. S. p. 20C. Lucian. Prom. 1. Plut. Demosth. 
3) des Juden, d. i. was er vor dem Heiden voraus hat. Das 
folgende 7 (oder, um es mit anderen Worten auszudrücken) 
giebt wesentlich dieselbe Frage, nur in anderer Form, weshalb 
auch V.2 nur eine Antwort erfolgt. Denn die Beschneidung 
ist es ja eben, durch deren Vollziehung dieses Volk aus den 


ἢ Vgl. noch Matthias, das dritte Kap. d. Br. an d. Röm., ein 
exeget. Versuch, Cassel 1857. James Morison, a critical exposition of 
the third chapt. of Paul’s epist. to the Romans, Lond. 1866. — Ganz 
unnöthig ist der Streit darüber, ob Paulus in seinem Sinne (Baur, 
Mehr.) oder im Sinne des Juden (Lipe.) diese Frage aufwerfe, da er 
selbst sich durchaus als Jude fühlt und die scheinbare Herabsetzung 
der Beschneidung, die in der Auseinandersetzung V. 25—29 liegt, 
lebhaft empfindet. Das schliesst aber natürlich nicht aus, dass ihm 
bei ähnlichen Ausführungen im Streit mit Juden diese Frage gestellt 
war. Vgl. Sanday. Otto lässt den orthodoxen Juden in Paulus die 
Frage aufwerfen. Böhmer lässt einen Heidenchristen fragen. 





Röm 33. 135 


Völkern ausgesondert und zum Volke Gottes geweiht wird. 
Von einer ὠφέλεια (Ps 3010. Job 22s) derselben aber war 
ja die ganze Erörterung als von etwas Zugestandenem V. 25 
ausgegangen. — V. 2. sroAv) Vieles, nämlich ist das στερισ- 
σόν des Juden und somit der Nutzen der Beschneidung. Das 
Neutr. fasst also die Antwort auf beides zusammen. Wie 
Vieles der Apostel hier hätte aufzählen können, zeigt 94ıf. — 
κατὰ πάντα τρόπον) auf jede Weise (Xen. Anab. 5, 6, 30), 
man mag die Sache betrachten, wie man will. Daher der 
Sache nach gleich: in jeder Hinsicht*). — πρῶτον μέν) 
zuerst, erstlich zwar ist es ein Vorzug des Juden oder Vor- 
theil der Beschneidung, dass u. s. ἡ. An dieser Bedeutung 
des πρῶτον festzuhalten, nöthigt noch. zwingender als 18 die 
Beziehung auf das vorhergehende »zoAv. Man darf nur nicht 
sagen, dass Paulus, durch die folgende Erörterung abgelenkt, die 
weitere Aufzählung fallen lasse (Meyer u. A.), wohl gar um 
sie auf 94 zu verschieben (Grot.).. Denn allerdings ergiebt der 
Zusammenhang, dass es ihm von vorn herein auf die Erörte- 
rung ankam, die sich an diesen ersten Vorzug anknüpft, und 
der zu Liebe er die Frage V.1 überhaupt zur Sprache gebracht 
hatte; aber darum involvirt das μέν doch immer die Vorstellung 
anderer mit δέ folgender, die er mehr oder weniger als Kon- 
sequenz dieses ersten denkt, und von denen darum wesentlich 
dasselbe gelten wird "ἢ. — δὃτι ἐπιστεύϑησαν) dass sie 
(die Juden) betraut wurden mit den Aussprüchen Gottes, die- 


*) Das Gegentheil wäre: xar’ οὐδένα τρόπον, II Mak 11sı. II Ths 
23. Polyb. 4, 84, 8. 8, 27, 2. Nach Morison, God. erstreckt sich der 
Vorzug auf alle Lebensverhältnisse, nach Böhmer heisst es: unter 
allen Umständen, also auch, wenn das Volk schmachvoll frevelt. 
Reiche hält den Ausdruck für hyperbolisch. Die ganze Antwort fasst 
Baur (ThJ 1857. p. 69) als Gegenrede eines sein πεέρεσσόν geltend 
machenden Juden, dem dann Paulus V. 4 mit un γένοιτο in die Rede 
falle, wie Mehr. V. 2—8, so dass ihm erst V. 9 der Mund gestopft 
werde. Auch nach Otto hätte Paulus als Christ nie diese πεν οὶ 
gegeben, dieer V. 9 auf das rechte Maass zurückführt. Man verkennt 

abei nur, wie vollberechtigt in seinem Sinne diese Antwort ist. 

**) Deshalb bezeichnet aber πρῶτον nicht den Hauptvorzug 
(Th. Schott, Holst., Beck., God., Otto). Lips., der mir die oben be- 
kämpfte Ansicht Meyer’s zuschreibt, nennt denselben irrthümlich 
einen dritten (wichtigsten) neben Gesetzesbesitz und Beschneidung, 
während er doch nur als der zunächst mit dieser gegebene ein- 
geführt wird. Ganz irrig fassen Hofm., Luth. u. A. nach Calv., Calov, 
Wolff u. A., das πρῶτον im Sinne von praecipue und lassen das μέν 
nur der Hervorhebung dieses πρῶτον dienen. Das γὰρ nach πρωτον 
μὲν (Tisch. Rept. nach NAKL) ist Verbindungszusatz und nach BDEG 
und fast allen Versionen mit Lchm., Treg. zu streichen. WH. hat es. 
in Klammern. 


136 Röm 85. 8. 


selben wie ein göttliches Kleinod zu bewahren und zu erhalten 
für alle Zeiten des Volkes Gottes .als ihr und ihrer Kinder 
Eigenthum. Der Ausdruck τὰ λόγια τοῦ ϑεοῦ kann an 
sich jede Art von Gottessprüchen bezeichnen (vgl. Act 78. 
IPtr 4ı. Hbr 512), bezeichnet aber dem Zusammenhange 
gemäss hier ohne Zweifel die göttlichen Verheissungen (9«), 
welche dem auserwählten Volke für die messianische Zeit die 
Heilsvollendnng verbürgten, wie sie nicht bloss in den eigent- 
lichen Propheten (Act 3%), sondern auch schon im Pentateuch 
(Bund mit Abraham, Verheissung Mose’s) enthalten waren. 
Dagegen kann das Gesetz (Chrys., Theodoret., Oecum., Beza 
u. M.) auch nicht einmal mit (Matthias, Beck, Sand.) gemeint 
sein, da ja die Werthlosigkeit des Gesetzesbesitzes 211% aus- 
führlich erörtert ist, und es sich hier gerade um die unverlier- 
baren Vorzüge Israels handelt *). 

V. 3£. ri yae;), wie Phl 118: denn wie? Wie verhält 
sich die Sache? Dies ist nur eine lebhafte Form, um eine 
Begründung der vorigen Behauptung einzuführen, durch welche 
das Bedenken weggeräumt werden soll, dass ja das empirische 
Israel auch diesen Vorzug durch sein Verhalten verscherzt 
habe, und er also kein wirklicher Vorzug mehr sei. — ei 
ἡπείϊίστησάν τινες) kann mit Bezug auf das gewählte &zı- 
στεύϑησαν V. 2 nur übersetzt werden: wenn Etwelche untreu 
waren scil. in der Bewahrung der ihnen anvertrauten Ver- 
heissungen. Da nun mit der Beschneidung, welche die Zu- 

ehörigkeit zum Volk der Verheissung vermittelte, zugleich die 

erpflichtung zur Gesetzeserfüllung verbunden war San: 80 
konnten sie ihrerseits sich jene Verheissungen nur bewahren, 
wenn sie das Gesetz erfüllten. Dass sie das nicht gethan 
hatten, war eine offen vorliegende Thatsache der Vergangen- 
heit. So verstehen das ἠσζείστησαν mit Recht Theodor., Oecum., 
Theophyl., Calv., Beza, Calov., Kölln., de W., Mehr. Aller- 
dings redet der Apostel nur von τινές, um die Unmöglichkeit, 
dass dies auf Gott irgend einen Einfluss haben könnte, um so 


ἢ Zu der gut griechischen Ausdrucksweise πεστεύομαί τε vgl. 
Gal 27. IKor 9ı7 und dazu Win. ἃ 39, 1, a. Das Wort Aoysor be- 
deutet im Klassischen gewöhnlich Orakelsprüche, in den aber 
steht es durchaus synonym mit λόγος; es ıst daber ganz willkürlich, 
darunter gerade die heilsgeschichtlichen Kundgebungen Gottes (Hofm., 
Luth.) zu verstehen oder an die heiligen Schriften des AT’s (vgl. 
Meyer), auch nach seinen geschichtlichen Theilen (Chr. Hoffm.), zu 
denken. Welcher Art die gemeinten Gottessprüche oder Gottesoffen- 
barungen sind, entscheidet überall der Kontext. Durch ihn aber ist 
jedenfalls jede Mitbeziehung auf neutestamentliche Offenbarung (Hofm.) 
oder gar auf die Herrensprüche (Böhmer) ausgeschlossen. 





Röm 83. 137 


schlagender ins Licht zu setzen. Aber bei der Relativität 
dieses Ausdrucks besagt derselbe schlechterdings nicht, wie 
Viele es waren (τινὲς καί πεολλοί γε, Plat. Phaedr., p. 58D), 
etwa dass die Untreuen immer nur Einzelne (wieviel auch 
immer) und die Treuen das wahre Volk Gottes seien (Beck). 
Damit, dass doch jedenfalls nicht Alle untreu gewesen waren, 
ist übrigens die Beziehung auf die Gesetzeserfüllung keines- 
wegs ausgeschlossen (gegen Meyer); denn wenn auch jede Gre- 
setzesübertretung die Rochtkertigung aus den Werken aufhebt, 
so ist sie doch keineswegs an sich schon ein Bundesbruch, der 
die Erfüllung der Verheissung aufhebt, da ja das AT selbst 
seine Ordnungen hatte, durch welche Gesetzesübertretungen, 
die keinen Bundesbruch involvirten, gesühnt werden konnten. 
Dass aber das Volk einem n Theile nach ein bund- 
brüchiges gewesen war, das eben damit die Voraussetzungen, 
unter welchen ihnen Gott seine Verheissungen anvertraut hatte, 
aufhob, ist ja bekannt genug (vgl. Hbr 8sfl., auch Jer 81 8181) *). 


x > 


— μὴ ἢ ἀπιστία αὑτῶν) vgl. Sap 1435: so wird doch ihre 
Untreue nicht die Treue Gottes aufheben? Diese Frage 
wendet sich gegen ein aus seinen eigenen Erörterungen 
(V. 25—29) sich erhebendes Bedenken (vgl. God.)**. Dies 


*) Diese Ausführnng ignorirt Hilgenf. in seiner Polemik (8. ἃ. Ο. 

35, 3 p. 334) gänzlich. Auch unter denen, welche ἠπέστησαν richtig 
erklären, denken Hofm., Beck., Luth., Goeb. (vgl. besonders Otto) zu- 
gleich an den Unglauben an die göttlichen Verheissungen. Nun be- 
hauptet aber Meyer nach Morison p. 23, ἀπιστεῖν heisse im ganzen 
NT nur ungläubig sein (was schon durch II Tim 218 widerlegt wird), und 
denkt, da sich dieser Unglaube im AT doch nicht nachweisen lässt, wie 
jene zugleich, nach Est., Thol., Rche., Olsh., Frtzech., Rück.. B.-Crus,., 
Krehl, mit Phil., Matthias, Holst., God., Böhmer, Chr. Hoffm., Lips., 
Sand., Hilg. (obwohl Viele dabei die richtige Bedeutung des ἠπέστησαν 
festhalten), an den Unglauben gegenüber der neutestamentlichen Heils- 
botschaft, was schon der Aor. höchst unwahrscheinlich macht. Aber 
diese Heilsbotschaft kann nach Paulus nicht zu den Aoyıa gerechnet 
werden, welche dem Volk der Beschneidung als solchem anvertraut 
sind, und in dem Unglauben an sie lag keine Untreue in der Be- 
wahrung der alttestamentlichen Verheissungen, die sie ja eben nicht 
in Christo erfüllt sahen. Das rıves ist weder verächtlich oder ironisch 
Thol., Phil., vgl. Beng.), noch mildernd (Grot.). Elz., Beng., Lcehm., 
isch., Treg., v. Heng., Hofm., Otto u. A. setzen das Fragezeichen 
nach τινές. Doch ist auch bei Klassikern das für sich stehende τέ 
γάρ häufig, »ubi quis cum alacritate quadam ad novam sententiam 
transgreditur«, Kühner ad Xen. Men. 2, 6, 2. Bäuml., Partik. p. 73f. 
**) Die Frage wendet sich also nicht gegen einen Einwand, der 
dem Apostel von judenchristlicher Seite her gemacht war; denn so 
wenig ein Judenchrist glauben konnte, dass Gesetz und Beschneidung 
im Gericht Gottes etwas helfen könne, wenn das Gesetz nicht gehalten 
werde, sowenig erscheint es irgendwo als spezifisch judenchristlicher 


138 Röm 38. «. 


tritt freilich nur dann klar hervor, wenn man das nriormoar 
auf den Mangel an Gesetzeserfüllung bezieht, von dem bisher 
die Rede war, und es nicht auf irgend etwas Anderes deutet, 
worauf nichts im bisherigen Zusammenhang führt. Das τὴν 
σείστιν τοῦ ϑεοῦ geht, wie Hos 22, auf die Treue Gottes, 
wonach er seine Verheissungen (die Aoyıa V. 2) erfüllt, und 
beweist also entscheidend für die richtige Fassung des gegen- 
sätzlichen ee und asrıoria (vgl. das häufige πιστὸς 
ὁ ϑεός I Kor 19. 1018. IIKor 118. Das xaraeynoeı heisst 
eigentl. unwirksam machen, einen oder etwas seiner Bedeutung 
berauben (IKor 12. 26). Wenn die Treue Gottes unwirksam 
gemacht wird, so bleiben die dem Volke als solchem gege- 
benen Verheissungen unerfüllt. Diese Möglichkeit weist schon 
die Form der Frage zurück; Gott wird endlich doch in Treue 
gegen sein einmal demselben gegebenes Wort seine Verheis- 
sungen erfüllen, wenn auch auf sehr anderen Wegen, als auf 
denen bisher der Jude durch Erfüllung seiner Bundesver- 
pflichtungen allein diese Erfüllung erlangen zu können schien *). 
— V.4. un γένοιτο) Es geschehe nicht! Das sei ferne! 
Eine bei Paulus (Gal 21. 321. I Kor 615) häufige Verneinungs- 
formel, durch welche das Gefragte mit Abscheu zurückgewiesen 
wird, dem „bern (Gen 4417. Jos 22%) entsprechend, doch 
auch bei späteren Griechen gangbar (Sturz de dial. p. 204). 
— γενέσϑω δὲ ὃ ϑεός ἀληϑής) wie Sap 151; knüpft wohl 
im Ausdruck absichtsvoll an das un γένοιτο an, hat aber seine 
Wahrheit darin, dass die Wahrhaftigkeit Gottes sich erst voll- 


— — ..ὕἡὅὄΦ Φ ὀ--Ο-.-... 


Irrthum, dass die Treue Gottes aufgehoben werde durch die Untreue 
des Volkes, weil überhaupt das Thun Gottes durch der Menschen 
Verhalten bedingt sei (gegen Holst.), und ebenso wenig erhellt, dass 
der Judenchrist den Paulus beschuldigt, wenn doch sein Evangelium 
vorzugsweise die Schuld trägt, dass die Juden dem Heil fern bleiben, 
erscheine gerade durch ihn die Treue Gottes gegen sein Bundesvolk 
aufgehoben (Grafe p. 68). Hilg. meint, dass dies nur gegen den Ein- 
wand der Judenchristen sich richte, der Judenvorzug sei nicht in die 
Verheissungseprüche Gottes zu setzen, wofür sie sich auf den Un- 
glauben so mancher Juden beriefen, was doch nicht im Geringsten 
angedeutet ist und so wenig die These des Apostels aufheben, wie an 
sich zu dieser Konsequenz führen würde. 

*), Ganz falsch denkt Hofm. trotz des Fut. daran, dass Gott, in- 
dem er zu Israel geredet, dem Verhbältniss, in welches er sich zu 
demselben stellt, treu geblieben ist. Otto erklärt πέστες durch 
(Glaubwürdigkeit, was es nicht heisst, und was nicht einmal einen 
Gegensatz gegen den Unglauben bilden würde. Gott hat schon in 
der Sendung des Messias und der Heilsbotschaft von ihm, die πρῶτον 
τῷ ἸἸουδαίῳ (116) bestimmt ist, seine Treue bewährt; und wie er das 
auch dem Unglauben Israels gegen diese Heilsbotschaft gegenüber. 
thun wird, zeigt Röm 9—11. 


Röm 34. 139 


kommen realisirt, wenn sein Wort sich in der Erfüllung seiner 
Verheissungen als wahr erweist. In dem, was Gott (und der 
Mensch) thut, wird er thatsächlich, was er seinem Wesen nach 
ist, es kommt schliesslich darauf hinaus, dass Gott wahrhaft 
ist, jeder Mensch dagegen ein Lügner (πᾶς δὲ ἄνϑρωπος 
ψεύστης), wie schon Ps 11611 es ausspricht. Das zweite 
Glied ist keineswegs unwesentlich (Rück.), sondern hat, und 
zwar ohne vorheriges μέν desto energischer, den Zweck, Gotte 
die ἀλήϑεια ausschliesslich zuzueignen, im Gegensatz zu yrrior. 
τινες τὰ 3, dieses zıveg durch πᾶς überbietend. Lügner ist 
jeder Mensch, wenn er nicht leistet, wozu er sich verpflichtet 
hat. Allerdings war die Untreue V.3 als ein Verhalten gegen 
ein anvertrautes Gut und nicht gegen eine übernommene Ver- 

flichtung qualifizirt; aber auch das Verhalten Gottes ist ja 
dor als Treue, und nicht als Wahrhaftigkeit qualifizirt; und 
den Apostel scheint die Anspielung auf die Palmstelle (Calv., 
Wolt, God. u. V.), durch welche diese Thatsache als eine von 
vorn herein zweifellose hingestellt wird, veranlasst zu haben, 
an Stelle des Gegensatzes von Treue und Untreue den von 
Wahrheit und Lüge zu setzen*). Jedenfalls liegt der Nach- 
druck auf der ersten Vershälfte, für welche der A l Ps 519 
wörtlich nach den LXX als Beweis anführt. enn es dort 
heisst, es solle Gott für gerecht (rechtbeschaffen) erklärt werden 
in seinen Worten, so geschieht das eben, wenn er sich in 
seinen Worten als wahr erweist, also auch gegenüber der azzı- 
oria der Menschen an der Treue in Bezug auf seine Ver- 
heissungen festhält. Das Parallelglied kann nur genau in 
demselben Sinne genommen werden. Schon in dem dy“aıw- 
ϑῆς liegt ja die (anthropomorpbistische) Vorstellung, als ob 
Gott zur Rechenschaft gezogen und auf Grund angestellter 
Untersuchung für gerecht erklärt wird. Das νεχήσῃ aber in- 
volvirt vollends die Vorstellung eines Prozesses, in welchem Gott 
obsiegt (vgl. Xen. Memor. 4, 4, 17. Dem. 1436), und darum 
kann das ἐν τῷ κρίνεσϑαί oe nur passivisch genommen 
werden: wenn Du gerichtet wirst (Vulg., Luther u. d. Meisten, 
auch Mehr., Volkm., Otto, Zimmer, Lips, Sand.). Gerade 
Paulus bei seiner juridischen Auffassung des διχαιωϑῆναι kann 


8) Mit der Auffassung der ἀπιστέα als Unglaube ist freilich dies 
ıwevorns nur sehr künstlich in Verbindung zu bringen (vgl. die Ver- 
suche von Hofm., Meyer, Hilg.), Grafe p. 68 denkt an jeden Menschen, 
der das Gegentheil von V. 3 behauptet, wodurch aber die Sub- 
stituirung des ἀληϑής für πεστός nicht erklärt wird. Das γενέσϑω 
logice zu fassen (de W. u. A.) oder geradezu in φανερούσϑω, δειχνύ- 
σϑω zu verwandeln (Theoph., vgl. auch Sand.: prove to be, be seen to 
be), ist gar kein Grund. 








140 " BRöm 84. δ. 


sich ein solches ohne ein χρίγνεσϑαι in diesem Sinne nicht 
denken *). 

Υ͂. δὲ, ei de) führt mit dem metabatischen δέ von der 
V. 3f. besprochenen Thatsache, dass die Untreue der Menschen 
die Treue Gottes nicht aufhebe, sondern ihr nur zu vollster 
Bewährung Anlass gebe, zu einer falschen Ko uenz fort, 
die daraus scheinbar gezogen werden könnte. s scheint 
nämlich, wenn die Untreue Israels nur zur Verherrlichung 
Gottes gereicht, also ganz im Interesse Gottes liegt, die Straf- 
barkeit derselben wegzufallen und so Alles, was Paulus über 
die Zornverfallenheit der Juden wegen ihrer Gesetzesüber- 
tretung ausgeführt hatte, nun doch wegfällig zu werden. Der 
Vordersatz enthält also etwas, das mit dem Vorigen unmittel- 
bar gegeben ist, und drückt nur in der Form eines Allgemein- 
satzes aus, was in der V. 3f. besprochenen konkreten That- 
sache liegt. Demnach ist ἡ ἀδεχία, wie 118. 29. 28, die ab- 
norme Beschaffenheit, die Unsittlichkeit im umfassendsten 
Sinne, zu welcher auch die ἀπιστία V. 3 gehört, und das 
N T, ὧν bezeichnet die len menschliche Ungerechtigkeit 
(God.), an der nur die Juden auch partizipiren. Dass der 


’ “- > 


Apostel nicht ἡ ἀδικία τῶν ἀνθρώτπτων schreibt, beweist eben 
nur, dass er die abzulehnende Folgerung als eine auch für 


*) Meyer dagegen nimmt es medial: indem Du rechtest (IKor 61. 
Mt 54, vgl. Job 98. 1319), und mit ihm Beza, Beng., Matthias, Thol., 
Phil., v. Heng., Ew., Hofm., Morison, Beck, God., Luth., Goeb., 
Böhmer gegen den Gebrauch des xofvouas in Υ͂. 7. Auch könnte von 
einem Rechten mit den Menschen, aus dem er siegreich hervorgeht, 
nur die Rede sein, wenn man wevorns speziell von dem Lügner nimmt, 
welcher behauptet, dass die Untreue der Menschen seine Treue auf- 
hebe (s. d. vor. Anm.). Paulus reflektirt weder auf den Urtext, den 
die ohne Zweifel unrichtig wiedergeben, noch auf den historischen 
Sinn der Stelle in seinem Zusammenhange, wie am besten die 
Künsteleien bei Hofm., Beck., God., Otto zeigen, durch die man den- 
selben auch in unsere Stelle hineinbringen will. Er fasst die Stelle 
auch nicht als Typus auf das von ihm besprochene Verhältniss 
(Meyer), sondern, wie immer, rein nach ihrem Wortlaut, und kann 
darum kontextgemäss bei den Aoyos nur an die λόγια V. 3 denken, 
von deren ἐλήϑεια noch eben die Rede war. Denn von irgend welchen 
Vorhaltungen Gottes an den sündigen Menschen (Phil., Hofm., Luth.) 
ist eben im ganzen Kontext nicht die Rede, freilich auch nicht von 
dem über die Juden verhängten Strafgericht, das zunächst der Be- 
bauptung V. 3 zu widersprechen scheine (Lips.). Statt des gewöhn- 
lichen χαϑὼς der Rcpt. lies nach NB das seltenere χαϑαπεὲρ (θη 124. 
Ex 5ıs. 76). Dagegen behalten Lchm., Treg. text. wohl mit Recht 
die Rept. vıxnons (BGKL) bei; denn gerade nach onws kommt, umge- 
kehrt wie im klass. Griech., der Ind. fut. (Tisch, WH. nach NADE: 
vırnosıs) nicht vor, und selbständig will der Parallelsatz sicher nicht 
gelesen sein (gegen Volkm.). 





Röm 35. 141 


ihn selbst sich scheinbar ergebende darstellen will. Ebenso 
umfasst nun die göttliche Gerechtigkeit die Treue und Wahr- 
haftigkeit Gottes, welche darin, dass sie durch die Untreue 
der Menschen nicht aufgehoben wird, sich erst recht als eine 
unwandelbare göttliche Eigenschaft erweist. Wie das voran- 
stehende ϑεοῦ nachdrücklich den Gegensatz markirt zu der 
in ἡμῶν liegenden menschlichen adıxia, so bringt es dieser 
Gegensatz mit sich, dass jene speziellen göttlichen Eigen- 
schaften unter den allgemeinen Begriff der δικαιοσύνη sub- 
sumirt werden, welcher in Analogie mit der me ichen 
δικαιοσίνη ausdrückt, dass Gott ist, wie er sein muss, und 
nichts ihm an seiner ethischen Vollkommenheit fehlt. Aus- 
drücklich weist die Artikellosigkeit darauf hin, dass es sich 
hier um göttliche Gerechtigkeit in dem Sinne handelt, wie sie 
nach dem δικαιωθῇς in V. 4 sich immer aufs Neue beweisen 
muss (συνίστησιν, vgl. Susann. 61. Philo rer. div. haer. $ 52. 
Diod. 13, 91. IIKor 64 71) ἢ). — Mit dem im Römerbrief, 
und nur in ihm, so häufigen τί ἐροῦ μεν (vgl. IIIEsr 8sı) 
leitet Paulus zu einer Frage über, welche, wie die in V. 3, 
schon durch das μή ihre verneinende Antwort in sich selbst 
trägt **). Dem Apostel erscheint der Frevel einer solchen Be- 
hauptung so abschreckend, dass er selbst in der Deliberation 
die verneinende Antwort schon vorweg antizipirt. Daher: 
doch nicht ungerecht ist Gott, der den Zorn verhängende? Das 


MT 


Ὁ Das ἡμῶν ist also nicht aus dem jüdischen Bewusstsein 
heraus gesagt (de W., Meyer, Otto, Böhmer, Lips., Hilg.). Bei der 
διχαιοσύνη an irgend eine spezielle Eigenschaft Gottes, wie die Wahr- 
heit (Beza, Este, Koppe u. M.) oder die Güte (Chrys., Theodoret., 
Grot.) zu denken, wird ebenso durch den Wortlaut, wie durch den 
Gegensatz der ddızla ausgeschlossen, geschweige denn, dass an die 
dıx. ϑεοῦ aus 117 (v. Heng., Hilg.) zu denken wäre. Es ist hier die 
einzige Stelle, wo theils die Beziehung auf das δικαιωθῇς V.4, theils 
der Gregensatz der addızla den Apostel veranlasst, den Begriff der 
ϑιχαιοσύνη (im Sinne der normalen Beschaffenheit) anthropomorphistisch 
auf Gott zu übertragen, auf den dieser Begriff eigentlich nicht passt, 
da in ihm die Beziehung auf eine Norm liegt, welcher der δέχαιος 
entspricht, während eine solche Gott doch nur in sich selbst hat. 

"ἢ Rück., Phil. fassen die Frage als eine bejahende, aber wo bei 
den Griechen auf eine Frage mit μή eine bejahende Antwort folgt, 
geschieht dies immer wider Erwarten des Fragenden (Kühner 8587, 11. 
Anm. 13). Nach μή denkt Mang. p. 314. Anm. ein aus ἐροῦμεν zu 
ergänzendes λέγωμεν, sodass die nun folgende Frage ἄδεχος etc. nur 
die aus seiner Lehre irrthümlich gezogene Konsequenz weiter ent- 
wickelt, die Paulus überhaupt gar nicht widerlegt, sondern nach der 
Abweisung (μὴ γένοιτο) nur mit ἐπεὶ πῶς begründend fortsetzt. Auch 
V.7f. fol dann nur eine Fortsetzung dieser gegnerischen Fragen 
(ohne Widerlegung), die freilich sonderbarer Weise V. 8 in die Form 





142 Röm 38. e. 


mit Nachdruck vorangestellte adıxog (vgl. Hbr 61) kann 
nur (gegen Blbtr. p. 89) in der strikten richterlichen Bedeutung 
genommen werden, da das ὁ &zıy&ow» (vgl. Xenoph. hist. 
gr. 6, 3, 4. Polyb. 3, 4, 5) τὴν ὀργήν (2, 5. 8) auf den be- 
kannten richterlichen Akt hinweist, den er an dem grossen 
Gerichtstage vollzieht, indem er seinen Zorn verhängt über 
die Sünder*). Es könnte als ungerecht erscheinen, wenn 
Gott strafen wollte, was zu seiner Verherrlichung gereicht. — 
κατὰ ἄνθρωπον λέγω) vgl. Gal 315. Schon, dass man 
überhaupt die Gerechtigkeit Gottes in Frage stellt, geschieht 
nur nach gemein-menschlicher Weise, wie man wohl unter 
Menschen unbesonnener Weise von Gott so redet, als wäre 
er unsersgleichen, und darum auch die Möglichkeit einer Un- 
en bei ihm erwägt (God.) **). — v. 6. μὴ γένοιτο) 

je entrüstete Abweisung (vgl. V. 4) wird hier begründet 





der verneinenden Frage übergeht, was Mang. sehr künstlich daraus 
erklärt, dass der Frager selbst den Muth verliert, die äusserste Kon- 
sequenz zu ziehen. Auch Otto findet hier einen gegnerischen Ein- 
wurf, was schon durch das χατὰ ἄνϑρ. λέγω ausgeschlossen wird. 
Lips. denkt auch hier an die zeitweilige Verwerfung Israels, die ja 
bereits geschehen ist. 

*) Hieraus erhellt aleo, dass Paulus immer noch von der Zorn- 
verfallenheit der Juden redet, und dass also hier nicht ein neuer Ab- 
schnitt beginnt (gegen Hofm., der den Apostel mit der ganz allge- 
meinen Besprechung des Gegensatzes zwischen göttlicher Gerechtigkeit 
und menschlicher Ungerechtigkeit dazu übergehen lässt, den Wahr- 
heitsbesitz der Christen als den aufzuzeigen, welcher macht, dass der 
Mensch gerecht ist vor Gott). Aber freilich folgt aus diesem Zu- 
sammenhange aufs Neue, dass die Untreue der Juden, von der V. 8 
die Rede war. in der Sache nichts Anderes sein kann, als die Ge- 
setzesübertretung derselben, von der seit 21 die Rede gewesen ist. 
Und ebenso folgt, dass 31ı—8 durchaus keine Unterbrechung ist, die 
von dem Hauptgegenstande der Erörterung ablenkt, sondern dass die 
Verwahrung gegen den Missverstand, als ob er die völlige Werth- 
losigkeit der Beschneidung up (V. 1£.), dem Apostel mittelst 
V. δ. nur zum Anlass wird, ein letztes Bedenken gegen seinen seit 
2ı verfochtenen Hauptsatz abzulehnen. Denn die seit 235 bekämpfte 
jüdische Ansicht, dass die durch die Beschneidung konstituirte kit 
gliedschaft des jüdischen Volkes vor dem Zorngericht Gottes schützen 
könne, wird ja hier nur auf die einzige Form zurückgeführt, in der 
sie auch für den Apostel, der an der Unwiderruflichkeit der Israel 
gegebenen Verheissung festhält, einen Schein von Wahrheit haben 
könnte. 

*, Der Zusatz fordert so wenig, die vorige Frage als eine be- 
jahende zu denken (Phil.). dass er vielmehr nur dasselbe Interesse 

at, wie die verneinende Form derselben, nämlich von -vorn herein 
das Aufwerfen jener Frage gleichsam zu entschuldigen. Auch ist es 
offenbar falsch, ‘hierin bereits die materielle Widerlegung des Ein- 
wurfes zu finden, als ob nur bei Menschen es vorkäme, dass man 





Röm 86. 1. 143 


mit dem elliptischen &sreı (vgl. Buttm. neut. Gr. p. 308): 
weil (scil.: wenn der den Zorn verhängende Gott ungerecht 
ist) oder: da sonst Gott unmöglich die Welt richten kann, 
sofern ja zum Weltrichteramt nothwendig Gerechtigkeit gehört. 
Vgl. Gen 183. Es wird diese Behauptung aber in die Form 
der neuen Frage gekleidet, wie in diesem Falle ein Richten 
Gottes möglich sein soll (πῶς, wie Mt 74). Das mit Nach- 
druck voranstehende xgıvei bezieht sich auf die jedenfalls 
künftig eintretende, schlechthin feststehende Thatsache des 
Weltgerichts. Daher bezeichnet auch τὸν x00 40» nach durch- 
gängigem paulinischem Sprachgebrauch die ganze gottfeind- 
liche Menschenwelt *). 

V. τί. εἰ γὰρ ἡ ἀλήϑεια) begründet die zunächst nur 
mit Hinweis auf das unbezweifelte Weltrichteramt Gottes ent- 
rüstet ausgesprochene Abweisung des Gedankens, dass es un- 


die Sünde nur danach beurtheilt, ob sie einen Nutzen bringt (Luth., 
Goeb., Böhmer), da ja dann die erst mit μὴ γένοιτο Bo scharf ein- 
tretende Abweisung schon vorweggenommen würde. Lips. findet un- 
möglicher Weise darin, dass das Vorige als die Meinung des Gegners 
bezeichnet werde. Mehr., Hofm., Blbtr. p. 99f. beziehen es auf das 
Folgende, als ob Paulus bevorworten wolle, dass er die Frage in der 
Weise des gemeinmenschlichen Verstandes mit Absehen von der gött- 
lichen Offenbarung in Schrift und Geschichte beantwortet, und einen 
ähnlichen Gegensatz findet schon Meyer angedeutet. Aber das Fol- 
ende provozirt ja grade auf die nur durch Offenbarung gegebene 
ewissheit eines Weltgerichts. 

*, Otto nimmt auch hier das Fut. als logisches, Böhmer will 
xolveı lesen, beide beziehen es auf das ständige Richten Gottes. 
Nach Lips. muss Gott als Weltrichter alle Sünde strafen, also auch 
die der Juden (vgl. Luth.\.. Aber damit ist ja die V. 5 aufgeworfene 
Frage garnicht gelöst, da es sich eben darum handelt, ob unter den 
obwaltenden Umständen das Strafen ihrer Sünde nicht ungerecht 
wäre. Nach Hilg. muss er als Weltrichter auch die eigene Unge- 
rechtigkeit der Gläubigen richten, obwohl sie der Strafe des Zornes 
Gottes entzogen sind. Aber was dann dieses Richten noch bezweckt, 
hat er nicht gezeigt. Die Argumentation gründet sich aber auch 
nicht auf die Reflexion, als ob jede Sünde der Menschen die Heilig- 
keit Gottes ins Licht stellt und so keine gestraft werden könne 
(Holst., Beck, God., Otto, Zimmer nach Olsh. u. A.); denn es wird ja 
nicht betont, dass er dann Niemanden richten könnte, sondern 
dass er überhaupt nicht richten könnte, wenn er ungerecht wäre. 
Aus demselben Grunde darf τ. χόσμον nicht mit Koppe, Reiche, Olsh., 
Böhmer, Goeb. von der Heidenwelt gefasst werden: »so könnte ja 
Gott auch die Heidenwelt nicht für ihre Abgötterei bestrafen, da die 
wahre Gottesverehrung durch den Kontrast gegen sie erst in ihrem 
vollen Werthe erhellt«. Andere tragen Anderes ein (vgl. Frtzsch., 
Mehr.), und Rück. klagt über die Schwäche des Beweises, obwohl die 


Berufung auf einen jedem Juden feststehenden Glaubenssatz völlig 
ausreichend ist. 














144 Röm 37. 


gerecht sei, wenn Gott über die Sünde, die zu seinem Vortheil 
gereicht, noch Zorn verhänge. Dann aber kann unmöglich, 
wie die Meisten annehmen, hier nur eine Wiederaufnahme des 
Gedankens von V. 5 in anderer Form folgen; denn es bleibt 
unerklärlich, wie Paulus die Abweisung einer Behauptung 
durch einfache Wiederholung des Satzes begründen kann, aus 
dem dieselbe nach seiner Darstellung wenigstens scheinbar zu 
folgen schien*). Vor Allem aber übersieht diese Auffassung, 
dass es sich hier gar nicht mehr um die Untreue der Juden, 
auch nicht um die allgemein menschliche adıxia, sondern 
ganz speziell um die Lüge des Apostels handelt, als welche 
die Juden seine Verkündigung brandmarken. Nur diese kann 
mit dem ἐν τῷ ἐμῷ ψεύσματι (vgl. Synon. Ps 605. Job 
134. Plat. Men. p. 71D) gemeint sein, da nur dadurch der 
Uebergang aus der 1. Pers. Plur. in die 1. Pers. Sing. sich 
erklärt, wie jetzt nach Schrad., Frtzsch. auch Grafe p. 69, 
Otto, Böhmer, Hilgenf. anerkennen. Es muss eben die An- 
wendung auf diesen konkreten Fall sein, welche den Widersinn 
des Gedankens, dass der segensreiche Erfolg der Sünde den 
Sünder straflos mache, auch für den Juden klar ins Licht 
setzt. Hier kehrt also die Rede zu der in V. 4 ausge- 
ne Wahrheit zurück. Muss Gott in jedem Falle sich 

wahrhaftig erweisen und ihm gegenüber der Mensch zum 
Lügner werden, so kann auch die Wahrhaftigkeit Gottes (N 
ἀλήϑεια, wie Ps δῦ IMak 718. Joh 84) sich nur immer 


*) Das & de (Tisch. WH. txt nach NA) ist offenbar dem & de 
in V.5 konformirt. Das γάρ aber kann weder dem ἐπεί V.6 parallel 
stehen (Vlkm.), noch diesen Satz weiter begründen (Meyer), da ja 
eben in Frage steht, ob es nicht ungerecht ist, wenn Gott richtet, 
was ihm Vortheil bringt (gegen Luth.). Auch erhellt nicht, wie V.7 
den Aufschluss darüber bringen soll, wiefern in v. 6 die Unmöglich- 
keit einer Ungerechtigkeit Gottes liegen soll (Hofm.). Dass man V.7 
einem anderen Menschen (God., Zimmer), einem Heiden (Goeb.), oder 
dem Gegner, der nach dem χατὰ ἄνϑρωπον λέγω in V. b rede, und den 
erst das ὧν τὸ χρέμα χτλ. V.8 zurückweise (Lips.), in den Mund legt, ist 
doch ganz willkürlich. Calv., Beza, Grot., Wolf u. V., auch Rück., 
Kölln., Thol.. Umbr. nehmen an, der Einwurf von V. 5 werde hier 
weiter ausgeführt, als ob V.6 (mit dem xaz’ ἄνϑρ. λέγω in V.5) ohne 
weiteres parenthesirt werden könnte, was Phil. wirklich thut. Nach 
Sand. wird hier von Seiten des Menschen dargelegt, was V. ὃ von 
Seiten Gottes dargelegt war, nach Beck soll es grade hier Gott selbst 
sein, der sich oder seine Wahrheit in der menschlichen Lüge ver- 
herrlicht; nach de W. (vgl. noch Chr., Hoffm.) soll gezeigt werden, 
zu welchen absurden Konsequenzen jener Einwand führe; aber nach 
der gangbaren Fassung von V.7 ist das durchaus nicht der Fall, da 
der Vordersatz hier nicht umfassender als in V. 5, sondern gerade 
konkreter ausgedrückt ist. 


Röm 81. 145 


klarer seiner (angeblichen) Lüge gegenüber herausstellen *). 
Der Apostel versetzt sich in Gedanken an den Tag des Ge- 
richtes, an welchem die Thatsache vorliegt, dass die Wahr- 
haftigkeit Gottes überreich geworden ist (Ezegioosvoes», wie 
IIKor 15. 35. Lieblingsausdruck des Paulus, vgl. schon JSir 
1921. IMak 3%) zu seiner Verherrlichung (eig τὴν δόξαν 
αὐτοῦ, vgl. IKor 1031. IIKor 4is) auf Grund seiner Lüge, 
und fragt nun, warum (zi, im Sinne von cur, vgl. Mt 62) 
noch, nachdem jener für Gott so erspriessliche Erfolg einge- 
treten (ἔτε, wie Mt 51), auch er im Gericht Gottes als ein 
Sünder (ὡς ἁμαρτωλός, vgl. Gen 1318. Jes 65%. Ps 129». 
Prv_llsı) gerichtet werde. Das κἀγώ kann nur die Person 
des Apostels allen Anderen, von denen V. 5 Aehnliches 
gesagt war, gegenüberstellen, und die Pointe liegt gerade 
darin, dass er den Satz, den die Juden für sich geltend 
machen wollen, nun auch für seine Person geltend macht, 
der sie denselben am wenigsten werden zu Gute kommen lassen 
wollen. Denn dass er wegen seiner Lügenpredigt dem Ge- 
richte Gottes verfallen sei («givouaı), war den ungläubigen 
Juden eben so feststehend, wie dass Gott Weltrichter sei; und 
da nun nach V.5 auch seine Lüge, wie die Sünde der Menschen 
überhaupt, nur zur Verherrlichung der Wahrhaftigkeit Gottes 
gereichen konnte, so folgt daraus, dass auch er straflos aus- 
a müsse, wenn es ungerecht für Gott wäre, den Sünder, 
essen Sünde ihm zum Vortheil gereicht, zu bestrafen **. — 


4) Die Beziehung auf V. 14 lässt nicht zu, bei der ἀλήϑεια roü 
ϑεοῦ an die von Gott stammende Wahrheit zu denken (vgl. noch 
Böhmer), oder an die sittliche Wahrheit, die wesentlich identisch ist 
mit der διχαιοσύνη, wie das ıvedou« angeblich mit der adıxia (Mever); 
und dass diese Aenderungen des Ausdrucks durch die Beziehung auf 
die Thatsache des Gerichts (Hofm.) oder durch Rückblick auf V. 4 
(God.) herbeigeführt seien, erhellt keineswegs. Ebenso willkürlich ist 
es freilich, die «An9. auf die wahre Religion, das ψεῦσμα auf Götzen- 
dienst zu beziehen (Reiche, Goeb.), um den Gedanken begründen zu 
lassen, dass dann die Heiden nicht gerichtet werden könnten. 

**) Das χαί in xayw können die Ausleger, welche die Worte nicht 
von dem Apostel selbst fassen, nur daranf beziehen, dass auch er 
noch (nemlich der Jude, wie der nach jüdischer Meinung mit Recht 
gerichtete Heide, was Lips. ganz willkürlich eh indem er bei 
ψεῦσμα an die Bundesuntreue der Juden denkt), der doch durch seine 
Lüge Gott verherrliche, gerichtet werde, was schon in dem ἔτε liegt, 
nur dass Th. Schott, Hofm., Bibtr. p. 101 noch dasselbe erklären, 
wie wenn χαὶ αὐτὸς stände (auch persönlich noch, auch noch in selbst- 
eigener Person), als ob einer anders als in Person gerichtet werden 
könnte. Hilg.,, der die richtige Beziehung auf Paulus anerkennt, 
findet darin nur den Gedanken, er sei fern von der Selbstüberhebung, 
dass nicht auch er als Sünder gerichtet werden wollte, wenn er auch 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 10 








146 Röm 38. 


V.8. xai μή) setzt die mit τί begonnene Frage fort, so dass 
das. zi vor un zu wiederholen: und warum sollten wir nicht 
immer weiter das Böse thun, damit Gutes daraus werde, da 
ja dieser gute Erfolg nach dem obigen Grundsatz (V.5) auch 
das sündhafteste Mittel straffrei machen würde Da nun der 
Apostel sofort mit dem χαϑὼς βλασφημούμεϑα (wie 2%, 
im AT noch nicht von Menschen gebraucht) einschaltet, dass 
ihm ein solches Thun wirklich lästerlicher Weise vorgeworfen 
werde, und hinzufügt, dass ihm sogar dies als Grundsatz in 
den Mund gelegt werde, so kam das, worum es sich handelte, 
in der Form dieses Grundsatzes zur Aussprache, und die Vollen- 
dung des Satzes wurde anakoluthisch en gelassen. Aehn- 
liche Attraktionen (vgl. namentlich Xen. Anab. 6, 4, 18), bei 
denen die Rede vom Zwischensatze unterbrochen und dann 
in einer von letzterem abhängigen und zum Anfange nicht 
mehr passenden Rektion fortgesetzt wird, finden sich häufig bei 
den Griechen. Vgl. Win. $ 66, 5, d u. Buttm. p. 235. 211. 
Uebrigens zeigt auch dieser Uebergang zu einem ihn (und 
seine (esinnungsgenossen) betreffenden Punkte deutlich, dass 
V. 7 auf den Apostel persönlich bezogen werden muss; denn 
dass das ἡμᾶς nicht auf die Christen gehen könne (Hofm., 
Blbtr.), hat auch Luth. erkannt. Dass hier der Plural eintrat, 
war durch die Form jenes Vorwurfs gegeben, sowie dadurch, 
dass derselbe natürlich auch die Anhänger seiner »Lügen- 
lehre< traf*). — xai καϑώς φασίν τινες ἡμᾶς λέγειν) 
enthält eine dem Apostel gewiss oft genug Seitens gewisser 
Leute (τενές wie Gal 17. IKor 1512), nämlich wohl besonders 


nicht, wie die Lästerer, ein rechtmässiges, sondern ein gnädiges (Ge- 
richt zu erwarten hat, wovon doch nichts angedeutet. Die Beziehung 
des χρένομαε auf das Urtheil der Feinde (Frtzsch., Böhme) bricht 
dem überall auf das göttliche Gericht hinausgehenden Gedanken die 
Spitze ab; und ws ἀμαρτωλός heisst natürlich nicht: wie ein Heide 
(Reiche, Mehr. u. A.). 

*) Matthias will das χαὶ un an die Modalitätsbestimmung ws 
ἁμαρτωλός anknüpfen (»was werde auch ich dann noch wie ein Sünder 
gerichtet, und nicht vielmehr, nach dem wir verlästert werden, und 
nach dem Etliche sagen. dass wir seprächen: nämlich darnach: lasset 
uns Böses thun, damit Gutes komme?«), was doch mindestens, um 
verständlich zu werden, die Wiederaufnahme des ws fordern würde, 
und statt xal un: χαὶ οὐ, da es sich hier um ein objektives Verhält- 
nisse handelte (vgl. IKor 67. Kol 2sal.). Einen ähnlichen Gedanken 
bringt Otto heraus mit Ergänzung eines xo/vouas vor χαϑῶώς, Hofm. 
ergänzt nach xal un ein ἐστίν. das den Sinn haben soll: »Warum 
geschieht mir nicht dem gemäss, wie (χαϑώς) wir gelästert werden 
u. 8. w.« (vgl. Goeb.: warum ist es nicht so, Chr. Hoffm.), wie Beck 
ein γένοιτο (vgl. Blbtr. p. 101). Andere ergänzen ἐροῦμεν oder dergl. 
(Erasm., Calv., Wolf, Koppe, Benecke u. M., auch v. Heng.), wodurch 


Röm 88. 147 


judenchristlicher Agitatoren, vorgekommene Beschuldigung, 
als führe er mit seinen Anhängern diese Maxime sogar At 
Lehrsatz im Munde. Zum Unterschied von φημί (behaupten) 
und λέγω vgl. IKor 101. Herod. 3, 35. en. Apol. 13. 
Anab. 1, 7, 18. Mit ὅτε recitat. (vgl. Mt 918) wird nun der 
Grundsatz dahin formulirt: Lasset uns das Böse (τὰ xaxa, 
vgl. 29) thun, damit das Gute komme, als Folge eintrete. 
Natürlich bezeichnet hier τὰ ἀγαϑα nicht das Sittlich-gute, 
sondern das Heilsame (Volkm.), wie Jes 52. Prvili. Sap 
Tıı*). Auch dieser Grundsatz wäre ja ganz gerechtfertigt, 
wenn wirklich der heilsame Erfolg die Sünde straffrei machen 
könnte, oder wenn es Ungerechtigkeit wäre, über eine Sünde, 
die solchen Erfolg hat, Strafe zu Denen (V. δ ὦ). — ὧν) 
geht auf das nächste logische Subjekt, d. h. auf die, welche 
diesen alle moralische Ordnung Gottes zerstörenden Grundsatz 
aussprechen oder befolgen. Das sie einst beim Endgericht 
treffende Richturtheil (τὸ χρῖμα, wie 22 und zum Art. vgl. 
2%) ist dem Rechte gemäss evdıxov, vgl. Hbr 22, nicht bei 
den LXX, aber häufig bei den Tragikern) ἢ. Mit gerechter 
Entrüstung macht der Apostel schliesslich noch fühlbar, wie 
strafwürdig die Konsequenz sei, welche sich ergäbe, wenn es 


das χαϑὼς βλασφημ. tautologisch wird. Sand. parenthesirt die Worte 
χαϑὼς — ὅτι, was eben wegen dieses ὅτε unmöglich ist, und ähnlich 
Lips. in der Uebersetzung, während er im Kommentar die Ergänzung 
von τέ für unnöthig drklärt. 

*) An die Verherrlichung Gottes (Meyer, Phil. u.d.M.) ist dabei 
nicht gedacht (vgl. Luth.). Diesen Grundsatz abstrahirten die Gegner 
wohl nicht aus der Nichtbefolgung des Mosaischen Gesetzes (Meyer), 
sondern aus Paulinischen Sätzen, wie 520 (de W., Hofm.), und über- 
haupt aus seiner Lehre, dass die Sünde erst alle ihre Konsequenzen 
heraussetzen müsse, damit man das Bedürfniss der Erlösung erkenne 
und dieselbe mit all ihren Heilsgütern im Glauben sich aneigne. 
Dass übrigens solche Lästerer gerade in Rom aufgetreten (Meyer, 
Hilg.), erhellt durchaus nicht, und die Art, wie ihrer nur gelegent- 
lich in einer gegen den Juden als solchen gerichteten Polemik ge- 
dacht wird, widerlegt alle Folgerungen, die man daraus für die Ten- 
denz des Römerbriefes oder die Beschaffenheit der dortigen Gemeinde 
ziehen will. Das x«: vor χαϑὼς ist in ΒΚ (vgl. WH. 1. Kl., Treg. 
a. ei) nur wegen der gleichen Anfangsbuchstaben aus Versehen aus- 

efallen. 

᾿ 42) Das ὧν auf die Verleumder zu beziehen (Theodor., Grot., 
Thol., Mehr., Hofm., God.), ist unpassend, weil dadurch die gewichtige _ 
Schlusssentenz von der Argumentation selbst getrennt und zu einem 
beiläufgen Gedanken gemacht wird (vgl. dagegen Luth.). Falsch 
auch Goeb., Lipe., Sand.: die so fragen, wie V. 7f. Bibtr. p. 101f. 
will, obwohl 4. ὧν richtig beziehend, dasselbe ganz willkürlich 
einem ὅτε τούτων gleichsetzen und es als Antwort auf die vorige 
Frage betrachten. 


10* 


148 Röm 88. 9. 


ungerecht sei, dass Gott die Sünde, die zu seiner Verherr- 
lichung ausschlägt, bestraf.. Das Urtheil, von dem er redet, 
trifft ja aber auch die Juden, wenn sie im Vertrauen darauf, 
dass ihre Untreue die Treue Gottes nicht aufheben, sondern 
nur herrlicher beweisen werde, ruhig fortsündigen und vom 
Zorngericht Gottes eximirt zu sein hoffen. 

V.9—20. Die allgemeine Sündhaftigkeit. — V.9. 
ti οὖν) sc. ἐστί͵ wie ον 14:5. 26 und oft bei den Klassikern: 
was findet demnach statt? wie . also die Sache? Vogl. 
das τί γάρ V. 3. Mit dieser te ehrt der Apostel zu der 
V. 1ff. beantworteten Frage zurück, da V. ὅ---8 lediglich die 
Abwehr eines an die dort aufgestellte Behauptung sich mög- 
licher Weise anknüpfenden Vorwandes war, durch welchen 
die Juden sich als straffrei darstellen könnten. Er kann also 
nur fragen, wie sich das V. 1ff. Gesagte nach der näheren 
Erörterung in V.5ff. verhalte zu allem von lıs an Gesagten, 
so dass es wirklich zu einem alles Bisherige zusammen- 
fassenden Abschluss kommt. wie die Meisten richtig er- 
kennen*).. Dass der Apostel bei der speziellen Frage, die 
er nun aufwirft, sich. und Seinesgleichen mit seinen Volks- 
genossen zusammenfasst, geschieht darum, weil er soeben sich 
mit ihnen auf ganz gleichen Boden gestellt und von der Vor- 
aussetzung aus argumentirt hat, dass ihn so wenig wie sie die 
Sünde wegen eines heilsamen Erfolges straffrei machen könne **). 


ἢ Unmöglich kann mit dem τέ οὖν eine Folgerung aus V. 5—8 
(Hofm., Bibtr.) oder V. 6—8 (Meyer) oder Υ͂. 1—8 (Luth.) gezogen 
werden, da die Begründung der Antwort auf alles seit 118 Gesagte 
zurückblickt (vgl. Holst. ἃ. ἃ. Ὁ. p.121£.). Daraus folgt freilich nicht. 
dass der Apostel in einen durch V. 5—8 (Phil.) oder V. 1—8 (de W.) 
unterbrochenen Zusammenhang zurückkehrt (vgl. auch Sand.), da wir 
gesehen haben, dass auch diese Erörterung nur dazu dient zu zeigen, 
wie die Juden selbst an dem wirklich bleibenden Vorzug, den ihnen 
die Beschneidung gewährt, nichts besitzen, was sie vor dem Zorn- 
gericht Gottes sicher stellt, wenn sie wie die Heiden Gesetzesüber- 
treter sind. Mit προεχόμεϑα kann das τέ οὖν nicht zusammengefasst 
werden (Oecum., Koppe, Th. Schott u. noch Goeb., Zimmer), da die 
Antwort nicht οὐδὲν πάντως, sondern πάντως οὐ lautet. 

“Ὁ Unmöglich kann die 1. Person Plur. auf die Christen gehen. 
So Hofm., Blbtr. nach ihrer ganz verkehrten Voraussetzung, dass mit 
V. δ ein neuer Abschnitt begonnen habe, der direkt auf die christ- 
liche Rechtfertigungslehre überführt. Vgl. auch Klosterm. p. 18—24, 
der freilich seinen ganz eigenen Weg geht, indem er τί οὖν προεχό- 
μεέεϑα zusammenfasst und das προητιασάμεϑα Ἰουδ. τε καὶ "EIN. paren- 
thesirend als das mit τέ erfragte Objekt alles von οὐ πάντως bie zum 
Ende von V. 18 betrachtet! Aber nach dem richtig gefassten Zu- 
sammenhange kann sich Paulus auch nicht mit den Menschen über- 
haupt (wie in dem ἡμῶν V. δ) zusammenfassen (gegen Holst., Luth.). 


Röm 89. 149 


Da nun das Medium χεροέχεσϑαι nur vorkommt in dem 
Sinne: sich etwas (zum Schutz) vorhalten, oder, übertragen: 
etwas vorschützen, vorwenden, so betrachtet Meyer als den 
Sinn der Frage: schützen wir uns (etwas) vor? steht es mit 
uns so, dass uns etwas zum Vorschutz dient, was uns vor der 
strafenden Gerechtigkeit Gottes sicher stelle? Aehnlich nach 
Hemsterhüis auch Benecke, Frtzsch., Krehl, Ew., Morison, 
Volkm., Holst., Luth., Böhmer, Lips. Allein zu dieser ohnehin 
nur einen sehr unklaren Sinn ergebenden Fassung, die zum 
Verständniss mindestens ein τὸ erfordern würde, passt das 
Folgende schlechterdings nicht, weil dort gar nicht ihre Ge- 
richtsverfallenheit, sondern ihre Sündhaftigkeit bewiesen wird 
(vgl. Blbtr. p.104ff.). Auch erscheint die Frage, ob die Juden 
sich irgendwie gegen das göttliche Zorngericht schützen können, 
nach lad Vorhergehenden sehr überflüssig. Es muss daher 
angenommen werden, dass Paulus nach der Weise der späteren 
Gräzität (Win. ὃ 38, 6) die Medialform im Sinne des Aktiv 
(etwas voraushaben, vgl. Symm. Koh 1010) genommen hat. 
Vielleicht wollte er auch absichtlich dem Begriff eine reflexive 
Wendung geben: Haben wir für uns einen Vorzug? Vgl. 
Phil.: »Haben wir etwas für uns voraus?«; Beck: »Legen 
wir uns einen Vorzug bei?« ἢ. Für diese Erklärung beweist 


Am Energischsten dringt Otto darauf, die erste Person nicht anders 
aufzufassen als in V. 8 und versteht die Worte dahin, dass Paulus 
sich und seine Genossen nicht dagegen verwahren wolle — «aueo- 
τάνοντες zu sein, wenn er sich dagegen verwahre, dass sie ἁμαρτωλοί 
seien (V. 8)! Jedenfalls zeigt das folgende προητιασάμεϑα, dass der 
Umfang des ἡμεῖς wechselt (vgl. Böhmer). 

*) Künstlicher Hofm.: »Heben wir uns über diejenigen hinaus, 
über welche Gott sein Zorngericht verhängt?« (vgl. Blbtr. p. 108). 
Im Wesentlichen erklären richtig nach Theodoret, Theoph., Vulg., 
Pesch. die meisten Aelteren, auch Thol., Kölln., de W., Rück., B.-Crus., 
Baur, Umbr., Mang., Grafe p. 70, Chr. Hoffm. Ein Eingeständniss 
der Undurchführbarkeit der anderen Fassung ist es, wenn immer 
wieder versucht wird, das τί mit προεχόμεθϑει zu verbinden (8. d. Anm. 
auf 5. 148), oder wenn die Bedeutung von προέχεσϑαι wortwidrig 80 
umgebogen wird, dass sie eines Objekts nicht bedarf (God: Haben 
wir einen Zufluchtsort? Otto: Verwahren wir uns?). Reiche, Olsh. 
fassen sprachwidrig das Wort im Sinne von: vorgezogen werden. 
Auch Wttst., Michael., Cramer, Storr, Matthias, Sand., Hilg. nehmen 
προεχ. passivisch im Sinne von: übertroffen werden: »Stehen wir gar 
ım Nachtheil? Werden wir von den Heiden noch übertroffen ?«. 
Vgl. Xen. Anab. 3, 2, 19. Plut. Mor. p. 1088C. Allein für diese 
Frage bietet der Kontext gar keinen Anknüpfungspunkt, zumal im 
Folgenden nicht die eleiche Sündhaftigkeit der Heiden mit den 
Juden, sondern der Juden mit den Heiden hervorgehoben wird, 
weshalb Mehr. (vgl. ODecum 2) die Frage einem Heiden in den Mund 


legte! 








150 Röm 89. 


aber entscheidend die Antwort, die Paulus darauf mit οὐ 
πάντως giebt, was nach der Wortstellung nur heissen kann: 
nicht durchaus, nicht in jeder Hinsicht. Dagegen müssen 
Alle, welche das σεροεχόμεϑα im gewöhnlichen Medialsinn 
nehmen (doch vgl. auch Theoph., Vulg., Hofm. und ebenso 
Sand.), mit Berufung auf Win. 8 61, 4. Buttm. p. 334 die 
Worte im Wesentlichen erklären, als ob σεάνεως οὐ stände: 
anz und garnicht. Allein von der sprachlichen Möglichkeit 
ieser Fassung ganz abgesehen, steht derselben die unbezweifel- 
bare Thatsache entgegen, dass Paulus zwischen οὐ zavrwg 
(IKor 5) und πάντως οὐ (IKor 161) völlig korrekt unter- 
scheidet. Zu der richtigen Erklärung des σεροεχόμεϑα passt 
aber nur die wortgemässe Fassung. Denn bei den in V. 2 
en Vorzügen der Juden soll es bleiben; nur in einer 

insicht haben sie keinen Vorzug, nämlich hinsichtlich der 
allgemeinen Sündhaftigkeit, wie sofort begründet wird ἢ). — 
σπεροητιασάμεϑα γαρ) nur hier: denn wir haben vorher 
Juden und Hellenen beschuldigt, nämlich die Juden 2 ıff., die 
Heiden 1 188, dass sie alle ohne Ausnahme (zavras) unter 
Sünde seien **). Das ὑφ᾽ ἁμαρτίαν εἶναι bezeichnet nicht 


*) Man beruft sich für jene Umdeutung des οὐ πάντως auf die 
Stellen, wo οὐ πάνυ: keineswegs heisst oder auf πᾶς οὐ (Lips.). Die 
Negation soll nicht versetzt sein, aber auch den Begriff des Adverb. 
nicht aufheben, sondern von diesem verschärft werden (vgl. God.: 
nein, schlechterdings nicht), als stände οὐ προεχόμεϑα πάντως (Lips.). 
Dadurch würde die nachdrückliche Bejahung mit dem blossen πάνσεως 
in ihr Gegentheil verkehrt sein (Beng.: Judaeus diceret πώνσεως, at 
Paulus contradicit,,. Meyer vergleicht noch Theogn. 306. Bekk: of 
xaxol οὐ πάντως (keineswegs) χαχαὶ ἐχ γαστρὸς γεγόνασιν. Ep. ad 
Diog. 9: οὐ πάντως ἐφηδόμενος (sich keineswegs brenend) τοῖς ἀμαρ- 
τήμασιν ἡμῶν, ἀλλ᾽ ἀνεχόμενος, ferner das Homerische οὐ πάμπαν, 
durchaus nicht (8. Duncan. Lex. Hom. ed. Rost p. 888) und οὐδὲν 
πάντως, Herod.5,34.65. Vgl. dagegen Otto, der die richtige Fassung 
mit seiner Umbiegung der medialen Bedeutung zu vereinigen weiss. 
Aehnlich Goeb.: Nicht halten wir uns überhaupt etwas vor; und 
selbst Böhmer: Nur für den Fall, dass wir die Glaubensgerechtigkeit 
annehmen. Die wortgemässe Fassung giebt nach Lips. einen schiefen 
Sinn, sie giebt aber, wie die Begründung zeigt, den hier einzig 
möglichen. 

8) Nach Meyer sagt Paulus nicht: Heiden und Juden, sondern 
umgekehrt, weil ihm auch hier wieder, wie bei früheren Zusammen- 
fassungen beider Theile (zuletzt 2of.), die göttliche Geschichtsordnung 
vorschwebt, welche gerade beim Sündigkeitspunkte den Juden um 
8o ernster trifft. Allein die Voranstellung der Juden ergab sich ja 
einfach daraus, dass es sich eben um die Frage handelt, ob sie einen 
Vorzug baben. Natürlich kann Paulus nicht auf V. 5 zurückweisen 
und das ἡμᾶς nicht auf die Christen gehen, wie Hofm. will. Es ist 
der schriftstellerische Plural (vgl. zu 15), in dem sich Paulus höchstens 


Röm 89. 10. 151 


bloss den sündlichen Zustand überhaupt, sondern die moralische 
Abhängigkeit von einer Macht, wie es die Sünde ist. . Vgl. 
Gal 32. Dadurch, dass Paulus hervorhebt, wie die Juden, 
welche Vorzüge ihnen auch immer die Beschneidung gewährt, 
doch hinsichtlich der Sündhaftigkeit wenigstens den Heiden 
gleichstehen, bahnt er sich den Weg dazu, nun noch die Vor-. 
aussetzung der 2ı—3s erwiesenen Zornverfallenheit der 
Juden, die bisher mehr als selbstverständlich angenommen, 
aber nicht bewiesen war (vgl. Holst. a. a. Ο. p. 122), aus- 
drücklich zu erweisen und zwar aus der heiligen Schrift. 

V. 10ff. καϑὼς γέγραπται), wie lız, führt mit dem 
ὅτε recit. (V. 8) den Schriftbeweis für den Inhalt dieser An- 
klage und damit für die allgemeine Sündhaftigkeit der Juden 
und Heiden ein, indem verschiedene Schriftstellen (in quibus 
magna est verborum atrocitas, Melanth.) in volksthümlicher 
Weise (Surenh. χαταλλ. thes. 7) unmittelbar an einander ge-: 
reiht werden ἢ. — Der Apostel beginnt mit Ps 14ı—s; um 


— 


mit denen, die gleiches Sinnes mit ihm sind, oder mit den Lesern, 
die er ihm zustimmend denkt (Böhmer), zusammenfasst. Das πάντας 
könnte an sich auch adjektivisch zu Ἰουδ. τ. x. "EAN. gehören, aber 
wenn man es als Subjekt des Acc. co. Inf. fasst (Lips.), tritt der Be- 
iff der Gesammtheit stärker hervor, was dem Folgenden entspricht. 
Fben weil, wie Meyer richtig bemerkt, hierin noch nicht die Straf- 
fälligkeit liegt, wie es Hofm. fasst (unter dem göttlichen Zorngericht 
stehen), kann hierdurch unmöglich bewiesen werden, dass die Juden 
keinen Vorschutz haben, da ja die Thatsache ihrer Sündhaftigkeit sie 
gerade erst eines solchen Vorschutzes bedürftig machen würde. 

Ἢ Da nun diese Stellen sämmtlich in ihrem Kontext nur das 
Verderben einer bestimmten Zeit oder bestimmter Personen schildern, 
nicht aber die Allgemeinheit der menschlichen Sündhaftigkeit im 
dogmatischen Sinne aussagen, wofür sie Paulus gebraucht, der sie 
lediglich ihrem Wortlaut nach anwendet, so bestreiten Th. Schott, 
Hofm., dass hier eine Beweisführung vorliege. Der Apostel wolle nur 
der Missdeutung begegnen, als ob die Christen über Andere hinaus 
und dem Gerichte Gottes entnommen zu sein glaubten, indem er sie 
erklären lässt, ihre Anklage sei ebenso ausnahmslos und .ebenso 
ernstlich gemeint, wie die Schrift bezeugt, dass die Menschen sünd- 
haft sind! Dagegen selbst Blbtr. p. 112, der nun seinerseits alles 
Gewicht darauf legt, dass die ersten vier Sätze aus Ps 14 die Aus- 
nahmslosigkeit des Sündigens, und dann zweimal vier Sätze seine. 
Nothwendigkeit durch den Hinweis auf die Verderbtheit der Natur- 
seite des Menschen (die Sprachwerkzeuge und die. Gehwerkzeuge) 
erhärten, wodurch gangbare alttestamentliche Bilder ganz ungehörig 
dogmatisch gepresst werden. Hofm. findet, dass die beiden ersten 
Theile aus je sieben Sätzen bestehen, die er im ersten nur dadurch 
herausbekommt, dass er das οὐχ ἔστιν ἕως ἑνός V. 12 als besonderen 
Satz zählt! Ausspräche Griechischer Schriftsteller über die aus- 
aahmslose Allgemeinheit der Sünde 8. Ὁ. Spiess, Logos spermat. 


p. 220 f 








᾿ς 





152 Röm 3 1—18. 


aber sogleich, dem Zielpunkte seiner ganzen Entwickelung 
gemäss, das ὑφ᾽ ἁμαρτίαν εἶναι als Mangel der δικαιοσύνη 
zu charakterisiren, setzt er an die Stelle des οὐκ ἔστιν ποιῶν 
χρηστότητα der LXX: οὐκ ἔστι δίκαιος, zumal dieselben 

orte nachher noch einmal wiederkehren. Deshalb ersetzt er 
auch das οὐχ ἔστιν ἕως ἑνός hier durch οὐδὲ eig, ne unus 
uidem, vgl. IKor 65. — V. 11. Statt mit der Psalmstelle 
ortzufahren: Jehova schaut vom Himmel auf die Menschen- 
kinder, um zu sehen εἰ ἔστιν συνιῶν ἢ ἐχζητῶν τὸν ϑεόν 
zieht der Apostel gleich das Resultat dieser Umschau und 
drückt dasselbe in Parallele mit V. 10 so aus: nicht vor- 
handen ist der Verständige (der praktisch Weise, d. i. der 
Fromme); nicht vorhanden ist der Gott Aufsuchende (dessen 
Sinnen und Streben auf Gott gerichtet ist). Wie genau dem 
Apostel die Stelle gegenwärtig ist, zeigt der Art., der nur 
ausdrücken kann, dass der, welchen Gott nach der Psalmstelle 
sucht, nicht vorhanden ist. — V. 12 tährt wörtlich nach den 
LXX fort: Alle sind sie ausgewichen (sc. aus der rechten 
Bahn), insgesammt sind sie nichtsnutzig geworden. Nicht 
vorhanden ist einer, der Gutes thut, bis auf Einen, d. h. so 
dass auch nicht ein Einziger ausgenommen ist. Vgl. das lat. 
ad unum omnes*). — V. 13 wörtlich nach den LXX aus 
Ps 510: ein offenstehendes Grab ist ihre Kehle, mit ihren 


Ἢ Die Cod. der LXX, welche die ganze Stelle V. 13—18 in 
Ps 143 lesen, sind in der christlichen Zeit aus u. St. interpolirt. 
S. Wolf Cur. z. V. 10. Michael, Koppe, Kölln., Frtzsch.,, Beck be- 
trachten die Anfangsworte V. 10 als Worte des Apostels, unter die 
er Alles, was folgt, zusammenfasst, was durch das vorangehende örs 
recit. ausgeschlossen wird. Nach Otto hat der Apostel korrekter 
übersetzt, obwohl er doch V. 12 die Uebersetzung der gleichen Worte 
durch die LXX beibehält! Die Form συνέων (Lchm., WH., vgl. Win. 
8 14, 3) oder συνιῶν (Tisch.) in V. 11 statt συνεείς (von συνέω oder 
συνιέω) ist bei den LXX die gewöhnliche. Den Art. davor, wie vor 
ἐχζητων, der in BG (vor ersterem Worte auch in A) ausgefallen, hat 
WH. an den Rand gesetzt (Treg. schwankt), aber er ist wohl im 
ältesten Text aus Nachlässigkeit (vor C und €) ausgefallen und dann 
natürlich auch v. 12 fortgelassen, wo B (WH. u. Treg. a. R.) ohnehin 
aus Nachlässigkeit das Sımpl. ζητων hat. Meyer erklärt ihn daraus, 
dass die Gattung wie ein bestimmtes, sie darstellendes Concretum ge- 
dacht ist (vgl. Win. 8 18, 3). V. 12 lesen entscheidende Cod. 
ηχρεωϑησαν st. ηχρειωϑησαν von der poetischen Nebenform χρέος st. 
axosıos (Mt 25%). Das γρηστότητα steht abweichend von 24 nach 
dem Sprachgebrauch der LXX (Ps 878. 119es) für das Gute über- 
haupt. Das zweite οὐχ ἔστιν, das in B (WH. a. R.) fehlt, wird aus 
den LXX ergänzt sein, wie V. 14 das ungriechische αὐτῶν nach ὧν 
το oroua (B. WH. a. R., Lehm. i. Kl.), das sicher nicht aus den gar- 
nicht wörtlich wiedergegebenen LXX stammt, fortgelassen. 


Röm 318—19. 153 


Zungen trogen sie. Meyer findet in dem Bilde die Verderb- 
lichkeit ihrer Rede, welcher der Gegner so gewiss und un- 
abwendbar vertällt, wie der Leichnam dem geöffneten Grabe. 
Besser denkt man wohl das Innere des Menschen voll Tod 
und Verwesung als ein Grab (vgl. Mt 2857), und die Kehle, 
das Werkzeug der Rede, in welcher das Innere des Menschen 
sich aufthut, als die Oeffnung dieses Grabes, mittelst derer der 
verderbenbringende Pesthauch aus dem Inneren hervordringt. 
So im Wesentlichen Pelag., Est., Beng., Thol., Mehr., Hofm., 
God., Luth., Goeb., Otto. Das net bezeichnet das bislang 
fortdauernd Geschehene; und über die bei den LXX. sehr 
an Form der 3. Pers. Plur. auf -ooav vgl. Win. 8 13, 21f. 
— Wie der verderbenbringende Trug ihrer Rede sich lıeim- 
tückisch unter süssen Schmeichelworten verbirgt, schildert dann 
unter einem bekannten Bilde der Apostel mit den Worten aus 
Ps 1404: Ötterngift ist unter ihren Lippen. Wörtlich nach 
den LXX. — V.14. Aus Ps 107 frei nach den LXX, doch 
nur formell von ihnen abweichend, und auch in dem σπειχρίας 
übereinstimmend, das vom Grundtext abweicht: ihr Mund ist 
Fluchens und Bitterkeit (d. h. gehässigen Wesens) voll. — 
V. 1544. geht von den Wortsünden zu Thatsünden über mit 
einigen Hauptsätzen aus Jes 597.s. Nur statt des ταχινοί 
der LXX bezeichnet der Apostel nach Am 215 (vgl. auch 
Prv 222. 274) die Füsse als schnell (ὁ ξεῖς), Blut zu ver- 
jessen, sie eilen gleichsam dazu, solche Freude haben sie 
daran. Trümmer und Elend ist auf ihren Wegen, weil sie 
überall, wo sie gehen, Zerstörung und Verderben anrichten 
(unmöglich Lips.: das geistliche Elend, welches sie auf dem 
Wege ihrer Gesetzesgerechtigkeit lässt), und einen Heilswe 

haben sie nicht kennen gelernt (er ist ihnen gänzlich frem 

gebheben). Gemeint ist damit wohl nicht ein Weg, auf dem 
man friedlich wandelt (Meyer) oder zum Frieden kommt (Otto), 
sondern dem Parallelismus entsprechend: ein Weg, auf dem 
man Heil anrichtet. — V. 18 schliesst mit Worten aus Ps 
362 (LXX), welche den tiefsten Grund solchen sündhaften 
Redens und Thuns aufdecken und somit gewissermaassen zu 
V.10ff. zurückkehren: Gottesfurcht ist nicht vor ihren Augen, 
auf sie ist ihr Absehen nicht gerichtet. 

V. 19f. οἴδαμεν δέ) bringt ganz, wie 22, mit Berufung 
auf eine ihm und den Lesern zweifellose Wahrheit die Vor- 
aussetzung nach, unter welcher die angeführten Schriftstellen 
zum Belege dienen, dass Juden und Heiden sämmtlich von 
Sünde beherrscht seien (V. 9). Leicht nämlich mochte der 
dünkelbafte Jude (8. bes. Eisenmeng., entdeckt. Judenth. 1, 
p. 5684) wähnen, obige Schriftstellen (von denen die aus 


154 Röm 8:19. 


Ps 14 entnommenen wirklich ursprünglich auf Heiden, alle 
mehr oder weniger auf bestimmte lasterhafte Personen sich 
beziehen) könnten auf sie selbst, auf die Juden als solche, 
keine Anwendung finden, so dass sie nicht mit darin ver- 
urtheilt würden. Dem setzt der Apostel die unzweifelhafte 
Thatsache entgegen, dass Alles, was immer (wieviel auch, 
ὅσα, vgl. 212) das Gesetz sagt, es gerade für das Volk des 
Gesetzes sagt, also auch Alles, was in den obigen Schrift- 
worten ausgedrückt ist. Nun sind diese freilich gerade den 
Psalmen und den Propheten, nicht der Thora im engeren 
Sinne entlehnt; aber das AT wird auch sonst in seiner Ge- 
sarmmtheit als ὁ νόμος bezeichnet, selbst wo es sich um Pro- 
pheten- und Psalmworte handelt (IKor 1421. Joh 10s). Das 
eschieht freilich nicht bloss, weil das Gesetz das erste und 
für Israel wichtigste Stück des AT’s ausmacht (so gew., vgl. 
noch Meyer, Otto), sondern darum, weil Alles, was in der 
Schrift dazu dient, den Menschen ihre Sünde aufzudecken, 
Offenbarung des göttlichen Willens ist und somit dieselbe als 
Gesetzesoffenbarung charakterisirt (vgl. God., Beck, Goeb.) ἢ. 
Bem., wie A&ysı eine Aussage mit Bezug auf ihren Inhalt 
bezeichnet, λαλεῖ dagegen die Aktion des Redens überhaupt 
(IKor 98. 123). Der Dativ bezeichnet natürlich nur die- 
jenigen, welchen das λαλεῖν gilt (Krüger 8 48, 7, 13); aber 
aus dem Zusammenhang eshellt, dass sie es sich geredet sein 
lassen, d. h. es auf sich beziehen sollen. Um die Evidenz 
dieser Behauptung zu verstärken, werden die Juden durch 
τοῖς ἐν τῷ νόμῳ bezeichnet als die, welche innerhalb des 


*) Dies ist das Richtige an der Erklärung, welche hier das Ge- 
setz im dogmatischen Sinne nahm (Calov.). Dagegen behauptet nach 
Glöckl. noch Hofm. (vgl. Th. Schott, Bibtr.), es könne hier ὁ vouog 
nur vom Mosaischen Gesetze stehen. Dies hängt bei ihm damit zu- 
sammen, dass er für das Subj. der Verba in V.9 die Christen erklärt 
hat, welche fragen, ob ihnen etwas gegeben sei, wass sie der allge- 
meinen Schuld und Strafe entnehme. Etwa das Gesetz? Nein, »sie 
wissen, dass dieses Gesetz schlechterdings (ὅσα) keinen anderen In- 
halt hat, als den, welchen es den Angehörigen seines Bereiches zu 
dem Zwecke dargiebt, damit die ganze Welt in demselben Umfange, 
in welchem sie unter der Sünde ist, seiner Zeit (dies liege in den 
Aoristen φραγῇ u. γένηται), wenn sie vor Gott, ihrem Richter, zu stehen 
kommt, vor ihm verstummen und die Gerechtigkeit seines ver- 
urtheilenden Spruches anerkennen müsse«. Auch Luth. leugnet von 
dieser Auffassung aus, dass hier die Anwendbarkeit der Schrifteitate 
auf die Juden erwiesen werde. Es werde nur zum Abschluss bemerkt. 
dass die Aufgabe des Gesetzes es sei, die allgemeine Schuldverfallen- 
beit der Heiden wie der Juden vor Augen zu stellen, womit offenbar 
aller Zusammenhang zerrissen wir. 


Röm 319. 20. 155 


(sesetzes als der göttlichen Ordnung ihres Gemeinlebens stehen 
(vgl. 2ı2). Natürlich ist dabei das Gesetz im engeren Sinne 
gemeint; dies hat aber gar keine Schwierigkeit, da ja auch, 
wenn die Schrift im weiteren Sinne so genannt wird, das 
Wort keine andere Bedeutung empfängt, und der Zusammen- 
hang den Sinn zweifellos macht. ag also die einzelne 
Schriftstelle zunächst gemeint haben, wen sie will, immer will 
die Schrift mit solchen Aussprüchen, dass die Juden als solche 
sich unter die dort ausgesagte allgemeine Sündhaftigkeit ein- 
schliessen sollen, da die Schrift ja für sie speziell geschrieben 
ist, und schneidet ihnen so jede Ausflucht ab, als ob dieser 
oder jener Spruch sie nicht angehe und treffe. — ἕνα πᾶν 
στόμα φραγῇ), vgl. IIMak 14s: damit jeglicher Mund 
(also auch der des Juden) verschlossen werde, der sich etwa 
entschuldigen und von jener allgemeinen Sündhaftigkeit exi- 
miren will. Dass die Heiden sich nicht entschuldigen können, 
hat der Apostel ja Kap. 1 klar genug dargethan; es kam 
also nur noch darauf an zu zeigen, dass auch den Juden jede 
Ausflucht genommen sei. — xai ὑπόδιχος γένηται) vgl. 
Plat Legg. 8. p. 816B. p. 8680. Erst indem die Schrift 
dem Sünder sein Urtheil spricht, fällt er thatsächlich unter 
das Strafurtheil Gottes, wird er der dort gedrobten Strafe 
schuldig, Gotte straffällig. Auch hier, wie V. 9, bezeichnet 
ὁ κόσμος die ganze gottfeindliche Menschheit, Juden wie 
Heiden, nur dass noch einmal mit zz&c die Gesammtheit der- 
selben betont wird, von der sich keiner ausnehmen darf*). — 
V.20. dıorı) propterea quod, wie 11.21, giebt den objektiven 
Grund von jener Absicht des Gesetzes an, die nur statthaben 
konnte, wenn die Thatsache unzweifelhaft feststand, dass aus 


*) Aus der dichterischen Haltung d. St. ἕνα πᾶν etc. vermuthet 
Ew. ganz willkürlich, sie gebe eine jetzt verlorene alttestamentliche 
Stelle wieder. Das τῷ ϑεῷ gehört natürlich nicht zu φραγῇ (Mat- 
thias), sondern zu ὑπόδειχος γένηται. Ganz willkürlich bezieht Hofm. 
die Aoriste auf das Endgericht, während natürlich die Absicht des 
λαλεῖν sich sofort nach demselben realisiren soll. Während Reiche 
wortwidrig das ἵνα durch ita ut erklärte, nehmen de W., Phil. das 
γένηται auch hier logice, was doch hier, so wenig wie V. 4, nöthig 
oder auch nur möglich ist. Natürlich ist dies nicht die einzige Ab- 
sicht des Gesetzes, d. h. des in ihm redenden Gottes, aber die in 
diesem Zusammenhange in Betracht kommende. Diesem über die 
anze Menschheit sich erstreckenden Ergebnisse steht übrigens die 
ugend Einzelner, etwa der Patriarchen, nicht entgegen, weil diese 
Tugendhaftigkeit nach dem idealen (vgl. Gal 310) Gesichtspunkte des 
Apostels doch keine διχαιοσύνη ist (sondern nur ein geringerer Grad 
des Mangels derselben), und daher von dem Verhältnies des ὑπόδεχοι 
εἶναι τῷ ϑεῷ nicht ausnimmt. 


156 Röm 8.20. 


Gesetzeswerken Niemand je die δικαιοσύνη erlangen werde, 
die V. 10 allen schlechthin abgesprochen war*). Indem er 
aber diese Thatsache ausspricht, bedient sich der Apostel ab- 
sichtlich des artikellosen ἐξ ἔργων νόμου, um anzudeuten, 
dass es nicht das Mosaische Gesetz in seiner konkreten Gestalt 
ist, an dem es liegt, wenn auf Anlass von Gesetzeswerken 
keiner gerechtfertigt wird, da von jedem anderen gottgegebenen 
Gesetze genau dasselbe gelten würde **). Gesetzeswerke sind 
aber, wie 216, von einem Gesetz gebotene und nicht die von 
ihm gewirkten (Luther, Phil, Blbtr., Luth), aus welcher 
Fassung man dann folgerte, dass sie, eben weil sie vom Ge- 
setz erzwungene, äusserliche Leistungen seien, nicht recht- 
fertigen könnten. Dieser Anschauung widerspricht die aus- 
drückliche Aussage des Apostels, dass die Gesetzesthäter ge- 
rechtfertigt werden (218), sowie die Thatsache, dass ein Gesetz, 
wie es Paulus im Auge hat, überall auch Gesinnungen fordert, 
die nie durch Drohung oder Zwang gewirkt werden können. 
Auch sagt der Apostel gar nicht, dass man aus Gesetzes- 
werken nicht gerechtfertigt werden könne, sondern er konstatirt 
mit offenbarer Anspielung an Ps 1432 die Thatsache, dass 
nie einer gerechtfertigt werden wird (οὐ διχαιωϑήσεται). 
Ausdrücklich setzt er aber an die Stelle des σεᾶς ζῶν der 


*, Nach Hofm. und seinen Schülern soll διότε etc. die Grund- 
angabe enthalten, »warum das Wort des Gesetzes zu keinem 
anderen Zwecke (dies wird rein eingetragen!) an die Juden ergehe, 
als damit der ganzen Welt alle Einrede gegen Gottes verurtheilenden 
Richterspruch abgeschnitten sei<. »Denn wäre kein heilsgeschichtlich 
geofienbartes Gesetz in die Welt gekommen, so möchten die Menschen 
sagen, sie würden, wenn es ein solches gegeben hätte, durch Er- 
füllung desselben gerecht geworden seine. Beza, Morus, Thol. nehmen 
fälschlich διότε für propterea, während es doch gleich propterea quod, 
ıdieweil, und nur durch ein Komma vom Vorherigen zu trennen ist. 

**\ Deswegen ist freilich nicht etwa das natürliche Gesetz der 
Heiden mitgemeint (Rück., vgl. Phil., Mehr., Beck), da ja im Zu- 
sammenhange es sich immer noch darum handelt, dass die Juden von 
dem Schrifturtheil nicht eximirt sind, und da nur sie meinen konnten, 
ἐξ ἔργων νόμου gerechtfertigt zu werden, nämlich aus den Werken 
des Mosaischen Gesetzes. Da dieses aber nicht speziell genannt ist, 
so fällt eigentlich die Frage ganz weg, ob hier die rituellen Bestand- 
tbeile des Gesetzes gemeint seien (Pelag., Corn a Lap., Semler), oder, 
was nach dem Zusammenhang selbstverständlich wäre, hauptsächlich 
das sogen. Sittengesetz. Aber Paulus macht diesen Unterschied fiber- 
haupt nie, sondern redet immer von dem Gesetz als einem unge- 
theilten Ganzen, und hat höchstens je nach dem Zusammenhange 
bald mehr die rituelle, bald mehr die sittliche Seite des Gesetzes im 
Auge, wie schon Meyer bemerkt. Otto denkt auch hier an Werke, 
welche das Gesetz tbut! 


Röm 320. 157 


Psalmstelle πᾶσα σάρξ (Gen 612. Jes 405. JSir 14ır), 
das auch hier weder das Fleisch im eigentlichen Sinne be- 
deutet (vgl. zu 13), noch den Menschen nach seiner sittlichen 
Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit (Meyer), sondern den 
Menschen nach seinem natürlichen Wesen, wie es auf Grund 
leiblicher Geburt durch seine Fleischesnatur bestimmt ist, und 
im Gegensatz zu dem, was etwa (otteskraft in ihm wirkt. 
Dass aber ein solcher Mensch nur sündigen kann, sagt schon 
das AT (Ps 78», vgl. JSir 285); und ausdrücklich nimmt 
der Apostel in Erinnerung an Stellen, wie Job 4ı7, das ἐν ὡ- 
σειον αὐτοῦ der Psalmstelle mit auf, um anzudeuten, dass, 
wenn der Mensch vor dem Angesicht des heiliges Gottes 
dasteht, und er seinem Urtheil unterworfen wird, kein Fleisch 
je für gerecht erklärt werden wird, weil Gott immer Sünde 
an ihm finden wird. Denn was von jedem Fleische nicht . 
gilt, gilt eben von keinem Fleisch ἢ. — dıa γὰρ νόμου 
ἐπίγνωσις ἁμαρτίας) Denn es liegt im Wesen eines Ge- 
setzes, dass durch ein solches, indem es seine Forderungen 
dem Menschen vorhält, bewirkt wird, dass dieser sein sittliches 
Missverhältniss zum Willen Gottes erst vollständig erkennt 
(vgl. zu 12). Dass damit zugleich ein Anerkennen der Sünde 
gegeben ist (Volkm., Luth.), sagt der Wortlaut nicht und 
τ darapricht der Erfahrung. Gewöhnlich nimmt man an, dass 
damit V. 20 begründet werde. Aber V. 20 begründete ja 
selbst, warum es die Absicht des Gesetzes sein könne, alle 
Welt straffällig zu machen, und konnte das nur, wenn er eine 
an sich feststehende Thatsache aussprach, die keiner Begrün- 
dung weiter bedarf. Sollte also der Gedanke abgerundet 
werden, so kam es lediglich darauf an zu sagen, woher wir 
wissen, dass Angesichts dieser Thatsache das Gesetz jene Ab- 
sicht habe (Bem. die enge Verbindung von V. 19 u. V. 20 
durch διότι). Dies folgt aber allerdings daraus, dass das 
Gesetz Erkenntniss der Sünde wirkt, weil dies uns jede Ent- 


*) Beck folgert aus dem ἐνώπ. aur., dass διχαιοῦσϑαε heisse: die 
Stellung eines Gerechten erlangen (vgl. Hofm. Schriftbew. I, p. 612 
und dagegen Wiesel., zu Gal. p.192f.). Es ist aber ganz gleich παρὰ 
τ. ϑεῷ, judice Deo, Gal 311. Das Fut. geht keineswegs auf das 
jüngste Gericht (Reiche), ist aber auch nicht ein logisches, da ja 
nicht gefolgert, sondern auf die Thatsache verwiesen wird, dass in 
aller Zukunft, wenn der Mensch vor dem Angesichte Gottes gerichtet 
wird, eine Gerechterklärung nicht eintreten wird. Dass eine solche 
damit als thatsächlich unmöglich erwiesen, ist richtig; aber es folgt 
daraus eben, dass hier nur von einer Unmöglichkeit die Rede, die in 
der natürlichen Sündhaftigkeit des Menschen begründet ist, weil die- 
selbe ihn verhindert, Gesetzeswerke zu vollbringen, welche zu seiner 
Gerechtsprechung genügen. 


158 | Röm 320. 91. 


schuldigung abschneidet und uns Gotte straflällig macht, und 
das hat es gethan in den V. 10—18 angeführten Schrift- 
worten ἢ). 

Es folgt nun der zweite Haupttheil des Briefes (321 
bis 5ıs), welcher mit Bezug auf lıef. zeigt, wie man durch 
die im Evangelium verkündete neue Gerechtigkeit, welche auf 
Grund Glaubens verliehen wird, zum vollen Heile gelangt, 
und zwar zeigt er zunächst Grund und Recht dieser neuen 
Heilsordnung (321ı—»), dann, wie dieselbe im AT bereits vor- 
gebildet ist (3sı—42), und endlich, wie die Rechtfertigung 
zum vollen Heile führt (51—ıs). 

V. 21—30**. Grund und Recht der neuen Heils- 
ordnung. — νυνὲ δέ) stellt, wie im Klassischen immer, der 
Vergangenheit, von welcher bisher die Rede war, die Gegen- 
wart gegenüber. Allerdings ist der im Vorigen geschilderte 
Zustand der allgemeinen Sündhaftigkeit und Straffälligkeit 
insofern kein vergangener, als er ausserhalb des Christenthums 
überall noch fortdauert, aber die ganze vorherige Erörterung 
ist vom Gesichtspunkt des vorchristlichen Zustandes ausge- 
gangen (V. 251). Die Vergangenheit war eben die Zeit, wo 
es nur eine Offenbarung göttlichen Zornes gab (118), weil es 
unter Juden wie unter Heiden an Gerechtigkeit fehlte. ‚Jetzt 
aber, wo die Zeit des Heiles angebrochen, wird eine Allen 
zugängliche Gerechtigkeit offenbart***), und zwar mit Aus- 
schluss eines Gesetzes. Das weis (vgl. Jud 2015. ız. IKor 
1111) νόμου ist nachdrucksvoll vorangestellt als Gegensatz 
von διὰ νόμου V. 20, und steht dieses Gegensatzes wegen 





*) Die Annahme einer Begründung der Thatsache, dass keiner 
aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, hat dann veranlasst, hier eine 
Begründung e contrario zu finden, indem man den Gedanken hinein- 
legt, dass das Gesetz nur Sündenerkenntniss wirkt, nicht aber Recht- 
fertigung (so gew., vgl. noch Luth., Goeb., Zimmer, Böhmer), oder 

eradezu: nicht aber Ueberwindung der Sünde und Erfüllung seiner 
sebote (so auch Meyer nach Melanth., Calv. u. noch Volkm., Holst., 
Sand.). Aber dieses »nur« wird ganz willkürlich eingetragen. Frtzsch. 
vollends trägt aus 71. den Gedanken ein, dass das Gesetz die that- 
sächliche Bekanntschaft mit der Sünde wirkt, indem es zur Sünde 
sollizitirt. 

**) S, Winz. Comm. in Rom 331—ss. Partic. I. u. 11. 1829. 

”**) Zeitlich fassen das νυνέ mit Recht Grot., Thol., Reiche, Rück., 
Olsh., Phil., v. Heng., Beck, Otto, Zimmer, Böhmer, Sand., und man 
darf nicht einmal von einer Verbindung der zeitlichen und logischen 
Bedeutung reden (Luth., vgl. Holst. a. a. Ὁ. p. 124), die exegetisch 
unmöglich ist, da νῦν (bei den Klassikern nicht vw») nur folgernd 
steht, wenn es einen durch die vorhergehende Erörterung erreichten 
neuen Gesichtspuunkt markirt, der eben das Resultat derselben ist 
(vgl. IVMak 6ss. 135). Gewiss bildet das γωρὶς νόμου einen Gegen- 


Röm 821. 159 


auch ohne Artikel. Nur wenn alle Gesetzesvermittelung 
ausgeschlossen ist, kann es zur Offenbarung von διχαεοσύνη 
kommen, da es ja im Wesen eines gottgegebenen (esetzes 
liegt (vgl. Hofm.), Sünde an uns aufzuweisen (V. 20), welche 
eben das Gegentheil der διχαιοσύνη konstituirt. Weniger 
treffend ist Luther’s: »ohne Zuthun des Gesetzes«, sofern nach 
dem Gegensatz zum Vorigen nicht nur die Mitwirkung des 
Gesetzes zur Rechtfertigung, sondern auch die Behinderung 
derselben durch ein Gesetz ausgeschlossen werden soll. So 
gewiss nämlich eine Gerechtigkeit aus Gesetzeswerken nie er- 
langt werden kann (V. 20), muss es eine δικαιοσύνη ϑεοῦ 
im Sinne von 117 sein, welche gegenwärtig kundgemacht ist 
und nun dauernd offen zu Tage lieg. Daher das Perf. 
zepavegwraı, welches voraussetzt, dass eine solche, bisher 
den Menschen gänzlich unbekannt war. Erst aus den heils- 
geschichtlichen Thatsachen der Gegenwart, nämlich der durch 
Christum vollbrachten Erlösun τὴ der neuen (ottesordnung, 
welche die Theilnahme an derselben ausschliesslich an den 
Glauben knüpft, ist ja kundgeworden, wie eine Gerechtigkeit 
nicht von Menschen erworben, sondern von Gott geschenkt 
wird*). — uagrvgovusvn) schliesst man am besten adjek- 
tivisch an (Hofm., Luth.. Es entspricht eben dem Grund- 
gedanken des Römerbriefes, dass eine solche Gerechtigkeit 
keineswegs etwas absolut Neues, der Offenbarung Gottes im 
AT Fremdes oder gar Entgegengesetztes ist, sondern sie ist 


satz zu dem διὰ νόμου (8. 0.): aber was von der Offenbarung der neuen 
Gerechtigkeit gesagt wird, geht doch weit über das hinaus, was sich 
aus dem V. 21 über das Gesetz Gesagten folgern liesse. Falsch daher 
Beza, Est., Koppe, Frtzsch., de W., Meyer, God., Klosterm., Goeb., 
Lips.: bei dieser Lage der Sache. Hofm., Bibtr. p. 122 vollends 
finden nach ihrer Annahme, dass schon von V. 5 an die Darlegung 
begonnen hat, worauf die Heilszuversicht des Christen ruhe und nicht 
ruhe, hier den Untersatz zum ÖObersatz in V. 19f. oder V. 5—20, 
welcher den Apostel zu der Folgerung in V. 27f. leiten soll! 

5) Das χωρὶς vouov gehört also nicht zu dıx. ϑεοῦ (Reiche nach 
Augustin., Wolf u. A., vgl. auch Winz., Klee, Mehr., Böhmer, Hilg.), 
was schon seines Voranstehens wegen sprachlich unmöglich (weil 
unerkennbar) ist, sondern zum Verbum, wie ja auch χωρές nicht 
»ausserhalb« heisst und den Gegensatz zu ἐν τῷ νόμῳ. 19 bildet 
(Otto). Gewiss ist die φανέρωσες nicht bloss durch das Evangelium 
geschehen gedacht (God.), sondern dadurch, dass aus den Heilsthat- 
sachen erhellt, wie es zu einer solchen διχαιοσύνη kommt und kommen 
kann. Es wird ja nicht bloss kundgemacht, dass eine Gerechtigkeit 
da sei, sondern sie selbst. Aber darum heisst φανεροῦν doch einfach 
eine Kundmachung für die Erkenntniss (119) und nicht eine that- 
sächliche, so dass sie geschichtlich in Wirklichkeit getreten und so 
zur Erscheinung gekommen ist (Hofm., Beck, Bibtr., Luth., Otto, Sand.). 


160 Röm 3sı. 22. 


eine solche, welche in der heiligen Schrift (vgl. 12) bezeugt 
wird (vgl. Hbr 18. 114). »Novum testamentum in vetere 
latet, vetus in novo patet«, Augustin. Bei ὑπὸ τοῦ νόμου 
denkt der Apostel an die weissagende Geschichte der Thora, 
in welcher, wie er Kap. 4_nachweist, dieselbe durch die Recht- 
fertigung Abrahams bereits vorgebildet ist, bei τῶν προφη- 
tw» an Weissagungen wie Hab 24 (lır). Das Präsens macht 
gar keine Schwierigkeit; denn die Schrift bezeugt sie ja in 
der Gegenwart, wo sie als göttliche Offenbarung zu den Theil- 
nehmern an dieser offenbar gewordenen Gerechtigkeit redet. 
Auf das, was die alttestamentlichen Schriftsteller ihren Zeit- 
genossen gesagt haben, wird hier so wenig wie sonst reflektirt. 
Eben darum ist auch durch sie noch keine ἔρωσις Ein- 
getreten, wie die, welche jetzt vorliegt*). — V. 22. dıxauo- 
σύνη de ϑεοῦ) Hierdurch wird nicht nur der Begriff der 
δικαιοσύνη ϑεοῦ näher bestimmt (Meyer, Beck, God. Lips, 
Sand.), sondern es wird die V. 21 gemeinte Gottesgerechtigkeit 
in einen gewissen Gegensatz gestellt zu der durch Gesetzes- 
werke zu erwerbenden menschlichen Gerechtigkeit, welche 
Israel in seiner heiligen Schrift allein bezeugt wähnte (Hofm.), 
während es doch eine andere Gottesgerechtigkeit nicht giebt 
als eine δεὰ zriortewcs vermittelte. Jede durch Werke er- 
worbene wäre ja immer eine, die der Mensch sich selbst be- 
schafft hätte; diese aber wird ledigliclı dadurch vermittelt, dass 
man auf Jesum Christum, d. h. auf Jesum, den man als den 
Heilsvermittler erkannt hat, sein Vertrauen setzt. Des Artikels 
vor διὰ πίστεως bedurfte es schon deshalb niclıt, weil dızauo- 
σίνη ϑεοῦ keinen Artikel hat. Zu dem Genit. Ἰησοῦ Χριστοῦ, 
welcher das Objekt des Glaubens bezeichnet, vgl. Gal 2ıs. 20. 
32**. — εἰς πάντας x. ἐπὶ πάντας τοὺς πιστεύ- 


5 Es wird also nicht gesagt, dass die yavegwoıs durch dieses 
μαρτυρεῖν eingetreten sei (Meyer), da ja überhaupt nicht die φανές 
ρωσις, sondern die διχαεοσύνη charakterisirt wird, geschweige denn 
dass ein Gegensatz darin läge: obwohl nicht unbezeugt (vgl. Goeb., 
Zimmer). Dabei liegt immer die Voraussetzung zu Grunde, dass 
ὑπὸ τοῦ νόμου einen gewissen Gegensatz bilde gegen χωρὶς νόμου, 
obwohl der Art. zeigt, dass νόμος hier im Sinne der Thora gemeint 
ist (gegen Frtzsch. u. M., vgl. noch Beck, God.). 

**\ Ganz verkehrt verstehen Rauwenb., v. Heng., Berlage (de for- 
mulae Paulinae πέστις 7. Χριστοῦ signif., Lugd. B. 1856) die »fides, 

uae auctore Jesu Christo Deo habetur« (vgl. Böhmer), wogegen schon 
ie Stellen entscheiden, wo der Genitiv bei πέστις eine Sache oder 
ein Abstractum ist (Phl 177. Kol 2ıe. IITh 2ıs. Act 8:16), des- 
gleichen der Ausdruck πέστις ϑεοὺ Mk 1122, wo der Genitiv noth- 
wendig Objektsgenitiv sein muss. Vgl. Weiss, bibl. Theol. 8 82, c. 
Ganz unnatürlich will Beck beide Bedeutungen des Genitivs verbinden. 


Röm 32. 161 


ovrag) bedarf keiner Ergänzung durch ein οὖσα (Meyer), da 
sich die Präpositionen nicht anders anschliessen, als das διὰ 
σείστεως. Es handelt sich um eine weitere Charakteristik der 
δικαιοσύνη, die nicht nur überhaupt, sondern ausschliesslich 
durch Glauben vermittelt ist und darum für Alle vorhanden 
ist und auf Alle hin sich erstreckt, welche glauben. Beide 
Präpositionen bezeichnen die Richtung, in welcher sich die 
διχαιοσύνη befindet, jedoch mit der Modifikation, dass dem 
sis die Vorstellung der Bestimmung, dem ἐσεί aber die Vor- 
stellung des Sicherstreckens über Alle zu Grunde liegt. Letzteres 
hebt noch ausdrücklich hervor, dass jene Bestimmung nicht 
irgendwo (etwa an den Vorzügen Israels, die dies Volk irgend- 
wie derselben nicht bedürftig machten, oder an den Sünden- 
greueln des Heidenthums, die dasselbe ihrer unwürdig machten) 
eine Grenze findet. Ueber die Eigenthümlichkeit des Apostels, 
durch verschiedene präpositionelle Bestimmungen Eines Wortes 
das Verhältniss mehrseitig hervortreten zu lassen, s. Win. 
8 50, 6*). — οὐ γάρ ἐστι διαστολή) begründet das σε άν - 
τας: Denn nicht findet ein Unterschied statt, nach welchem 
einem Theile der Menschen, etwa den Juden, ein anderer 
Weg zur δικαιοσύνη ϑεοῦ oflen stände, oder einem anderen, 
etwa den Heiden, derselbe verschlossen wäre. 


Haussleiter (der Glaube Jesu Christi und der christliche Glaube. 
Leipz. 1891) denkt an den Glauben, den Christus hatte, und den die 
Christen sich aneignen. Das ıncov fehlt in B. Marc. (Lachm., vgl. 
WH.i. Kl.) und wird auch durch das ἐν χρέστω ἐησου in A verdächtig. 
Weil es hier nicht auf die Art der Offenbarwerdung, sondern auf die 
spezifische Charakterisirung der offenbar gewordenen Gerechtigkeit 
selbst ale einer durch Glauben vermittelten ankam, ist weder διὰ 
tor. (Frtzsch., Thol.) noch das folgende εἰς πάντας etc. (de W., Frtzsch., 
Thol., Win., Mehr., Klosterm. p. 94ff. u. M.) von πεφανέρωται abhängig 
zu machen. 

Ὁ Willkürlich ist es, von einer Sinnverschiedenheit der Präpo- 
eitionen ganz abzusehen (Rück., Reiche, Kölln., de W.) und die Ver- 
doppelung nur für eine Verstärkung zu halten (Koppe: für Alle, Alle 
ohne Ausnahme, Matthias, Mehr., der aber ganz willkürlich τοὺς 
πιστεύοντας nur als das zweite πάντας bestimmend fasst, wie bereits 
Morus, Flatt, Morison p. 229ff. gethan haben); denn in keiner der 
ähnlichen Stellen sind die Präpositionen synonym. 8. Gallı. Weder 
freilich bezeichnet das εἰς das immanente Einströmen (Reithm., Beck), 
noch das ἐπέ das Veberkommen von oben (Hofm.). Andere legten 
einen sachlichen Unterschied in die Präpositionen, indem sie εἰς auf 
die Juden und ἐπί auf die Heiden beziehen wollten (Theodor., Oecum., 
Beng., Böhme, Jatho, Beck), umgekehrt Matthias (so auch 2x und εἰς 
111 erklärend). Nach God. bildet das eis den Gegensatz gegen den 
Juden, der allein durch das Gesetz zur Gerechtigkeit gelangen 
könnte, das ἐπέ gegen die von Menschen zu erwartende Gerechtigkeit. 
Otto will gar χαὶ ἐπὶ πάντας τ. πιστ. zu πεφανέρωταιε ziehen! — Das 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9, Aufl. 11 


162 Röm 32. 2. 


VW. 23f, πάντες γὰρ ἥμαρτον) begründet, weshalb für 
alle ohne Unterschied es nur die V. 21f. beschriebene Gottes- 
gerechtigkeit giebt, durch die im ersten Theile erwiesene That- 
sache, dass Alle gesündigt haben und also zu einer Gerechtig- 
keit aus Werken nicht gelangen können. Die szavres sind 
natürlich alle Menschen, da ja der Glaube (V. 22) nur als 
die ihnen gemeinsame und ausschliessliche Bedingung der 
Gerechtigkeitserlangung genannt war. Daher heisst es nicht: 
alle Gläubigen (Hofm., Blbtr. p. 129, Klosterm. p. A 78 
an eine Verschiedenheit unter den Gläubigen zu denken der 
Kontext ἔν keinen Anlass bietet, steht auch nicht in pole- 
mischer Beziehung auf die Judenchristen (Hilg.), die doch 
sicher nicht leugneten, Sünder gewesen zu sein und des Heils 
zu bedürfen, selbst wenn sie sich dasselbe anders vermittelten, 
da ja die Aussage deutlich auf V. 9 und damit auf den 
Unterschied der vorchristlichen Menschheit zurückblickt. Das 
beweist schon das präsentische χαὶ ὑστεροῦνται (Diod. 
Sic. 18, 71. Jos. Antt. 15, 6, 7, vgl. IKor 17), welches die 
Folge jenes ἥμαρτον ausdrückt; denn bei den Gläubigen findet 
ja dies ὑστερεῖσϑαι nicht mehr statt. Wohl aber ermangeln 
alle Menschen als solche, eben weil sie gesündigt haben, der 
Ehre (rg δόξης), die Gott giebt, des Ruhmes, den er ertheilt. 
Der Genit. τοῦ ϑεοῦ kann nur ebenso, wie der bei dıxaro- 
σύνη erklärt werden. Wie Gott 2» dem, der ein Israelit ist, 
wie er sein soll, Lob ertheilt, so giebt er dem, der nicht sün- 
αἰεί, die Ehre, ihn für gerecht zu erklären. Vgl. Joh 1248. 
IKor 1116. IIKor 6s und das ebenso alttestamentliche wie 
neutestamentliche διδόναι δόξαν"). --- V. 24. δικαιούμενοι) 


scheinbar so ganz entbehrliche zus ἐπεὶ παντὰς (Rcpt.) sieht weder 
nach einer Vervollständigung aus, noch kann es ursprünglich zur Er- 
läuterung des um nichts schwereren &s πάντας (Volkm.) in den Text 
ekommen sein; es muss daher im ältesten Texte schon (MABCP 
ers. Ptr. denen Tisch., Lcehm., Treg., WH. folgen) per hom. aus- 
gefallen sein (gegen Lips.). 

“) So schon Chrys., Piscat., Grot., Frtzsch., Reiche, de W., Thol., 
Volkm., Holst., Klosterm. p. 97, Luth., Goeb., Lips. Die Erklärung: Ehre 
vor Gott (Kölln., vgl. schon Calv. u. wieder Phil.) fällt der Sache 
nach mit dieser us zusammen, da ja die Ehre vor Gott oder bei 
Gott (Winz.) nichts Anderes ist, als die Ehre, die uns aus Gottes 
Urtheil zukommt. Aber diese Deutung des Genitivs (= coram) ist 
nirgends nachweislich (namentlich nicht in dıxasoo. ϑεοῦ vgl. z. 1.11), 
weshalb auch die Fassung gloratio coram Deo (»non habent, unde 
coram Deo glorientur«, Est., vgl. Erasm., Luther, Wolf, Koppe, Reithm. 
u. M.) ganz verwerflich ist, zumal Paulus dafür das ihm sonst so 
geläufige χαύχησις (V. 27) brauchen würde. Ganz verkehrt Matthias: 
Ruhm, wie er Gottes ist, d. h. der Ruhm selbsteigner Heiligkeit, 
Von dieser Fassung als Gen. poes. aus dachte man entweder an die 


Röm 32. 108 


indem wir gerecht erklärt werden (vgl. 218) umsonst durch 
seine Gnade. Hieraus erhellt klar, dass die δόξα τοῦ „Seo, 
deren alle ermangeln (V. 23), in der Sache nichts Anderes ist, 
als die διχαιοσύνη, die ihnen zugesprochen wird. Denn, wie 
völlig sie in Folge ihres sündigen Thuns derselben ermangeln, 
folgt eben daraus, dass sie dieselbe dwesar (Ex 2lı1. Jes 523. 
I1Mak 10ss) empfangen müssen, ἃ. ἢ. geschenksweise, während 
doch sonst überall die Gerechtsprechung durch normales Ver- 
halten erworben wird. Wo aber keine eigene Leistung, da 
ist auch kein Verdienst; sie kann also nicht mehr auf Grund 
eines gerechten Urtheils dem, der sie verdient hat, sondern 
nur noch aus freier Gnade dem, der sie garnicht, vielmehr 
das Gegentheil verdient hat, zugesprochen werden. Derselbe 
Gott, der ihnen kein rühmendes Zoueniss ertheilen kann wegen 
ihres Verhaltens (V. 23), ist es, der durch seine Huld ihnen giebt, 
was sie nicht verdienten. (Bem. das nachdrücklich vor yagırı 
tretende αὐτοῦ.) So zeigt die Art der Gerechtsprechung, 
durch welche sich die gottgeschenkte Gerechtigkeit V. 21 ver- 
wirklicht, dass dieselbe jedem zugänglich ist; denn wenn die- 
selbe doch geschenksweise aus freier Gnade ertheilt wird, so 
ist ja keiner, der sie irgend welcher Vorzüge wegen bean- 
spruchen könnte oder irgend welcher Mängel wegen davon 
ausgeschlossen wäre*). ass sie aber durch Vertrauen auf 
Jesum Christum vermittelt ist (V. 21), wird weiter dadurch 
erläutert, dass jene Gerechtsprechung nur vermittelst der Er- 
lösung zu Stande kommt (διὰ τῆς ἀπολυτρώσεως), die 
Christus erworben hat, und an der man selbstverständlich ohne 


Herrlichkeit Gottes (138), auf welche die Gläubigen im ewigen Leben 
hoffen (62, vgl. Beza, Beng., B.-Crus., Mehr., Zimmer u. schon Oecum., 
Glöckl., Böhme, Morison, die nur den Gen. als gen. aut. fassen), 
während diese doch überall erst zukünftig ist, oder an das dem 
Menschen anerschaffene Ebenbild Gottes, welches ein Abglanz seiner 
Herrlichkeit sei, wofür man auf IKor 117 verweisen könnte. So im 
Wesentlichen schon Melanth., Calov. und die lutherischen Dogmatiker, 
neuerdings Olsh., Rück., Ew., God., Hofm., Beck, Blbtr., Mang., Band. 
u.A., obwohl diese Vorstellung hier ganz unmotivirt und unverständ- 
lich einträte. Am gekünsteltsten Otto: das Licht, das von der Gottes- 
nähe ausstrahlt und das Zeichen der Gerechtigkeit ist. Vgl. Böhmer, 
der an die Herrlichkeit seiner Heiligkeit denkt. 

*, Da thatsächlich im Folgenden Grund und Recht dieser neuen 
Gerechtsprechung noch weiter entwickelt wird, so fand man es auf- 
fallend, dass dieser Hauptbegriff hier in einem Partizipislsatz auftritt, 
und wollte denselben in χαὶ διχαεοῦνταε auflösen (Pesch., Luther, 
Frtzsch., God.), was natürlich sprachlich unmöglich ist, oder sonst 
das Part. für ein Verb. finit. nehmen (Melanth., Calv., Erasm., Rück., 
Reiche) oder gar mit Ew., der V. 23 parenthesirt, an die Accus. in 
V. 22 anknüpfen (vgl. Sand... Man braucht sich auch nicht darauf 


11* 








164 Röm 3%. 


Vertrauen auf ihn als den Heilsmittler und auf sein Erlösungs- 
werk nicht theilnehmen kann. Durch diesen Zusammenhang 
ist auch die Art bedingt, wie hier der objektive Grund der 
neuen Heilsordnung oder die Heilsvermittelung durch Christum 
bezeichnet wird. Denn allerdings liegt es am Tage, dass Gott 
nicht ohne weiteres den Sünder aus Gmaden freisprechen 
konnte, da ja nach biblischer Anschauung der Sünder seiner 
Sünde verhaftet bleibt (IKor 115. Jak u) d. h. durch sein 
Sündigen in ein der Schuldhaft analoges Verhältniss geräth, 
das nothwendig zur endgültigen Verdammniss führt (vgl. Mt 
52). Paulus bezeichnet also das jene Freisprechung ermög- 
lichende Mittel als eine Loskaufung aus dieser Schuldhaft und 
dem mit ihr gegebenen Verhältniss der Straftälligkeit*). Es 
liegt aber kein Gegensatz gegen eine andersartige ἀσεολύτρωσις 
darin (gegen Otto), wenn dieselbe durch τῆς ἐν Χριστοῦ 
Ἰησοῦ als die in dem Messias Jesus, ἃ. ἢ. in dem Heils- 
mittler, der in der Person Jesu erschienen (vgl. zu 11), näher 
in dem von ihm durch sein Blut gezahlten λύτρον vollzogene 
und daher in ihm begründete bezeichnet wird, da dieser Zu- 


za berufen, dass nach paulinischer Weise der Hauptgedanke in die 
Form einer Nebenbestimmung gekleidet werde (Luth.), oder zuzugeben, 
dass das Verhältnies des Gerechtfertigtwerdens in die Abhängigkeit 
von der DEE UNE der δόξα τοῦ ϑεοῦ tritt (Meyer), da vielmehr 
das ὑστεροῦνται erst dadurch vollauf bestätigt wird, dass das διχαοῦ- 
σϑαι δωρεάν und χάριτε geschieht. Es wird ja nicht etwa das Wesen 
der dıx. ϑεοῦ erst hier erklärt. sondern nur erläutert, warum sie Allen 
zugänglich ist. Dass hier das διχαιοῦσϑαι nur im forensichen Sinne 
genommen werden kann, erhellt aus der ganzen folgenden Darlegung. 
Trotzdem erklärt es wieder Beck von einer Gerechtmachung, welche 
die wesenhafte Erscheinung der Gerechtigkeit Gottes in Christi Person 
und Werk, Wort und Geist wirkt, Christ. Hoffm. von der Umwandlung 
und Neuschaffung des Menschen durch den Glauben, während selbst 
Klosterm. p. 99, der die dıxasoa. ϑεοῦ V.21f. von der neuen Sittlich- 
ἐῶ fasst, hier die Freisprechung des Gläubigen von Sünde und Schuld 
ndet. 

*, Es ist gar kein Grund, den Begriff der Loskaufung (vgl. 
Ex 218. Plat. Pomp. 24. Dem. 159, 15) hier in den allgemeinen der 
messianischen Befreiung umzusetzen (gegen Ritschl, JdTh. 1863. 
p. 512), da Paulus auch sonst diese Erlösung als ein Erkaufen um 
einen Preis (IKor 620), also um ein Lösegeld, erläutert. Freilich darf 
man auch nicht die Loskaufung in eine Entlassung um ein Lösegeld 
(Plat. Lege: P: 919a. Pol. 21, 21, 8. Diod. 23, 24) verwandeln. Denn, 
wenn die Freisprechung des Sünders Seitens Gottes durch ein Löse- 
geld vermittelt sein muse, so ist der Sünder nicht Gotte, sondern 
einem Schuldverhältniss verhaftet gedacht, das die Verurtheilung er- 
fordert und die Freisprechung verwehrt. Nur muss man diesem 
Schuldverhältniss nicht das Gesetz und seinen Rechtsanspruch sub- 
stituiren, wie Otto thut. Dass als dies λύτρον das Blut Christi ge- 
dacht ist, ergiebt sich aus V. 25. 


Röm 324. 3. 166 


satz offenbar motiviren soll, warum die neue Gottesgerechtig- 
keit von subjektiver Seite durch Vertrauen auf diesen Christus 
vermittelt ist ἢ). 

V. 25f. erläutert näher, inwiefern in Christo die ἀπολύ- 
τρωσις gegeben ist. — ον περοέϑετο etc.) welchen Gott 
öffentlich ausgestellt hat. Diese aus dem griechischen Ge- 
brauche bekannte Bedeutung (Herod. 3, 148. 6, 21. Plat. 
Phaed. p. 115E. Eur. Alc. 667. Thuc. 2, 34, 1. 64, 3. Dem. 
1071. 1 Herodian. 8, 6, 5) schliesst sich einfach an die lokale 
Bedeutung des Activ. (Ex 404. IIMak 18, vgl. IVMak 811) 
an**), die Medialform (vgl. zu V. 9) ist vielleicht gewählt, 
weil das εἰς ἔνδειξιν zeigt, dass es im eigenen Interesse Gottes 
lag, der Welt ein Sühnmittel zu proponiren. Die im Worte, 
speziell in dem lokal gedachten .g0, liegende Beziehung auf 
die Oeffentlichkeit hat ıhr Metiv darin, dass bei der Vermitte- 
lung der Gerechtigkeit durch den Glauben an Christum (V. 22) 
dieser der Welt als das von Gott proponirte Sühnmittel be- 
kannt sein musste, damit man auf ıhn als solches vertrauen 
könne. Von Sühn-Opfern kommt das Wort ilaorneıov 
(substantivirtes Neutr. vom Adj. ἱλαστήρεος, vgl. IV Mak 172, 


5) Es bedarf daher künstlicher Deutungen des ἐν (Beck, Bilbtr. 

p- 129: die an seiner Person haftet, Luth.: die als Thatbestand in 
ıhm vorhanden ist) durchaus nicht. Die Befreiung vom Sündenprinzip 
(von dessen Herrschaft) ist nicht das Wesen der ἀπολύτερωσις (gegen 
Lipsius, Rechtfertigungsl. p. 147f.), geschweige denn die Erlösung von 
der Sklaverei verderblicher Meinungen (Chr. Hoffm.). Jede Auffassung, 
welche die Erlösung und Sündenvergebung nicht auf die Todeshingabe 
Christi, sondern subjektivirend auf das durch seinen Tod verbürgte 
und gewirkte Mitsterben und Aufleben zurückführt (Schleierm., Nitzsch, 
Hofm. u. M. unter verschiedenen Formen), ist eine prinzipielle Ver- 
kehrung der paulinischen Anschauung. Auch Beck vermischt wieder 
Beides, indem er die ἀπολύερωσις als »reale Wesensbefreiung aus 
dem gerichtlichen und moralischen Verhaft der Seele« fasst (vgl. 
Zimmer u. Klosterm. p. 83ff., sofern er speziell an das Jobeljahr denkt, 
in welchem nach dem erfolgten ἐξελασμός der ganzen Gemeinde alle 
in Sklaverei gerathenen Schuldner ihre Freiheit wieder empfingen). 
**) So Vulg.. Pelag., Luther, Beza, Beng., auch Rück., de W., 
Phil., Thol.,, v. Heng., Hofm., Morison, Luth., Goeb., Böhmer, Lips., 
Sand. Nur muss man dann nicht mit Meyer auf die Zurschaustellung 
in der Kreuzigung hinweisen, da diese an sich ja noch nicht den 
Charakter Christi ale Sühnmittel bekannt machte. Nimmt man 
προέϑετο in der streng medialen Bedeutung von 118 (Chrys.. Oecum., 
Teoph., auch Koppe, Böhme, Flatt, Frtzsch., God.), so müsste ein 
Infinitiv dabeistehen. Otto, Zimmer nehmen es im Sinne von: voraus- 
bestimmen (Ersterer mit Verweisung auf Jes 5310f.), der nicht nach- 
weisbar ist, während das Wort im Sinne von promulgare (Matthias: 
welchen er öffentlich kund thun liess), der übrigens dem richtigen 
sich mehr anschliesst, nur von Gesetzen und Ankündigungen vorkommt. 





— 


166 Röm 38. 


bei welchem Syr,, Melanth., Erasm., Est., Reithm., v. Heng,., 
Mehr., Morison, Zimmer stehen bleiben) bei den LXX. nicht 
vor; es könnte daher nur nach der Analogie von σωτήριον (Ex 
202), καϑάρσιον (Herod. 1, 35), xapsorngıovr (Ken. Oyr. 4, 1,2) 
u. A. ein solches bezeichnen, wenn man ἱερόν oder ϑῦμα er- 
änzt. Allein diese konkrete Vorstellung kann immer nur 
urch den Zusammenhang in das Wort hineingelegt werden, 
und wenn man dieselbe durch das folgende ὃν τῷ αἵματι 
(vgl. Lev 1711) indizirt findet, so erscheint doch gerade bei 
ihr dieser Zusatz als völlig überflüssig, wie denn auch das 
damit verbundene διὰ τῆς σείστεως zu dieser konkreten Vor- 
stellung durchaus nicht passt. Dass aber Paulus absichtlich 
einen Ausdruck wählt, welcher nicht der technischen Sprache 
des Opferrituals angehört, beweist, dass er nicht in concreto 
an das Sühnopfer denkt, wie nach Chrys. und Aelteren Koppe, 
Flatt, Klee, Reiche, de W. Kölln., Frtzsch., Thol, Ew., 
Volkm.,, Holst, Meyer, Pfleid. a. a. O. ? 180, Beck, Luth., 
Lips. annehmen. Man muss daher mit Vulg. Rück., Glöckl., 
Hofm., God., Klosterm. p. 89, Mang. p. 322, Goeb., Otto, 
Chr. Hoffm. bei dem allgemeinen Begriff eines Sühnmittels 
(vgl. Sand.) stehen bleiben”). — δεὰ τῆς σείστεως) ver- 
binden mit Recht die meisten Neueren mit ἱλαστήριον. Nicht 
ein Sühnmittel, wie die alttestamentlichen, deren Wirkung 
lediglich auf der pünktlichen Vollziehung der göttlichen An- 
ordnungen beruhte, hat Gott proponirt, sondern eines, das 


—. 


ἢ Natürlich entlehnt Paulus den Begriff eines Sühnmittels, d. h. 
eines Mittels, wodurch die Schuld der Sünde zugedeckt, oder der Zorn 
Gottes über die Sünde in gnädige Gesinnung gegen den Sünder ver- 
wandelt wird, aus der ihm gangbaren Opfervorstellung: aber es ist 
sehr bedeutsam, dass er in den älteren Briefen nirgends (denn IKor 
57 ist ganz anders) und auch in den späteren nur Eph 53 die Opfer- 
vorstellung direkt auf Christum et γι vielmehr den Begrift des 
Sühnmittels ale Ausdruck für die Heils-Bedeutung des Todes Christi 
ganz  nuE formulirt. Noch weniger darf man mit Orig., Theo- 

hyl., Erasm., Luther, Calv., Grot., Calov., Wolf, Wttst. u. M., auch 
Dlsh. Thol. (ed. δ), Phil, Umbr., Ritschl a. a. O. p. 247, Bibtr. 
p. 135 ff., Böhmer, Hilg., u. A. an die Kapporeth, d.h. an den schemel- 
förmig über der Bundeslade schwebenden Deckel denken. für welchen 
bei den LXX τὸ ἐλαστήρεον der technische Ausdruck ist (Ex 26 ısff. 317, 
vgl. Hbr 95). An diesen wurde, als an den Thronsitz Jehova's, vom 
Hohenpriester am grossen Versöhnungstage das Opferblut gesprengt 
(Ex 2533. Num 78. Lev 161sff. Keil Arch 1, 8 84), und er soll also 
Christum als den Träger der vergebenden Gnade Gottea bezeichnen. 
Dass dann Christus mit seinem eigenen Biute besprengt gedacht 
wäre, liesse sich zur Noth ebenso erklären, wie wenn der Hebräerbrief 
ihn mit seinem eigenen Blut in’s Allerheiligste gehen lässt; aber, ab- 
gesehen von der Frage, ob den heidenchristlichen Römern diese tech- 


Röm 82. 167 


mittelst des schon V. 22 als Heilsbedingung genannten Glau- 
bens (Bem. den Artikel) seine sühnende und Wirkung 
empfängt, so dass also nur bei dem auf Christum sein Heils- 
vertrauen Setzenden wirklich durch dasselbe seine Schuld be- 
deckt ist, und er die Gnade Gottes wiedererlangt*).. Dagegen 
gehört das ἐν τῷ αὐτοῦ αἵματι zu προέϑετο etc. Gott hat 
Christum als ein durch den Glauben wirksames Sühnmittel 
aufgestellt in seinem Blute, d. h. so, dass derselbe im Tode 
sein Blut vergiessen musste, in welchem die Kraft und Wir- 
kung jenes Sühnmittels objektiv beruhen sollte. Vgl. Holst. 
Damit ist aber keineswegs dem Tode Christi der Opfer- 
charakter beigelegt (gegen Meyer, Lips), da die Erwähnung 
des Blutes nur darauf hinweist, dass es nicht ein natürlicher, 
sondern ein gewaltsamer Tod war, welchen Christus sterben 
musste (vgl. Hof. ‚ damit sein Tod diese sühnende Wirkung 
habe. Erst die nachdrückliche Voranstellung des αὐτοῦ (vgl. 
V. 24) deutet auf die alttestamentlichen Sühnmittel hin, bei 
welchen das Blut eines Thieropfers das Sühnende war**). 
Weil also Gott das Blut Christi de Welt als Sühnmittel pro- 
ponirt hatte, welches alle Sünden zudeckte, so konnte dasselbe 
als das λύτρον gelten, mittelst dessen die Menschen aus der 


nische Bedeutung von ἱλαστήριον bekannt war, müsste es dann τὸ 
!laorngsov ἡμῶν heissen, da keinesfalls der Name dieses nur einmal 
existirenden Geräthes ohne weiteres apellativisch zur Bezeichnung 
der in ihm versinnbildeten Idee dienen kann. Auch träte die sonst 
nirgends vorkommende Idee in ihrer Anwendung auf Christum hier 
ganz ex abrupto auf, ohne dass in der Umgebung etwas darauf vor- 
bereitet oder dahin führt, und die Verbindung mit διὰ τ. πέστεως er- 
gäbe hier erst recht keinen Sinn. 

*) Mit προέϑετο nach Aelteren) kann es nicht verbunden 
werden, da ja die göttliche That, wonach er den Menschen ein Sühn- 
mittel proponirte, nicht durch den menschlichen Glauben vermittelt 
sein kann. Dass den Gläubigen der Tod Christi »als ihr eigener Tod 
zugerechnet wird« (Lips.), steht nicht da und entspricht dem Begriff 
eines Sühnmittels durchaus nicht. Der Art. vor πεστέως wird nach 
NCDFG von Tisch., Lehm., ἀνὰ ἢ weggelassen, von WH. ἃ. ἀ. R. ge- 
setzt; aber er ist in Folge von Konformation nach V.22 weggelassen, 
wie V. 26 der Art. vor zvdssfiv (Rept. nach EKL) nach V. 25. Ganz 
unnatürlich ist die Verbindung des διὰ τ. ztor., sowie des folgenden 
ἐν τ. αὖτ. aluarı mit δικαιούμενοε V. 24 (Reiche, Beck), welche nöthigt, 
ὅν — ἱλαστήριον als Zwischensatz zu fassen, und schon dadurch 
unmöglich wird, dass διχαιούμενοε ein διὰ in anderem Sinne bereits 
bei sich hat. 

5.) Das ἐν τ. aut. αἵματι ist also nicht an ἐλαστήρ. anzuschliessen, 
so dass es Parallele von dk r. πέστ. wäre (Wolf, Kölln., Beithm., 
Matthias, Mehr., Hofm., Blbtr. p. 143, God., Luth., Zimmer, Böhmer 
u. M.), nicht sowohl, weil das folgende eis ἔνϑειξεν etc. dagegen spricht 
(de W., Meyer, Phil.), das Hofm. u. A. vielmehr dafür anführen, son- 





168 Röm 8:25. 


Schuldhaft losgekauft wurden. So verknüpft Paulus die beiden 
an sich ganz heterogenen, d. h. von verschiedenen Voraus- 
setzungen aus gebildeten Vorstellungen des Lösegeldes und des 
Sühnmittels in höchst eigenthümlicher Weise. — δὲς ἔνδειξιν) 
vgl. Polyb. 3, 38,5. IIKor 8%, bezeichnet die Absicht Gottes 
bei der Proponirung dieses Sühnmittels; diese war die that- 
sächliche Erweisung seiner Gerechtigkeit. Ohne Frage ist 
mit τῆς δικαιοσύνης αὐτοῦ eine göttliche Eigenschaft ge- 
meint, und zwar, da es sich im Folgenden um das Verhalten 
Gottes zu den Sünden der Menschen handelt, seine richter- 
liche Gerechtigkeit*.. Aber wenn nun Meyer mit ἃ. M. (vgl. 
selbst Holst.) daraus folgert, es handle sich hier um die Straf- 
gerechtigkeit Gottes, welche ihre heilige Befriedigung haben 
musste, diese ihre Befriedigung aber am Sühnopfer Christi 
empfangen hat und somit thatsächlich erwiesen ist, so wider- 
spricht dies entschieden dem Kontext. Denn die Anordnung 
eines Sühnmittels ist eben das Gegentheil der Strafvollstreckung, 
und die Vorstellung, dass eine Sühne nur dadurch besch 

werden könne, dass die vom Gesetz geforderte Strafe voll- 
Er wird (wenn auch an dem Unschuldigen statt an dem 
5 uldigen), ist in unserer Stelle nicht angedeutet, sondern 
wird lediglich aus einer uns geläufigen dogmatischen Ge- 
dankenreihe eingetragen, deren biblische Begründung wenigstens 


dern weil die allgemeine Kategorie des Sühnmittels, zu welchem Gott 
Christum bestellte, nicht durch ein Moment näher bestimmt werden 
kann, welches nur dem in diesem Falle aufgestellten besonderen 
Sühnmittel eignete. Es müsste vielmehr in diesem Falle ἐν αἵματι 
heissen. Macht man es aber von πέστεως abhängig (Luther, Calv., 
Beza, Seb. Schmid u. M., auch Koppe, Klee, Flatt, Olsh., Thol., Winz., 
Morison, Volkm., Mang. p. 323, Beck), so müsste diese intendirte Ver- 
bindung durch den Artikel τῆς gesichert sein: aber diese Näher- 
bestimmung der πέστις findet sich sonst bei Paulus nicht, und sie hat 
jedenfalle gegen sich, dass dann dasjenige, kraft dessen Christus 
ἱλαστήρεον ist, nur mittelbarer Weise benannt wäre (vgl. Hofm.). 

*) Ganz Ἱπτ| Εν Genen daher Anselm, Luther, Wolf u. V., auch 
Winz., v. Heng.. Mang. p. 328 an die Gerechtigkeit, die Gott giebt, 
was nur möglich wäre, wenn das πεφανέρωται aus V.21 aufgenommen 
wäre, und durch den Abschluss der Exposition (eis ro εἶναι αὐτόν 
V. 26) ausgeschlossen wird. Auch hier hat man bald völlig wortwidrig 
an die Wahrhaftigkeit (Ambros., Beza, Böhme), oder Güte (Theodoret., 
Grot., Koppe, Reiche), oder Heiligkeit (Frtzsch., Reithm., Neand.) 
Gottes gedacht; oder den Begriff umgebogen in den des folgerechten 
Verfahrens Gottes zum Heil der Gläubigen (Ritschl), der gerecht- 
machenden Gerechtigkeit (Chrye. u. M., vgl. Krehl, B.-Crus. und 
selbst Luth.) oder des Sichgleichbleibens Gottes in seinem Verhalten, 
ou Wesen oder dem von ihm gesetzten Verhältnisse zum Menschen 
(Hofm.). 


Röm 835. 169 


unsere Stelle sicher nicht ergiebt. Die richterliche Gerechtig- 
keit Gottes fordert nur, dass die Sünde entweder bestraft 
oder in zureichender Weise gesühnt werde (vgl. Böhmer, 
Goeb., Lips); und wenn der Richter selbst das Mittel be- 
stimmt, wodurch diese Sühne vollzogen werden soll, so ver- 
steht es sich von selbst, dass durch dieses Sühnmittel der 
Gerechtigkeit genug getlıan ist, ohne dass darin eine An- 
deutung gegeben, warum es ihm beliebte, gerade dieses Mittel 
für die Sühnung der Sünde festzustellen*). Da nun ἔνδειξις 
ein Verbalsubstantiv ist, das nur den Begriff des ἐνδειχνύναι 
ausdrückt, so kann damit unmittelbar eine präpositionelle Be- 
stimmung verbunden werden, welche den Grund aufdeckt, um 
deswillen Gott eine Erweisung seiner Gerechtigkeit intendirte. 
Als solchen bezeichnet das dıa@ τὴν πάρεσιν die Vorbei- 
lassung der vorhergeschehenen Sünden (τῶν προγεγονότων 
ἀμαρτημάτων, wie Gen 3ls. Ex 2838, Jes ὅθι), d. ἢ. 
dass er die vorchristlichen Sünden ohne Bestrafung hatte hin- 
gehen lassen, wodurch der Schein entstehen konnte, als ob er 
seine richterliche Gerechtigkeit gegen die Sünde nicht ausübe. 
So ward die in Christo geschehene Versöhnung »die göttliche 
Theodicee für die vergangene Weltgeschichte« (Thol.), und 
jene zaeeoıs hört im Hinblick auf diese ἔνδειξις auf, ein 
Räthsel zu sein. Der Zorn Gottes, welcher gleichwohl in der 
vorchristlichen Zeit oft über Juden und Heiden ausgebrochen 
ist (vgl. lısff.), war keine adäquate, die Sünde aufwiegende 
Vergeltung und häufte die Sünde selbst (124ff.), so dass das 
Verhältniss Gottes zur vorchristlichen Sünde, so lange sie nicht 


*) Auch die Ansicht God.’s, der ebenfalls die Annahme eines 
äquivalenten Ersatzes für die von Gott erlassene Strafe bekämpft und 
annimmt, dass nur, wenn die Strafe der Sünde heilig erduldet und 
demüthig angenommen war von dem, der allein dies zu thun fähig 
war, die absolute Schuldhaftigkeit und die Unverletzlichkeit der gött- 
lichen Majestät gewahrt blieb, und darum Gott die Sünde vergeben 
konnte, indem er zugleich seine Gerechtigkeit offenbarte, trägt doch 
ganz fremde Gedanken ein und kommt über die unbiblische Voraus- 
setzung, dass Sühne nur durch Strafvollstreckung möglich sei, nicht 
hinaus. Die dieser Voraussetzung zu Grunde liegende Vorstellung, 
dass am Opferthier die von dem Sünder verwirkte Strafe vollzogen 
werde, ist schon darum unrichtig, weil es im AT für Todsünden 
eben keine Opfersühne gab, und diese überhaupt gar nicht die Absicht 
hatte, den Sünder straffrei zu machen, sondern ibn in die durch die 
Sünde verwirkte Heilsgemeinschaft Israels mit seinem Bundesgott 
wieder aufzunehmen. Selbst wenn also die Stelle auf die Bedeutung 
des alttestamentlichen Sühnopfers Bezug nähme, was zu bestreiten 
ist, würde sie nicht auf den Begriff der die Strafvollstreckung fordern- 
den Gerechtigkeit führen. Vgl. m. bibl. Theol. $ 80, c. Beck ver- 
bindet eis ἔνδειξεν ganz verkehrt mit διχαιούμενοι V. 24. 





170 Röm 826. 36. 


entweder durch adäquate Bestrafung oder durch ein ent- 
ur Sühnmittel getilgt war, im Ganzen immer als ein 

ebersehen erscheint*). — ἐν τῇ ἀνοχῇ τοῦ ϑεοῦ) gehört 
zu προγεγονότων und bezeichnet jene Sünden als zuvor be- 
angen unter der tragenden Geduld Gottes (vgl. 24). Natür- 
ch ist es nicht blosse Zeitangabe, sondern deutet an, wie in 
früherer Zeit Sünden auf Sünden gehäuft werden konnten, 
ohne dass das gerechte Gericht Gottes diesem Sündigen ein 
Ziel setzte, womit sich der Haupteinwand Meyer’s gegen diese 
Fassung erledigt. Die auffallende Wortstellung, für den 
Griechen durchaus nicht ungewöhnlich (vgl. Mt 25. II Pt 82), 
ist gewählt, um die Schwerfälligkeit des Ausdrucks τῶν ἐν τ. 
ἀνοχῇ τ. 3. zugoy. zu vermeiden **). — V. 26. πρὸς τὴν 
Eydeıdıy) nimmt mit leichtem Wechsel der Präposition (vgl. 
Kühner $ 450, a) das δὶς ἔνδειξιν V. 25 wieder auf, wobei 


Ὁ Vorausgesetzt ist hierbei, dass πάρεσες (8. aber Dionys. Hal. 
7.37. Phalar. epist. 114. Xen. de praef. eq. 7, 10, nur hier im A.u. 
NT; doch vgl. παριέναι JSir 28 53) sich von ἄφεσις unterscheidet (gegen 
Luther u. € vgl. wieder Mang. 324), wie der Strafunterlass als 
einstweilige Vorbeilassung (ὑπερεδών Act 1730, παρορᾶν Sap 11 38). die 
doch nur einen Aufschub der Strafe beabsichtigen kann, von der 
völligen Loslassung der Sünden (Eph 17. Kol 114), im Gegensatz zu 
ihrem Behalten (Joh 2023), wobei Schuld und Bestrafung für immer 
aufgehoben wird. Kontextwidrig denkt Bock zugleich an das unge- 
hemmte Hingehenlassen der Bünde (Act 1416). Die Erklärung: »dı« 
bezeichne hier das, wodurch sie die δικαιοσύνη zeigt« (Reiche 
nach Koppe u. Aelteren), ist unrichtig, weil gerade Paulus tiberall 
διά mit Ασουβ. u. Genit. scharf unterscheidet. Klosterm. p. 84 will 
die προγεγον. auaprnu, aus der durch verschuldete Vermögensver- 
schiebung in der Periode vor dem Jobeljahr entstandenen Unordnung, 
und Blbtr. p. 144ff. aus der Beziehung auf die vom letztverflossenen 
Versöhnungstage her begangenen Sünden, die nicht übersehen, sondern 
bereite durch Opfer gesühnt gewesen seien, erläutern. Die goyeyor. 
ἁμαρτ. aber sind natürlich die der gesammten vorchristlichen Welt 
(nicht bloss der Juden: Phil.), und nicht die der Einzelnen vor ihrer 
Bekehrung (Mehr. u. Aeltere); denn um die weltgeschichtliche Be- 
deutung des Leidens Christi handelt es sich hier. 

**) So Rück., Ew., v. Heng., Ritschl, Hofm., Luth., Goeb., 
Böhmer. Dagegen verknüpfen es de W., Thol., Meyer mit zageoır, 
in weichem Falle ee dann aber nicht: während hiesse (Volkm., Holst., 
God.), sondern: vermöge, auf Grund (Lips., Sand.). Allein diese Ver- 
bindung müsste, wenn intendirt, durchaus durch die Wiederholung 
des Art. rn») indizirt sein, und schlechthin ausgeschlossen wird sie 
durch das τοῦ ϑεοῦ, wofür es αὐτοῦ heissen müsste, .da bei der An- 
knüpfung an πάρεσιν Gott Bubjekt bleibt (»weil Gott vermöge seiner 
Nachsicht die vorherigen Sünden vorbeiliess«), und ein rhetorischer 
Grund zur Wiederholung nicht vorliegt. Otto verbindet ἐν τῇ avogj 
und alles Folgende mit διχαιούμενοι: gerechtfertigt zufolge der Zö- 
gerung Gottes mit dem Erweise seiner Gerechtigkeit erst jetzt! 


Röm 8596. 171 


der Artikel auf die bereits erwähnte Erweisung zurückweist. 
Es geschieht dies aber, um die Erweisung seiner Gerechtigkeit, 
behufs welcher er Jesum als Sühnopfer proponirte, als eine 
solche zu charakterisiren, die ἐν τῷ νῦν χαιρῷ (vgl. IlKor 
813) stattfinden sollte. Eben weil die Gegenwart die Heilszeit 
ist oder die Zeit der Gnade im Gegensatz zu der vorchrist- 
lichen Zeit, wo die Sünde herrschte unter der göttlichen Ge- 
duld, konnte diese Erweisung seiner Gerechtigkeit sich nicht 
vollziehen durch ein Strafgericht, das die ganze sündhafte 
Menschheit dahingerafft hätte, sondern nur durch Aufstellung 
eines Sühnmittels. Darum wird endlich noch darauf hinge- 
wiesen, dass es der letzte Endzweck jener für die Heilsgegen- 
wart intendirten Erweisung seiner Gerechtigkeit war, mit der- 
selben das gnadenreiche δεχαιοῦν V. 24 zu verbinden. So 
kehrt das sis τὸ εἶναι αὐτόν am Schlusse zu dem Aus- 
gangspunkt der Erörterung zurück*). Diese und keine andere 
Art der Erweisung seiner Gerechtigkeit musste Gott wählen, 
um einerseits gerecht zu sein (dixa:ov), d. ἢ. nicht länger 
die Sünde ungestraft oder ungesühnt hingehen zu lassen, als 
ob es keine richterliche Gerechtigkeit gäbe, und andrerseits 
gerecht sprechend (δεκαεοῦντα). Er wäre wohl gerecht ge- 
wesen, wenn er schliesslich sein Zorngericht über die Sünde 
ergehen liess, aber dann wäre es eben nie und nirgends zu 
einem δικαιοῦν gekommen, da alle gesündigt haben (V. 23). 
Wollte er also gegenüber dieser Thatsache der allgemeinen 
Sündhaftigkeit doch zugleich gerechtsprechen, so durfte er 
seine Grerechtigkeit nicht erweisen durch Verhängung des 
schliesslichen Darmsenichts über Alle, sondern er musste ein 


*) Nur die Fassung des πρὸς τὴν ἔνδειξιν als Wiederaufnahme 
des εἰς ἔνδειξιν, die durch die Wiederholung des gleichen Wortes und 
den rückweisenden Artikel ausdrücklich indizirt ist, ergiebt ein in 
sich klares Satzgefüge, während es sonst an jeder Andeutung fehlt, 
ob man das πρός mit ἀνοχῆ (B.-Crus., vgl. Hofm., Bilbtr. p. 147, 
Goeb., Otto, Sand., nach welchem πρός den näheren, εἰς den ent- 
fernteren Zweck bezeichnen soll) oder mit πάρεσεν (Beza, Rück., Luth.) 
oder gar mit ἔνδειξεν (Böhmer) verbinden soll, was doch durch Ein- 
schaltung eines Artikels so leicht klarzustellen gewesen wäre. Da- 
gegen schliesst sich ἐν τῷ νῦν χαιρῷ wie διὰ τὴν πάρεσιν V. 25 ganz 
leicht an den in τὴν ἔνδειξιν liegenden Verbalbegriff und ebenso das 
eis ro εἶναι, das nicht etwa Epexegese des eis ἔνϑειξιν ist (80 gew., 
vgl. nnch Beck, Goeb.), weil das eva hier so wenig wie irgendwo 
(vgl. zu 34. 19) logice genommen werden darf (de W., Phil.), geschweige 
denn dass εἶναι δέχαεον dem εἰς ἔνδειξιν und διχαιοῦντα dem πρός τὴν 
ἔνδειξιν entspräche (Hofm., der hierin die vollzogene, wie in εἰς ἔνδ, 
die intendirte ἔνδειξις sieht). Das αὐτός ist das einfache Pronomen 
der dritten Person, nicht ipse, oder gar: er allein (Luther). 





170 Röm 826. 36. 


entweder durch adäquate Bestrafung oder durch ein ent- 
mus Sühnmittel getilgt war, im Ganzen immer als ein 

ebersehen erscheint*). — ἐν τῇ ἀνοχῇ τοῦ ϑεοῦ) gehört 
zu σερογεγονύτων und bezeichnet jene Sünden als zuvor be- 
angen unter, der tragenden Geduld Gottes (νεῖ. 24). Natür- 
ch ist es nicht blosse Zeitangabe, sondern deutet an, wie in 
früherer Zeit Sünden auf Sünden gehäuft werden konnten, 
ohne dass das gerechte Gericht Gottes diesem Sündigen ein 
Ziel setzte, womit sich der Haupteinwand Meyer’s gegen diese 
Fassung erledig. Die auffallende Wortstellung, für den 
Griechen durchaus nicht ungewöhnlich (vgl. Mt 25%. II Pt 33), 
ist gewählt, um die Schwerfälligkeit des Ausdrucks τῶν ἐν τ. 
ἀνοχῇ τ. 3. περογ. zu vermeiden *). — V. 26. πρὸς τὴν 
ἔνδειξιν) nimmt mit leichtem Wechsel der Präposition (vgl. 
Kühner $ 450, a) das εἰς ἔνδειξιν V. 25 wieder auf, wobei 


5) Vorausgesetzt ist hierbei, dass πάρεσες (s. aber Dionys. Hal. 
7.37. Phalar. epist. 114. Xen. de praef. eq. 7, 10, nur hier im A.u. 
. NT; doch vgl. παρεέναε JSir 283) sich von ἄφεσις unterscheidet (gegen 

Luther u. =. vgl. wieder Mang. 824), wie der Strafunterlass als 
einstweilige Vorbeilassung (ὑπεριϑών Act 1780, παρορᾶν Sap 11 32), die 
doch nur einen Aufschub der Strafe beabsichtigen kann, von der 
völligen Loslassung der Sünden (Eph 17. Kol 114}, im Gegensatz zu 
ihrem Behalten (Joh 2028), wobei Schuld und Bestrafung für immer 
aufgehoben wird. Kontextwidrig denkt Beck zugleich an das unge- 
hemmte Hingehenlassen der Bünde (Act 1416). Die Erklärung: »dı« 
bezeichne hier das, wodurch sie die δικαιοσύνη zeigte (Beiche 
nach Koppe u. Aelteren), ist unrichtig, weil gerade Paulus tiberall 
διά mit Accus. u. Genit. scharf unterscheidet. Klosterm. Ὁ. 84 will 
die προγεγον. ἁμαρτήμ. aus der durch verschuldete Vermögensver- 
schiebung in der Periode vor dem Jobeljahr entstandenen Unordnung, 
und Bibtr. p. 144 ff. aus der Beziehung auf die vom letztverflossenen 
Versöhnungstage her begangenen Sünden, die nicht übersehen, sondern 
bereits durch Opfer gesühnt gewesen seien, erläutern. Die #goyeyor. 
ἁἅμαρτ. aber sind natürlich die der gesammten vorchristlichen Welt 
(nicht bloss der Juden: Phil.) und nicht die der Einzelnen vor ihrer 
Bekehrung (Mehr. u. Aeltere); denn um die weltgeschichtliche Be- 
deutung des Leidens Christi handelt es sich hier. 

**) So Rück., Ew., v. Heng., Ritschl, Hofm., Luth., Goeb., 
Böhmer. Dagegen verknüpfen es de W., Thol., Meyer mit zageosr, 
in welchem Falle es dann aber nicht: während hiesse (Volkm., Holst., 
God.), sondern: vermöge, auf Grund (Lips., Sand.). Allein diese Ver- 
bindung müsste, wenn intendirt, durchaus durch die Wiederholung 
des Art. (τὴν) indizirt sein, und schlechthin ausgeschlossen wird sie 
durch das τοῦ ϑεοῦ, wofür es αὐτοῦ heissen müsste, .da bei der An- 
Kufpiung an πάρεσιν Gott Bubjekt bleibt (»weil Gott vermöge seiner 
Nachsicht die vorherigen Sünden vorbeiliess«), und ein rhetorischer 
Grund zur Wiederholung nicht vorliegt. Otto verbindet ἐν τῇ ἀνοχῇ 
und alles Folgende mit διχαιούμενοι: gerechtfertigt zufolge der Zö- 
gerung Gottes mit dem Erweise seiner Gerechtigkeit erst Jetzt! 


Röm 338. 171 


der Artikel auf die bereits erwähnte Erweisung zurückweist. 
Es geschieht dies aber, um die Erweisung seiner Gerechtigkeit, 
behufs welcher er Jesum als Sühnopfer proponirte, als eine 
solche zu charakterisiren, die ἐν τῷ νῦν χαιρῷ (vgl. IlKor 
818) stattfinden sollte. Eben weil die Gegenwart die Heilszeit 
ist oder die Zeit der Gnade im Gegensatz zu der vorchrist- 
lichen Zeit, wo die Sünde herrschte unter der göttlichen Gre- 
duld, konnte diese Erweisung seiner Gerechtigkeit sich nicht 
vollziehen durch ein Strafgericht, das die ganze sündhafte 
Menschheit dahingerafft hätte, sondern nur durch Aufstellung 
eines Sühnmittels. Darum wird endlich noch darauf hinge- 
wiesen, dass es der letzte Endzweck jener für die Heilsgegen- 
wart intendirten Erweisung seiner Gerechtigkeit war, mit der- 
selben das gnadenreiche διχαεοῦν V. 24 zu verbinden. So 
kehrt das sig τὸ εἶναι αὐτόν am Schlusse zu dem Aus- 
gangspunkt der Erörterung zurück*). Diese und keine andere 
Art der Erweisung seiner Gerechtigkeit musste Gott wählen, 
um einerseits gerecht zu sein (dixaıov), d. ἢ. nicht länger 
die Sünde ungestraft oder ungesühnt hingehen zu lassen, als 
ob es keine richterliche Gerechtigkeit gäbe, und andrerseits 
gerecht sprechend (δεχαεοῦντα). Er wäre wohl gerecht ge- 
wesen, wenn er schliesslich sein Zorngericht über die Sünde 
ergehen liess, aber dann wäre es eben nie und nirgends zu 
einem δικαιοῦν gekommen, da alle gesündigt haben (V. 23). 
Wollte er also gegenüber dieser Thatsache der allgemeinen 
Sündhaftigkeit doch zugleich gerechtsprechen, so durfte er 
seine (rerechtigkeit nicht erweisen durch Verhängung des 
schliesslichen Dorngerichts über Alle, sondern er musste ein 


no 


*) Nur die Fassung des πρὸς τὴν ἔνδειξιν als Wiederaufnahme 
des εἰς ἔνδειξιν, die durch die Wiederholung des gleichen Wortes und 
den rückweisenden Artikel ausdrücklich indizirt ist, ergiebt ein in 
sich klares Satzgeflige, während es sonst an jeder Andeutung fehlt, 
ob man das πρός mit ἀνοχῆ (B.-Crus., vgl. Hofm., Blbtr. p. 147, 
Goeb., Otto, Sand., nach welchem πρός den näheren, εἰς den ent- 
fernteren Zweck bezeichnen soll) oder mit πάρεσεν (Beza, Rück., Luth.) 
oder gar mit ἔνδειξιν (Böhmer) verbinden soll, was doch durch Ein- 
schaltung eines Artikels so leicht klarzustellen gewesen wäre. Da- 
gegen schliesst sich ἐν τῷ νῦν χαιρῷ wie διὰ τὴν πάρεσιν V. 25 ganz 
leicht an den in τὴν ἔνδειξιν liegenden Verbalbegriff und ebenso das 
εἷς τὸ εἶναι, das nicht etwa Epexegese des εἰς ἔνδειξιν ist (80 gew.. 
vgl. noch Beck, Goeb.), weil das εἶναε hier so wenig wie irgendwo 
(vgl. zu 34. 19) logice genommen werden darf (de W., Phil.), geschweige 
denn dass εἶναι δέχαιον dem εἰς ἔνδειξιν und διχαιοῦντα dem πρός τὴν 
ἔνδειξιν entspräche (Hofm., der hierin die vollzogene, wie in εἰς ἔνδ. 
die intendirte ἔνδειξις sieht). Das αὐτός ist das einfache Pronomen 
der dritten Person, nicht ipse, oder gar: er allein (Luther). 





172 Röm 3886. 27. 


Sühnmittel aufstellen, durch welches die Schuld bedeckt und 
ihm so ermöglicht wurde, unbeschadet seiner Gerechtigkeit, 
den Sünder gerecht zu sprechen. Aber nicht jeden wollte er 
erecht sprechen, freilich auch nicht den, der es ἐξ ἔργων ist 
ἵν . 27), weil er dann eben keinen hätte gerecht sprechen 
können, sondern, der angebrochenen Zeit der Gnade ent- 
sprechend, in welcher eine durch Glauben vermittelte Gottes- 
gerechtigkeit kundgemacht werden sollte (V. 22), τ ὸν ἐκ wi- 
στεως (vgl. zu οὐ ἐξ ἐριϑείας 28), d. ἢ. den, der seinem 
ganzen Wesen nach durch Glauben bestimmt ist, was er ist, 
auf Anlass Glaubens geworden, und zwar auf Anlass des auf 
Jesum sich gründenden Heilsvertrauens, weil er diesen ja 
eben als ein ἱλαστήριον διὰ τῆς πείστεως (V. 25) aufgestellt 
hatte, so dass auch Ines der Zusatz Ἰησοῦ vollkommen moti- 
virt ist *). 
V. 27£. ποῦ οὖν ἡ καύχησι ς) vgl. Jer 1218, Ez 161. 
IChr 29:5. TIKor 112. Der Apostel blickt gleichsam trium- 
hirend umher und fragt, wo (ποῦ, wie IKor 1». 155) nach 
em Gtesagten noch das menschliche Rühmen sich sehen lasse. 
Kann der Thatsache gegenüber, dass Gott allein es ist, der es 
ermöglicht hat, gerecht zu sprechen, und dies umsonst aus 
freier Gnade thut, noch irgend ein Selbstruhm aufkommen ? 
Die Antwort lautet: ἐξεχλείσϑη (nur noch Gal 417. Es ist 
ausgeschlossen; denn, wenn der Mensch in der Hauptsache, 
in der Frage seines Gerechtwerdens, gar nichts leisten kann, 
wessen will er sich dann überhaupt noch rühmen? Das 
Triumphirende, das in der Frage liegt, hat seinen Grund darin, 
dass es dem Apostel a priori feststeht, wie alles Rühmen des 
Menschen vor Gott etwas Irreligiöses ist (1 Kor 12. 81), und 
darum die Heilsordnung, welches alles Rühmen ausschliesst, 
das religiöse Bewusstsein allein allseitig befriedigt **). — dıa 


*) Es liegt also auch hier nicht der mindeste Grund vor, δέχαιος 
anders zu nehmen als von der richterlichen Gerechtigkeit, da es ja 
ausdrücklich von dem διχαιοῦντα unterschieden wird (gegen Luth. u. A. 
vgl. die Anm. p. 168). Denn völlig willkürlich ist es, mit Mat- 
tbias, Mebr., Klosterm. p. 100, Zimmer, Böhmer χαὶ διχαιοῦντα zu 
fassen: auch wenn er rechtfertigt, oder mit Sand.: und deshalb recht- 
fertigend. Beachte vielmehr, dass das justus et justificans, worin das 
summum paradoxon evangelicum gegenüber dem alttestamentlichen 
justus et condemnans liegt (nach Beng.), in τὸν ἐκ πέστεως seine 
Lösung findet. Um so ungeschickter ist hier die katholische Erklärung 
(8. bes. Reithm.) von der inhärenten Gerechtigkeit. Ganz willkürlich 
hat Meyer (vgl. auch Hofm.) bloss nach FG das ınoov gestrichen, da 
nach V. 22 höchstens ıncov χριστου hinzugefügt sein könnte. Auch 
hier denkt Haussleiter (vgl. zu V. 22) an den Glauben Jesu. 

"ἢ Gewöhnlich nimmt man an, dass durch diese Folgerung alle 


Röm 3er. 178 


σεοίου νόμου;) sc. ἐξεκλείσϑη. Die Frage setzt voraus, dass 
im Vorigen von einem Gesetz, d. h. einer von Gott bestimmten, 
seinen Willen ausdrückenden Ordnung die Rede gewesen ist, 
nach welcher fortan die Rechtfertigung des Menschen erfolgt. 
Dieser Begriff bot sich dem Apostel von selbst dar, um unter 
ihn die neue und die alte Heilsordnung zu subsumiren. Es 
wird aber nicht die neue der alten in concreto gegenüber- 
gestellt, sondern es wird gefragt, wie die Heilsordnung be- 
schaffen sei (ποῖος, wie Mt 19ıs. 228), durch welche alles 
menschliche Rühmen ausgeschlossen sei, und die sich daher 
als die allein das religiöse Bewusstsein vollkommen befriedigende 
bewähre, um dann zu konstatiren, dass nur die neue eine 
solche ist. — τῶν ἔργων) sc. διὰ νόμου τ. ἔργ.; Ein Gesetz, 
welches Werke fordert, war das mosaische Gesetz, aber das- 
selbe ist hier nicht in concreto gemeint; denn jedes Gesetz, 
welches Werke fordert, ist ein solches, durch welches das 
menschliche Rühmen nicht ausgeschlossen ist, weil mit seiner 
Erfüllung sich immer solches Rühmen einstellen würde. — 
οὐχί, ἀλλὰ διὰ νόμου πίστεως) Ein Gesetz, welches 
Glauben verlangt, war die V. 21—26 dargelegte neue Heils- 
ordnung, da nach V. 22 (vgl. V. 26) die Gottesgerechtigkeit 
lediglich durch Glauben vermittelt war, wie die Wirkung des 
Sühnmittels, auf dem sie beruht, nach V.25. Hier tritt aber 
recht klar hervor, wie der Glaube nicht etwa nur quantitativ 
eine andere Leistung ist, als die früher geforderten ἔργα, 


jüdische Prahlerei (217ff. 81. 9) schlechthin ausgeschlossen werde 
(Bück., de W., Phil., v. Heng., Matthias, Meyer, Beck, Lips., Sand. 
nach Chrys., Theoph., Oecum.). Aber der Apostel denkt an das all- 
gemeine menschliche Rühmen (Frtzsch., Krehl, Mang. b- 325, Luth.), 
das sich immer wieder geltend machen will, wo es sich um das Ge- 
rechtwerden vor Gott handelt, da er ja die neue Gerechtigkeit aus- 
drücklich als eine für alle Menschen bestimmte dargestellt hat (V. 22). 
Ganz fern aber liegt die Abweisung einer christlichen χαύχησες, die 
Hofm., Blbtr. p. 149f. durch ihre künstliche Verbindung dieses Verses 
mit dem missdeuteten V. 9 (vgl. zu V. 21) gewinnen, man müsste 
denn mit Holst. an die χαύχησις der jüdischen Gläubigen denken, 
welche innerhalb der Glaubensgerechtigkeit wieder das Gesetz auf- 
richten wollen (vgl. Böhmer, der hier Polemik gegen den Jakobusbrief 
findet), was doch erst recht im Kontext nicht im Entferntesten ange- 
deutet ist, oder gar mit Klosterm. p. 100 das σοῦ nach χαύχησες (F'G) 
aufnehmen. Irrig meint God., dass durch V. 27—81 das μαρτυρουμένη 
ὑπὸ τοῦ νόμου erwiesen werde auf Grund von V.20, und Bibtr. p. 153 
findet hier gar den Sinn, dass für den Nichtchristen das Rühmen 
durch das verurtheilende Werkgesetz (V. 20), für den Christen durch 
das rechtfertigende Glaubensgesetz ausgeschlossen werde. Dass ἡ 
- καύχησις nicht metonymisch für den Gegenstand des Rühmens steht 
(Reiche), liegt auf der Hand. 


174 Röm 3.7. 38. 


sondern qualitativ etwas völlig Anderes als jede menschliche 
Leistung, das Verzichtleisten auf alles eigene Thun, Erwerben, 
Verdienen, das ausschliessliche Sichverlassen, Vertrauen auf 
die göttliche Gnade in Christo oder. auf Christum selbst. — 
Υ. 28. λογεζόμεϑα οὖν) In diesem censemus (23) liegt, wie 
II Kor 115, keinerlei Ungewissheit, vielmehr ein rg Ibst- 
efühl, sofern er überzeugt ist, dass jeder wahrhaft religiö 

Mensch so urtheilen müsse (vgl. schon Theod. Mopev.), wie er 
und seine Gesinnungsgenossen. Eben daraus, dass nur durch 
eine Heilsordnung, welche Glauben verlangt, alles menschliche 
Rühmen ausgeschlossen wird, wie es jedes wahrhaft religiöse 
Bewusstsein verlangt, folgert der Apostel, dass seines Er- 
achtens die Rechtfertigung des Menschen durch Glauben ver- 
mittelt sei ohne Gesetzeswerk. Dann aber ist die neue 
Heilsordnung, wie sie V. 21—26 darstellt, als die allein das 
religiöse Bewusstsein befriedigende dargethan ἢ. — dıraıov- 
σϑαι)ὃ wird durch diese Voranstellung betont (Th. Schott, 
Hofm, Bibtr. p. 150); denn um die Frage, wie der Mensch 
gerecht werde, handelt es sich in diesem ganzen Zusammen- 
hang, und um die Anwendung der vorigen Erörterung auf 


*, Hier wird also vollends klar, dass die Tendenz des Abschnitts 
keine Polemik gegen Juden oder Judenchristen ist, denen ja gar nichts 
daran lag, das Rühmen auszuschliessen, dass der Apostel vielmehr 
diese neue Heilsordnung vor dem religiösen Bewusstsein als solchem 
rechtfertigen will. Es ist doch kaum verständlich, wie Hilg. (a. ἃ. 0. 
356, 4 p. 394f.) dagegen behaupten kann, auch die Judenchristen hätten 
ein Rühmen, aus eigener Kraft durch Gesetzeswerke das Heil zu ver- 
dienen, gemissbilligt. Gewiss haben auch sie gemeint, »der Ergänzung 
ihrer Gesetzesgerechtigkeit durch den Glauben zu bedürfen« (richtiger 
freilich : der Ergänzung ihres Glaubens durch Gesetzeserfüllung), aber 
wie sollten sie sich denn »des Gesetzes als des Hauptvorzuges der 
Juden« gerühmt haben, obne sich seiner Erfüllung zu rühmen. Aber 
wessen sie sich auch rühmten, hier setzt doch der Apostel voraus, 
dass man das Rühmen als solches für verwerflich hält. Das ουν 
der Rcpt. (BCKLP. syr. Treg. u. Κη. a. R.) ist schon als schwierigere 
Lesart dem γαρ (Lehm., Tisch.) vorzuzieben. Offenbar übersah man 
die Voraussetzung, unter welcher die Folgerung in V.28 gezogen wird, 
und nahm darum an dem οὐ», in dem noch de W. eine Folgerung 
aus V. 21—26 (über den schon folgernden V. 27 hinweg) sucht, An- 
atoss. So entstand zur Erleichterung das von den meisten Auslegern 
fälschlich vorgezogene γάρ, das nur begründen könnte, dass im Vorigen 
ein νόμος πέστεως aufgestellt war. Allein das erlaubt weder das Aoyı- 
ζόμεϑα, da im Vorigen keine Ansicht des Apostels vorgetragen, sondern 
eine Thatsache bezeugt war, noch die Wortstellung, da dann noth- 
wendig πέστεε betont voranstehen müsste, wie gegen entscheidende 
Zeugen in der Rept. (KLP). Mit Recht haben Volkm., Holst., Beck, 
Zimmer das ov» vorgezogen, auch Klosterm. p. 102f., der aber irriger 
Weise dann für nothwendig hält, mit ΚΡ λογιζώμεθα zu lesen. 


Röm 8.28. 29. 118 


diese Frage zu machen, folgert Paulus, dass thatsächlich ein 
Mensch nur gerechtfertigt werde auf dem Wege, welcher V. 27 
als der allein alle καύχησις ausschliessende dargethan war. — 
zriorsı) Der Dativ ist Beichnunz der vermittelnden Ursache, 
Br gleich dıa πέστεως V. 22, und hat zu seinem Korrelat 

χωρὶς ἔργων νόμου, ἃ. h. ohne dass Gesetzeswerke 
(V. 20) dabei mitwirken, welche vielmehr ausser allem Zu- 
sammenhang damit bleiben. Vgl. V. 21*). 

V. 297, ἢ) wie 24: oder, falls einer den Vorzug der 
neuen reale Maler en aus dem V. 27f. n noch 
nicht erkennen wollte. Damit leitet der Apostel über, 
von einer neuen Seite zu zeigen, wie eine Bechtferti 
mittelst Glaubens allein das religiöse Bewusstsein befriedi 
sofern nur sie der Einheit Gottes entspricht, wie nach V. 27 
der unbedingten Abhängigkeit des Menschen, die alles Rühmen 
ausschliesst (vgl. Zimmer) ἢ). Er beginnt seinen Beweis wieder 


*) Vergeblich sträubt man sich anzuerkennen, dass durch die 
Wortstellung das διχαιοῦσϑαι und nicht πέστεε betont wird (vgl. noch 
Luth.); denn wenn Meyer sagt, Paulus habe das Aoy. dıx. zusammen- ὁ 
gedacht und dann erst das accentuirte Wort gesetzt, so übersieht er, 
dass jene Worte gerade durch γάρ getrennt sind. Zu dem ganz all- 
gemeinen ἄγϑρωπος (unser: man) vgl. 1 Kor 4ı. 71. Der Gedanke 
an die Allgemeingäültigkeit dieser Glaubensnorm, die Holst. durch die 
Umschreibung »wer Mensch ist« (vgl. God.) einmischt, liegt hier noch 
fern. Das von Luth. zugesetzte »allein«, einst ein Zankapfel zwischen 
Katholiken und Luiheranern (s. die Schriften Ὁ. Wolf), gehörte nicht 
in die Uebersetzung als solche, rechtfertigt sich aber in der Erklärung 
durch den Kontext, welcher dilemmatisch »alle Werke rein ab- 
schneidet« (Luther), und durch den Zusammenhang des Paulinischen 
Lehrbegriffe tiberhaupt, welcher auch die fides formata ausschliesst. 
5. Form. Conc. p. 585f. 691. Beck erklärt den Zusatz wieder für 
missverständlich. 

44) Es zeigt sich hier aufs Neue, dass trotz der lebhaften 
dialektischen Form an eine Polemik gegen Juden (so gew.) oder 
Judenchristen (vgl. Volkm., Holst.) gar nicht zu denken ist; denn 
es ist durchaus nieht abzusehen, welche Beweiskraft für das jüdi- 
sche Bewusstsein als solches in dieser Beweisführung liegen 
soll. Mit Recht bemerkt Hofm., Gott würde sich auch dann 
ale der Heidengott erweisen, wenn er sie Juden werden hiesse (durch 
Annahme des Gesetzes und der Beschneidung), um des Heils der 
Juden theilbaftig zu werden. Lips. findet hier die Grundlehre des 
Judenthums von der Einheit Gottes, aus welcher folgen soll, dass 
dieselbe väterliche Gnade Heiden und Juden umfasst. Wie fern aber 
dem Juden an sich die ganze Voraussetzung. von der aus er - 
mentirt, dass Gott in demselben Sinne der Gott der Heiden wie der 
Juden ist, liegt, dafür verweist Meyer mit Recht auf den entarteten 
theokratischen Partikularismus des Judenthums (s. z. Mt 89 u. Ὁ. 
Eisenmeng., entd. Judenth. I, p. 587f.). Gerade nur vor einer wesent- 
lich heidenchristlichen Gemeinde kann Paulus diese Vorstellung von 





176 Röm 38. 30. 


mit einer Frage, deren Verneinung für ihn und die Leser 
selbstverständlich ist. Das Ιουδαίων ὃ ϑεὸς μόνον ist durch 
ϑεός ἐστιν zu ergänzen: Ist Gott nur der Juden Gott? Er 
sichert die Verneinung dieser Frage dadurch, dass er in einer 
zweiten Frage, die on der Form nach bejaht werden muss 
(οὐχὲ καὶ ἐϑνῶν!), darauf hinweist, wie das, was sich ergiebt, 
wenn Gott allein der Juden Gott ist, schlechterdings ausge- 
schlossen ist. Ist Gott nicht auch der Heiden Gott? Diese 
Frage beantwortet er ausdrücklich bejahend (να ἐ, καὶ 2EIvwr); 
denn dass Gott in gleichem Sinne der Heiden wie der Juden 
Gott ist, steht dem Apostel nach seiner universalistischen An- 
schauung ebenso a priori fest, wie die Verwerflichkeit alles 
Selbstruhms (V. 27) δ — V. 30 ist nur durch ein Komma 
vom Vorigen zu trennen. — £rzsiszee) nur hier im NT: all- 
dieweil, etwas Unzweifelhaftes einführend, s. Herm. ad Viger. 

. 786. Aus der Thatsache, dass Gott nur Einer ist, dass es 

eine Mehrheit von Göttern in Wahrheit giebt (I Kor 8 ıff.), 
folgt, dass er nicht bloss Juden-, sondern auch Heidengott ist; 
denn sonst müsste ja über die Heiden noch ein besonderer 
anderer Gott walten, was den Monotheismus aufhöbe. Das 
εἷς ist nachdrücklich vorantretendes Prädikat, nicht Subj. 
(Lips). — 05) welcher als solcher, als ein Einiger, nur auf 
Eine Weise die Rechtfertigung vollziehen kann. Hiernach ist 
das dıxaı wosı offenbar das Futurum der Schlussfolge (Lips.). 
Was bei ihm immer wieder eintreten wird, ist ja das aus 
seiner Einheit sich Ergebende. Das ist aber, dass er solche, 
die beschnitten sind (bem. das artikellose rregıeroun»), recht- 
fertigen wird auf Anlass Glaubens (ἐκ πίστεως, wie V. 26). 
Wollte er nämlich die Juden auf Anlass der Erfüllung des 
der Einheit Gottes, wie die von der Verwerflichkeit jeder menschlichen 
χαύχησις (V. 27£.), als eine zugestandene Voraussetzung behandeln 
(vgl. Bibtr. p. 154). Hilg. freilich, auch hier die dialektische Weise 
des Apostels gründlich verkennend, behauptet, nur an engherzige Juden- 
christen könne doch Paulus die Frage richten, ob Gott nur der Juden 
Gott sei, übersieht aber ganz, dass der Nerv seiner Argumentation 
auf der zweiffellosen Verneinung dieser Frage ruht, die eben für jene 
nicht zweifellos ist. 

Ὁ Frtzsech., de W.. Meyer, Volkm., Beck, Zimmer, Böhmer wollen 
nur die Copula ergänzen im Sinne des εἶναί rıvos: einem angehören. 
Aber von einer Angehörigkeit im Sinne von 18 kann hier nicht die 
Rede sein, da sie keineswegs eine an sich gegebene ist. Das Richtige 
haben nach den Aelteren schon Hofm., Morison, Holst., Luth., Goeb. 
In welchem Sinne der Apostel diese Frage aufwirft und die Einheit 
Gottes als feststehende Voraussetzung geltend macht, erhellt erst aus 
dem Folgenden. Das uorwv (B. WH.a.R.) ist der mechanischen Kon- 
formation nach den vorstehenden Genitiven verdächtig, das de nach 
ovys (Rept. nach LP) jedenfalls zu streichen. 


Röm 8.30. 177 


ihnen gegebenen Gesetzes rechtfertigen, so müsste er ja für 
die Heiden einen anderen Weg zur Rechtfertigung suchen, da 
die Juden allein eben als beschnittene auf jenes Gesetz ver- 
pflichtet sind (Gal 88), die Heiden also, die als Unbeschnittene 
(axgoßvoria, vgl. 2») dazu nicht verpflichtet sind, auch 
nicht auf Anlass seiner Erfüllung gerecht erklärt werden können. 
Dann bleibt aber nach Paulinischer Anschauung nur möglich, 
dass sie ἐκ πέστεως gerechtfertigt werden. Auch diese Be- . 
weisführung beruht freilich auf der Voraussetzung, dass (ott 
den Heiden als Heiden das Heil zugedacht hat und dass sie 
nicht etwa vorher erst Juden werden müssen, welche nur in 
einer heidenchristlich-Paulinischen Gemeinde als selbstver- 
ständlich vorausgesetzt werden konnte, da ja das jüdische 
Bewusstsein auch einen einheitlichen Weg der Heilserlangung 
voraussetzte, der aber von den Heiden freilich nur beschritten 
werden konnte, indem sie die nme und das Gesetz 
annahmen, d. h. zuvor Juden wurden. Nun aber konnte Gott 
solche, die Vorhaut haben, auf dem gleichen Wege rechtfertigen, 
nämlich mittelst (dıa, wie V. 23. 25) eben des Glaubens, auf 
Anlass dessen er Beschnittene rechtfertigt, wie ausdrücklich 
der rückweisende Artikel in τῆς πίστεως sagt ἢ. 


—_—— 


*) Allerdings lesen Lehm., Tisch., Treg., WH., nach NABC εἐπερ: 
wenn anders wirklich, wodurch in noch feinerer Weise die Voraus- 
setzung hypothetisch eingeführt wird, nicht um sie zweifelhaft zu 
machen, sondern um gerade an der Zweifellosigkeit der Hy 
thesis die Zweifellosigkeit der Thesis zu bewähren. Aber das im NT 
ganz ungebräuchliche ereınee stammt schwerlich aus Emendation, und 
es können leicht die beiden Anfangsbuchstaben durch einen alten 
Schreibfehler abgefallen sein. Das Fut. steht weder für das Präsens 
(Grot. u. V.), noch kann es sich auf das Weltgericht beziehen (Frtzsch. 
nach Beza), da die Rechtfertigung nach Paulinischer Anschauung un- 
mittelbar auf Anlass des Glaubens erfolgt (51). Es ist aber gekün- 
stelt, es auf jeden einzelnen Fall der eintretenden Rechtfertigung zu 
beziehen (Meyer, Phil., God., Beck), da, was in jedem einzelnen Falle 
eintritt, eben mit logischer Nothwendigkeit eintreten wird. Vgl. Rück., 
Mehr., Hofm., Otto, Luth., Goeb. u. A. Da Paulus das dx πέστεως 
eben ganz allgemein gebraucht (V.26) and dies auch sonst thut (δ1), 
selbst wo ausdrücklich von Heiden die Rede ist (9%. Gal 38), sind 
alle Versuche, eine Absicht darin zu suchen, dass er von der περιτομή 
das 2x π., von der axpoßvori« das διά aussagt, unzulässig. Schon 
Calv. meinte, es liege eine Ironie darin: »si a. vult habere diffe- 
rentiam gentilis a Judaeo, hanc habeat, quod ille per fidem, hic vero 
ex fide justitiam eonsequitur«. Anders Orig., Theod. Mopsv., Wttst., 
Beng.: >Judaei pridem in fide fuerant; gentiles fidem ab illis recens 
nactı erant«. Aehnlich Matthias (vgl. auch Bisping): bei Beschnitte- 
nen erscheine der Glaube als Grund, bei Unbeschnittenen als Mittel 
der Rechtfertigung; 2x πέστ. besage: weil sie glauben, διὰ τ. πίέστ.: 
wenn sie glauben. Umgekehrt ist nach Hofm. bei den Juden Glaube 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 12 


178 Röm 3sı. 


In Anknüpfung an V. 21, wo die Gottesgerechtigkeit als 
eine vom Gesetz und den Propheten bezeugte bezeichnet war, 
eht Paulus nun im zweiten Abschnitt des zweiten 
aupttheils (8 81--- 425) dazu über, zu zeigen, wie dieselbe 
bereits in der Geschichte Abrahams vorgebildet sei, und 
zu dieser Erörterung, bildet V. 31 offenbar den Ueber- 
δὴ ἢ. — νόμον οὔν ταξαῤχου μεν διὰ τῆς πίστεβωςὴ 
Diese Frage fassen Meyer, de. W., Lips, Sand. so, als ob 
Paulus aus seiner eben behandelten Lehre von der Rechtterti- 
ng den möglichen Einwurf und Vorwurf ableite, dass das 
Gesetz, sofern es Werke gebietet, durch den Glauben abgethan, 
ausser Kraft und Gültigkeit gesetzt werde (vgl. 88), weil er 
den Glauben als die Bedingung der Rechtfertigung geltend 
mache. Allein dass seine Lehre von der Rechtfertigung durch 
Glauben das Mosaische Gesetz, sofern es Mittel zur Erlangung 
der Gerechtigkeit war, beseitige, konnte Paulus nicht leugnen 
(vgl. 104. IlKor 3:); und doch thut er das im Folgenden 
schlechthin, und behauptet keineswegs bloss, dass diese Ab- 
schaffung mit der Aufrichtung desselben in anderer Beziehung 


die vorausgehende Bedingung (im Gegensatz zu ihrem Gerechtwerden- 
wollen in Folge gesetzlichen Thuns), bei den Heiden der zum Zwecke 
der Rechtfertigung vorhandene Glaube (deshalb mit Art.) das Mittel, 
durch welches Gott, der es wirkt, zur Gerechtigkeit verhilft, wobei er 
sogar das διχαιοῦν bei beiden in etwas verschiedenem Sinne zu nehmen 
scheint. Aehnlich God., Beck, Bibtr. p. 157, Luth., Otto. Vgl. auch 
Sanday (the Jew is justified 2x πέστεως διὰ περιτομῆς, the Gentile ἐχ 
πέστεως χαὶ διὰ πίστεως) Aber Paulus liebt Abwechselung der Prä- 
positionen zur Darstellung des nämlichen Verhältnisses (vgl. das eis 
und πρός V. 251). Vgl. Lips. Dagegen leugnet Meyer mit Unrecht 
die Bedeutung des rückweisenden Artikels. 

*, Man hätte also immerhin besser mit V. 31 das neue Kapitel 
beginnen sollen, da dieser Vers bereits das Thema der folgenden Er- 
örterung ausspricht. Die hergebrachte Auslegung findet hier freilich 
die vorläufige Ablehnung eines Vorwurfs, die Paulus erst Kap. 6 oder 
8 näher ausführt (August., Beza, Melanth., Calv., Beng., Rück., Phil., 
v.Heng., Mehr., Luth.), oder fasst wenigstens Kap. 4 als Entgegnung 
auf eine Einrede, die durch V. 31 hervorgerufen sein könnte (Hofm.). 
Allein je enger die Beziehung ist, in welcher die Erörterung des 
Kap. 4 nicht nur zu V. 31, sondern insbesondere auch zu V. 27—30 
sche um so gewisser kann Kap. 4 nur die prämeditirte Fortsetzung 
der Kap. 32ı—3% begonnenen Erörterung sein, und deshalb V.31 nicht 
die Absicht gehabt haben, zu einem ganz anderen Gegenstande über- 
zuleiten. Das Richtige haben schon Frtzsch., de W., Mang., Grafe 

. 73, Goeb., Zimmer, Lips., Sand. Andererseits findet man Bier viel- 
κω den Abschluss der Erörterung in V.27—30 (Holst. ἃ. ἃ. Ο. p. 127, 
God., Beck), indem man im Glauben das hier aufgerichtete Gesct 
siebt (Baur, Th. Schott, Blbtr. p. 161). — Statt der Form ἐστῶμεν 
von ioraw (8. Win. ἃὶ 14, 1f.), welche die Rcpt. nach EKLP hat, ist 
nach entscheidenden Zeugen foravousv aufzunehmen. 


Röm 881. 179 


wohl vereinbar sei (Meyer. \Wenn dagegen seit Augustin. die 
Ausleger, welche den Apostel die Behauptung dieses Verses 
erst in Kap. 6ff. ausführen lassen (s. d. vor. Anm.), hier die 
Folgerung fanden, dass Paulus die verbindliche Kraft des im 
Mosaischen Gesetz offenbarten göttlichen Willens aufhebe, so 
konnte das aus seiner Rechtfertigungslehre vernünftiger Weise 
in diesem Zusammenhang wenigstens nicht gefolgert werden. 
da ja Paulus die Rechtfertigung aus Gesetzeswerken nicht ver- 
worfen hatte, weil diese nicht gefordert würden, sondern weil 
sie nicht vorhanden seien (V. 19f. 25). Es könnte also nur 
von der Thora als der schlechtbin gültigen Autorität in Re- 
ligionssachen die Rede sein, also von dem Gesetzbuch als solchem 
(Volkm., Sand.), oder von der Schrift AT’s überhaupt (Goeb,, 
Zimmer, Lips.), die ausser den für temporäre Zwecke geord- 
neten Mosaischen Gesetzesinstitut (8 2. Gal 315. II Kor 3ı), 
ja vor demselben in der Geschichte Abrahams gerade dieselbe 

eilsordnung aufstellt, die Paulus geltend macht, und deren 
Autorität er also keineswegs vernichtet (vgl. Mang., Grafe 
. 74f£). Allein das artikellose νόμος kann so wenig die 
Schrift AT’s, wie das Mosaische Gesetz in concreto bezeichnen. 
Ueberall, wo wir das artikellose νόμος schlechthin gebraucht 
fanden, bezeichnete es eine gottgesetzte Ordnung (wie sie zu- 
nächst allerdings im AT durch das Mosaische Gesetz gegeben 
war); und von einer solchen war ja auch V. 27 die Rede, 
nämlich von der göttlichen Ordnung, nach welcher die Recht- 
fertigung erfolgt. Dass er eine solche Gottesordnung mit seiner 
Glaubenslehre aufhebe, konnte Paulus schlechthin verneinen 
mit seinem un γένοιτο (34.6); denn die (temporäre) gesetz- 
liche Ordnung der Rechtfertigung sah er nach ihrer ursprüng- 
lichen göttlichen Bestimmung gar nicht als für die jetzt ange- 
brochene Heilszeit gegeben an; und die für diese Zeit be- 
stimmte Gottesordnung (hinsichtlich der Rechtfertigung) fand 
er eben in derselben Thora*).. Er kann daher mit vollem 


*) Das Fehlen des Art. haben schon Baur, v. Heng., Th. Schott, 
Hofm., Holst., Beck, Klosterm. p. 127, Luth., Otto u. A. mit Recht 
hervorgehoben. Aber wenn Hofm., Klosterm. p. 127, Luth. nun an 
die Abschaffung jeder gesetzlichen Ordnung denken, welche einen Zu- 
stand der Gesotzlosigkeit herbeiführe, so steht dem entgegen, dass 
dies doch durch πάντα νόμον ausgedrückt sein müsste, und dass eine 
solche erst recht nicht aus V. 27 gefolgert werden konnte; und denkt 
man mit Holst. im Sinne der Judenchristen an die Aufhebung jeder 
objektiven allgemein gültigen Ordnung, so war doch eben eine solche 
V.30 direkt aufgestellt. Wie νόμος gar den Monotheismus als Prinzip 
ddes Mosaischen Gesetzes bezeichnen soll (Otto), ist vollends nicht zu 
verstehen. Gerade durch den artikellosen Gebrauch des Wortes ver- 


12* 


180 KRöm 881. 


Rechte behaupten, dass er durch seine Lehre von der Glaubens- 
gerechtigkeit eine Gottesordnung feststelle (νόμον ioravoue», 
vgl. IMak 14». 27. JSir 44:0), sofern er die in der Ge- 
schichte Abrahams vorbildlich festgestellte Ordnung einer 
Rechtfertigung allein durch den Glauben zur Geltung bringt 
und macht, s sie in voller Kraft und Gültigkeit dasteht. 
Mit dieser Erklärung aber leitet er zu dem bereits V. 21 an- 
ar dem Grundgedanken des Römerbriefs entsprechen- 
en Nachweis über, wie die von ihm V. 22—26 bezeugte und 
V.27—30 als die allein das religiöse Bewusstsein befriedigende 
erwiesene neue Heilsordnung nichts dem AT Fremdes oder 
Widersprechendes, sondern bereits in ihm begründet sei. Ja, 
im Grunde wird auch hiermit nur nach einer neuen Seite ge- 
zeigt, wie diese neue Heilsordnung allein das religiöse Be- 
wusstsein, welches die Einheit der göttlichen Offenbarung im 
A und im NT verlangt und bei einem Widerspruch derselben 
nicht stehen bleiben könnte, voll befriedigt (vgl. Zimmer) *). 





mied Paulus absichtlich jede Doppelsinnigkeit und (wenigstens schein- 
bare) Zweideutigkeit in der Anwendun des Begriffs νόμος, die übrigens 
immer noch keine »Spiegelfechtereis (Meyer) und keine »Sophistik der 
Dialektik« (Holst.) gewesen wäre, wie sie sich die Vertreter der strei- 
tenden Auffassungen vorwerfen. 

*) Aus den falschen Auffassungen des νόμος ergeben sich die 
Erklärungen des foravousv, dass »aus dem Glauben der neue Gehor- 
saın hervorgeht, die Liebe sich entwickelt, welche das πλήρωμα νόμου 
1310 ist« (Phil., vgl. Rück., Krehl, Morison und in anderer Form Hofm., 
Beck, Luth., auch Sand., der dies mit der Beziehung von νόμον auf 
das Gesetzbuch zu verbinden scheint), wie Augustin., Luther, Calvr., 
Beza, Calov. u. M. annahmen (vgl. auch Apol. C. A. p. 83. 223); dass 
das Gesetz als pädagogisch zu Christo führend (Grot., Olsh.), oder als 
hinsichtlich seines Zweckes, welcher die Rechtfertigung seı, durch 
den Glauben erfüllt (Chrys., Oecum., Theophyl. u. M., vgl. noch Blbtr. 
B- 161) gedacht sei, welche alle in den Ausführungen des Kap. 4 nicht 

en geringsten Anhalt finden. Auch heisst foravouev nicht: bestätigen 
(so gew., nach Volkm.), aufstellen (Klosterm. p. 127), oder: stehenlassen 
(Matthias). Natürlich sieht Hilg. auch in der ganzen Ausführung 
über Abraham eine Apologie gegen solche, die Abrahanıs Gerechtig- 
keit auf seine Werke zurückführten und als seinen Samen nur die 
leibliche Nachkommenschaft oder die durch Beschneidung in dieselbe 
Aufgenommenen an seiner Verheissung thbeilnehmen liessen. Aber 
Alles, was er dafür anführt, war ja für Paulus durchaus nothwendig, 
um seine These durchzuführen, und abgesehen von dem Eingangsverse, 
in dem er eine Frage diskutirt, die ihm durchaus nicht erst von einem 
Gegner entgegengebracht werden durfte (vgl. die folgende Anm.), ent- 
hält das ganze Kapitel auch nicht die leiseste Beziehung auf eine 
gegentheilige Ansicht 


Röm 4ı. 181 


Kap. IV. 


V. 1-8. Die Rechtfertigung Abrahams. — Υ. 1. 
τί οὖν ἐροῦμεν εὑρηκέναι etc) Der Apostel folgert aus 
der Behauptung 3sı eine Frage, die unlösbar zu werden 
schien, wenn er mit seiner Lehre von der Rechtfertigung durch 
Glauben eine Gottesordnung festzustellen behauptete. Denn 
wenn nach dieser Gottesordnung, die dann auch bei Abraham 
Geltung haben musste, die Gerechtigkeit lediglich von Gott 
ertheilt und im Glauben angeeignet wird, was bleibt dann noch 
übrig, wovon man sagen kann, dass Abraham es auf natürlich- 
menschlichem Wege (durch Werke) erlangt habe? Dass der- 
selbe sich auf diesem Wege ausgezeichnet und hohen Ruhm 
erlangt habe, das stand ja nach der Schrift AT’s unzweifel- 
haft fest. Allerdings aber stellt Paulus die Frage nur, um in 
ihrer (wenn auch nur indirekten) Beantwortung auf die nähere 
Darlegung davon zu kommen, wie die Schrift gerade dieselbe 
Art der Rechtfertigung von Abraham aussagt, welche er 
Υ. 21—30 festgestellt hat*. Wohl nicht absichtslos erinnert 


*) Darum darf man aber nicht sagen, dass das οὖν den aus der 
Geschichte Abrahams zu gebenden Beleg (Calv.) für das 881 Gesagte 
in Form einer Folgerung einführe (Meyer, vgl. Frtzsch.), oder das- 
selbe auf eine willkürlich eingetragene Einwendung der Gesetzes- 
menschen beziehen (de W.: wenn, wie Ihr meint, alles auf Gesetzes- 
werke ankäme). Nach Hlst., Sand. soll die Frage nur im Sinne des 
jüdischen Gegners gestellt sein, und Lips. erklärt ausdrücklich, dass 
sie als eigene Meinung des Apostels »gegen den Paulinischen Sprach- 
gebrauch«, ja »geradezu sinnlos« sei, was er freilich nicht erwiesen 
hat. Aber wie soll ein Jude erst so fragen! Ihm steht doch von 
vorn herein fest, dass Abraham die Gerechtigkeit xara σάρχα erlangt 
hat, und wenn er eine unmögliche Konsequenz aus 8.81 ableiten wollte, 
so musste er fragen: Sollen wir denn nun nicht mehr sagen, dass 
Abraham die Gerechtigkeit xar« σάρχα erlangt habe?, wie ihn in 
seiner Analyse im Grunde auch Lips. fragen lässt. Die Stellung des. 
ευρηχέναε nach ἐρουμὲν statt nach τ. π. ἡμων, wie die Rept. nach 
KLP liest, ist entscheidend bezeugt. Das Fehlen des evonxevas in B: 
(WH. txt., Treg. i. Kl.) kann nur Schreibfehler sein, da die Ueber- 
setzung von Sand: was sollen wir sagen in Betreff Abrahams ? wort- 
widrig ist. Wenn man τέ οὖν ἐροῦμεν, wie 61, für sich nimmt, so 
fehlt ein Objekt zu εὑρηχέναι, da man weder δικαιοσύνην (Grot., 
Wttst., Mich.) noch ein dasselbe vertretendes »es« (v. Heng), das der 
Kontext nicht darbietet, ergänzen darf. Hofm., Th. Schott, Klosterm., 
Otto, Luth. entgehen diesem Einwurf dadurch, dass sie ἡμᾶς ergänzen 
und Aßeadu zum Objekt von εὑρηχέναε machen. So auch Böhmer, 
obwohl er die Lostrennung des τί ἐροῦμεν aufgiebt. Paulus soll 
fragen, ale was sie Abraham erfunden haben, als gerecht aus den 
Werken oder aus dem Glauben. 


182 Röm 4ı. 


der Apostel durch das εὑρηκέναι an die bekannte alttestament- 
liche Formel: δὑρίσχειν χάριν ἐναντίον κυρίου (Gen 68. 183), 
während gut griechisch das Medium stände. Der Inf. Perf. 
steht, weil Abraham als einer, der etwas erlangt hat und so 
besitzt, vergegenwärtigt ist. — Aßeaau τὸν προτεάτορα 
ἡμ ν) vgl. Jos. Antt. 4, 2, 4. Bell. jud. 5, 9, 4. So be- 
zeichnet der Apostel den Abraham mit einem Ausdruck, der 
zweifellos auf die Ahnherrschaft im gewöhnlichen Sinne deutet 
(gegen v. Heng., God. Zimmer), eben weil er das 7εατήρ 
nachher vielfach im weiteren Sinne nimmt. Er thut es aber 
vom Standpunkte seiner Volksgenossen aus, wie 89 (vgl. IKor 
101), was sowenig ‚wie die ganze folgende Erörterung (gegen 
Beyschl.) beweist. dass Paulus zu Juden rede (vgl. Weizs. 
a. a. Ο. p. 259), sondern nur, dass er eben als Jude und von 
den gewöhnlichen jüdischen Voraussetzungen aus die Frage 
aufwirf. Dann aber kann unmöglich «ara σάρκα damit 
verbunden werden, das hier gänzlich überflüssig wäre, da nach 
dem Wortlaut und Kontext an eine andere als leibliche Ahn- 
herrschaft ohnehin nicht zu denken ist*). Vielmehr muss der 
Zusatz schon darum mit εὑρηχέναι verbunden werden, weil 
die ganz allgemeine Frage, ob Abraham überhaupt etwas, oder 
was er etwa erlangt habe, unmöglich aus 881 gefolgert werden 
kann, wo nur von der göttlichen Ordnung, nach der man die 
Rechtfertigung erlangt, die Rede war. Es erhellt daraus aber 
von vorn herein, s dies mit Nachdruck am Schlusse 
stehende xaza σάρχα jedenfalls einen Gegensatz bildet gegen 
die göttliche Ordnung, wonach man das Höchste, worauf es 
ankommt, διὰ πίστεως erlangt (3%). Denn das so Erlangte 
ist ein von Gott Gegebenes, das man im Vertrauen auf die 


Ὁ Trotzdem verbinden 30 Orig., Ambr., Chrys., Theoph., Erasm., 
Calv., Volkm., Holst., Goeb., Böhmer, Chr. Hoffm., Sand. u. Lips., 
indem er den Gedanken eines εὑρέσχεεν διχαιοσύνην χατὰ σάρχα für 
Paul. von vorn herein für unmöglich erklärt. Allein diesen Gedanken 
spricht ja auch Paulus nicht einmal frageweise aus, sondern er wird 
nur von Lips. in die Frage hineingedeutet. Nach Hofm., Th. Schott 
soll gefragt werden, ob die Christen den Abraham für ihren Vater 
nach dem Fleisch erfunden haben, was doch mindestens die Stellung 
von &vonxevas nach -Ißorau erfordert hätte und durch das einfache 
εἶναι 80 viel einfacher auszudrücken gewesen wäre. Aber wie sollen 
denn überhaupt die Gläubigen aus den Heiden darauf kommen, den 
Abraham für ibren leiblichen Ahnherrn zu halten, wenn sie ibm 
(durch Geltendmachung des (Glaubens) seine heilsgeschichtliche 
Stellung aberkennen? Vgl. dagegen Klosterm. p. 114ff., der freilich 
die Stelle ähnlich, nur künstlicher deutet, wie von ähnlichen Voraus- 
setzungen aus Luth., Otto. — Das zooneroo« statt des einfachen 
πατέρα (Rcpt.) ist durch NABC entscheidend bezeugt. 


Röm 41. 2. 183 


göttliche Ginade empfängt, während das χατὰ σάρκα Erlangte 
in Gemässheit natürlich-menschlichen Wesens, also aus eigener 
Kraft und durch eigenes Thun verdient oder gewirkt wird *). 
V. 2f. si γὰρ ᾿Αβραὰμ ἐξ ἔργων ἐδιχαιώϑη) Da 
die Frage des vorigen Verses noch keine bestimmte Antwort 
involvirt, kann das γάρ der Natur der Sache nach nicht be- 
gründen, sondern nur erläutern (»nämlich«), was nothwendig 
bedacht sein will, ehe man jene Frage beantwortet (ähnlich 
Mehr., Holst... Es lag nämlich am nächsten, auf jene Frage 
zu antworten: die Gerechterklärung Seitens Gottes; denn dass 
Abraham von Gott für gerecht erklärt wurde, war jedem 
Juden schlechthin selbstverständlich; und nach der Schrift, 
wenn man die Stelle Gen 156 ausser Acht liess, schien auch 
darüber kein Zweifel, dass er auf Grund seines Grehorsams, 
also auf Anlass dessen, was er aus eigener Kraft geleistet 
hatte, also χατὰ σάρχα diese Gerechterklärung erlangt habe. 
Hier wird also aus dem Zusammenhange ganz klar, dass ein 
Erlangen der Gerechtigkeit ἐξ ἔργων eben ein Erlangen κατὰ 
σάρχα wäre, wonach V.1 gefragt war. Paulus setzt den Fall, 
welcher nach der .gangbaren jüdischen Anschauung wirklich 
statt hatte, nicht um ihn zu bejahen, sondern um zu erwägen 
zu geben, was dann die Folge wäre, und aus der Verneinung 
dieser Folge zu zeigen, dass diese Annahme unzulässig ist, 
dass also keinesfalls auf die Frage nach dem zi in V. 1 ge- 
antwortet werden darf: die Gerechtigkeit. Denn die noth- 
in Folge jener Voraussetzung wäre, dass Abraham etwas 
hat, dessen er sich rühmen könnte (ἔχδε χαύχημα, wie 


Ὁ Da die ἔργα Produkte des natürlichen Menschen mit seinen 
Gaben und Kräften, wie mit seiner ethischen Bestimmtheit sind, 
nicht aus göttlichem Gnadenwirken oder göttlicher Kraftmittheilung 
hervorgegangen, so gehören sie mit zur Kategorie des χατὰ σάρχα, 
ohne dass darum gerade sie dadurch bezeichnet sind, wie oft (vgl. 
Theodoret, und noch Reiche) angenommen wird. Die Beziehung auf 
die menschliche Art, durch Arbeit Lohn zu verdienen (Kölln.), greift 
dem Folgenden (V. 4) vor. Ganz kontextwidrig, der geschichtlichen 
Beziehung V. 3 entgegen ist die Fassung von der Beschneidung 
(Pelag., Ambros., Est., Koppe, Flatt, Baur, Mehr. und im Grunde 
noch Luth.), welche auch Rück., Phil. einmischen, indem sie übrigens 
richtig von den ἔργοις erklären. Hier tritt also noch stärker als 13. 
320 hervor, dass die σάρξ nicht »das materiell psychische Menschen- 
wesen als das Lebensgebiet der ethischen Ohnmacht und sündlichen 
Potenz im Menschen« bezeichnet, zumal doch die ἔργα nicht als Pro- 
dukte »des leiblich menschlichen Wesens« gedacht sind (gegen Meyer), 
sondern das Natürlich-menschliche an sich; dass dabei sogar die Re- 
flexion auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, wonach es die 
materielle Substanz der menschlichen Leiblichkeit bezeichnet, gänzlich 
fortfallen kann. Vgl. Weiss, bibl. Theol. $ 68. 





184 Röm 42. 


immer von der materies gloriandi, vgl. Dtn 1021. Jer 5laı. 
Prv 176. Pind. Isthm. 5, 65. Plat. Ages. 31. Gal 64), da 
er sich ja die Gerechterklärung durch eigene Werke verdient 
hätte, was jedenfalls ein rühmenswerthes Resultat seines Thuns 
wäre. Dass der Apostel die Frage, ob Abraham aus Werken 
erechtfertigt sein (die Gerechtigkeit erlangt haben) könne, 
densch beantwortet haben will, ob die dann eintretende Folge, 
dass er einen Gegenstand des Riihmens hat, annehmbar sei, 
zeigt deutlich, in wie engem Zusammenhang diese Erörterung 
mit 3zf. steht, wo er eine Ordnung der Rechtfertigung, 
welche berechtigtes Rühmen des Menschen gegen Gott mit 
sich brächte, als dem religiösen Bewusstsein von vorn herein 
unannehmbar und die, welche ein solches ausschliesst, als allein 
berechtigt erklärt hatte*). — ἀλλ οὐ πρὸς Fed») kann nur 
einen selbständigen Satz bilden, der aus dem Vorigen ergänzt 


2 


werden muss: ἀλλ᾽ οὐχ ἔχει καύχημα πρὸς ϑεόν (vgl. v.Heng.)**). 


5) Gewöhnlich nimmt man an, dieser Vers enthalte die Be- 
gründung der in der vorigen Frage enthaltenen negativen Behauptung, 
dass Abraham nichts fleischlicher Weise erlangt habe (so auc 
Meyer u. noch Luth.). Allein in der Frage nach dem ri nu eben 
noch nicht eine Verneinung (wie wenn es etwa hiesse: μὴ ἐροῦμεν, 
evonx&vaı τε Aßo.); und eine Frage, welche diese Ver nung enthielte, 
könnte nicht aus 3sı gefolgert werden, da in diesem Verse auch 
nicht der Schein der gegentheiligen Behauptung liegt. Noch weniger 
natürlich kann man eine positive Antwort auf die Frage in V.1 er- 
gänzen (Volkm.: »doch Gerechtigkeit aus Vertrauen, wie wir auf- 
stellen«, vgl. Chr. Hoffm.), die in V. 2 begründet würde, wie es der 
Sache nach auch Lips. nimmt, und eine Begründung dieser positiven 
Behauptung, die hier nur als Hypothesis erscheint, liegt ja auch in 
V.2 garnicht vor. Freilich kann das γάρ auch nicht bloss erläutern, 
“wie der Apostel dazu komme, die Frage zu stellen (Hofm., God., Otto). 
Das Richtige haben im Wesentlichen schon Mehr., Holst., Goeb., 
Zimmer, Böhmer. Zu der gangbaren jüdischen Anschauung vgl. Jak 
231. JSir 4410ff. Manase. ἔ Tosenh: Antt. 11, 5, 7. Eisenm., ent- 
decktes Judenth. I, p. 322. 348. Im Talmud wird sogar aus Gen 265 
abgeleitet, Abraham habe das ganze Mosaische (Gesetz gehalten. 
Kiddusch f. 82. 1. Joma f. 28, 2. Beresch. rabba f. 57, 4. Vgl. die 
Stellen aus Philo bei Schneckenb. in d. StKr 1883, p. 135. 

**) Gewöhnlich nimmt man die Worte als zweiten Theil des 
Nachsatzes zu dem Vordersatze mit εἰ, was aber ganz unmöglich ist; 
denn wenn einer auf Grund von Werken die (serechtigkeitserklärung 
Gottes erlangt hat, so kann er sich allerdings vor (Gott rühmen, 
durch seine Werke diese höchste Anerkennung verdient zu haben. 
Eben darum müssen die Ausleger, die es so fassen, das ἐδιχαιώϑη 
irgendwie seiner kontextmässigen und allein Paulinischen Bedeutung 
entkleiden (Grot.: justus apparebit, vgl. Beza, Koppe, Rück., Phil., 
de W., Volkm. τι. besonders Hofm.: gerecht geworden ist), oder 
man sucht das πρὸς ϑεόν dahin umzudeuten, dass Abraham sich nicht 
Gottes als dessen zu rühmen habe, dem er seine Rechtfertigung 


Röm 43. 185 


Man behauptet zwar, es müsse dann heissen: ἔχει καύχημα 
zg05 edv: ἀλλ᾿ οὐκ ἔχει (Meyer, Hofm.), übersieht aber, dass 
es so gar nicht heissen konnte, weil die eigentliche Absicht 
des Verses garnicht ist, zu beweisen, dass Abraham nicht aus 
Werken gerechtfertigt sei, was ja mit der Anknüpfung von 
4ı an 881 von selbst gegeben war, sondern die V. 1 auf- 
geworfene Frage, wenn auch indirekt, zu beantworten. Denn 
wenn die Erlangung der Rechtfertigung aus Werken Ruhm 
mit sich bringt, Abraham aber vor dem Gott, der die Recht- 
fertigung ertheilt, thatsächlich keinen Ruhm hat, so kann es 
freilich nicht die Gerechtigkeit vor Gott sein, die er χατὰ 
σάρχα erlangt hat. Allein eben durch jene allgemeine Hin- 
weisung auf das Ruhmwürdige einer εξ ägywv beschafften 
Gerechtigkeit hat ja Paulus die Lösung der Frage in V. 1 
indirekt klar genug angedeutet. Abraham durch seine 
unzweifelhaft in der Schrift bezeugten Werke immerhin fleisch- 
licherweise hohen Ruhm erlangt haben, die Rechtfertigung hat 
er dadurch so wenig erlangt, wie Ruhm vor Gott*). Einer 





verdankt. So Theodor., Chrys., Oecum., Theophyl., Thol., Reithm., 
Th. Schott, Luth. Aber vergeblich bemüht sıch Meyer, diese Um- 
deutung durch Annahme des »Bezugsverhältnisses auf Jemand«, unter 
Vergleichung von Kol 818, zu rechtfertigen; denn nirgends wird das 
Objekt des Rühmens, zu dem dann immer Gott gemacht wird, durch 
πρός ausgedrückt (vgl. 217. 233. 52. ı1), welches, da χαυχᾶσϑαι zu den 
Verb, dicendi gehört, nur den bezeichnen kann, gegen den das 
Rühmen gerichtet ist, an den man sich mit seinem rühmenden Reden 
wendet (vgl. Mehr., Hofm., God... Böhmer trägt den willkürlichen 
Gegensatz ein: Aber nur Angesichts des (sesetzes, nicht bei Gott, 
der ohnehin das Haupthinderniss dieser Fassung nicht hebt. — Der 
Art. vor 9eov (Rept. nach EKLP) ist nach entscheidenden Zeugen zu 
streichen. 

*) Auf diesen Gedanken kommt im Grunde auch Hofm. hinaus, 
obwohl ihn die falsche Hineinziehung des εἰλλ᾽ οὐ πρὸς τὸν ϑεόν in 
den Nachsatz zur Umdeutung des ἐδικαιώϑη genöthigt hat, und er 
nach seiner Missdeutung von V. 1 an einen Ruhm denkt, welcher 
nicht geeignet ist, seine heilsgeschichtliche Stellung darauf zu gründen. 
Sachlich richtig auch God., Beck., Otto, Zimmer, Lips., Sand., bei 
denen aber die sprachliche Fassung unklar bleibt. Wenn Lips. gegen 
obige Darstellung einwendet, eine wirkliche, aber vor Gott nicht 
geltende Gerechtigkeit, sei ein Widerspruch, so ist von einer solchen 
auch durchaus nicht die Rede. Ganz unberechtigt ist es, das πρὸς 
9609 bereits in den Satz ἔχεε χαύχημα zurückzutragen, und 80 in 
dem «44’ οὐ πρὸς ϑεόν den Untersatz eines Syllogismus zu jenem 
Obersatz zu finden mit dem verschwiegenen Schlusssatz: Also ist 
Abraham nicht ἐξ ἔργων gerechtfertigt (Calv., Calov., Frtzsch., Reiche, 
Molst. So im Wesentlichen auch Baur in den theol. Jahrb. 1857, 
Ε 11. Köstl. in den JdTh 1856, p. 92). Gerade durch die Hinzu- 
igung des πρὸς ϑεόν bahnt sich ja der Apostel erst den Weg, das 





186 Röm 43. 8. 


direkteren Antwort auf V. 1 aber bedurfte es nicht, da die 
Frage desselben ja überhaupt nur gestellt war, um zu der Er- 
örterung überzuleiten, wie die Schrift selbst die Rechtfertigung 
Abrahams aus dem Glauben lehre und damit die von Paulus 
aufgestellte Gottesordnung einer Erlangung der Gerechtigkeit 
διὰ πίστεως bestätige. — V. 3. τέ γὰρ ἡ γραφὴ λέγειν 
führt nur in lebhhafter, dialektischer Form die Begründung 
durch das Schriftwort Gen 156 ein. Hieraus wird nun vollends 
klar, dass das ἀλλ᾽ οὐ περὸς ϑεόν nur eine selbstständige Aus- 
sage sein kann. Denn ein hypothetisches Urtheil (wenn 
Abraham aus Werken gerechtfertigt ward, so hat er keinen 
Ruhm bei Gott) könnte doch nur durch einen Allgemeinsatz 
(etwa in der Form von V. 4) begründet werden, während der 
Hinweis auf eine in der Schrift hinsichtlich Abrahams be- 
zeugte Thatsache nur eine kategorische Aussage über diesen 
begründen kann, und zwar eine Aussage über seine Beziehung 
zu Gott, über die der Natur der Sache nach nur die Schrift 
Auskunft geben kann (vgl. God., Beck). In dem Schriftwort, 
das wörtlich nach den ἾΧΧ wiedergegeben und nur mit de 
statt mit χαί eingeführt wird, wie Jak 22, um das &rziorevoer 
mit ganzem Gewicht an die Spitze zu stellen, liegt, dass dem 
Abraham etwas, was an sich nicht Gerechtigkeit war, als Ge- 
rechtigkeit angerechnet wurde*). Ist ihm aber so die Ge- 


noch scheinbar unverfängliche ἔχει χαύχημα und damit zugleich die 
Voraussetzung desselben (das ἐξ ἔργων ἐδιχαιώϑη) abzuweisen, da er 
im Folgenden aus der Schrift zu erweisen im Stande ist, dass Abra- 
ham keinesfalls einen Gegenstand des Rühmens Gott gegenüber hat. 
Ganz unmöglich Mehr.: aber er hat ihn nicht vor Gott? (wofür nach 
dem Folgenden vielmehr ἀλλὰ un stehen müsste: Aber doch nicht 
vor Gott?); Goeb.: Aber es, d. h. die Voraussetzung, dass Abraham 
aus Werken gerechtfertigt worden sei, ist mit nichten Gott gemäss; 
Chr. Hoffm.: Aber das ist es nicht, was bei Gott in Betracht kommt. 

*, Hieraus erhellt auch, dass im Vorigen nicht behauptet sein 
kann, Abraham könne sich in dem gesetzten Falle nicht Gottes als 
dessen, der ihn gerechtfertigt, rühmen, weil dann das Schriftwort 
nicht mit γάρ, sondern mit de angeschlossen, und Gott als der Recht- 
fertigende genannt sein müsste, während, wie Meyer selbst bemerkt, 
der Nachdruck auf ἐπέστευσε und ἐλογίσϑη liegt, nicht auf τῷ ϑεῴ 
(Mehr.). Zu dem passiven ἐλογέσϑη vgl. Kühner ὃ 377,4, Ὁ. Uebrigens 
dient die Stelle, da sie nicht ein (mittelbares) Hervorgehen der Ge- 
rechtigkeit aus dem Glauben, sondern dessen gnädige Zurechnung 
ausspricht, zum Beweise der Rechtfertigung als actus forensis, un« 
was die kathol. Ausleger (auch noch Reithm., Maier, Beck) dagegeı 
vorbringen, ist lediglich in den Text hineingelesen, auch wenn 
Döllinger (Christenth. u. K. p.188, ed. 2) sagt, Gott rechne das Prin- 
zip des neuen freien Gehorsams (den Glauben) schon als die ganze 
Leistung, 418 die vollendete Gerechtigkeit an. Vgl. Otto: Die rechte 


Röm 43. 187 


rechtigkeit durch einen Gnadenakt zugerechnet, so hat er sie 
nicht selbstthätig (κατὰ σάρκα) erworben und kann sich also 
nicht vor Gott seiner Rechtfertigung als einer wohlverdienten 
rühmen. Eben dies ist es aber, worauf Paulus im Rückblick 
auf V.27f. bei der Erörterung über die Rechtfertigung Abra- 
bams alles Gewicht legt, wie sich gerade über diesen Punkt 
auch die nähere Erläuterung in V. 4f. verbreitet. 


Anmerkung. Vergeblich bemüht sich Meyer nachzuweisen, 
dass wirklich bereits nach dem Originalsinn der Stelle Gen 156 bei 
Abraham wesentlich derselbe actus forensis stattgefunden habe, 
welchen die Christen in der Rechtfertigung erfahren. Denn wenn 
dort Gott dem Abraham seinen Glauben als Gerechtigkeit anrechnet, 
so ist doch damit ohne Zweifel nur gemeint, dass dies Glauben eben 
die Gott spezifisch wohlgefällige Leistung war, um deretwillen er den 
Abraham für gerecht, d. h. für normal und in seiner ganzen Be- 
schaffenheit seinem Willen entsprechend achtete, aber nicht an einen 
Gnadenakt gedacht, durch welchen er etwas für Gerechtigkeit achtete, 
was es an sich nicht war. Ebenso ist der Glaube Abrahams, von dem 
dort die Rede, nichts Anderes als das Vertrauen, welches er auf die 
göttliche Verheissung einer zahlreichen Nachkommenschaft setzte, und 
die Behauptung, dass er als der Gottvertraute und Gotterleuchtete 
diese Verheissung als die den künftigen Messias in sich schliessende 
erkannte : (nach Joh 856), ohnehin eine ganz willkürliche, würde 
immer noch nicht den Abrahamitischen Glauben inhaltlich mit dem 
christlichen identisch machen. Nach V. 18—24 ist sich auch Paulus 
der inhaltlichen Differenz beider durchaus bewusst gewesen, und 
kann also nur das innerste Wesen beider, nämlich das unbedingte 
Vertrauen auf die göttliche Verheissung ale das Identische angesehen 
haben, während der speziellere Inhalt je nach der Verschiedenheit 
der Offenbarungsstufen ein verschiedener sein musste. Ebenso klar 
ist freilich, dass die Gen 156 nach ihrem ÖOriginalsinn bezeugte 
Thatsache eine Werthschätzung des Glaubens involvirt, welche doch 
zuletzt die Grundlage für den Gnadenakt der Rechtfertigung aus dem 
Glauben ist, die den Christen zu Theil wird. Ob aber Paulus hier 
darauf reflektirt, ist doch sehr zweifelhaft, da er in den Wortlaut des 


Herzensstellung zu Gott wurde für gleichwerthig geachtet mit der 
rechten Lebensstellung, weil sie das Lebensprinzip derselben ist. Nach 
Chr. Hoffm. ist sogar der Glaube thatsächlich die einzig wahre, geist- 
liche und göttliche Gerechtigkeit, den Gott nur für das nimmt, was 
er wirklich ist. Aber dann ist diese Zurechnung eben kein Gnaden- 
akt mehr, als welcher sie im Folgenden dargestellt wird. Vgl. da- 
gegen Lipsius, auch Hoelem, de justitiae ex fide ambabus in V. T. 
sedibus, 1867, p. 8 


f 


188 Röm 43. «. 


Ausspruchs, wie seine Auffassung des ἐλογέσϑη und (68 πιστεύειν (vgl. 
zu V. 5) zeigt, ohne weiteres den Sinn hineinlegt, den er mit den 
Ausdrücken desselben verbindet. Das ist freilich keine missbräuch- 
liche Benutzung desselben (Rück.), sondern lediglich die seiner ganzen 
Zeit eigenthümliche, welche, ohne Rücksicht auf die historischen Be- 
ziehungen einer Stelle, bei der Schrift AT’s nur fragt, was sie ung 
zu sagen hat, und sie daber in dem Sinne nimmt, den wir mit ihren 
Worten verbinden. 


V.4 führt mit dem einfach metabatischen δέ eine nähere 
Erläuterung der Bedeutung ein, welche die V.3 citirte Schrift- 
stelle für die vorliegende Frage hat, sofern ja jede Werk- 
thätigkeit, durch die man sich einen Lohn verdient, zugleich 
etwas ist, dessen man sich rühmen kann (V.2). Darum treten 
diese neuen, zur Erläuterung eingeführten Begriffe mit Nach- 
druck voran; denn τῷ ἐργαζομένῳ bezeichnet den Wirkenden, 
und zwar, wie der Gegensatz beweist, mit Prägnanz: den 
Werkthätigen, dessen Charakteristikum die ἔργα sind (vgl. 
Luther: »der mit Werken umgeht«e), und ὃ μεσϑός (vgl. 
Gen 151. Prvilzı. Mt 5:1) ist, wie 22, der ihm als solchem 
gebührende Lohn. Dann aber kann nicht das λογέζεται 
betont sein (Hofm.), das ja lediglich den zu erläuternden Be- 

iff des V. 3 aufnimmt, um zu konstatiren, dass bei dem 

ohne, den der Werkthätige durch seine Leistungen erwirbt, 
nicht eine Zurechnung stattfinde, wie sie dort von Abraham 
ausgesagt wird. Allerdings war diese dort noch nicht als 

adenweise bezeichnet, aber es liegt in der Natur der Sache, 
das die Anrechnung des Glaubens für etwas, was er an sich 
nicht ist, ein Gnadenakt ist. Der Nerv des Gedankens liegt 
also immer darauf, dass bei den Werkthätigen zwar auch eine 
Zurechnung stattfindet, sofern ja, wenn von dem ihm ge- 
bührenden Toohne die Rede ist, vorausgesetzt wird, dass seine 
Werke ihm als lohnwürdig zugerechnet werden, aber dass 
diese Zurechnung nicht gnadenweise (κατὰ χάριν) geschieht, 
sondern pflichtmässig (xara ὀφείλημα, vgl. Thuc. 2, 40, 4: 
οὐχ ἐς χάριν, ἀλλ᾽ ἐς ὀφείλημα τὴν ἀρετὴν re Denn 
der Arbeiter ist seines Lohnes werth (Lk 177), und der, dem 
zu gute das Werk gethan wird, ist verpflichtet, ihm dasselbe 
als lohnwürdig anzurechnen. Dann aber erhellt, dass die 
pflichtmässige Zurechnung des Lohnes, welche dem Werk- 
thätigen zu Theil wird, überhaupt etwas völlig Anderes ist, 
als jene gnadenweise Zurechnung, von der V.3 die Rede war; 
und wie jene eine wohlverdiente ist, deren man sich rühmen 
kann, so schliesst diese jeden Ruhm bei Gott aus*) — V. δ, 


“ Weder kann diese Erläuterung zu dem verschwiegenen Schlusse 


Zar Ge m re ἢ τὴ 


Röm 46. 189 


mit dem gegensätzlichen δέ eingeführt, ist natürlich ein ebenso 
allgemeiner Satz wie V. 4, der aber auf den Fall Abrahams, 
wie er nach obigem Schriftzeugniss liegt, angewandt werden 
soll. Der un ἐργαζόμενος ist also nicht Abraham, sondern 
jeder, welcher (oder: wenn er) nicht werkthätig ist; auf seine 
subjektive Ueberzeugung davon (Lips.) Es das μή nicht. — 
πιστεύοντι δὲ ἐπεὶ) vgl. Sap 122. Hier tritt es recht klar 
hervor, wie der Glaube im Zusammenhang der Rechtfertigungs- 
lehre das alles eigene Wirken (zum Heil) ausschliessende Ver- 
trauen auf Gott ist (8. z. 3x), sofern derselbe das vollbringen 
kann und wird, was der Mensch aus eigenem Wirken nicht 
vollbringen kann. Gott wird darum nach 328 als der δεχαιῶν 
bezeichnet, und zwar, um das Gmnadenreiche, das in diesem 
Akte liegt, durch einen möglichst starken Kontrast hervorzu- 
heben, als der, welcher τὸν ἀσεβῆ, ἃ. ἢ. den Gottlosen, der 
doch der spezifische Gegensatz des δίχαιος ist (Gen 182. 
Prv 1151), gerecht spricht. Der ἀσεβής ist ‚also auch hier 
nicht Abraham ἢ), sondern jeder μὴ ἐργαζόμενος, da die Gottes- 
furcht das Thun der göttlichen Gebote fordern würde; aber 
die Rückkehr zu dem Ausdruck der Genesisstelle (λογίζεται 
1 πίστις αὐτοῦ εἰς δικαιοσύνην) zeigt, dass die dem 
Abraham zu Theil gewordene Zurechnung gerade eine solche 
gnadenreiche Zurechnung war, wie sie bei dem ἐργαζόμενος 
nach V. 4 ausgeschlossen ist. Wenn nämlich der Glaube 
dessen, der sich selbst als einen ἀσεβῆ anschuldigt, indem er 
vertraut auf den, der den Gottlosen ‚gerecht spricht, zur Ge- 
rechtigkeit angerechnet wird, so ist es klar, dass hier der 


leiten sollen, dass Abraham nicht um seiner Werke, sondern um seines 
Glaubens willen gerechtfertigt sei (de W.), was ja nach V. 3 bereits 
feststand, noch aus der dem Leser überlassenen Anwendung auf den 
Fall Abrahams die Nichtkonkurrenz der Werke (das χωρὶς ἔργων 
V, 6) bei dessen Rechtfertigung erst darthun (Meyer). So gewiss 
der Spruch von dem Lohnverhältniss des geaian Lebens abgeleitet 
ist, so wenig erlaubt der Gegensatz von V. 5, ibn nur auf dasselbe 
zu beziehen (gegen God.). — Der Art. vor οφειλημα (Rept.) hat nur 
Min. für: sich. 

ἢ Nach Reiche aD: ἀσεβής auf den früheren Götzendienst 
Abrahams an, welchen Philo, en. u. Maimonides auf Grund von 
Jos 242 berichten. So schon Grot., Wttst., Cramer, Michael., Rosenm., 
Koppe; vgl. auch Dölling., Christenth. u. K. p. 197, ed. 2. Eine ab- 
weichende Tradition, dass Abraham die Götzen seines Vaters Thara 
zerschlagen babe u. s. w., haben die Rabbinen b. Eisenm., entdeckt. 
Judenth. I, p. 4904. 941. Da aber auch dieser Vers noch zur Er- 
läuterung von V.3 gehört, und also Abraham mit darunter subsumirt 
werden soll, so ist es klar, dass Paulus auch den vollen Glaubens- 
begriff seiner Rechtfertigungslehre in die Stelle Gen 156 hineinlegt. 
8. d. Anm. zu V. 3. 











190 Röm 45--Ἰ. 


(Glaube aus reiner Gnade als etwas angerechnet wird, was er 
an sich nicht ist, dass also der, dem solche Zurechnung wider- 
fährt, sich seiner Gerechtigkeit nicht rühmen kann vor Gott, 
die er weder an sich besitzt noch verdienen kann. 

V.6f. χαϑάπερ καὶ) vgl. Ex ὅ 18. 76. 1, erläutert den 
Begriff dieser gnadenweisen Zurechnung durch seine Ueber- 
einstimmung mit dem, was auch David über einen analogen 
Akt göttlicher Zurechnung sagt. Freilich ist darum dieses 
Citat kein blosser Hülfsbestandtheil der Entwickelung (Meyer); 
denn gerade darauf, dass diese Zurechnung alle Werkthätig- 
keit und damit jedes Verdienst und jeden Ruhm ausschliesse, 
kam es dem Apostel im Zusammenhange vor Allem an. 
Auch David nämlich spricht die Glücklichpreisung (τὸν μακα- 

ıcuo», vgl. Plat. Rep. p. 591D. Aristot. Rhet. 1, 9, 4) des 

enschen aus, dem Gott Gerechtigkeit anrechnet ohne Werke. 
Hier ist διχαιοσύνῃ unmittelbar als dasjenige gedacht, was 
Gott dem Menschen in Rechnung bringt mit offenbarer Be- 
ziehung auf V. 5, so dass also jenes Anrechnen des Glaubens 
zur Gerechtigkeit eben eine solche gnadenreiche Zurechnung 
einer (an sich nicht vorhandenen) Gerechtigkeit ist. Aus- 
drücklich wird aber noch hervorgehoben, wie eine solche Zu- 
rechnung erfolgt χωρὶς ἔργων (wie 32), ἃ. h. ohne dass 
dabei irgend welche Werke in Betracht kommen, wie sie that- 
sächlich die Gerechtigkeit konstituiren würden, und darum 
ohne jedes Verdienst *). — V. 7f. folgt nun die Stelle Ps 321. 2 
genau nach den LXX: »Selig sind, deren Ungesetzlichkeiten 
vergeben, und deren Sünden bedeckt sind«.. Der Selig- 
gepriesene hat also nicht nur keine Werke aufzuweisen, sondern 
thatsächlich vielmehr Sünden, die ihn als ἄδιχος erscheinen 
lassen. In der Vergebung derselben, welche im Parallelgliede 
als ein Zudecken dargestellt wird, weil Gott die vergebene 
Sünde nie mehr vor Augen kommt, tritt der gnadenweise 
Charakter der Rechtfertigung, die nur das positive Korrelat 
derselben ist, am unmittelbarsten hervor. Auch V.8 ist nicht 
von der Anrechnung der Gerechtigkeit unmittelbar die Rede, 
sondern von ihrer negativen Voraussetzung: »Selig ist ein 


*) Es bandelt sich also nicht um ein zweites Beispiel der Recht- 
fertigung aus dem AT (Reiche, Mang. p. 328, Zimmer u. V.), wie 
daraus erhellt, dass V.9 sofort wieder zu Abraham zurückkehrt, noch 
um eine authentische Interpretation der Mosaischen Grundstelle (Otto, 
Luth.). Noch weniger kann dies erst der Ausgangspunkt der Beant- 
wortung der Frage nach dem Charakter der Ahnberrschaft des 
Abraham sein, die Hofm. in V. 1 hineintrug, und die hier erst recht 
garnicht hergehört. In V. 8 ist das ov (NBDEG) erleichternd oder 
nach den LXX in ὦ verwandelt (Rept. Lehm., WH.a. R.). 


Röm 47—9. 191 


Mann, dessen Sünde Jehovra gewisslich nicht (d. ἢ. in aller 
Zukunft nicht) in Rechnung bringen wird.« Wem aber die 
Sünden nicht in Rechnung gebracht werden, der steht vor 
Gott als sündlos und darum als δίχαιος da; nicht weil er 
eine δικαιοσύνη sich erworben hat, sondern weil ihm Gott 
dieselbe zurechnet (V. 6). 

V. 9—17. Abraham als Vater der Gläubigen. 
Nachdem V. 1---ὃ die Gottesordnung, nach welcher Abraham 
die Gerechtigkeit erlangt hat, im Rückblick auf 3f. als eine 
allen Selbstruhm ausschliessende erwiesen war, wird nun im 
Rückblick auf 3»f. gezeigt, wie die Universalität dieser 
Heilsordnung in der Geschichte Abrahams bereits ange- 
deutet ist. — V.9. ὃ μακαρισμὸς οὖν οὗτος) nimmt nach 
der ausführlichen Citation des Psalmworts (V. 7) den Be- 
πῆ der Seligpreisung wieder auf, die darin nach V. 6 von 

avid ausgesprochen war, und fragt, ob dieselbe sich erstrecke 
auf (ἐπεί, wie 118. 20. 32) die Beschnittenen oder auch auf 
die Unbeschnittenen (vgl. 3%). Es könnte ja immerhin sein, 
dass die Glückseligkeit, welche David preist, zwar nicht durch 
Gesetzeswerke vermittelt, aber doch nur denen bestimmt war, 
die durch Beschneidung und Gesetzerfüllung Glieder des aus- 
erwählten Volkes geworden waren. Und da der Apostel nach 
V.6 in dem Psalmspruch eine Seligpreisung dessen fand, dem, 
wie dem Abraham nach V. 3—5, die Gerechtigkeit gnaden- 
weise zuertheilt wird, so involvirt die Frage die Entscheidung 
darüber, ob diese somit im AT bereits vorgebildete Norm der 
Gerechtigkeitsertheilung eine so universelle sei, wie sie es 
nach 32%f. sein muss, wenn sie das religiöse Bewusstsein voll 
befriedigen 50]] ἢ. — λέγομεν γὰρ) Auch hier, wie V. 2, 
weist das γαρ erläuternd auf den V. 3—5 besprochenen kon- 
kreten Fall Abrahams hin, aus dem heraus die Frage, die, so 
allgemein gestellt, zunächst gar nicht zu beantworten ist, allein 
beantwortet werden kann. Wir behaupten nämlich, dass eine 
Zurechnung, wie die, um deretwillen David den Menschen 


8) Das οὖν ist also reassumirend ((od., Goeb., Luth.) und nicht 
folgernd; denn eine Behauptung, die aue dem Zusammenhange dieses 
Davidischen μαχαρισμός mit dem vorher V. 3—5 über Abraham Bei- 
gebrachten gefolgert werden könnte (Meyer), folgt ja gar nicht, und 
dass David zwischen Abraham und Christo in der Mitte steht (Hofm.), 
ist doch im Vorigen nicht gesagt. Als das sich von selbst ver- 
stehende Verbum wird am einfachsten ἐστέ gedacht, weniger nahe- 
liegend: λέγεταε aus V. 6 (Frtzsch.); willkürlich: zi/nre (Theophyl., 
Bos), 749ev (Oecum.), ἔρχεται (Olsh.). Vgl. Buttm., neut. Gr. p. 120f. 
Das xas nach 5 zeigt, dass das ἐπὶ τὴν περιτομήν ansschiosscnd 
gedacht ist. 


192 Röm 49. ı0. 


selig preist (V. 7), bei Abraham stattgefunden hat, als ihm 
der Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet wurde. Daraus 
folgt, dass das im Unterschiede von V. 3 an die Spitze ge- 
stellte ἐλογίσϑη den Nachdruck hat, wenn auch natürlich 
mit τῷ βραάμ erst der genannt wird, aus dessen Beispiel 
heraus die F rage beantwortet werden soll. Das ἡ πίστις 
sis δικαιοσύνην weist dann nur auf die Art der Zurechnung 
zurück, um welche es sich nach V.3 bei Abraham handelte *). 
— V.10. πεῶς οὖν ἐλογίσϑη;) Diese weitere mar ergiebt 
sich, wenn man aus dem Beispiel des Abraham die e 
beantworten will, ob sich die auf ihn zunächst zutreffende 
Seligpreisung auf die Beschneidung oder auch auf die Vor- 
haut erstrecke (God.)**. Ward dem Abraham die Zurech- 
nung zu Theil, als er im Zustande des Beschnittenseins war 
(ἐν περιτομῇ ὄντι), so hätte man einen Anlass zu ver- 
muthen, dass jene Seligpreisung sich nur auf die Beschneidung 
erstreckt, während, wenn er sie im Zustande des Unbeschnitten- 
seins empfing (ἢ ἐν dxgoßvori«), damit zunächst an seinem 
Beispiele dargethan ist, dass sie sich auch auf die Vorhaut 
erstreckt. Es wird also aus der Beantwortung dieser Frage 
sich indirekt ergeben, wie die V. 9a gestellte Frage zu beant- 
worten ist, und eben darum hat Paulus V. 9b darauf auf- 
merksam gemacht, wie der V. 3 besprochene Fall erwogen 
werden müsse, um diese Frage zu beantworten. Nun hat er 
aber ein volles Recht, zu antworten, dass Abraham sie empfing, 
als er nicht beschnitten, sondern noch in Vorhaut war; denn 
jene Zurechnung geschah schon Gen 15, die Beschneidung 
erst Gen 17, jene also wenigstens 14 Jahre früher. 


Ὁ Der Nachdruck liegt also weder auf τῷ ABo. (Frtzsch., de W.., 
B.-Crus., Maier, Phil., Otto, Lips. u. M.), was Paulus durch die Wort- 
stellung ὅτε τῷ ABo. ἐλογέσϑη bemerkbar gemacht haben würde, noch 
auf dem am Ende zusammengerückten ἡ πέστις εἰς διχαιοσύνην, also 
zunächst auf πέστις (Meyer). Das γάρ kann unmöglich begründend 
sein (so gew., auch Meyer), da ja im Vorigen gar keine Behauptung 
ausgesprochen, sondern nur eine Frage gestellt ist, deren Beant- 
wortung man um so willkürlicher als eine selbstverständliche denkt, 
da dieselbe ja V. 10 sichtlich erst gesucht wird. Denn das Präsens 
λέγομεν bezeichnet nur, Jdass Paulus bei der Beantwortung dieser 
Frage von der V. 3 als Schriftaussage konstatirten Thatsache aus- 
gehe, obne dass der Plural die Zustimmung des Leser setzt. Auch 
erklärt das γάρ nicht, wie Panlus darauf komme, so zu fragen (Hofm.). 
Vgl. das Richtige schon bei God., Volkm., Goeb., Zimmer. — Das orı 
recit. nach λέγομὲν yap (Rept. Lehm. 1. Kl.) ist nach NBD zu streichen. 

**) Ganz verkehrt setzt Hofm. das Fragezeichen hinter οὖν, da 
Paulus, so oft er auch τί οὖν schreibt, doch nie πῶς οὖν obne Verb. 
hat, und denkt die zweite Frage dadurch hervorgerufen, dass »Abra- 
ham beides gewesen ist, unbeschnitten zuvor und beschnitten hernach«. 


Röm 4nı. 193 


V. 11f. bringt zunächst eine historisch-pragmatische, das 
Verhältniss der Beschneidung Abrahams zu seiner Recht- 
fertigung näher darlegende Weiterführung der Behauptung, 
dass Abraham als Unbeschnittener die Rechtfertigung empfing, 
und ist daher nur durch ein Komma von V. 10 zu trennen. 
— χαὶ σημεῖον ἔλαβεν περιτομῆς) Da der Artikel vor 
σημεῖον und vor περιτομῆς fehlt, so ist nicht das konkrete, 
geschichtlich bestimmte Zeichen gemeint, sondern im Rück- 
blick auf das artikellose ἐν περιτομῇ V.10 nur gesagt, dass 
Abraham ein Zeichen, welches in Beschnittenwerden bestand, 
erst als Siegel seiner Rechtfertigung empfing und so in den 
Zustand der zzegızoun (des Beschnittenseins) erst eintrat in 
Folge seiner Rechtfertigung (vgl. Goeb.)*). Beachte übrigens 
die gesperrte Wortstellung, welche den Begriff des σημεῖον 
betonend hervorhebt. — σφραγῖδα) Das Siegel ist ein Zeichen 
der Bekräftigung, Bestätigung, weil durch das Siegel eine 
Urkunde bestätigt wird (vgl. IReg 218. Die dem Abraham 
durch die Beschneidung versiegelte Glaubensgerechtigkeit (τῆς 
διχαιοσύνης τῆς πίστεως) ist die, welche er empfing, als 
ihm sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet wurde, den er 
also hatte, als er noch in der Vorhaut war**. — εἰς τὸ 





*) Man darf also nicht übersetzen: Das in der Beschneidung 
bestehende Zeichen (so gew., vgl. noch Luth., Lips.: das Zeichen der 
Beschneidung, wobei er das Fehlen des Art. vor σημεῖον mit Winer 
daraus erklärt, dass das Wort durch einen Gen. näher bestimmt ist), 
oder den Genit. als eine Art Genit. qualit. (Volknm.) fassen (Meyer: 
den Begriff von σημεῖον nach seiner eigenschaftlichen Modalität näher 
bestimmend). noch mit den offenbar schon an dem Genit. sich 
stossenden Abschreibern περίιτομήν lesen (v. Heng., Hofm. nach AC 
syr. arm. WH.a.R.). Wenn letzterer. wie nach ihm Zimmer, erklärt: 
und als ein Zeichen empfing er die Beschneidung, als Siegel (Appos. 
zu onu.), 80 müsste dann περιτομήν erst recht den Artikel haben (vgl. 
Joh 722 im Unterschiede von V. 23). Denn λαμβάνειν περιτομήν mit 
ihm gleich περιτέμνεσθαε zu nehmen, wird durch σημεῖον verboten, 
welchem die περιτομή nur als substantiver Begriff korrelat sein kann. 
Auch wäre das voraufgeschickte σημεῖον völlig überflüssig, wenn es 
nachher durch σφραγῖδα τ. dıx. näher bestimmt würde, da ja auch in 
diesem selbstverstäöndlich lag, dass dasjenige, was ihm versiegelt 
werden sollte, »schon vorbanden war«. 

**) Das τῆς ἐν τῇ axpoßvorl« gehört also nicht zu διχαιοσύνης 
{Rück., Reiche, Beck, Lips.), sondern zu πέστεως, wie deutlich aus 
dem folgenden πιστευόντων di’ axgoß. und aus τῆς ἐν axpoß. πίστ. 
V. 12 erhellt. Die Beschneidung war nach Gen 1711 Zeichen des 
Bundes, welchen Gott mit Abraham machte. Als des Bundes Zeichen 
und Siegel wird sie auch im Talmud vorgestellt. 8. Schöttg. und 
Wttst. Zum Beschneidungsformular gehörten die Worte: »Benedictus 
sit, qui sanctificat dileetum ab utero, et signum posuit in carne, et 
filios suos sigillavit signo foederis sancti«. Berachoth f. 131. Daes 


Meyer’s Kommentar. 1V. Abth. 9. Aufl. 13 


194 Röm 411. 


εἶναι αὐτόν etc.) damit er wäre u. 8. w., enthält den Zweck 
der göttlichen Anordnung, wonach Abraham nicht etwa im 
Zustande des Beschnittenseins die Zurechnung erfuhr, sondern 
Beschneidung überhaupt erst empfing als Siegel der Glaubens- 
htigkeit. — πατέρα πάντων τῶν πιστευόντων) 

enn Abraham ein Vater aller Gläubigen genannt wird, so 
kann der Begriff der Vaterschaft nicht im eigentlichen Sinne 
leiblicher Abstammung, sondern nur im metaphorischen Sinne 
geistiger Wesensähnlichkeit (vgl. Mt 54) genommen sein. 
Wenn aber Gott durch seine Ordnung des zeitlichen und 
ursächlichen Verhältnisses zwischen Beschneidung und Recht- 
fertigung bezweckt hat, dass er ein Vater in diesem Sinne sei, 
so erhellt, dass auch mit dieser Vaterschaft im metaphorischen 
Sinne diejenigen Vorzüge verbunden gedacht werden. welche 
sonst nur an die Vaterschaft im eigentlichen Sinne geknüpft 
erscheinen, nämlich die Anwartschaft auf die Güter des Vaters. 
Als dasjenige Gut nun, welches dem Abraham spezifisch 
eignete, erscheint nach dem Zusammenhange die gnadenweise 
Zurechnung der Gerechtigkeit oder die Rechtfertigung, und 
so kaun die Absicht Gottes nur gewesen sein, diese allen, 
die dem Abraham im Glauben wesensähnlich sind, zukommen 
zu lassen. Wäre ihm die Rechtfertigung im Zustande der 
Beschnittenheit zu Theil geworden, so hätten nur seine leib- 
lichen Kinder, die mit ihm das Zeichen der Beschneidung an 
sich trugen, an diesem Gut ihres Vaters Antheil gehabt; da 
sie. ihm aber im Zustande des Unbeschnittenseins zu Theil 
wurde, so war damit angedeutet, dass die Theilnahme an 
diesem väterlichen Erbtheil nicht abhängt von der Theilnahme 
an der Beschneidung, die seine leiblichen Kinder kennzeichnet, 
und dann kann sie nur gebunden sein an das Kindesrecht, 
welches die geistige Wesensähnlichkeit mit dem »Vater Abra- 


Paulus die Beschneidung als Siegel der Glaubensgerechtigkeit fasst, 
erklärt Meyer daraus, dass in jenem Bunde Gott einerseits die mes- 
sianische χληρονομέα verhiess (Gen 155. 18), und Abraham andererseits 
den Glauben leistete, welchen ihm Gott als Gerechtigkeit anrechnete, 
Lips. daraus, dass sie. als Bundeszeichen Symbol der göttlichen 
Gnade war. Aber der Grund liegt einfach darin, dass Gott mit einem 
Sünder keinen Bund schliessen konnte, also das Bundeszeichen zu- 
gleich ein Zeichen war, dass Gott den Abraham (um seines Glaubens 
willen) gerecht En hatte (vgl. Beck). Abraham ist also nicht 
gerechtfertigt, weil er beschnitten war, sondern mittelst Beschneidung 
in den Bund mit (ott aufgenommen, der ihn zu einem Gottangehörigen 
und zu einem Empfänger der göttlichen Verheissung machte, weil er 
gerechtfertigt war. Ganz fern liegt der Gedanke, dass die Beschnei- 
dung als Zeichen der Herzensbeschneidung das Siegel der Glaubens- 
gerechtigkeit wurde (Böhmer. 


Röm 411. 13. 195 


ham« verleiht*). — Als die Gläubigen, deren Vater Abraham 
sein sollte, werden zunächst diejenigen bezeichnet, welche bei 
Vorhaut, also obgleich sie unbeschnitten sind, glauben (d.’ 
ἀκροβυστίας, ganz wie 27). — δὶς τὸ λογισϑῆναι ai- 
τοῖς τὴν διχαιοσύνην) wird von Vielen, auch von Rück. 
Thol., de W., Phil., Luth., Zimmer (vgl. auch Lips.) als paren- 
thetische Erläuterung von eig τὸ εἶναι αὐτὸν πατέρα etc. ge- 
nommen, und mit Recht, da hier erst deutlich gesagt wird, 
dass die gnadenweise Zurechnung der dem Abraham zuge- 
theilten Gerechtigkeit (Bem. den Art. vor δικαιοσύνη») eben 
das Gut war, das den unbeschnittenen Gläubigen dadurch zu 
Theil werden sollte, dass Abraham nun ihr Vater im meta- 
phorischen Sinne der Wesensähnlichkeit war **). — V. 12. xai 





ἢ Paulus ist so fern davon, der gangbaren Auffassung der 
Kindschaft Abrahams, welche die Theilnahme an den Gütern des 
Vaters verleiht, ohne weiteres einen »geistlichen Sinn« zu substituiren, 
dass er ausdrücklich in der Geschichte Abrahams nach einer An- 
deutung dafür sucht, dass Gott selbst die Theilnahme derer, die seine 
Kinder im metaphorisechen Sinne der Wesensähnlichkeit sind, an dem 
höchsten Kindesrecht als seine Absicht hingestellt habe. Gewöhnlich 
sagt man nur, Paulus erhebe und erweitere »die jüdische Vorstellung 
der national-theokratischen Kindschaft Abrahams zur Idee der rein 
geistig-theokratischen Kindschaft«, deren Wesen »die Identität des 
den heilsgeschichtlichen Zusammenhang aller Gläubigen mit dem 
Erzvater ohne Vermittelung der Beschneidung begründenden Verbält- 
nisses sei, welches mit dem noch in seiner Unbeschnittenheit durch 
den Glauben gerechtfertigten Abraham anhob« (Meyer). Hofm. da- 
gegen findet hier den Gedanken, dass mit Abraham die Gemeinde 
des Glaubens begonnen habe (vgl. Luth.), deren Ahnherr er als Vater 
Isaaks sei, und der die unbeschnittenen Gläubigen angehören, weil 
es ein von ihm stammendes Volk giebt, dem sie einverleibt sind. 
Beide Auffassungsweisen scheinen mir fremdartige Kategorien in die 
Darstellung des Apostels hineinzutragen und die Sache doch nicht 
klarzustellen. Die telische Fassung von eis ro εἶναι ist grammatisch 
nothwendig (vgl. zu 120), und daher mit Recht die ekbatische Fassung 
(χαὶ οὕτως ἐγένετο πατήρ) neuerdings fast allgemein verlassen (doch 
vgl. Böhmer). 

*®) Man kann streiten, ob hier eine eigentliche Parenthesirung 
stattfindet, da ja der Zwecksatz nur erläutert, was es mit der in εἰς 
τὸ εἶναι αὐτὸν πατέρα etc. genannten Vaterschaft auf sich habe 
{Frtzsch.),, und da das πατέρα V. 12 ausdrücklich wiederholt wird 
(Mehr.); aber offenbar unrichtig ist die Verbindung mit πεστευόντων. 
Bei dieser Verbindung kommt ein ganz schiefer Gedanke in die Stelle. 
Fasst man sie mit Meyer so, dass sie glauben an Christum, damit 
en der dabei obwaltenden göttlichen Teleologie) auch ihnen die 

erechtigkeit zugerechnet werde, so kommt zwar der Gredanke dem 
Richtigen am nächsten; allein diese Einschiebung der göttlichen 
Teleologie ist eine ganz willkürliche. Das dem subjektiven mıarevör- 
των  hinzugefügte telische εἰς τὸ λογισϑ. könnte nur den Zweck be- 
zeichnen, den sie selbst bei ihrem Glauben haben (God.: in dem 


13 * 


196 Röm 419. 


warspa περιτομῆς) setzt das vorherige 7τατέρα πάντων 
etc. weiter fort: und Vater von Beschneidung, d.i. Vater Be- 
schnittener. Absichtlich steht der Artikel nicht, um anzu- 
deuten, dass er nicht Vater aller Beschnittenen ist, sondern, 
wie der Dat. comm. es ausdrückt, im Sinne von V. 11 nur 
für die, welche es nicht nur auf Anlass von Beschneidung 
sind (εοῖς οὐκ Ex περιτομῆς μόνον). Da Abraham nach 
seiner Rechtfertigung als Siegel derselben die Beschneidung 
empfing (V. 11), und zwar nicht bloss für sich, sondern auch 
für seine leiblichen Nachkommen, so konnte es scheinen, als 
ob das Erbtheil des Vaters, und damit vor allem sein höchstes 
Gut, die zugerechnete Gerechtigkeit, ohne weiteres auf seine 
beschnittenen Nachkommen als solche übergehe. Aber wie 
die Rechtfertigung Abrahams im Stande des Unbeschnitten- 
seins bewies, dass dasselbe auch auf die Unbeschnittenen 
übergehe, sofern sie nur seine Kinder sind im Sinne der 
geistigen Wesensähnlichkeit, so bewies die Ertheilung der Be- 
schneidung als Siegel der Glaubensgerechtigkeit, dass das- 
selbe keineswegs den Beschnittenen als solchen zu Gute 
kommt, sondern nur sofern auch ihnen die Beschneidung das 
Siegel dessen sein konnte, was sie auf Grund des Abrahami- 
tischen Glaubens empfingen. Gemeint sind also die, deren 
Wesen nur von äusserem Beschnittensein her bestimmt ist 
(28. 3%), die, was sie sind als Beschnittene, eben nur auf 
Anlass äusserer Beschneidung sind*). Wenn nun mit dem 
ἀλλὰ καί noch ein anderes Merkmal hinzugefügt wird, das 
sie haben müssen, um zu den Beschnittenen zu gehören, deren 


Glauben liegt ein Wille, vgl. Otto, Goeb.); und dass das eine un- 
aulinische Wendung des Gedankens sei, hat Meyer wohl gefühlt. 
nso ist es aber sicher die Zurechnung der Gerechtig- 
keit selbst, die überall als Folge des Glaubens erscheint, mit Hofm., 
Beck als Objekt des Glaubens zu denken. Das za: vor αὑτοῖς 
(Rept.) ist nach NAB Min. vg. cod. cop. zu tilgen, zumal der Grund 
der Hinzufügung (die Rückweisung auf Abraham) so nahe liegt (gegen 
Meyer). Es ist auch ganz unnöthig, da diese Rückweisung schon in 
dem Art. vor διχαιοσυνὴν liegt, den Tisch. tilgt, WH. einklammert. 
Aber die Weglassung desselben in ND ist Konformation nach dem im 
Vorigen so häufigen artikellosen diıxasoo., wie A nach V.3.5.6 direkt 
εἰς dıx. schreibt. 
*) Ganz unnatürlich nimmt Hofm. περιτομῆς nach Analogie von 
ὁ ϑεὸς τῆς δόξης als Genitiv der Eigenschaft (sein Vater. dessen 
Vaterschaft nach der Beschnittenbeit zu benennen ist, weil sie ihr 
ale Eigenthümlichkeit anhaftet«), während alle von ibm angezogenen 
Beispiele zeigen, dass dann erst recht der Artikel vor zegsr. nicht 
fehlen könnte, und nach dem parallelen πατὴρ πάντων der Genit. nur 
als Angabe, wessen Vater Abrabam weiter sei, genommen werden 


BRöm 412. 197 


Vater Abraham ist, so muss zugegeben werden, dass das τοῖς 
vor στοιχοῦσι (vgl. Gal 53. 616) irrig wiederholt sei, dass 
Paulus inkonzinner Weise bei ἀλλὰ καί so forttährt, als ob er 
vorher ein οὐ μόνον τοῖς geschrieben hätte. Doch erklärt sich 
die Entstehung jener Inkonzinnität vielleicht daraus, dass 
Paulus mit dem αλλὰ χαί nicht nur andeuten wollte, was zu 
dem &x ‚regıroufjg hinzutreten müsse, sondern dass auch hier 
(wie V. 11) das Normgebende für die Theilnahme an dem 
Vatertheil die Gleichheit des Glaubens mit dem väterlichen 
sei: denen, die nicht nur beschnitten sind, sondern — auch 
hier nur denen, die so einhergehen, dass sie den Fussstapfen 
folgen, welche Abraham durch seinen in unbeschnittenem Zu- 
stande erwiesenen Glauben zurückgelassen hat, d. ἢ. welche 
gläubig sind nach dem Vorbilde des unbeschnittenen Abraham ἢ). 
Der Dativ τοῖς ἴχνεσιν τῆς ἐν axgoßvorie πίστεως 


kann. Noch willkürlicher erklärt Beck den Ausdruck »Beschneidungs- 
vater« dadurch, dass er den mit der Beschneidung bezeichneten Bund, 
der eben die xAnoovouf« zum Inhalt hat, oder gar die Herzens- 
beschneidung kraft des Geistes auf Andere fortpflanze. 

*) Sand. schreibt den Fehler dem Tertius zu, wenn er nicht erst 
später in alle MS. eingedrungen sei. Weder die Bemerkungen von 
Reiche u. Kölln. rechtfertigen den Artikel, noch hebt die angebliche 
Inversion des χαὶ τοῖς für τοῖς χαί (Mehr.) die Inkonzinnität; und 
Phl 129, wo deutlich indizirt ist, dass der Apostel sich selbst unter- 
brieht, ist nicht analog (gegen Frtzsch... Künstlichb ist auch der 
Versuch von God., die Konstruktion zu rechtfertigen: denjenigen, 
welche nicht nur aus der Beschneidung sind, sondern welche auch zu 
gleicher Zeit die in den Fusstapfen u. s. w. wandelnden Personen 
sind. Aehnlich Beck, Goeb., während Otto gar herausbringt, dass 
die Beschnittenen, sie mögen glauben oder nicht, in den Fussstapfen 
des Abrahamitischen Glaubens einhergehen, da alle Güter und Ord- 
nungen des auserwählten Volkes “Spuren dieses Glaubens sind. 
Keinesfalls darf man annehmen, dass hier zwischen Juden und Heiden 
unterschieden werde (Theodoret., Luther, Koppe, Storr, Flatt, vgl. 
Hofm.: für die, welche nicht nur beschnitten (sondern auch, wie sich 
von selbst verstebe, Gläubige) sind, aber auch für die, welche ohne 
beschnitten zu sein (?!) gläubig werden), da die Rückkehr zu 
der bereits besprochenen Vaterschaft für die gläubigen Heiden ebenso 
zwecklos wie die unbeschränkte Beziehung derselben auf die Be- 
schnittenen dem Grundgedanken der ganzen Stelle zuwider ist. Die 
Begründung dieser Fassung durch die beispiellose und denkwidrige 
Inversion von τοὶς οὐχ für οὐ τοῖς (wie Vers. u. Väter geradezu 
emendiren) ist ebenso unhaltbar, wie Wieseler's Versuch (HE XX, 
p-. 592), der in τοῖς οὐχ 2x περεῖ. μόνον einträgt: »welche die Be- 
schneidung nicht zur alleinigen Bedingung des Heils machen«, so 
dass Paulus a) die nicht streng nomistischen Judenchristen (wie sie 
namentlich in Palästina sich fanden) und b) die Paulinischen Juden- 
christen bezeichne (vgl. Böhmer). Des Art. vor axpoßvoras (Rcept. 
nach KLP) ist als Konformation nach V. 11 zu streichen. 


198 Röm 412. 13. 


entspricht dem griechischen βαδίζειν ἴχνεσι (Plat. Scl. 80) und 
wird zum Dat. Dos, indem es nach der Natur des Verbums 
ein Ort ist, auf den sich die Handlung bezieht (vgl. Kühner 
$ 4261). — τοῦ πατρὸς ἡμῶν ᾿Αβραάμ) ist keineswegs 
bei dieser Fassung unpassend (gegen Hofm.), da es noch ein- 
mal mit Nachdruck hervorhebt, dass es sich um Abraham als 
unseren Vater handelt, von dem her uns die Theilnahme an 
seinen Gütern erwächst. (zu denen zunächst und vor Allem die 
ihm widerfahrene gnadenreiche Zurechnung der Gerechtigkeit 
gehört), weil an diesen Begriff das Folgende anknüpft. 

V. 13 begründet (γάρ), dass die Vaterschaft Abrahams, 
welche seinen Kindern die Theilnahme an seinen Gütern ge- 
währleistet, sich nicht bloss auf die beschnittenen Gläubigen 
und auch bei den Beschnittenen nur auf die Gläubigen er- 
streckt (V. 11f). Behufs dieser Begründung geht Paulus nun 
auf dasjenige Gut zurück, das dem Abraham und seinem 
Samen verheissungsmässig zugesprochen war und also spezifisch 
als sein Erbtheil betrachtet werden konnte. Indem er aber 
zeigt, wie auch die Verheissung, welche das gesammte Heil in 
sich schliesst (ἡ ἐσεαγγελέα, wie Gal 8:7), nicht durch eine 
gesetzliche Ordoure, wie sie Israel von den Völkern 
unterschied, vermittelt war, vollendet er den Beweis für die 
Universalität der mit der zugerechneten Gerechtigkeit ge- 
setzten neuen Heilsordnung. Denn wie er Kap. 2 gezeigt, 
dass weder der Besitz des Gesetzes, noch der Beschnei- 
dung auf jüdischer Seite die Allgemeinheit der Sündhaftig- 
keit aufhob, so zeigt er nun hier, dass weder von der Be- 
schneidung die Gerechtigkeit (V. 9—12), noch vom Gesetz 
das damit gegebene (verheissene) Heil abhängt (V. 13—17.) — 
Das artikellose διὰ νόμου, dem ja im Gegensatz das ebenso 
artikellose διὰ dıx. szior. entspricht, zeigt, das nicht von dem 
Mosaischen Gesetz in concreto die Rede ist, sondern von einer 
gesetzlichen Ordnung, wie sie nachmals Israel an dem Gesetz 
besass (Hofm., Beck Luth., Goeb.); und die Vermittelung 
durch eine solche kann allerdings nur so gedacht werden, dass 
die Erfüllung der Verheissung an die Erfüllung dieses Ge- 
setzes zebunden wäre ἢ. Der Apostel hebt ausdrücklich her- 





*, Meyer u. d. M., die noch an der Beziehung auf das Mosaische 
Gesetz festhalten (wie Lips.), weisen ausdrücklich die Beschränkung 
der hier gemeinten Vermittelung auf die Bindung des Verheissungs- 
guts an die Erfüllung des Gesetzes (Piscat., Calov., Pareus, Grot. 
τ. M.) zurück, obwohl sich doch eine andere kaum denken lässt. Ge- 
wiss ist nicht bloss an die Beschneidung gedacht, welche unter den 
weiteren Begriff des Gesetzes gebracht sei (Mehr., vgl. Böhmer), wo- 
mit der eigentliche Gedankenfortschritt aufgehoben wäre, aber die 


Röm 41s. 199 


vor, dass die Verheissung nicht durch ein Gesetz vermittelt 
ist für Abraham oder für seinen Samen, d.h. für seine Nach- 
kommenschaft (ἢ τῷ σπέρματι αὐτοῦ, vgl. zu 15); denn 
‘wenn auch nicht bei Abraham, so könnte doch bei seinem 
Samen, dem thatsächlich eine solche gesetzliche Ordnung ge- 
eben wurde, die Vermittelung durch dieselbe in Frage kommen. 
Daraus erhellt aber klar, dass hier τὸ σπέρμα αὐτοῦ noch 
ganz in seinem alttestamentlichen Originalsinne genommen ist 
von seiner leiblichen Nachkommenschaft (v. Heng., Beck), 
nicht aber von seiner geistlichen Nachkommenschaft, den 
Gläubigen (Meyer, Lips. u. ἃ. M.), auf welche erst unter aus- 
drücklicher Motivirung V. 16 der Begriff ausgedehnt wird, ge- 
schweige denn von Christus nach Gal 816 (Est., Corn. a. Lap., 
Olsh.). — τὸ κληρονόμον αὐτὸν εἶναι χόσμου) Epexe- 
gese von 7 ἐ7ταγγελία, das darum von dem Verheissungsinhalt 
enommen werden muss. Zu der Substantivirung des Acc. c. 
Inf. durch den vorgesetzten Art. vgl. Kühner $ 461, 7. Das 
αὐτόν geht auf Abraham allein, weil derselbe zugleich als 
Vater und Vertreter seines von der Verheissung mit einge- 
schlossenen osregua gedacht ist. Eben darum ist ja der Aus- 
druck κληρονόμος gewählt, der, wie Jer 810. Mich 116, noch 
nicht im Sinne des Erben steht (vgl. Jak 25. Hebr 117), 
aber doch ausdrücklich auf einen weiter zu vererbenden Besitz 
hindeutet. Der Erbbesitz des Landes Kanaan, welcher dem 
Abraham für sich und seine Nachkommenschaft von Gott ver- 
heissen war (Gen 127. 1314. 15ıs. 178, vgl. 263. Ex 64), wird 
wohl von dem Apostel als ein Typus für den Besitz des 
vollendeten Heils im Messiasreiche gedacht (vgl. Mt 55) ἢ. — 


— 





Anordnung der Beschneidung würde mit unter den Begriff dieser ge- 
setzlichen Ordnung fallen, wenn überhaupt von einer solchen Ver- 
mittelung die Rede sein könnte, insbesondere für Abraham, der ja zu 
ihr allein ausdrücklich verpflichtet wurde. Vgl. Hofm. Gewöhnlich 
ergänzt man bei ἡ Zneyyelie: ἐγένετο (vgl. noch Luth., Goeb.); aber 
mit Recht bemerkt Meyer, dass das einfache ἐστέ genügt (vgl. V. 9), 
da das Verhältniss vergegenwärtigt wird, wie es in der Schrift ATs 
noch jetzt vorliegt. | 

*) Da aber in Stellen, wie 2217f. (vgl. 1818) eine Ausdehnung 
dieses Besitzes und der damit verbundenen Herrschaft über die Völker- 
welt angedeutet lag, und die jüdische Theologie jedenfalls die Ver- 
heissung von dem Weltregimente der messianischen Theokratie fasste 
(Tanchuma p. 165, 1: Abrahamo patri meo Deus possidendum dJedit 
coelum et terram), so nimmt man meist an, dass Paulus hier wirklich 
an die messianische Weltherrschaft denke (Lips.), welche er nur ihrer: 
jüdisch-partikularistischen Vorstellungsform entkleide und auf die 
Theilnabme der Gläubigen (IKor 62, vgl. IITim 212) an der Welt- 
herrschaft, zu welcher Christus selbst erhoben sei, wie sie in der 
neuen Welt nach der Parusie verwirklicht werden soll, beziehe (so 


200 Röm 418. 14. 


ἀλλὰ διὰ διχαιοσύνης πίστεως) Wie Paulus V. 11 das 
Bundeszeichen der Beschneidung als Siegel der Glaubensge- 
rechtigkeit fasst, so denkt er hier konsequent die Bundesver- 
heissung Gen 17’f. als vermittelt (d. ἢ. bei Gott motivirt) 
durch die Glaubensgerechtigkeit, welche jenes Bundeszeichen 
bestätigt. Freilich war dem Abraham diese Verheissung 
schon vor seiner Rechtfertigung gegeben (Gen 127. 1314f.); 
aber sie ist ihm nach derselben wiederholt worden (15 ıs. 175); 
weshalb angenommen werden muss, Paulus habe hier lediglich 
diese letzteren Stellen im Sinne gehabt (Meyer) oder voraus- 
gesetzt, dass Gott bei jenen bereits die Glaubensgerechtigkeit 
Abrahams, die in ihm vorhanden war, ehe er sie ihm zu- 
sprach, im Auge gehabt habe (vgl. Beck, Luth., Böhmer). 

mer fühlt Paulus selbst, dass der Beweis für diesen hier 
ausgesprochenen Satz sich nicht, wie der Beweis für die Un- 
abhängigkeit der Theilnahme an der Gerechtigkeitszurechnung 
von der Beschneidung (V. 9—12), aus der im AT vor- 
liegenden Geschichte Abrahams führen lasse, und führt den- 
selben daher überhaupt nicht auf historischem Wege (wie Gal 
315—ıs), sondern durch allgemeine Erwägungen, welche von 
der Natur jener Gesetzesvermittelung ausgehen. 

V. 14f. ei γάρ) In dem Begründungssatz wird in an- 
derer Form das 12 13 Verneinte hypothetisch gesetzt, um aus 
der Undenkbarkeit seiner Konsequenz die See dieses 
Falles zu zeigen. Es handelt sich um den Fall, dass die, 
welche, was sie sind, auf Anlass eines Gesetzes sind (οἱ ἐχ 
vöuov nach Analogie von 28. 32. 412), Besitzer (κληρονόμοι), 
resp. Erben des nach V. 13 dem Abraham und seinem Samen 
verheissenen höchsten Heiles sind. Aus diesem Prädikat des 
Satzes ergiebt sich näher, dass es sich um solche handelt, 
welche auf gesetzlichem Wege zu dem verheissenen Besitz ge- 
langen wollen (vgl. Lips.), indem das Gesetz ihnen diesen Be- 
sitz als Lohn für seine Erfüllung, an die er als Bedingung 
geknüpft ist, zusprechen soll; und zwar gilt der Satz von jeder 


Meyer, de W. u. V., vgl. Hofm., Luth., Groeb.), oder lässt ihn geradezu 
in pharisäischem Sinne reden, wie Zimmer. Willkürlich dagegen ist 
es, χόσμου hier anders als allgemein zu fassen, und es entweder bloss 
auf den Erdkreis zu beschränken (Koppe, Kölln., Maier), oder von der 
Herrschaft der Juden über die Heidenwelt (v. Heng.) zu nehmen, oder 
gar den ganzen Ausdruck von der geistlichen Vaterschaft über alle 

ölker (Mehr.), von der Aufnahme aller Völker in das Messiasreich 
(Beza, Est. u. M.), von der messianischen Glückseligkeit überhaupt 
(Wttst., Flatt, vgl. Benecke u. Glöckl.), oder von der geistigen Welt- 
herrschaft (B.-Crus.' zu erklären. Der Art. vor χοσμου (Rcept. nach 
KLP); ist zu streichen. 


Röm 4ı4f. 201 


gesetzlichen Ordnung, durch die etwa die Verheissung ver- 
mittelt sein könnte (V. 13)*). — χεχένωται ἡ τείστις) Die 
von vorn herein für den Apostel undenkbare Konsequenz wäre, 
dass der Glaube seines eigentlichen Wesens, der Zuversicht 
auf die Erlangung der Verheissung, entleert ist (vgl. IKor 915. 
II Kor 95), sofern bei der dann nothwendig eintretenden Folge 
an diese nicht mehr zu denken ist (vgl. Hofm., Volkm., God., 
. Böhmer), und dass völlig ausser Kraft und Gültigkeit 
esetzt ᾿ ist Mariernrar, wie 38.9) ἡ ἐπσεαγγελία (wie 

. 13), weil die Verheissung die gnädige Gesinnung des Ver- 
heissenden voraussetzt und, sobald diese sich in Zorn wendet 
V. 15), selbstverständlich ausser Kraft tritt **). — V. 15 nennt 
en im Vorigen vorausgesetzten Grund für die Entleerung des 
(Glaubens und die Abschaffung der Verheissung: ὁ γάρ νόμος 
ὀργὴν κατεργάξεται, das Gesetz bringt Zorn zu Wege 
1x. 2s), sofern es bei dem Vorhandensein der Sünde im 

enschen immer zu Uebertretungen kommt, welche den 
Menschen ὑσεόδικος τῷ Hey machen (819) und also seinen 
Zorn erregen. Dann aber wäre es thöricht, noch auf die Er- 
füllung einer Verheissung zu vertrauen, welche an die Er- 
füllung des Gesetzes gebunden war ***). — οὗ δὲ οὐκ ἔστιν 
γόμος) Es handelt sich auch hier nicht um das Mosaische 


Ἢ Es ist also auch hier nicht von dem Mosaischen Gesetz in 
concreto die Rede (so gew., auch Meyer, Lips.), in welchem Falle ja an die 
Juden zu denken wäre, obwohl doch Paulus nicht behaupten kann, 
dass diese an sich von der xAnpovouf« ausgeschlossen sind (vgl. V. 16), 
und die Hinzufügung eines »sofern sie nicht gläubig sind« ganz will- 
kürlich ist. Natürlich ist ebenso wenig von dem Sittengesetz im 
Unterschiede davon die Rede (Flatt u. M.). Mit der Vernachlässigung 
des Fehlens eines Artikels vor vouos hängt es zusammen, dass man 

ewöhnlich ganz ungenau Gesetzesangehörige (de W., Meyer, Goeb., 
Zimmer) übersetzt (vgl. Volkm.: Gesetzesbesitzer). Das Richtige vgl. 
bei Hofm., Luth. 

48) Diese Fassung folgt nothwendig aus V. 15, der nicht bloss 
das χατήργ. ἡ ἐπαγγ. (Chrys., Frtzsch., Mehr. u. A.), sondern auch das 
κεχέν. ἡ πίστις begründet. Dann kann aber dieses nicht, wie IKor 
111, in dem Sinne genommen werden, dass der Glaube seiner eigen- 
thümlichen Heilskraft beraubt wird (Meyer, vgl. Otto, Zimmer), wie 
jenes nicht davon, dass man dann das Verheissene als Verdienst for- 
dern könnte (Koppe u. A., vgl. noch Zimmer). Aehnlich wohl Sand. 
Dass dann Jdie nur gnadenweise zu erlangende Gerechtigkeit abhanden 
gekommen wäre, und folglich die ἐπαγγελία ibrer Wirksamkeit be- 
raubt (Lips.), steht nicht da. 

4492) Natürlich ist nicht von dem menschlichen Zorn gegen Gottes 
Gericht die Rede, den das Gesetz aufregt (Melanth.); aber auch nicht 
von dem Gotteszorn, wie er am Gerichtstage sich offenbart (25), sondern 
von der Zornerregung. welche unmittelbar durch jede Gesetzesüber- 
tretung provozirt wird. 


202 Röm 415. 16[. 


Gesetz, sondern um den Fall, wo kein Gesetz gegeben ist, an 
dessen Erfüllung die Verheissungserfüllung gebunden wäre, 
und nicht um die Glaubensgerechtigkeit, die Lips. einträgt. 
Wo ein solches nicht ist, da ist auch nicht Uebertretung des- 
selben (οὐδὲ παράβασις, vgl. 22), durch welche die gnädige 
Gesinnung des Verheissenden in Zorn gewandelt, und die Er- 
füllung der Verheissung aufgehoben werden kann ἢ. So hat 
der Apostel nachgewiesen, dass, wenn die Verheissung durch 
eine gesetzliche Ordnung vermittelt wäre, sie sich selbst auf- 
höbe, da die Bedingung (der Gesetzeserfüllung), die ihre Er- 
füllung bewirken sollte, dieselbe (bei der faktisch vorhandenen 
menschlichen Sündhaftigkeit) nothwendig hindert, woraus 
allerdings a priori die Unmöglichkeit des V. 13 bestrittenen 
Falles folgt. | 

V. 16f. dia τοῦτον vgl. 1536, folgert aus V. 14f., da in 
beiden Versen im engsten Zusammenhange nachgewiesen war, 
wie jede (Gesetzesvermittelung die Verheissung illusorisch 
mache, dass die dem Abraham und seinem Samen gegebene 
Verheissung nicht durch ein Gesetz vermittelt sein könne 
(V. 13). Da nun aber dort bereits den ausschliessenden Gegen- 
satz dazu die Vermittelung dıa δικαιοσίνης rriorswg bildet, so 


"ἢ Sünde wäre natürlich auch dann vorhanden (6818), und die 
Auskunft Meyer's, dass die Sünde erst in ihrer Qualität als Ueber- 
tretung des positiv gegebenen Gesetzes spezifisch zornerregend werde 
ıvgl. Zimmer), von dem ohnehin hier gar nicht die Rede, ist doch 
ungenügend, wie gerade 5dı4 zeigt, wonach auch die nicht in der 
Form der παράβασις auftretende Sünde den Tod wirkt. Aber die 
Frage, ob der Mensch ein Sünder ist oder nicht, kommt ja für die 
Erfüllung der Verheissung, wenn dieselbe an keine Gesetzeserfüllung 
kenunler ist, nicht in Betracht, da 33 ausdrücklich sagt, dass die 

reue Gottes gegen seine Verheissung durch menschliche Sünde an 
sich nicht aufgehoben werden kann. Darum heisst auch οὐδέ nicht 
»nicht einmal« ıMeyer), da »es nicht die Uebertretung dem Zorn gegen- 
über stellt, sondern sich auf die Verneinung des Vordersatzes bezieht« 
(Hofm.: ebensowenig, vgl. Volkm.).. Statt des zweiten yap nach οὐ 
(Rept.) ist unzweifelhaft mit NABC cop. arm. de zu lesen. Meyer liest 
γάρ; aber,dann läge allerdings die positive Fassung viel näher, die 
auf den hier ganz fremdartigen Gedanken führen würde, dass das 
Gesetz die im Menschen schlummernde Sünde zur Uebertretung solli- 
zitirt (Röm 77ff. Gal 819). Hofm., der ebenso liest, will darum den 
Satz als »rechtfertigende Erklärung« fassen und kommt doch darauf 
heraus, dass kein Gesetz ist, das nicht übertreten würde, und keine 
Vebertretung, die nicht Zorn erregt, was ebenfalls nicht dasteht. Es 
lag um so näher, den Vers als Begründung zu fassen, da der Nach- 
satz nicht den Gegensatz zu ὀργὴν χαταργ. enthält, sondern das, was 
diese Zornerregung begründen würde. (od. liest zwar de, will das- 
selbe aber: ja sogar übersetzen und den Satz als eine Art Parenthese 
nehmen (vgl. Sand.). 


Röm 4ısef. 203 


wird gleich die positive Folgerung daraus gezogen, dass der 
Verheissungsbesitz (ἡ χληρνονομία) ἐκ πίστεως herkomme, 
d. ἢ. auf Anlass Glaubens ertheilt werde*. — ἕνα χατὰ 
χάριν) damit sie gnadenweise komme. Käme die Ver- 
heissungserfüllung auf Grund irgend einer gesetzlichen Leistung, 
so würde sie nach V. 4 pflichtmässig ertheilt, was dem Wesen 
der Verheissung widerspricht. Hier wird vollends klar, dass 
das ἔχ πίστεως ebenfalls aus V. 13 ergänzt werden muss, wo 
ja direkt ausgesagt war, dass das Verheissungsgut nur durch 
die der πίστις gnadenweise zugerechnete Gerechtigkeit ver- 
mittelt ist, also selbst gnadenweise auf Anlass Glaubens ertheilt 
wird. Es ist also auch hier nichts Anderes zu ergänzen als: 
n κληρονομία ἢ (willkürlich Luth.: damit Gnade das Nor- 
mirende für das Verhältniss von Gott und Mensch sei, Volkm.: 
damit es nach Gnaden gehe, Lips.: γένηται). — εἰς τὸ εἶναι 
βεβαίαν τὴν Emayyskiav) enthält nun wieder die göttliche 
Absicht, welche bei diesem χατὰ χάριν obwalte. Hier aber 
wird erst recht klar, dass es sich im Vorigen um den Ver- 
heissungsbesitz gehandelt haben muss, da ja bei der Art seiner 
Ertheilung intendirt war, dass die ἐσεαγγελέα test sein (βέβαιος, 
vgl. IVMak 17;s, hier im Sinne von unverbrüchlich, wie Hbr . 
22. 917), also kein χαταργεῖσϑαι derselben (V. 14) eintreten 
sollte. Dies war ‘aber Dicht möglich, wenn die ärreyy. an eine 
esetzliche Verpflichtung gebunden war, da dann jeder Mangel 
ieser Erfüllung sie aufhob, und der seiner mangelhaften 
Erfüllung sich bewusste Mensch nie eine feste Zuversicht 
zu der ἐπαγγελία fassen konnte, was Lips. zu übersehen scheint. 
— παντὶ τῷ σπέρματι) Dat. comm.: für die gesammte 
Nachkommenschaft. Hieraus erhellt, dass die Auseinander- 
setzung über die Unabhängigkeit der Erz&yy. von einer gesetz- 
lichen Verpflichtung doch zuletzt nur dazu dient, die Uni- 
versalität derselben in’s Licht zu stellen. Wie der Apostel 
V.9—12 gezeigt hat, wodurch Gott angedeutet habe, dass die 
aus der Vaterschaft Abrahams fliessenden Rechte (und zwar 
zunächst die Rechtfertigung) seinen Kindern im metaphorischen 


Ἢ Da das διὰ τοῦτο nicht aus V. 15 allein folgert (Meyer), so 
kann ἐχ πέστεως nicht aus V. 14 ergänzt werden (de W., Meyer, 
Volkm., Otto, Böhmer: χληρονόμοι εἰσίν), sondern nur aus dem durch 
V. 14f. begründeten Satze (V. 13), freilich nicht sowohl durch ἢ 
ἐπαγγελίᾳ γένεται (Grot., Thol., Frtzsch. u. A.) oder ἐγένετο (Goeb.), 
da dann, wie dort, διὰ δικαιοσύνης πίστεως stehen würde, sondern, wie 
das 2x zeigt, durch den Begriff der Verheissungserfüllung, der nach 
dem χληρονόμον εἶναι V. 13 als ἡ xAnpovoul« ἐστίν gedacht ist (Beza, 
Beng., vgt. Hofm., God.). Kontextwidrig ergänzt Chr. Hoffm. ἡ διχαιο- 
σύνη, Zimmer: die Gerechtigkeit und Verheissung, Sand.: der göttliche 
Heilsplan. 








204 Röm 4ıef. 


Sinne der Wesensähnlichkeit zukommen sollen, so zeigt er 
hier, dass Gott den Verheissungsbesitz an Glauben geknüpft 
und gnadenweise habe ertheilen wollen, damit die Verheissung 
nicht bloss dem Samen im eigentlichen (leiblichen) Sinne, 
sondern auch dem Samen im metaphorischen Sinne, d. h. im 
Sinne der geistigen Wesensähnlichkeit, also dem ganzen 
Samen festbleibe. Das οὐ τῷ &x τοῦ νόμου μόνον kann 
nur auf die leiblichen Nachkommen Abrahams gehen, welche 
auf Grund der Bestimmung des Gesetzes beschnitten und in 
Folge der Annahme dieses Bundeszeichens der gotterwählte 
Same Abrahams und Erben seiner Verheissung sind. Denn 
das &x τοῦ νόμου weist bestimmt auf das Mosaische Gesetz 
hin und ist insofern keineswegs gleich dem οἱ &x νόμου V. 14 
(Lips), sondern bezeichnet die leiblichen Nachkommen 
Abrahams als solche, welche lediglich aus dem Gesetze her 
σπέρμα ’Aßgaau sind. Das οὐ — μόνον aber bezeichnet 
eben nicht einen Theil des Samens, dem Gott durch die An- 
ordnung der gnadenweisen Ertheilung der χληρονομία auf 
Anlass Glaubens die ἐχεαγγελέα unverbrüchlich machen wollte 
(Luth.), sondern es erläutert die Aussage, dass Gott sie dem 
anzen Samen unverbrüchlich machen wollte, dadurch, dass 
ies nicht nur von dem Samen Abrahams im gesetzlichen 
Sinne gelten sollte, dem als solchem die ἐπαγγελία eignete 
und zwar fest und unverlierbar, da ja nach 1128[. Gott seine 
in der Erwählung gegebene Heilsbestimmung nicht zurück- 
nehmen kann, und menschliche Untreue die Treue Gottes 
nicht aufhebt (85) ἢ). — ἀλλὰ καὶ τῷ ἐκ πίστεως ’APR.) 


*) Dies übersehend denken schon hier die Ausleger stets an den 
Samen im metaphorischen Sinne, also an die gläubigen Juden (vgl. 
wieder Lips... Aber einen Samen in metaphorichem Sinn, der es auf 
Anlass des Gesetzes ist, giebt es nicht, da das Mosaische Gesetz eben 
von einem Samen Abrahams in diesem Sinne nichts sagt und über 
ihn nichts bestimmt. Man muss also entweder das 2x τοῦ νόμου um- 
deuten (vgl. de W. u. A.: der das Gesetz hat) oder dem Begriff des 
σπέρμα einfach den der Gemeinde Gottes in Christo Jesu unterschieben 
(Hofm.), wobei dann 2x τοῦ νόμου heissen soll: »unter dem Gesetz, 
dessen Anfang die Beschneidung war, hergekommen sein«. Es steht 
eben hier nicht wie V. 11f., wo auf das väterliche Gut der gnaden- 
reich zugerechneten Gerechtigkeit, welche ja der Natur der Sache 
nach nur dem Einzelnen und nicht dem Volk als solchem zu Theil 
wird, auch von den Beschnittenen nur die Gläubigen Anspruch 
haben. Wie Gott es machen wird, dass einst ganz Israel verheissungs- 
mässig zur χληρονομέα gelangt (und darum dann freilich auch die ein- 
zelnen Israeliten zu der dieselbe vermittelnden διχαιοσύγη πίστεως), 
zeigt Paulus Kap. 11. Die Heranziehung dieses Kap. nennt Luth. 
»willkürlich«; er hat aber nichts beigebracht, was das wortwidrige 
Quid proquo der gewöhnlichen Auslegung rechtfertigt. 


Röm 4ıef. 11. 205- 


Hier wird nun aufs klarste gesagt, dass es sich um ein σπέρμα 
im metaphorischen Sinne handelt; denn die es in Folge 
Abrahamitischen Glaubens sind, sind es eben in Folge der 
geistigen Wesensähnlichkeit mit Abraham. Dass auch dem 
σπέρμα in diesem Sinne die &rrayy. fest und unverlierbar ge- 
hören sollte, und nicht nur dem gesetzlichen Samen, dem sie: 
von vorn herein unverbrüchlich gehört, sieht Paulus dadurch 
angedeutet, dass der Verheissungsbesitz lediglich von πίστις 
abhängig gemacht und zu gnadenweiser Ertheilung bestimmt. 
war (ἐκ πείστεως ἵνα χατὰ yapıv), da jenes sie ihm gehörig 
und diese sie unverbrüchlich macht ἢ. — ὃς ἐστιν πατὴρ 
σπἄντων ἡ μῶ ν) ist der Korrelatbegriff zu dem rzav τὸ σπέρμα, 
indem in dies σπεάντες ἡμεῖς ausser Paulus und den mit ihm 


‚ 


der περιτομὴ AuB ONE) Gläubigen (V. 12) auch alle gläubigen 
Heiden eingeschlossen sind, zu denen dann freilich auch 
die Leser gehören müssen. Dieser bereits V. 11 klar- 
gelegte Vaterstand des Patriarchen (im metaphorischen Sinne) 
wird noch einmal ausgesprochen, um ihn schliesslich noch 
direkt aus der Schrift zu bezeugen, da auf die Annahme eines. 
solchen sich ja die Universalität der Gerechtigkeit und des 
Heils gründet **). — V. 17. χαϑὼς γέγραπται) vgl. 1ır, 


8) Da es ganz willkürlich ist, vor &x πέστ. ein μόνον zu ergänzen 
(Reiche, Rück., Phil., Mehr.), so erhellt hier aufs Neue, dass das vor- 
hergenannte σπέρμα es nicht in Folge Glaubens ist, also nicht die 
tee Juden bezeichnet. Dies hat Hofm. richtig erkannt, be- 

auptet aber, dass das nur der Fall wäre, wenn ἐχ πίστεως allein 
stände (wie es Frtzsch., Krehl nehmen, die ganz künstlich vor 4ße. 
das σπέρματε ergänzen und es mit dem Genit. ‘ße. verbinden), 
während Abraham hier als ein als Unbeschnittener Gläubig- 
gewordener in Betracht komme, und so die in Folge gleichen Glaubens 
σπέρμα Gewordenen solche seien, die als Unbeschnittene gläubig ge- 
worden, im Gegensatz zu den jüdischen Gliedern der Gemeinde 
Gottes. Aber diese Einschaltung (»ale Unteschnittener«) ist ganz 
willkürlich und bilft durchaus nichts, da es ja nur beweisen würde, 
dass die im Gegensatz Genannten nicht σπέρμα sind in Folge Glaubens, 
wie ihn Abraham in seinem Unbeschnittensein hatte; da dieser aber 
kein anderer ist, ale den er als Beschnittener hatte, so sind sie es 
überall nicht 2x πίστεως βρααμ. 

**) Da somit hierin die ganze Ausführung über das σπέρμα 
gipfelt, kann hier nicht etwas Neues anheben, wie Hofm. will, welcher 
p. 147ff. herausklügelt, dass V. 13-16 nur Begründung von V. 12b- 
und indirekt von V. 9—11 ist, dass nun erst die Begründung von 
V. 2 vollendet ist und die eigentliche Antwort auf V. 1 beginnt! Um 
auch hier die Thatsache su verdecken, dass die folgende Schriftstelle 
abweichend von ihrem Originalsinn angewandt wird, behauptet er, 
es solle gesagt sein: Wie Abraham, als das Wort Jehovahs an ihn 
erging, sichtbarer Weise nur ein Einzelner war, so sei auch dies 
Vaterverhältniss nicht natürlicher Weise wahrnehmbar, sondern in Gott 








206 Röm 4:11. 


bezeichnet die Uebereinstimmung dieser (aus den Andeutungen 
der Schrift über den Umfang des σπέρμα entnommenen) That- 
sache mit dem Inhalt der Schriftstelle Gen 175, die Paulus, 
wie immer, nicht typisch (Meyer), sondern nach ihrem ein- 
tachen Wortlaut nimmt. Er führt sie genau nach den LXX 
an. Ob er bei dem ὅτε darauf reflektirt habe, wiefern es im 
Zusammenhange der Stelle Kausalpartikel sei (vgl. Böhmer), 
oder ob er es nur als Bestandtheil des Schriftworts wiederge- 
geben (Meyer) oder vielleicht einfach als ὅτε recit. genommen 
(vgl. 310), lässt sich nicht ausmachen. Aber wenn die Stelle 
sagt: »ich habe Dich zum Vater vieler Völker gesetzt«, ἃ. ἢ. 
eingesetzt und so dazu gemacht (vgl. IMak 106. Hom. Od. 
15, 253. Hbr 12), so sieht Paulus die Weissagung dieser 
Schriftstelle nur erfüllt, wenn es ein σπέρμα ”Aße. in jenem 
umfassenden Sinne giebt, da ja im engeren Sinne (ἐχ τοῦ 
youov) Abraham keineswegs Vater vieler Völker geworden ist. 
— κατέναντι — ϑεοῦ) gehört zusammen und knüpft an 
ὃς ἐστιν πατὴρ πάντων ἡμῶν V. 16 an*). Eine eigentliche 
Parenthese kann man darum das Citat nicht nennen (so gew., 
auch Meyer), da diese zwischensätzliche Begründung aus der 
Schrift ein wichtiges Moment im Gedankengange ist und erst 
motivirt, wie fern Abraham vor Gottes Angesicht (im Gegen- 
satz zu den Menschen, denen er nur als Vater der Juden 
alt) als Vater aller Gläubigen dasteht. Das κατέναντι, gleich 

em klassischen «arevavrıov, heisst; gegenüber, Angesichts, 
coram (vgl. Ex 325. Ez 40 1. Sach 144). Die Attraktion 
οὗ ἐπίστευσεν ist mit den Meisten (vgl. noch Luth.) auf- 
zulösen in χατέναντι ϑεοῦ ᾧ ἐπίστεισεν. Zwar ist die 
Attraktion des Dat. ungewöhnlich; aber sie kommt bei den 


begründet und geistlicher Art. Aber dies ginge eben nicht auf die 
Schriftstelle, sondern auf die geschichtlichen Verhältnisse des Wortes, 
das in ihr aufbewahrt, obwohl Paulus auf diese nie reflektirt. 

4) Mehr., welcher ϑεοῦ τοῦ ζωοπ. als gen. abs. fasst, wie neuer- 
dings Otto, will gegen allen Sprachgebrauch χατέν. οὗ = χατέν. τούτου 
ὅτε (propterea quod, vgl. &v$’ ὧν Lk 120) nehmen, während Otto das 
οὗ al Cen. von ö nimmt: dem gegenüber er glaubte (vgl. Beck: »mit 
Rücksicht worauf er glaubte, dass Gott es iste. Phil, Lips u. A. 
verknüpfen χατέν ϑεοῦ mit dem Citat mit Ergänzung von: und als 
solcher ist er eingesetzt worden (vgl. Beng., der auf Matth. 96 ver- 
weist und God.: was in Gegenwart Gottes etc. schon wahr war), 
v. Heng. mit χαϑὼς γέγραπται mittelst eines Asyndeton (als ob χαΐί 
stände), wie Hofm. als Erklärung desselben (im Zusammenhange mit 
seiner erkünstelten Missdeutung des χαϑώς 8. d. vor. Anm.) Will- 
kürlich sind auch die Deutungen des χατέγαντε: ad exemplum (Chrys.., 
Theodoret., Theophyl. u. M.). »nach dem Willen« (Reiche, Krehl u. M.). 
»nach dem Urtheile« (Rück., Kölln., Frtzsch., Maier, Umbr., Lips. u. M.), 
>vi atque potestate divina« (Koppe), »vor Gottes Allwissenheit« (Olsh.). 


Röm 411. 207 


Griechen vor (Kühner $ 555, 2. Anm. 4) und ist wahrschein- 
lich auch dem NT nicht fremd (vgl. Buttm., neut. Gr. p. 
247)*. Die Hervorhebung des Glaubens Abrahams hat 
ihren Grund darin, dass er ja vor Gottes Angesicht als Vater 
‚ unser Aller, d. ἢ. der Gläubigen im metaphorischen Sinne 
dasteht, was voraussetzt, dass dieser Glaube seine ihn aus- 
zeichnende Eigenthümlichkeit war. — τοῦ ζωοπεοιοῦντος 
τοὺς νεχρούς) Diese Charakteristik Gottes deutet auf die- 
jenige Eigenschaft Gottes hin, um deretwillen Abraham ihm 
vertraute, so dass schon hier die Erörterung ihren Schwerpunkt 
in der Schilderung des Abrahamitischen Glaubens hat. Nun 
war aber gerade im Zusammenhange mit Gen 15s ihm die 
Verheissung gegeben, dass ihm ein Erbe von seinem Leibe 
kommen solle (V. 4), und dieser Verheissung konnte er nur 
vertrauen, wenn er Gotte als dem Allmächtigen glaubte, als 
dessen Charakteristikum auch sonst das Lebendigmachen der 
Todten gilt (IIReg ὅτ. Neh 96, vgl. ISam 26. Din 32), 
und der also auch seine erstorbenen Zeugungskräfte beleben 
konnte "ἢ. — xaloüvrog τὰ un ὄντα ὡς ὄντα) Wie das 


Ἢ Meyer, Phil., Hofm., Goeb. wollen nach Win. 8 24, 2, 6 die 
Attraktion auflösen durch zerevevrı οὗ ἐπέστευσεν, obwohl dieser völlig 
beispiellose Ausdruck keinen erträglichen Sinn giebt. Meyer sagt: 
»Abraham ist vergegenwärtigt, wie er Angesichts des ihm erschienenen 
Gottes steht als πατὴρ πάντων ἡμῶν und in conspectu Dei gläubig ge- 
worden ist. Diese lebendige Veranschaulichung des gläubigen Erz- 
vaters, als ob er, wie einst in jenem heiligen Momente der Geschichte, 
ale unser Aller Vater vor Gottes Angesicht dastehe, ist eine Plastik 
der Darstellung, welche ganz zu dem gehobenen, fast dichterischen 
Schwung der folgenden Worte passt« (vgl. Phil... Vgl. gegen diese 
erkünstelte Erklärung Hofm. p. 152, der aber nicht weniger künstlich 
in Folge seiner unrichtigen Fassung von χαϑὼς γέγραπται erklärt: 
»Als dem, welcher die Todten lebendig macht u. 8. w., hat er damals 
Gotte gegenübergestanden, als er glaubte, und dadurch, dass sich 
Gott als eben denselben erwiesen hat, als welchem er ihm damals 

egenüberstand, ist es 80 gekommen, dass er jetzt ihm gegenüber 

ater von uns Allen ists. 
**) Der Ausdruck kann nicht motiviren, wiefern Abraham vor 
‚seinem Angesicht als unser Aller Vater dasteht, da er sichtlich auf 
die Erweckung einer leiblichen Nachkommenschaft hinweist (und nicht 
'auf seine use Vaterschaft), und da ereben darum mit dem Citat 
‚aus Gen 175 nach der Paulinischen Deutung nichts zu thun hat (gegen 
Hofm., Lips... Eine Beziehung auf die Öpferung Isaaks, den Gott 
‚wieder lebendig machen könne (Erasm., Grot., B-Crus., Mang. p. 328), 
‚liegt dem Zusammenhange so fern, wie die Beziehung auf geistlich 
Todte (Orig., Ambrosiast., Anselm., vgl. Olsh., auch Ew., Böhmer, 
welche die Anwendung auf die Wiederbelebung der erstorbenen Heiden 
zu wahren Christen gemacht wissen wollen) oder gar auf die künftige 
Auferstehung Christi und der Gläubigen (Chr. Hoffm.). Jede Beziehung 
auf Geschichtliches will Otto ausschliessen. 


208 Röm 4:17. 18. 


erste Glied sich auf Gen 154 bezieht, so bezieht sich dieses 
auf Υ. ὃ, wo Gott Abraham die Sterne zählen heisst und 
dann spricht: Also soll Dein Same sein! Eben darum aber 
kann καλεῖν schwerlich den verfügenden Zuruf des Gebieters 
bezeichnen (Rück., Phil, Meyer, Lips., Sand. mit Verweisung . 
auf Ps 501. Jes 4026), da ja Gott in dieser Stelle über den 
Samen nichts verfügt, sondern nur etwas über seine Grösse 
aussagt. Will man aber das Rufen darauf beziehen, dass er 
die noch nicht vorhandene Nachkommenschaft herbeiruft, um 
sie dem Abraham vor Augen zu stellen und mit dem Sternen- 
himmel zu vergleichen (God., Otto). so bleibt man besser bei 
der Bedeutung »nennen« stehen (Olsh., Benecke, Hofm., Luth.). 
Er benennt (vgl. Gen 15.8) das, was doch noch nicht vor- 
handen ist (bem. die subj. Negation), als ob es vorhanden 
wäre, indem er von dem Samen Abrahams spricht, als ob er 
ihn bereits vor sich sähe, obwohl noch nichts davon vorhanden 
war. Auch so ist der Parallelismus ein klimaktischer; denn 
die Allwissenheit Gottes, wonach das, was erst werden soll, 
bereits wie vorhanden von ihm benannt wird, setzt voraus, dass 
er nicht nur Todte lebendig machen, sondern auch Nichtvor- 
handenes ins Dasein rufen I Das ὡς ist das einfache: 
wie der Vergleichung und schliesst daher die gewöhnliche 
Deutung des καλεῖν von dem schaffenden Ruf Gottes (Jes 41 4. 
4813. IIReg 8ı. Sap 112. Philo de creat. princ. p. 728B, 
wo τὰ un ὄντα ἐχάλεσεν noch durch eig τὸ εἶναι bestimmt 
wird; vgl. de Opif. p. 13 E) schlechthin aus *). 

V. 18—25. Der vorbildliche Glaube Arahams. 
— Nachdem gezeigt ist, dass die Zurechnung des Glaubens 
an Abraham ein ebensolcher Gnadenakt ist, wie die Ertheilung 
der ee Kae (V. 1—8), und dass dieselbe für alle 
Gläubigen bestimmt ist (V. 9—17), muss nun noch ausgeführt 
werden, wie der Glaube Abrahams seinem tiefsten Wesen 


*) Ob man dabei an die Schöpfung aus Nichts (Pisc., Est. u. V.), 
oder an die fortdauernde Schöpferthätigkeit Gottes denkt (Kölln.), 
bleibt sich ganz gleich, da ὡς nun einmal weder für εἰς zu nehmen 
(Luther, Wolf u. V.), noch ὡς öyr« gleich ws ἐσόμενα (de W.), oder 
kurzgefasster Ausdruck für εἰς τὸ εἶναι ὡς ὄντα (Reiche, Kölln., Thol., 
de W., Bisp.) ist. Auch Lips. denkt ohne solche Wortumdeutung an 
das Insdaseinrufen einer zahlreichen Nachkommenschaft. Ganz kon- 
textwidrig fassen Erasm., Koppe, Böhme und noch Frtzsch., Mang. 

‚329, in etwas künstlicherer Deutung v. Hong. das xaleiv von der 
Berufung im dogmatischen Sinne. Treffende Parallelen sind Philo de 
Jos. p. 544 C, wo es von der Einbildungskraft heisst: sie bilde τὰ 
μὴ ὄντα ὡς ὄντα, und Artemidor. 155 p. 46 ed. Rigalt., wo vom Maler 
gesagt ist, er stelle dar τὰ μὴ ὄντα ὡς ὄντα. 


Röm 418. 209 
nach kein anderer war, als der christliche*). — V. 18. ὅς) 


parallel dem ὃς ἐστι etc. V. 16, daher vom Vorigen nur durch 
ein Komma zu trennen, was ja nicht ausschliesst, dass der 
schon V.17 erwähnte Glaube Abrahams noch näher charakte- 
risirtt wird (gegen Luth.), zuerst durch das sinnvolle Oxymoron, 
wonach er wider alle menschliche Hoffnung (zae £Aride, 
vgl. Plat. pol. 295d u. oft bei Klassikern) und doch auf Grund 
von Hoffnung (ἐπ᾿ ἐλπίδι, vgl. Ps 49. 155. Prv 1), die er 
eben auf den allmächtigen Gott setzte, dennoch glaubte 
(£reiorevoev); und dann durch nähere Bezeichnung. des 
Glaubensobjekts. So fassen das εἰς τὸ γενέσϑαι αὐτόν 
mit Recht Beza, Reiche, Kölln, B.-Crus, de W. Krehl, 
Mehr., Hofm., Beck, Goeb., Böhmer **). Man muss dann nur 
nicht. wie allerdings meist geschieht, σειστεύειν im Sinne der 
zuversichtlichen Gewissheit nehmen, bei welcher Bedeutung 
man den einfachen Infin. oder einen Satz mit ὅτε erwarten 
würde Abraham vertraute darauf, ein Vater vieler Völker 
zu werden nach V. 17. Da aber V. 19f. zweifellos vom 
Glauben Abrahams an die Verheissung leiblicher Nach- 
kommenschaft die Rede ist, so wird auch hier das πατέρα 
σεολλῶν ἐθνῶν nicht in dem Sinne, in dem Paulus Gen 175 
ex eventu deutet, sondern nur in seinem Originalsinn genommen 
sein. Paulus bezeichnet also hier, wo er den Glauben Abra- 
hams als vorbildlichen darstellt, und darum auf ihn als histo- 


*, Zu der nun folgenden Schilderung des Abrahamitischen Glau- 
bens bildet V. 17 bereits den Uebergang; aber deshalb darf man nicht 
mit V. 17 einen neuen Absatz beginnen (Mehr., Volkm., Beck, Lips., 
Sand., vgl. God., der hier den Nachweis findet, dass Abraham nicht 
einmal seinen Sohn Isaak xar« oupx« erlangt habe, womit der Be- 
weis für V. 1 geschlossen sei), da jedenfalls V. 17a nothwendig zum 
Abschluss der Erörterung über die Universalität der neuen Heils- 
ordnung gehört. 

**) Dagegen nehmen Luther, Rück., Thol., Phil, Volkm., Luth., 
Sand. das εἰς τὸ γενέσϑαι als Bezeichnung des von (Gott geordneten 
Zwecks des ἐπέστευσεν. Auch hier wird von Meyer ebenso willkürlich, 
wie V. 11, die göttliche Teleologie eingeschoben, um dem gewiss ver- 
kehrten Gedanken auszuweichen, dass Abraham selbst mit seinem 
Glauben dies zu erreichen beabsichtigte (God. vgl. Otto, Zimmer). 
Allein diese Reflexion auf die göttliche Teleologie unterbricht auch 
den Zusammenhang, in dem es lediglich um die Schilderung des 
Abrahamitischen Glaubens sich handelt, wie es Meyer selbst von der 
ohnehin sprachunrichtigen (s. z. 120) Erklärung von der Folge (Böhme, 
Flatt, Frtzsch. nach Aelteren: χαὶ οὕτως ἐγένετο, vgl. Chr. Hoff.) 
sagt. Wie dagegen die obige Fassung sprachwidrig sein soll, da 
ebenso oft πιστεύειν εἰς (1014, Phl 120), wie eis mit artikulirtem In- 
finitiv (ITbs 810. Phl 123) vorkommt, oder gar γενήσεσθαι erfordern 
(Luth.\, ist doch nicht abzusehen. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 14 


210 Röm 4ıs. 19. 


rische Thatsache reflektirt, denselben völlig richtig als das 
Vertrauen auf zahlreiche Nachkommenschaft. — κατὰ τὸ 
εἰρημένον) vgl. Luk 22. Act 1340, kann nur zu Erziorevoev 
gehören (Hofm.) und auf den Zusammenhang von Gen 156 
mit V. 5 hinweisen, wo es heisst: »Also wird Dein Same sein«. 
Die Beziehung des οὕτως darauf, dass Gott ihn die Sterne 
zählen hiess, setzt Paulus als bekannt voraus ἢ). — V. 19. 
xal) hängt noch von ὃς ab, die Schilderung des gläubigen 
Abraham vollendend: und (welcher), ohne schwach zu werden 
in seinem Glauben (Bem. den Art.), betrachtete seinen eigenen 
Leib in seiner Erstorbenheit (vgl. Hofm.). Die subjektive 
Negation (un) verneint, wie Luk 486, das scheinbar mit der 
Betrachtung seines Leibes nothwendig verbundene ἀσθενήσας 
(Jes 74), das durch den Dativ τῇ σείστει näher bestimmt. 
wird hinsichtlich dessen, um dessen Schwachwerden es sich 
handelt (vgl. IMak 1149. IIReg 1926. Zu κατενόησεν vgl. 
Jdt 1014. Luk 122. Hbr 31. Dass Paulus hierbei nur an 
Gen 15sf. gedacht und Gen 1717 als eine psychologisch be- 
greifliche Schwankunz gar nicht berücksichtigt (Meyer, vgl. 
God.), ist doch bei der offenbaren Anspielung an diese Stelle 
(vgl. die Erwähnung der 100 Jahre und der Sara) sehr un- 
wahrscheinlich. Paulus muss also in dem dort erwähnten 
Lachen keine Glaubensschwäche gesehen haben (vgl. zu V. 20), 
so dass kein direkter Verstoss gegen die geschichtliche Wirk- 
lichkeit (Rück.) stattfindet **), — νενεκρωμένον) von der 


Ἢ Meyer bezieht xara zu γενέσθαι etc., was selbst bei seiner 
Fassung einen sehr überflüssigen, ja unpassenden Zusatz ergiebt, da 
ja für die göttliche Absicht nicht ein von ihm zu Abraham ge: 
sprochenes Wort maassgebend sein könnte. FG Ptr. glossiren nach 
σου: ὡς 06 αστερὲες του ovoavov, was nach dem Zusammenhange von 
Gen 155 sachlich richtig, während das hinzugefügte zu ἡ αμμος τῆς 
Jalcoons aus Gen 2217 eingetragen ist. 

ἘΦ Dieser tritt nur ein bei der Lesart ov xarevonoey; aber das 
ov ist mit allen neueren Editoren nach NABC cop. zu streichen, da 
es sicher nicht in den ältesten Codd. wegen Gen 1717 weggelassen 
(Meyer). sondern hinzugefügt ist, weil man dadurch seine Glaubens- 
stärke noch kräftiger ausgedrückt glaubte. Es passt zu der Lesart 
auch gar nicht das Part. (vgl. Beck, der darum das xarev. willkürlich 
umsetzt in: er zog sich denselben nicht zu Gemüthe), da dasselbe 
nicht mit: weil aufgelöst werden kann (Meyer, der mit Theophyl. 
eine Meiosis annimmt), wozu die subjektive Negation schlechterdings 
nicht passt. Auch God., obwohl er ov streicht, erklärt: weil er nicht 
schwach wurde, muss aber darum mit Buttm. p. 305f. willkürlich 
hinter xarevonoev ein μέν ergänzen. Uebrigens vgl. Beng.: Post 
Semum nemo centum annorum generasse Gen 11 legitur. In Betreff 
der später noch mit der Ketura gezeugten Kinder Gen 2518, genügt 
das herkömmliche, auch schon b. Augustin. de civ. Ὁ. 16, 28 zu 


Röm 419. 30. 211 


Abgelebtheit hinsichtlich der Zeugungskraft, wie Hbr 1112. 
Das Fehlen des Artikels zeigt, dass der Leib nicht als er- 
storbener bezeichnet, sondern dass es Objektsprädikat ist: als 
einen erstorbenen. Zu ἑκατονταέτης vgl. Pind. Pyth..4, 503, 
zu που (circiter, bei ungetähren Zahlangaben) vgl. Herod. 
1, 119. 7, 5. Diog. L. 8, 86. Obwohl in so hohem Alter 
befindlich (ὑπάρχων, vgl. Ps 54». 1451, besonders häufig 
bei Luk.), in dem er am wenigsten eine Wiederbelebung seiner 
Zeugungskraft erwarten konnte, betrachtete er doch seinen 
Leib, ohne im Glauben wankend zu werden. Abraham war 
damals 99 Jahre alt. S. Gen 1171. 17. 215. — χαὶ τὴν νέκρω- 
σιν), nur noch IIKor 410, hier aber im Sinne des vererpwu. 
von der erstorbenen a er) des Mutterleibes 
(τῆς μήτρας, vgl. Ex 132. Num 8:12) der Sara, die schon 
Gen 18:1: bezeugt wird ἢ. 

. V.20. eig δὲ τὴν ἐπαγγελέαν τοῦ ϑεοῦ) Der Apostel 
stellt der Thatsache, dass Abraham die Erstorbenheit seines 
Leibes betrachtete, ohne seinen Glauben schwächen zu lassen, 
die andere entgegen, dass er dagegen im Hinblick auf die 
göttliche Verheissung nicht zweifelte, sondern im Glauben er- 
starkte. Das δέ hat also den Sinn von: vielmehr aber; und das 
zu beiden Vershälften gehörige εἰς ist mit grossem Nachdruck 
an die Spitze gestellt und hat die Bedeutung: in Ansehung, 
rücksichtlich, vgl. Win ὃ 49, a, c, d. Gegenüber allen Be- 
denken, welche die Betrachtung der physischen Bedingungen 
der erwarteten Nachkommenschaft hätte einflössen können, 
stand die V. 18 angezogene Verheissung (Gottes; und im 
Blicke auf sie zweifelte er nicht (οὐ διεχρίϑη, wie oft im 
NT von dem Gedankenstreit, in den man geräth, wenn man 
zwischen Vertrauen und Misstrauen, Glaube und Unglaube 
schwankt, vgl. Jak 16. 24). Das τῇ ἀπιστίᾳ steht instru- 
mental, von der wirkenden Ursache; und der Art. weist auf 


Grunde liegende Urtheil: nach der Genesis sei die von Gott erhaltene 
Zeugungskraft nach dem Tode der Sara fortdauernd gewesen. 

Ἢ Auch das ὑπάρχων passt nicht zu der Lesart οὐ xarevonger; 
denn sein hohes Alter konnte den Abraham nicht stärker bewegen, 
seinen Leib in Betracht zu nehmen, wenn derselbe schon längst er- 
storben war. Das x«/ liesse sich zur Noth daraus erklären, dass sich 
die Negation auf beide Objekte des Satzes zusammen erstreckt (Win. 
ἃ 55, 7. Buttm. p. 315); allein das von Hofm. verlangte οὐδέ wäre 
immerhin das Natürlichere, da es sich um zwei ganz gesonderte That- 
sachen handelt, von denen nicht die eine die Folge der anderen oder 
mit der anderen gegeben ist. — Das ndn der Kept, das Lchm., WH., 
Treg. a. R. einklammern, ist mit Tisch. nach BFG als verstärkende 
Glosse zu streichen. 


14* 


212 Röm 4 20. sı. 


den Unglauben hin, durch den er unter den V. 9 angegebenen 
Verhältnissen so leicht hätte ins Schwanken gebracht werden 
können*). — ἀλλ᾽ ἐνεδυναμώϑη τῇ τείστ ει) ist nicht bloss 
das Gegentheil von οὐ διδκρέϑη τῇ arsıorie, sondern, wie 
dies das Schwanken verneint, das zu dem ἀσϑενεῖν ri, τείστει 
V. 19 geführt hätte, so wird nun erst positiv ausgesprochen, 
wie die Betrachtung seines erstorbenen Leibes (Gen 1717), 
statt durch ungläubigen Zweifel zur Schwächung des Glaubens 
zu führen, im Blick auf die göttliche Verheissung vielmehr 
dazu führte, dass er in seinem Glauben (Bem. d. Art.) er- 
starkte. Der Dat. ist also, wie der bei ἀσθενήσας, Dativ der 
näheren Bestimmung (Goeb., Böhmer, Lips.) und nicht, wie bei 
τὴ ἀπιστίᾳ, Dat. instrum. (Hofm., Luth.). So erst empfängt 
das δοὺς δόξαν τῷ ϑεῷ (Jos 119. 1Sam 65. Jer 18 16) 
seine volle Bedeutung, indem es hervorhebt, wie sein Glaube 
dadurch erstarkte, dass er Gott die Ehre gab, das Wort 
seiner Verheissung für unverbrüchlich zu halten, während 
jeder Zweifel an der Erfüllung desselben ihm die Ehre ge- 
raubt hätte**). — V. 21. xaı πληροφορηϑείς) vgl. Otes. 
exc. ap. Phot. p. 41, 29; bezeichnet das zweite Moment, wo- 


*, Liest man V. 19 οὐ xarer, so muss man das δέ erläuternd 
nehmen, obwohl die Erläuterung erst in dem gegensätzlich einge- 
führten Verhältniss folgt (Meyer), oder annehmen, dass der Gegensatz, 
den das δέ bezeichnet, selbst wieder negativ und positiv gestaltet 
wird (de W., Phil., Thol. u. M.), beides gleich unnatürlich. Obne 
(Grund nimmt Rück. an, dass Paulus zu eis τ. ἐπαγγ. zuerst ein ἐπίέ- 
orevoev dachte, das er dann aus Vorliebe für Gegensätze negativ unıl 
positiv zerspaltete (vgl. Lips.: als ob geschrieben wäre: ἐπέστευσε, 
μηδέν διαχρινόμενος"), de W. nach Krehl, dass es nach Analogie von 
ἐπέστ. das Objekt von διέχρίϑη bezeichnet. Gekünstelt Beck: der 
Zweifel drängte sich nicht in die Verheissung Gottes hinein, vielmehr 
erstarkte er in sie hinein; v. Heng.: non contradixit, quamquam in 
animo volvebat quae diffidentiam inspirarent. Der Art. vor «nor. 
bezeichnet nicht bloss den Unglauben des natürlichen Menschen über- 
haupt (Pbil., God.). 

**) Die instrumentale Fassung des τῇ πίστει: »er erstarkte zu 
einem der Verheissung entsprechenden und für deren Verwirklichung 
erforderlichen Handeln« (Hofm., vgl. Sand. mit Berufung auf Hbr 
1111. ı2) bringt einen Zusatz ein, bei welchem ohnehin eine sehr 
unzarte Vorstellung kaum vermeidlich ist. God. zieht τῇ πέστεε in 
demselben Siune zu δοὺς δόξαν. Zu dem passivischen todıma οὔσϑαι 
vgl. Α4. Gen 720: ἐνεδυναμώϑη τὸ ὕδωρ. Hbr 118. Act 955. Eph 610. 

X. Ps 5l9: ἐνεδυναμώϑη ἐπὶ τῇ ματαιότητι αὐτοῦ. Die Griechen 
haben das Wort nicht. Das δούς, wie das folgende πληροφορηϑείές 
enthält nach Meyer etwas gleichzeitig mit dem Zvedwauwsn Vollen- 
detes, wodurch beide un wesentlich tautologisch werden, 
während sie doch »die thatsächliche Voraussetzung« dafür beschreiben, 
aber eben darum nicht den Glauben selbst (Hofm. nach Frtzsch.), 


Röm 4sı—n. 213 


durch sein Glaube erstarkte, indem er zu der vollen Ueber- 
zeugung von der göttlichen Allmacht gelangte, welche die 
Voraussetzung des Vertrauens bildet, dass Gott seine Ver- 
heissung aller scheinbaren Unmöglichkeit zum Trotz erfüllen 
werde. — ὃ ἐπήγγελται) vgl. Est4r. JSir 202. IIMak 
47. Bem. das nachdrückliche Voranstehen des das Objekt 
umschreibenden Relativsatzes. Zu dem Perf. Pass. in medialer 
Bedeutung vgl. Win. $ 39, 3: dass, was er verheissen hat, er 
im Stande ist (δυνατός, wie Hbr 1119), auch zu thun. — 
V.22. διὸ καί) vgl. 121, bezieht sich darauf, dass der Glaube 
Abrahams V. 18 durch die Ausführung V. 19—21 als ein 
unerschütterlicher dargethan war, wobei Paulus entweder über- 
sah, dass die Erzählung in Gen 17 erst auf Gen 15 folgt, 
oder besser, weil er annahm, dass Gott diese Bewährung seines 
Glaubens voraussah (8. z. V. 13)*). 

V.23f. vollendet nun die durch V. 9—17 (vgl. besonders 
V. 12) vorbereitete Darlegung, wie die in der Geschichte 
Abrahams sich darstellende Gottesordnung eben die von 
Paulus aufgerichtete ist Ca) nach welcher jetzt die gnaden- 
weise Zurechnung der Gerechtigkeit erfolg. Dass es nicht 
um seinethalben (δ αὐτόν), d.h. um die Art und Weise 
seiner Rechtfertigung darzulegen, geschrieben ward, entspricht 
durchaus der apostolischen Auffassung von der Schrift AT’s, 
wonach dieselbe durchweg die Absicht hat, denen, welche die 
Heilszeit erleben, Aufschluss über die göttlichen Ordnungen 
für ihr Heil, wie für ihr Verhalten zu geben. Vgl. IKor 910. 
1068. ı. Gal 88 und dazu Weiss, bibl. Th. 8 73. — ὅτι 
ἐλογίσϑη) scil. αἰτῷ τὸ πιστεύειν eig δικαιοσύνην. -— V. 24. 


sondern, wie es zu diesem Erstarken im Glauben kam. Nach v. Hong. 
bestand das δοὺς δόξαν in der Vollziehung der Beschneidung (Gen 
172sff.), nach Meyer ist das πληροῴφορ. Epexegese davon ν l. God., 
der darum nach der ganz ungenügenden Bezeugung von E ὦ it. vg. 
das xa« davor streicht). 

Ὁ Deshalb geht es aber nicht auf die besondere Kräftigkeit des 
Glaubens (Meyer, Phil., Goeb.), da V. 3 nur vom Glauben überhaupt 
die Rede ist, und ein zweifelnder Glaube überhaupt kein Glaube ist. 
Wenn Hofm., der äusserst künstlich p. 158f. diesem Verse eine Rück- 
beziehung auf seine verkehrte Fassung von V. 1 abzugewinnen sucht, 
erklärt: >weil er damit, dass er glaubte, Gott die Ehre gab«, also 
wegen der sittlichen Wesenheit seines Glaubens, so wird damit der 
Grundgedanke der Paulinischen Rechtfertigungslehre nahezu aufgelöst, 
da dann diese Zurechnung keine gnadenweise (V. 4) mehr ist, sondern 
eine wohlverdiente. God. will das ἐλογίσϑη unpersönlich fassen: es 
fand für ihn Zurechnung der Gerechtigkeit statt. — Das x«s nach 
διο fehlt in BDFG u. orient. Verss. (vgl. Treg., WH. i. Kl.) und ist 
wohl verstärkender Zusatz. 


214 Röm 4. 25. 


δι ἡμᾶς) d.h. unserthalben, die wir zur Zeit des Heils leben. 
Der Relativsatz aber erläutert dies dahin, dass wir eben daraus 
erkennen sollen, wie uns soll (μέλλ δι, scil. nach göttlichem 
Rathschlusse, vgl. Hbr 11. 11s) eine gleiche Zurechnung zu 
Theil werden. Das λογίζεσϑαι muss natürlich ebenso wie 
V. 23 ergänzt werden durch τὸ 7Ζειστεύειν εἰς δικαιοσύνην. 
Wenn trotzdem noch einmal mit τοῖς σειστεύουσεν (quippe 
qui credunt) die Glaubenden als die bezeichnet werden, welchen 
dies zu Theil wird, so geschieht es, um unseren Glauben in 
seiner Analogie mit dem Abrahamitischen (V. 17) zu charak- 
terisiren*). Er ist nämlich das Heilsvertrauen auf den (ἐσεὶ, 
wie 45), welcher in der Auferweckung Jesu, unseres erhöhten 
Herm, der er eben in Folge dieser Auferweckung geworden 
ist (vgl. 14), aus Todten sich als der ζωοτοιῶν τοὺς νεκρούς 
und damit seine Allmacht bewiesen hat. — V. 25. ὅς) fügt 
hinzu, wiefern in dieser Allmachtsthat gerade die Gewissheit 
gegeben ist, dass Gott uns zur Rechtfertigung verhelfen wird. 
— παρεδοόϑη) wohl nach Jes 5312, jedenfalls von der durch 
Gott vollzogenen Hingabe Jesu in den Tod um unserer Ver- 
fehlungen willen (διὰ τὰ παραπτώματα ἡμῶν, vgl. 
Ez 14u. 18%. Ps 191), damit nämlich dieselben durch sein 
Blut als ἱλαστήριον gesühnt würden (821). Wenn dies aus- 
drücklich voraufgeschickt wird der Hauptaussage über den 
Zweck der Auferweckung Jesu (V. 24), so soll eben daraus 
erhellen, wie es zu verstehen ist, dass er auferweckt ist, um 
den richterlichen Akt der Versetzung in das Verhältniss der 
δικαιοσύνη an ung zu vollziehen (δεὰ τὴν δικαίωσεν ἡμῶν). 
Die Auferstehung war erforderlich, um bei den Menschen den 
Glauben zu wirken, dass sein Tod nicht der Tod eines Misse- 
thäters, sondern ein stellvertretender Tod um unserer Sünde 
willen sei, um so die Zueignung dieses vom Glauben in seiner 
Wirksamkeit bedingten Sühnmittels (325) an den Einzelnen 
und die auf Grund derselben erfolgende Gerechtsprechung zu 


---.. nn ..-.. . - 


4) In dem οὐχ ἐγράφη liegt also keinerlei Polemik gegen eine 
nicht entsprechende Werthung des Schriftwortes (Hofm.). Das di’ 
ἡμᾶς gebt weder auf die werdende Gottesgemeinde, als hiesse das 
πιστεύουσιν: die je und je gläubig werden (Hofm., Lips.), noch auf die 
Gläubigen als solche im Sinne von Beresch. R. 40, 8: quiequid scrip- 
tum est de Abrahamo, scriptum est de filiis ejus (Meyer), da diese 
Bestimmung ja erst folgt, sondern nur auf die gegenwärtig Lebenden, 
denen über die Art und Weise ihrer Rechtfertigung Auskunft gegeben 
werden soll. Auf eine Neutestamentliche Gottesgemeinde über seine 
Gegenwart hinaus reflektirt Paulus, der das Ende nahe denkt, nirgends 
(gegen Luth.). Das δε αὐτόν zu nehmen: ihm zu Ehren (Beza, Thol., 
Böhmer), wird durch das gegenüberstehende δε ἡμᾶς ausgeschlossen. 


Röm 42. 5. 215 


ermöglichen (vgl. noch Sand.). Natürlich sind die beiden Be- 
stimmungen mit δια nicht zwei verschiedene Dinge, sondern 
nur die beiden Seiten derselben Gnadenerweisung, die nega- 
tive und die positive, von denen aber jene vermöge des Paral- 
lelismus, in welchem beide neben einander gestellt werden, 
dem Tode, als dem objektiven ἑλαστήριον, und diese der Auf- 
erstehung, als der die Aneignung vermittelnden (ottesthat, 
treffend zugetheilt wird*). 


Kap. V. 


Im dritten Abschnitt (5i—ıs) des zweiten Haupttheiles 
wird nun gezeigt, wie mit der Rechtfertigung die Gewissheit 
der Heilsvollendung und damit der Errettung von dem Ver- 
derben, dem nach dem ersten Theile die ganze Menschheit 
um ihrer Sünde willen verfallen war, gegeben ist, und zwar 
zuerst in dogmatischer Begründung (V. 1—11) und dann 
durch die geschichtliche Parallele zwischen Adam und Christus 


*, Vgl. Weiss, bibl. Theol. $ 81, ἃ. Nach Beza hätte Christus 
die Sühnung unserer Sünden nicht leisten können, wenn er nicht als 
auferstehender Sieger den Tod bezwungen hätte. God. sucht in sehr 
künstlicher Weise darzuthun, dass Christus auferweckt werden musste, 
weil in Folge seines Versöhnungstodes unsere Rechtfertigung erfolgt 
war, Otto, dass in der Auferweckung er zunächst die διχαέωσις em- 
pfing, um sie uns Allen zu verleihen (vgl. auch Goeb.). Aber die 
objektive Sühne ist durch den Tod Christi vollständig vollbracht, und 
seine Auferweckung ist nur der Beweis dafür, da er, wenn sein Tod 
kein stellvertretender Sühntod war, nur um eigener Sünde willen ge- 
storben sein konnte und dann im Tode hätte bleiben müssen. Die 
Beziehung auf die Gemeinschaft mit dem Tode Christi, wodurch die 
Gläubigen ihrem früheren Leben entstorben sind, und mit der Auf- 
erstehung Christi 418 dem Eintritte in einen neuen, nicht mehr durch 
das Fleisch bedingten Lebenszustand (s. Rich. Schmidt, Paulin. 
Christol. p. 74 doch vgl. auch als zweites Moment Sand.) ist schon 
deshalb unzulässig, weil sie dem Vorbilde Abrahams, welches für die 
ganze Darstellung der Rechtfertigung in diesem Kap. bestimmend ist, 
nicht entspricht. Gegen die Katholiken, welche dıx. auf die Heiligung 
bezogen (so noch Maier, Bisp., Dölling., Reithm., vgl. auch Beck), s. 
schon Calov. Auch Böhmer schliesst sie wieder mit ein. Aber auch 
die Fürbitte des erhöhten Christus (834) ist nicht mit in διὰ τὴν 
δικαέωσιν ἡμῶν hineinzuziehen (Calv. u. M., auch Thol., Phil.), da die- 
selbe nicht zur Herstellung der διχαιοσύνγη geschieht, sondern sich 
auf die bereits Gerechtfertigten bezieht, um sie im Heilsstande zu 
erhalten, mithin die δικαίωσις der betreffenden Subjekte ihr vorgängig 
ist. Ganz willkürlich Lips.: um uns, die von Gott Gerechtfertigten,, 
der Errettung von der ὀργή und der ζωὴ αἰώνιος theilhaftig zu machen. 


216 Röm d5ı. 


-(V. 12-19), An diesem Punkte lag die eigentliche Haupt- 
kontroverse zwischen Paulus und dem Judenchristenthum, das 
ja in irgend einem Sinne die Beseligung durch Christum 
durchaus nicht leugnen konnte, aber die T'heilnahme an der 
Heilsvollendung, die der Messias dem Volke Israel verhiess, 
von der Uebernahme des Gesetzes und der Beschneidung, d.h. 
von dem Anschluss an dieses Volk abhängig machte. Wenn 
nun Paulus entwickelt, wie mit der Rechtfertigung die Gewiss- 
heit der Heilsvollendung unmittelbar gegeben ist, ohne nur 
mit einer Silbe dieser Kontroverse zu gedenken, so liegt darin 
der entscheidende Beweis, dass er im Römerbrief keine juden- 
christliche Richtung zu bekämpfen hat*). 

V. 1—1l. Die Heilsgewissheit der Gerecht- 
fertigten. — V. 1. δικαιωθϑέντες οὖν ἐκ πείστε ως) An 
das Schlusswort des vorigen Abschnitts (τὴν δικαίωσιν ἡμῶν) 
anknüpfend, resumirt der Apostel noch einmal den Grund- 
gedanken desselben; denn dass es wirklich zu einem Gerecht- 
rege kommen kann, und dass dasselbe eintritt 
auf Anlass Glaubens (117, das war ja der Inhalt von 3aı 
bis 435: Sind wir nun gerecht gesprochen aus Glauben, so 
haben wir Frieden mit Gott. Das εἰρήνην ἔχομεν (Act Yaı. 
Joh 1638) empfängt durch die Verbindung mit πρός τὸν 
ϑεόν, das auf den Gemeinschaftsverkehr mit ihm hinweist 
(νεῖ. zu Joh 11), die Bedeutung: in einem friedlichen Ver- 
ältnisse zu Gott stehen. (Vgl. Herodian. 8, 7. 8: ἀντὶ πολέ- 
μου μὲν εἰρήνην ἔχοντες τερὸς ϑεούς. Plat. Pol. 5. p. 465 B: 
δἰρήνην τερὸς ἀλλήλους οἱ ἄνδρες a&ovow. Legg. 12. p.955B. 
Alc I, Ρ. 157 ἢ). Der Gerechtfertigte befindet sich also nicht 
mehr in dem Verhältnisse eines Menschen, dem Gott feind 
sein muss und ist (ἐχϑρὸς ϑεοῦ V. 9f.); denn da die Sünde, 
um deretwillen er dem göttlichen Zorne verfallen war, und 
Gott nach seiner Gerechtigkeit ihn als seinen Feind behandeln 
musste, dem Gläubigen nicht angerechnet wird (48), derselbe 


*, Man wird der Bedeutung dieses Abschnitts nicht gerecht. 
wenn man in ibm die seligen Folgen der Rechtfertigung dargelegt 
findet (so gew., auch noch Beck, Mang. p. 330, Grafe p. 79, Sand.), 
oder eine Bewährung der Bechtfertigungslehre aus den thatsächlichen 
Erfahrungen des christlichen Gemüths (Pfleid. p. 512. 6515, vgl. Zimmer: 
aus der Glücksidee), wobei der Nachdruck ebenso einseitig auf V.1—5 
gelegt wird, wie bei Th. Schott, God. (»die Gewissheit des ewigen 
Heile«) auf V. 6—11. Luth., Böhmer beginnen hier den zweiten 
Haupttbeil des Briefes; aber Kap. 5 gehört nothwendig noch mit zur 

ositiven Darstellung der Rechtfertigungslehre. Vgl. Otto. Ueber 
N 1—8 s. Winzer, Commentat. Lips. 1832 Teber das ganze Kap.: 
Stölting, Beiträge 2. Exegese ἃ. Paul. Briefe, Gött. 1869. p. 3 ff. 


Röm 5ı. 217 


vielmehr von Gott selbst als ein Gerechter erklärt ist, so ist ' 
jeder Grund der Feindschaft hinweggefallen, und er besitzt 
Frieden in seinem Verhältnisse zu Gott. Mit der BRecht- 
fertigung tritt dieser Friede als sofortige u derselben ein. 
— dia τοῦ κυρίου ἡμ. Ἰησ. X.) durch Christum, als den, 
welcher mittelst seines zum ἐλαστήριον dienenden Blutes uns 
von der Schuldverhaftung gelöst und so den Grund der Feind- 
schaft entfernt hat (324f.), ist unser Friedensstand vermittelt. 
Dass derselbe als unser Herr bezeichnet wird, hat seinen Grund 
darin, dass er durch seine Erhöhung zu gottgleicher Herrschaft 
(424) als unser Erlöser bestätigt ist, und wir also in ihm als 
dem Erhöhten die Bürgschaft für den dauernden Besitz unseres 
Friedensstandes haben *). 


Anmerkung. Für die Lesart eywuer spricht die Mehrzahl der 
Mjsc., Vers. u. Väter, auch wohl Marcion, während die Bept. nur 
durch einige Korrektoren, FGP, Did. u. Epiph. bezeugt ist, weshalb 
sie Tisch., Treg., WH. verwerfen. Allein sie verdankt ihren Ursprung 
entweder dem paränetischen Gebrauch der Stelle oder einer ganz 
mechanischen Konformation nach χαυχωμεϑα. Denn zu dem einzig 
wortgemässen Sinn des εἰρήνην ἔχειν passt das Zywuer, welches eine 
Aufforderung enthält, schlechterdings nicht. Friede halten (Orig., 
Theoph.) heisst es nicht, mag man dies nun dadurch geschehend 
Jenken, dass wir uns der Sünde enthalten (Frtzsch.), oder, was ganz 
gesucht, indem wir ihm den Ruhm nicht rauben, dass er uns gerecht 
gemacht hat (Volkm.), und ebensowenig: den Frieden geniessen (Koppe. 
Sand.) oder den Frieden festhalten (Goeb.). Hofm. sucht die richtige 
Fassung dadurch mit dem Conj. zu vereinigen, dass er den Ton auf 
διὰ τοῦ χυρίου etc. legt. Er findet danach die Ermahnung, dass wir 
nicht anders als durch Christum in einem Friedensverhältniss zu Gott 
sollen stehen wollen. Aber abgesehen von der Willkür dieser Be- 
tonung wird dabei doch der Sinn des objektiven εἰρήνην ἔχειν umge- 
bogen in den des Sichstehenfühlens. Dagegen auch Klosterm. p. 132f., 
der aber durch seine Uebersetzung: »lasst uns innere Ruhe und 
Sorgenfreiheit haben!« dem πρὸς τὸν ϑεόν wieder nicht gerecht zu 
werden vermag. Auch wird der ganze Gedankengang des Briefes da- 
mit verkehrt, wenn man hier den Apostel zum ermahnenden Theil 
übergehen lässt (s. d. Anm. auf p. 215. 16). Alles Folgende zeigt, 


*, Daraus folgt aber nicht, dass das διχαεωϑέντες durch seinen 
Tod, unser Heilsstand bis zur Vollendung hin durch sein Leben ver- 
mittelt ist (God.); freilich gehört das διὰ τ. χυρ ebensowenig zu 
εἰρήνην allein (Stölt.), sondern zum Verbum. Dass εἰρήνη hier nicht: 
Heil im Sinne von 17. 210 (Th. Schott), aber auch nicht den subjek- 
tiven Seelenfrieden bezeichnet (Beck.), zeigt der präpositionelle Zusatz. 


218 Röm 82. 


dass die dogmatische Exposition ungestört fortgeht; und keinesfalls 
könnte das εἰρήνην ἔχειν, wovon noch garnicht die Rede gewesen ist, 
hier zum Gegenstande der Ermahnung gemacht werden. 


V.2. di οὗ καί etc.) weist allerdings auf etwas Anderes 
hin, das ebenfalls durch Christum vermittelt ist (καί: auch), 
aber keineswegs auf etwas, das aus dem durch die Recht- 
fertigung vermittelten Friedensstand erst folgt (Lips. nach Kölln., 
Rück., Stölt.), da es einen ganz unnatürlichen Gedankenfort- 
schritt ergiebt, wenn dies neue Moment nicht an das Haupt- 
verbum angeknüpft, sondern im Relativsatz nur die gleiche 
Vermittlung desselben durch Christum hervorgehoben wird. 
Es geht also auf das, wodurch unser Friedensstand mit Gott 
erst zu Stande gekommen, sodass der Relativsatz zu einer be- 

ündenden Näherbestimmung des διὰ — Ἰησοῦ Χριστοῦ in 

.1 wird. Da nun die διχαίωσις als Voraussetzung unsers 
Friedensstandes bezeichnet war, so wird der Relativsatz nur 
näher expliziren, wie auch das, wodurch es zu derselben ge- 
kommen, durch Christum vermittelt war, und das wird aufs 
Klarste dadurch bestätigt, dass das ταύτην bei τὴν χάριν 
auf die Gnade Gottes zurückweist, von der die Rechtfertigung 
ausgeht, und die ja auch nach 3% durch Christum (näher 
durch die Erlösung in ihm) vermittelt ist. In der Recht- 
fertigung erlangt eben der Einzelne erst zu dieser Gnade 
Zutritt”). Allerdings heisst ζεροσα γωγή nach bekanntem 
klassischen Sprachgebrauch: Hinzuführung, und an diesem 
Sinne wollen Chrys., Thol., v. Heng., Meyer, Böhmer, Chr. 
Hoffm., Sand. auch hier festhalten. Allein die intransitive 
Bedeutung: Zutritt (Vulg.: accessum u. so d. Meisten) ent- 
spricht dem intransitiven Gebrauch von ἄγειν, ἀγωγή und 
seinen Compositis und wird durch das Perf. ἐσχήκαμεν ge- 


ἢ Das εἰς τ. χάρ. τ. geht also nicht auf die Segnungen des 
Christenthums überhaupt (Chrys. u. M., auch Flatt u. Winz., vgl. Rück. 
u. Kölln.), nicht auf das Evangelium (Frtzsch.), nicht auf die εἰρήνη 
(Mehr., Stölt., Sand.), wobei eine matte Tautologie berauskäme, am 
wenigsten auf die nachher genannte Hoffnung (Lips., der das ταύτην 
einfach ignorirt und es mit »diejenige« übersetzt). Das rn πίστει 
fehlt in BDEFG it. (Lehm., Treg. ΜΉ. 1. Kl.) und wird mit Unrecht 
von Tisch., Meyer festgehalten, weil es als überflüssig weggelassen 
sei oder gar, um die Beziehung von προσαγ. auf εἰς τ. y zu sichern. 
Es ist eine sehr naheliegende Glosse nach V. 1, die aber ganz unge- 
hörig. da es sich hier um die subjektive Vermittelung unseres Heils- 
standes garnicht, sondern lediglich darum handelt, dass derselbe 
von Anfang an durch Christum vermittelt ist. Vollends eine Verbin- 
dung von εἰς τ. χαρ damit wäre gegen alle Analogie: und eine Be- 
ziehung von ἐν ἢ darauf (Grot.) gegen die Wortstellung. 


Röm ba. 219 


fordert, welches eine abgeschlossene Thatsache bezeichnet, die 
in ihren Wirkungen in der Gegenwart fortdauert. Als fort- 
dauernd vergegenwärtigt kann eben nicht der einmalige Akt 
der Hinzuführung werden, sondern nur das Zutritterlangthaben, 
das in unserem jetzigen Zutritthaben fortdauert. Daher wesent- 
lich richtig Thol., Rück, Winz., Ew., God. vgl. Klosterm. 
p. 134: »der aus der Vergangenheit erwachsene (Ginaden- 
stand« ἢ. Dem eig, welches diese Gnade als einen Bereich, 
zu dem wir Zutritt erlangt haben, vorstellt, entspricht das ἐν 
ἢ &0Tnxaue», welches dieselbe als den Bereich bezeichnet, 
ınnerhalb dessen wir unseren Standpunkt genommen haben 
und stehen. — καὶ καυχώμεϑα) bildet die Fortsetzung des 
Hauptsatzes (εἰρήνην ἔχομεν), da hiermit erst ein neues, selb- 
ständiges Moment, ja das eigentliche Hauptmoment in der 
Darlegung der Folgen der Rechtfertigung eintritt, wie die 
Weiterentwickelung dieses Gedankens in V. 3ff. zeigt. Das 
χαυχᾶσϑαι bezeichnet die triumphirende Freude, mit der man 
sich seines Friedensverhältnisses mit Gott als des höchsten 
Vorzuges vor allen Menschen rühmt, und ist nicht nur be- 
rechtigt, sondern pflichtmässig, wenn es sich um solches handelt, 
das lediglich die Gnade uns gegeben hat, und wofür man da- 
durch danken soll. Es steht am häufigsten bei Paulus absolut, 
und so auch hier (vgl. v. Heng., Beck, Klosterm., Böhmer), 
da das artikellose ἐπ᾽ ἐλσείδε (418) nicht den Gegenstand 
des Rühmens bezeichnen kann, sondern nur hervorheben, wie 
dieses Rühmen darauf beruht, dass jener Friedensstand uns 
.eine Hoffnung eröffnet, deren Gegenstand nichts Geringeres 
ist, als die Herrlichkeit Gottes (τῆς δόξης τοῦ ϑεοῦ), an 
der wir einst in der Heilsvollendung Theil haben werden. 
Vgl. ITh 212 und Weiss, bibl. Theol. $ 97, c. So ergiebt 


ἢ Polyb. gebraucht προσαγωγή von der Hinzuführung der 
Maschinen an die belagerte Stadt 9, 41, 1. 14, 10, 9, vgl. 1, 48, 2, 
von der Hinzuführung der Schiffe an’s Land 10, 1, 6, von der Hinzu- 
führung des Viehes in den Stall 12, 4, 10. Vgl. noch Thuc. 1, 82, 2. 
Plut. Mor. p. 1097E. Iucian Zeux. 6. Dagegen wird doch in Stellen, 
wie Herod. 2, 58. Xen. Cyrop. 7, 5, 45. Eph 218. 815 nur sehr 
künstlich die transitive Bedeutung festgehalten. Allerdings darf man 
das Wort nicht mit Oecum., Wttst., Reiche, B.-Crus. absolut nehmen 
und aus V. 1 πρὸς τ. ϑεόν ergänzen, was Bos, Michael. aus der Hof- 
sitte erläutern, nach welcher der Zutritt zum Könige durch einen 
προσαγωγεύς, sequester, vermittelt wurde (Lamprid. in Alex. δον. 4), 
da das Wort an εἰς 7 χάριν τ. seine nähere Bestimmung hat. Das 
Zoynxausv heisst aber weder habemus (Luther u. V.) noch habuimus, 
wir haben gehabt, nämlich da wir Christen wurden (de W., Phil., 
v. Heng., Meyer, Hofm., Beck, Luth.), wodurch das Charakteristische 
des Perfektum verwischt wird. 





220 Röm Ba. 8. 


sich also, dass mit der Rechtfertigung unmittelbar die Gewiss- 
heit der Heilsvollendung gegeben ist, weil Gott dem ihm Wohl- 
gefälligen auch seine höchste Gabe (die δόξα) ertheilen wird ἢ). 

V. 34: οὐ μόνον δέ) scil. καυχώμεϑα ἐπὶ ἐλπίδι τὴς 
δόξης τ. ϑεοῦ. Vgl. zu dieser Redekürze Plat. Phaed. p. 107 Β. 
Legg. 6. p. 752A. Men.p. IB. IIKor 8:9. Fasst man das 
χαυχώμεϑα V. 2 absolut, so muss natürlich das ἀλλὰ καὶ 
χαυχώμεϑα ebenso gefasst werden; und dann bezeichnet ἐν 
ταῖς ϑλίψεσιν (vgl. 29) nicht den Grund und Gegenstand 
des Rühmens (so gew., auch noch Lips., Sand.), was sprachlich 
und sachlich möglich wäre (vgl. d. vor. Anm.), sondern die 
Verhältnisse, in welchen man sich rühmt (Glöckl., B.-Crus., 
Stölt., Volkm., Beck, Klosterm. p. 136, Otto, Zimmer). Der 
Gegensatz zu V. 2 kommt auch so zu seinem vollen Rechte; 
denn alles Sichrühmen des natürlichen Menschen pflegt ein 
Ende zu haben, wenn er in Drangsale geräth, sonderlich alles 
Rühmen auf Hoffnung, weil die Hoffnung zu nichte geworden 
scheint, wenn Drangsale eintreten statt der gehofften Glück- 
seligkeit. Anders bei dem Christen, der gerade unter den 
Drangsalen sich seines hohen Vorzuges vor dem natürlichen 
Menschen bewusst wird**). — εἰδότες) vgl. 22. 8:19, führt den 


*) Das χαὶ χαυχώμεϑα kann weder als Fortsetzung des letzten 
Relativsatzes (ἐν n ἑστήχ., so v.Heng., Ew., Mehr., Stölt., Otto, Lips.), 
noch des vorhergehenden (δε οὗ χαί etc., vgl. Hofm., der deshalb das 
χαι — x: 80 wohl — als auch fasst, vgl. Th. Schott und dagegen 
Klosterm. p. 134), genommen werden, schon weil das Präsens 
sich naturgemäss allein an das Präsens ἔχομεν anschliesst, und 
weil es undeutlich bliebe, mit welchem der beiden Perfekte man 
es verknüpfen soll. Auch dies χαυχώμεϑα konjunktivisch zu nehmen 
Frtzsch., Klosterm. p. 135, Goeb.), hat selbst Hofm. nicht gewagt. 

türlich darf man das xavy. micht in den Begriff des Sich- 
freuens oder »des inneren, aber auch zu äussern nicht untersagten 
erhebenden Bewusstseins« (Reiche) abschwächen. Die Verbindung des 
χαυχᾶσϑαι mit ἐπί im Sinne des Objekts (Ps 486. Prv 2514. JSir 
302, vgl. Diod. 8. 16, 70) ist dem NT fremd; wo Paulus ein Objekt 
hinzufügt, bezeichnet er dasselbe durch ἐν (211. 33). Nach Luther, 
Grot. fassen Reiche, Maier den Genit. als Genit. auctoris. Aber dass 
Gott der Geber der δόξα ist, versteht sich von selbst und charak- 
terisirt dieselbe nicht. Rück., Ew., Beck (vgl. Otto, Hofm.) machen 
auch hier ihre Auslegung von 8525 geltend: allein das ἐπ᾽ ἐλπίδε weist 
auf die Zukunft hin; und wenn Klosterm. die Fassung Flatt's vom 
Beifall Gottes, seiner ehrenden Anerkennung nach 27. 10 eschatologisch 
wendet, so übersieht er, dass dort eben durch die damit verbundenen 
Begriffe δόξα eine andere Bedeutung erhält. Das Richtige haben 
schon Vulg., Melanth. 
**, Hofm. muss natürlieh auch diesen Vers in den Relativsatz 
mit ds οὗ hineinziehen, obwohl, abgesehen von der unerträglichen 
Schwerfälligkeit des Satzgefüges, dies χαυχώμεϑα ausdrücklich nicht 


Röm δ8---ὅ. 221 


Grund dieser aller natürlichen Erfahrung widersprechenden 
Erscheinung ein: dieweil wir wissen, dass die Drangsal Geduld 
(ὑπομονή, wie 27) ἃ. ἢ. Ausdauer im christlichen Glauben 
und Leben bewirkt (κατεργάζεται, wie 410). Im natür- 
lichen Menschen wirkt die Trübsal Ungeduld und vielfach ein 
Aufgeben seines bisherigen Gottesvertrauens. Wer aber & 
Ζείστεως gerechtfertigt ist, der kann sein Vertrauen, das ihm 
schon gegenwärtig den Frieden mit Gott (V. 1) verschafft, 
nicht Suschen und wird also durch die Trübsal, die ihn 
dazu antreiben will, nur bewogen, es um so ausdauernder fest- 
zuhalten. — V.4. δοκιμήν) heisst im klassischen Griechisch: 
Probe, angestellte Prüfung (vgl. IlKor 82. 139), hier aber: 
Bewährung, wie IIKor 29. θ18, »quae ostendit fidem non esse 
simulatam, sed veram, vivam et ardentem«, Melanth. Falsch 
Luther: Erfahrung. Erprobtheit wird durch Ausdauer gewirkt; 
denn der in der Ausdauer errungene Sieg über den Unglauben 
stärkt die Kraft zu immer neuer Bewährung im Glauben. — 
ἐλχείδα) Wohl ist Hoffnung schon vor der δοχεμή vor- 
handen auf Grund der Rechtfertigung; aber da diese auf der 
zciotig beruht, so bleibt die Erfüllung der Hoffnung immer 
noch abhängig von der Fortdauer dieser Bedingung unseres 
Gnadenstanden Darum wirkt die Bewährung des (Glaubens 
in der Drangsal immer aufs Neue Hoffnung, nämlich die Hof- 
nung auf die δόξα τοῦ Yeov V. 2, die dem im Glauben Be- 
währten immer sicherer und gewisser zu Theil wird. Ob man 
dies eine Steigerung der Hoffnung nennen will (Meyer) oder 
nur ein siegreiches Hervorgehen derselben aus der Trübsal 
(Lips.), ist ein leerer Wortstreit. — V.5.n δὲ ἐλπίς) Wäh- 
rend es das Eigenthümliche jeder thörichten, auf Illusionen sich 
gründenden Hoffnung ist, dass sie uns beschämt, wenn sich 
am Ende erweist, dass sie eine eitle, nichtige war, ist es das 
Wesen der Hoffnnng, von welcher der Apostel V. 2. 4 redet, 
dass sie nicht beschämt (οὐ χαταισχύνει, vgl. Ps 226. 
JSir 210. Bar 68. Plat. Con. p. 183E. Dem. 314, 9)*). 


objektiv durch Christum, sondern subjektiv durch unser εἰδότες ver- 
mittelt erscheint. Lips. lässt die Relativkonstruktion in einen Haupt- 
satz übergehen, was doch ebenfalls nur ein Nothbehelf ist, der das 
Verfehlte seiner Konstruktion zeigt. Goeb. hält auch hier die kon- 
junktivische Fassung des χαυχώμεϑα fest. — Das χαυχωμένοε in BC 
Orig. (Treg. txt., WH. a. R.) ist sinnlose Konformation nach V. 11. 

ἢ Wegen des Art. vor ἐλπές braucht man freilich nicht an »die 
so begründete Hoffnung« zu denken (Oec., Olsh., Stölt., Beck), aber 
absichtslos ist es nicht, dass jetzt der Art. eintritt, wo von der 
Christenhoffnung in ihrem Gegensatz zu allem irdischen Hoffen die 
Rede (gegen Lipe.. Ganz verkehrt Klosterm. p. 141: Die Hoffnung 


222 Röm 5s. 


— örı ἡ ἀγάπτη τ. ϑεοῦ etc.) begründet, warum die Hoffnung 
nicht beschämt, weil nämlich das Bewusstsein der Liebe Gottes 
zu uns, die uns unbedingt gewiss geworden ist, die sichere 
Bürgschaft ist, dass wir nicht vergeblich hoffen, sondern dass 
Gott unsere Hoffnung erfüllen wird. Die Art, wie wir dieser 
Liebe gewiss geworden sind, beschreibt Paulus so, dass sie 
ausgeschüttet ist (ἐχκέχυται, mit offenbarer Anspielung auf 
die Art, wie sich nach dem Folgenden dies uns vermittelt, vgl. 
Jo 3ı) in unser Inneres. Das Perf. zeigt, dass eine solche reich- 
liche Mittheilung erfolgt ist und in ihren Wirkungen dauernd ἐν 
ταῖς καρδίαις ἡ μῶν erfahren wird, da das Herz der Sitz des 
Gottesbewusstseins und aller inneren Erfahrung ist, also die dem- 
selben gewiss gemachte Liebe Gottes uns als Gegenstand dieses 
Bewusstseins und dieser Erfahrung beständig gegenwärtig ist. 
Das ist aber bewirkt durch heiligen Geist (dıa πνεύματος 
ἁγίου, ohne Art.), der allen Gerechtfertigten auf Grund eben des 
Glaubens, um deswillen sie gerechtfertigt sind (Gal 33), ge- 
geben ist (τοῦ δοϑέντος ἡμῖν), weil es dessen spezifische 
Aufgabe ist, den Gläubigen seines Heils und darum der Liebe 
Gottes, auf welcher dasselbe beruht, gewiss zu machen*). 


auf bessere Zeit, auf Beendigung der Trübsale. Mit Hofm. χαται- 
σχυνεῖ zu schreiben, schwächt nur die sieghafte Gewissheit des präsen- 
tischen Ausdrucks. 

Ἢ Den Gen. τοῦ ϑεοῦ fassten Theodoret., August., Anselm u. M., 
auch Glöckl., Umbr., Stölt., Böhmer und bes. Hofm. als Gen. obj. von 
der Liebe zu Gott. Bei Katholiken ward diese Erklärung durch die 
Lehre von der justitia infusa begünstigt, zu der mittelst einer mehr 
mystiscbeen Wendung auch Beck bei der Fassung als Genit. subj. 
zurückkehrt. Hofm. p. 168f. wendet ein, dass nicht die Liebe Gottes, 
sondern höchstens die Gewissheit derselben ausgegossen werden kann, 
welche doch bei der in die Herzen ausgegossenen Liebe auch oflen- 
bar gemeint ist, und dass die Thatsache, dass unsere Hoffnung nicht 
zu Schanden wird, nur durch eine Thatsache, (die bereits erfahrene 
Wirkung des Geistes) begründet werden kann, und nicht durch unser 
Bewusstsein von der Liebe Gottes. Aber jene Thatsache kommt ja 
auch hier nur als eine Thatsache unseres Bewusstseins in Betracht, 
und unser Bewusstsein von der Liebe Gottes nur als ein durch den 
Geist gewirktes. Dagegen bliebe die thatsächlich in uns gewirkte 
Liebe zu Gott, deren Mangelhaftigkeit der Christ sich stets bewusst 
ist, ein sehr ungenügendes Fundament für seine Hoffnung. Vergeblich 
bemüht sich Hofm. p. 173, bei seiner Deutung auch nur einen Zu- 
sammenhang zwischen V. 5 und V. 6 herzustellen, obwohl er behufs 
dessen gewaltsam V. 8 von V. 6f. losreisst, da zwischen dem Tode 
Christi für die Sünder und der Liebe zu Gott, die der Geist in uns 
wirkt, nun einmal kein logisches Verhältniss besteht. Gegen ihn auch 
Klosterm. p. 146—154, der aber unter theilweiser Anerkennung seiner 
Gründe die Geistesmittheilung selbst als die Thatsache denkt, durch 
welche die Liebe Gottes sich völlig ausgeschüttet hat in uns, was 
ebenfalls der folgenden Begründung widerspricht. 





Rönm Be. 223 


V.6fl. εἴγε Χριστός — ἀπεέϑανεν) Auch der heilige 
Geist kann uns nur der Liebe Gottes gewiss machen, wenn 
dieselbe sich in einer grossen Errbarmungsthat offenbart hat, 
in welcher er uns den unzweifelhaften Erweis jener Liebe er- 
kennen lehrt. Diese That ist aber die Hingabe Christi in 
den Erlösungstod. Die Liebe Gottes kann also nur ausge- 
ossen sein in unsere Herzen unter der sicheren Voraussetzung, 

ass, wenn denn wirklich (etys, wie Gal 34. IIKor 53 und 
dazu Grimm, Lexicon Graeco-lat. 3. Aufl. p. 76) Christus 
in einer Weise für uns gestorben ist, die V. 7 als etwas ganz 
Einzigartiges und V.8 als ein sicheres Zeugniss der göttlichen 
Liebe erwiesen wird. 


Anmerkung. Die Rcpt., welcher Meyer, God. folgen, hat erı 
yao Xowotos. Da dasselbe keinesfalls zu ἀπέϑανε gehören kann (Stölt.), 
so nimmt man an, Paulus habe etwa schreiben wollen: ἔτε γὰρ ὄντων 
nu. ἀσϑενῶν Χριστός etc. (vgl. noch Lips.) oder auch Χριστὸς γὰρ 
ὄντων ἡμῶν ἀσϑενῶν ἔτει ete., habe aber unter der Kollision des Nach- 
drucks, mit welchem ihm sowohl ἔτε wie das Subjekt vorschwebte, 
sich ungenau so ausgedrückt, dass nun ἔτε zu Χριστός zu gehören 
scheint, und doch dem Sinne nach nothwendig wie V. 8 zu ὄντων 
etc. gehört*). Allein die Rcpt. hat nur EKLP und orient. Verss. für 
sich; und dass das ers von der Spitze des Satzes aus exegetischen 
Gründen nach ασϑένων transportirt wurde (Meyer), ist schon darum 
ganz unwahrscheinlich, weil ACD (vgl. auch FG) es an beiden Stellen 
haben. Liest man das ἔτε mit Tisch., Lehm., Treg. doppelt, so muss 
man das erste ἔτε in anderem Sinne nehmen als das zweite (B.-Crus., 
Märck.: noch dazu, Volkm. p. 19: obendrein nämlich, vgl. Otto, der 
das erste im Sinne von: noch zu ἀπέϑανε zieht, das zweite im Sinne 
von: bereits nimmt), was, auch abgesehen von der Zweifelhaftigkeit 
dieser Bedeutungen, selbstverständlich nicht angeht, oder man muss 
annehmen, Paulus habe irgendwie durch die Wiederholung einen 
besonderen Nachdruck beabsichtigt**). Die Lesart εἰς τέ γάρ (Klosterm. 


*, Meyer vergleicht Plat. Rept. p. 503E: ἔτε δὴ ὃ τότε παρεῖμεν 
ψῦν λέγομεν, pP. 868 Ὁ: οὗ δ᾽ ἔτε τούτων μαχροτέρους ἀποτείνουσε μισϑούς 
(wo ἔτε vor μαχρ. stehen sollte). Achill. Tat. 5, 18: ἐγὼ δὲ ἔτε σοὶ 
ταῦτα γράφω παρϑένος, Win. 8 61,4. Buttm. neut. Gr. p. 333f. Diese 
Unebenheit zu vermeiden, hat man rs: insuper gefasst, und zwar ent- 
weder im Sinne von adeo (Koppe, auch Schrad.), was es aber nie 
heisst, auch Lk 1486 nicht; oder so, dass »denn ferner, denn über- 
dies« (8. Bäuml., Partik. p. 119) ein zweites Argument für ἡ δὲ ἐλπὶς 
οὐ χαταισχ. einführt (Flatt, auch B.-Crus.), während doch aus V. 8 
erhellt, dass V.6—8 nichts Anderes als der Erweis der ἀγάπη τ. ϑεοῦ 
sein soll. 

ΤῊ Vgl. Lips., Mehr., der ihn ursprünglich das ἔτε nachdrücklich 
wiederholen und den Satz nur durch Einschiebung von ὄντ. nu. «os. 








224 Röm be. 


p. 159 nach FG) ist zu schwach bezeugt und fordert, das Folgende 
als eine Antwort zu fassen, wozu die Darstellungsform doch sehr 
wenig passt. Die Lesart εἰ γάρ, die sich nur in Versionen findet und 
darum garnicht in Betracht kommen kann, ergiebt ein Anakoluth, 
das Th. Schott zu heben sucht, indem er nach «09. ἔτε ein ἀπέϑανε 
ergänzt, während Hofm. (Schriftb. II, 1. p. 347) nach Usteri, Lehrb. 
p. 119, wie jetzt wieder Luth., den Nachsatz in V. 9 sucht. Ebenda 
suchen ihn auch Ew., Volkm. p. 87 bei der Lesart eye (B fuld. WH. 
txt.), die viel zu schwierig ist, um als Besserungsversuch betrachtet 
zu werden, so dass sie Luth. einfach für sinnlos erklärt, aber dies 
harte Asyndeton keineswegs fordert. Vgl. jetzt auch Sand. 


ὄντων ἡμῶν ἀσϑενῶν) vgl. Mk 14ss. IPt 37 und das 
ἀσϑενεῖν 4ıs. Da wir noch ohnmächtig waren, die Kräfte 
des wahren geistlichen Lebens noch nicht hatten, welche wir 
erst durch den heil. Geist empfangen konnten. Die Sündig- 
keit ist absichtlich als Schwäche (Hülfsbedürftigkeit, von der 
es im äusserlichen Sinne Prv 222. 3ls. IKor 127 steht) be- 
zeichnet, um sie als Motiv der zur Rettung einschreitenden 
Liebe Gottes zu charakterisiren. Das ἔτε (37), das nichts 
Anderes heissen kann, als: noch, wird in gewissem Sinne 
näher bestimmt durch xara χαιρόν, das, wie dies Adv., zu 
ὄντων gehört (Erasm., Luther, Flacius, Seb. Schmid, auch 
Th. Schott, Volkm., Stölt., Luth.). Aehnlich wie σερὸ χαιροῦ 
und zzoög χαιρόν (IKor 45. 75) besagt gerade (gegen Lips.) 
der artikellose Ausdruck, dass diese hilflose Schwäche eine 
zeitgemässe war, natürlich nicht um dieselbe zu entschuldigen, 
wie Meyer einwendet, sondern um zu bevorworten, dass sie 
nicht eın Fehler dieses oder jedes Einzelnen war, sondern 
dass damals nach göttlicher Oekonomie noch kein Mensch im 
Stande war, die Gerechtigkeit zu erlangen, was nur ein neues 
Motiv für das Einschreiten der göttlichen Liebe war ἢ. Wenn 


unterbrechen lässt, Goeb., der es beide Male zu ἀπέϑανεν beziebt und, 
da es des Nachdrucks wegen wiederholt, nur mittelbar auf ἀσϑενὼν 
und ἀσεβὼν gehen lässt. Vgl. Chr. Hoffm., Böhmer. Nach Hofm. 
fängt Paulus mit dem nachdrücklich betonten Zr: den Satz von Neuem 
an, um der ersten Näherbestimmung des Xp. ἀπέϑ. in ὄντων nu. day. 
eine zweite ihr nebengeordnete folgen zu lassen, so dass sich das 
erste Zrs auf jenes, das zweite auf ὑπὲρ ἀσεβὼν bezieht, wobei es aber 
doch nicht hiezu gehören (und so beide Male an unrechter Stelle 
gesetzt sein) soll, sondern für die Zeitbestimmung des Todes Christi 
gelten, was doch ganz undenkbar ist. Vgl. Zimmer. Nach v. Heng. 
hat Paulus bloss sagen wollen: Zr. γὰρ Χρ. χατὰ καιρὸν ὑπὲρ ἀσεβ. ἀπέϑ., 
aber beim Diktiren zur Verdeutlichung noch ὄντων ἡμῶν ἀσϑ. Erı 
eingeschoben. BER: 

*) Gewöhnlich verbindet man xarı χαιρὸν mit ἀπέϑανεν (Goeb.: 


Röm de. 1. 925 


aber die im Gen. abs. ausgedrückte Zeitbestimmung bereits 
. die Liebe Gottes ahnen lässt, die sich in dem Tode Christi 
kundgiebt, so charakterisirt das durch seine Voranstellung be- 
tonte ὑπὲρ ἀσεβῶν (vgl. zu 45) das Einzigartige an dem 
Tode Christi, sofern derselbe ein Tod zum Besten Gottloser 
war, d. h. zum Besten solcher, die einer solchen Aufopferung 
am aller unwürdigsten waren ἢ). — V. 7 begründet diesen 
indirekt im Vorigen liegenden Gedanken »durch Gegenüber- 
stellung der höchsten Aufopferung, zu welcher es Menschen 
bringen« (Luth.), weshalb das γάρ keineswegs bloss erläuternd 
(Hofm., Meyer: nämlich) genommen zu werden braucht: Denn 
kaum (μόλις, vgl. Prvils. JSir 26%. Sap9ıs) wird einer 
für einen (serechten sterben, d. ἢ. für das gerade Gegentheil 
eines ἀσεβής (vgl. 45). Damit ist aber natürlich nicht gemeint, 
dass dies zwecklos wäre, weil einem, der nicht zum Tode ver- 
urtheilt ist, eine solche Aufopferung nichts nützen kann (Ötto, 


er ist noch hinsichtlich der Zeit seines Todes für Gottlose gestorben) 
und findet darin nach Gal 44, dass Christus zur bestimmten Zeit 
(vgl. noch Lips.), nach Otto: von ihm, und ihm allein bestimmten 
Zeit starb, was aber einen im Kontext ganz bedeutungslosen Ge- 
danken ergäbe, oder, wie de W., Thol., Ew., v. Heng., Meyer., Phil., 
B.-Crus., God., Zimmer wollen: zu rechter Zeit (vgl. Pind. Isthm. 2, 32. 
Horod. 1, 30. Lucian. Philops. 21. LXX. Jes 6022. Job 89:8. Jer 
524). Damit soll angedeutet sein, dass wir, wäre der Tod Jesu jetzt 
nicht erfolgt, statt der göttlichen Begnadigung den endlichen ge- 
rechten Ausbruch des göttlichen Zorns erfahren hätten, da die Zeit 
der πάρεσις 825 und der «voyn Gottes zu Ende war (vgl. Sand.: at 
the moment of our deepest despair), was doch auch ein sehr weit her- 
geholter und nirgends im Kontext begründeter Gedanke ist. Hofm. 
reflektirt zwar auch darauf, dass die Zeit eine Zeit der Gottlosigkeit 
war, ohne dass die Gottesfürchtigkeit Einzelner daran etwas änderte 
(weil er die «odereig auf die Frommen bezieht, die nur zur wahren 
(ottesliebe noch nicht fähig waren, und die ἀσεβεῖς auf die gottwidrig 
gesinnte Welt, wie Böhmer jenes auf die Juden und Proselyten, dies 
auf die Heiden), verbindet es aber ebenfalls mit ἀπέϑανεν, als ob der 
Gedanke erst ausgeschlossen werden sollte, dass der Tod Christi in 
eine Zeit fiel, wo wir stark waren, und Christus also »keinen Grund 
gehabt hätte zu sterben«e! Noch künstlicher Klosterm. p. 160 ff. 
Chr. Hoffm. zieht es gar zu ἀσεβὼν: für Gottlose, wie sie es für den 
Augenblick damals noch waren. 

ἢ Dass ὑπέρ hier, wie in allen ähnlichen Stellen, nicht gleich 
ἀντί zu nehmen ist (Flatt, Olsh., Reithm., Bisp., Beck), folgt theils 
daraus, dass es mit περί wechselt (Gal 14), theils daraus, dass es 
auch mit ἀἐμαρτεῶν verbunden wird (lKor 158). Zu der Bedeutung: 
in commodum vgl. Eur. Alec. 701: un ϑνῆσχ᾽ ὑπὲρ Toid’ ἀνδρὸς οὐδ᾽ 
ἐγὼ πρὸ σοῦ. Iphig. A. 1389. Soph. Trach. 705. ΑἹ. 1290. Plat. Conv. 

. 179B: ἐϑεληήσασα μόνη ὑπὲρ τοῦ αὑτῆς ἀνδρὸς anosarsiv. Dem. 
90.18. Xen. Cyr. 7, 4, 91. Isocr. 4, 77. Dio Cass. 64, 18. JSir 2915: 
ἔϑωχε γὰρ τὴν ψυχὴν αὐτοῦ ὑπὲρ σοῦ, IIMak 79. 8aı. 
Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 15 





226 Röm 5. 


vgl. Zimmer), oder weil er, als der Errettung von der oeyr, 
Gottes an sich sicher, eines solchen Opfertodes nicht be- 
dürfte (Lips) sondern dass man selbst für einen an sich einer 
solchen Aufopferung Würdigen so leicht nicht sein Leben 
hingiebt. — ὑπὲρ γὰρ τοῦ ἀγαϑοῦ) begründet das μόλις 
dadurch, dass der einzige Fall genannt wird, in welchem einer 
vielleicht (τάχα, die Möglichkeit, nicht ohne leisen Zweifel 
ausdrückend, vgl. Xen. Anab. 5, 2, 17. Sap 136. 141) es 
noch (xai, vgl. Kühner $ 524, 1) wagt, es noch über sich ge- 
winnen kann zu sterben (τολμᾶ, vgl. Eur. Alc. 644. Aelian 
V. H. 1, 34. Dem. 1377, 12. IKor 61). Gewöhnlich fasst 
man, von der Voraussetzung aus, dass auch τοῦ ἀγαϑοῦ 
Mascul. sein müsse, die Begründung als eine Begründung 
e contrario, wodurch aber die Thatsache, dass einer für den 
ἀγαϑός stirbt, in einem Zusammenhange, wo es darauf ankam, 
das ganz Ausserordentliche des Todes Christi hervorzuheben, 
einen unpassenden Nachdruck bekommt. Sodann aber muss 
bei dieser Fassung ἀγαϑός in einem Gegensatz zu δίχαιος 
genommen werden, der entweder sprachlich nicht nachweisbar 
ist, oder dem Kontext ganz fern liegt*). Der Satz könnte 
also das woAıg nur insofern begründen, als darin doch immer 
noch eine Möglichkeit liegt, und nun gesagt wird, dass diese 
Möglichkeit sich nur im äussersten Fall vielleicht einmal ver- 


*) Fasst man τοῦ ἀγαϑοῦ von dem Wohlthäter, den einer hat 
(Est., Wolf, Ko pe, Thol., Win., Benecke, Reiche, Glöckl., Krebl, 
Maier, Umbr., Bisp., Beck., Böhmer), so ist nicht abzusehen, warum 
Paulus nicht einfach εὐεργέτης gesagt haben sollte. Ohnehin müsste 
es den Begriff der Gutthätigkeit (wie Mt 2015. Xen. Cyr. 3, 8, 4 al. 
b. Dorvill. ad Charit. p. 722 und Thol. z. St.) bestimmt durch den 
Kontext erhalten (gegen Reiche, der dies durch den Art. indizirt 
sieht), und dieser ergäbe ihn nur, wenn man δέχαιος (mit Wittst. u. 
Olsh.) im engeren Sinne: gerecht fasst, so dass eine Steigerung statt- 
fände vom Gerechten zum Gütigen (welcher mehr leistet, als wozu 
die blosse Rechtspflicht verbindet), was aber nicht möglich ist, da 
δίκαιος im Gegensatze zu ἀσεβῶν V. 6 nur den Rechtschaffenen 
schlechthin bezeichnen kann. Alle anderen Deutungen, welche in 
ἀγαϑός eine höhere Sittlichkeit finden als in δέκαιος, die ihn der Auf- 
opferung des Lebens würdiger macht, wie Ambros. (der δέχαιος sei es 
exercitio, der ἀγαϑός natura), Beng. (δέκ. sei homo innoxius, ἀγαϑ. 
omnibus pietatis numeris absolutus, v. gr. pater patriae), Michael., 
Olsh., Kölln. (dix.: er gerecht, «ya9.: vollkommen gut und 
brav), deW. (dix.: tadellos, ἀγαϑ.: der Edle, vgl. Phil. u. Th. Schott), 
v. Heng. (dix.: probus coram Deo, i. 6. venerabilis, dya9.: bonus in 
bominum oculis, i 6. amabilis, vgl. Stölt. Sand.) und ähnlich Ew., 
Klost. p. 169, sind dem Sprachgebrauch des NT zuwider, das keinen 
wesentlichen Unterschied zwischen δέκατος und ἀγαϑός kennt (vgl. 
Mt 5s. Lk 23%. Röm 71ıe). 


Röm 5r.s. 227 


wirklichen kann. Im zweiten Versgliede hätte dann Paulus 
nicht τοῦ δικαίου geschrieben, sondern das synonyme τοῦ 
ἀγαϑοῦ mit Nachdruck vorangestellt, um die Kategorie derer, 
für welche man sich etwa noch aufzuopfern wagt, im Gegen- 
satz zu ἀσεβῶν noch stärker zu betonen. So im Wesentlichen 
Chrys., Theodor, Theophyl, Erasm. in d. Paraphr., Beza, 
Calv., Calov. u. M., neuerlich wieder Frtzsch., Reithm., Meyer, 
Goeb. Aber diese Fassung wird schlechterdings dadurch aus- 
dass bei einer beabsichtigten Rückweisung sicher 

asselbe Wort (δικαίου) gewählt wäre. Vor Allem aber deutet 
der Art. darauf hin, dass ἀγαϑοῦ neutrisch zu nehmen ist 
4Hieron., Erasm. Annot., Luther, Melanth., die aber fälschlich 
auch das dixaiov neutrisch nehmen). Dann aber wird τὸ 
ἀγαϑόν nicht das sittliche Gute sein (wie 210), sondern das, 
was gut und heilsam ist (38), wobei es nur in der Natur der 
Sache liegt, dass einer zur Lebensaufopferung sich nicht um 
eines individuellen und vergänglichen Gutes willen entschliesst, 
sondern um eines allgemeinen und idealen Gutes willen *). — 
V. 8. συνίστησιν δὲ τὴν ἑαυτοῦ ἀγάπην εἰς ἡμᾶς ὁ 
ϑεός) Dieser als etwas Einzigartiges erwiesene Tod Christi 
aber kommt, wie das näher bestimmende, aber immer einen 
gewissen Gegensatz involvirende δέ sagt (vgl. zu 32), hier 
nicht als Beweis der eigenen Liebe Christi in Betracht, was 
er ja natürlich auch ist, sondern, wie schon die gottgeordnete 
Zeitbestimmung desselben (V. 6) erwarten liess, als Beweis 
der eigenen Liebe Gottes, um die es sich ja nach dem Zu- 
sammenhange mit V. 5 handelt. Daher steht das συνίστησιν 
(vgl. 35) voran; was aber bewiesen werden soll, wird durch die 
Korrelation des ἑαυτοῦ und des mit Nachdruck an den Schluss 
tretenden ὃ ϑεός näher bezeichnet. Obwohl es sich um eine 
geschichtliche Thatsache der Vergangenheit (den Tod Christi) 
handelt, steht doch das Präsens, weil eben gezeigt werden soll, 
wodurch der uns mitgetheilte Geist gegenwärtig uns die 





*) Falsch daher Mehr.: denn für den eigenen Vortheil wagt 
gemune auch vielleicht das Leben, wonach ohnehin das τολμᾷ zum 
auptbegriff wird, was durch das Verhältnies von ἀποθανεῖται und 
«nodaveiv ausgeschlossen ist. Zu speziell bestimmen das τὸ ἀγαϑόν 
Hofm. (»was an sich und wirklich gut ist, ein sittlicher Werth, für 
den man, wenn er gefährdet ist, das Leben hingiebt, um ihn 
nicht verkommen zu lassen«, vgl. umgekehrt Otto: »um des Guten 
willen, das einer zu stiften gedenkt, stirbt jemand, vielleicht 
sogar mit Kühnheit«), Volkm. (nach 1416: sum des Heilsgutes willen«); 
im Wesentlichen richtig Rück. (»für das, was einer sein höchstes 
Gut nennt«), God. (»für eine heilige Sache«), Zimmer (»für einen 
idealen Zweck«), Luth., Lips. u. A 


15* 


228 Röm ὅ8. 9. 


Liebe Gottes erkennen lehrt, damit sie in unsere Herzen aus- 
gegossen, und so das Bewusstsein derselben uns stets gegen- 
wärtig sei. Darum wird endlich noch einmal in dem Satz 
mit Orı zurückgeblickt auf den Erkenntnissgrund dieser Liebe. 
Denn wenn Christus zu unserem Besten starb (ürree ἡ μῶν), 
als wir noch Sünder (vgl. 37) und damit Objekte des gött- 
lichen Zornes waren (vgl. 35), so war es ein Beweis seiner 
höchsten Liebe, wenn Gott zu dieser Zeit geschehen liess, 
was uns zum Heil gereicht. (Vgl. V. 6). Nun bildet das 
voranstehende ἔτε den nachdrücklichen Gegensatz zu der 
Gegenwart, wo wir als Gerechtfertigte (V. 1), nicht mehr als 
Sünder vor Gott dastehen, vielmehr in dem, was er an uns als 
Sündern that, den höchsten Beweis seiner Liebe sehen *). 

V. 96 πολλῷ οὖν μᾶλλον) vgl. Mt 6%, häufig bei 
Paulus in Schlussfolgerungen a majori ad minus, sofern 
Letzteres um vieles gewisser ist als Ersteres. Hat der Geist 
uns dessen gewiss gemacht, dass Gott uns im Tode Christi 
seine Liebe erwiesen hat, als wir noch Sünder waren, also 
seinen Zorn verdienten, so ist es um vieles gewisser, dass er 
jetzt (νῦν, wie 821), wo wir gerechtfertigt sind (δεκαεωϑέντες, 
vgl. V. 1) auf Grund des Blutes Christi, das unsere Sünden 
gesühnt und unsere Rechtfertigung ermöglicht hat (ἐν τῷ 
αἵματι αὐτοῦ, vgl. 32f), uns seine Liebe erweisen wird, 
die ja gegen solche, welche ihm wohlgefällig sind, nur etwas 
ganz Natürliches is. —  σωϑησόμεϑα ἀπὸ τῆς ὀργῆς) 
ist ein prägnanter Ausdruck: wır werden gerettet werden von 
dem göttlichen Zorne hinweg (1Th 11), so dass uns dieser, 


Ἢ Das δέ ist also nicht gegensätzlich, als ob der Satz mit ὁ δὲ 
9605 anfinge (Mehr.: so sind die Menschen, aber so ist Gott, vgl. 
(od.), bildet aber auch nicht das syllogistische Mittelglied (den Unter- 
satz) für die Schlussfolge in V. 9 (Meyer), wodurch der Zusammen- 
hang mit V. 5 zerrissen wird. Nach seiner falschen Deutung des 
V. 5 findet Hofm. bier den Gegensatz zu unserer Liebe gegen Gott, 
behauptet gegen die offenbare Anknüpfung des ἔτε — ἀπέϑαγνεν an 
V.6, dass hier ein neuer Gedankenzusammenhang beginne und nimmt 
ὅτε von dem Motiv, weshalb uns Gott wissen lässt, dass er uns lieb 
hat, obwohl wegen des fehlenden Artikels vor εἰς ἡμᾶς dies noth- 
wendig zum Verbum gehört. Gegen ihn vgl. auch Klosterm. p. 171f., 
der aber seinerseits mit B ὁ 9605 streicht und erklärt: Es beweist 
aber seine Liebe im Unterschiede von aller menschlichen, dass er 
u. 8. w. Aber das o 9sos, das in DEFGL it vg. vor εἐς nuas steht, 
ist nicht weggelassen, weil von der Liebe Christi die Rede zu sein 
schien (Meyer), sondern rein zufällig durch Ueberlesen von nuaC 0 
auf 3e0oC Or: ausgefallen. Das ὅτε ist weder gleich ἐν τούτῳ ὅτι 
(Rück.), noch gleich εἰς ἐχεῖνο ὅτε (Meyer, God.), sondern einfach An- 
gabe des Erkenntnissgrundes. 


Röm ὅ9. 10. 229 


wenn er beim jüngsten Gericht ergeht (26. 35), nicht trifft. 
Vgl. Win. 8 66, 2, d. Dass nur von dieser negativen Seite 
her der nunmehr sicher zu erwartende Liebesbeweis Gottes 
charakterisirt wird, geschieht, um an den ersten Haupttheil 
anzuknüpfen, nach welchem ja die ganze Menschheit um der 
Sünde willen dem Zorne (ottes verfallen war (118. 28. 35—-ı9). 
Mit dieser Errettung vom göttlichen Zorne ist uns aber zu- 
in die Theilnahme an der δόξα ϑεοῦ (V. 2) gewiss, und 
amit der Beweis erbracht, dass die gewisse Hoftnung auf 
diese die unmittelbare Folge der Rechtfertigung ist. — δε 
αὐτοῦ) d.i. durch die Wirksamkeit des erhöhten Christus, 
der ja nach 216 auch der Vermittler des letzten Gerichtes ist, 
und durch den also auch in ihm die Errettung vom Zorne 
erfolgt ἢ). — Υ. 10 begründet den vorigen Schluss durch einen 
ganz analogen, der die Sicherheit desselben nur noch deut- 
licher hervortreten lässt, weshalb man das γάρ nicht durch: 
nämlich wiederzugeben braucht (Meyer). Der Vordersatz (et) 
weist also wieder auf die Liebesthat zurück, die uns Gott im 
Tode Christi erwiesen hat. Da das ἐχϑροὶ ὄντες aber nur 
die Voraussetzung aufnimmt, welche V. 8 durch ἁμαρτωλῶν 
ὄντων ἡμῶν ausgedrückt war und an dem Verhältniss, in dem 
Gott zu uns als Sündern stehen musste, die Grösse seiner 
Liebesthat anschaulich machte, so kann auch jenes nicht die 
feindselige Gesinnung gegen Gott bezeichnen (gegen Rück., 
Baur, Reithm., v. Heng., Mehr., Ritschl in ἃ. JdTh 1863, 
p. 515f, Beck, Chr. Hoffm. u. M.), sondern nur die Stellung, 
in der wir uns damals zu Gott befanden, sofern er uns als 
seine Feinde ansehen musste. Dies entspricht auch allein dem 
Kontext, der nicht von einer Wandlung der menschlichen Ge- 
sinnung gegen Gott, sondern von dem durch die Rechtfertigung 
See Frieden mit Gott ausging, und damit niclıt eine 

eindseligkeit der Menschen gegen Gott, sondern eine Feind- 
schaft Gottes gegen die Menschen als vorgängig voraussetzte. 
Auch würde mit jener subjektiven Fassung dem πολλῷ μᾶλλον 
ein völlig anderes Motiv untergelegt, als V. 9, wo nicht von 
der grösseren Würdigkeit der Menschen an sich selbst, son- 
dern von dem grösseren Liebesbeweis, den wir bereits erfuhren, 
auf den noch zu erwartenden geschlossen wird. Dann aber 


*, Wunderlich verkehrt finden Est. u. V., auch Mehr. hier eine 
Schlussfolgerung a minori ad majus, und ganz gekünstelt fasst Otto 
das σωϑησόμεϑα davon, dass schon gegenwärtig die Gerechtfertigten 
von den geschichtlichen Erweisungen des Gotteszorns nicht getroffen 
werden, wie er auch δὲ αὐτοῦ auf τῷ aluarı αὐτοῦ beziehen will. 
Nach Meyer macht der negative Ausdruck nur die Schlussfolge ein- 
leuchtender und überzeugender. 


230 Röm 5:0. 


ist auch hier von der Liebe die Rede. die uns Gott erwies, 
als wir noch Gegenstände seiner Feindschaft und damit seiner 
ὀργή verfallen waren, indem er seinen Zorn gegen uns aufgab 
und uns wieder zu Gegenständen seiner Gnade und Huld 
machte. Nur der Kontext, welcher von der unsrerseits 
erfahrenen Liebesthat Gottes redet, bringt es mit sich, dass 
dies nicht durch κατηλλάγη ἡμῖν (IIMak 15. 199) ausgedrückt 
ist, sondern durch xarnAAaynuev τῷ ϑεῴ, welches aber 
trotzdem nicht die Umwandlung unserer Gesinnung gegen 
Gott, sondern nur die Umwandlung seiner Gesinnung gegen 
uns, sofern er nicht mehr feindlich gegen uns gesinnt ist, 
bezeichnet*. — dıa τοῦ ϑανάτου τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ) 
nimmt das Χριστός ἀπέϑανεν V. 8 auf; doch so, dass nun 
ausdrücklich hervorgehoben wird, wie es nichts Geringeres als 
der Tod seines Sohnes, d. h. des erwählten Gegenstandes 
seiner Liebe (s.z. 13) war, was es sich Gott hat kosten lassen, 
um in Folge dessen seine Gesinnung gegen uns umwandeln 
zu können, indem dieser Tod unsre Sünden in seinen Augen 
sühnte (zudeckte) und uns so aus der Schuld- und Strafhaft 
befreite (8.4). Es wird dadurch also noch einmal die Grösse 
der Liebesthat Gottes hervorgehoben, die er uns erwiesen, als 


— mn 


Ὁ) So mit Recht die Meisten (vgl. noch Lips.), während Sand. 
der Frage ausweicht, indem er das χαταλλάσσεσϑαι stets als ein 
wechselseitiges auffassen will. Aber selbst wenn es das wäre, könnte 
doch in diesem Zusammenhange dasselbe nur von Gottes Seite her 
betrachtet sein. Da natürlich Gotte nur solche verfeindet sind (vgl. 
Dem. de Coron. p. 317. 321), welche sich feindselig gegen ihn ver- 
halten haben, so kann überall nur der Kontext entscheiden, ob bei 
der Bezeichnung als ἐχϑροί dieses Verhalten oder jenes Verhältniss 
ins Auge gefasst ist. Letzterer Beziehung widerspricht aber nicht 
die V. 8 gepriesene «yann ϑεοῦ (gegen Rück.), weil die Feindschaft 
Gottes nur gegen die Menschen als Sünder gerichtet ist und darum 
die Liebesgesinnung nicht ausschliesst, welche die Menschen als 
solche von der Sünde befreien und dadurch zu Gegenständen 
seines Wohlgefallens machen will. Auch das Passiv. χαταλλάσσεσϑαι, 
das doch zunächst ebenso wie ἀλλάσσειν, μεταλλάσσειν (133. 25) nur 
eine Verwandlung bezeichnet, die mit einem vorgeht (Jer 4839), sagt 
an sich darüber nichts aus, durch wessen Sinnesänderung die Ver- 
wandlung des Feindes in einen Freund zu Stande kommt. Auch 
1Kor 711 erfolgt doch die Aussöhnung des geschiedenen Weibes mit 
dem Manne dadurch, dass dieser seine feindselige Gesinnung wider 
das Weib, um desswillen sich dasselbe von ihm geschieden hat, auf- 

iebt, wenn auch hier das Weib aufgefordert werden musste, diese 

mwandlung seiner Gesinnung durch Wiederkehr zu dem Manne, den 
nun auch sie durch Verlassen desselben beleidigt und geschädigt hat, 
herbeizuführen. In dem hier erörterten Falle erfolgt aber jene Um- 
wandlung, wie das Folgende zeigt, lediglich durch Intervention eines 
Dritten. 





Röm Bıeo. 11. 231 


wir ihm noch verfeindet waren. — στολλῷ μᾶλλον) beruht 
nun auf der noch viel einleuchtenderen Voraussetzung, dass 
es schwerer ist, dem Feinde etwas Gutes zu thun, als dem 
Freunde, dass die Versöhnung mit jenem durch selbsteigenes 
Enntgegenkommen schwerer ist, als die Wohlthat an ihm, nach- 
dem er mit uns ausgesöhnt ist (χαταλλαγέντες). Das 
lediglich aus dem vorigen Verse wiederaufgenommene σω ϑη- 
σόμεϑα kann natürlich nur dasselbe bedeuten, wie dort, da 
es sich ja lediglich darum handelt, dass dieser Erfolg noch 
um vieles gewisser eintreten wird, wenn die bereits erfahrene 
Liebesthat Gottes als eine Aussöhnung mit seinen ehemaligen 
Feinden aufgefasst wird. Dann aber am der Zusatz ἐν τῇ 
ζωῇ αὐτοῦ nicht besagen, dass das Leben des erhöhten 
Christus noch viel sicherer unsere Errettung wirkt, wie sein 
Tod unsere Versöhnung; denn das logische Moment der 
Schlussfolgerung liegt ja nicht in dem, wodurch unsere Ver- 
söhnung vermittelt war, sondern darin, dass Gott nach der 
Umwandlung seiner Gesinnung gegen uns um so gewisser uns 
seine Liebe erweisen wird. er Zusatz kann darum nur die 
Grösse des zu erwartenden Liebesbeweises noch näher hervor- 
heben und schliesst sich ebenso prägnant an σωθησόμεϑα an, 
wie das ἀπό V. 9. Dann bezeichnet er aber das Leben in 
Gottesherrlichkeit (V. 2), in welchem der erhöhte Christus 
steht, und in welchem wir stehen werden, wenn wir errettet 
sein werden. Vgl. v. Heng., Ew., Volkm., Böhmer *). 

Υ. 11. οὐ μόνον δὲ) vgl. V. 3, ist hier durch das vor- 
hergegangene Partizip. χαταλλαγέντες zu ergänzen (Kölln., 
B..Örus, Hofm., Beck, Lips.), was dadurch bestätigt wird, dass 
der Schlussrefrain δι οὐ etc. nur der Widerhall dieses χα- 
ταλλαγέντες ist: nicht bloss aber als Versöhnte, sondern auch 
als solche, die sich Gottes als ihres Gottes rühmen (217, vgl. 
18). Als Verb. finit. aber ergänzt sich ebenfalls aus V. 9 


"ἢ Meyer u. d. Meisten (auch Lips.) nehmen den Zusatz als eine 
nähere Erklärung Jes δι αὐτοῦ in V. 9; allein, dass das ἐν dem die 
parallel steht, ist eben nicht »offenbar« (Luth.), da Paulus absichtlich 
die Präposition wechselt. Es ist aber auch keineswegs an sich klar, 
wiefern sein erhöhtes Ieben (wofür Lips. einfach seine Auferstehung 
substituirt) umsoweniger unsere Errettung unvollendet lassen kann, 
wie sein Tod unsere Versöhnung (Meyer). Denn Hofm., God. sehen 
darin nur die natürliche Bethätigung seiner Lebensmacht, Luth. die 
unterpfändliche Versiegelung unserer Errettung, Frtzsch., B.-Crus., 
Phil. heben speziell seine Fürbitte hervor (834), God., Beck unsere 
Heiligung in der Lebensgemeinschaft mit dem Lebendigen. Otto 
denkt an die diesseitige Gemeinschaft mit dem leben Christi, die 
uns der Errettung gewiss macht. 


232 Röm Bu. 


σωϑησόμεϑα ἐν τῇ ζωῇ αὑτοῦ ἢ. Nicht bloss auf dem objek- 
tiven Grund der geschehenen Versöhnung ruht die Gewissheit 
unserer Errettung, wie sie V. 10 beschrieben ist, da diese an 
sich doch zunächst nur die ὀργή entfernt, also uns der Furcht 
vor seiner Strafe enthebt, sondern auch auf dem Bewusstsein 
eines neuen Verhältnisses zu Gott, in welchem wir des höchsten 
Liebesbeweises gewiss sind, wonach er uns an dem seligen 
Leben Christi in seiner Vollendung Antheil nehmen lassen 
wird. Daraus folgt denn freilich, dass schon in V. 10 diese 
Gewissheit angedeutet sein muss, d. h. dass die gangbare 
Fassung des ἐν τῇ ζωῇ αὐτοῦ falsch ist. Dafür spricht auch, 
dass jetzt erst die ermittelung unserer Errettung durch 
unseren erhöhten Herrn Jesus Christus hervorgehoben wird 
(διὰ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ), um, genau wie 
V.1f, daran die Aussage zu knüpfen, dass er, durch den wir 
dereinst zu jenem Ziele gelangen, es auch ist, durch welchen 
(δε οὗ) wir schon gegenwärtig (νῦν, wie V. ᾽ die Voraus- 
setzung davon, welche nach V. 10 das χαταλλαγέντες war, 
empfangen haben. Dass das τὴν χαταλλαγὴν ἐλάβομεν 
aufs Aeusserste der subjektiven Umdentung des χαταλλασσεσ- 
ϑαι in V. 10 widerstrebt, liegt am Tage. Es ist die durch 
den Tod Christi vermittelte Aussöhnung Gottes mit uns, die 
wir durch ihn als ein Gnadengeschenk empfangen haben. 


ἢ Da xauywueros nicht für das Temp. finit. stehen kann (wie 
nach Luther, Beza u. V. noch Thol., Phil. wollen, in der Sache auch 
Th. Schott, Böhmer, Sand.), so kann οὐ μόνον δέ nicht durch σωϑη- 
σόμεϑα ergänzt werden (Frtzsch., Krehl, Reitbm., Otto, Win. 8 45,6,a 
nach Chrys.), das ja selbst nur das zu χαυχώμενοε zu ergänzende 
Hauptverbum bildet und also kein dem ἀλλὰ xal xauy. mit οὐ μόνον 
δέ gegenübertretendes Moment sein kann, wenn man nicht äusserst 
gekünstelt das blosse aw4noouesa (das ja gar nicht einmal ausge- 
drückt ist) dem durch χαυχ. bestimmten gegenübergestellt sein lässt, 
so dass Paulus sagen wolle: nicht bloss gerettet (thatsächlich an 
sich), sondern auch so gerettet werden wir werden, dass wir uns 
rühmen u. s. ἡ. Auch kann ja das gegenwärtige χαυχᾶσϑαι keine 
Modalbestimmung des zukünftigen σωθησόμεθα abgeben, wie wieder 
God. will, der zu οὐ μόνον δέ: σωζόμενοι ergänzt, und, wie es scheint, 
auch Beck bei der richtigen Ergänzung. Vgl. auch Otto, der σωϑη- 
σόμεϑα für das logische Futurum nimmt, sofern uns die Errettung 
noch gewisser dadurch wird, dass wir uns der Gottesgemeinschaft 
rühmen. Ganz willkürlich Mehr.: οὐ μόνον δέ gehe auf ἐν τῇ ζωὴ 
αὐτοῦ zurück (nicht bloss auf Christi Leben setzen wir unsere Hoff- 
nung, sondern auch darauf, dass wir uns nunmehr unserer Einheit 
mit Gott (3) rüähmen) nnd Volkm.: nicht das jedoch allein werden 
wir sein. — Das yoıorov nach ınaov, das in B fehlt, hat WH. einge- 
klammert. 


Röm 511. 13. 233 


Vgl. IIMak 5», wo die χαταλλαγὴ τοῦ μεγάλου δεστεότου der 
ὀργὴ τοῦ παντοχράτορος gegenübersteht ἢ). 

Υ. 12—19. Adam und Christus Was in V.1—11l 
dogmatisch begründet war, wird hier durch einen Blick auf 
die Entwicklungsgeschichte der Menschheit bestätigt. Wie 
schon von dem ersten Stammvater mit der Sünde nach gött- 
licher Ordnung auch der Tod über alle Menschen gekommen 
ist, so wird in Christo mit der Gerechtigkeit des Glaubens 
unmittelbar auch die Vollendung alles Heils, das Leben allen 
Menschen dargeboten **). 

V.12. διὰ τοῦτο) vgl. 136. 416. Es bezieht sich weder 
auf die ganze Abhandlung von 117 an zurück (so nach Vielen 
auch Thol., Rück., Reiche, Kölln, Picard, God. vgl. Beck, 
Böhmer: von 821 an); noch auf de οὗ EI Aral νην 
ἐλάβομεν V. 11 (Meyer, Phil., Krehl, Mehr., Fricke, Luth.), 
das ja keineswegs den eigentlichen Anknüpfungspunkt für 
die folgende Vergleichung bietet, sondern auf den ganzen 
Abschnitt 5ı—ıı (vgl. Stölt., Dietzsch, Sand.), in dem es sich 
um den für die folgende Parallele entscheidenden Haupt- 
gedanken handelt, dass mit der durch Christum beschafften 
Gerechtigkeit auch die Gewissheit des Heils und des Lebens 


*) Gewöhnlich bezieht man (auch Lips., Sand.) διὰ τ. χυρ. aus- 
schliesslich auf χαυχώμενοι, obwohl doch das dem Apostel gegen- 
wärtige Hauptverbum, welches ausdrückt, was mit uns geschieht, die 
Reflexion auf die Vermittelung dieses Geschehens ungleich näher 
legt. Es ist ebenso willkürlich, das νῦν, abweichend von V. 9, im 
Gegensatz zur Zukunft zu fassen (Meyer, Hofm., God.), wie das ἐλά- 
βομὲν auf die subjektive durch den Glauben geschehende Empfang- 
nahme der χαταλλαγή zu beziehen (Meyer, Phil., Hofm.), und so eigent- 
lich an die Vermittelung des Glaubens durch Christum zu denken. 
Vgl. dagegen Luth. 

ἘΠῚ S. ausser den p. 42 angeführten Schriften Finkh. und Schmid 
in d. Tüb. Zeitschr. 1830, 1, p. 126ff. 4, p. 161ff. J. Müller, v. d. 
Sünde II, p.481 ed.5. Aberle ind. theol. Onartälschr. 1854. p. 488 ff. 
Ewald, Adam u. Christus Röm 5ı2—2ı in ἃ. Jahrb. f. bibl. Wissensch. 
II, p. 166ff. Picard, Essai exeget. sur Röm dısff. Strassb. 1861. 
Ernesti, Urspr. d. Sünde II, p. 184ff. Holsten, z. Ev. ἃ. Paul. u. 
Petr. p. 4128. Stölting a. a. Ο. p. 19ff. Klöpper in d. StKr 1869. 
p. 496 ff. Fricke, de mente dogm. loci P. ad Rom 813 sq. Lechler. 
apost. Zeit. p. 102ff. Sofern in dem ersten Gliede dieser Parallele 
auf das Verderben zurückgegriffen wird, dem alle Menschen von 
Adam her verfallen waren, wie es im ersten Theile dargelegt, kann 
man in diesem Abschnitt auch den Abschluss der ganzen bisherigen 
Erörterung sehen (vgl. God., Mang. P- 333, Lips... Volkm. sieht in 
ihm eine zweite (der in Kap.4 parallele) Bestätigung der paulinischen 
Grundlehre (vgl. auch Pfleid. p. 512) aus dem Gesetzbuch (881), 
wofür V. 1—11 nur die Voraussetzung giebt, Hlst. die Einleitung zu 
Kap. 6—8 (vgl. schon Lange, Schaff und dagegen Mang. p. 344). 


234 Röm Bıs. 


unmittelbar gegeben ist*). — ὧσσε 8ρ) vgl. Koh 515. Job 38:8, 
ein verstärktes ὡς: genau sowie, ganz ebenso. Zu dem hier 
beginnenden Vordersatz findet sich kein Nachsatz. Die V. 13f. 
eintretende ausführliche Erläuterung nämlich machte es unmöglich, 
an den nun soweit zurückstehenden Vordersatz anzuknüpfen, 
weshalb der Apostel die angehobene Struktur fallen lässt (vgl. 
Mt 2514 u. überh. Buttm., neut. Gr. p. 331) und durch den 
an _Adau angeknüpften Relativsatz ὃς ἔστι τύπος τοῦ μέλλον- 
τος Ὗ.14 nur das Resultat der im Sinne des Apostels bereits 
vollzogenen Vergleichung ausspricht. Er konnte dies um so 
eher, als nach dem auf V. 1—11 zurückweisenden δεὰ τοῦτο 
sich als Nachsatz der intendirten typischen Parallele zwischen 
Christus und Adam von selbst ergab: so ist auch durch Einen 
Menschen die Gerechtigkeit, und durch die Gerechtigkeit das 
Leben gekommen. So im Wesentlichen schon Melanth., Calv., 
Thol., Kölln., Phil., Stölt., Hofm., Mang., Luth., Goeb., Lips., 
Sand. ἢ. — δ ἑνὸς ἀνθρώπου) Gemeint ist natürlich 


*) Rothe hat trotz der formell richtigen Anknüpfung den Grund- 

des Zusammenhangs verfehlt, weil er in V.1—11 die wahre 
eiligung des Menschen dargestellt findet, während Frtzsch., Holst., 
Lips. bei V. 9—11 stehen bleiben, wo ja nur der Grundgedanke jenes 
Abschnitts am bestimmtesten formulirt wird. Hofm. (vgl. Th. Schott, 
Goeb.) musste die Anknüpfung auf V. 2—11 beschränken, weil er 
nach seiner kohortativen Fassung von Bı annimmt, Paulus habe bei 
διὰ τοῦτο eine Ermahnung, der Vergleichung mit Adam gemäss von 
Christo zu halten, im Sinne gehabt (!), bleibe aber bei dieser Ver- 
gleichung stehen, während die Fortsetzung der Ermahnung (wenn 
auch indirekt!) in Kap. 6 folge. A 

**, Während nach Rothe Paulus die Abbrechung von vorn herein 

beabsichtigte, um nicht auf die Apokatastasis zu gerathen, nehmen 
Rück., Frtzsch., de W. vielmehr an, dass er nach V. 13. 14 zu der 
Erwägung gekommen sei, wie die begonnene Vergleichung nicht bloss 
Kongruenz, sondern auch Diskrepanz sei, und so statt eines die 
Gleichstellung ausdrückenden Nachsatzes die Entgegensetzung V. 15 
eintreten lasse, was schon dem sichtlich scharf prämeditirten Cha- 
rakter des ganzen Abschnitts widerspricht. Den Nachsatz suchten 
in V.15 Mehr., der deshalb den Vers fragend fasste (vgl. Win. 8 68, 1); 
in V. 18, in dessen erster Hälfte nach der Parenthese V. 13—17 die 
erste Vergleichshälfte wieder aufgenommen werde, Grot., Beng., Wttst., 
Ch. Schmid, Flatt, Reiche, Olsh., Ew., God., Chr. Hoffm. In V. 12 
liess man den Nachsatz entweder mit χαὶ οὕτως (Cleric., Wolf, 
Glöckl.), oder schon mit χαὶ διέ beginnen (Erasın., Beza, Benecke), 
so dass hier also noch gar keine Parallele zwischen Adam und 
Christus indizirt wäre. Nach διὰ τοῦτο aber ergänzen ganz will- 
kürlich als Hauptsatz Koppe u. A.: ἐλάβομεν xarallayıy δι αὐτοῦ, 
Umbr., Th. Schott: kommt Christus gegensätzlicher Weise zu stehen 
(vgl. Beck: verhält es sich mit Christus), Dietzsch: ist durch Einen 
Menschen das Leben in die Welt gekommen, v. Heng.: ἐστί (vgl. 
Jatho u., wie es scheint, Böhmer, Zimmer), so dass ὥσπερ die zweite 





Röm 513. 235 


nicht Eva (JSir 25%. Ποὺ 118), weil sie die erste Sünde 
beging (Pelag.), sondern Adam, welcher in dem ganzen Ab- 
schnitt mit Christo in Parallele gestellt wird (vgl. V. 14. 16. 
17. 19). Der Grund davon ist aber niclıt, dass Adams Sünde 
allein unentschuldbar war, weil er unmittelbar das Gebot von 
Gott empfing (Frtzsch.); und wenn man sagt, dass Adam mehr 
als das Weib der Anfänger oder Repräsentant der alten 
Menschheit ist (de W., Meyer, God.), so hat dies doch nur 
darin seine Wahrheit, dass Adam allein durch die Zeugung 
in einem direkten Zusammenhange mit der von ihm stammen- 
den gesammten Menschheit steht. — ἡ ἁμαρτία εἰς τὸν 
κόσμον εἰσῆλϑεν) Da von Sünde überhaupt nur auf dem 
Gebiet des geistig-sittlichen Lebens die Rede sein kann, so 
kann in diesem Zusammenhange ὁ #00uog nicht das Univer- 
sum überhaupt (vgl. noch Hofm.), geschweige denn die Erde 
als Wohnstätte der Menschheit (Meyer, vgl. Luth.: die Welt 
des Menschen), sondern nur im technisch Paulinischen Sinne 
die gesammte Menschenwelt (18. 86. 19) bezeichnen. Dann 
aber kann das 8&i07A9ev (Sap 2a. 141) nicht bloss den 
ohnehin selbstverständlichen Gedanken ausdrücken, dass mit 
Adam das Sündigen begann (Frtzsch.), oder in ihm zuerst als 
bewusste Sünde zum Vorschein kam (Schleierm., Usteri), 
sondern nur, dass es durch seine Vermittelung geschehen ist, 
wenn nunmehr die Sünde als Macht in der gesammten 
Menschenwelt, ἃ. ἢ. in allen einzelnen Gliedern derselben 
wirksam ist (vgl. Phil., Goeb.). Schon 89 beweist, dass Paulus 
bei ἁμαρτία nicht an ein einzelnes sündiges Thun oder an 
die Sündhaftigkeit (Koppe, Flatt, Olsh., vgl. August, Calv.: 
die Erbsünde) denkt, sondern an die widergöttliche Bestimmt- 
heit des Willens als wirksames Prinzip, das sich in den 
einzelnen konkreten Sünden nur auswirkt, indem es auf die 
einzelnen Willensentscheidungen der Menschen eine be- 
herrschende Gewalt ausübt. 


Anmerkung. Da dieeigentliche Absicht der Parallele zwischen 
Adam und Christus nach dem Zusammenhange mit V. 1—11 ist, zu 
zeigen, dass durch Christum ebenso das Leben als Folge der Ge- 
rechtigkeit in die Welt gekommen ist, wie durch Adam der Tod in 
Folge der Sünde, so geht Paulus auf die Frage, wie das Hinein- 
kommen der Sünde in die Welt durch Adam vermittelt war, nicht 


Vergleichshälfte einführt. Otto zieht διὰ τοῦτο zu V.11 (vgl. Märcker) 
als Erläuterung zu νῦν; »um desswillen, dass wir seines Lebens und 
durch dasselbe der Gemeinschaft mit Gott theilhaftig würden«, woran 
sich dann ὥσπερ anschliesse im Sinne von: ganz sowie. 





‘236 Röm 5:12. 


näher ein (vgl. bes. Fricke). Allein soviel erhellt aus der folgenden 
Exposition, dass er nicht annimmt, Adam habe als der erste Mensch 
bereits das immanente Prinzip der Sünde in sich getragen und 
dasselbe sei nur bei ihm zuerst als παράβασις in die Welt des Sicht- 
baren eingetreten (Baur, neut. Theol. p. 191. Holst., z. Ev. d. Petr. 
u. Paul. p. 418), da er in Uebereinstimmung mit der Genesis, an 
welche auch die folgende Aussage anknüpft, die von Adam auf sein 
Geschlecht ausgehende unheilvolle Wirkung von einem bestimmten 
παράπτωμα, ἃ. bh. von dem Sündenfall herleitet (V. 15. 17. 18), auf 
dessen (nach IIKor 118 durch den Teufel vermittelte) Modalität 
aber nicht näher eingegangen wird. Es wird nur betont, dass wenn 
jetzt die Sünde als Macht in der Menschenwelt vorhanden ist, dies 
durch den Sündenfall Adams verursacht ist. Das kann aber nur so 
gedacht sein, dass in Folge desselben die Sünde in ihm und dann in 
dem mit ihm einheitlich verbundenen Menschengeschlecht zur wirk- 
‚samen Macht wurde. Da nun Adam lediglich durch die Zeugung mit 
dem ganzen Geschlecht im Lebenszusammenhange steht (8. o.), so 
kann Paulus jene Wirkung der Adamitischen Sünde sich nur durch 
die geschlechtliche Zeugung vermittelt gedacht haben. Vgl. Weiss, 
bibl. Theol. $ 67, b. d. 


χαὶ διὰ τῆς ἁμαρτίας) Bem.die nachdrückliche Wieder- 
holung des Subst. statt des Pronomen δ αὐτῆς. Nachdem 
einmal die Sünde durch einen Menschen in die Menschenwelt 
eingedrungen, ist sie es nun wieder, durch welche der Tod in 
die Welt hineinkam. Diese Aussage gründet sich auf Gen 
217. 81:9 (vgl. Sap 2... JSir 25%. IKor 1521); weshalb mit 
ö $avarog nichts Anderes gemeint sein kann, als der phy- 
sische Tod, wie er nach gangbarer Vorstellungsweise als 
Trennung der Seele vom Körper und Versetzung derselben 
in den Hades gedacht wird. Gewiss steht auch hier der Tod, 
wie so oft, im Gegensatz zu dem ewigen seligen Leben der 
Heilsvollendung (V. 10, vgl. V. 18. 21), aber das involvirt 
keine andere Bedeutung des Wortes, da der leibliche Tod, 
wenn er nicht durch die Auferweckung zum himmlischen 
Leben wieder aufgehoben wird, selbstverständlich zum ewigen 
Tode wird*). — χαὲ οὕτως) fasst den vorher dargelegten 


*, Den Begriff des geistlichen Todes empfängt das Wort in dem 
gesammten Paulinischen Sprachgebrauch nur 710. 34 durch den Zu- 
sammenhang; und diese Pelaginische Deutung (vgl. noch Picard) 
widerspricht dem ganzen Kontext, der eben von der unseligen Folge 
der Sünde handelt, während der geistliche Tod doch nur den sünd- 
haften Zustand selbst bezeichnet. Ganz unhermeneutisch ist aber 
jedwede entweder vollständige (s. bes. Phil. u. Stölt.) oder theilweise 


Röm δ 18. 237 


Sachverhalt zusammen, wie IKor 14%. Hbr 615: und derge-- 
stalt, d.h. diesem Zusammenhange der durch Einen Menschen 
eingekommenen Sünde und des durch diese verursachten 
Todes entsprechend. Damit ist aber nicht bloss der ursäch- 
liche Zusammenhang zwischen Sünde und Tod überhaupt ge- 
meint (Olsh., de W., Phil., Mehr.); denn das οὕτως reka- 
pitulirt ja den eben dargestellten geschichtlichen That- 
bestand, wonach in und mit der ersten Sünde jener Kausal- 
zusammenhang zwischen Sünde und Tod gesetzt, ἃ. ἢ. der Tod 
als Strafe der Sünde für Alle bestimmt ist. Vgl. Fricke *). 
— εἰς πάντας ἀνθρώπους) nimmt den Begriff des χόσμος 
wieder auf, was Luth. vergeblich bestreitet, um nachdrücklich 
hervorzuheben, wie auf diese Weise der Tod nicht nur über- 
haupt mit Adam in die Welt hineinkam, sondern auch zu 
allen Gliedern der Menschenwelt hindurchdrang weil alle 
sündigten, und so der bei Adams Sünde gesetzte Zusammen- 
hang von Tod und Sünde bei allen wirksam wurde. Das 
δεήλϑεν (Plat. Alcib. 2 mit εἰς, wie Ez dır. Ps 8717 mit. 
ἐπε) steht betont am Schlusse des Satzes, weil es eben zeigt, 


Zusammenfassung des leiblichen, ethischen (vgl. vexgos Mt 823) und 
ewigen Todes (Thol., Kölln., B.-Crus., de W., Olsh., Reithm.), oder 
des gesammten Unheils, welches Folge der Sünde ist (Umbr., Ew.). 
Ebenso willkürlich ist es, einen aus dogmatischen, wenn auch noch 
so richtigen Erwägungen gewonnenen, von dem gemeinen Sprach- 
gebrauch abweichenden »Begriff des Todes« zu konstruiren und als 
angeblich »biblischen Sprachgebrauch« dem Worte unterzuschieben. 
So Hofm.: »alles Widerspiel des Lebens aus Gott, sei es als Vorgang,. 
der gottgewirktem Leben ein Ende macht, oder als mit solchem Vor- 
gange eintretende Daseinsweise«, so Beck, welcher nach seiner Fassung 
des εἰς τὸν x00uov εἰσῆλθεν von dem Einverleibtwerden der Sünde in 
das zu einem Organismus verbundene Naturleben den Begriff einer 
desorganisirenden oder zerstörenden Naturmacht geltend macht, 
so Otto: (Geschiedenheit des Menschen von der Lebensgemeinschaft 
mit Gott. 
*) Gegen diese Auffassung macht Blbtr. p. 5, obwohl er sonst 
die Stelle richtig erklärt, geltend, dass dabei Sündenfolge mit 
Sündenstrafe verwechselt werde. Allein diesen Unterschied macht: 
Paulus nicht und kann ihn garnicht machen, da es nach seiner reli- 
iösen Weltanschauung keine Sündenfolge geben kann, die nicht 
Sündenstrafe wäre, und da die Genesis, auf welche die ganze Dar- 
stellung des Apostels zurückgeht, den Tod, der als Folge der Sünde 
eintrat, zweifellos als ihre Strafe fasst. Ungenügend bezieht man 
das οὕτως auf ein einzelnes Moment im Vorigen, als hiesse es: durch- 
einen Menschen (Hofm., Dietzsch, Holst., Otto, Böhmer), oder: durch 
die Sünde (Stölt.), oder: mittelst jenes Hereinkommens (God., 
oder: in Folge dessen, dass durch einen Menschen der Tod (Frtzsch.),. 
oder Sünde und Tod (vgl. Rothe, Luth.) in die Welt eingedrungen. 
ist (Beck). 


238 Röm 5ıs. 


wie das εἰς τὸν κόσμον εἰσῆλθε sich auf alle Individuen er- 
streckte. — ἐφ᾽ ᾧ) kann nicht als einfaches Relativum auf 
ein vorhergehendes Wort bezogen werden. Die seit Orig,, 
Vulg., Augustin. herkömmliche katholische Erklärung (Est., 
Corn. a Lap., Klee, Aberle, vgl. auch Beza, Er. Schmidt) 
bezog es auf εἷς ἄνθρωττος, das aber viel zu weit zurück 
steht, und fasste es willkürlich gleich ἐν ᾧ: Alle Menschen, 
weil sie in Adams Lenden waren, haben in seiner Sünde mit- 
gesündigt. Chrys., Theoph. Oecum., Phil. erklären es ebenso 
wortwidrig durch propter Adamum, wie (τοί. durch per quem. 
Ebenso unmöglich ist aber die Beziehung auf Javaros.. Man 
nimmt dann ἐφ᾽ ᾧ entweder nach Sap 23 von der causa 
finalis (Umbr., Schmidt, Glöckl., vgl. Ew., Jahrb. II, p. 171), 
so dass sie sündigten, eig. sündigen sollten zum Tode (um, 
wenn auch unabsichtlich, den Tod über sich herbeizuführen), 
was das genaue Gegentheil davon wäre, dass durch Adam 
Sünde und Tod über sie gebracht war, oder von den ob- 
waltenden Umständen (vgl. Kühner ὃ 438, II, 3, b), unter 
welchen sie sündigten (Dietzsch: unter dessen Voraussetzung, 
Hofm.: bei dessen Vorhandensein, vgl. Volkm., Hilg.), wobei 
man, wenn der Gedanke irgend eine Bedeutung im Zusammen- 
hange haben soll, immer etwas eintragen muss, was in dem 
blossen »Vorhandenseins nicht lieg. Das ἐφ᾽ « muss also, 
wie IIKor 54 Phil 8:1», aufgelöst werden durch &ri τούτ 

ὅτι, auf Grund dessen, dass, mithin dem reellen Sinn nac 

gleich: propterea quod, dieweil (Luther) sie alle gesündigt 
haben *). Das zravyres ἥμαρτον (33) kann ohne Willkür 
nur von den individuellen Sünden der Einzelnen gefasst werden, 
das στάντες entspricht dem εἰς πάντας, und der Satz giebt 
den vollen Aufschluss über das οὕτως. Denn da bei der 
Adamitischen Sünde einmal der Zusammenhang zwischen 
Sünde und Tod gesetzt war (διὰ τῆς ἁμαρτίας ὃ ϑάνατος), 


*) Meyer vergleicht Theophil. ad Autol. 2, 40. Synes. ep. 73: 
ἐφ᾽ ᾧ Tevvadıov Eygaıyer, zu ἐφ᾽ οἷς Plut. de Pyth. orac. 29. Joseph. 
Antt. 1, 1. 4. 16, 8, 2, sowie den sehr gangbaren Gebrauch von ἐπί 
τούτῳ propterea (Xen. Mem. 1, 2, 61), ἐπ᾿ αὐτῷ τούτῳ eben deshalb 
Dem. 578. 26. Xen. Cyr. 2, 3, 10) u. 8. w. So auch Reiche, Rück., 

rtzsch., de W., Maier, Mehr., Märcker p. 19, Fricke, Luth., Lips,., 
Sand. u. A. Sprachwidrig nahm Rothe (vgl. Schmid, bibl. Thbeol. II, 

. 260) das ad ᾧ gleich ἐπὶ τούτῳ ὥστε (unter der näheren Bestimmt- 
heit, dass), als stände ἐφ @ im Sinne von: unter der Bedingung dass, 
Andere gleich: sofern (Ew., Sendschr. d. Ap. P., Thol., v. Heng.), was 
ἐφ᾽ ὅσον wäre (1118), oder: weshalb (Beck, Otto). Baur II, p. 202 
(vgl. dessen neutestam. Theol. p. 138) und Ernesti fassen es vom 
Erkenntnissgrunde. 


Röm 5819. 239 


wonach der Tod die Strafe der Sünde ist, so musste der Tod 
zu Allen hindurchkommen, weil Alle sündigten. Zwar 
macht man dagegen geltend, dass es gerade im Sinne der 
ganzen Parallele zwischen Adam und Christus liegt, dass der 
Tod nicht wegen der individuellen Sünden, sondern, abgesehen 
von diesen, durch Vermittelung Adams über die Menschen 
gekommen sei. Man übersieht aber, dass die Voraussetzung 
dieser Aussage über die Verbreitung des Todes die andere 
ist, dass die Sünde durch Adams Vermittelung als wirksame 
Macht in die Welt gekommen, wovon eben das Resultat die 
Thatsache war, dass Alle sündigten (vgl. Blbtr. p.2 und noch 
Sand... Dagegen bleibt es eine unerträgliche Willkür, die 
alte Augustinische Erklärung, deren sprachliche Begründung 
man verwirft, der Sache nach wieder einzuführen, indem man 
ergänzt, dass sie »in und mit Adam, dem Vertreter der ganzen 
Menschheit«s, sündigten. So Beng., Koppe, Olsh., Meyer, 
Phil, God., Pfleid. Paulin. p. 40 u. A. (vgl. dagegen bes. 
Mang. p. 325—338) *). 


Anmerkung. Man kann hiernach doch nicht sagen, Paulus 
wolle so wenig über den Ursprung des Todes, wie der Sünde etwas 
Neues aussagen (Sand.), oder er setze den Zusammenhang zwischen 
Adams Sünde und der allgemeinen Herrschaft des Todes als bekannt 
voraus (Lips.), da dann das χαὶ οὕτως — ἥμαρτον, sowie die Be- 


*) Die Berufung auf IIKor 515 beweist garnichts, da dort das 
ὑπὲρ πάντων den Sinn, in welchem mit dem Tode Christi alle ge- 
storben sind, ausreichend erläutert, und ebensowenig die Berufung 
Meyers darauf, dass dies πάγτες ἥμαρτον, im gewöhnlichen Sinne ge- 
nommen, unwahr wäre, weil viele Millionen Kinder sterben, ohne ge- 
sündigt zu haben. Aber an diese dogmatische Kasualfrage hat Paulus 
sicher nicht gedacht. Er kommt doch auf die ganze Frage überhaupt 
nur, um die Analogie zwischen Adam und Christus durchzuführen, 
d.h. uam zu zeigen, dass Sünde und Tod ebenso von Adam stammt, 
wie Gerechtigkeit und Leben von Christo. So gewiss er nun hierbei 
nur an Menschen gedacht hat, die bereits der Aneignung des Heiles 
fähig sind, so gewiss hat er auch dort nur an solche gedacht, bei 
denen vom Sündigen überall die Rede sein kann. Wortwidrig er- 
klärten Picard, Aberle, auch Thol., ἥμαρτον: sie waren sündhaft, 
womit die Erbsünde gemeint sei (Calv., Melanth. in d. Enarr.: 
»omnes habent peccatum, scilicet pravitatem propagatum et reatum«). 
Vgl. selbst Holst.: sie wurden sündig. Völlig richtig erklärt Lips. 
es von der in Thatsünden sich wirksam erweisenden Macht der Sünde, 
die von Adam her sie beherrscht; aber dann sollte er nicht mehr 
von der »objektiven Uebertragung von dem Einen auf die Vielen« 
reden, wobei man doch immer an eine blosse Zurechnung denkt, 
während die von ibm angenommene jedenfalls subjektiv vermittelt 
erscheint. 


240 Röm 212. 13. 


gründung in V. 13f. nicht hätte hinzugefügt werden dürfen. Die 
Ansicht der Rabbinen, welche die allgemeine Sterblichkeit vom Falle 
Adams herleiteten, sofern dieser das ganze Geschlecht vertreten 
habe, also, als Adam gesündigt, Alle gesündigt haben, sodass selbst 
vollkommene Gerechte »comprehensi sub poena mortis« seien, die 
noch Meyer von Paulus adoptirt und sanktionirt sein lässt, hat Paulus 
eben nicht gehabt. Er hat, wie gezeigt, das Sterben aller auf das 
(freilich durch die Abstammung Aller von Adam bedingte) Sündigen 
Aller und nur insofern auf Adam zurückgeführt, als bei seiner ersten 
Sünde der Tod als Strafe der Sünde geordnet ist, und in diesem 
Sinne bildet unsere Stelle den authentischen Kommentar zu IKor 
1ögıf. Dass Adam unsterblich geschaffen gewesen, besagt u. St. 
nicht, und IKor 1547 enthält das Gegentheil. Deshalb braucht er 
aber ebensowenig Adam seiner Natur nach als sündig und die 
Sünde in seiner dem Tode verfallenden σάρξ wurzelnd gedacht zu 
haben. Wenn Adam nicht in Folge seiner gottwidrigen Selbst- 
bestimmung gesündigt hätte, so wäre er unsterblich geworden durch 
den Genuss des Lebensbaumes im Paradiese (Gen 322, vgl. God. 
p. 231). Da er aber gesündigt hat, so musste die Folge davon der 
Tod sein, nicht bloss für ihn selbst, da er das Paradies verlassen 
musste, sondern auch für alle Nachkommen, die in Folge seiner 
Austreibung aus dem Paradiese vom Genuss des Lebensbaumes aus- 
geschlossen blieben. Dies vermittelte sich aber für den Einzelnen 
immer wieder dadurch, dass die von Adam her in der Menschheit 
herrschend gewordene Sündenmacht in ihm das Sündigen wirkt, das 
nach dem uranfänglich von Gott geordneten Kausalzusammenhange 
von Sünde und Tod auch für ihn den Tod zur Folge hatte. 


Υ. 13f. begründet das zei οἴτως — διῆλϑεν V. 12, d.h. 
dass der Tod Aller in dem mit Adams Sünde ein für allemal 
esetzten ursächlichen Zusammenhange der Sünde mit dem 
ode seinen Grund habe (vgl. v. Heng., Reiche, Goeb., im 
Wesentlichen auch Thol., Luth.), sofern ihr Sterben in der 
nos durch kein Gesetz festgestellten) Todeswürdigkeit ihrer 
ünden seinen Grund nicht haben konnte*. — ἄχρε γὰρ 
νόμου) erklären Hofm., Holst. mit Recht: bis ein Gesetz kam; 








5) Es wird also nicht das πάντες ἥμαρτον begründet, d. ἢ. die 
Allgemeinheit des Sündigens (B.-Crus., Umbr., Baur, Rothe und wieder 
Mang. p. 3839, Chr. Hoffm., Otto, vgl. Lips., der freilich hinzufügt: 
nämlich in Folge von objektiver Uebertragung der Sündenmacht), 
noch die Zurechenbarkeit der Sünde im Allgemeinen (de W., Frtzsch.). 
Meyer, God., Zimmer u. A. tragen auch hier den Gedanken ein, dass 
der Tod Aller nicht in dem persönlichen Verschulden der Einzelnen 
begründet war. 


Röm δ18. 241 


gemeint aber ist nach dem Zusammenhang ein Gesetz, welches 
nicht nur überhaupt die Sünde verurtheilte und mit der gött- 
lichen Strafe bedrohte (8.19), sondern speziell mit der Todes- 
strafe (Il Kor 36), wie sie auf die Uebertretung des im Para- 
diese gegebenen Verbotes gesetzt war (Gen 217). In der Sache 
ist also die der Gesetzgebung vorgängige Periode gemeint, die 
Zeit von Adam bis Moses, dessen Gesetz erst die Todesstrafe 
für die Sünde allgemein festsetzte. — ἁμαρτία ἦν ἐν κόσμῳ) 
Dies setzt Paulus nach Gen 4 bis 6 als unzweifelhaft ge- 
schichtliche Gewissheit. Eben darum aber kann er damit nicht 
erst das sravzeg ἥμαρτον beweisen wollen, da es die ohnehin 
im ersten Theile hinlänglich erwiesene Thatsache der allge- 
meinen Sündhaftigkeit ebenso kategorisch wie V. 12, nur mit 
spezieller Beziehung auf eine bestimmte Zeit behauptet*). 
Daraus folgt aber evident, dass dieser Satz nicht für sich 
eine Begründung des Vorigen bildet, sondern nur die Voraus- 
setzung für V. 14, die aber dadurch noch erst näher bestimmt 
werden muss, dass diese bereits vorhandene Sünde doch keine 
mit der Todesstrafe bedrohte war, also immerhin nicht als 
todeswürdig angerechnet werden konnte. Dann aber kann das 
οὐχ ἐλλογεῖται (sonst nur noch bei Boeckh. Inscript. 1, 
p- 850. A.35 und Philem. 18 text. rec. aufbehalten) nicht 
von der Zurechnung überhaupt (also wie λογίζεται 44), sondern 
nur davon verstanden werden, dass sie nicht von Gott als 
todeswürdige Gesetzesübertretung in Rechnung gebracht wird; 
denn von der göttlichen Strafverfügung, wie sie in Folge des 


*) Sollte, wie Hofm. will, darin, dass man für diese Zeit jene 
allgemeine Behauptung bezweifeln konnte, das Motiv dieser Begrün- 
dung liegen, so müsste es nothwendig heissen: χαὶ γὰρ ἄχρε τοῦ 
vouov. Er betont das ἦν ἐν τ. χόσμ. im Gegensatz zu dem εἰς τ. x. 
εἰσῆλϑ. V. 12 und_findet darin die Begründung dafür, dass Alle 
beim Vorhandensein des Todes sündigten, weil es etwas wesentlich 
Anderes sei, wenn gesündigt werde, nachdem die Sünde in der Welt 
war, als wenn durch Adam die Sünde zuerst in die Welt hereinkam 
und mit der Sünde der Tod, obwohl er selbst gestehen muss, dass für 
diesen Beweis das ἄχρε vouov ganz irrelevant ist. Seine Behauptung, 
dass bei der gewöhnlichen Auffassung es heissen müsse: ἁμαρτία εὐ 
μὲν ἐν χόσμῳ, οὐκ ἐλλογεῖται δέ ohne ἁμαρτία ist völlig nichtig, da ja 
im 2. Satze nicht etwas von der geschichtlich in der Welt vorhandenen 
Sünde ausgesagt, sondern das von ihr Ausgesagte durch einen All- 
gemeinsatz über die Zurechnung der Sünde erläutert wird. Bibtr. 

. 6 künstelt an dem ἐν χόσμῳ (innerweltlich, d. ἢ. mit dem durch 
δ ο Schöpfung gesetzten Naturbestand gegeben); aber das artikellose 
ἐν χόσμῳ sagt nur mit Beziehung auf V. 12, dass es schon damals 
eine Menschenwelt gab, in der Sünde vorhanden war. (Ganz wort- 
widrig dachten Orig., Chrys., Theodoret, Theod. Mopsv. an die Periode 
während des (Gesetzes. 


Meyer's Kommentar. 1V. Abth. 9. Aufl. 16 


2423 Röm dıs. 14. 


Sündenfalls und nachmals durch das Gesetz erging, ist im 
Zusammenhange allein die Rede. Eine solche gab es aber 
ohne Vorhandensein eines Gesetzes (un ὄντος νόμου) nicht, 
wobei aber, wie in der ersten Vers älfte, nach dem ganzen 
Zusammenhange an ein Gesetz gedacht ist, das, wie das 
Mosaische, die Todesstrafe auf die Sünde setzte. Unmöglich 
aber kann gemeint sein, dass beim Nichtvorhandensein eines 
Gesetzes die an und für sich gesetzwidrige Handlung, weil sie 
keine Uebertretung des Gesetzes ist (416), auch nicht als solche 
in Rechnung gestellt werden und den Tod der Menschen ver- 
ursachen konnte (Meyer u. ἃ. Meisten), da 212 aufs Be- 
stimmteste sagt, dass die, welche ἀνόμως ἥμαρτον, ἀνόμως καὶ 
ἀπεολοῦνται, so dass also die individuelle Sünde den Tod sehr 
wohl wirken kann, auch wenn sie nicht als Gesetzesübertretung 
angerechnet wird*). — V. 14. ἀλλα at, doch, führt eine dem 
ἁμαρτία οὐχ ἐλλογ. etc. scheinbar widersprechende Erscheinung 
ein, die aber nun eben beweist, dass zwar nicht διὰ vouov 
(212), aber wegen der mit der Adamitischen Sünde in Kraft 
getretenen Gottesordnung, wonach die Sünde mit dem Tode 
bestraft wird, alle Menschen in Folge ihres Sündigens sterben. 
Daher steht mit Nachdruck voran das ἐβασίλευσεν (mit 
ἐπί, wie ISam 89. ıı. IMak 116), wonach mit unbeschränkter 
Macht geherrscht, d. i. seine des Lebens beraubende Gewalt 
ausgeübt hat der Tod von Adam bis Moses, also in der ganzen 
Zeit, wo es kein Gesetz und darum keine durch dasselbe für 


*) Die Sünde ist an sich selbst (als objektive Gottwidrigkeit) 
strafbar, und eine »Sünde ohne subjektive Schuld« (Holst.) giebt es 
nach Röm 214ἴ. sowenig, wie die durch die Sündenmacht von Adam 
her gewirkte Sünde damit aufhört, persönliche Gesetzesübertretung zu 
sein (gegen Lips). Die Herrschaft der Sündenmacht ist eben von 
Paulus im Einzelfall nie als eine absolut zwingende gedacht. Ganz 
vergeblich bemüht sich Meyer, die Schwierigkeit zu entfernen, dass 
es auch vor der Gesetzgebung mancherlei Erklärungen Gottes über 
seinen Willen gab, z.B. die Noachischen Gebote, deren Uebertretu 
sogar ausdrücklich mit dem Tode bedroht wird (Gen 951), un 
mancherlei Strafgerichte, wie über Sodom u. 8. w. (vgl. auch God. 

. 238), was mit seiner Auffassung in unlöslichem Widerspruch steht. 
Denn dass das sog. »natürliche Gesetz« hier ausser Rechnung bleibt, 
liegt nicht daran, dass es die Sünde nicht zur παράβασις macht (was 
es doch thut, sobald man es als einen vouog bezeichnet, wie Paulus 
214), sondern dass es nicht ausdrücklich die Todesstrafe über seine 
Uebertroter verhängt. Selbstverständlich ist bei dem ἐλλογεῖται nicht 
an die Zurechnung durch den menschlichen Richter (Frtzsch.), oder 
an die Selbstzurechnung des Sünders gedacht (August., Ambros., 
Luther, Calv., Beza u. Μ΄ auch Rück., Mang., Stölt.), was dem Kon- 
text ganz fern liegt. 


Röm Bu. 243 


todeswürdig erklärte Uebertretung gab*). Das «ai ἐπὶ τούς 
μὴ ἁμαρτήσαντας könnte auf alle Sünder dieser ganzen, 
V. 13 als gesetzlos charaktersirten Zeit (vgl. Hofm., God., 
Mang. p. 339, Dietzsch p. 98, Otto, Goeb.) und so nur darauf 
gehen, dass sie doch ebenfalls, wie alle Sünder der Gesetzes- 
zeit, der Todesherrschaft verfielen. Aber es hindert auch nichts 
anzunehmen, dass Paulus dabei die Mehrzahl dieser Sünder 
h., Meyer, Beck) gedacht hat mit Ausschluss solcher, 

ie gelegentlich wirklich ein positiv mit der Todesstrafe 
bedrohter Gebot (vgl. Gen 9sf. u. dazu die vor. Anm.) über- 
traten (vgl. v. Heng). — ἐπὶ τῷ ὁμοιώματι τῆς 
παραβάσεως Αδαμ) Das 2rri bezeichnet die Norm, nach 
welcher sie sündigten (Win. $ 48, c,f.u. vgl. Neh 168. Lk 1), 
sofern es sich darum handelt, ob ihr Thun als ein Sündigen 
bezeichnet werden konnte auf Grund seiner Aehnlichkeit mit 
der Uebertretung Adams, oder nicht. Das ὁμοίωμα ist also 
auch hier, wie 125, ein Thun, welches seinem spezifischen Wesen 
nach gleichgestaltet war und somit in dieselbe sittliche Kate- 
gorie gehörte mit der Uebertretung (2.28. 416) Adams. Dieser 
aber übertrat nicht nur überhaupt ein positives Gebot (Meyer, 
God., Zimmer u. A., vgl. Calv.), sondern ein seine Ueber- 
tretung ausdrücklich mit dem Tode bedrohendes Gebot 
(Reiche, Thol., Hofm., Goeb.), was keine kontextwidrige Ein- 
tragung ist (gegen Meyer), sondern nach dem auf Gen 2:7. 319 
hinweisenden χαὶ διὰ τῆς ἁμαρτίας ὁ ϑάνατος V.12 und aus 
der bekannten Thatsache, dass im Mosaischen Gesetz aus- 
drücklich von dem Verhalten zu ihm Leben oder Tod ab- 


*, Hofm. (vgl. auch Holst., Aberle, Dietzsch, Blbtr. P 7, Beck) 
findet in dem nachdrücklichen ἐβασ. das selbständige und bleibende 
Herrschen, welches der Tod unabhängig von einer von Fall zu Fall 
erfolgenden Sündenzurechnung (ἀλλά sei das einfache: sondern) geübt 
habe, »wie es ein König, ein kraft seiner persönlichen Stellung ein 
für alle Mal dazu Berechtigter, über die ihm vermöge ihrer Zugehörig- 
keit zu seinem Gebiete von vorn herein Untergebenen übt«. Aber diese 
qualitative Bestimmtheit des βασιλεύειν liegt weder in dem Wort an 
sich, noch in dem Nachdruck, mit dem es an die Spitze des Satzes 
gestellt ist, noch in dem Zusammenhange, in welchem es sich nur um 
die Ausnahmslosigkeit seines Herrschens handelt. Wenn Lips. sagt, 
sie seien nicht um ihrer individuellen Verschuldung willen, sondern 
wegen der objektiven Uebertragung der Sündenherrschaft von Adam 
ber der allgemeinen Herrschaft des Todes unterworfen, so hat er eben 
nicht nachgewiesen, dass die von jener objektiven Sündenmacht ge- 
wirkte Sünde keine individuelle Verschuldung mit sich bringt (8. d. 
vor. Anm.). Ein Sinnunterschied von μέχρι (Ps 10419. IIMkk 131. 
Mt 1123) und ἄχρε (Job 8211: Mt 2438) findet nicht statt. 


16" 


244 Röm 814. 


hängig gemacht wird, sich von selbst verstand*). Dass aber 
solche Sünder der Todesherrschaft verfielen, kann nur in Folge 
der mit der Adamitischen Sünde ein für allemal gesetzten 
Gottesordnung geschehen sein, was Paulus V. 13f. eben be- 
weisen wollte. — ὅς ἐστε τύπος τοῦ μέλλοντος) welcher 
— um nun das V. 12 eingeleitete Ergebniss aus V. 181. zu 
ziehen, und so auf die V. 12 angehobene Vergleichung zurück- 
zukommen — Vorbild des künftigen nn) ist, Im Zu- 
sammenhange der heilsgeschichtlichen Teleologie betrachtet 
Paulus Personen der Vergangenheit (vgl. IKor 106) als Er- 
scheinungen, welche nach dem göttlichen Plane die Bestim- 
mung haben, entsprechende zukünftige Erscheinungen vorzu- 
bilden, und somit ein Vorbild (rurrog, wie Ex 254) derselben 
werden. In diesem Sinne ist Adam das Vorbild des Adam, 
welcher von dem Standpunkt jenes aus als der noch zukünftige 
vgl. Mt 37) bezeichnet wird**). Paulus gründete diese seine 

ypik darauf, dass von Christo ein gleich durchgreifender Ein- 
fluss auf das ganze Menschengeschlecht ausging, wie von Adam, 
wenn auch in entgegengesetzter Richtung (vgl. Chrys., auch 


*) Das ἐπὶ τ. ὁμοιώμ. ist natürlich nicht nach Chrys. mit ἐβασάλ. 
zu verbinden (Finkh. nach Castal., Beng.: »quia illorum eadem atque 
Adami transgredientis ratio fuit — — i. e. propter reatum ab Adamo 
contraetum«), weil Paulus ausser den kleinen Kindern oder sonst Un- 
zurechnungsfähigen, welche er hier sowenig wie V. 12 berücksichtigt, 
solche, die nicht gesündigt haben (un ἁμαρτήσαντες ohne näher be- 
stimmenden Modalitätszusatz), gar nicht denken konnte (823). Dies 
auch gegen Chr. Hofm., der wortwidrig an die Gleichheit ihrer Natur- 
beschaffenheit mit Adam denkt. Ganz unrichtig nimmt Luth. das ἐπέ 
vom Zweck oder Erfolg, Hofm. den Gen. als Gen. subj. 

ἢ nen Geschichtsparallelen zwischen Adam und dem Messias 
” dass dieser auch ausdrücklich der letzte Adam genannt wird) 
nden sich auch bei den Rabbinen (z. B. Neve Schalom f. 160. 2: 
»Quemadmodum homo primus fuit primus in peccato, sic Messias erit 
ultimus ad auferendum peccatum penitus«; Neve Schalom 9, 9: 
»Adamus postremus est Messias«). Vgl. die Stellen bei Eisenm., ent- 
deckt. Judenth. II, p. 819. 823 ff. Koppe nach Beng. nimmt μέλλ. als 
Neutr. (dessen, was einst geschehen sollte) und ὅς für 6. Diese Ueber- 
einstimmung des Relat. mit dem folgenden Substant. wäre wohl gram- 
matisch möglich, aber da Adau unmittelbar voraufgeht, und die Idee, 
Christus sei ὁ ἔσχατος ᾿Αδάμ, eine Paulinische Idee ist (IKor 184): 
80 ist es völlig unberechtigt, von der Beziehung des ὅς auf Adam ab- 
zugehen; ebenso unberechtigt aber auch, dem μέλλων die Ergänzung 
durch das unmittelbar vorangehende Adan zu versagen und eg »der 
Mensch der Zukunft« (Hofm., Luth.) zu fassen. Das ὁ μέλλων nehmen 
Frtzsch., de W. mit Bezug auf die letzte Zukunft Christi, wodurch 
die ganze Motivirung der in V. 12 angedeuteten, aber nicht ausge- 
führten Parallele zerstört wird. Christus ist schon jetzt der ἀντέζυπος 
(vgl. IPt 351) Adams. 


Röm δ14. 15. 245 


Theod. Mops.). Weiter darf man in der Ausdeutung des Typus 
nicht gehen; denn von einer „objektiven Uebertragung“ von 
Sünde und Tod auf der einen Seite, wie von Gerechtigkeit 
und Leben auf der anderen, ist V. 1—11, worauf das διὰ 
τοῦτο V.12 zurückwies, nicht die Rede gewesen und ist auch 
in allem Folgenden nicht die Rede. 
V. 15. ἀλλ᾽ ovy) schränkt die durch ὅς ἐστιν τύτπτος 
τ. u. V. 14 gesetzte Parallele zwischen Adam und Christus 
in einer durch den Begründungssatz näher zu exponirenden 
Beziehung ein: Es verhält sich nicht mit dem χάρισμα, wie 
mit dem παράπτωμα. Dabei kann aber nicht an die von 
beiden ausgegangenen entgegengesetzten Wirkungen (Meyer, 
vgl. dagegen Mang. p. 340f.) gedacht sein; denn diese Gegen- 
sätzlichkeit liegt in der Natur der Sache, wird auch im Folgen- 
den überall als selbstverständlich vorausgesetzt und tangirt die 
typische Parallele nicht, welche nur in der formellen Gleich- 
artigkeit einer von dem Einen auf die Vielen sich erstrecken- 
den Wirkung ruht. Das παράπτωμα (42) ist, wie Sap 101, 
der Sündenfall Adams, durch welchen derselbe seinen verderb- 
lichen Einfluss auf das Menschengeschlecht erlangt hat, weil 
leich mit ihm die Sünde als Macht in die Welt kam und 
urch die Sünde (als ihre Strafe) der Tod. Unmöglich aber 
kann im Gegensatz zu diesem Sündenfall Adams τὸ χάρισμα 
eine Gnadengabe Gottes sein (so gew., vgl. noch Luth.); viel- 
mehr ist das Gnadengeschenk gemeint, das uns Christus aus 
freier Liebe mit seiner Lebenshingabe gemacht hat*. — si 


*) Also nicht bloss die uns durch Christum vermittelte Gnaden- 
gabe (Goeb., Lips.), wobei immer unklar bleibt, welches diese Gnaden- 
gabe sei. Daher bleibt der Streit der Ausleger, welche an die Gnaden- 
gabe Gottes denken, ob die Rechtfertigung (Meyer u. d. M.), oder die 
in Folge des Glaubens in den Menschen eingehende Gnade mit ihrer 
Lebensgabe (Beck), oder die Neuschöpfung (Chr. Hoffm.), oder die Recht- 
fertigung und Geistesmittheilung (Böhmer) gemeint sei, unlösbar.. Es 
ist durchaus nicht inkorrekt, dass die Lebenshingabe Christi hier 
nicht als Gehorsamsthat gegen Gott (im Gegensatz zu παράπτωμα) 
bezeichnet ist, sondern als Liebesthat gegen die Menschen, weil es 
hier eben darauf ankam, auf die segensreiche Wirkung derselben für 
die Menschen hinzudeuten. Im Vergleich mit παράβασις ist der Aus- 
druck παράπτωμα weder mildernd (God.), noch die unseligen Folgen 
mit einschliessend (Grot., Dietzsch, Beck), da beide Synonyma sind, 
die sich nur, wie Fall und Vergehen (Uebertretung), durch den zu 
Grunde liegenden Tropus unterscheiden. Das ἀλλ᾽ οὐχ ist nicht 
fragend zu nehmen (Mehr. u. Aeltere), als ob 7 stände, und nicht 
durch: ist gekommen aus V. 12 zu ergänzen (Beck). — WH. hat das 
in B fehlende x«ı noch ovrws eingeklammert, und es ist hier recht 
unpassend, da ja die Parallele an sich aufrecht erhalten wird und nur 
die Gleichheit ihrer Modalität verneint. 


246 Röm 5815. 


ya.) begründet, weshalb trotz der typischen Parallele zwischen 
Adam und Christo es doch mit dem Gnadengeschenk dieses + 
eine andere Bewandtniss hat, wie mit dem Fehjtritt jenes, ἃ. ἢ. 
die im Eingang des Verses angedeutete Inkongruenz der Pa- 
rallele.e Dann aber kann das δὲ nicht rein ἢ thetisch (Meyer) 
sein, sondern es setzt den Fall, der in Betreff des παράπτωμα 
Adams V. 12 als faktisch eingetreten dargethan war. Wie 
es dort hiess, dass durch - einen Menschen die Sünde in die 
Welt kam und (durch diese vermittelt) der Tod, so heisst es 
hier, dass durch den Fall des Einen die Vielen starben. That- 
sächlich sind also die Vielen (οἱ πεολλοί, vgl. IlKor 21) 
die sämmtlichen Nachkommen Adams (vgl. V.12: eig πάντας 
ἄνϑρ.); aber es wird nicht bloss der Gegensatz gegen den εἷς 
durch die Bezeichnung der Gesammtheit mit οἱ στολλοὶ fühl- 
barer und stärker (Meyer), sondern es wird dadurch das eigent- 
liche tert. comp., welches Adam zum Typus Christi macht, 
erst mit voller Präzision hervorgehoben. Denn thatsächlich 
findet ja die heilbringende Wirkung Christi nicht bei allen 
Nachkommen Adams statt, was Lips. vergeblich leugnet, son- 
dern nur bei den Gläubigen, so dass es immer nur die von 
dem Einen auf die Vielen sich erstreckende Wirkung ist, 
was bei beiden vollständig parallel ist. Wie die Vermittelung 
des thatsächlich bei den Vielen eingetretenen Sterbens (a ,r&- 
$avo») durch den Fehltritt des Einen gedacht ist, das be- 
stimmt sich natürlich lediglich nach der richtigen Auffassung 
von V. 12—14, also dahin, dass sie starben, weil mit ihm der 
Tod als gottgeordnete Strafe der Sünde in die Welt gekommen 
war*). — πολλῷ μᾶλλον) wie V.9 von dem logischen Plus, 
d. h. von dem durch den Inhalt des Vordersatzes gesteigerten 
Grade der Evidenz, multo potius.. Hat Adams Fall eine so 
weitreichende schlimme Folge gehabt, so lässt sich eine solche 


*) Mit Unrecht behaupten also Meyer, God., aus unserer Stelle 
erhelle, dass sich Paulus zur Erklärung des Todes der Menschen nicht 
ihre individuelle Sünde als causa efficiens oder auch nur medians 
dachte. Dass das mit Adams Fehltritt geordnete Gesetz auf Alle An- 
wendung erlitt, war allerdings Folge ihrer individuellen Sünde, nur 
dass das allseitige Vorkommen derselben in der Menschenwelt nichts 
Zufälliges, sondern ebenfalls dadurch verursacht war, dass die Sünde 
durch Adams Vermittelung im ganzen Geschlecht zur herrschenden 
Macht wurde. Willkürlich freilich Ew., Jahrb., v. Heng. u. A.: »die 
Vielen sündigten und fanden den Tod, wie der Eine Adam«, vgl. 
Beck, der es geradezu vom geistlichen Tode nimmt und mit Dietzsch 
nur an den Theil der Menschheit denkt, der noch im Adamitischen 
Verderben beharrt. Böhmer, Otto denken bei of πολλοί an Jes 53ıs, 
Grot. daran, dass von den πάντες Henoch ausgenommen sei. 


Röm 815. 247 


von dem χάρισμα Christi noch weit weniger bezweifeln*). Die 
Voraussetzung dieses Schlusses muss in der Darstellung des 
Gegensatzes gesucht werden. Dieser aber zeigt, dass es die 
Intervention der göttlichen Gnade ist, die bei der Wirkung 
des χάρισμα Christi in Betracht kommt und diese soviel ge- 
wisser macht, als die thatsächlich von dem Fehltritt Adams 
ausgegangene Wirkung. Eben darum sagt Paulus nicht im 
Gegensatz zu απέϑανον, was mit den Vielen geschah, auf 
welche sich die Wirkung des χάρισμα Christi erstreckte, son- 
dern, dass die Gnade Gottes (7 χάρις τοῦ ϑεοῦ, wie 3%) 
in Bezug auf sie überreich geworden ist. Sachlich muss darin der 
reine Gegensatz zu ἀσεέϑανον liegen, dass ihnen (ewiges) Leben 
zu Theil ward in Folge der Rechtfertigung; dass dies aber als 
eine überreichliche Erweisung der göttlichen Gnade bezeichnet 
wird, kann nur den Grund haben, dass dadurch die Voraus- 
setzung jenes logischen Plus angedeutet werden soll. Die 
‚göttliche Gnade ist eben dem Apostel das Allergewisseste 
(vgl. God., Mang. p. 341), und die von ihr ausgehende Gnaden- 
wirkung noch viel gewisser, als es die (wie immer vermittelte, 
vgl. V. 16) Wirkung eines menschlichen Fehltritts irgend sein 
kann; die göttliche Gnade kommt aber hier in Betracht, weil 
Alles, was durch Christi Tod erworben, Gerechtigkeit und 
Leben, doch nur durch ihren Rechtfertigungsspruch (3%) und 
ihre gnadenreiche Mittheilung (623) uns zu Theil werden kann. 
— καὶ ἡ δωρεὰ ἐν χάριτι) gehört nothwendig zusammen, 
wie alle Neueren gegen Meyer anerkennen, da das blosse ἢ 


*) So schon Chrys. (πολλῷ γὰρ τοῦτο εὐλογώτερον), Theodor., 
neuerlich Frtzsch., Phil., v. Heng., Mang. p. 341, Holst., God., Luth., 
Lips., Sand. Die quantitative Fassung (Theophyl., Erasm., Calv., Beza, 
Calov. u. M., neuerlich Rück., Reiche, Kölln, Rothe, Nielsen, B.-Crus., 
Maier, Hofm., Dietzsch, Otto, Zimmer, Böhmer, Goeb.) hat gegen sich, 
dass ein quantitatives Plus schon in dem ἐπερέσσευσεν angedeutet ist, 
mit welchem πολλῷ μᾶλλον verbunden sein müsste, wenn es dasselbe 
steigern sollte. Auch lässt sich nicht absehen, wie »die Wirkungs-: 
kräftigkeit« an sich gesteigert werden soll, da ja dieselbe bei der 
vorliegenden Gegensätzlichkeit der Wirkung nur nach der Ausdehnung 
des Wirkungsgebietes bemessen werden kann, und dieses bei beiden 
ausdrücklich ganz gleichartig charakterisirt ist (οὗ πολλοί im Gegen- 
satz zu τοῦ ἑνός) Der Haupteinwand, welchen Dietzsch, Hofm. (nach 
Rothe) gegen die Fassung vom logischen Plus daraus erheben, dass 
wir hier zwei geschichtliche Wirklichkeiten vor uns haben, erledigt 
sich dadurch, dass auch von zwei geschehenen Thatsachen die eine 
aus der anderen, nämlich hinsichtlich der Gewissheit und Nothwendig- 
keit, erhärtet und erschlossen werden kann, vorausgesetzt, dass, wie 
hier, es sich nicht um eine vor Augen liegende Thatsache, sondern 
um eine Thatsache des Glaubens handelt. 


248 Röm 515. 


δωρεά (Dan 26. 119. Sap 162. 1:4. IIMak 4%) bei dem, 
wie er selbst zugiebt, τοῦ Jeov nicht ergänzt werden kann, ein 
völlig unverständlicher Ausdruck wäre. Eben weil es aber 


kein in sich vollständiger Burn ist, so kann das ἐν χάριτι 
ohne Art. angeschlossen werden, und muss es, da das Gre- 
schenk als ein ebenfalls in einer Gnadenerweisung beruhendes 
charakterisirt werden soll. Es wird also der Begriff des 
χάρισμα umschrieben und zwar so umschrieben, dass deutlicher 
hervortritt, wie auch in ihm Gnade das Entscheidende ist, und 
darum die Heilswirkung, welche somit von zweiftältiger Gnade, 
des Urhebers und des Mittlers, ausgeht (vgl. Hofm., God.), eine 
um so gewissere ist*). Daher musste auch zuerst in ἐν χάριτι 
der Begriff der Gnade als solcher hervorgehoben werden, um 
dann durch τῇ τοῦ ἑνὸς ἀνϑρώτεου im Gegensatz gegen 
den Einen Menschen Adam (vgl. IKor 15aıf.) als die Gnade 
Jesu Christi bezeichnet zu werden, die ihn bewog, sein Leben 
für die Menschen dahinzugeben, oder geradezu als die Gnaden- 
erweisung, die er uns in seinem Tode angethan. Vgl. IIKor 89. 
1318. Galle. Das eig τοὺς πολλούς gehört, wie IIKor 16, 
zu &zeseiooevoe» und geht nicht, wie vorher, auf die ganze 
Menschheit (Meyer), da eben thatsächlich die göttliche Gnade 
nur an denen sich erweist und erweisen kann, die sie gläubig 
annehmen. Es ist aber kein Grund, den komparativen Sinn 


*) Wenn Meyer ἐν χάρ., wie Frtzsch., Rück., Ew., v. Heng., Beck 
u. M., mit Znepfoosvoe verbindet (ist reichlich geworden durch die 
Gnade Christi), weil nur bei dieser Verbindung dass τῷ — παραπτώ- 
erı im Vordersatz sein ihm nothwendiges strikte entsprechendes 
orrelat im Nachsatz habe, so übersieht er, dass, wenn diese Korre- 
lation beabsichtigt wäre, Paulus dies sicher dadurch angedeutet hätte, 
dass er dem τῷ τοῦ ἑνὸς παραπτ. entsprechend τῇ στ. 8. χάρετε schrieb. 
Eben weil er die Heilswirkung, welche dem durch Adams Fehltritt 
bewirkten Sterben gegenübertritt, nicht benannt, sondern nur als 
eine überreiche Erweisung der göttlichen Gnade charakterisirt hatte, 
braucht er das sie vermittelnde χάρισμα (ϑωρεὰ ἐν zapırı) nicht als 
Mittel zu bezeichnen, sondern er kann es als ein zweites bezeichnen, 
wovon (vermittelnder Weise) jene überreiche Erweisung ausgeht. Dass 
die Gnade Gottes sich in dieser δωρεά erweist (Lips.), steht eben nicht 
da und ist höchst unnatürlich, da dasselbe ausdrücklich als ein in 
der Gnade Christi beruhendes (nicht sich offenbarendes, wie Lips. 
sagt) beschrieben wird, und von einer »Uebertragung dieses (re- 
schenks von dem Einen auf die Vielen« steht vollends nichts da. 
Sand. denkt gradezu an die ϑωρεὰ τῆς δικαιοσύνης, die ja aber erst 
durch die hinzutretende Gnade Gottes uns zu Theil wird. Willkürlich 
freilich dachte Luther (1645) an die Gnade, in welcher Christus bei 
Gott stand, die in der Gemeinschaft Christi empfangene Gottesgnade 
(vgl. Beck), Rothe an die stetig fortgesetzte, irdische und himmlische 
erlösende Gnadenwirksamkeit Christi. 


Röm 85 15. 16. 949 


des Ausdrucks (vgl. 37) zu verwischen (gegen Meyer), der die 
soviel gewissere Wirkung der Gnade nun auch als eine 
Wirkung höheren Grades (Holst.) bezeichnet. Ueberreich ist 
dieselbe aber im Verhältniss zur Wirkung des Sündenfalls nicht 
nur, weil Gerechtigkeit und Leben an sich etwas Höheres als 
Sünde und Tod ist, sondern weil hier zu der Bewirkung des 
Gegentheils immer noch die Aufhebung der entgegengesetzten 
Wirkung hinzukommen musste, ohne dass man dies quanti- 
tative Moment in dem πολλῷ μᾶλλον suchen darf. Vgl. God. 

V. 16f. xal οὐχ ὡς) knüpft offenbar an οὐχ ὡς τὸ 
παράτετωμα V. 15 an und besagt, dass es sich mit dem Ge- 
schenk (c0 δώρημα, vgl. Jak lır) nicht so verhält, wie wenn 
dasselbe δι’ ἑνός ἁμαρτήσαντος (wie Sünde und Tod durch 
Adam) vermittelt wäre. Is dient diese Redekürze dazu, sehr 
nachdrücklich hervorzuheben, dass die zweite Inkongruenz in 
der Parallele, welche Paulus hervorheben will, in der Art liegt, 
wie sich die Heilswirkung vermittelt, während die erste in 
V. 15 aus dem Charakter ihres Ausgangspunktes (der gött- 
lichen Gnade) abgeleitet war. Eben darum aber ruht der 
Nachdruck nicht auf de’ ἑνός (Meyer), da ja schliesslich auch 
das δώρημα (das nach V. 15 durch die Gnade Gottes und 
Christi den Vielen zu Theil geworden) sich durch Einen 
vermittelt, sondern darauf, dass die Art der Vermittelung eine 
andere ist, wenn sie nicht, wie bei Adam, auf einer sündigen 
That beruht, die der Eine vollbracht hat. Welcher Art aber 
in diesem Fall die Vermittelung ist, und wie charakteristisch 
verschieden die Vermittelung des δώρημα, sagt der folgende 
Begründungssatz*). — τὸ μὲν γὰρ κρῖμα) Da auf die Art 


*) Der Satz darf also sowenig als der Parallelsatz in V. 15 
fragend gefasst (Mehr.) oder durch γένεταε (God.) ergänzt werden, 
sondern nur durch ein einfaches ἐστίν. Ganz willkürlich hat man 
nach ἁμαρτήσαντος hinzugedacht ϑάνατος εἰσῆλθεν (Grot., Est., Koppe), 
oder ro χρῖμα oder χατάχριμα (Beng., Klee, Reiche, Kölln., vgl. Fricke: 
ἐγένετο τὸ χατάχριμα, und im Nachsatz ebenfalls ἐγένετο) oder τὸ 
παράπτωμα ἐγένετο (Frtzsch., Beck) oder nach ὡς: ro (Beza, vgl. 
de W.: »und nicht ist wie das durch Einen, der gesündiget, Ent- 
standene, also die Gabe«, und Thol.: »das (reschenk hat einen anderen 
Charakter, als das, was durch den Einen Sündigenden gekommen ist«). 
Phil, Rück., Dietzsch wollen nach «uagr. bloss ἐγένετο hinzudenken 
(und dann nach δωρ.: ἐστί), womit ja aber, weil das ἐγένετο subjektslos 
ist, noch keine vollständige Satzbildung herauskommt. Dietzsch findet 
den Fortschritt darin, dass am Ziele ein dem göttlichen Gesetz 
adäquater Lebensstand hergestellt werde, womit wieder die Heiligung 
in dıe Rechtfertigung eingemischt wird gegen den ganzen Gedanken- 
zusammenhang (vgl. Pfleid. in Hilgenf. Zeitschr. 1872, p. 167), Goeb., 
Luth., wie Meyer V.15, in der entgegengesetzten Verschiedenheit des 








250 Röm 516. 


zurückgeblickt wird, wie de ἑνὸς ἁμαρτήσαντος sich die un- 
heilvolle Wirkung des παράπτωμα thatsächlich vermittelte, ist 
ἐγένετο (de W., Holst, Fricke, Luth., Lips, Sand. u. A.)*) 
zu ergänzen. Das Urtheil, welches Gott als Richter fällt 
(vgl. 22f.), ist auf Anlass Eines, der gesündigt hat (ἐξ ἑνός, 
vgl. Kühner $ 430, 2, d), zum Strafurtheil geworden, das alle 
Sünder zum Tode verurtheilt (eis saraxgıua, vgl. Dion. 
Hal. 6, 61). Wenn aber Einer die Ursache war, dass das 
Urtheil Gottes über die menschliche Sünde zum Todes- 
urtheil ward, so ist klar, dass nicht wegen der Sünde des 
Einen Alle sterben sollten (Meyer), sondern dass vielmehr nur 
der bei der Adamitischen Sünde gesetzte Kausalzusammen- 
hang zwischen Sünde und Tod es ist, welcher macht, dass 
fortan alle Menschen um ihrer Sünde willen dem Tode ver- 
fallen. So haben wir hier die authentische Erklärung darüber, 
wie sich Paulus das Sterben Aller durch den Fehltritt des 
Einen vermittelt denkt (V. 15). Es wird nun aber auch klar, 
dass der Hauptnachdruck nicht bloss auf dem ἐξ ἑνός ruht 
(Meyer), sondern, dem dt’ ἑνός ἀ μαρτήσαντος entsprechend, 


Gewirkten. Auch Holst. übersieht, dass auf der Art der Vermittelung 
der Nachdruck ruht, und findet wieder nur den höheren Grad der 
Wirkung ausgesprochen. Hofm. knüpft die Worte an den Schluss von 
V. 15 an, sodass εἰς τ. roll. ἐπερίσσ. zu ergänzen wäre, während doch 
gerade nur im Gegensatz zu der Wirkung des παράπτωμα von einem 
περισσεύεεν die Rede war. Ganz willkürlich Böhmer: die Sachlage 
war nicht, wie die, als nur Einer gesündigt hatte; es hatten seitdem 
alle gesündigt. 

5) Meyer ergänzt bloss ἐστώ,, Goeb. γένεται. Hofm. will auch hier 
in beiden Versgliedern εἰς τοὺς πολλούς ἐπερέσσευσεν ergänzen, was 
schon wegen des gleich folgenden εἰς ganz unpassend ist. Rothe und 
Dietzsch nehmen ganz gekünstelt als Subjekt des Satzes das blosse 
τὸ μέν (wie nachher ro δέ), so dass χρῖμα (wie nachher χάρισμα) Prä- 
dikat oder gar Apposition wäre; und letzterer (vgl. schon Frtzsch.) 
erklärt χρῖμα von dem Gen 217 enthaltenen göttlichen Spruche, ob- 
wohl jener Spruch eine Drohung, kein xpiu« ist, und die That Adams 
dem χρῖμα bereits vorangegangen sein muss. Freilich heisst χρῖμα 
nicht: Schuld (Bez., Wolf) oder gar: Schuldverhältniss (Beck, vgl. 
Stölt.: der Zustand des Abgeurtheiltseins), bezeichnet aber auch nicht 
das gegen Adam gefällte Strafurtheil, welches zum Strafurtheil (Todes- 
urtheil) gegen die Nachkommen (χατάχρειμα) geworden sei (Reiche, 
Rürk., Niels., B.-Crus., Krehl, de W., Maier, Hofm., God.), wobei der 
akuminöse Wechsel von xeiue und xaraxpıua vernachlässigt und bei 
eig χατάχριμα der Accent auf das verurtheilte Subjekt gelegt wird, 
welches doch nicht einmal dabeisteht. Auch zeigt ja das folgende 
ἐξ ἑνός klar, dass es sich nicht um das Urtheil über Adams Sünde 
handelt, sondern um das Urtheil, welches Gott auf Anlass der 
Adamitischen Sünde über die Sünde iiberhaupt gefällt hat. Vgl. Phil., 
Thol., Ew., v. Heng., Goeb. 


Röm 616. 11. 251 


darauf, dass das Sündigen des Einen Gott zu einem (richter- 
lichen) Urtheil provozirte, welches der Sünde ein für allemal 
ihre Strafe bestimmte. — τὸ δὲ χάρισμα) kann des Gegen- 
satzes wegen nicht, wie V. 15, das Gnadengeschenk sein, das 
uns Christus mit seiner Lebenshingabe gemacht hat, sondern 
nur das Gnadengeschenk, das Gott machte, als seine Gnade 
überreich wurde gegen die Vielen (V. 15). Hier tritt also 
deutlich hervor, was schon V. 15 angedeutet, dass es die 
Intervention der göttlichen Gnade ist, welche die von Christo 
ausgehende Heilswirkung so andersartig gestaltet, wie die von 
Adam ausgehende unheilvolle Wirkung, und zwar (wie jetzt 
hinzugefügt wird) auch in der Art, wie sich dieselbe vermittelt. 
Denn sie ist auf Anlass vieler Sündenfälle (ἐκ πολλῶν πα- 
ρατετωμάτων) geworden zum Rechtfertigungsspruch ἢ). Die 
Art also, wie die göttliche Gnadengabe sich gestaltete, war 
nicht bedingt durch den Ausgangspunkt, der ihr zu ihrem 
Wirken den Anlass gab, nicht durch das, was etwa die Lebens- 
hingabe Christi ihn zu thun veranlasste, sondern durch die 
Thatsache, dass nun einmal viele Sündenfälle vorlagen, An- 
gesichts derer die Erlangung des Heils für die Menschen un- 
möglich war, wenn nicht die Rechtfertigungsnorm geändert 
wurde. Hiernach ist δειχαίωμα nichts Anderes, als 189. 2x, 
nämlich die Rechtssatzung, der Rechtsspruch, nur nicht die 
Bestimmung, durch welche Gott erklärt, was δίκαιον sei, son- 
dern wer δίκαιος ist (vgl. Sand.), daher der die Gerechtig- 
keit bestimmende Spruch, die Rechtfertigungsnorm, d. h. 
die Stipulation Gottes, nach welcher er die gegenwärtige 
δικαίωσις als actus judicialis vollzieht, das Gegentheil des 
xarangıua**. — V. 17 giebt nun den Grund an, welcher 


*, Der Gegensatz des Masc. ἐξ ἑνός fordert keineswegs, auch 
πολλῶν mascul. zu nehmen (Hofm., Volkm., God., Luth., Goeb.: aus 
Anlass von Vieler Uebertretungen), wodurch, abgesehen von der Ge- 
schraubtheit des Ausdrucks, ein hier ganz unpassender (segensatz 
entsteht zwischen dem &s und den Vielen. Freilich beruht der Gegen- 
satz zu dem ἐξ ἕνός auch nicht darauf, dass hier eine Vielheit das 
Verursachende, wie dort eine Einheit (Meyer, God., vgl. Lips., der 
wenigstens obige allein mögliche Näherbestimmung als »eine dem 
Apostel fremde Reflexion« ablehnt), was doch einen völlig leeren Ge- 
danken ergiebt. 

**) Das Richtige haben im Wesentlichen auch Frtzsch., B.-Crus., 
Krehl, Phil., Thol., Ew., v. Heng., Holst., Klöpper, Pfleid., Luth., Lips. 
Zustand der Gerechtigkeit (Luth. u. M.), »Thatbestand des Gerecht- 
seins« (Hofm., Zimmer, vgl. Stölt.: Rechtfertigungsstand) ; die neue 
Lebensverfassung durch den Geist (Dietzsch, Beck, vgl. Chr. Hoffm.) 
wäre διχαιοσύνη: Rechtsgutmachung, Rechtsausgleichung (Rothe, Mehr. 
nach Calov., Wolf), nach welcher Idee es im Klassischen sogar die 


252 Röm 517. 


die göttliche Gnade bewog, ihre Gabe auf Anlass vieler Ueber- 
tretungen zum δικαίωμα zu gestalten ἢ). — ἐν ἑνὶ παραπτώ- 
ματι) Wenn es in Einem Fehltritt begründet war, dass der 
Tod zur Herrschaft gelangte (ἐβασίλευσεν, wie V. 14) durch 
den Einen. Das dıa τοῦ ἕνός ist, obgleich bereits ἐν &vi 
σεαρατετώματι gesagt war, noch hinzugefügt, um das διὰ τοῦ 
ἑνὸς ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ des Nachsatzes recht nachdrücklich vor- 
zubereiten. Der Sache nach dasselbe wie V. 15: διὰ τοῦ ἑνὸς 
σεαραπτώματος οἱ πολλοὶ ἀπέϑανον. — πολλῷ μᾶλλον) 
auch hier, wie V. 15, das logische Plus, die noch weit grössere 
Gewissheit und Evidenz (gegen Goeb., Zimmer). Diese beruht 
aber auf der Art, wie dem vermittelnden Moment des zzaparsr- 


Strafe bezeichnen kann (Plat. Legg. IX, p. 864 E), könnte es sein 
(Aristot. Eth. Nic. 5, 7. 17: ἐπανόρϑωμα τοῦ ἀδικήματος), ist es aber 
nicht im biblischen Sprachgebrauch, welchem diese besondere Sinn- 
bestimmung fremd ist; BRechtfertigungsmittel (Rück., auch Maier) 
heisst es tiberhaupt nicht; und ganz unverständlich ist es, wie Fricke 
an die Rechtfertigung Christi durch seine Auferstehung denken will, 
Hilg. gar an die erlösende Rechtthat (Apk 198) des sich in den Tod 
begebenden Christus, während doch nach dem Parallelismus zweifellos 
von einem dem χατάχριμα analogen göttlichen Rechtsakt die Rede 
sein muss. Gemeint ist aber auch nicht eigentlich das Recht- 
fertigungsurtheil über den Einzelnen (Meyer, God., vgl. Jer 112. 
Prv 820. Bar 219), geschweige denn dass das am jüngsten Tage zu 
fällende (Goeb., Böhmer) bezeichnet wäre, sondern der Spruch Gottes, 
durch welchen er die Norm der δικαέωσις festsetzt. 

ἢ Nach Meyer wird nur dem Vorigen das Siegel der Bestätigun 
aufgedrückt (vgl. Luth., Goeb. u. im Wesentlichen auch God.), währen 
doch der Hauptsatz unseres Verses selbst erst aus dem Vordersatz 
abgeleitet wird. Andere Fassungen des Zusammenhanges 8. b. Dietzsch, 
welcher nach seiner unzutreffenden Erklärung von διχαίωμα hier den 
innerlichen gerechten Lebensstand durch die schliessliche Lebensherr- 
schaft als dessen äussere Manifestation begründet sieht. So will 
Rothe den Vers über V. 16 hinweg als Begründung von V. 15, Mehr. 
über die zweite Hälfte von V. 16 hinweg als Begründung der ersten, 
Hofm. als Begründung davon fassen, dass mit der zweiten Hälfte von 
V. 16 seine erste bewiesen sei. Frtzsch., de W. nehmen ihn als Be- 
gründung des εἰς διχαίωμα, Phil. des &x zoll. παραπτ. Ganz willkür- 
lich Lips.: es werde der Hauptgedanke des ganzen Vergleichs be- 
gründet, dass die objektive Uebertragung des Lebens (von der noch 
mit keinem Wort die Rede gewesen!) eher einleuchten müsse, als die 
objektive Uebertragung des Todes (des χατάχριμα). — Das τω rov ἐνὸς 
(Tisch., Treg., WE txt. nach NBCKLP Verss.) ist trotz seiner starken 
Bezeugung mechanische Konformation nach V. 15; lies nach AFG: 
ev evı (vgl. DE: ἐν τω ev.) WH. hat nur ἐν st. τω τοῦ am Rande, 
obwohl für diese Mischlesart nur 47. Orig. zeugt, Lehm. ed. min. (ev 
zw) evı. Das in B p. hom. ausgefallene τῆς δωρεας haben Lehm., WH. 
i. Kl., vgl. Treg. a. R. B hat auch am Schlusse Xgsorov Ingov st. Ino. 
Χρ., wie V. 21. 


Röm bır. 253 


twua gegenüber das die Heilwirkung vermittelnde charakteri- 
sirt, und die Heilwirkung selbst als eine ihm entsprechende 
bezeichnet ist. Es handelt sich nämlich um eine Wirkung 
auf solche, die bereits thatsächlich die überschwengliche Fülle 
(τὴν περισσείαν, wie Koh 7:2. IIKor 82, hier mit offen- 
barer Anspielung auf das ἐπερίσσευσεν V. 15) der Gnade 
empfangen (λαμβάνοντες, vgl. 15. 811). Dieser Reichthum 
der Gnade, der also, wenn seinen Empfängern das Heil zu 
Theil wird, in ähnlicher Weise das vermittelnde Moment bildet, 
wie im Vordersatz das παραάσετωμα, steht entgegen dem &vi: 
dort ein einziger Fehltritt, hier eine überschwengliche Fülle 
der Gnade, deren Segenswirkung schon an sich (vgl. zu V. 15) 
viel gewisser ist als die Unheilwirkung des παράπτωμα, und 
der von ihr ausgehenden spezifischen Gabe (καὶ τῆς δωρεᾶς 
τῆς δικαιοσύνης), ichs sie eben dann giebt, wenn das 
χαρισμα zum dixaiwua geworden (V. 16), nemlich der ge- 
schenkten Gerechtigkeit (Gen. appos.). Dann aber beruht die 
in σεολλῷ μᾶλλον angedeutete Evidenz eben vorzugsweise dar- 
auf, dass Leben die nothwendige Folge von Gerechtigkeit 
ist, jenes eintreten muss, wo diese gegeben, also hier die 
Wirkung zur Ursache in einer naturnothwendigen Korrespon- 
denz steht*). — ἐν ζωῇ βασιλεύσουσι) Das Wort βασιλ., 
so wie noch besonders das Futur., macht gewiss, dass hier an 
das königliche Herrschen im zukünftigen Leben gedacht ist 

Kor 4s). Absichtlich sagt Paulus im Nachsatze nicht dem 

ordersatz entsprechend: ἡ ζωὴ βασιλεύσει ἐπὶ τοὺς — λαμ- 
βάνοντας, sondern der Natur des Verhältnisses, d. i. der zu- 
künftigen herrlichen Freiheit der Kinder Gottes entsprechend, 
stellt er die Subjekte voran und sagt von ihnen das aktive 
Herrschen in einem Lebensstande (bem. das Fehlen des Art. 
u. dazu God.) aus. Auch tritt so der empfangenen Ge- 
rechtigkeit umittelbar das ihr entsprechende empfangene 
Leben gegenüber, in welchem sie herrschen werden. — dıa 
τοῦ ἑνός) wird hier durch Ἰησοῦ Χριστοῦ näher bestimmt, 


— 





*) Das λαμβάνειν bezeichnet also nicht das gläubige Annehmen 
(Beng., Rothe, τ. Heng., Beck, Böhmer, God., der sogar dieses persön- 
liche Annehmen als zweites Moment des logischen Plus im Gegensatz 
zu der Passivität der Individuen auf der anderen Seite denkt); und 
das Part. praes. steht weder zeitlos (Frtzsch., vgl. God.) noch von 
dem fort und fort Geschehenden (Rothe, Beck, Böhmer), geschweige 
denn für λαβόντες (de W.), sondern von der gegenwärtigen Heilszeit, 
welche zwischen jener Todesherrschaft und der Lebensherrschaft der 
seligen Zukunft in der Mitte steht (Luth., Goeb., vgl. V.11). Böhmer, 
Chr. Hoffm. denken bei δεκαιοσύγνη zugleich an die Lebensgerechtigkeit, 
von der hier noch garnicht die Rede ist. 





254 Röm 511. 18. 


weil nur durch den selbst zur königlichen Herrschaft Erhöhten 
sich dies Herrschen verwirklichen kann. Ist es so über allen 
Zweifel gewiss, dass der Gabe der Gerechtigkeit, die wir schon 
Senn mare empfangen, die höchste Heilsvollendung im ewigen 

n folgen wird, so wird eben die von Gott beabsichtigte 
Herbeiführung dieser Heilsvollendung der Grund gewesen 
sein, weshalb die Gnadengabe zum δεχαίωμα wurde, 
ἃ. ἢ. weshalb die auf Christi in seinem Erlösertode bewiesene 
Gnade sich stützende und sie für uns verwerthende göttliche 
Gnade zu ihrem spezifischen Geschenk für uns eben die Fest- 
u einer BochHlerigungsnonm erkor, durch die sich nun 
so anders als durch die an die Sünde Adams geknüpfte 
Ti g die Gottesgabe des ewigen Lebens vermittelt 

. 16). 

V.18f. bringt eine summarische Rekapitulation der ganzen 
von V.12 an behandelten, in dem ὃς ἐστιν Turcog τοῦ μέλλον- 
τος V. 14 angedeuteten Parallele, so dass nun die in selbiger 
enthaltenen Momente der Gleichheit und des Gegensatzes zu- 
sammengefasst werden. Das dem Apostel besonders geläufige 
ἄρα οὖν (Gal 610: demnach nun), egen den klassischen 
Gebrauch zu Anfang des Satzes steht, führt Meyer (vgl. Phil, 
Ew. Holst, God., Beck) bis V. 12 zurück. Allein in der 
That sind doch die einzelnen Momente des V. 18 zunächst 
ganz aus V. 16f. (vgl. Frtzsch., de W., Hofm., Dietzsch V. 15ff.) 
entnommen, und erst in dem begründenden V. 19 kehrt Paulus 
formell und materiell zu der Vollendung der V. 12 angelegten 
Parallele zurück (vgl. Lips). Zur nothwendigen Vervoll- 
ständigung der beiden Sätze, welche auf’s schärfste und kürzeste 
wie in einem blossen Ausruf (Ew.) zusammengedrängt sind, 
genügt das einfache ἐγένδτο (Meyer nach Grot.: Wie es also 
durch Ein Vergehen für alle Menschen zum Verdammungs- 
urtheil gekommen ist: so auch durch Ein Rechtfertigungsurtheil 
für alle Menschen zur Rechtfertigung). Doch ist die Weg- 
lassung wohl nicht bloss Redekürze, sondern dadurch hervor- 
gerufen, dass dies &y&vero im ersten Gliede ein bereits that- 
sächlich vollendetes, im zweiten ein zwar begonnenes, aber in 
dem genannten Umfange doch nur ideell, d. h. im göttlichen 
Rathschluss vollendetes wäre*). Das di’ ἑνὸς παραπτώ- 


5) Eben darum aber ist es ganz gegen die Intention des Apostels, 
in beiden Vershälften Verschiedenes zu ergänzen (Phil., Dietzsch: 
ἀπέβη --- ἀποβήσεται. Frtzsch., Rück.: ro χρῖμα — τὸ χάρισμα ἐγένετο). 
Hofm. (vgl. Mehr.) will garnichts ergänzen, weil Paulus, um sich jede 
unnöthige Weitläufigkeit zu ersparen, beide Mal nur ein Wodurch 
und ein zweifaches Wohin (der Person und der Sache) nennt, God,., 


Röm 8:18. 255 


ματος weist auf ἐν &vi σεαραπττώματι V.17 zurück, und heisst 
demgemäss: durch Einen Fall, und nicht: durch Eines Fall, 
als ob ἑνός Masc. wäre (Vulg., Theodor., Theophyl., Erasm., 
Luth., Calv. u. V., auch Thol., Frtzsch., Niels, Picard, Klöpper, 
Phil., Hofm., Fricke, Luth., Goeb., Lips.), was zwar das Fehlen 
des Artikels nicht schlechthin verbietet, was aber doch ein 
schwerfälliger und mindestens zweideutiger Ausdruck wäre. 
Dass es dadurch für alle Menschen (eis πάντας ἀνθρώ- 
σεους, vgl. V. 12) zum Verdammungsurtheil gekommen (eig 
κατακριμα), sagt direkt V. 16. Dann aber kann das auf 
οὕτως καί (V. 15) folgende δι᾽ ἑνὸς δικαιώματος, das 
übrigens für die neutrische Fassung des ἑνός im Parallelgliede 
beweist, nur ebenso, wie dort, heissen: durch einen Rechts- 
spruch, welcher dahin ging, dass in Folge des Todes Christi, 
den Gott zum Sühnmittel proponirte, die Sünder (unter der 
Bedingung des Glaubens) für gerecht erklärt werden sollten. 
Das δικαίωμα kann dem sraparrrwua entgegengesetzt werden, 
weil, wie schon V. 15 ansdrücklich hervorgehoben, das Gna- 
dengeschenk, das uns Christus mit seiner Lebenshingabe 
machte, nicht, wie das zaparırwuc, direkt wirksam wird, son- 
dern nur durch Intervention der göttlichen χάρις, und V. 16f. 
war ausdrücklich hervorgehoben, dass das, was diese uns ver- 
liehen, um die Heilsvermittelung Christi wirksam zu machen, 
das δικαίωμα war, welches auf Grund seines Todes die Recht- 
fertigung ordnete*). Das eis πάντας ἀνθρώπους ist das 
einzige, was beide Vershälften unmittelbar gemein haben. 
Dennoch ist zu beachten, dass es wohl für alle Menschen that- 
sächlich zum κατάχριμα (Todesurtheil) gekommen ist, weil 


Luth. ergänzen nach Win. ὃ 64, 2: ἀπέβη, es ist gekommen, Tes cessit, 
Beck: εἰσέρχεται (vgl. Goeb.), Lips.: ylveras oder &yevero-ylveraı, welches 
Schwanken nur zeigt, dass das ἐγένετο aus gutem Grunde fortgelassen. 
Vgl. Buttm. N. Gramm. p. 338. 

Ἢ An der richtigen Fassung, die durch die Nothwendigkeit, es 
in demselben Sinne zu nehmen wie V. 16, schlechthin geboten ist, 
halten auch hier Ew., v. Heng., Umbr., Holst. (ungenau Thol.: Recht- 
fertigungsthat, vgl. God.) fest, während die Meisten bin und her 
rathen auf: Thatbestand des Gerechtseins (Hofm., Stölt., vgl. Lips.), 
Rechtserfüllung (Phil., Mang. p. 343, vgl. Chr. Hoffm.: Gerechtigkeits- 
that), Wiedergutmachung (Rothe), gerechter Lebensstand Christi, mit 
welchem eine neue Menschheit anhebt (Dietzsch, vgl. Beck, Zimmer), 
Tugendhaftigkeit (B.-Crus.), Gehorsam (de W.) u. dergl., wobei man 
meist an die That des Todes Jesu theils mit, theils ohne Hinzunahme 
der obedientia activa denkt, während Frtzsch. es von der Mensch- 
werdung und Erniedrigung Christi (Phl 25—8) als dessen recte factum 
deutet, und Fricke auch hier von der Rechtfertigung Christi durch 
die Auferstehung (vgl. Goeb., Luth., Böhmer). 


256 Röm δ18. 19. 


πάντες ἀπέϑανον, dass aber das ἕν διχαίωμα zur Recht- 
fertigung für alle Menschen nur im göttlichen Rath- 
schlusse gereicht, ἃ. ἢ. von ihm dazu zu gereichen bestimmt 
ist, so dass die beiden εἰς immer nicht ganz parallel gedacht 
sind, und eben deshalb kein gemeinsames ἐγένετο gesetzt 
werden konnte. In der That nämlich verwirklicht sich dieser 
göttliche Rathschluss nur an den Gläubigen, bei welchen 
es thatsächlich zur Lebensrechtfertigung kommt. Das eic 
δικαίωσιεν ζω ἧς bezeichnet eine Rechtfertigung (4%), welche 
zu ewigem Leben gehört, ohne welche es Leben nicht giebt. 
Es ist also die Applikation des allgemeinen dıxaiwua auf 
den Einzelnen, wodurch derselben auf Grund der in ihm ge- 
setzten Norm für gerecht erklärt wird ἢ. — V. 19 begründet 
den ganzen V. 18, indem beide Seiten desselben nun direkt 
auf ihre Vermittelung durch die Person der in die typische 
Parallele gestellten beiden Einzelnen, die einen gleich durch. 

ifenden Einfluss auf die Vielen gehabt haben, und auf ihr 

erhalten zurückgeführt werden *). Daher kehrt nun erst 
der Sache nach der Apostel ganz zu der V.12 ins Auge ge- 


4) Der Unterschied, welchen Hofm. u. Lechler eintragen: πάντες 
ἄνϑρωποι seien Alle ohne Unterschied, dagegen πάντες οἱ ἄνϑρωποι 
Alle ohne Ausnahme, die Summe aller Menschen, ist rein erdichtet; 
πάντες heisst omnes, nemine excepte, gleichviel ob das dazu gehörige 
Substant. je nach dem Zusammenhange den Artikel hat oder nicht 
(»Articulus, cum sensus fert additus vel omissus, discrimen sententiae 
non facit», Ellend. Lex. Soph. II, p.519). Nur wenn der Artikel vor 
πάντες steht (also of πώντες ἄνϑρ.), tritt der Unterschied ein, dass 
man »cunctos sive universos, ji. e. singulos in unum corpus colligatos« 
(Ellendt p. 521) zu denken hat; vgl. Kühner ἃ 465, 6, Ὁ. Die ge- 
wöhnliche Analyse des Gen. ζωῆς (Meyer: welche den Besitz ewigen 
Lebens zur Folge hat, Hofm.: welcher das Leben zuerkannt) ist eine 
sprachlich ungenaue, da der Genit. das nun einmal nicht ausdrücken 
kann, was auch Lips. trotz seiner Ablehnung der richtigen Analyse 
nicht erwiesen hat. Dass dieselbe eine Verkehrung der Sache sei 
(Luth.), ist gröbliches Missverständniss, da eine Rechtfertigung, ohne 
welche es Leben nicht giebt, derselben natürlich vorhergehen muss. 
Otto fasst den Gen. einfach als Gen. der wirkenden Ursache, indem 
er das Auferstehungsleben Christi dem artikellosen Ausdruck unter- 
schiebt, was nobmenlie zur Einmischung des neuen geistlichen Lebens 
führt (God., Böhmer, Chr. Hoffm.), womit der Nerv der Paulinischen 
Heilslehre durchschnitten wird. 

55) Bogründet wird also nicht das Wie der parallelen Gleichung 
(Rothe), welches ja wiederholt klar gestellt ist, auch nicht ein ein- 
zelnes Moment aus V.18, wie das dıx. ζωῆς (Meyer, vgl. Fricke, Goeb. 
und nz künstlich Otto), oder gar das εἰς πάντ. ἄνϑρ. (Böhmer). 
Nach Dietzsch soll der allgemein gehaltene Inhalt von V.18 nur aus 
dem persönlichen Leben begründet werden, was mit seiner falschen 
Fassung von δικαίωμα zusammenhängt. 


Röm 519. 257 


fassten Parallele zurück, weshalb er auch mit dem dort ge- 
brauchten @osreg anhebt. Nun tritt auch an die Stelle des 
παράπτωμα Adams (V. 15. 17. 18), das noch wie ein Wider- 
fahrniss gedacht werden konnte, das δεὰ τῆς παρακοῆς 

br 22. IIKor 106), welches den Fall des Einen Menschen 
τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου, vgl. V. 12. 15) auf seinen Unge- 
horsam zurückführt. Er ist es also gewesen, der durch sein 
Verhalten es veranlasst hat, dass es für alle Menschen zum 
Verdammungsurtheil kam (V. 18. Dann aber musste hier 
zuerst ausgesprochen werden, wie auch durch das Verhalten 
der von ihm stammenden Menschen sich diese unselige Wir- 
kung vermittelte, indem sie als Sünder (ἁμαρτωλοί, wie 37. 
5s) vor dem zu stehen kamen, der jenes Verdammungsurtheil 
sprach. So erklärt sich ausreichend die Wahl des Ausdrucks 
κατεστάϑησαν (vgl. IIIMak 11. 35). Es liegt in demselben 
an sich keinerlei Andeutung darüber, ob sie in und mit dem 
Fall Adams gesündigt haben, sofern dieser ihnen als Schuld 
mit angerechnet ist (Meyer, Phil. u. A.), oder ob sie selbst 
durch eigenes Sündigen, welches durch den Fall Adams be- 
wirkt war, es sich zugezogen haben (God., Goeb. u. A.). 
Letzteres folgt aber daraus, dass nach V. 12 mit Adam die 
Sünde als herrschende Macht in die Welt hineinkam, und in 
Folge dessen Alle sündigten ἢ. Gerade in dem Rückblick 
hierauf liegt der Fortschritt des Gedankens. Dass aber der 
Ausdruck bereits durch den Gegensatz, den der Apostel im 
Blick hat, bestimmt ist, zeigt das οἱ σεολλοί (V. 15), da ja 
die Wirkung der Adamitischen Sünde sich thatsächlich auf 
Alle erstreckt. Um aber das οὕτως xai (V. 18) zur vollen 
Evidenz zu bringen, während doch die heilbringende Wirkung 


*) Allerdings ist also χατεστάϑησαν nicht soviel als ἐγενήϑησαν 
(gegen Dietzsch); aber ebensowenig ist damit ausgedrückt, dass sie 
ohne eigenes Zuthun in diese Stellung gekommen sind. Man darf 
auch nicht sagen, dass der Apostel von dieser Vermittelung abstrahire 
(Luth.), da dieselbe durch den Ausdruck ἁμαρτωλοί nothwendig ge- 
geben ist. Gott könnte die Menschen in Adam als todeswürdig an- 
seben, wenn sein Fall ein blosses Verhängniss für sie wäre; aber 
sie können nicht vor ihm als Sünder dasteben, ohne selbst gesündigt 
zu haben. Denn dass sie der Strafe unterworfen (Chrys., Oecum., 
Theophyl. u. M.), als Sünder behandelt wurden (Grot., Flatt, Böhme, 
Krehl u. M.), liegt in dem Ausdruck nicht und würde den Gedanken- 
fortschritt aufheben, geschweige denn, dass sie durch ihren Tod als 
Sünder erscheinen (Frtzsch., vgl. Koppe, Reiche, Fricke, auch J. Müller 

. 486). Wenn Lips. völlig korrekt sagt, sie seien in die Kategorie 
der ἁμαρτωλοί versetzt worden wegen der tiber sie zur Herrschaft 
gekommenen Sündenmacht, so ist es durchaus verwirrend, dies eine 
objektive Uebertragung der Sünde zu nennen. 


Meyer’s Kommentar. I1V. Abth. 9. Aufl. 17 


258 Röm 519. 


Christi sich thatsächlich nur an den Gläubigen vermittelt, 
wird als die Analogie beider nur die Einwirkung des Einen 
auf die Vielen hervorgehoben. — dıa τῆς ὑπαχοῆς τοῦ 
ἑνός) Der Tod Jesu war κατ᾽ ἐξοχήν sein Gehorsam gegen 
den Willen des Vaters, Phl 28. Hbr 5s. Gewählt aber ist 
diese Bezeichnung, weil durch sie allein die Lebenshingabe 
Jesu als eine That, welche mit dem Ungehorsam Adams in 
Parallele steht, erscheint, weshalb hier nicht »der gesammte 
Lebensgehorsam« (Hofm., Dietzsch, God., Luth. u. M.), son- 
dern die gottgewollte Erlösungsthat (V. 8ff.), welcher wir die 
Rechtfertigung verdanken, verstanden werden muss. Selbst- 
verständlich ist die Voraussetzung dieser (iehorsamsleistung 
der Gehorsam seines ganzen Lebens (Goeb.); aber ausgedrückt 
ist das nicht. Auch hier ist über die Art, wie sie als δέχαιοι 
vor dem Richter zu stehen kommen, der die διχκαίωσις ζωῆς 
vollzieht (V. 18), nichts ausges Aber es folgt aus der 
anzen vorhergegangenen Entwickelung, dass dies aus reiner 
Gnade um des erlösenden Todes Christi willen geschieht 
(8:41), und dass jede Einmischung der Gerechtmachung (durch 
die Heiligung, vgl. God., Dietzsch, Beck u. die kathol. Aus- 
leger, auch noch Böhmer, Chr. Hoffm.) dem Grundgedanken 
des Paulus widerspricht. Das Fut. κατασταϑῆήσονται 
bezieht Meyer, dem βασιλεύσουσιν V. 17 entsprechend, auf 
die zukünftige Offenbarung der Herrlichkeit nach der Auf- 
erstehung (vgl. Reiche, Frtzsch., Klöpper, Fricke, God., Goeb., 
Böhmer, Lips.), was schon darum h ist, weil Paulus die 
Rechtfertigung bereits als gegenwärtig eintretend denkt (V. 1); 
Mehr., Hofm. auf das, was von dem Gehorsam des Einen zu 
erwarten ist; aber es geht darauf, dass die Menge der Gläu- 
bigen noch nicht als abgeschlossen gedacht, mithin die Ge- 
rechtmachung derselben überwiegend als eine Reihe künftiger 
Fälle betrachtet wird (vgl. 3». »). Vgl. Sand. Der Wechsel 
des Aor. und Fut. entspricht also genau dem Wechsel der 
Bedeutung von eis in V. 18, welches einmal die bezeichnet, 
bei welchen die Wirkung schon eingetreten ist, und dann die, 
bei welchen sie nach göttlichem Rathschlusse eintreten soll 
und wird. Der Gehorsam des Einen hat es verursacht, dass 
die πολλοί fort und fort in Gottes Urtheil als Gerechte zu 
stehen kommen *). 


*, Wollte man aber daraus schliessen, dass auch die Nach- 
kommen Adams nur durch das ihnen die Sünde Adams imputirende 
Urtheil Gottes in die Kategorie von Sündern versetzt werden, was 
eigentlich auch Lips. annehmen müsste, wenn man es mit seiner 
»objektiven Uebertragung von Sünde und Gerechtigkeit« ernst nimmt, 





Röm 51. 289 


Damit ist die Vergleichung Adams und Christi, und 
sofern diese nur noch einmal den Inhalt der beiden ersten 
Haupttheile des Briefes rekapitulirte, der zweite Theil voll- 
ständig geschlossen. Allerdings lag es nahe, nachdem Paulus 
die ganze Menschheitsgeschichte in zwei Epochen getheilt 
hatte, deren maassgebende Anfangspunkte Adam und Christus 
bilden, sich darüber auszusprechen, welche Stellung das in- 
mitten derselben gegebene Gesetz, das doch jedenfalls auch 
seine Bedeutung im göttlichen Heilsplane hatte, zu der von 
diesen beiden Faktoren eingeleiteten Entwickelung einnehme. 
Aber da die Ausführung der Parallele zwischen Adam und 
Christus doch keineswegs eine allgemeine religionsgeschicht- 
liche Betrachtung war, sondern in spezieller Beziehung zu der 
lehrhaften Ausführung der beiden ersten Theile stand, so wäre 
Paulus auf diese Frage nicht eingegangen, wenn nicht über- 
haupt seine Absicht wäre, jetzt darzustellen, wie auf Grund 
der neuen jede Betheiligung des Gesetzes ausschliessenden 
Heilsordnung das, was ee Gesetz erstrebte, aber nicht er- 
reichte, sondern vielmehr verhinderte (die Erfüllung des gött- 
lichen Willens), zur thatsächlichen Verwirklichung komme. 
Insofern bildet V. 20f. in ähnlicher Weise den Uebergang 
zum dritten Haupttheil, wie wir 3.81 einen solchen Ueber- 
gang fanden *). 


eo würde sich für den (Gregensatz ergeben, dass der Gehorsam Christi 
den Gläubigen imputirt wird, was auch nach Meyer nicht Paulinische 
Lehre ist, da Paulus wohl von einer Zurechnung von Gerechtigkeit 
oder von einer Zurechnung des Glaubens als Gerechtigkeit, nie aber 
von einer Zurechnung der Gerechtigkeit Christi redet. Auch bei 
seiner Fassung des χατεστάϑησαν kommt es also nicht zu einer that- 
sächlichen Gleichheit des Begriffs mit dem χατασταϑήσονται. 

*) Es kann also V.20f. nicht der Abschluss der vorhergehenden 
Erörterung sein (Th. Schott, Luth., Lips., Sand. u. A.), der durch 
V. 13f. bereits vorbereitet ist (Hofm.), weil die dortige Erwähnung 
der Zeit von Adam bis Moses keineswegs auf eine Erörterung über 
die Bedeutung des Gesetzes abzielte, sondern lediglich der Begründung 
von V. 12 diente. Nur zu 33ı kehrt die Ausführung insofern ab- 
schliessend zurück, als auch aus ihr erhellt, dass mit der Beschaffung 
der Gerechtigkeit das Gesetz nichts zu thun haben konnte. Lässt 
man die folgende Erörterung durch einen gegnerischen Einwurf (80 
schon Cyrill., Grot., vgl. Mang., Holst., Grafe p. 82, Hilg. u. A.) oder 
doch durch die Berücksichtigung solcher, die selbst etwas leisten zu 
müssen meinten, um sich das ewige Leben zu sichern (Hofm., Luth., 
Zimmer, Chr. Hoffm. u. A.), veranlasst sein, so zeigt die Art, wie 
Paulus unvermittelt seine Ansicht über die Bedeutung des Gesetzes, 
welche dem jüdischen Bewusstsein am Anstössigsten sein musste, ohne 
alle Begründung und ohne jede Bezugnahme auf die Hauptfrage, ob 
das Gesetz gerecht machen könne, voranstellt, dass seine Darstellung 


17* 


260 Röm do. 


V. 20. νόμος 62) Auch hier steht νόμος artikellos und 
bezeichnet ein Gesetz, wie es das Mosaische war, welches den 
Willen Gottes ausdrücklich kund machte; denn von jedem 
anderen würde ja dasselbe gelten. Vgl. Hofm., Holst. 
— παρεισῆλϑεν) Der auf das εἰς τὸν κόσμον εἰσῆλϑεν V. 12 
zurückweisende Ausdruck kann nur besagen wollen, dass es 
neben der durch den einen Menschen eingekommenen Sünde 
in die Welt kam. Dadurch entsteht nothwendig die Frage, 
ob es denn nicht den durch die Sünde geschaffenen Zustand 

eändert habe, schon ehe die neue Heilsepoche mit Christo 
egann, welche der Apostel mit einem Hinweis auf den Zweck 
des Gesetzes beantwortet ἢ. Erst aus ihm erhellt, dass es den 
sündhaften Zustand nicht nur nicht geändert, sondern ge- 
steigert hat. Denn hierınach war die Absicht Gottes dabei 
(ἔνα) nicht, dass die Sünde dadurch aufgehoben werde, son- 
dern wie das nachdrücklich voranstehende Verbum dass 
sie sich mehre (zAeovaon, intr., wie Ex 161. Prv 15e. 
IIChr 24:1. IIKor 41). Im. Zusammenhange mit V. 15ff. 
kann τὸ παράπτωμα nur das Adamitische Vergehen be- 





durch eine solche polemische oder apologetische Rücksichtnahme nicht 
erklärt wird. Natürlich sind es seine Kämpfe mit dem Judaismus 
gewesen, in denen Paulus diese seine Ansicht über die Bedeutung 
des Gesetzes ausgebildet hat. Aber dass er dieselbe hier zu ent- 
wickeln beginnt, hat darin seinen Grund, dass diese Darlegung zu 
der Auseinandersetzung seiner (gesetzesfreien) Heilslebre mit der 
Gottesoffenbarung des AT’s gehört, welche den Zweck des Römer- 
briefs bildet. Eben darum darf man aus ihr auch nicht mit Mang. 
u. A. auf den überwiegend judenchristlichen Charakter der Leser 
schliessen. 

5) Darum gehen die Betrachtungen, dass es ein nebensächliches 
Institut (Reiche, Rothe, Thol., Rück., Phil.) von vorbereitender und 
daher vorübergehender Bedeutung (Chr. Hoffm.), oder von unter- 
nn Bedeutung in Vergleich mit der Sünde (Hofm.), oder in 

en Zusammenhang von Adam und Christus eigentlich nicht gehörig 
(Luth.) gewesen sei, die ohnehin schwerlich der Schätzung des Ge- 
setzes als eines göttlichen entsprechen, selbst die ohne Frage richtige, 
dass es kein epochemachendes Moment (Dietzsch) gewesen sei, über 
den Text hinaus. Die Bedeutung des heimlichen Sicheinschleichens 
liegt in dem παρά nicht, und müsste durch den Kontext gegeben 
sein, wie Gal 24, das Hilg. allerdings als analog betrachtet. Vgl. 
IIMak 8ı παρεισπορευόμενοι λεληϑότως. Sprachlich unrichtig Andere: 
es kam mitten zwischen Adam (nach Theodoret. u. Reithm.: Abraham) 
und Christus ein (Calv., Grot., Est., B.-Crus., Ust., Ew., Bisp. u. M., 
vgl. Lipe., der dies wenigstens dem Sinne nach richtig findet), oder: 
es kam dagegen, d. i. gegen die Sünde ein (Mehr., welcher deshalb 
das folgende ἵνα etc. ganz unpassend als schmerzliche Ironie nimmt). 
Dass endlich παρά obiter, ad tempus ausdrücke (Chrys., Tbeophyl., 
Corn. a. Lap.), ist ganz aus der Luft gegriffen. 





Röm 5%. 261 


zeichnen, welches als der Anfang der Sünde und als die Ur- 
sache des allgemeinen Todes vorhanden war in der Welt und 
durch die immer neuen Uebertretungen des Gesetzes gemehrt 
wurde*, Vgl. Gal 83:9. IKor 155. Diese Absicht Gottes 
war aber (δέ) nur denkbar im Blick auf die Gnade, welche 
diese Wirkung des Gesetzes mit all ihren Konsequenzen auf- 
heben sollte, wie sie noch einmal in dem folgenden Vordersatz 
zusammengefasst werden. Das οὐ (4:6. Kor 317) heisst: 
wo im räumlichen Sinne und bezeichnet das Gebiet, wo die 
Sünde sich mehrte. Das geht nicht bloss auf die quantitative 
Mehrung der Gesetzesübertretungen (Lips); denn da schon 
V.12 ἡ ἁμαρτία unzweifelhaft als die in den παραπτώματα 
zur Erscheinung kommende Sündenmacht gedacht war, so 
kann das ἐπελδόνασεν nur darin bestanden haben, dass mit 
jeder neuen Thatsünde die sündhafte Richtung sich verstärkte, 
die Sünde als Macht zunahm **). — ὑπερεπερίσσευσεν) 
vgl. IIKor 76: sie ward übergross, supra modum redundavit. 

icht sich selbst hat sie überboten (Hofm.: indem eben dort, 
wo solche Steigerung der Sünde geschehen war, das Heil der 
Welt erschien, vgl. God.), oder das περισσεύειν V. 15. 17 
(E bil) sondern das ErrAeövaoev, indem sich die beiden korre- 
aten Verba verhalten, wie Komparativ und Superlativ. Die 
Gnade musste um so grösser werden, je mehr einzelne Sünden 
sie zu vergeben hatte, und je grösser die Macht der Sünde 


*, Das ἵνα kann natürlich nicht ekbatisch erklärt werden be 
u. a. Väter, Koppe, Reiche, der sonst hier einen blasphemischen Ge- 
danken findet!), sowenig wie das zAeor«on logice gefasst werden kann 
von steigender Erkenntniss der Sünde (Grot., Wolf, Niels., Chr. Hoffm.). 
Es steht aber τὸ παράπτωμα auch nicht kollektiv (Frtzsch., de W., 
v. Heng., Beck u. M.) oder von einer Mehrung der Zahl und Schuld- 
barkeit seiner Wirkungen (Mehr.); ganz willkürlich aber findet Hofm. 
die Steigerung der Uebelthat darin, dass sich die Sünde in Gestalt 
einer Uebertretung wiederholte (vgl. auch Sand), mit welcher sündige 
Menschen eine sie bevorzugende Gnadenerweisung erwiderten. 

**), Es bestand also nicht darin, dass das widergöttliche Ver- 
halten Uebertretung des geoffenbarten Gesetzes war (Hofm., vgl. 
Phil.), oder dass das Gesetz häufigere Gelegenheit gab, die individuelle 
Verschuldung ins Licht zu stellen (God., vgl. Goeb.); auch nicht darin, 
dass sich die Summe der Sünde in abstracto vergrösserte, welche 
unter den Menschen war (Meyer). Die zeitliche Fassung des οὗ 
(Grot., de W., Frtzsch., Stölt.) ist sprachlich möglich, sofern die Zeit 
räumlich vorgestellt werden kann, aber hier unpassend. Faktisch 
konnte natürlich das Gebiet, in dem das Gesetz dies bewirkte, nur 
das Volk des Gesetzes sein; aber darauf wird bier jedenfalls nicht 
Rücksicht genommen, da V.21 wieder den universellen Gesichtspunkt, 
wie er in diesem ganzen Abschnitt obwaltet, hervortreten lässt (gegen 
Hofm., God., Böhmer). 


32 Röm 520. 21 


war, die sie endlich überwinden musste. — V. 21. ἕνα) 
schliesst sich natürlich an das unmittelbar Vorhergehende an. 
Das Wachsthum der Gnade hatte die Absicht, jene traurige 
Folge des Gesetzes nun auch reell aufzuheben, die noch 
einmal vergegenwärtigt wird durch das ὥσπερ ἐβασίλευσεν 
(V. 14) ἡ ἁμαρτία. Dies königliche, ἃ. h. souveräne, allein 
Alles bestimmende Herrschen der Sünde war die Folge der 
Mehrung ihrer Macht unter dem Gesetz. Diese Herrschaft 
der Sünde kam aber zur Erscheinung ἐν τῷ ϑανάτῳ, sofern 
Alle starben, ἐφ᾽ ᾧ πάντες ἥμαρτον (V.12), und so das Sterben 
Aller zeigte, dass die Sünde zur allgemeinen Herrschaft ge- 
kommen war (vgl. Luth., Goeb.)*). — ἣ χάρις βασιλεύσῃ) 
Je mehr die Gnade gross wird (V. 20) in der Aufhebung der 
gemehrten Sündenmacht, desto mehr wird sie die Alles be- 
stimmende Macht in dem Leben der neuen Menschheit. — 
διὰ er) ist natürlich, wie V. 17, die aus Gnaden 
ee Gerechtigkeit, durch die alles Heil, welches die 

nade bringt, und worin sie sich als das die Heilszeit be- 
herrschende Prinzip bewährt, vermittelt ist. Die Sünde 
herrscht bereite im Tode, der ja fortwährend eintritt, und 
den auch das Herrschen der Gnade, nachdem er einmal mit 
der in die Welt gekommenen Sünde das Loos Aller geworden 
ist, an und für sich nicht aufhebt; aber das von ihr intendirte 
Ziel ist ewiges Leben (sig ζωὴν αἰώνιον vgl. 27), durch 
dessen gnadenreiche Mittheilung (62) sie einst den Tod ver- 
nichten und so ihre letzte Heilsabsicht an den Menschen ver- 
wirklichen will. Der volle sieghafte Schluss δεὰ Ἰησοῦ 
Χριστοῦ τοῦ κυρέου ἡμῶν (nal. IKor 15) gehört zum 
anzen Gedanken 7 χάρις βασιλεύσῃ bis ζ. αἰώνιον, dem er 
das Siegel aufdrückt; denn nur durch Jesus Christus, der 





*) Ganz künstlich findet Hofm. auch hier ein »Herrschen, wie 
das eines Königs, welcher kraft persönlicher Stellung über die von 
vornherein vermöge ihrer Zugehörigkeit zu seinem Gebiet ihm Unter- 

benen Macht hat«, und lässt das Herrschen des Todes in das der 

ünde eingeschlossen sein, letzteres in ersterem sich vollziehen, ob- 
wohl hier vom Herrschen des Todes garnicht die Rede ist. Natürlich 
heisst das ἐν weder: zum Tode (Luther, Beza, Calv. u. V.), noch: im 
Tode ale dem Gebiet ihrer Herrschaft (Thol., Phil., Volkm.), noch ist 
es instrumental zu fassen (Rück., Frtzsch., Beck, vgl. dagegen (Grod.), 
um welcher Fass willen Meyer nachher ganz unnatürlich εἰς ζωὴν 
αἰώνιον mit δικαιοσύνης verknüpft, während doch, wenn hier ein Gegen- 
satz beabsichtigt wäre, dieselbe Präposition wiederholt werden müsste. 
An den geistlichen Tod (Böhmer) kann hier natürlich erst recht nicht, 
auch nicht zugleich (Sand.), gedacht, werden. Das ἕνα schliesst sich 
nicht an V. 20 an (Rothe), so dass οὗ δὲ — yapıs parenthesirt werden 
müsste, wozu dieser Satz viel zu wesentlich ist. 


Röm Bsı. 61. 268 


durch seinen Sühntod das Heil erworben hat (V. 11) und 
als unser erhöhter Herr Alles bewirkt, was dazu gehört, uns 
zum Ziele der Heilsvollendung zu führen, ist jene Herrschaft 
der Gnade vermittelt. 


Kap. VI 


Hat nach 5af. das Gesetz, welches den göttlichen Willen 
offenbart, nicht den Zweck gehabt, die Erfüllung desselben 
herbeizuführen, so muss die neue Epoche der Gnadenherrschaft, 
zu der es tüberleitete, auf anderen Wegen dieses Ziel ver- 
wirklichen. Dass und wie dies geschieht, zeigt Paulus im 
dritten Haupttheil (θ1--- 8 27), indem er nachweist, wie der 
Christ schon in der Taufe der Sünde abgestorben und dadurch 
von der Herrschaft derselben frei geworden (Kap. 6), und zwar 
eben, weil er damit zugleich vom Gesetz befreit ist, das 
immer wieder die Sünde im Menschen erregt (Kap. 7), und 
soweit der ihm mitgetheilte Geist die Macht des Fleisches 
in ihm bricht (Kap. 8)". Der erste Abschnitt also handelt 
davon, wie der Christ von der Herrschaft der Sünde frei ge- 
worden ist. 

V. 1—11. Das Sterben des alten Menschen in 
der Taufe ein Absterben der Sünde. — V. 1. ri οὖν 


5) Es bedarf also auch hier nicht der Annahme, dass Paulus 
durch Vorwürfe, welche gegen sein gesetzesfreies Evangelium erhoben 
wurden (Mang. p. 845f. Grafe p. 81f.), zu diesen Ausführungen be- 
wogen sei, geschweige denn dass er sich jetzt gegen heidnischen 
Antinomismus wendet, wie Kap. 5 gegen jüdischen Nomismus (Luth., 
Böhmer). Allerdings geht er vom Gebiete der Heilsgewinnung auf 
das der sittlichen Heilsbewährung über (Meyer), von der Recht- 
fertigung zur Heiligung (God.), wenn auch durchaus nicht unter diesem 
Gesichtspunkt; vielmehr handelt es sich in dem neuem Haupttheile im 
Grunde darum, wie im Evangelium nicht nur eine uns aus Gnaden 
zugerechnete, sondern auch eine von Gott thatsächlich in uns ge- 
wirkte Gerechtigkeit offenbart wird (1 τὴ Ganz willkürlich disponirt 
Otto Kap. 6-8: Wesen, Recht und Hoffnung des neuen Dienstes. 
Garnicht aber will der Apostel die Entbehrlichkeit des Gesetzes zur 
ee! aufzeigen und 80 seine heidenapostolische Thätigkeit 
rechtfertigen (Th. Schott). Volkm. sieht in Kap. 6—8 eine zweite 
»Bestätigang des Gesetzes« (851) durch den Nachweis der Ueber- 
einstimmung des gesetzesfreien Christvertrauens mit dem Gesetz (vgl. 
auch Pfleid. p. 519) und theilt diesen Abschnitt, das offenbar zu- 
sammengehörige Kap. 7 zerreissend, in 61—7e. 77—8s9 (vgl. dagegen 
Holst. a. a. O. p. 8601). Hofm. findet gar hier erst die mit διὰ 
τοῦτο ὅ15 intendirte Fortsetzung der Ermahnung 51. 


264 Röm 61.3. 


ἐροῦμϑεν:) vgl. 35, fragt, welche Folgerung sich aus dem 5xf. 
Enthaltenen ergiebt; aber das Aufwerfen dieser Frage ist 
nur die dialektische Form, in der Paulus sich den Uebergang 
bahnt zu der positiven Erörterung seines dritten Haupttheils. 
Eben darum arf es nicht der Ergänzung eines ἀφοῦ μεν 
oder μὴ ἐροῦμεν ὅτι vor der zweiten Frage. Da die erste 
nicht auf einen Lehrsatz geht, sondern auf eine Maxime, die 
aus dem Gesagten zu folgern wäre, so kann der Apostel die 
deliberative Frage folgen lassen: Sollen wir bei der Sünde 
verharren Br τῇ ἁμαρτίᾳ, vgl. Xen. Hell. 3, 4, 6. 
Oec. 4,7: ἐχειμένειν τῷ μὴ adızeiv)? — ἵνα ἡ χάρις πλεο- 
νάσῃ) Da die Mehrung der Gnade 5» als die sichere Folge 
von der Mehrung der Sünde dargestellt war, so schien dies 
Verharren bei der Sünde nur diese selige Folge herbeizuführen 
und darum eine berechtigte Absicht desselben zu sein*). — 
V.2. un γένοιτο) vgl. 3. Es geschehe nicht, nämlich 
dass wir in der Sünde verharren. — oirıves) vgl. 1. Der 
Relativsatz, welcher die Christen als solche ch risirt, die 
der Sünde abgestorben sind, ist mit rhetorischem Nachdrucke 
vorangestellt, um gleich das Absurde der Maxime recht fühlbar 
zu machen. Er setzt also voraus, dass die Christen als solche 
ein Sterben erfahren haben (ἀ7ε8ϑ ἄνομδν), und da man ein 
Christ wird, indem man sich taufen lässt, so erhellt schon 
hier, dass dies Sterben in der Taufe erfolgt ist (was sich 
V. 3f. bestätigt). Da nun das Sterben den Menschen allen 
Beziehungen entnimmt, in welchen er bisher gestanden (Gal 
219. 61), so muss der Dat. der näheren Beziehung sagen, 
auf welche derselben es dem Apostel hier ankommt. Sind 
wir aber für die Sünde gestorben (τῇ ἁμαρτίᾳ), so beant- 


Ἢ Es ist nach 38 sehr möglich, dass Folgerungen, wie Paulus 
sie hier abweist, ihm häufig als Konsequenz seiner Lehre vorgeworfen 
waren; aber hier bringt er dieselbe nicht als einen Einwand des 
judenchristlichen Bewusstseins (Holst., Hilg.), eo dass man daraus 
auf eine judenchristliche Gemeinde (Mang.) oder eine Beunruhigung 
der heidenchristlichen durch judenchristliche Agitationen (Weizs.) 
schliessen könnte. Eben weil, wie fast allgemein zugestanden, die 
Frage nicht darauf geht, ob Paulus die Aufforderung zum ἐπιμένειν 
ergehen lasse (v. Heng., Hofm., Holst., Zimmer), liegt gar kein Grand 
vor, in ihr eine page gegen solche Vorwürfe zu sehen. Das 
οὖν weist nicht auf Kap. 1—b (God.) oder gar auf bısfl. (Otto nach 
seiner falschen Fassung der ζωή) zurück, da die zweite Hälfte deutlich 
an 520 anknüpft. Die Rept. ἐπεμένουμὲεν hat nur Min. für sich und 
ist mechanische Konformation nach £&povuer, wie das ζησωμεν V. 2 
(Hofm. nach CFGL) offenbar mechanisch nach ἐπεμένωμεν V. 1 kon- 
formirt ist. Otto u. Böhmer folgen der ganz verwerflichen Lesart 
von NKP: enuuerouer 


Röm 68.8. 265 


wortet sich die Frage von selbst, wie es möglich sein soll 
(πῶς, wie 36), dass wir noch (£rı, wie 37) in ihr leben 
werden. Das ζήσομεν ἐν αὐτῇ bezeichnet also ein Leben, 
wie es bei dem RR τῇ ἁμαρτίᾳ geführt werden würde, 
und ist dadurch eine Unmöglichkeit geworden, dass das 
Sterben uns von jeder Beziehung zur Sünde, also auch von 
diesem ἐσειμένειν gelöst hat, die Sünde also nicht mehr unser 
Lebenselement sein kann *). 

V.3f£. ἢ &yvosire) oder (vgl. 24), wenn dies ἀπεεϑά- 
vousv Euch noch zweifelhaft sein sollte, so muss ich fragen, 
ob Ihr denn unbekannt seid (vgl. 1.13) mit Wesen und Wirkung 
der Taufe, die Ihr doch alle empfangen lıabt (vgl. IKor 6 εἰ 
In ihr also muss jenes ἀπεοϑανεῖν, auf das sich Paulus als 
auf eine allgemeine christliche Erfahrung beruft, erfolgt sein. 
Daher appellirt er ausdrücklich an Alle, soviel ihrer (ὅσοι, 
wie 212) getauft sind. Das ἐβαπετίσϑημεν εἰς Χριστὸν 
’Inoovv bezeichnet zunächst nur, dass die Taufhandlung voll- 
zogen ward mit Bezug auf das Heilsmittlerthum Christi, d. h. 
unter Voraussetzung des Glaubens an ihn (vgl. IKor 102), 
weshalb auch eis τὸ ὄνομα ἴησ. Xe. damit wechseln kann 
en 11). Offenbar aber legt Paulus hier einen tieferen 

inn in die hergebrachte Formel, indem er mit Anspielung 
auf die Form des Taufritus darunter ein Getauftwerden in 
Christum hinein, ein Eingetauchtwerden in ihn oder die 
Lebensgemeinschaft mit ihm versteht (vgl. Rück., Otto, Chr. 





*) Es ist sehr bemerkenswerth, dass Paulus nicht an die Kap. 
3—b5 behandelte Rechtfertigung anknüpft, also jene grundlegende Er- 
fahrung des Christen, welche ein Beharren in der Sünde unmöglich 
macht, nicht als eine psychologische Wirkung der Rechtfertigung 
oder des Glaubens betrachtet. Zu dem «nosaverv τῇ ἁμαρτίᾳ vergleicht 
Meyer die Platonische Vorstellung b. Macrob. Somn. Seip. 1, 13: 
»ınori etiam dieitur, cum anima adhuc in corpore constituta corporeas 
illecebras philosophia docente contemnit et cupiditatum dulces insidias 
reliquasque omnes exuit passiones«. Michael., Cramer, Storr, Flatt, 
Nitzsch (de diser. revelat. ete. II, p. 233); die wir um der Sünde 
willen (mit Christo) gestorben sind, d. i. die wir uns so anzusehen 
haben, als hätten wir wegen der Sünde (oder Nitzsch: »ad eripiendam 
peccati vim mortiferam«) selbst gelitten, was Christus gelitten. Allein 
von einem Sterben mit Christo ist hier noch nicht die Rede. Der 
Wortlaut des ἀπεθάνομεν schliesst die Fassung des Dat. im Sinne 
von Bı2 aus: Die wir durch die Sünde dem Tode verfielen (vgl. 
Bosenm.: durch die Sünde elend wurden). Indem man willkürlich 
einlegt, dass das ἀπεθάνομεν erfolgt sei durch das Gläubigwerden 
(Holst., Böhmer), durch die Aneignung des Versöhnungstodes Christi 
(0d.), durch die Rechtfertigung (Beck nach seiner Missdeutung dieses 

egriffs), oder durch den neuen Dienst (Otto), zerstört man nur die 
Basis für die folgende Erörterung. 


266 Röm 63. 4. 


Hoffm., Sand.), wie er ähnlich Gal 37 thut. Da nun in der 
Taufe der Geist mitgetheilt wird (IKor 1218), und dieser der 
Geist Christi ist (8s), so tritt d diese Gemeinschaft seines 
Geistes der Getaufte in eine Lebensgemeinschaft mit Christo, 
nach welcher er in Christo ist (V. 11) und Christus in ihm 
(810), vgl. Beck. — εἰς τὸν ϑάνατον αὐτοῦ ἐβαπτίσϑη- 
usy) Da Jesus der Heilsmittler spezifisch ist durclı seinen 
Tod (32f. 425. 5sf.), so können wir mit ihm niclıt in Gemein- 
schaft treten ohne an diesem seinem Sterben Antheil zu er- 
halten, ohne auch an uns ein Sterben zu erfahren, nur natür- 
lich nicht ein leibliches, sondern ein Sterben unseres ge- 
sammten natürlichen Wesens, und das ist eben jenes az09. 
τῇ ἁμαρτίᾳ V.2. Dies nennt also Paulus ein Getauftwerden 
(eig. Eingetauchtwerden) in den Tod Christi hinein, welches 
der Christ in der Taufe erleidet, sofern der durch die göttliche 
Gnade in derselben mitgetheilte Geist das alte (natürliche und 
daher sündhafte) Leben in uns prinzipiell ertödtet*). Vgl. 
Weiss, bibl. Theol. $ 84, Ὁ. — Υ. 4. συνετάφημεν οὖν 
αὐτῷ) Aus der Betrachtung der Taufe als einer Taufe in 
seinen Tod hinein (V. 3) folgt (οἷν), dass wir nun mit ihm 
begraben sind. Das Begrabenwerden ist das Zeichen des 
wirklich eingetretenen Todes; wie nun Christus nach dem 
Eintritt seines Todes begraben wurde \ Kor 154), so erfährt 
auch der Christ in der Taufe ein solches Begrabenwerden, 
welches das Zeichen ist, dass er mit ihm gestorben ist, d. h. 
das Untertauchen in der Taufe wird ihm zur sinnbildlichen 


*) Hier ist also nicht von einer Nachahmung des Sterbens Christi 
die Rede (Grot., Reiche, Kölln. u. A.), sondern von einer göttlichen 
Gnadenwirkung, die der Christ in der Taufe erfährt; aber auch nicht 
bloss davon, dass wir in Beziehung gesetzt werden zu der sühnhaften 
Bedeutung des Todes Christi (Hofm., Luth.), womit ja die V. 2 be- 
hauptete Thatsache durchaus nicht begründet wäre (weshalb auch 
Hofm. nicht diese, sondern die V. 2 gezogene, völlig selbstverständ- 
liche Folgerung begründet werden lässt. Auch Lips. lässt in der 
Taufe nur dem Täufling Christi Tod ale seinen eigenen Tod zuge- 
eignet werden, und unterscheidet diesen objektiven Vorgang (durch 
den trotzdem bereits die Macht der Sünde objektiv gebrochen sein 
soll) streng von seiner ethischen Wirkung. Vergeblich aber sträubt 
er sich, anzuerkennen, dass Paulus hier einen tieferen Sinn in die 
hergebrachte Taufformel legt, da doch »die Anerkennung der Heils- 
bedeutung seines Todes« jene Wirkung der Taufe nicht vermitteln 
kann und auch nach ihm nicht vermitteln soll. Giebt man vollends 
mit Meyer, Goeb. zu, dass hier von einem Eingetauchtwerden in den 
Tod Christi die Rede ist, so kann dasselbe nicht bloss daraus abge- 
leitet werden, dass die Taufe »uns zu seinem Angehörigen macht«., 
Chr. Hoffm. freilich findet in dem Tode, den man in der Taufe stirbt, 
nur die Bereitschaft zum Martyrium. 


Röm 64. 267 


Vergewisserung, dass jenes (ethische) Sterben bei ihm einge- 
treten ist, weil er (sein altes sündhaftes Leben) in dem Wasser 
begraben wird*).. Dann aber muss dıa τοῦ βαπείσματος 
εἰς τὸν Javarov) zurückweisen auf das, was V. 3 über die 
Wirkung der Taufe gesagt ist, dass sie ein Eingetaucht- 
werden in den Tod Christi ist Absichtlich aber wird nicht 
wieder der Tod Christi genannt, als ob αὐτοῦ dabeistände 
(Krehl, Bisp.,, da ja durch das Getauftwerden in den Tod 
Christi hinein wir selbst einen Tod erleiden, nämlich den Tod 
unseres natürlichen Menschen. Nur wenn die Taufe that- 
sächlich ein solches Sterben für uns mit sich bringt, kann 
der Taufritus des Untertauchens als ein Begrabenwerden ge- 
dacht werden, welches, wie das Begräbniss Jesu seinen Tod, 
so unser Gestorbensein versiegelt. Es muss also δὶς τ. Jar. 
mit διὰ τ. βαπετίσμ. verbunden werden (mittelst der Taufe, 
die nach V. 3 ein Eingetauchtwerden in den Tod hinein ist), 
und es kann das ohne Artikelbindung geschehen, weil das 
Subst. nach V. 2 in dem Verbalsinn des βατετίζεσϑαι εἰς τι 
genommen ist**). — ἕνα) Zweckangabe des συνετάφημεν --- 
ϑάναεον, durch welche nun, dem πῶς ἔξει ζήσομεν &v αὐτῇ 
V. 2 entsprechend, hervorgehoben wird, dass dıe an uns voll- 
zogene Tödtung (unseres natürlichen Lebens) die Führung 
eines ganz neuen Lebens beabsichti Dann aber zeigt sich 
erst die volle Berechtigung dazu, die Taufe als ein Einge- 
tauchtwerden in Christum aufzufassen (V. 3), in Folge dessen 


*) Es handelt sich also nicht um »ein ethisches Begrabenwerden 
mit Christo«, welches, wie Meyer selbst sagt, kein von dem Mitge- 
storbensein verschiedenes sittliches Faktum wäre, wenn man nicht mit 
Beck ganz willkürlich dem Mitbegrabenwerden den »fortschreitenden 
Zerstörungsprozess«, welcher die Folge davon ist, unterschieben will, 
geschweige denn darum, dass die Sünde, sofern wir ihrer schuldig 
waren, für uns eine schlechterdings abgethane Sache ist (Hofm., vgl. 
Luth., und selbst von der richtigen Auffassung des Sterbens aus, Otto), 
sondern darum, dass sich in der Form des Taufritus der Vollzug 
jenes (ethischen) Sterbens uns sinnbildlich darstellt und dadurch ver- 
siegelt wird. Nach God. setzt die Taufe das Gestorbensein (der 
Sünde) im Glauben voraus, obwohl es doch das Wesen jeder sinn- 
bildlichen Handlung ist, zu veranschaulichen und zu versiegeln, was: 
in ihr geschieht, nicht aber, was vorher stattgefunden hat. 

**) Die Verbindung mit συνετάφ., wobei man εἰς τ. ϑάγατον bald 
auf Christi Tod (Grot., B.-Crus.), bald auf den Tod der Sünde (Calov., 
Wolf., Winzer Progr. 1831) bezogen hat, ist schon deshalb unrichtig, 
weil, wer begraben wird, nicht in den Tod kommt, sondern bereits. 
im Tode ist, daher das »Begrabenwerden in den Tod« eine ganz in- 
kongruente Vorstellung ergeben würde, wenn man nicht ganz will- 
kürlich und gegen die offenbare Beziehung auf Υ. ὃ ϑάνατος von dem 
»Todeszustand« nimmt (Hofm., Luth.). 


268 Röm 64.5. 


wir an den beiden Stadien seines Heilsmittlerthums, an seiner 
Auferweckung zu einem neuen Leben, wie an seiner Tödtung 
Theil haben müssen. Denn ebenso wie (worree, wie 8:12) 
er auferweckt worden ist aus Todten (ἡγέρϑη Χριστὸς ἐκ 
vexowv, vgl. 4:4), müssen auch wir eine Erweckung zu 
neuem Leben erfahren haben, was nach 417 nur durch den 
geschehen kann, dessen Prärogativ es ist, die Todten lebendig 
zu machen. Daher wird hier ausdrücklich betont, dass die 
Auferweckung Christi erfolgt ist διὰ τῆς δόξης τοῦ 
σιατρός. Nur die überweltliche Herrlichkeit des allmächtigen 
Gottes (123) konnte Christum von Todten auferwecken*). Das 
οὕτως καί (δ 2) führt aber nun nicht die damit selbstver- 
ständlich gegebene Auferweckungsthat ein, die Gott an den 
Gläubigen vollzog, sondern den Zweck, auf welchen es damit 
abgesehen war, dass wir nämlich in neuer (sittlicher) Lebens- 
verfassung wandeln sollen. Das ἐν χαινότητι (Ez 4712. 
Thucyd. 3, 38) hebt die neue Beschaffenheit des intendirten 
Lebens stärker hervor, als es durch das keineswegs damit 
gleich bedeutende (τοί, Koppe, Reiche, auch Otto) ἐν ζωῇ 
καινῇ, geschehen wäre, so dass der Gen. nicht Gen. appos. ist 
(gegen v. S. Win. ὃ 34, 3. Das περιτπεατήσωμεν 
hin g 203. Prv 8%) ist Bezeichnung der gesammten sitt- 
lichen Lebensführung, welche ihren Charakter von jener 
Lebensneuheit empfängt. 

V.5f. begründet (γάρ) die Absicht, wonach es durch das 
Mitbegrabenwerden mit Christo zum Wandeln in Lebens- 
neuheit kommen soll, dadurch, dass mit dem Mitsterben mit 
Christo auch ein Mitauferstehen mit Christo gegeben ist, 


4) Es ist also der umfassende Sion von δόξα nicht irgendwie 
einzuschränken (Koppe, B.-Crus. u. Aeltere), oder dafür die οἰχεία 
ϑειότης selbst (Theodor., Theophyl. u. a. Väter) oder die Erscheinungs- 
form (sottes, seine Erweisung gegen die Welt (Luth., Otto) zu sub- 
stituiren. Als der Vater ist Gott bezeichnet, weil durch die Auf- 
erweckung Christus erst zum vos ἐν δυνάμει eingesetzt (14), und so 
Gott erst in vollem Sinne als sein Vater erwiesen ist. Dass er aber 
dem Sohne die δόξα mittheilt (Goeb., vgl. Lips.: durch den in der 
Auferstehung Christo mitgetheilten himmlischen Lichtglanz des Vaters), 
wäre nur angedeutet, wenn man δεά vom Zustande nimmt (Carpzorv.: 
in paterna gloria resurrexit, vgl. v. Heng.), was aber gerade dem ἐν 
im Nachsäte gegenüber nur durch ein ἔν hätte ausgedrückt sein können. 
Ganz willkürlich Hofm.: Der Apostel betont, dass Christi Auf- 
erweckung Wendung eines Todeszustandes war, welcher als Wider- 
spiel der Herrlichkeit, d. h. des der Welt zugekehrten göttlichen 

esens des Vaters, nur ein vorübergehender sein konnte, so dass 
durch eben die Herrlichkeit des Vaters, welcher der Todeszustand 
des Sohnes widersprach, dieser Widerspruch gehoben worden ist (!). 


Röm 65. 269 


bringt also die indirekt in dem worseg ἠγέρϑη Χριστός bereits 
liegende Voraussetzung des vorigen Gedankens nach. — σύ μ- 
Yvroı) zusammengewachsen (Theophr. de caus. plant. 5, 5, 2, 
vgl. Zch 112. Am 9ıs). Dieser bildliche Ausdruck stellt die 
innigste Wesensverbindung dar, wie unser: verwachsen mit 
mit etwas. Plat. Phaedr. p. 2464 ἢ. Dies verbindet man 
ewöhnlich mit τῷ ὁμοιώματε τοῦ ϑανάτου αὑτοῦ 
ἔγαικ. Ohrys, Beza, Calv., Est., Koppe, Thol., Rück., Reiche, 
Olsh., de W., Phil, Meyer, Volkm., Hofm., Beck, Luth., Lips., 
Sand.): verwachsen mit dem, was seines Todes Gleichgestalt 
ist. Allein da das ὁμοίωμα (128. 8:14) seines Todes, ἃ. ἢ. der 
seinem Tode gleichgestaltete Vorgang nur unser (ethisches) 
Sterben sein kann und nicht der Tod Christi als das Gleich- 
niss, welchem unsere ethische Entstorbenheit abbildlich ent- 
spricht (Hofm.), so ergiebt diese Verbindung keinen erträg- 
lichen Sinn. Auch fehlt dann eben der Mittelbegriff, welcher 
die nothwendige Zusammengehörigkeit des Mitsterbens mit 
dem Mitauferstehen begründet. Daher muss man es als Dat. 
instrum. (Erasm., Beza, Grot., Flatt, Frtzsch., Krehl, B.-Crus,., 
Maier, v. Heng., Reithm., God., Otto, Zimmer, vgl. Weiss, 
bibl. Theol. $ 84, c), besser noch als Dat. der näheren Be- 
ziehung (Goeb., Böhmer) nehmen: »denn wenn wir mit 
in enge Verbindung getreten sind hinsichtlich des 
ὁμοίωμα seines Todes< u. 8. w., wobei sich die Ergänzung 
von τῷ Χρισεῷ aus dem τοῦ ϑανάτου avror von selbst er- 
iebt. Das ὁμοίωμα seines Todes, das in dem (ethischen) 
terben (durch den in der Taufe uns mitgetheilten Geist) in 
uns gewirkt ward, war eben das erste Moment, hinsichtlich 
dessen wir mit ihm zu unauflöslicher Lebensgemeinschaft ver- 
wuchsen, deren nothwendige Folge dann das Mitauferstehen 
mit ihm oder ihre Bewährung durch einen seiner Auferstehung 
gleichgestalteten Vorgang (den Beginn eines neuen ethischen 


*), Bei den Klassikern heisst σύμφιτος gew.: angeboren (Eur. 
Aundr. 955, vgl. IIIMak 322), während für den Begriff des Zusammen- 
gewachsenseins ouugyuns gangbarer ist, namentlich auch mit γένεσϑαι 
(Plato Soph. p. 247D. Tim. p.45D. p.88A. Plut. Lycurg. 25). Die 
Erklärung: complantati (Vulg., Luth.), wobei Orig., Chrys., Theod. 
Mopsv., Theodoret., Theophyl., Beza u. M. das Pflanzenbild aus den 
Früchten des ethischen Begräbnisses deuten, ist sprachlich unrichtig 
(als ob das Wort nicht von συμφύω, sondern von συμφιτείω herkäme, 
vgl. φυτευεός Plat. Rep. B 5104, dyurevros Xen. Oec. 20, 22), wie die 
Deutung: eingepfropft (Erasm., Calv., Est., Corn. a Lap., Klee). Beck 
hält es für möglich, dass σύμφυτος abgekürzt sein könne für συμφύ- 
revrog, und God. giebt ihm trotz richtiger Ableitung die Bedeutung: 
zu einer Pflanze gemacht werden mit ihm. 











270 Röm 68. 6. 


Lebens) sein wird. — ἀλλὰ καί) dient der raschen und 
nachdrücklicheren Einführung des gegensätzlichen Momentes, 
wie auch bei Klassikern häufig, an der Spitze des Nachsatzes; 
8. Ζ. [Kor 45. — rs ἀναστάσεως) abgekürzt für: αλλὰ 
χαὶ τῷ ὁμοιώματι τῆς ἀναστάσεως αὐτοῦ σύμφυτοι ἐσόμεϑα. 
Dies ἐσομεϑα ist das logische Futurum (vgl. das ζήσομεν 
V. 2 und Kühner ὃ 387, 4,c); denn mit jenem Gewordensein 
ist dieses ἔσεσϑαι nothwendig gegeben, mit dem Mitsterben 
mit Christo, welches auf Grund der in der Taufe gestifteten 
Lebensgemeinschaft mit ihm erfolgt, das Mitauferstehen mit 
ihm, welches ebenfalls ein ὁμοίωμα seiner Auferstehung ist, 
nämlich ein ihm gleichgestalteter Vorgang, wie es die Er- 
weckung eines neuen Lebens in uns ἰδ ἢ). — V.6. τοῦτο 
γινώσκοντες) bestätigt die Gewissheit der durch das Fut. 
ausgedrückten logischen Nothwendigkeit aus dem entsprechen- 
den erfahrungsmässigen Bewusstsein: da wir dieses erkennen. 
Das τοῦτο weist, wie 28, nachdrücklich voraus auf den fol- 
genden Objektssatz — ὁ παλαιός ἡμῶν ἄνϑρωτεος) d. i. 
unser altes Ich, unsere Persönlichkeit nach ihrer alten, natür- 
lichen Gesammtverfassung. Von der xaworns ζωῆῇς aus, 
welche der Christ erlangt hat, sieht er seine vorchristliche 
ethische Persönlichkeit als sein altes, nicht mehr am Leben 
befindliches Subjekt, als seine ehemals gewesene Person an. 
Vgl. IIKor dr. Zu παλαιός vgl. Lev 252. Jos 9ıf. Job 
1510. Dan 79. Wenn nun das Sterben dieses alten Menschen 
mit Christo als ein Mitgekreuzigtwerden mit ihm bezeichnet 
wird (συνεσταυρώϑη), so ist der Grund davon sicher nicht 


*) Von denjenigen, welche ouuguro: mit τῷ ὁμοιώματε verbinden, 
machen die Meisten τῆς ἄναστ. von dem zu ergänzenden ovuyvros 
abhängig, da dieses auch c. gen. steht (Plat. Phil. P 81}. Def. 
p. 413C), weshalb Bisp. (früher auch Hofm.) schon im Vordersatz τοῦ 
ϑανάτου mit συμῷ. verband. Luth. will nichts ergänzen: wir werden 
der Auferstehung Christi theilhaftig sein. Andere aber, wie Est., 
Thol., Phil., Meyer, Hofm., Lips., erkennen an, dass τῷ ὁμοεώματε zu 
ergänzen ist, das sie aber, wie im Vordersatz mit σύμῳ. verbinden. 
Warum bei unserer Fassung dies τῷ ὁμοιώματε oder wenigstens ein 
τῷ dastehen müsste (Hofm. nach de W.), ist doch nicht abzusehen. 
Otto erklärt τῷ ὁμοιώματε τ. 9. ungenau: durch den gleichen Tod. Das 
Fut. kann weder den Sinn des Wollens (Frtzsch.: ut reviviscamus 
.curabimus), noch des Sollens (Olsh., Rück. u. Aeltere) haben. Ganz 
irrig denken Tert., Chrys., Ambrosiast., Oec., Com. a Lap. u.M., vgl. 
auch Ew.) überhaupt oder zugleich (Koppe, Klee) an die Auferstehung 
des Leibes, die dem Gedankengang ganz fern liegt; wie sich am 
klarsten dadurch zeigt, dass Lips., um sie zu erneuern, den Gedanken 
eintragen muss, das künftige Auferstehungsleben mit Christo ver- 
bürge schon jetzt den Wandel in einem neuen Lebenszustand. 


Röm 6e. 271 


bloss, dass Christus gerade am Kreuze starb (Meyer), sondern 
dass der Kreuzestod eine Strafe ist, welche über die gemeinsten 
Missethäter verhängt wird (vgl. Gal 2:19); denn ein solcher 
war jener alte Mensch (vgl. Beck), Da er zu diesem Tode 
aber von Gott selbst verurtheilt ward, während Christus den- 
selben unschuldiger Weise von Menschen erlitt, so ist hier 
absichtlich das σὺν αὐτῷ vermieden ἢ. Trotzdem weiss der 
Christ, welcher in der Taufe in die Gemeinschaft des Todes 
Christi versetzt ist, dass sein alter Mensch mit Recht die 
Strafe erlitten hat, die Christus, um ihn von der Sündenschuld 
und -strafe zu erlösen (3%), für ihn erduldet hat, und aus der 
Absicht, welche diese Vollstreckung der Todesstrafe an dem- 
selben allein haben könnte, erschliesst er die Gewissheit der 
von dem Apostel V. 5 gezogenen Folgerung. — ἕνα xarap- 
yn$7) bezeichnet nach 38. 8ι. 414 keineswegs die Zerstörung 
des Veibes der Sünde (Meyer, God.), sondern dass derselbe 
ausser Kraft und Wirksamkeit gesetzt wird (so mit Recht die 
Neueren nach Tert., August). Da Paulus die Sünde überall 
als Macht denkt (vgl. zu 512), so kann τὸ σῶμα τῆς ἁμαρ- 
riag nicht den Leib als sündhaften bezeichnen, als ob der 
Genitiv ein Gen. qual. wäre oa ange nur als Gen. poss. 
den der Sünde gehörigen, von ihr beherrschten Leib (Lips.). 
Das war aber der Leib des alten Menschen, nicht sofern er 
Sitz oder Organ der Sünde war (Reiche), sondern sofern der 
alte natürliche Mensch ein sündhafter war, der seinen Leib 
nur in den Dienst der Sünde stellen konnte und stellte. Mit 
der Kreuzigung des alten Menschen verliert daher der von 


4) Das ist freilich ungefähr das Gegentheil von der Fiktion 
Otto’s, der, jede Beziehung auf einen sittlichen Vorgang ablehnend, 
hier den unter der Herrschaft der Sünde de jure stehenden Menschen 
de jure mit Christo gekreuzigt sein lässt, sofern das Opfer Christi 
den Anspruch der Sünde an den Menschen generell erledigt (doch 
vgl. auch Luth.). Während Grot., Olsh., Umbr. am Kreuzestode mehr 
das Schmerzliche hervorheben, denkt Hofm. an das Schmachvolle 
desselben, das er aber bloss auf den Sühntod Jesu bezieht, von dem 
hier gar nicht die Rede ist, während (#0od. hervorhebt, dass der Ge- 
kreuzigte noch fortlebt, wenn auch völlig machtlos. Ganz irrig will 
derselbe in dem Partizipialsatz die sittliche Bedingung und somit 
das Mittel des ἐσόμεθα finden, wie Reiche, de W. den Beweggrund 
(obwohl doch in ἐσόμεθα keine Ermahnung liegt). Phil. setzt das 
γινώσχοντες willkürlich in χαὶ τοῦτο γινώσχομεν um, wie das Partizip 
nie gebraucht wird, und auch Hofm. denkt es im Gefolge des ἐσόμεϑα, 
als ob sich Paulus etwa mit wore ausgedrückt hätte, weil er nach 
seiner Missdeutung des Vorigen erst hier den Gedanken an das Leben 
in der Gemeinschaft mit Christo findet, das hier nur als eine Wirkung 
des Kreuzestodes Christi dargestellt sein soll. 


972 Röm 66. 1. 


der Sünde beherrschte Leib die Macht, der Sünde als Organ 
zu dienen, er hört auf, als solches wirksam und thätig zu sein. 
Nicht von einem Rechtsverhältniss ist hier die Rede, sondern 
von einem durch die Kreuzigung des alten Menschen beab- 
sichtigten und gesetzten thatsächlichen Verhältniss (gegen 
Otto) ἢ. — τοῦ μηκέτι δουλεύειν ἡμᾶς τῇ ἁμαρτίᾳ) 
Zum Gen. des Inf. als Ausdruck der Absicht wel zu Mt 23; 
zu μηχέτι vgl. Ex 366. IIChr 165 JSir 211, zu δουλεύειν 
Jes 566. Mal 31. δ᾽ 2ı. So lange die Sünde den Leib 
beherrscht und ihn zu ihrem Organ macht, sind wir, deren 
Lebensäusserungen sich alle mittelst des σῶμα vollziehen, ihre 
Knechte. Damit wir von dieser Knechtschaft befreit werden, 
muss der Leib aufhören, ein von der Sünde beherrschter zu 
sein. Das kann aber nur geschehen, wenn unser alter (sünd- 
hafter) Mensch getödtet, und der Leib einem in der Auf- 
erstehung mit Christo zu neuem Leben gekommenen Ich zu 
freier Verfügung zurückgegeben ist. 

V. 7. Begründung davon, dass wir nach dem Tode des 
alten Menschen von der Sünde befreit sind, durch einen 
Allgemeinsatz, in welchem darum ὁ ἀποϑανιών schlechter- 
dings nichts Anderes als den physisch Gestorbenen bezeichnen 
kann. So mit Recht Hofm., God., Luth., während Otto wieder 
zu der seit Erasm., Calov. herrschenden Auffassung zurück- 
kehrt, welche an das geistliche Sterben oder das Sterben mit 
Christo denkt, was dem Wortlaut so wenig wie dem Charakter 
des Allgemeinsatzes entspricht. Das δεδικαίωται kann 
insofern nicht im technischen Sinne der Paulinischen Lehr- 
sprache genommen werden, als hier von der Schuld der Ver- 


5) Andere nehmen ganz willkürlich das Corpus peccati tropisch, 
entweder so, dass die Sünde unter dem Bilde eines Leibes mit signi- 
fikanter Beziehung auf das Gekreuzigtwerden vorgestellt sei (80 nach 
Vätern Pisc., Par., Calov., Koppe, Flatt, Olsh., auch Reiche, die Sünde 
als Ungeheuer denkend), oder so, dass man den Sinn »die Masse der 
Sünde« findet (Chrys., Ambr., Theophyl., Erasm., Corn. a Lap., Grot., 
Est., Reithm. u. M.; so auch Calv., der den natürlichen Menschen 
selbst als eine massa, ex peccato conflata, Phil., der die Sünde als 
gegliederten Organismus, als σῶμα gedacht sein lässt). Das Richtige 
haben im Wesentlichen schon Theodor., Beng., Thol., Kölln., de W., 
Rück., Frtzsch. u. d. meisten Neueren. Vergeblich bestreitet Hofm. 
gegen Th. Schott, dass auf diesem Absichtssatz das eigentliche Haupt- 
moment der in γενώσχοντες ausgedrückten Erfahrung ruht; denn eben 
weil die Kreuzigung des alten Menschen, die ja als Thatsache in V.8 
bis 5 deutlich genug ausgesprochen war, nur die Absicht haben konnte, 
uns von der Sündenknechtschaft zu befreien, muss nothwendig mit 
der Betheiligang an dem Tode Christi auch als Folge die Betheiligung 
an seiner Auferstehung (zu einem neuen Leben) gegeben sein (V. 5). 


Röm 61. 8. 273 


gangenheit nach dem ganzen Zusammenhange nicht die Rede 
ist, und nach Paulinischer Anschauung unmöglich der Tod 
als solcher. die Sünde sühnen kann. Dennoch ist es nicht 
zulässig, das διχαιοῦσϑαι von einem thatsächlichen Rechts- 
erkenntniss zu nehmen, durch welches der Mensch von dem 
Rechtsanspruch, welchen die Sünde erhob (ihn zu beherrschen), 
durch den Tod befreit ist (Thol., Hofm., God., Luth., Goeb. 
u. A., weil es das nie bei Paulus heisse Es kann nur 
meinen, dass der Verstorbene, über den fortan die Sünde 
keinerlei Macht mehr hat, für einen erklärt ist, der δίκαιος, 
d.h. so beschaffen ist, wie er sein soll, was durch das prägnante 
ἀπε (vgl. 5s) näher dahin erläutert wird, dass er von der 
Macht der Sünde los ist, die keinen Leib mehr an ihm findet, 
dessen sie sich bemächtigen kann *). 
V. 84. ei δὲ ἀπεϑάνομεν σὺν Χριστῷ) Nimmt die 
im Vorigen aus dem Bewusstsein des Christen (V. 6: τοῦτο 
γινώσχοντες) erwiesene Voraussetzung auf. Ausdrücklich aber 
wird jetzt erst zu der Voraussetzung, dass wir ἀσεοϑανόντες 
sind, das in συνεσταυρώϑη angedeutete und in V.3 begründete 
σὺν Χριστῷ hinzugefügt, das also unmöglich schon V. 7 er- 
änzt werden kann. Das metabatische δέ aber leitet von 
ieser Voraussetzung fort zu der mit ihr nach V.5 gegebenen 
zuversichtlichen Ueberzeugung (πεστεύομεν ὅτι, wie ITh 
414, vgl. Hbr 116. Mt 92), dass wir auch mit ihm leben 
werden. Das xai deutet an, dass, wo einmal durch das 
owvasrodaveiv eine Gemeinschaft mit Christo eingetreten ist, 
dieselbe sich auch auf das συζῆν erstrecken werde, dass dies 
Bar nicht anders werde sein können (vgl. das ἐσόμεϑα V. 5). 
ies συζήσομεν αὐτῷ kann aber nach dem ganzen Kontext 
nur von der ethischen Theilnahme an dem Leben des auf- 
erweckten Christus verstanden werden (gegen Otto). Dabei 
ist nicht zu erklären, als ob bei συζήσομεν ein «ei oder dergl. 
(ohne Rückfall) stände, wie Thol. thut (vgl. Theoph.), wenn 
auch aus der V.9 folgenden Begründung erhellt, dass gerade 
im Unterschiede von V.5, wo der Beginn eines neuen Lebens 


*) Ganz fern liegt also die Vorstellung, dass durch die Voll- 
ziehung der Strafe die Schuld gebüsst (Ust., vgl. auch Wolf, Michaelis 
u. A., die den juristischen Ausdruck für die Hinrichtung vergleichen: 
er ist justifizirt), oder gesühnt werde (Eisenm., entdeckt. Judenth. 
II, p.283f.), obwohl noch Lips. daran anknüpft, freilich nachher doch 
darauf herauskommend, dass er nach göttlichem Urtheil zu der 
ἁμαρτία in keinem Dienstverhältniss mehr steht. Auch Sand., der in 
ἀποϑανών den physischen und moralischen Tod zusammenfasst, 
kommt wieder. auf das acquitted from guilt hinaus. Am Nächsten 
dürften Chrys., Theodor. dem Richtigen gekommen sein. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Auf. 18 


274 Röm 68.9. 


mit dem der Auferstehung Jesu analogen Erlebniss (dem ὁμοίωμα 
τ. ἀναστάσ.) gegeben war, hier die Gewissheit eines dauernden 
Mitlebens mit Christo betont wird ἢ). — V. 9. δἐδότες, ὅτι 
etc.) vgl. 88: da wir wissen, dass Christus, auferweckt von 
Todten (ἐγερϑείς ἐκ νεκρῶν, wie V.4) nicht mehr (οὐκέτι, 
wie ΕΖ 16a1f. 203) stirbt. Der Grund jener Ueberzeugung 
ist also der, dass Christus durch die Auferstehung nicht etwa 
zu einem irdischen Leben begrenzter Zeitdauer erweckt ist, 
dem ein neues Sterben ein Ende machen könnte, sondern zu 
einem unvergänglichen Leben. Denn dies allein verbürgt uns 
ein dauerndes Mitleben mit ihm, während ein neues Sterben 
Christi ja auch unserem Mitleben mit ihm ein Ende machen 
würde, und wir so im Blick auf die Zukunft, wenn jenes 
Sterben überhaupt noch eintreten könnte, unseres συζῆν nie 
zuversichtlich gewiss sein könnten **. — ϑάνατος αὐτοῦ 
οὐκέτι κυριεύει) vgl. Gen 81. Num 2118. IIChr 14 6. 
2048. Der Satz ist nicht mehr von örı abhängig (Hofm.), 
sondern selbständige und desto nachdrücklichere Wieder- 
holung des wichtigen Gedankens: Tod ist über ihn nicht mehr 
Herr, hat keine Gewalt mehr über ihn. Dies setzt voraus, 
dass der Tod einst über ihn geherrscht hat und zwar nicht 
bloss bei der Kreuzigung (Meyer); denn durch seinen Eintritt 
in das Adamitische Geschlecht, über welches der Tod herrschte 
(514), war Christus ebenfalls der Todesherrschaft unterworfen, 


Ὁ Kontextwidrig Andere: es sei die dereinstige Theilnahme des 
Christen an der Seligkeit des verherrlichten Heilandes (Flatt, Reiche, 
Maier nach Orig., Chrys., Theodoret., Grot., Heum.); und zugleich 
wider die Bestimmtheit und Einheit des Sinnes Andere: es sei das 
irdische sittliche und das ewige selige Leben zusammen gemeint (Seb. 
Schmid, Böhme, Rosenm., Sand.). Entschieden erklärt sich gegen 
die Auffassung von der ethischen Theilnahme an dem Auferstehungs- 
leben Christi Lipe., weil dieselbe kein Objekt des πιστεύεεν sein könne; 
aber wenn er von dem Auferstehungsleben derer redet, die von der 
Sündenherrschaft befreit sind, schiebt er doch jene ein, ob- 
wohl sie in dem Vordersatz noch nicht liegt, offenbar in dem Gefühl, 
dass der Zusammenhang dies zwingend fordert. Das πιστεύομεν 
kann weder wegen des folgenden ὅτε, noch wegen des begründenden 
εἰδότες im Sinne von Vertrauen genommen werden (Frtzsch., B.-Crus., 
Phil., Volkm., der ganz verkehrt hier einen neuen Absatz beginnt, 
der bis V. 14 gehen soll). 

**) Dass die Begründung nur so gefasst werden könne, wenn es 
hiesse: wir glauben, dass wir in dem neuen Leben beharren, beständig 
darin bleiben werden (Hofm.), ist eine leere Behauptung, da eine 
zuversichtliche Gewissheit des zukünftigen συζὴν überhaupt nur 
möglich ist, wenn dasselbe ein dauerndes ist. Hofm. will mit eidores 
einen neuen Satz anheben, welcher sich V. 11 fortsetzt, wodurch er 
eich zur Parenthesirung von V. 10 genöthigt sieht. 


Röm 69. 10. 275 


nur dass er nicht um eigener Sünde willen (512) sterben 
musste, sondern im Gehorsam gegen den göttlichen Willen 
6») welcher diesen Tod als Sühnmittel geordnet hatte (33%). 
urch die Auferstehung ist er aber in ein Leben eingetreten, 
in dem es keine Todesherrschaft mehr giebt, — V.10. ὃ γὰρ. 
ἀπέϑανεν) ist jedenfalls Objekts-Akkusativ. Es heisst aber 
nicht: denn was seinen Tod betrifft (vgl. Win. ᾿ 24,4. Anm.3), 
sondern nach der Analogie von Gal 2% und des gangbaren 
Ausdrucks τὸν ϑάνατον arcodaveiv: was, d.i. den Tod, welchen 
er gestorben ist (so die meisten Neueren, vgl. Buttm. p. 130). 
— τῇ ἁμαρτίᾳ ἀπέϑανεν) Das Dativverhältniss kann kein 
anderes sein, als in ἀπδϑάνομεν τῇ au. V.2 (vgl. Hofm.), nämlich: 
er ist der Sünde gestorben (Dativ der Beziehung), so dass er 
hinfort keine Beziehung mehr zur Sünde hat, und diese keine 
Macht mehr über ihn übt. Dies setzt voraus, dass er vorher 
in einer solchen Beziehung gestanden hat; das kann aber 
nur eine leidentliche gewesen sein (Hofm.), nach welcher die 
Sünde über ihn im Tode herrschte (521), sofern die Sünde 
der Menschheit ihm den Tod brachte. Nunmehr, nachdem 
er ihrethalben den Tod gelitten hat, ist sie einflusslos auf ihn 
geworden und kann keine Macht mehr über ihn haben; er 
ist ihrer Gewalt, welcher er in seinem Tode sich unterzog, 
durch diesen Tod entstorben*). — ἐφάτεα ξ) vgl. Hbr 7x. 
92. Lucian. Dem. enc. 21, für einmal, mit Emphase, die 
Wiederholung ausschliessend, einmal für allemal. — ζῇ ες. 
ϑεῷ) sein dem Tode nicht mehr unterworfenes Leben steht 
nur noch in Beziehung zu Gott, ist Gotte angehörig, und 
zwar in ausschliessendem Sinne Christi irdisches Leben 
nämlich war auch ein ζῆν τῷ ϑεῴῷ, aber es war zugleich auch 
(um seines Erlöserberufes willen) der Todesmacht der mensch- 
lichen Sünde ausgesetzt, was nun nicht mehr der Fall ist. 


Ὁ Dem Parallelismus von V.2 entsprechen nicht die abweichenden 
Erklärungen des Dativ, als: ad expianda peccata (Par., Piscat., Grot., 
Michael. u. M., auch Olsh.), oder: ad expianda tollendaque peccata 
(Koppe, Flatt, Reiche, Frtzsch., Phil.), oder: um die Gewalt der Sünde 
zu zerstören (Chrys., Beza, Calv., Beng. u. M., auch Ew. u. Umbr.). 
Beides verbinden God., Beck; und Lips. sieht in beidem wenigstens 
die Voraussetzung des ἀποθανεῖν τῇ ἁμαρτίᾳ, Bei einer unbestimmten 
Beziehung des Todes Jesu auf die Sünde, als das entfernte Objekt, 
wollen Rück., Kölln., de W. stehen bleiben, womit aber eben nichts 
erklärt ist, und nur ein formaler Parallelismus übrig bleibt. Von 
einer Beziehung, die ihn zum Sünder machte (Rich. Schmidt, paul. 
Christol. p. 55f.), kann nach IIKor ὅδ᾽] weder reell noch ideell die 
Rede sein; ebensowenig aber von einem Rechtsanspruch der Sünde, 
dem Christus sich unterstellte (Otto, Zimmer). 


18* 


276 Röm 610—ı3. 


Ein Leben aber, das ausschliesslich Gotte angehört, kann nur 
ein ewiges sein. 

V. 11. οὕτως καὶ ὑμεῖς) Ebenso, wie wir nach dem 
εἰδότες V. 9 über das ee Leben Christi urtheilten, 
- sollt auch Ihr, die Ihr V.5—8 mit ihm in innigster Ge- 

meinschaft steht, über Euch und Euer Leben urtheilen 
(λογέζεσϑε ἑαυτοὺς εἶναι). Das λογέζεσϑε (28. 32) ist 
also Imperat. (vgl. Vulg., Chrys., Luther u. 4. Das νεκροὺς 
μὲν τῇ ἁμαρτίᾳ ser sich aus dem τῇ ἁμαρτίᾳ ἀπέϑανεν 

. 10, das ζῶντας δὲ τῷ ϑεῷ aus dem ζῇ τῷ ϑεῷ. Der 
Nachdruck des n Satzes liegt aber auf den; ἐν Χριστῷ 
Ἰησοῦ am Schluse. Denn nur sofern sie durch die Taufe 
(v 3) in die Lebensgemeinschaft mit Christo versetzt, mit ihm 
leichsam verwachsen sind (V. 5), so dass sie nun nur noch in 
Christo leben, dürfen sie über ihr Todsein und ihr Leben ur- 
theilen, wie über das Gestorbensein und Leben Christi. So 

ipfelt die ganze Ausführung in dem Grundgedanken, wonach 
der Christ in der Taufe durch das Mitsterben und Mitauf- 
erstehen mit Christo zu einer Lebensgemeinschaft mit ihm 
verwachsen ist, nach welcher er sich als todt für die Sünde 
und lebend für Gott zu betrachten hat ἢ. 

vV. 12—23. Die wahre Knechtschaft und die 
wahre Freiheit. — Die im vorigen Abschnitt dargelegte 
Befreiung des Christen von der Herrschaft der Sünde ist 
zunächst nur eine prinzipielle, d. h. eine durch die Lebens- 
gemeinschaft mit Christo ermöglichte, die erst in dem Maasse 
sich nach allen ihren Konsequenzen verwirklicht, in welchem der 
Christ sie sich in all seinen Lebensäusserungen vollziehen 
lässt. Daher wendet sich der A nun ermahnend an 
ihn und hält es ihm als seine sittliche Aufgabe vor, die wahre 


ἢ Griesb., Koppe, Volkm. interpungiren: οὕτως χαὶ ὑμεῖς" λογέ- 
ζεσϑε etc. Aber von einem λογέζεσϑαι Christi war ja nicht die Rede, 
sondern von seinem Leben und Sterben. Nur darauf kann also das 
οὕτως zurückweisen, eben darum aber nicht übersetzt werden: dem- 

emäss (Meyer). Beng., Hofm., Lips. fassen das λογέζεσϑε indikativisch, 

ück., Kölln., de W., ziehen das ἐν Χρ. ἴησ. willkürlich nur zu ζώντας, 
und Grot., Frtzsch. u. A. übersetzen es per eum, womit der Nerv des 
Gedankens durchschnitten wird. Lips. mischt selbst hier noch die 
Beziehung auf die Auferstehung ein, sofern die gegenwärtige »objektive 
χαινότης ζωῆς« nur durch die Hoffnung auf das συζῆν mit dem 
Auferstandenen vermittelt sein soll, wovon doch nichts angedeutet. 
— Meyer, Lehm. streichen das evas nach ADEFG Verss. (Treg. i.Kl.), 
das aber nur ausfiel, weil es von seiner ursprünglichen Stelle hinter 
savrors (Tisch, WH. nach ΒΟ) nach vexpous μὲν transponirt war 
(Rept nach KLP vg.). Das rw zugw nuew (Rept. nach NCKLP) ist 
ein b.äufiges Glossem. 








Röm 613. 277 


Freiheit, die mit der wahren Knechtschaft identisch ist, in 
seinem gesammten Leben zu realisiren. Er folgert (οὐ ν) diese 
Ermahnung aber aus dem Bewusstsein, das der Christ nach 
V. 11 von der mit ihm vorgegangenen Umwandlung hat, und 
zwar so, dass der negative Theil der Ermahnung dem γεχροὺς 
μὲν τῇ ἁμαρτίᾳ V.11, und der positive Gegensatz dem ζώνεας 
δὲ τῷ ϑεῷ entspricht. — un βασιλευέτω ΟΠ ΘΕ LO) 
Damit wird. nichts Sündliches zugelassen (vgl. Chrys.), als o 
nur ein besonderer Grad der Sündenherrschaft verboten wäre, 
sondern der das sittliche Ich überwindende Einfluss der (per- 
sonifizirten) Sünde wird gänzlich verboten, wie der ganze 
sammenhang lehrt. Vgl. Luther’s Glosse: Merk, die Heiligen 
haben noch böse Liüste im Fleisch, denen sie nicht folgen. — 
ἐν τῷ ϑνητῷ ὑμῶν owuarı) giebt einfach den Sıtz und 
Bereich an, in welchem die verbotene Herrschaft stattfinden 
würde, sodass der Leib wieder ein σώμα τῆς ἁμαρτίας wird, 
was er doch nach V. 6 zu sein aufgehört haben soll. Das 
ϑνητῷ (des Blum. Job 302) heisst nichts Anderes als: 
sterblich im gewöhnlichen Sinne. Die Absichtlichkeit aber 
des Epithetons muss sich aus dem motivirenden Verhältnisse 
ergeben, in welchem die Sterblichkeit des Leibes zu dem 
Nichtherrschenlassen der Sünde im Leibe steht. Es erinnert 
also warnend an die Verderblichkeit der Sünde, welche den 
sterblichen Leib der Todesherrschaft verfallen lässt (de W., 
Krehl, Niels, Phil, Maier, Beck), während seine Befreiung 
von der Sünde ihm auch die endliche Befreiung vom Todes- 
geschick (in der Auferstehung) gewährleistet*)., Der Leib ist 


MT 





) Es steht also nicht im Gegensatz zu dem in der Gemeinschaft 
mit Christo angetretenen unsterblichen Leben V. 11 (Meyer, God., 
Hofm., der aber p. 244 doch auf das Richtige herauskommt, wenn er 
wenigstens zugleich die Thorheit angedeutet sein lässt, wonach der 
Mensch sich in den Tod verflechten lässt, welchem der Leib verfällt), 
da jenes Leben ja mit der Leiblichkeit des Menschen nichts zu thun 
hat. Ganz fern liegt der Gedanke, wie schimpflich es sei, der Sünde, 
die nur in dem zerbrechlichen Körper wohne, den Geist unterthan 
zu machen (Kölln., vgl. Calv.), oder an die kurzen Mühen (Grot., vgl. 
schon Chryse., Theodor., Reiche), oder gar die sinnlichen Vergnügungen 
(Flatt, vgl. Theoph.) des leiblichen Lebens. Dass der Leib aber dem 
vergänglichen Wesen zustrebt und darum leicht wieder in die 
Sünde hinabzieht (Otto), kann selbstverständlich in Iynrös nicht liegen. 
Natürlich ist ϑνητῷ nicht gleich νεχρῷ, und zwar in dem ethischen 
Sinne: todt für die Sünde (Ch. Schmidt, Steng., vgl. auch Baur: 
»dessen Sterblichkeit Euch nur an das erinnern kann, was er jetzt 
schon ist als γεχρὸν τῇ au.« und umgekehrt Holst. p. 331f., der den 
Gegensatz eines ζωοποιηϑὲν σῶμα fingirt und das ϑνητόν oder di’ 
ἁμαρτίαν νεχρὸν σ. vielmehr als der Sünde dienstbar denkt). Gerade 
vom Körper ausgesagt, musste die Sterblichkeit jedem Leser ganz 


278 Röm 612. 18. 


dabei als der Naturorganismus des Menschen gedacht, welcher 
ihm zum Medium aller sittlichen Lebensthätigkeit nach aussen 
gegeben ist. — εἰς τὸ ὑπακούειν) vgl. Din 201. Gen 41. 

er Zweck der Sündenherrschaft ist, dass wir wieder den Be- 

ierden des Leibes, in dem sie ihre Herrschaft hat, und dessen 

egierden (ταῖς ἐπεϑυμίαις αὐτοῦ) dadurch sündige ge- 
worden sind, dienen sollen. Es folgt daraus weder, dass es 
nur leibliche a Begierden giebt, die sündhaft sind 
(vgl. n Weiss, bibl. Theol. $ 68, a), da es sich ja hier 
nur um die Art handelt, wie sich die Herrschaft der Sünde 
im Leibe vermittelt, nachdem das Innenleben des Menschen 
von ihrer Herrschaft befreit ist, noch dass die Triebe des 
Leibes an sich sündhaft sind, da es sich ja um das handelt, 
was der Mensch thut, wenn die Sünde in seinem Leibe 
herrscht und seine Triebe in sündhafter Weise erregt ἢ. — 
V.13. μηδὲ wapıoravere) vgl. Gen 404. Mt 266. Lucian. 
d. mar. d 2. Diod. Sic. 16, 79. Dem. 597. Wie man nicht 
mit seinem besseren Ich den leiblichen Begierden gehorchen 
soll, so soll man auch nicht seine Glieder (τὰ μέλη ὑμῶν), 
welche die Sünde als vollziehende Organe gebrauchen will, 
derselben zur Verfügung, zu Dienste stellen, ἃ. ἢ. seinen Leib 
nicht missbrauchen zum Werkzeuge der sich wieder in uns 
regenden Sünde. Auch hier sind natürlich keineswegs 
die geistigen Kräfte und Thätigkeiten, Empfindung, Wille, 
Verstand, mit bezeichnet (gegen „ Reiche, Phil. u. M.), 
sondern die sich regende Sünde kann nie zur That werden 
und so zum Vollzug kommen, so lange man jedes seiner 
Glieder davor behütet, ihr zu dienen. — Ösrka adırias) als 
Unsittlichkeitswaffen, mit welchen die Herstellung von Unsitt- 
lichkeit erkämpft wird (Meyer, vgl. Lips.: in deren Führung 
sich die Ungerechtigkeit bethätigt), oder besser: deren Wesen 
Unsittlichkeit ist (im Gegensatz zu δικαιοσίνης). Die ἁμαρτία 


bestimmt als die physische erscheinen. Das ἐν mit ἡ ἀμαρτέα zu ver- 
binden (Olsh.) verbietet der davor fehlende Art.; auch heisst es nicht: 
mittelst (Th. Schott). 

5) Das ταῖς ἐπιϑυμίκαιες αὐτου (NABC Vers. Orig.) ward in DEFG 
it. durch «urn glossirt, und dies dann mit der ursprünglichen Lesart 
durch ἐν verknüpft (Rcpt. nach KLP). Treffend Hofm.: »Der Apostel 
setzt die sittliche Ric kur She Beschaffenheit seines innerlichen 
Personlebens, welche dem Christen vermöge seiner Beschlossenheit in 
Christo eignet, als selbstverständlich voraus und hat also nur an ihr 
Leben nach aussen, welches ja eben ein leibliches ist, die Forderung 
zu stellen, dass es nicht im Widerspruch, sondern im Einklang damit 
stehe«. Das σώμα ist natürlich so wenig wie V.6 symbolischer Aus- 
druck für das ganze Ich (Reiche nach Ambr. u. Aelteren) mit Ein- 
schluss der Seele (Phil.). 





Röm 613. 279 


ist als Herrscherin gedacht, welche die Glieder des Menschen 
als Kriegswaffen gebraucht, um damit gegen Gottes Regiment 
anzukämpfen, und welche daher nur unsittliche sein können *). 
— ἀλλὰ παραστήσατε) In dem Imper. Praes. des V. 12 
handelte es sich darum, das sragıoravaı, welches das V. 12 
untersagte βασιλεύειν voraussetzt, dauernd zu unterlassen, hier 
im Imper. Aor. um den entscheidenden Schritt, der zu einem 
En negengen len Verhalten führt. S. auch Win. $ 43, 4. 
Kühner ὃ 389, 7, c. Die Steigerung liegt aber auch darin, 
dass sie sich selbst (&avzovg), ihre eigenen Personen Gotte 
zur Verfügung stellen sollen. Während im Verbot nur der 
Fall ins Auge gefasst war, wo der Christ die Sünde wieder 
in seinem Leibe herrschen lässt, muss hier im Gebot die 
Hingabe der ganzen Person verlangt werden. — ὡσεὶ ἐκ 
vexowv ζῶντας) als solche, die aus Todten (auferstanden) 
lebendig sind, d. h. welche den ethischen Hergang an sich 
erfahren haben, mit Christo gestorben und zu neuem Leben 
gelangt zu sein. Das mit dem Vergleichungsadverb verbundene 

artic. bezeichnet nicht eine bloss der Vergleichung wegen 
angenommene Beschaffenheit, sondern eine in der Wirklich- 
keit bestehende, die sich aber der Angeredete vergegenwärtigen 
soll, um an ihr sein Thun zu bemessen. Vgl. Kühner $ 488, 1. 
Richtig daher Vulg.: tamquam ex mortuis viventes; de W.: 
wie es sich ziemt für solche, die u. s. w.**). Eben weil sie 


*) Verletzung des Bildes, auf welches V. 23 zurückblickt, ist es, 
mit Vielen (auch Rück, Kölln., B.-Crus., Krehl, Frtzsch., de W., Ew., 
God., Beck, Otto, Zimmer) ὅπλα: Werkzeuge zu erklären, was es zwar 
häufig im Klassischen seit Homer (s. Duncan Lex. ed. Rost. p. 844), 
aber nie im NT heisst. Vgl. bes. IIKor 67. 104. Dass das zum 
Verb. gehörige τῇ ἀμαρτέᾳ zugleich zu ὅπλα gehören könne ((rod.), ist 
natürlich ganz unmöglich. 

“Ὁ Der Aa Ense bleibt aber trotzdem ein Vergleichungssatz 
(gegen Meyer), weshalb es auch keinen Unterschied machen kann, ob 
das sonst bei Paulus gewöhnliche ὡς (Rept. nach DEFGKLP) oder 
ὡσεί steht (gegen God.). Letzteres auch gegen Hofm., welcher ganz 
künstlich das ζώντας prädikativ nimmt und das ὡσεί nur auf 2x νεχρῶν 
bezieht. Weil ihr Todtsein für die Sünde ja neben dem Leben aus 
Gott fortdauert, so soll ihre Lebendigkeit nur verglichen werden mit 
dem Leben eines aus dem leiblichen Todeszustande Hervorgegangenen, 
der sein früheres Dasein. aus welchem er in den Todeszustand über- 
gegangen, schlechthin hinter sich hat und darum mit demselben un- 
verworren bleibt. Lips. will das ζῶντας &x νεχρῶν nicht im moralischen 
Sinne genommen wissen, sagt aber auch nicht, wie. Als eigentliche 
Vergleichung fasste schon Theod. Mops. das ὡσεί, welches er dahin 
deutet, dass vor der wirklichen Auferstehung nur 7 xar« τὸ δυνατὸν: 
μέμησες verlangt werde. Aehnlich Böhmer. Vgl. Otto, der darin 


findet, dass sie wie vom Tode Erstandene ganz dem gehören, der sie. 





250 Röm 6 13---15. 


in der Gemeinschaft mit Christo todt sind für die Sünde 
(V. 11), sollen sie sich bei ihrer Hingabe an Gott wie solche 
ansehen, deren (neues) Leben hervorgegangen ist aus solchem 
Todeszustand, also mit der Sünde garnichts mehr zu schaffen 
hat und darum Gott ausschliesslich gehören kann. Um aber 
jede Thätigkeit, auch nur der Glieder, im Dienste der Sünde 
auszuschliessen, wird noch ausdrücklich hervorgehoben, wie 
sie auch ihre Glieder als Gerechtigkeitswaflen (ὅσελα dı- 
καιοσύνης) Gotte zur Verfügung stellen sollen, damit er sich 
ihrer zur Ausrichtung seines Willens im Kampf gegen alle 
widergöttlichen Mächte bediene. 

.14f. ἁμαρτία γὰρ ὑμῶν οὐ κυριεύσει) vgl. V. 9. 
Die bestimmte Verheissung, dass Sünde über sie nicht Herr 
sein wird, also jene Herrschaft, vor der Paulus V. 12 gewarnt, 
nicht mit übermächtiger Gewalt wird erzwingen können, be- 
gründet die Aufforderung V. 12f, sofern die Leser derselben 
nur nachkommen können, weil die Herrschaft der Sünde über 
sie gebrochen ist*). — οὐ γάρ ἐστε ὑπὸ νόμον) vgl. Gal 
421, denn nicht Gesetz ist die herrschende Macht, unter der 
Ihr steht (vgl. 89), sondern Gnade (ἀλλ᾽ ὑπὸ χάριν). Dieser 
Gegensatz enthält den Gedanken: Gesetz fordert nur, was 
man thun soll; Gnade aber giebt, was der ihr Unterstellte 
bedarf (Hoffm.).. Erginge also die Ermahnung V. 12f. nur 
als gesetzliche Forderung an sie, so hätten sie keine Garantie, 
dass nicht die Sünde durch ihre Uebermacht die Erfüllung 
derselben unmöglich machte; da sie aber unter der Macht der 
Gnade stehen, deren Herrschaft der Herrschaft der Sünde ein 
Ende macht (Ό 21), wie V. 3—11 erwiesen ist, so kann die- 
selbe keine Gewalt mehr über sie haben, die sie hinderte, 
jene Ermahnung zu befolgen **). — V. 15. τί οὖν) sc. ἐστι; 


auferweckt hat. Ganz falsch fassen Phil., God., Beck u. Aeltere das 
&x vexo. ζῶντας im Sinne von Eph 21, was gegen die offenbare Rück- 
beziehung auf V.11 ist. Die Wiederholung der Akte (Frtzsch., Beck) 
bezeichnet der Imp. Aor. sicher nicht. as nachdrückliche zweite 
τῷ ϑεῷ zieht God. zu ὅπλα dıx. 

4) Damit ist natürlich zugleich eine Ermuthigung gegeben (Meyer, 
vgl. Calv., Melanth.: dulciesima consolatio), aber doch nur indirekt. 
Zu einem Ausdruck des guten Vertrauens, dass sie die Sünde nicht 
über sich würden Herr werden lassen (Frtzsch., vgl. Goeb.: wenn Ihr 
80 thut, wie eben gesagt), passt die zweite Hälfte mit ihrem objektiv 
begründenden Momente nicht. Imperativisch nehmen das tur. 
Koppe, Flatt, Umbr., was aber schon deshalb falsch ist, weil nicht 
die zweite Person steht u) p. 378). Lips. nimmt selbst hier 
das artikellose ἁμαρτέα als »term. techn.« 

**) In diesem Gegensatze ist aber die Gnade noch ganz allgemein 
die gebende, und nicht speziell die vergebende, Sünden hinweg- 





Röm 618. 281 


wie ist also die Sachlage? vgl. 89. Der Apostel wirft selbst 
diese Frage auf, wie 6ı mit Bezug auf den Satz 5a, um 
durch die Ablehnung einer falschen Konsequenz aus dem eben 
Gesagten sich den Weg zu bahnen zur thetischen Darlegung 
von der wahren Gebundenheit des gesetzesfreien Christen. 
Daher fragt er, wie dort, mit dem Conj. deliber.: ἁμαρτή- 
σωμεν, sollen wir sündigen? Dies könnte in Frage kommen, 
wenn man mit der Entbindung von jeder gesetzlichen Ordnung 
(ὅτε οὐχ ἐσμὲν ὑπὸ νόμον) glaubte, die volle Freiheit 
eigenen Beliebens, auch zum Sündigen, erlangt zu haben und 
mit der Stellung unter Gnade (ἀλλὰ ὑπὸ χάριν) die Ge- 
wissheit, dass sie, die Alles giebt, was wir brauchen, auch die 
Folgen des Sündigens durch Vergeben aufheben wird. Wie 
62, kann der Apostel mit seinem μὴ γένοιτο eine solche 
Konsequenz energisch zurückweisen, und damit nicht nur das 
Verharren in der Sünde (wie dort), sondern jedes sündige 
Thun als mit dem Gonadenstande schlechthin unverträglich 
erklären ἢ). 


schaffende (Otto). Gewöhnlich denkt man hier schon an das 530 über 
die Wirkung des Mosaischen Gesetzes Gesagte, wonach dasselbe die 
Sünde mehrt (vgl. auch IKor 1556) und es also unmöglich macht, 
sich der Sündenherrschaft zu entziehen (so noch Meyer, vgl. auch 
Holst., God., Beck, Lips., Sand.); aber damit wird dem Gedanken- 

ange vorgegriffen, nach welchem erst Kap. 7 die Befreiung von dem 
Mosaischen Gesetze und die nothwendige Wirkung desselben im 
natürlichen Menschen zur Sprache kommt (weshalb auch Meyer 
Υ. 15-23 als ein ethisch polemisches Präliminar zu Kap. 17 be- 
zeichnet, Rück., de W., Volkm., Sand. wirklich bereits V.15 die Aus- 
führung über die Freiheit vom Gesetz beginnen lassen), während hier 
durch das artikellose νόμος ausdrücklich angedeutet ist, dass es sich 
noch um den aegeneatz von Gesetzesstand und Gnadenstand ganz im 
Allgemeinen handelt. Hilg. findet in dieser Begründung den Beweis, 
dass die Ermahnung V. 12f. an solche gerichtet sei, welche meinten, 
das Beharren bei der Sünde ohne Gesetz nicht vermeiden zu können: 
aber, abgesehen davon, dass vom Mosaischen Gesetz als solchem 
überhaupt nicht die Rede ist, wäre es doch eine wunderliche Be- 
ruhigung solcher »ängstlichen Ansicht«e, wenn man ihr einfach die 
gegentheilige Behauptung entgegenstellte, welche von der Voraus- 
setzung ausgeht, dass sie sind, was sie eben nicht sein wollen, und 
dies nicht einmal andeutet durch ein: »grade, wenn Ihr nicht unter 
dem Gesetz seid«. 

Ὁ Es bedarf also auch hier zur Erklärung dieser dialektischen 
Wendung keineswegs einer polemischen Tendenz gegen ameen oder 
judenchristliche Missdeutung der christlichen Lehre (Holst., Mang., 
p. 346f., Grafe p. 82f., Lips., Hilg.), oder auch nur der Absicht, 
einen Wandel der Leser zu verhüten, welcher solcher Missdeutung 
Recht geben würde (Hofm., Böhmer, vgl. Pfleid. p. 519), da die ge- 
legentlich eingeflochtene Paränese (V. 12. 19) durchaus nicht die 


282 Röm 616. 


V. 16f. οὐκ οἴδατε), positiver Ausdruck für das ἀγνο- 
εἴτε V. 3, vgl. 22. 31. Die Ausführung des μὴ γένοιτο be- 
innt Paulus mit einer Berufung auf das Bewusstsein seiner 
er, deren Inhalt dem Worte isti: »Niemand kann zween 
Herren dienen« entsprechend ist, um dann zu zeigen, dass sie 
sich in der damit gesetzten Alternative eines ausschliesslichen 
Entweder — Oder bereits entschieden haben, also für sie eine 
Freiheit schrankenlosen Beliebens garnicht mehr besteht. — 
ᾧ παριστάνετε ξαυτούς) knüpft an das V. 13 geforderte 
σεαραστήσατε ξαυτούς an, um hervorzuheben, wie damit ein 
Knechtsverhältniss gegeben ist (δούλους), welches zu unbe- 
dingtem Gehorsam führt (eig ὑπακοήν) und jede willkürliche 
Selbstbestimmung ausschliesst. Das Präsens dient zum Aus- 
druck des allgemein geltenden Satzes (vgl. Kühner $ 382, 1), 
welcher besagt, dass das so konstituirte Sklavenverhältniss 
eben ein ausschliessliches ist, weil es uns zu Sklaven 
macht (doöAo:i ἐστε) eines bestimmten Herrn, dem man un- 
bedingt und dauernd gehorcht (ᾧ ὑπακούετε). Daraus folgt. 
aber, dass die Pointe des Satzes in der Betonung des be- 
stimmten Herrn, dem man sich im Sklavenverhältniss zum 
Gehorsam verpflichtet, liegt, wie durch die Wiederholung des 
ᾧ im Nachsatz angedeutet ist, weshalb der Allgemeinsatz so- 
fort in die folgende Alternative zugespitzt werden kann*). — 


Tendenz der Auseinandersetzung, sondern nur die bei jeder lebens- 
vollen Entfaltung christlicher Heilswahrheiten sich von selbst er- 
gebende Applikation ist. Es handelt sich vielmehr im Gegensatz zu 
dem ersten Abschnitt des Kapitels (V. 1—11), welcher nur negativ 
die Befreiung des Christen von der Sünde aussagte, darum, wie es in 
ihm auch ohne ein Gesetz nun po sitiv zur Verwirklichung der wahren 
διχαιοσύνη kommt. Wunderlich Otto: Sollten wir gesündigt haben, 
weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade stehen, 
sollten wir unseren Stand der Sündenfreiheit durch Sünde erlangt 
haben? Fälschlich beginnen Andere (vgl. noch Goeb., Böhmer, Chr. 
Hoffm., Lipe.) erst mit V.15 den neuen Abschnitt. Das αμαρτησομεν 
der Rcpt. hat nur Min. für sich. 

*, Im Vordersatz liegt kein besonderer Nachdruck auf dem 
ἑαυτούς (Holst.; doch vgl. auch Meyer), das ja nicht vorangestellt ist. 
Ganz kontort ziehen Th. Schott, Hofm., Böhmer das εἰς ὑπαχοήν zum 
Nachsatz, wodurch dort erst eine reine Tautologie entsteht. In diesem 
aber liegt der Nachdruck nicht auf dem ἐστέ (de W., Phil, u. M., 
vgl. Volkm.: Sklaven auch wirklich seid Ihr, und der Sache nach auch 
Luth., Zimmer, God., der hier den Gedanken ausgedrückt findet, dass 
jede einzelne freie Handlung uns für die Zukunft bindet: dann seid 
Ihr als Sklaven verschrieben, vgl. Goeb.: dann seid Ihr forthin Knechte), 
da dasselbe dann nothwendig voranstände, aber auch nicht auf dem 
blossen Joölos (Meyer), da die Hervorhebung des ᾧ ὑπαχούετε (falsch 
Reiche, B.-Crus.: dem Ihr zu gehorchen habt) doch nur die Absicht 





Röm 616. 283 


nroı ἁμαρτίας) sc. δοῦλοι. Das disjunktive ἤτοι (Sap 11 18), 
aut sane, welches sich sonst nicht im NT findet, legt auf die 
erste Alternative lebhaften Nachdruck. Das Resultat, zu wel- 
chem dieses Sklavenverhältniss führt (nicht: den Menschen zu 
führen strebt, Lips.), ist natürlich, wie 5ı2, der physische Tod 
εἰς Javarov), der aber, wenn er nicht durch die Aufer- 
weckung zum ewigen Leben aufgehoben wird, unmittelbar zum 
ewigen Tode wird. Mit dem ausschliessenden Entweder — 
Oder, neben dem es ein Drittes nicht giebt, hebt Paulus her- 
vor, dass der Mensch durch die Befreiung won der Sünde nicht 
herrenlos wird, sondern nur den Herrn wechselt. Entweder 
ist man ein Sündenknecht, der solchem, was Sünde ist, dient, 
oder man steht im Dienste von Gehorsam (öraxong, wie 
15. 519). Man erwartet freilich, da in εἰς ὑπαχοήν der Ge- 
horsam als das bezeichnet war, worauf jede δουλεία abzielt, 
hier eine konkretere Bezeichnung des der ἁμαρτία entgegen- 
gesetzten Herren, also entweder τοῦ ϑεοῦ (vgl. V. 13) oder 
τῆς δικαιοσύνης (vgl. V. 18). Allein offenbar wegen der in 
v 17 beabsichtigten Wendung, durch welche gezeigt werden 
soll, dass und wıe die Leser sich in dieser Alternative bereits 
entschieden haben, nennt Paulus hier den Gehorsam, der eben 
in concreto als der allein wahre Gehorsam (gegen Gott) ge- 
dacht ist, und dies ist auch insofern sehr passend, als es sich 
ja gerade um die Frage handelt, ob der von der Sündenknecht- 
schaft befreite Christ, der nicht unter einem Gesetz, sondern 
unter Gnade steht (V. 14f.), nun thun und lassen kann, was 
er will, also auch sündigen, was eben damit, dass auch er 
einer Ürraxon geknechtet ist, ausgeschlossen ist. Im Gegensatz 
zu eig ϑάνατον erwartet man nun: eig ζωήν, was auch nicht 
damit hineinzubringen ist, dass man sagt, Paulus denke bei 
εἰς δικαιοσύνην immer zugleich an die Folge der Gerechtig- 
keit, das ewige Leben (Frtzsch, de W., God.). Aber Paulus 
behält dies Moment offenbar absichtlich sich vor, um dadurch 
diese Knechtschaft nachher aus ihrer Folge als die wahre zu 
charakterisiren. Gemeint ist aber ohne Zweifel, wie in diesem 
ganzen Zusammenhange (vgl. V. 13), die sittliche Rechtbe- 
schaffenheit (Phil. u. M), welche keineswegs das Wesen. des 


haben kann, auch dies besonders hervorzuheben, ohne dass damit auf 
den Relativsatz ausschliesslich der Ton fällt (Hofm.). Der Nachdruck 
liegt also gleichmässig auf beiden Momenten. Ganz wunderlich nimmt 
Böhmer das ᾧ ὑπαχούετε imperativisch: dem, welchem Ihr Euch als 
Sklaven hingebt, dem gehorchet auch ; und Otto verbindet es mit dem 
folgenden εἰς ϑάνατον — eis διχαιοσύνην, für welche telischen Be- 
ziehungen es den Verbalbegriff einführen soll. 








284 Röm 616. ı7. 


δοῦλον εἶναι ὑπεαχοῆς (gegen Meyer), sondern dessen Ergeb- 
niss ist, sofern erst durch die ausschliessliche und dauernde 
Hingabe an die vrzaxoy (gegen Gott) oder das beständige 
örcaxoveıv die normale, Gott wohlgefällige Beschaffenheit, auf 
welche es dem Gehorsamsknecht ankommen muss, hergestellt 
wird*). — V. 17 bildet nun gleichsam den Untersatz zu dem 
allgemeinen Obersatz in V. 16. — χάρις δὲ τῷ Isw) vgl. 
Est 68. JSir 201. IIMkk 38: Dank aber sei Gott. Be- 
wegter Ausdruck der Pietät; »ardor pectoris apostolici«, Beng. 
— ὅτε ἧτε δοῦλοι τῆς ἁμαρτίας) Das vorangestellte ἦτε 
hat Emphase: dass Ihr Sklaven der Sünde waret, d. ἢ. 
dass dies Knechtsverhältniss vorüber is. Die Art des Aus- 
drucks ist im Rückblick auf V. 16 gewählt, um den früheren 
traurigen Zustand desto eindringlicher fühlbar zu machen. — 
ὑπηκούσατε δέ) Durch den Akt der gegen die Botschaft 
des Evangeliums geübten ὑπαχοή (vgl. 1) haben sie jenes 
σπταριστάνειν ἑαυτὸν δοῦλον τῇ ὑπαχοῇ Υ. 16 vollzogen und 
sich damit für die zweite Alternative entschieden, δοῦλοι vrra- 
xong zu sein, und zwar nicht etwa aus Zwang, sondern in 
freier Selbstentscheidung (ἐκ καρδίας, vgl. Ditn 65. Job 81. 
Sap 821): οὐδὲ γὰρ ἠναγχάσϑητε, οὐδὲ ἐβιάσϑητο, ἀλλ᾽ ἑκόντες 
μετὰ προϑυμίας ἀπέστητε, Chrys. Das δὶς ον πταρεδόϑητε 
τύπον διδαχῆς muss mit Chrys. u. M. aufgelöst werden: 
τῷ wo τῆς ıd., εἰς ον rraged. (vgl. Rück., Reiche, Kölln., 
Thol. e W. Frtzsch, Win, Phil, God. Luth.), da vrr- 
xovoare in seiner gegensätzlichen Korrelation zu δοῦλοι τ. 
ἅμαρτ. nothwendig einen Dativ des Objekts fordert, für den 
εἴς τι nicht stehen kann**. Gemeint ist mit dem rvsrog 


*) Unrichtig fasst Hofm. (vgl. Otto) die Genitive als Genitive 
der Eigenschaft (Knechte, die eich versündigen und — die da ge- 
horsamen). Welcher Leser hätte nach δοῦλοι auf diese wunderliche 
Eigenschaftsbeziehung verfallen können, vor deren Annahme schon 
V. 17. 20 hätte bewahren sollen! Falsch ist natürlich, bei ὑπαχοῆς 
an den Glaubensgehorsam zu denken (Th. Schott, God., Beck, Otto, 
Zimmer, nn mern wodurch der Pointe von V. 17 vorgegriffen wird. 
Aus der obigen Darstellung erhellt, dass der Streit, ob der leibliche 
(Reiche, Frtzsch., v. Heng.) oder ewige Tod (Chrys., Theoph. u. M,, 
auch Rück., Reithm., Thol.) gemeint sei, gegenstandslos ist. Für 
letzteren entscheidet sich Meyer, weil der physische Tod nicht die 
Folge der individuellen Sünde sei, und auch die δοῦλοε ὑπαχοῆς sterben, 
obwohl doch der Tod, welcher durch die rue aufgehoben 
wird, aufhört, Sündenstrafe zu sein. Von dem Sündenelend im Allg. 
(de W.) oder dem geistlichen Tode (God., Phil.) ist natürlich nicht 
die Rede, sowerig wie bei δικαιοσύνη von der Glaubensgerechtigkeit 
(Th. Schott, Hofm., Luth.) oder der im Endgericht zuzuerkennenden 
Gerechtigkeit (Meyer, Goeb., vgl. Köstlin, JdTh 1866. p. 127). 

"ἢ In den von Kypke angeführten Stellen aus Griechen ist ὑπα- 





Röm 617. 285 


διδαχῆς die bestimmte Ausprägung, in der ihnen die evange-- 
lische Heilslehre entgegentrat. Das war eben die Ausprägung, 
die das Evangelium durch Paulus erhalten hatte, der juda- 
istischen Lehrgestalt und dem Antipaulinismus gegenüber: 
(de WERT Phil., God., Pfleid. p. 495, Goeb., Böhmer) sein 
eigenthümliches Evangelium (216. Die Erwähnung dieser be- 
sonderen Lehrausprägung hätte gar keinen Zweck, wenn nicht. 
eben das in Rom von Paulinischen Lehrern gepredigte ge- 
setzesfreie Evangelium gemeint wäre, dessen Kem jenes ovx 
ἐστε ὑπτὸ νόμον ἀλλὰ ὑττεὸ χάριν ist, und dessen Missverständ- 
niss doch schon dadurch ausgeschlossen ist, dass sie mit der 
Annahme desselben, mit dem ὑσεακούειν τῷ τύπῳ τ. διδ., sich 
für das δοῦλον vrrax. εἶναι im Sinne von V. 16 entschieden 


haben*). Für das wagedosnre (1x, vgl. Jdt 1015. Xen. 


κούειν εἴς τε gehorchen in Bezug auf etwas, in einer Sache gehorsam 
sein. 8. IIKor 29. Die Auflösung εἰς τ. run. τῆς did., εἰς ὃν παρεδ. 
(Beck, vgl. Beng.: ᾧ) hat keine Analogie an der richtig erklärten Stelle 
411 und soll nach Otto heissen: sie haben gehorcht, d. i. sind ge-- 
folgt der evangelischen Predigt in die Grundlehre hinein, so dass sie 
in dieselbe eingedrungen sind, in welche sie von der göttlichen Gnade- 
eingewiesen worden sind. Die Auflösung eis τ. zun. τῆς did., ὃν raged. 
d. 1. ὃς παρεδ. ὑμῖν (8. Castal. u. Grot. z. St. Kypke II, p. 167) wird 
von Ew., Hofm., Goeb. nur dadurch ermöglicht, dass sie mit Berufung 
auf Mt 1241 das εἰς davon verstehen, worauf hin, in Folge wovon 
sie gehorsam geworden sind, wobei es aber an jeder näheren Be-: 
stimmung des ὑπαχούειν fehlt, und die eigentliche Pointe des Satzes. 
verloren geht (vgl. v. Heng.: obedivistis deo ad sequendum quam 
profiteri edocti estis doctrinae formam, so dass εἰς: quod attinet ad 
wäre). Natürlich ist das ἦτε nicht bloss nachlässiger Ausdruck für: 
obwohl ihr einst Knechte der Sünde waret (Grot., vgl. de W., God.),. 
da dann ein μέν im ersten Gliede unerlässlich wäre. Hofm. findet in 
dem ganzen Satz eine halbe Zurücknahme der Frage (wozu aber noch 
erst die Frage?) und fasst das τῆς auaprias hier richtig, womit er 
aber seine Erklärung des δοῦλος ἁμαρτίας V. 16, worauf der Art. zu-- 
rückweist, selbst verurtheilt. 

5 Zu τύπος dıdaxnjs vgl. Jamblich. de pythag. vit. 16: εῆς 
παιδεύσεως ὁ τύπος; Plat. Re .p. 412B: οὗ εὐποι τῆς παιδείας; p. 897 C: 
τύπῳ τῆς λέξεως; Jamblich. ᾿ ᾿ 23: τὸν τύπον τῆς διδϑασχαλέας; Isocr. 
Antid. 186: ὁ τύπος τῆς φιλοσοφίας. Unmöglich kann der Ausdruck die: 
christliche Lehre überhaupt bezeichnen (so gew., vgl. noch Hofm., Luth.). 
Aber, obwohl noch Lips., Hilg., Sand. obige Deutung aufs Bestimm- 
teste ablehnen, so vermögen sie doch eben jenen durchaus einzig- 
artigen Ausdruck für das Evangelium oder die in ihm enthaltene 
Lebensordnung (vgl. Grafe p. 47) nicht zu erklären. Der Rückblick 
auf die Formulirung dieses suzos in V. 14f. ist doch unbestreitbar; 
aber gerade, wenn man darin eine Antithese gegen die Gesetzesreligion 
findet, ist doch hiermit ausgesagt, dass die Leser sich diese Antithese- 
angeeignet haben. Ganz falsch nehmen Theod. Mopsv., Oecum., Calv.,. 
Grot., Calov. u. A., auch Reiche, Olsh., Reithm., Krehl das εὐπος im. 





286 Röm 617—ı19. 


Hell. 1, 7, 3. Dem. 515, 6) erhellt die Beziehung auf Gott 
aus χάρις τῷ ϑεῷ, und schliesst die mediale Fassung (Frtzsch., 
Zimmer: sich hingeben) aus. Absichtlich hebt der passive 
Ausdruck hervor, dass sie sich diesen zurzog dıd. nicht selbst 
ewählt haben (etwa um daraus libertinistische Konsequenzen 
ür sich und Andere ziehen zu können), sondern Gott hat es 
so gefügt, dass sie gerade ihm zugeführt, keinem anderen über- 
antwortet wurden. Sie hatten nur der Forderung, die damit 
an sie herantrat, diese Lehrgestalt anzunehmen, Gehorsam zu 
leisten, und indem sie es thaten, entschieden sie sich dafür, 
δοῦλοι Urranong zu sein, und verzichteten auf jene thörichte 
Konsequenz V. 15. 

Υ. 18. ἐλευϑερωϑέντες δέ) führt mit dem metabati- 
schen d& eine neue Betrachtung der mit ihnen nach V. 17 
vorgegangenen Veränderung ein, indem Paulus das Vergangen- 
sein ihrer Sündenknechtschaft (ἦτε δοῦλ. äuagr.) als ein Be- 
freitsein von der Sünde (ἀπὸ τῆς ἁμαρτίας) als ihrer 
früheren Herrin darstellt. Von dieser Seite betrachtet stellt 
sich der Gegensatz ihres jetzigen Zustandes nicht mehr bloss 
als ein vrraxoveıy dar, wie sie es ja auch früher der Sünde 
gegenüber übten, sondern als der Uebergang in ein anderes, 
nur entgegengesetzes Knechtsverhältniss: seid in ein 
Sklavenverhältniss gesetzt worden zur Rechtbeschaffenheit 
(ἐδουλώϑητε τῇ δικαιοσίνῃ), seid in völlige Abhängig- 
keit gekommen von der sittlichen Nothwendigkeit, rechtbe- 
schaffen zu sein. Vgl. das ähnliche Paradoxon IKor 72 ἢ. 
— V. 19 ἀνθρώπινον λέγω) der Sache nach gleich κατὰ 
ἄνθρωπον λέγω 85, bezeichnet, dass er die Sache in einer 
von den Verhältnissen des natürlich-menschlichen Lebens ent- 
nommenen Form ausdrücke, wenn er das neue Verhältniss der 


Sinne von exemplar, von dem Ideal, welches die Lehre aufstellt, der 
ethischen Norm, die als Lebensmodell im Evangelium (διδαχῆς) ent- 
halten ist. So wohl schon Chrys. u. Theophyl. und ähnlich Beck, zu 
dem sich Thol. neigt: die evangelische Lehre sei quasi instar typi 
cujusdam, cui veluti immittamur, ut ejus figurae conformemur (vgl. 
Chr. Hoffm.). Otto giebt dem Ausdruck einfach die Bedeutung: 
Grundform der Lehre oder (!) Grundlehre. Selbstverständlich ist nicht 
die judaistische Lehrgestalt (v. Heng.) oder die urchristliche Lehre 
vom Messiasreiche (Chr. Hoffm.) gemeint. 

*) Bei der Bedeutung, die diese Aussage für das Folgende ge- 
winnt, nimmt mıan dieselbe besser als selbständigen Satz, und nicht 
mehr von ὅτε abhängig (de W., vgl. Tisch.). Derselbe bildet aber 
nicht die conclusio zu V. 16f. (Rück., Reiche), da dann οὖν stände, 
und da das durch V. 16f. zu Beweisende ja eben das μὴ γένοιτο 
V. 15 war. Charakteristisch für seine Umdeutung der Paulinischen 
Lehrweise findet Beck hier die authentische Erklärung seines δικαιοῦν. 


Röm 619. 287 


Christen zur δικαιοσύνη als eine δουλεία bezeichne, während 
diese Sklaverei, bei der die δικαιοσύνη die Herrin ist, doch 
in der That die wahre sittliche Freiheit ist. Vgl. ἐλευϑεροτει- 
ρεπὲς δὲ ἡ ἀρετή, Plat. Alc. I, p. 135 C. »Deo servire vera 
libertas este, Augustin. — dıa τὴν ἀσϑένειαν τῆς σαρ- 
κὸς) geht auf die sittliche Schwäche des natürlich-mensch- 
lichen Wesens (1s), das auch im Wiedergeborenen noch vor- 
handen und allezeit geneigt ist, das Wort von der Christen- 
freiheit zum Anlass des Sündigens (V. 15) zu nehmen (Gal 518), 
und darum jene Christenfreiheit, wenn nicht ihre Identität mit 
der wahren Gebundenheit betont wird, in libertinistischem 
Sinne zu missdeuten. Aehnlich God., Otto, Goeb., Luth.*). 
Daraus folgt dann, dass Paulus es mit Heidenchristen zu thun 
hat, welche zu solchem Libertinismus geneigt waren. Die Art, 
wie Paulus ihr neues Verhältniss zur Gerechtigkeit unter der 
menschlichen Form eines Knechtsverhältnisses darstellte, wird 
dadurch begründet, dass es dabei auf die nun folgende Er- 
mahnung abgesehen war (Hofm.)**. Denn ebenso wie Ihr 


Ἢ Die Beziehung auf die Erkenntnissschwäche (de W., Meyer, 
Chr. Hoffm., Lips.), die sich die neue Freiheit nur nach Analogie eines 
Dienstverhältnisses vorstellen könne, entspricht der Paulinischen Be- 
deutung der σάρξ nicht. Nach Holst., Hilg. (vgl. Böhmer) will Paulus 
sogar den Judenchristen möglichst weit entgegenkommen, weil sie 
die Freiheit in Christo nur in der Form der Gebundenheit begreifen 
können, während ihr Fehler doch nicht darin lag, sondern vielmehr darin 
(wie Hilg. selbst ausführt), dass sie sich dies δουλεύεεν nur durch ein 
äusseres Gesetz normirt denken konnten. Nach Beck ist nur um der 
Fleischesschwachheit willen die menschliche Seite des Gnadenstandes 
besprochen, während nach Th. Schott, Hofm., welche διὰ τὴν dos. 
mit ἐδουλ. verbinden und ἄνϑρ. λέγω parenthesiren, wirklich allein 
um der Schwachheit unserer angeborenen Natur willen sich das Leben 
der Gerechtigkeit als Knechtung unter dieselbe gestaltet. Orig., 
Chrys,., ἩΡΘΟΡΕΣ ἢ Erasm., Calv., Est, Hamm., Wttst. u. M., auch 
Klee, Reithm., Bisp. (vgl. Reiche, Zimmer) beziehen den ganzen Satz 
auf das Folgende in dem Sinne: »Nicht zu Schweres (αγϑρώπ. vgl. 
IKor 1018) fordere ich; denn obwohl ich einen weit höheren Grad 
des neuen Gehorsams verlangen könnte, so verlange ich doch nur den- 
selben, welchen Ihr vorher der Sünde erwiesen habt.« Allein dies er- 
laubt weder der Inhalt des Folgenden, wo nicht die Gleichheit des 
Grades hervorgehoben wird, noch seine Anknüpfung mit yag. 

ἘΦ Das yao kann nicht den V. 18 ausgesprochenen Satz in der 
Form einer konkreten Forderung begründen (Meyer), da dann, was er 
selbst nicht will, das avde. λέγω etc. parenthesirt werden müsste (wie 
Hilg. auch thut). Mit Recht hält es Hofm. gegen Meyer, der sich 
dafür auf IKor 136. Hbr 123. Jak 1ı7 beruft, für unmöglich, eine 
Begründung in das Gewand einer Ermahnung zu kleiden, und God. 
setzt deswegen den Imperativ willkürlich um in: Ihr seid gehalten 
zu begeben. Es liegt aber auch bei der richtigen Fassung in dieser 





288 Röm 619. 30. 


(ὥσπερ, vgl. V. 4), was der Aor. σεταρεστήσατε als eine 
abgeschlossene Thatsache der Vergangenheit hinstellt, einst Eure 
Glieder (τὰ μέλη ὑμῶν, wie V. 13) der Sünde als ge- 
knechtete (δοῦλα, adject., nur hier) zur Verfügung stelltet. 
Der Begriff der Sünde wird hier erschöpfend umschrieben 
durch τῇ ἀκαϑαρσίᾳ x. τῇ ἀνομίᾳ, sofern Ersteres die- 
selbe als den Menschen sittlich befleckend (s. z. 12), und 
Letzteres (Ps 55, vgl. Mt 728. IJoh 34) sie als Verletzung 
des göttlichen Gesetzes charakterisirt. Sie könnte aber so nicht 
charakterisirt sein, wenn die Ve a der Leser nicht 
eine heidnische war (vgl. Rück., % „ God., Luth., Goeb.); 
denn dass er nursage, was nach dem jüdischen Urtheil speziell 
von den Heiden gelte (Lips.), ist doch eine ganz willkürliche 
Eintragung, und die Gesetzesübertretungen der Juden, die er 
Kap. 2 ταί, sind eben keine ἀχαϑαρσία χαὶ ἀνομία (gegen 
Hilg.). Vgl. Sand. — εἰς τὴν ἀνομίαν) vgl. das εἰς υ7τα- 
xon» 15: behufs der Gesetzwidrigkeit, damit diese (in facto) 
hergestellt werde. Absichtsvoll hebt der Apostel hervor, dass 
die Gesetzlosigkeit, welche man dem Grundsatz V.14f. meinte 
om zu können, ja eben Zweck und Ziel des früheren 
Lebens in der Sündenknechtschaft war*).. Ebenso sollen sie 
jetzt (οὕτως νῦν) ihre Glieder als geknechtete zur VOrZlgune 
stellen der Gerechtigkeit, deren δοῦλοι sie selbst nach V. 1 

geworden sind. — δὲς ἁγιασμόν) ohne Art., weil es darauf 
ankam, dieses höchste sittliche Ziel dahin zu charakterisiren, 
dass die der Gottgeweihtheit entsprechende Reinheit von sünd- 
licher Befleckung hergestellt werde. Da aber das letzte Ziel 
vollkommener Heiligkeit nie ganz erreicht wird, so gebraucht 
Paulus absichtlich das Wort ἁγεασμός (Jud 173. Ez 464. 
Am 2u. JSir 781. inrituellem Sinne), das schon seiner Wort- 
une nach nur die allmählich fortschreitende Heiligung und 
nicht die vollendete Heiligkeit bezeichnen kann (gegen Thol., 
Phil, Meyer, God., Lips. u. A.). — V. 20. ὅτε γὰρ δοῦλοι 


Begründung eine gewisse Redekürze, sofern nicht die Ermahnung 
ihrem Inhalt nach, sondern das Aussprechen der Ermahnung in dieser 
Form es begründet, dass Paulus ἀνθρώπινον λέγει, woraus dann frei- 
lich erst recht erhellt, dass διὰ τὴ» «a9. zu λέγω gehören muss (gegen 
Hofm.). 80 mit Recht auch Lips., während Hilg. darin unerlaubte 
Eint ngen in die Worte des Paulus findet. Ganz verkehrt findet 
de W. hier den Schlusssatz zu V.16f., Böhmer die Begründung ihrer 
Fleischesschwachbeit. 

*) Das in B. p. hom. ausgefallene εἰς τὴν ἀνομίαν hat WH. mit 
Unrecht eingeklammert. Dass ἀνομέα damit gemehrt werde (Theoph., 
Oecum, Erasm., Luth., Grot., Kölln., Ew. u. A., vgl. auch Beck), wird 
eingetragen. 


Röm 630. 91. 289 


ἦτε τῆς ἁμαρτίας) begründet, inwiefern von einem παρα- 
στῆναι der Glieder als δοῦλα geredet werden kann, als ob sie 
sich vorher in Freiheit befunden hätten. Damit wird die V.16 
begonnene Ausführung nun noch dahin abgerundet, dass ihr 
jetziger Zustand formell ein ganz gleicher sei, wie vorher, da 
ın beiden ein Geknechtetsein und ein Freisein stattfand, so 
dass sie nur den Herrn (und damit die Beziehung von beidem) 
ewechselt haben. Wollten sie die Freiheit an sich für ihr 

öchstes Gut halten und dieselbe zur Zügellosigkeit miss- 
brauchen, so sollen sie sich erinnern, dass gerade in dem Zu- 
stande der Sündenknechtschaft, den sie doch hinter sich haben, 
sie gewiss frei waren (ἐλεύϑεροι ἥτε), nämlich in Beziehung 
auf die Rechtbeschaffenheit (τῇ δεκαιοσύνῃ). Da waren sie 
ganz ungebunden durch eine gottgegebene Norm und konnten 
thun, was sie wollten, wenn sie freilich auch thatsächlich 
immer den Willen der Sünde thaten. So vollendet sich die 
Dialektik des Apostels, mit der er ihr Einst und Jetzt an den 
Begriffen von Freiheit und Knechtschaft misst. Auch ihre 
frühere Sündenknechtschaft war eine (wenn auch falsche) 
Freiheit, wie die wahre Freiheit nach V. 19 eine Gebunden- 
heit ist*). 

V. 21fl. τένα οὖν καρτεὸν εἴχετε röre;) Indem der 
Apostel fragt, was sich aus diesem Zustande für Folgen er- 
gaben geht er schliesslich dazu über, aus diesen Folgen nach- 
zuweisen, dass die frühere mit der Sündenknechtschaft identi- 
sche Freiheit die falsche war, und die mit der Gebundenheit 
an die Gerechtigkeit identische die rechte ist. Diese Folgen 
werden unter dem Bilde einer Frucht (vgl. 113) dargestellt, 
die ihnen aus ihrer damaligen Lebensrichtung erwuchs. Damit 
ist freilich nicht ein Lohn gemeint, den sie dafür empfingen 
(Ew., Beck), da das Bild von der Frucht überall das Eirrzeug- 
niss einer Richtung oder Thätigkeit bezeichnet; aber es handelt 


5) Gewöhnlich wird der Vers öng mit dem Folgenden zusammen- 
gefasst, so dass er nur das V.21f. ausgesprochene Motiv für die Er- 
mahnung in V. 19 vorbereitet (vgl. de W., Phil., Meyer, Hofm., God., 
Luth., Goeb.). Allein dadurch wird demselben seine selbständige Be- 
deutung genommen, und er soll nur für sich hingestellt sein, um die 
Erinnerung, die Paulus damit wachruft, nachdrücklicher, tragischer 
zu machen. Frtzsch. bezeichnet ihn als Erläuterung von V. 19 (vgl. 
Beck); Koppe, Reiche, Phil. u. M. fanden darin einen Anflug von 
Ironie, Meyer tiefen sittlichen Schmerz. Vgl. dagegen Otto, Böhmer. 
Wie darin aber die schneidendste Zurückweisung der von den Gegnern 
behaupteten angeblichen Gerechtigkeit unter dem Gesetz liegen soll 
(Lips.), ist doch sowenig einzusehen, wie, dass es auf gesetzsüchtige 
Leser geht (Hilg.). 

Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 8. Aufl. 19 


2% Röm 621. 22. 


sich eben darum, ob sie an diesem Erzeugniss einen werth- 
vollen Besitz hatten oder nicht. Diese Frage aber beantwortet 
der Apostel mit ἐφ᾽ οἷς νῦν ἐπταισχύνεσϑε, wofür sich 
ein τοιαῦτα oder dergleichen von selbst ergänzt. Alle Sünden 
und Schanden seiner Vergangenheit, deren der Christ in 
seinem gegenwärtigen Zustande sich schämt, bezeichnet er als 
das Erzeugniss jener Freiheit, die eben dadurch als die falsche 
charakterisirt wird. Zu ἐπαισχύνεσθϑαι vgl. Jes 129, häufiger 
steht dafür das Simpl. (Xen. Hell. 5, 4, 33. Plat. Ei 
p. 396 C. Jes 206. T Mek 4sı), zu ἐπί c. Dat. als Grund- 
angabe bei den Verb. ἃ. Affects vgl. Kühner 8 483. II, 3, e. 
So mit Recht die Meisten. Dagegen ergänzen nach Chrys,., 
Oecum., Beza, Calv., Grot., Est, Witt, eng. u. M. Winer 
8 23, 2, Ὁ, Frtzsch., Meyer, Volkm., Sand. ein von xaprıdyv 
abhängiges ἐκείνων, so Alles bis ἐσεαισχ. als eine zu- 
sammengehörige Frage zu betrachten ist. Allein die Voraus- 
setzung, dass in dieser Frage die Antwort enthalten ist: Ihr 
hattet damals keine Frucht, die im Folgenden begründet werden 
könne, ist eine durchaus willkürliche (vgl. zu 4ı), der Begriff 
der schandbaren Thaten wird hier als ein bekannter einge- 
führt, obwohl davon noch nicht die Rede war, und man be- 
greift nicht, welcher zwischen dem schändlichen Thun und der 
schädlichen Folge mitten inne liegende »sittliche Gewinn« ge- 
meint sein soll*). — τὸ μὲν γὰρ τέλος) Die Schandbarkeit 
dieser Früchte wird begründet durch das schädliche Ziel, zu 
dem sie führten, weil man sich schämen muss, Dinge gethau 
zu haben, deren Ende, Ausgang (vgl. zu Mt 26. r 68) 
der Tod ist. Das μέν entspricht nicht dem folgenden δέ, son- 
dern ist das im Griechischen häufige μέν soltarium (Win. 
8 63, 2, c), unser: freilich, fürwahr**), Das ἐκείνων geht 
auf jene Dinge, deren sie sich jetzt schämen, auf ihre vor- 


*) Wenn Meyer gegen die richtige Fassung einwendet, dass 
Paulus nie der Unsittlichkeit eine Frucht beilegt, so entscheidet gegen 
diese schon an sich nichts beweisende Behauptung 75. Th. Schott 
schwächt die Bedeutung des ἐπαισχύνεσθαι ab, indem er an ein Zu 
Schanden Werden dadurch, dass sich etwas nicht als das erweist, 
wofür man es angesehen, denkt. Hofm. will das ἐφ᾽ οἷς auflösen in 
ἐπὶ τούτοις ἃ und zu εἴχετε beziehen (neben und ausser den schmäh- 
lichen Genüssen), obwohl neben dem selbst mit ἐπέ zusammengesetzten 
ἐπαισχύνεσϑαε es Niemand anders beziehen konnte als auf dieses. 
(Ganz unmöglich bezieht auch Reiche ἐφ᾽ οἷς auf das kollektiv gefasste 
καρπόν. 

**) Dies μὲν, das Tisch. nach NACKLP auslässt (Treg. i. TI.), 
ing unter den Händen der unfeinen Abschreiber leicht verloren. 
ebrigens liegt in dem μέν doch der verschwiegene Gegensatz, dass 

a 


sie troztdem darin damals ihre Freiheit zu geniessen wähnten. 


Röm 621 --88. 291 


christlichen Sünden und Laster. Gut Beng.: »remote spectat 
Ben Auch hier zeigt der Gegensatz der ζωὴ αἰώνιος 

,‚ dass ϑάνατος, ganz wie V. 16, der leibliche Tod ist, 
sofern man in ihm bleibt, und keine Auferweckung zum ewigen 
Leben folgt. — V. 22. νυνὶ δὲ) Jetzt.aber, in Eurem Christen- 
stande, der in Uebereinstimmung mit V.18 als der, in welchem 
sie von der Sünde befreit und damit doch in die wahre Knecht- 
schaft untergeben sind, charakterisirt wird, nur dass hier als 
der neue Herr, dem sie dienen müssen, statt der Gerechtig- 
keit Gott selbst genannt wird (δουλωθέντες δὲ τῷ 9 εφ), 
dem ja in aller Gerechtigkeit gedient wird. Wenn die Früchte 
ihres vorchristlichen Zustandes schandbare Sünden und Laster 
waren, so kann die Frucht, die der jenem gerade entgegen- 
gesetzte Zustand der Sündenfreiheit und Gottesknechtschaft 
in ihnen erzeugt, und der ihnen jetzt ein werthvoller Besitz 
ist (ἔχετε τὸν καρπὸν ὑμῶν, vgl. V. 21), natürlich nur die 
entgegengesetzte sein. Genannt wird dieselbe nicht; aber sie 
wird dadurch charakterisirt, dass der Besitz derselben zur 
Heiligung dient (eis ἁγιασμόν, vgl. V. 19). Was aber die 
fortschreitende Realisirung der unserer Gottangehörigkeit allein 
entsprechenden αγιότης, ἃ. h. unsere Heiligung fördert, das 
können nur edle christliche Tugenden sein, deren wir uns 
ebenso freuen können, wie wir uns der Früchte des vorchrist- 
lichen Zustandes schämen müssen. Als das Endergebniss da- 
von aber (τὸ de τέλος) haben sie ewiges Leben, wie sie von 
jenen schandbaren Früchten nur den Tod ernteten (V. 21) ἢ). 
— V. 23 begründet schliesslich, was V. 21f. über das End- 
ergebniss der falschen und wahren Freiheit (resp. Knecht- 
schaft) gesagt war. — τὰ ὀψώνια) vgl. IMak 8:8. 14. 
III Esr 456: der Sold. S. Lobeck ad Phryn. p. 420. Der 
Plural, gewöhnlicher als der Singular, erklärt sich aus den 


*, Für seine Fassung von V. 21, nach welcher dem vorchrist- 
lichen Zustande jede Frucht abgesprochen wird, führt Meyer an, dass 
hier nicht die Qualität der Frucht, sondern das Fruchthaben über- 
haupt hervorgehoben wird, was offenbar falsch ist. Es hängt dieser 
Irrthum damit zusammen, dass er auch hier unter ἁγιασμός die Heilig- 
keit (vgl. Lips.) versteht, welche das Zyew zukünftig herbeiführen 
wird, waa schon das Präsens ἔχετε ganz unmöglich macht. Das eis 
besagt weder, dass die Gottesknechtschaft (Hofm.), noch dass ihre 
Frucht die Heiligung fördert (Goeb., Otto), sondern es gehört zu ἔχετε. 
Von dem seligen Frieden mit Gott, als der Frucht des Glaubens 
(Böhmer), ist nicht die Rede. Unrichtig nimmt Hofm. ro δὲ τέλος 
adverbialisch (IPt 88, vgl. zu IKor 15324), was nach V. 21 unmöglich 
ist, nach welchem das Wort auch hier das accentvolle Substantiv, 
das Finale des χαρπός, sein muss, weshalb auch ζωὴν αἰώνεον nicht 
von εἰς abhängt (Hofm.), sondern von ἔχετε. 


19* 





292 Röm 633. 7ı. 


mehrfachen Bestandtheilen der ursprünglichen Naturallöhnun 
und aus den Münzstücken des späteren Geldsoldes. Der Sold, 
welchen die Sünde giebt, steht in Beziehung zu V. 13, wo 
die ἁμαρτία als Herrscherin vorgestellt ist, der die Unter- 
gebenen ihre Glieder als Waffen zur Verfügung stellen, wofür 
sie ihre Löhnung bekommen. — ϑάνατος) wie V. 22. — 
τὸ δὲ χάρισμα τ. ϑεοῦ) Da die Befreiung von der Sünde 
und die Versetzung in den Stand der Gottesknechtschaft, deren 
Folge die Heiligung und deren Endergebniss das ewige Leben 
ist, selbst durch die Gnade Gottes gewirkt ist, so bleibt jenes 
immer ein Gnadengeschenk, und kein selbsterworbener Lohn, 
kein ὀψώνιον. Dies war dem Apostel auch ohne besondere 
Absichtlichkeit (um dem Tugendstolze und dem Vertrauen auf 
eigene Verdienstlichkeit keinen Vorschub zu leisten) im Zu- 
sammenhange seiner Glaubens- und Lehranschauung sehr 
natürlich. Auch hier, wie 5aı, klingt die Darstellung aus in 
den lobpreisenden Schluss, wonach es in Christo Jesu unserem 
Herrn ursächlich beruht, wenn die Gnadengabe Gottes ewiges 
Leben ist*). 


Kap. VII. 


Es folgt nun der zweite Abschnitt (Kap. 7) des dritten 
Haupttheils, in welchem gezeigt wird, wie der Christ von der 
Sündenherrschaft befreit und zum Dienst der Gerechtigkeit 
befähigt ist, nicht obwohl er nicht mehr unter einem Gesetz 
steht (614f.), sondern gerade weil er von dem (Mosaischen) 
Gesetz befreit ist (V. 1—6), das ihn nur zum Sündigen solli- 
zitiren konnte (V. 7—13), weil der natürliche Mensch der 
Macht der Sünde im Fleische gegenüber ohnmächtig ist 


V. 1—6. Die Befreiung des Christen vom Ge- 
setz. — ἢ ἀγνοεῖτε) Hatte der Apostel 64—2 ausgeführt, 
dass der Christ im Gnadenstande, ohne unter eine gesetz- 
liche Verpflichtung gestellt zu sein, doch in ein Dienst- 
verhältniss zur Gerechtigkeit getreten ist, welches die Herr- 
schaft der Sünde ausschliesst (vgl. Th. Schott), so musste er 
nun dazu übergehen, diese 614 ausgesprochene Voraussetzung 

*) Das ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ geht also weder auf die Lebensgemein- 
schaft mit Christo (God.), noch gehört es zu ζωὴ αἰώνιος und besagt, 
dass in ihm ewiges Leben gekostet wird (Otto). 


Röm 7ı. 298 


zu rechtfertigen*).. Er thut es aber, indem er, wie 6s, fragt, 
ob sie denn mit dem Grunde, aus welchem der Christ von 
jeder gesetzlichen Verpflichtung gelöst sei, unbekannt seien, 
was doch der Fall sein müsste, wenn sie jene Voraussetzun 

nicht anerkannten. Die erneute Anrede an seine Leser (@deA - 
φοί, vgl. 118) hat nur den Zweck, hervorzuheben, warum 
er bei ihnen eine solche Unbekanntschaft nicht voraussetzen 
könne. Dies geschieht nämlich durch den Begründungssatz : 
γινώσκουσιν γὰρ νόμον λαλῶ. Da er die Freiheit des 
Christen vom Mosaischen Gesetz auf einem allgemeinen Rechts- 
satz über die Dauer jeder gesetzlichen Verpflichtung stützen 
will, appellirt er an ihre Rechtskunde. Es kann nämlich auch 
hier das Fehlen des Artikels vor νόμος um so weniger be- 
deutungslos sein, als dicht daneben das artikulirte νόμος das 
Mosaische Gesetz bezeichnet, und im Folgenden durchaus nicht 
aus positiven Bestimmungen des Mosaischen Gesetzes argu- 
mentirt wird, sondern aus allgemeinen Wahrheiten, welche mit 
dem Wesen jeder gesetzlichen Verpflichtung gegeben sind. 
Die Leser werden als Gesetzesverständige charakterisirt, welche 
die im Folgenden am Eherecht. exemplifizirte Wahrheit über 
die Grenzen jeder gesetzlichen Verpflichtung anerkennen müssen 
(vgl. Beck, Otto, Luth., Sand.)**). Freilich auch wenn an das 


*) Damit ist aber natürlich nicht 615—28 als eine Art Digression 
bezeichnet, wie es oft bei den Auslegern erscheint, da ja dieser ganze 
Abschnitt darthut, wie der Christ im Gnadenstande in ein neues 
Dienstverhältniss getreten sei, bei welchem thatsächlich vom (Gresetze 
gar nicht mehr die Rede ist, hier also nur weiter ausgeführt wird, 
wiefern er ein Recht hatte, jede gesetzliche Verpflichtung des Christen 
als aufgeboben anzusehen. Unpassend ist es, diesen Gedanken an die 
Bezeichnung Christi als unseres Herrn (633) anzuknüpfen (Reiche, 
Otto, Böhmer: doch vgl. auch Lips., der das xugseves auf κύριος zu- 
rückblicken lässt), da dieselbe dort keineswegs als das Resultat der 
Ausführung in V. 15—22 erschien, und 652[., woran Meyer, Lips. an- 
knüpfen, steht ja im unmittelbarsten Zusammenhange mit der ganzen 
Ansführun Υ. 15—21, entbält aber grade den Gedanken, um den es 
sich hier handelt (die Freiheit von gesetzlicher Verpflichtung), noch 
nicht. Ueber das ganze Kapitel 8. Achelis in StKr 1863. p. 670 ff. 

**) Der Evidenz dieser Sachlage hat man sich nur entziehen 
können, indem man die Darlegung derselben verdrehte. Denn es ist 
weder gesagt, Paulus bezeichne die Leser als des römischen Eherechts 
kundig (Lips., und wunderlicher Weise auch Sand., der nachher genau 
so erklärt, wie oben), noch dass der Satz über die Gültigkeitsdauer 
des Mosaischen Gesetzes zur römischen Rechtskunde gehöre (Hilg. 
ἃ. ἃ. Ο. 36, 2. p. 141). — Wortwidrig nahm man an, dass mit ἀδελφοί 
der judenchristliche Theil der Gemeinde angeredet sei (Grot., Est., 
Thol., Phil., Goeb., Böhmer u. A., vgl. auch Hofm.), da dies durch 
τοῖς yıraazovoıw τ ν λαλῶ ausgedrückt sein müsste. Im Grunde 
müssen das aber Alle annehmen, selbst Lips., Hilg., die irgend einen 





294 Röm 71. 


Mosaische Gesetz speziell gedacht wäre (so gew.), würde dar- 
aus nicht folgen, dass die Gemeinde aus ehemaligen Juden 
oder Proselyten bestand (vgl. Einl. $ 2), da Paulus auch bei 
den Heidenchristen aus der unvermeidlichen Anknüpfung der 
evangelischen Unterweisnng an das AT, wie in Folge der 
aus der Synagoge herübergenommenen Vorlesung desselben 
im christlichen Gottesdienst Bekanntschaft mit dem Gesetz 
voraussetzen konnte (vgl. Gal 421), und gerade Judenchristen 
egenüber die Hervorhebung ihrer Gesetzeskenntniss, sofern 
ieselbe doch etwas ganz Selbstverständliches, durchaus un- 
motivirt wäre (God., Weizs. p. 259, Pfleid. p. 41). Dagegen 
passt diese Appellation an ihre (iesetzeskunde sehr gut grade 
auf Römer, die doch in allem auf die Rechtsordnung Bezüglichen 
nach der Eigenheit ihres Staatslebens besonders bewandert 
waren ἢ). — ὁ νόμος) ist, wie immer, das Mosaische Gesetz 
in seinem ganzen Umfange; aber dem vorangehenden Appell 
an ihre Rechtskunde überhaupt und dem folgenden Beispiel 
aus dem Gebiet des Eherechts entsprechend, das durchaus 
nichts dem Mosaischen Gesetze Eigenthümliches enthält, wird 
von ihm allerdings nur ausgesagt, was von jedem Gesetze gilt. 
Das (personifizirte) Gesetz herrscht (xveıeveı, wie 69. 4) über 


heidenchristlichen Theil der Gemeinde annehmen und doch behaupten, 
dass alles Folgende ausschliesslich auf Judenchristen gehe. Unmöglich 
freilich kann vouov eine einzelne Gesetzesbestimmung (Holst.) be- 
zeichnen. 

5) Eher könnte man scheinbar behaupten, dass die ganze Er- 
örterung über die Befreiung vom Gesetze doch nur Bedeutung für die 
Judenchristen habe, die dem Mosaischen Gesetze verpflichtet gewesen 
waren. Allein man übersieht dabei, dass auch die Heidenchristen, 
wenn sie das AT als normgebende göttliche Offenbarung betrachten 
gelernt und die Heilsbotschaft Gottes angenommen hatten, der in ibm 
seinen Willen kundgethan, die Forderung des Mosaischen Gesetzes 
doch von vorn herein auch auf sich anwenden mussten. Eben darum 
wurde ihnen ja auch judaistischerseits immer die (Gesetzesbefolgung 
angesonnen (Act. 15), und in der That war ihre Gesetzesfreiheit auf 
die Dauer nur haltbar, wenn und sofern auch die Judenchristen prin- 
che vom Gesetz befreit waren, wie ja am besten die Galatischen 

irren und die Erörterungen des Galaterbriefes zeigen. Vgl. Grafe 
p. 88f. Eine für den Apostel und seine Leser so völlig selbstver- 
ständliche Voraussetzung durfte nicht erst ausdrücklich ausgesprochen 
werden (gegen Mang. p. 186—-91). Für den Apostel aber, der in 
unserem Briefe die Auseinandersetzung seiner gesetzesfreien Heils- 
lehre mit der Gottesoffenbarung des AT’s beabsichtigt, war die Er- 
örterung dieses Punktes ganz unumgänglich. Hilg. kann auch hier 
nur dieser Auffassung unterschieben, was sie durchaus nicht enthält, 
wenn er erwidert, das Urchristenthum biete kein Beispiel, dass Heiden- 
christen darauf gekommen wären, sich das mosaische Gesetz aufzuerlegen 
(a. a. Ο. p. 142), Lips. sie p. 137 gegen Weizs. als unerweislich ablehnen. 





Röm 71. 3. 295 


den Menschen, welchem es gegeben ist (bem. das artikulirte 
τοῦ ἀνθρώπου), so lange er lebt. Das ἐφ᾽ ὅσον χρόνον 
steht, wie Gal 4ı, von dem Sicherstrecken über einen Zeit- 
raum, 8. Bernhardy p. 252. Natürlich liegt hierauf, und nicht 
auf dem ζῇ (Hofm.) der Nachdruck: Es herrscht über ihn für 
die ganze Zeit, solange er lebt, nicht eher verliert es seine 
Herrschaft über ihn, als wenn er stirbt (vgl. Th. Schott), was 
doch keineswegs, wie man gesagt hat, trivial ist*). 

V. 2f. Konkrete Erläuterung des Satzes V.1, und zwar 
aus dem Eherecht, nach welchem bei dem Weibe die Lösun 
von dem dasselbe verpflichtenden Gesetze nur durch den Tod 
des Mannes eintritt, so dass sie nicht anders als nach diesem 
erfolgten Tode einen Anderen heirathen darf. Dieses Beispiel 
ist gewählt, weil die Eheordnung ihrer Natur nach die einzige 
war, die Paulus gebrauchen konnte, sofern bei ihr allein die 
Thatsache, dass der Tod vom Gesetz frei macht, an einer 
noch lebenden Person zur Anschauung gebracht werden konnte 
(Hofm.), nicht aber, weil er bereits dıe nach Lösung vom Ge- 
setze eingetretene Verbindung mit Christo als Analogon einer 
neuen Ehe im Auge hat (Meyer, God., Beck, Böhmer). Da- 
mit war denn eine gewisse Inkonzinnität (Ust., Rück, auch 
Umbr. in d. StKr 1851. p. 634) des Beispiels gegeben, sofern 
nämlich in demselben der Gestorbene und die dem Gesetze 
durch den Todesfall enthobene Person als Verschiedene er- 


Ὦ Unmöglich kann damit etwas dem Mosaischen Gesetze Eigen- 
thümliches ausgesagt sein wollen, etwa weil auch Rabbinen (vgl. 
Schabt. f. 151, 8: postquam mortuus est homo, liber est a praeceptis, 
Targ. Ps 886, b) diesen Satz aussprechen (gegen Böhmer), oder weil 
andere menschliche Gesetze eine zeitweilige Geltung haben, verändert 
oder suspendirt werden können, und man auf Zeit davon eximirt 
werden (Meyer) oder sich ihnen entziehen kann, wenn man nicht mehr 
dem Gemeinwesen angehört, dessen Gesetze sie sind (Hofm.). Denn 
dann haben sie ja eben aufgehört, ὁ γόμος τοῦ 0. zu sein, und 
kann von ihrer Geltung für ihn nicht mehr geredet werden. Auch 
hier νόμος von jedwedem Gesetze zu nehmen ( oppe, v. Heng., Beck; 
vgl. Volkm.: die Verpflichtung), erlaubt der Art. schlechterdings nicht; 
und an das Sittengesetz (Glöckl.) oder das Ehegesetz (Beza, Beng., 
Carpz., Ch. Schmidt, Olsh., vgl. Hamm., Cleric., Mosh., die ὁ νόμος 
τοῦ ἄνϑρ. verbinden) zu denken, ist ganz willkürlich. Die Annahmen, 
dass ὁ νόμος Subjekt von ζῇ sei, und dieses viget valet heisse (Orig., 
Ambr., Erasm., Grot., Beng., Koppe, Flatt), oder dass es gleich ζῆν 
ἐν σαρχέ zu nehmen (>»so lange der Mensch sein altes natürliches 
Leben fortführt, ist er ein Knecht des Gesetzes«, Phil., auch Umbr., 
vgl. Otto: so lange er unter dem Gesetze ist), sind völlig kontext- 
mung und Erzeugnisse der Verlegenheit bei der Erklärung von 

. 9:1. 


296 Röm 73. 


scheinen*), — ὕσανδρος) viro subjecta, verheirathet, vgl. 
Num 5». Pıv 62.» JSir 4151. Polyb. 10, 26, 3. Der 
Nachdruck liegt auf dem mit ἐφ᾽ ὅσον χρόνον ζῇ V. 1 korre- 
laten τῷ ζῶντι. Das verheirathete Weib ist an ihren am 
Leben befindlichen Mann gebunden (δέδεται, vgl. 1 Kor 121. 89) 
durch Gesetz (νόμῳ), d. h. dem artikellosen νόμος in V. 1 
entsprechend: nach gesetzlicher Ordnung**.. — Mit dem 
χατήργηται kann keinesfalls die Frau selbst als Grestorbene 
bezeichnet werden (Meyer, God.), da xarapyeiv ja nie: ver- 
nichten heisst (vgl. 33. sı. 41. 66), und hier das damit ver- 
bundene ἘΓΙΚΠηΟ ΕΒ ἀπό (vgl. θΘτ. IIKor 115) ausdrücklich 
sagt, in welcher Beziehung allein sie ausser Geltung gesetzt 
ist, d. h. aufgehört hat rechtlich zu sein, was sie vorher ge- 
wesen ist. Vgl. 66, wo auch der Leib nicht vernichtet ist, 
sondern nur aufgehört hat, der Sünde angehörig zu sein (ἵνα 
καταργηϑῇ τὸ σῶμ. τ. ἀμ). Wie Gal ὅδε das ἀπό sagt, dass 


*) Diese Inkonzinnität hat schon dem Chrys. u. 8. Nachfolgern 
die Annahme einer Umkehrung des Vergleichs abgenöthigt; das Ge- 
setz sei eigentlich der gestorbene Theil, aber Paulus habe sich aus 
Schonung gegen die Juden so ausgedrückt, wie er gethan (vgl. Calv. 
u.M.), wogegen Thol. bei der Annahme einer Prägnanz des Ausdrucks, 
welche in die eine Seite die andere mit einschliessen wolle, sich be- 
rubigt. Hofm. löst dieselbe dadurch, dass Mann und Frau in ihrer 
Zusammengehörigkeit den einheitlichen Gegenstand einer (Gesetzes- 
bestimmung bilden (vgl. Beck); Meyer dadurch, dass mit dem Tode 
des Mannes (im uneigentlichen Sinne vermöge der Verbindung beider 
Eheleute zu einer Person Eph dasff.) auch das Weib (hinsichtlich ihres 
ehelichen Verhältnisses) gestorben sei (vgl. auch Achelis, God.). 
Andere wollten V. 2f. deshalb allegorisch fassen, so dass das Weib 
die Seele und der Mann die mit Christo gestorbene Sünde bedeute 
(Augustin., vgl. Olsh.), was dem Kontext ganz fremd ist, oder das 
Weib die Menschheit (oder die Gemeinde) und der Mann das (sesetz, 
mit welchem jene geistig vermählt gewesen sei (Orig., Chrys., Calv. 
u. M., auch Klee, Reiche, Phil.), was eben dazu führte, V. 1 ὁ νόμος 
an je von ζῇ zu denken, und dann wieder nicht zur Anwendung in 

; asst. 
εἶ Den Fall, dass das Weib durch die Scheidung aufhörte, an 
ibren Mann gebunden zu sein (Dtn 243. Kiddusch. f. 2. 1: »Mulier 
ossidet se ipsam per libellum repudii et per mortem mariti«), lässt 
aulus unbeachtet, nach Meyer: die Sache nach Maassgabe seines 
nes nur so in’s Auge fassend, wie sie nicht bloss der 
Mehrzahl der Fälle nach als Regel erschien, sondern auch der ur- 
sprünglichen Ordnung des Schöpfers (Mt 198) entsprechend ist, besser 
wohl: weil sie dann eben keine ὕπανδρος γυνή mehr war. Dies gilt 
auch gegen Hilg., der betont, dass der Satz des Apostels nur vom 
mosaischen Gesetze gelte, das keine vom Weibe ausgehende Ehe- 
scheidung kannte (vgl. auch Meyer, der auf Michael., Mos. Recht 
& 120, Saalschütz p. 806f. verweist. Wo eine rechtsgültige Ehe- 
scheidung eingetreten war, war ja das Weib nicht mehr verheirathet. 


Röm 73—ı. 297 


man hinsichtlich des Bandes, das Jemanden mit einem Anderen 
verbindet, aufgehört hat zu sein, was man vorher war, so sa 
hier das ἀπὸ τοῦ νόμου τοῦ ἀνδρός, dass sie hinsichtlic 
des ihr Verhältniss zum Manne bestimmenden Gesetzes ihre 
rechtliche Stellung verloren hat, also von demselben gelöst ist, 
wenn ihr Mann gestorben sein sollte. Der Genit. ist natür- 
lich kein Gen. appos. (Th. Schott nach Beng.), als sei das 
Gesetz im Manne verkörpert, sondern bezeichnet das Gesetz, 
durch welches sie an den Mann gebunden ist, gleich ὁ νόμος 
ὃ περὶ τοῦ avdgög; 5. Kühner $ 414, 4. — ἡ. 3. ἄρα od») 
wie 5ıs: Demnach wird sie mit dem Namen Ehebrecherin 
(uoıxadkis, vgl. Ez 16ss. 284. Hos 8:1) öffentlich bezeichnet 
werden (χρηματίσει, vgl. Jos. Antt. 13, 11, 3. Bell. jud. 
2, 18, 7. Plut. Mor. p.148D. Polyb. 5, 27, 2. 5. 30, 2, 4). 
Das Futur. entspricht dem folgenden: ἐὰν γένηται ἀνδρὶ 
ἑτέρῳ, wenn sie einem anderen Manne (als Weib) zu Theil 
geworden sein sollte (vgl. Dtn 243. Rtiı. Ez16s Kühner 
ἐν 1. Wenn aber ihr Mann gestorben sein sollte (vgl. 

. 2), dann ist sie frei (ἐλευϑέρα, wie ἐλευϑερωϑείς 618. =. 
mit ἀπε) von dem Gesetze, das sie an den Mann bindet. 
Dieses Verbandes ist sie nun entledigt, V. 2. — τοῦ un 
eivaı etc.) Der Gen. des Inf. bezeichnet, wie überall (vgl. 
66), nicht die Folge (so gewöhnlich, vgl. noch Sand. obwohl 
diese unmittelbar darauf durch wore ausgedrückt wird), sondern 
die in der V. 2 angeführten gesetzlichen Ordnung liegende 
Absicht, dass sie nicht mehr eine Ehebrecherin sein soll, wenn 
sie einem anderen Manne zu Theil wird. Das Gesetz will 
wirklich die vorwurfsfreie Wiederverheirathung des Weibes er- 
möglichen. Vgl. Hofm. 

V.4. wore) an der Spitze eines selbständigen Satzes 
folgert aus dem Vorherigen: itaque (Vulg.), demnach, mithin, 
also. Da aber das vom Eherecht entlehnte Beispiel V. 2f. 
nur den Allgemeinsatz über die Dauer gesetzlicher Verpflich- 
tung V.1 illustriren sollte, und da dieser ausdrücklich als das 
bezeichnet war, was die Leser kennen müssten, kann nicht aus 
jenem (Meyer, God., Goeb.: auch Ihr, wie das Weib in jenem 
Beispiel, vgl. Hofm., welcher aus V.2f. die einzigartige Weise 
des ἐθανατώϑητε gefolgert werden lässt), sondern nur aus 
diesem gefolgert werden. — ἀδελφοί μου) Hier erst wird 
ganz klar, weshalb seit lıs zum ersten Male wieder diese 
Anrede in V. 1 auftritt. Der Apostel kommt auf den Punkt 
zu sprechen, an welchem die Schranke, die ihn als geborenen 
Juden von den heidenchristlichen Lesern noch zu trennen 
schien, in der That völlig aufgehoben ist. Die geistliche Er- 
fahrungsthatsache, die ihn von seiner reellen Gebundenheit an 





296 Röm 72. 


scheinen*).. — üÜrzardeoc) viro subjecta, verheirathet, vgl. 
Num 53. Prv62.2. JSir 41. Polyb. 10, 26, 3. Der 
Nachdruck liegt auf dem mit ἐφ᾽ ὅσον χρόνον ζῆ V. 1 korre- 
laten zw ζῶντι. Das verheirathete Weib ist an ihren am 
Leben befindlichen Mann gebunden (δέδεταε, vgl. 1Kor 77. %) 
durch Gesetz (νόμῳ), d. h. dem artikellosen vouos in V. 1 
entsprechend: nach gesetzlicher Ordnung**). — Mit dem 
χατήργηται kann keinesfalls die Frau selbst als Gestorbene 
bezeichnet werden (Meyer, God.), da xarapyeiv ja nie: ver- 
nichten heisst (vgl. 83. 81. 414. 66), und hier das damit ver- 
bundene prägnante ἀπό (vgl. 67. IIKor 113) ausdrücklich 
sagt, in welcher Beziehung allein sie ausser Geltung gesetzt 
ist, d. h. a. hat rechtlich zu sein, was sie vorher ge- 
wesen ist. Vgl. 6e, wo auch der Leib nicht vernichtet ist, 
sondern nur aufgehört hat, der Sünde angehörig zu sein (ἵνα 
καταργηϑῇ τὸ σῶμ. τ. ἀμ). Wie Gal δε das ἀπό sagt, dass 


“ Diese Inkonzinnität hat schon dem Chrys. u. 5. Nachfolgern 
die Annahme einer Umkehrung des Vergleichs abgenöthigt; das Ge- 
setz sei eigentlich der gestorbene Theil, aber Paulus habe sich aus 
Schonung gegen die Juden so ausgedrückt, wie er gethan (vgl. Calv. 
u. M.), wogegen Thol. bei der Annahme einer Prägnanz des Ausdrucks, 
welche in dıe eine Seite die andere mit einschliessen wolle, sich be- 
rubigt. Hofm. löst dieselbe dadurch, dass Mann und Frau in ihrer 
Zusammengehörigkeit den einheitlichen Gegenstand einer Gesetzes- 
bestimmung bilden (vgl. Beck); Meyer dadurch, dass mit dem Tode 
des Mannes (im uneigentlichen Sinne vermöge der Verbindung beider 
Eheleute zu einer Person Eph 6284.) auch das Weib (hinsichtlich ihres 
ehelichen Verhältnisses) gestorben sei (vgl. auch Achelis, God.) 
Andere wollten V. 2f. deshalb allegorisch fassen, so dass das Weib 
die Seele und der Mann die mit Christo gestorbene Sünde bedeute 
(Augustin., vgl. Olsh.), was dem Kontext ganz fremd ist, oder das 
Weib die Menschheit (oder die Gemeinde) und der Mann das (sesetz, 
mit welchem jene geistig vermähblt gewesen sei (Orig., Chrys., Calv. 
u. M., auch Klee, Reiche, Phil.), was eben dazu führte, V. 1 ὁ νόμος 
ale Subj. von ζῇ zu denken, und dann wieder nicht zur Anwendung in 
Υ͂. 4 passt. 

**\, Den Fall, 
ihren Mann gebu 
ossidet se ipsam 
aulus unbeacht. 
Zusammenhan 
Mehrzahl der Faı 
sprünglichen Ordı 
wohl: weil sie da 
auch gegen Hilg. 
mosaischen (resel 
scheidung kannte 
8 120, Saalschütz 
scheidung eingetr 











296 Röm 73. 


scheinen*.. — ὕσπανδρος) viro subjecta, verheirathet, vgl. 
Num 5». Prv 62.» JSir 4151. Polyb. 10, 26, 3. Der 
Nachdruck liegt auf dem mit ἐφ᾽ ὅσον χρόνον ζῇ V. 1 korre- 
laten τῷ ζῶντι. Das verheirathete Weib ist an ihren am 
Leben befindlichen Mann gebunden (δέδεται, vgl. 1Kor 727. 89) 
durch Gesetz (νόμῳ), ἃ. ἢ. dem artikellosen νόμος in V. 1 
entsprechend: nach gesetzlicher Ordnung**. — Mit dem 
χατήργηται kann keinesfalls die Frau selbst als Grestorbene 
bezeichnet werden (Meyer, God.), da xazapyeiv ja nie: ver- 
nichten heisst (vgl. 88. sı. 41. 66), und hier das damit ver- 
bundene prägnante ἀπό (vgl. 67. IIKor 1159) ausdrücklich 
sagt, in welcher Beziehung allein sie ausser Geltung gesetzt 
ist, d. h. aan hat rechtlich zu sein, was sie vorher ge- 
wesen ist. Vgl. 6e, wo auch der Leib nicht vernichtet ist, 
sondern nur aufgehört hat, der Sünde angehörig zu sein (ἕνα 
καταργηϑῇ τὸ σῶμ. τ. ἀμ). Wie Gal δε das ἀπό sagt, dass 


*) Diese Inkonzinnität hat schon dem Chrys. u. 8. Nachfolgern 
die Annahme einer Umkehrung des Vergleichs abgenötbigt; das Ge- 
setz sei eigentlich der gestorbene Theil, aber Paulus habe sich aus 
Schonung gegen die Juden so ausgedrückt, wie er gethan (vgl. Calv. 
u.M.), wogegen Thol. bei der Annahme einer Prägnanz des Ausdrucks, 
welche in die eine Seite die andere mit einschliessen wolle, sich be- 
ruhigt. Hofm. löst dieselbe dadurch, dass Mann und Frau in ihrer 
Zusammengehörigkeit den einheitlichen Gegenstand einer Gesetzes- 
bestimmung bilden (vgl. Beck); Meyer dadurch, dass mit dem Tode 
des Mannes (im uneigentlichen Sinne vermöge der Verbindung beider 
Eheleute zu einer Person Eph dasff.) auch das Weib (hinsichtlich ihres 
ehelichen Verhältnisses) gestorben sei (vgl. auch Achelis, God.). 
Andere wollten V. 2f. deshalb allegorisch fassen, so dass das Weib 
die Seele und der Mann die mit Christo gestorbene Sünde bedeute 
(Augustin., vgl. Olsh.), was dem Kontext ganz fremd ist, oder das 
Weib die Menschheit (oder die Gemeinde) und der Mann das (sesetz, 
mit welchem jene geistig vermählt gewesen sei (Orig., Chrys., Calv. 
u. M., auch Klee, Reiche, Phil.), was eben dazu führte, V. 1 ὁ νόμος 
als a von ζῇ zu denken, und dann wieder nicht zur Anwendung in 

; asst. 
.) Den Fall, dass das Weib durch die Scheidung aufhörte, an 
ihren Mann gebunden zu sein (Dtn 248. Kiddusch. f. 2. 1: »Mulier 
ossidet se ipsam per libellum repudii et per mortem mariti«), lässt 
aulus unbeachtet, nach Meyer: die Sache nach Maassgabe seines 
Zusammenhangs nur so in’s Auge fassend, wie sie nicht bloss der 
Mehrzahl der Fälle nach als Regel erschien, sondern auch der ur- 
sprünglichen Ordnung des Schöpfers (Mt 198) entsprechend ist, besser 
wohl: weil sie dann eben keine ὕπανδρος γυνή mehr war. Dies gilt 
auch gegen Hilg., der betont, dass der Satz des Apostels nur vom 
mosaischen (Gesetze gelte, das keine vom Weibe ausgehende Ehe- 
scheidung kannte (vgl. auch Meyer, der auf Michael., Mos. Recht 
8 120, Saalschütz p. 806f. verweist. Wo eine rechtsgültige Ehe- 
scheidung eingetreten war, war ja das Weib nicht mehr verheirathet. 


Röm 73—1. 297 


man hinsichtlich des Bandes, das Jemanden mit einem Anderen 
verbindet, aufgehört hat zu sein, was man vorher war, so sagt 
bier das ἀπὸ τοῦ νόμου τοῦ ἀνδρός, dass sie hinsichtlich 
des ihr Verhältniss zum Manne bestimmenden Gesetzes ihre 
rechtliche Stellung verloren hat, also von demselben gelöst ist, 
wenn ihr Mann gestorben sein sollte. Der Genit. ist natür- 
lich kein Gen. appos. (Th. Schott nach Beng.), als sei das 
Gesetz im Manne verkörpert, sondern bezeichnet das Gesetz, 
durch welches sie an den Mann gebunden ist, gleich 6 νόμος 
ὁ περὶ τοῦ ανδρός; 8. Kühner 8 414, 4. — V. 3. ἄρα οὖν) 
wie 5ıs: Demnach wird sie mit dem Namen Ehebrecherin 
(μοιχαλίς, vgl. Ez 165. 284. Hos 3ı) öffentlich bezeichnet 
werden (xenuariceı, vgl. Jos. Antt. 13, 11, 3. Bell. jud. 
2, 18, 7. Plut. Mor. p.148D. Polyb. 5, 27, 2. 5. 30, 2, 4). 
Das Futur. entspricht dem folgenden: ἐὰν γένηται ἀνδρὶ 
ἑτέρῳ, wenn sie einem anderen Manne (als Weib) zu Theil 
geworden sein sollte (vgl. Dtn 243. Rtiı. Ez16s. Kühner 

426, 1. Wenn aber ihr Mann gestorben sein sollte (vgl. 

. 2), dann ist sie frei (ἐλευϑέρα, wie ἐλευϑερωϑείς 618. 2. 
mit @720) von dem Gesetze, das sie an den Mann bindet. 
Dieses Verbandes ist sie nun entledigt, V. 2. — τοῦ un 
εἶναι etc.) Der Gen. des Inf. bezeichnet, wie überall (vgl. 
66), nicht die Folge (so gewöhnlich, vgl. noch Sand., obwohl 
diese unmittelbar darauf durch wore ausgedrückt wird), sondern 
die in der V. 2 angeführten Geschrlichen Ordnung liegende 
Absicht, dass sie nicht mehr eine Ehebrecherin sein soll, wenn 
sie einem anderen Manne zu Theil wird. Das Gesetz will 
wirklich die vorwurfsfreie Wiederverheirathung des Weibes er- 
möglichen. Vgl. Hofm. 

V.4. ὥστε) an der Spitze eines selbständigen Satzes 
folgert aus dem Vorherigen: itaque (Vulg.), demnach, mithin, 
also. Da aber das vom Eherecht entlehnte Beispiel V. 2f. 
nur den Allgemeinsatz über die Dauer gesetzlicher Verpflich- 
tung V.1 illustriren sollte, und da dieser ausdrücklich als das 
bezeichnet war, was die Leser kennen müssten, kann nicht aus 
jenem (Meyer, God., Goeb.: auch Ihr, wie das Weib in jenem 
Beispiel, vgl. Hofm., welcher aus V.2f. die einzigartige Weise 
des ἐθανατώϑητε gefolgert werden lässt), sondern nur aus 
diesem gefolgert werden. — ἀδελφοί μου) Hier erst wird 
ganz klar, weshalb seit 118 zum ersten Male wieder diese 
Anrede in V. 1 auftritt. Der Apostel kommt auf den Punkt 
zu sprechen, an welchem die Schranke, die ihn als geborenen 
Juden von den heidenchristlichen Lesern noch zu trennen 
schien, in der That völlig aufgehoben ist. Die geistliche Er- 
fahrungsthatsache, die ihn von seiner reellen Gebundenheit an 





298 Röm 74. 


das Gesetz gelöst hat, haben nicht nur auch sie erlebt, son- 
dern dieselbe hat sie in ganz gleicher Weise von der ideellen 
Gebundenheit an das Gesetz gelöst, die nothwendig eine reelle 

eworden wäre, wenn jenes Sterben nicht eingetreten wäre. 

arım hebt auch das καὶ ὑμεῖς so nachdrücklich hervor, 
dass auch bei ihnen wie bei allen Anderen jenes Gesetz seine 
Anwendung findet, wonach man durch den Tod von einer ge- 
setzlichen Verpflichtung gelöst wird, weil sie eben Heiden- 
christen waren, die derselben vielleicht zunächst nicht zu be- 
dürfen glaubten. — EIavarwInre) weist auf die Thatsache 
hin, dass sie in der Taufe in die Gemeinschaft mit dem Tode 
versetzt wurden (6s—s), also ein Getödtetwerden erfuhren, 
wie Christus es erfuhr. Da nun das Gesetz über den Men- 
schen nur herrscht, so lange er lebt (V. 1), so kann es über 
sie, nachdem sie getödtet sind, nicht mehr herrschen, sie sind 
eben dem Gesetz (τῷ vouw) getödtet, jeder Beziehung zu ihm 
abgestorben (vgl. zu dem Dat. 6, 2.10). — διὰ τοῦ σώματος 
τ. Χριστοῦ) hebt mit Absicht hervor, wie jenes ihr ϑανατω- 
ϑῆναιε nicht irgendwie durch ein subjektives Verhalten ihrer- 
seits, sondern ganz objektiv dadurch vermittelt war, dass der 
Leib des Heilsmittlers, in dessen Lebensgemeinschaft sie in 
der Taufe versetzt wurden (638), getödtet war, und sie nun 
auch ein ὁμοίωμα seines Todes (65), ein Mitgetödtetwerden 
mit ihm (66), erfahren haben, dass also das, was sie in der 
Taufe erfuhren, sie von jeder Beziehung zum Gesetz loslöste *). 
— εἰς τὸ γενέσϑαι ὑμᾶς ἑτέρῳ) vgl. 10: um einem 
Anderen zu Theil zu werden, — dies ist der Zweck, welchen 
das 23avar. τ. νόμῳ hatte. Mit vollem Rechte hat Otto 
energisch geltend gemacht, dass nicht ἑτέρῳ ἀνδρί steht, und 








4) Ganz kontextwidrig ist die dogmatische Deutung des διὰ τ. 
σώμ. τ. Χρ. auf den genugthuenden Opfertod, welcher die Herrschaft 
des Gesetzes abgethan habe (Εἰ. noch Phil.), wonach wie für Christum, 
80 auch für die Gläubigen die Beziehung zum Gesetz aufgehört habe 
{Hofm., God., Luth., vgl. Otto, der deshalb das τῷ νόμῳ instrumental 
nimmt und ὥστε als proleptische Relativpartikel: deswegen, scil. da- 
mit Ihr einem Anderen angehören möchtet). Vgl. Beck, nach welchem 
eigentlich der σάρξ gewordene Christus stirbt wegen der Verbindung, 
die er mit der Menschheit eingegangen ist, wäbrend nachher der 
Christ frei wird vom Gesetz wegen der Verbindung, in der er mit 
dem auferweckten Christus steht. Auch Lips. denkt daran, dass 
Christus im Tode für die Gläubigen die Verbindlichkeit gegen das 
Gesetz stellvertretend erfüllt hat, indem er das Dienstverhältniss 
unter dem Gesetz als »Schuldverhaftung gegen das Gesetz« fasst. 
Dass 23arar. τ. νόμῳ nicht ein milder Ausdruck für ὁ νόμος ἐϑανα- 
τώϑη, ἀπέϑαγεν ὑμῖν, sein kann (Koppe, Klee nach Calv., Grot. u. M., 
auch m. Vätern), versteht sich von selbst. 





Röm 7a.5. | 299 


darum die Annahme, dass Paulus zu der Vorstellung von einem 
ehelichen Verhältniss (V. 3) zurückkehre, durchaus unberech- 
tigt ist. Wer über Einen herrscht (V. 1), dem gehört er an; 
sind sie durch ihre Tödtung von der Beziehung zum Gesetz 
als ihrem κύριος gelöst, so können und sollen sie nunmehr 
einem Anderen angehören, nemlich Christo, der durch τῷ ἐκ 
νεκρῶν ἐγερϑέντι (64.9) als der trotz seines Getödtetseins 
(vgl. das διὰ τοῦ σώματος τ. x) ewig Lebendige bezeichnet 
wird, da man ihm nur als solchem angehören kann. — ἵνα 
καρποφορήσωμεν τ. ϑεῷ) Zweck des γενέσϑαι ἑτέρῳ 
und damit letzter Endzweck des ἐϑανατ. τῷ νόμῳ. Der Ueber- 
gang in die erste Person erklärt sich einfach dadurch, dass 

as hier Intendirte auch von dem Apostel selbst immer noch 
zu realisiren ist, während das γενέσϑαι ἑτέρῳ für seine Person 
längst eingetreten war*). Der Tropus ist, wie 6aıf,, vom Acker 
oder Baume entlehnt (vgl. Reiche, Frtzsch., Phil, Thol., 
Reithm., Holst, Luth., Goeb., Otto), und Paulus kehrt damit 
zu dem Gedanken zurück, dass unser neues Leben, das dem 
Auferstandenen gehört, ein Gott geweihtes, ihm dienstbares 
ist (611.18.2). Das Richtige hat auch Lips. 

Υ. δὲ ὅτε γὰρ ἦμεν ἐν τῇ oaexi) begründet den 
V.4 ins Auge Bellen Endzweck damit dass unser früheres 
Sein im Fleisch (1s. 41. 619), ἃ. ἢ. in dem Lebenselement des 
natürlich-menschlichen Wesens im Gegensatz zu dem neuen 
Lebenselement, in welches wir durch die Lebensgemeinschaft 
mit Christo (65. 811) eingetreten sind, eine so ganz entgegen- 
gesetzte Frucht trug. Dass nicht der Stand unter dem Ge- 


ἢ Bei dem γενέσϑαι ἑτέρῳ denkt man gewöhnlich an ein ehe- 
liches Verhältniss zum (Gesetz (vgl. noch Sand.), das aber bei der 
richtigen Beziehung des ὥστε durchaus nicht indizirt ist, geschweige 
denn zu Moses als der Personifizirung des Gesetzes (Böhmer) oder 
gar zu dem Sündentriebe (Zimmer). Damit fällt denn auch das ohne- 
bin unnatürliche Pressen des Bildes, wonach man an die Ehefrucht 
denkt, die aus der Verbindung der Gläubigen mit Christo hervorgeht 
(de W., Hofm., God., Beck, Böhmer, Sand., vgl. schon Theodoret, 
Theophyl). Es mag Prüderie modernen Geschmacksurtheils sein, wenn 
Frtzsch. diese Erklärung jejunam et obscoenam nennt. Allein das 
Bild lässt sich nun einmal nicht durchführen, weil ja die Ehefrucht 
(die Kinder) eben nie und nirgends einem Anderen gehört, sondern 
den Eltern allein. Das Aeusserste im Pressen des Bildes leistet 
Volkm., der im Gegensatz zu der Vergleichung mit dem Knechtsdienst 
616—38 in dem ganzen Abschnitt 7ı—s den Vergleich mit dem Ehe- 
bunde, in dem die Gemeinde mit Christo steht, durchgeführt sein lässt. 
Vgl. dagegen Holst. a. a. O. p. 837f. Anm. 2. Das ἵνα kann nicht 
von ἐγερϑ. abhängen (Koppe, Th. Schott, Hofm.), da dieses nur eine 
Näherbestimmung zu ἑτέρῳ ist, und der Uebergang in die 1. Person 
eich ohne das ausreichend erklärt. 








800 Röm 75. 6. 


setze (Theodoret, vgl. Phil) als solcher bezeichnet ist, wird 
jetzt wohl allgemein zugegeben; aber auch noch Meyer sagt 
nach Oecum., derselbe sei wenigstens gemeint und werde nur 
Bor charakterisirt. Allerdings kam es darauf an, unsere 
ere Zuständlichkeit nach der Seite hin zu charakterisiren, 
nach welcher das Leben unter dem Gesetz nur so entgegen- 
gesetzte Frucht bringen konnte; allein warum das so charak- 
terisirte Leben nicht, wie der Zusammenhang nothwendig zu 
fordern schien, als Leben unter dem Gesetz bezeichnet ist, das 
erklärt sich nur daraus, dass sich Paulus mit seinen heiden- 
christlichen Lesern zusammenschliesst (ἦ με»), welche eben 
thatsächlich nicht unter dem Gesetz gestanden hatten und es 
doch ebenso gut erfahren hatten, was das ζῇν ἐν τῇ σαρκί für 
Frucht schaffte. — τὰ παϑήματα (wie Gal 5%; bes. bei 
Plato von den leidentlichen Erregungen im Gegensatz zu den 
ποιήματα, vgl. Phil. p. 47 C) τῶν ἁμαρτι ὧν sind die Affekte, 
welche die Sünden zu Wege gebracht werden, welche 

die Quelle der Sünden sind. Als τὰ διὰ τοῦ νόμου sc. 
ὄντα werden sie bezeichnet, weil sie durch das Gesetz immer 
neu erregt werden (vgl. V. 7f. IKor 15%). Damit ist nicht 
gesagt, dass sie immer und überall, z. B. auch bei den Heiden- 
christen, die ja thatsächlich nicht unter dem Gesetze standen, 
dadurch vermittelt wurden, was ja einfach durch διὰ τοῦ νόμου 
ausgedrückt wäre; sie werden nur charakterisirt als solche, 
welche die Eigenschaft haben, durch das Gesetz nur aufgeregt. 
zu werden. — ἐνηργεῖτο) bei Paulus gegen den klassischen 
Sprachgebrauch immer medial gebraucht, wie IIIEsr 2», vgl. 
Kor 16. 412: sie waren wirksam in unseren Gliedern (ἐν 
τοῖς μέλεσιν nu., vgl. 618), um Frucht zu bringen dem Tode. 
Da das εἰς τὸ καρποφορῆσαι hier dem ἕνα καρστοφ. V. 4 
parallel steht, so ist vollends klar, dass dasselbe nur die Ab- 
sicht bezeichnen kann (vgl. V. 4), welche die Sündenaffekte 
bei ihrer Wirksamkeit in unseren Ghedern hatten. Die Er- 
gänzung eines ἡμᾶς (30 gew., vgl. Meyer) ist dabei ganz un- 
nöthig, da die Suündenaffekte selbst dem Tode (τῷ Javarw) 
Frucht schafften, indem sie, weil alle Sünde zum Tode führt 
(812. 62), uns in den Tod brachten. Vgl. Hofm., Goeb., Luth. 
nach Vulg, Luther, Calv. u. A.*. — V.6. νυνὲ δέ) wie 


5) Ganz künstlich lässt Meyer den ϑάνατος personifizirt sein im 
Gegensatz zu τῷ ϑεῷ V. 4 und (wie nach seiner Fassung auch Hofm.) 
mit Berufung auf Jak 116 das Bild von der Ehefrucht (die aus der 
Ehe mit dem Gesetz hervorgehen soll) fortgesetzt sein. Vgl. auch 
Volkm., Beck, und schon Erasm. Paraph.: »ex infelici matrimonio 
infelices foetus sustulimus, quicquid nasceretur morte exitioque gig- 


Röm 76. 801 


62, dem ὅτε ἦμεν entgegengesetzt. Jetzt aber sind wir hin- 
sichtlich unseres Verhältnisses zum Gesetz ausser Geltung ge- 
setzt, sind los von dem Mosaischen Gesetze (κατηργήϑημεν 
ἀτεὸ τοῦ νόμου, wie V.2). — ἀποοϑανόντες ἐν ᾧ κατει- 
χόμεϑα) vgl. Gen 221. Rt 118, abgestorben demjenigen 
(Neutr.), worin wir festgehalten wurden. Die Struktur ist 
regelmässig, so dass τούτῳ vor ἐν ᾧ zu denken ist (Win. 

23, 2). Da der Partizipialsatz offenbar begründen soll, wo- 

urch wir von dem Gesetze, losgekommen sind, kann er nicht 
wieder nur aussagen, dass wir dem Gesetze, in dem wir (wie 
in einem Gefängnisse, vgl. Gal 3%) festgehalten wurden, ab- 
gestorben sind (so gew., vgl. Meyer, Holst., God., Goeb.), son- 
dern es ist zu denken an den Zustand des Sündenregiments 
(v. Heng., Th. Schott, Volkm., Otto, Zimmer) oder geradezu 
an die σάρξ (Hofm., Luth., Böhmer, Lips., Sand.), in der wir 
nach V. 5, waren, und von der wir nur durch den Tod los- 
kommen konnten*).. — wore δουλεύειν etc.) thatsächliche 
Folge, welche durch unsere Lösung vom Gesetz eingetreten 
ist: so dass wir (als Christen) dienstbar sind in neuer Weise 
(ἐν καινότητι, vgl. 64), wie sie allein Geist zu wirken im 
Stande ist. Absichtlich sagt das artikellose σενεύματος, dass 
es sich um eine Macht handelt, wie es der heilige, göttliche 
Geist ist (gegen Otto, der es vom Menschengeist nimmt). 
Dass solcher Dienst Gotte geleistet wird (vgl. 622), versteht 
sich von selbst und braucht nicht ergänzt zu werden (gegen 
de W.). Es konnte aber nicht ausgedrückt werden, da diese 
neue Weise wie das Fehlen eines zweiten ἐν zeugt, noch weiter 
dadurch charakterisirt werden soll, dass sie nicht die alte 


nentese. Aber von einer Ehe mit dem Gesetz ist ja auch V. 4 nicht 
die Rede. Zu τὰ διὰ τοῦ νόμου ergänzen Chrys., Grot. fälschlich 
φαινόμενα. Das εἶναε ἐν τὴ σαρχί heisst natürlich nicht bloss: da wir 
noch lebten (Frtzsch.), oder gar: da wir sterblich waren (Theod. 
Mopsv.). Ganz willkürlich nimmt Otto den Ausdruck davon, dass das 
vergängliche Wesen der Welt als Weltlust, Weltliebe den Menschen 
bestimmt. Natürlich sind auch die παϑήματα nicht Leidenszustände 
(Otto, Zimmer) als Wirkungen der Sünde (Chr. Hoffm.), was schon 
das ἐνηργεῖτο verbietet, das nicht passivisch zu fassen ist (Est., Glöckl.), 
und der Gen., der nicht Gen. subj. ist (Holst., Böhmer), da es dann 
τῆς ἁμαρτίας heissen würde. 

*) Das αποϑαγοντος ist von Beza auf nissverstandene Worte des 
Chrys. hin (vgl. Reiche, Comm. crit. I, p. 50ff.) ohne Bezeugung in 
die Rcept. eingeführt und das του Sararov (Reiche nach DEFG ve. it.) 
lediglich Glosse. Fälschlich nehmen die Meisten (vgl. Rück., de W., 
Kölln., Krehl, Phil., Maier, Ew., Bisp., Reithm., Hilg.) das ἐν ᾧ mas- 
kulinisch und beziehen es auf τοῦ νόμου, was wegen des dazwischen- 
stehenden ἀποθανόντες ganz unmöglich ist. 





302 Röm 76. 1. 


Weise ist, wie sie durch einen (esetzesbuchstaben zu Stande 
kommt. Schon die objektive Negation (ov), die nicht zum 
Verbum gehören kann (vgl. Buttm., neut. Gr. p. 300), zeigt, 
dass es sich lediglich um eine gegensätzliche Charakteristik 
der neuen Dienstweise handelt. Zu zadarornrı vgl. Dio 
Cass, 72, 8, zu γράμματος 2, 27. 29. Da überall, wo Ge- 
setzesbuchstabe wirkt, nur die sündhaften Leidenschaften auf- 
geregt werden (V. 5), kann jene alte Weise des Dienens nicht 
ein Gottesdienst, sondern nur ein Sündendienst sein ἢ. 

77—ı. Die unheilvolle Wirkung des Gesetzes. 
— εἰ οὖν ἐροῦμεν!) vgl. 61. Paulus wirft sich selbst die 
Frage auf, was aus der Voraussetzung, dass gerade durch das 
Gesetz das Wirksamwerden der sündlichen Leidenschaften 
(V. 5) und der alte sündhafte Zustand des Menschen (V. 6) 
vermittelt war, folge. Diese Folge schien keine andere zu 
sein, als dass das Gesetz selbst Sünde (ὃ νόμος ἁμαρτία), 
d. h. eine widergöttliche Macht sei, als welche Paulus überall 
die Sünde betrachtet (89), weil nur eine solche sündhafte 
Leidenschaften erregen und Sündendienst vermitteln zu können 
schien **). Es handelt sich aber auch bei dieser Frage nicht 


Ἢ Daher eben vermied Paulus das τῷ eo, da es zu einem 
wahren Gottesdienst, wo γράμμα wirkt, überhaupt nicht kommt. Auch 
das nuas fehlt in BFG (Lchm., Treg., WH. haben es i. Kl.) und kann 
fehlen, da es sich aus dem χατηργήϑημεν leicht ergänzt. Zu schwach 
denkt man oft nur an das Negative, dass Buchstabe nicht wirken 
kann, was Geist wirkt (vgl. Goeb., Luth.). Offenbar falsch fasst 
Lips. die Genit. als Gen. app. Aus der Hinweisung auf den Buch- 
staben des Mosaischen Gesetzes folgt durchaus nicht, dass Paulus 
sich mit den Judenchristen zusammenfasst (Mang. p. 1%). Er sagt 
ja garnicht, dass die παλαιότης γράμματος ihr gemeinsamer früherer 
Zustand gewesen sei, sondern nur, dass ihre gemeinsame Befreiung 
vom Gesetz verhütet habe, dass für sie alle nur wieder eine παλαιότης 

ράμματος, d. h. eine Form des alten sündhaften Lebens zu Stande 
omme, wie er in seiner gesetzlichen Zeit sie kennen gelernt hat, 
und wie sie bei ihnen Allen eintreten würde, wenn sie unter das (Ge- 
setz gestellt würden, was ohne jenes χατηργήϑ. unabwendbar ge- 
schehen müsste. Vgl. die Anm. **) auf S. 294. 

55) Es ist hiernach allerdings nicht korrekt, wenn man sagt, 
ἁμαρτία bedeute Etwas, dessen ethisches Wesen unsittlich sei, also 
soviel als ἁμαρτωλός, nur dass der adjektivische Begriff durch das 
Substant. signifikanter ausgedrückt werde (Tittm. Synon. p. 46, Winzer, 
Progr. 1882, p. 5, Frtzsch., Rück., de W., Meyer, Thol... Wenn Phil. 
nach Calr. Bong. dafür die Frage substituirt, ob das Gesetz an der 
Sünde schuldig sei, so leitet das doch im Grunde zurück zu der an- 
erkannt falschen Fassung, wonach gefragt wird, ob das Gesetz Ur- 
sache der Sünde sei (Flatt, Reiche, Beck mit Verweisung auf das 
διάχονος ἁμαρτίας Gal 211), dessen Verneinung mit dem gegensätz- 
lichen Resultat, zu dem Paulus V. 12 kommt, unverträglich ist und 


Röm 71. 808 


um die Abwehr einer falschen Konsequenz, die man aus seiner 
Lehre zog (Mang. p. 349, Grafe p. 84, Chr. Hoffm., Böhmer, 
Otto), wie sie wegen eines möglichen Aergernisses oder Miss- 
verständnisses für die Judenchristen nothwendig war (Meyer, 
Lipe.), sondern dieselbe ist nur die Art, wie sich Paulus selbst. 
seine Anschauung von der nothwendigen Betreiung vom Gesetz 
mit seiner Anerkennung der alttestamentlichen Offenbarung 
vermittelt. Die entrüstete Zurückweisung jener scheinbaren 
Folgerung (un γένοιτο, vgl. 84) begründet er durch den 
Nachweis, wie es zu jener unseligen Wirkung des (Gesetzes 
gekommen trotz des selbstverständlich heiligen Charakters des 
Wi eier Gesetzes. Er schildert dies aber aus eigener 
E g und darum in der ersten Person, wie er es selber 
erlebt hat, freilich nicht als individuelles Erlebniss, sondern 
unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass jeder Mensch 
unter dem Gesetz das Gleiche erleben würde. 


Anmerkung. Man darf hier also nicht von einer rhetorischen 
Figur reden, in Folge deren das durch ἐγώ sich darstellende Subjekt 
der natürliche Mensch in seinem unerlösten Zustande ist (Meyer, der 
es eine ἰδίωσις nennt, Otto: per metaschematismum) oder gar die 
Person des jüdischen Volkes (Grot. u. A., neuerlich besonders Frtzsch.,, 
Reiche, vgl. schon Hieron. zu Dan.: »Peccata populi, quia unus Θ᾽ 
populo est, enumerat persona sua, quod et apostolum in ep. ad Rom. 
fecisse legimus«). Selbst Lips. behält noch die durchaus irreführende 
Ausdrucksweise bei, unter dem Ich sei der Mensch unter dem Gesetz. 
gemeint, die Stufe des sittlichen Selbstbewusstseins des an das Ge- 
setzeswort gebundenen Juden, sogar »an der Hand der Erzählung der 
Genesis« beschrieben, obwohl er hinzufügt: aus eigener schmerzlicher 
Erfahrung heraus. Aber Paulus schildert doch ausschliesslich seine 
eigene Erfahrung von dem unseligen Zustand des Menschen unter 
dem Gesetze, und das gerade giebt der Darstellung solche Lebendig- 
keit und innere Wahrheit und macht sie zu einem so wichtigen 
Zeugniss für seine innere Lebensentwickelung in seiner vorchrist-- 
lichen Zeit. Freilich aber will er damit nicht lediglich eigene Er- 


nothwendig den Art. vor auagr. erfordern würde (vgl. Mch 15). 
Allein ebenso würde der Art. nothwendig sein, wenn wirklich daraus, 
dass nach dem Vorigen der Stand unter dem Gesetz mit dem Stande 
unter der Sünde zusammenfällt, gefolgert werden sollte, dass das. 
Gesetz mit der Sünde identisch sei (Hofm., God., Otto, Luth., Goeb., 
Sand.). Auch steht dem entgegen, dass im Vorigen'zwar gesagt war,, 
dass durch das Abgestorbensein der Sünde wir zugleich dem Gesetz 
abgestorben seien, aber damit keineswegs beides identifizirt scheinen 
konnte. Vgl. zu dem folgenden Abschnitt noch Κα. Wieseler, über 
Röm 77—35. Greifsw, 1875. Achelis, StKr 1863. 








304 Röm 77. 


lebnisse aufgezeigt haben (vgl. Hofm.), weil ja die Darstellung als 
eine bloss individuelle psychologische Geschichte (V. 7—13) und 
Schilderung (V. 14ff.) keine allgemeine Beweiskraft haben könnte, 
die sie doch nach dem Zusammenhange mit dem Vorhergehenden 
und Folgenden (81) haben soll. Er setzt vielmehr voraus, dass jeder 
dieselbe Erfahrung gemacht habe und machen müsse; indem er sich 
in den Zustand vor seiner Bekehrung zurückversetzt und sich ihn 
vergegenwärtigt, wird derselbe ihm, wie Meyer nachher selbst sagt, 
zum Schema des sittlichen Verhältnisses, in welchem der noch nicht 
wiedergeborene Mensch überhaupt zum göttlichen Gesetze steht (vgl. 
Ew.). Auch Augustin. (prop. 45 in ep. ad Rom. ad Simplie. 1, 91. 
Conf. 7, 21) erkannte früherhin in Uebereinstimmung mit den Grie- 
chischen Vätern seit Iren. an, dass vom Nichtwiedergeborenen die 
Rede sei, obwohl er nachher durch den Gegensatz gegen den Pela- 
gianismus (besonders wegen V. 17.18. 22; s. Retract. 1, 23.26. 2,3 c. 
duas ep. Pel. 1, 10. c. Faust. 15, 8) die Ansicht in Gang brachte, 
das Ich sei das des Wiedergeborenen, worin ihm der vorher ebenfalls 
anders urtheilende Hieron. u. später Luther, Melanth., Calv., Beza 
(nicht Bucer u. Muscul.), Chemn., Gerh., Quenstedt u. V., unter den 
Protestanten Mehrere als unter den Katholiken (Erasm. sagt von 
ihm: »dure multa torquens«, u. 8. bes. Tolet.), folgten, wogegen die 
Socinianer und Arminianer so wie die Spener’sche Schule zur Auf- 
fassung der Griechischen Väter zurückkehrten, welche allmählich 
und bis zur Gegenwart die herrschende geworden ist. S. die histor. 
Erörterungen bei Thol. u. Reiche, auch Knapp, Scr. var. arg. p. 400 ff. 
Wenn man behauptet, dass namentlich V. 14ff. dem natürlichen 
Menschen zu viel eingeräumt sei, so übersieht man, dass der Zustand 
unter dem (Gesetz, sofern in ihm eine Erkenntniss des sittlichen 
Ideale und ein, wenn auch ohnmächtig bleibendes, Streben nach dem- 
selben stattfindet, nicht mehr der rein natürliche, sondern ein durch 
die in der Gesetzesoffenbarung wirksame gratia praeveniens be- 
stimmter ist (vgl. Thol.), und wenn man sich darauf beruft, dass 
auch der wiedergeborene Christ immer noch analoge Erfahrungen 
mache, wie die V. 14ff. geschilderten (vgl. selbst de W.), so ist zu 
erwägen, dass in der empirischen Wirklichkeit des Christenlebens die 
Zustände vor und nach der Wiedergeburt sich keineswegs so bestimmt 
sondern, wie in der dogmatischen Betrachtung, dass vielmehr auch 
der Gläubige immer wieder in Zustände zurücksinkt, welche mehr 
oder weniger den Charakter des unwiedergeborenen Zustandes an 
sich tragen, was ein Paulus am wenigsten verkennt (vgl. z. 613f.). 
Hier aber, wo es sich um die prinzipielle Darstellung des christlichen 
und vorchristlichen Zustandes handelt, kann darauf nicht reflektirt 
werden. Es bedarf darum auch nicht der vermittelnden Annahme, 
dass wohl V. 7—13 von dem Unwiedergeborenen die Rede sei, 


Röm 77. 305 


dagegen V. 14 die Schilderung des wiedergeborenen Zustandes be- 
ginne (vgl. Calov., Calv., Pbil.. Doch ist Umbr. in d. StKr 1851, 
p. 683 ff. im Wesentlichen hinsichtlich des ganzen Kapitels zur 
Augustinischen Ansicht zurückgekehrt; nicht minder Delitzsch (8. bes. 
dessen Psychol. p. 387 ff.), Weber, v. Zorne Gottes p. 86, Thomasius, 
Chr. Pers. u. Werk I, p. 276f., Jatho, Krummacher in d. StKr 1862, 
p. 1194. Hofm. aber, und nach ihm Luth. (vgl. auch Chr. Hoffm.), 
lässt zwar V. 7ff. Paulus von Solchem reden, was der Zeit angehöre, 
welche über seinen Christenstand zurücklag, schieben aber von V. 14ff. 
an die leere Abstraktion (vgl. dagegen Phil., Th. Schott) unter, dass 
sich darin die Beschaffenheit seines sittlichen Standes abgesehen 
von seinem Leben in Christo darstellen soll. Die Fassung vom Un- 
wiedergeborenen ist auch unter den neuesten Kommentaren weitaus 
die herrschende (vgl. God., Beck, Otto, Böhmer, Zimmer, Lips.). 


ἀλλαὴ kann nicht den direkten Gegensatz gegen die 
zurückgewiesene Folgerung einführen (Phil, Meyer, Hofm., 
Holst., Luth., Böhmer, Lips., Sand.: sondern), da ja die 
zunächst konstatirte Wirkung des Gesetzes dieselbe noch gar 
nicht ausschliesst, vielmehr erst von V. 12 an hervortritt, wie 
das Gesetz selbst an dieser Wirkung unschuldig ist. Es bildet 
also nur insofern einen Gegensatz, als es das zunächst mögliche 
Missverständniss aufklärt, aber doch etwas ihm zu Grunde 
liegendes Thatsächliches konzedirt: aber doch, allein. Vgl. 
Rück., Reiche, Frtzsch., de W., Volkm., God. und zu dieser 
Bedeutung des ἀλλά Kühner $ 535, 4. - τὴν ἁμαρτίαν 
οὐκ ἔγνων, εἰ un διὰ νόμου) Die ἁμαρτία ist auch hier 
als wirksame Macht im Menschen gedacht, mit welcher der 
Apostel als solcher ohne die Dazwischenkunft eines Gesetzes 
Eee τῆς nicht bekannt geworden wäre, weil sie ohne 
dieselbe gar keine Gelegenheit gehabt hätte, sich in ihren 
Wirkungen kundzuthun. Natürlich war es das Mosaische 
Gesetz, an welchem dem Apostel die Sünde erfahrungsmässig 
zum Bewusstsein kam; ein absichtlich schreibt er das 
artikellose νόμου, weil das Mosaische Gesetz nicht, sofern es 
dieses besondere Gesetz ist, sondern, sofern es überhaupt Ge- 
setz ist, ihm jene Kenntniss der Sünde vermittelte, und darum 
diese Erfahrung auch ausserhalb des heilsgeschichtlichen Ge- 
bietes sich überall wiederholt, wo Gesetz ıst, auch auf dem 
Gebiete des Heidenthums (21f.)*). — τήν rs γὰρ ἐπιϑυ- 
μίαν οὐκ ndeıv) Da die Begierde (nach dem Verbotenen) 


ἢ So mit Recht Hofm., Beck., Luth., Otto. Das τὴν au. οὐχ 
ἔγν. ist also hier nicht mit der ἐπέγνωσις r 320 zu verwechseln, 
die ja erst durch die Vergleichung des sittlichen Zustandes mit den 


Meyer'’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 2%0 


306 Röm 77.8. 


thatsächlich die erste Gestalt ist, in welcher die im Menschen 
vorhandene Sündenmacht sich geltend macht und ihn zu 
einem gottwidrigen Verhalten bestimmt (vgl. Hofm., Otto), so 
hebt der Apostel hervor, dass nicht nur die Sündenmacht als 
solche, sondern auch das Begehren (nach etwas ihm von Gott 
Versagtem) ihm erfahrungsmässig unbekannt geblieben wäre, 
wenn nicht das positive Mosaische Gesetz (ὁ vouog) sagte: 
οὐκ ἐπιϑυμήσεις (Ex 207. Din 5a), Du sollst nicht be- 
gehren. Ueber das gebietende Futurum der alten Gesetzes- 
sprache 8. z. Mt 121. Was das Gesetz zu begehren verbietet, 
war hier gleichgültig, wo es nur auf das Verbot des sündigen 
Begehrens überhaupt und an sich, ohne Objektsbeziehung 
ankam ε — V. 8 stellt mit δέ der negativen Aussage V. 7 
die Darlegung des positiven Herganges, durch welchen die 
erfahrungsmässige Kenntnis der Begierde eingetreten sei, 
egenüber: wohl aber. — ἀφορμὴν λαβοῦσα) hebt aus- 
drücklich hervor, wie das Gesetz nıcht Ursache der Sünde 
geworden sei, sondern nur Anlass gegeben habe zum Wirksam- 
werden und dadurch zum erfahrungsmässigen Erkennen der 
im Menschen vorhandenen Sündenmacht. Daher heisst auch 
λαβοῦσα nicht: Anlass nehmend (Meyer, God., Luth., Goeb.), 


Forderungen des Gesetzes eintritt (gegen Krehl, Hofm., God., Chr. 
Hoffm.), auch nicht mit der theoretischen Erkenntniss des Wesens 
der Sünde, dass diese nämlich der Gegensatz gegen Gottes Willen 
sei (Thol., Phil., Sand., vgl. v. Heng. und Aeltere); aber irrig, weil 
dem Folgenden vorgreifend, auch Frtzsch.: ich würde nicht gesündigt 
haben, »cognoscit autem peccatum, qui peccat« Vgl. de W. Das 
artikellose »öuos ist auch hier sowenig das Mosaische Gesetz (so 
Meyer u. d. Meisten), wie das Sittehgesetz überhaupt in allen Formen 
seiner Offenbarung (Olsh.); und offenbar irrig behauptet de W. sogar, 
dass nur von einem positiven Gesetze, wie dem Mosaischen, der Satz 
in vollem Sinne gelte. 
*) Es ist dasselbe darum auch nicht auf das zehnte Gebot im 
Gegensatz zu allen früheren zu beziehen (gegen God.). Die hypo- 
thetische Fassung der Präterita (vgl. noch Lips.) oder des ἤϑεεν — ἔλεγεν 
allein (God.: ich hätte die Lust nicht kennen gelernt, wenn nicht 
das Gesetz gesagt hätte, vgl. Goeb.) ist nur die Form, in der wir 
ung die aus der Erfahrung des Apostels resultirende Wahrheit ver- 
gegenwärtigen. Das fehlende ἄν zeigt, dass der Apostel rein seine 
thatsächliche Erfahrung ausspricht und auf die Möglichkeit der ent- 
egengesetzten garnicht reflektirt (vgl. Holst., Otto, Sand. nach 
Kühner 8 392b, 4). Das re, wie 126, dem δέ V. 8 korrelat zu fassen, 
so dass dieses noch von yap abhängt (Meyer, Luth.: einerseits — 
andererseits), ist unrichtig; es fügt das mit dem οὐ yırmazeıy der 
Sünde unmittelbar gegebene οὐχ εἰδέναε der Begierde an. Vgl. 
v. Heng., Otto, Chr. Hoffm. denkt auch hier an das Kennenlernen 
der Begierde in ihrer gesetzwidrigen Qualität (vgl. @od.. der erst in 
V. 8 findet, was auf das Erkennen der Begierde folgt). 


Röm 78. 9. 801 


sondern: Anlass empfangend. Vgl. Hofm., Holst., Beck., 
Otto, Böhmer, Chr. Hof, Sand., Lips. Wodurch sie diesen 
Anlass empfangen hatte, ist nicht gesagt, gemeint ist aber 
natürlich das Gesetz, wie dadurch angedeutet wird, dass nun 
erst ausdrücklich gesagt wird, wie die Sünde mittelst des Ge- 
botes (dıa τῆς ἐντολῆς) οὐχ ἐπιϑυμήσεις (V. 7) in ihm 
jegliche Begierde zu Stande gebracht habe (κατειργάσατο, 
vgl. 127), ἃ. ἢ. die Begierde nach Allem im Gesetz Ver- 
botenen, wie sie überall erst eintreten kann, nachdem das 
Gesetz etwas zu begehren verboten hat (»ignoti nulla cupido«, 
Ovid. A. A. 397)*). — χωρὲς γὰρ νόμου ἁμαρτία νεχρα) 
sc. ἐστι, weil die Auslassung des Verbums einen allgemeinen 
Satz verräth: denn ohne Gesetz, d. h. wenn sie nicht mit 
einem Gesetze in Beziehung tritt, ist die Sünde, das sündige 
Prinzip im Menschen, todt, d. i. nicht aktiv, weil dasjenige 
fehlt, was ihr den Anlass zu einer Lebensäusserung geben 
kann. Vgl. IKor 155. Dem Charakter des Satzes als eines 
allgemein gültigen entsprechend steht auch hier das artikel- 
lose νόμου, da die Erfahrung, welche Paulus mit dem offen- 
barten Gesetz gemacht hatte, sich ihm aus der gemeingültigen 
Thatsache erklärt, dass Sünde todt ist, wo kein Gesetz ihr 
dazu dient, wirkungsfähig zu werden **). 

V.9f. ἐγὼ δέ ἔζων) Mit dem metabatischen δέ schreitet 
der Apostel von dem über die Bedeutung des χωρὶς νόμου 
für die Sünde Gesagten zu der Bedeutung desselben für seine 


*) Das διὰ τ. ἔντ. ist also nicht mit ἄφορμ. λαβ. (Luther u. V., 
auch Reiche, Kölln., Olsh., Phil., Maier, Ew., Holst., Otto, Goeb., 
Zimmer, Chr. Hoffm.) zu verbinden, was ohnehin durch die Stellung 
von ἡ ἁμαρτία hinter διὰ r ἐντολ. angedeutet sein müsste, weil ἀφορμι. 
λαμβάνεεν niemals mit dia (oft mit 2x wie Polyb. 3, 32, 7. 8, 7, 5) 
konstruirt wird und weil V. 11 (δε αὐτῆς aneer.) und V. 13 die Ver- 
bindung mit xareıgy. bestätigen. Voran steht es, weil der Nachdruck 
darauf liegt, dass mittelst des Gebotes die Sünde die Begierde er- 
regte, und so sich eben zeigt, wie mittelst des Gesetzes (zu dem die 
ἐντολή gehört, das aber nicht mit &rroln bezeichnet ist, wie Reiche, 
Otto wollen) die in der Begierde zur Erscheinung kommende Sünde 
uns erfahrungsmässig bekannt wird. Auch hier ist natürlich ἡ ἁμαρτία 
nicht die sündliche Thätigkeit (gegen Reiche). 

**, Nach Krummach., der mit Beza, Reiche 7» ergänzt, soll das 
einfache χωρὶς ruuov heissen: ohne Erkenntniss und Beherzigung der 
auf die tiefsten Regungen sich ausdehnenden und sie verurtheilenden 
Bedeutung des Gesetzes. Das Eintreten dieser Bedeutung in’s Be- 
wusstsein soll dann ἐλϑούσης τῆς ἐντολῆς sein! Unrichtig Chrys., 
Calv., Est., Olsh.u.M.: in νεχρά liege die Nichterkenntniss der Sünde 
(οὐχ οὕτω γνώριμος) Das νόμου geht also nicht auf das Mosaische 
Gesetz (so gew., auch Meyer, vgl. dagegen Hofm., God., Beck, Luth., 
Goeb.), was hier selbst Lips. zuzugeben scheint. 


2 * 





308 Röm 78. 


Person fort; daher das betonte ἐγώ. Unmöglich aber kann 
das ἔζων den Gegensatz zu dem vexpa V. 8 bilden (Meyer, 
Hofm., Beck, Böhmer), da ein solcher doch nur ein rein for- 
maler, ἃ. h. ein leeres Wortspiel wäre. Denn während dort 
das durch »vsxea verneinte Leben nur die Aktivität ist, ist 
hier, wie der Gegensatz des ἀπέϑανον V.10 zeigt, das Leben 
im prägnanten Sinne gemeint, d. h. wie es allein in vollem 
Sinne Leben zu heissen verdient*). Das σεοτέ (Gal lıs. 28), 
das der Apostel im Auge hat, bestimmt sich nach dem Fol- 
genden lediglich als die Zeit, wo das Gesetz ihm noch nicht 
in’s Bewusstsein getreten war und das Sündenprinzip noch 
nicht zur Bethätigung erweckt hatte. Warum man das nicht 
den Stand der kindlichen Unschuld nennen soll (vgl. Lips., 
Orig., Augustin. c. duas ep. Pel. 1, 9, Winz. p. 11, de W,, 
Ew., Zimmer), ist nicht abzusehen, wenn man auch besser 
»kindliche Unbewusstheit« (gegen Goeb.) sagen sollte, da ja 
Paulus auch in ihm schon das Sündenprinzip im Menschen 
wohnend denkt **). ἐλϑούσης δὲ τῆς ἐντολῇ ς) als aber 
das οὐκ ἐπιϑυμήσδις des Mosaischen Gesetzes gekommen, 








*) Schon dieses Gegensatzes wegen kann das ἔζων unmöglich 
bloss gleich 79 sein (Reiche, v. Heng.). Es ist das noch nicht durch 
Jen obnmächtigen Kampf mit der durch das Gesetz aktiv gewordenen 
Sündenpotenz gestörte und unselig gewordene Leben gemeint, da 
letzteres kein wahres Leben mehr genannt zu werden verdient. 
Darüber führt der Kontext nicht hinaus. Ein Vergleich mit dem 

aradiesischen Zustand der ersten Eltern (Meyer, vgl. Theodor., de W., 
olst., Lips.) ist durch denselben in keiner Weise indizirt; ebenso- 
wenig, dass der Mensch noch nicht dem ewigen Tode verfallen (Meyer, 
Chr. an): oder dass sein Leben ein Leben der Gottangehörigkeit 
(Hofm., Luth.), ein Leben mit Gott war (Otto). Statt εζων liest B 
e{nv; beide Formen sind klassisch. Vgl. Eliendt, Lex. Soph. I, p. 738. 

**) Ganz willkürlich ist es, die Zeit bis dahin zu erstrecken, wo 
Paulus einsah, dass das Gesetz nicht bloss die äussere That, sondern 
auch die innere Neigung fordere (Pbil., Thol., God.), oder an den 
Pharisäerstand des Paulus zu denken, in welchem ihn das Gesetz 
noch nicht geschreckt habe, wobei man das ἔζων willkürlich umdeutet 
in: videbar mihi vivere (Augustin., Erasm., Par., Est.) oder securus 
eram (Luther, Melanth., Beza, Calv., Piscat., Calov., Beng. u. M., auch 
Krummach.), und diese Zeit bis zur Bekehrung des Apostels ausdehnt. 
Diejenigen, welche Paulus im Namen seiner Nation reden lassen, 
denken an das reinere und schuldlosere Leben der Patriarchen und 
der Israeliten vor der Gesetzgebung (nach m. Vätern Grot., Turrret., 
Locke, Wttst. und neuerlich Reiche, vgl. Frtzsch., der, wie Reiche 
bei dem ἐλϑεῖν des Gesetzes an die Mosaische Gesetzgebung denkt), 
wie Lips. an Gen 211 und bei dem daveinoev ἡ ἁμαρτία an Gen 26 
erinnert. Hilgenfeld denkt gar an ein vorirdisches Leben der prä- 
existenten Seele (in 8. Zeitschr. 1871, p. 190f., vgl. ἃ. ἃ. O. p. 146 ff.). 
Ganz grundlos bestreitet Hofm., dass Paulus aus eigener Erinnerung 


Röm 79. 10. 809 


ἃ. 1. meinem Bewusstsein gegenwärtig geworden war. In 
jener Zeit eines noch ungehemmten und ungetrübten Lebens 
war die ἐντολή für ihn noch nicht ergangen, hatte sich noch 
nicht eingestellt. Vgl. zu Gal3s. — ἡ ἁμαρτία ἀνέζησ δ᾽) 
Vulg.: revixit, erklärt Meyer, analog dam ἀναβλέπτω Joh 9::, 
aus der Anschauung, dass die Sünden-Potenz im Menschen 
von Haus aus und ihrer Natur nach eine lebendige Macht, 
aber durch den Mangel eines Gesetzes gleichsam zur Leb- 
losigkeit verurtheilt ist und erst, wenn das Gebot eintritt und 
ihr Anlass zur Bethätigung giebt, ihre eigentliclie lebendige 
Natur wieder annimmt, ἐδ so wieder lebendig wird (vgl. 
v. Heng.: »e sopore vigorem recuperavit«). Einfacher erinnert 
man daran, wie die Sünde nach Röm 5ı2 mit Adam in das 
menschliche Geschlecht hineinkam (Beng., Phil. nach Augustin.), 
und als lebendig wirksame auch in jeden Einzelnen von seinen 
Eltern her (Böhmer) hineinkommt (Otto), seine angeborene 
Natur korrumpirend, und dort nur gebunden, d. h. in einem 
relativen Todeszustand bleibt während der Zeit der kindlichen 
Unbewusstheit ἢ). — V. 10. ἐγὼ de ἀπέϑανον) Vgl. Calv.: 
mors peccati vita hominis, rursus vita peccati mors hominis. 
Wieder bildet das ἀστέϑανον nur einen formalen Gegensatz 
zu dem ἀνέζησεν, während es materiell den Gegensatz zu dem 
prägnanten ἔζων V. 9 bildet. Wie dort betont das ἐγώ, 
nachdem gezeigt war, welchen Erfolg das Kommen des Ge- 
setzes für die Sündenmacht hatte, was derselbe für ihn be- 
deutete: ich verlor jenes wahre Leben, fiel einem Zustande 
anheim, der nicht mehr Leben zu heissen verdient, und das 


rede, und behauptet, er lege nur in Gestalt eines eigenen Erlebnisses 
dar, was der Christ vermöge der Erkenntniss, die er als Christ be- 
sitzt, über die Wirkung des Eintrittes des Gebotes weiss. 
*) Vgl. noch Luth., Goeb. Gegen den Sprachgebrauch des NT 
(Lk 1524. ss. Röm 149. Apk 205) behaupten Thol., Rück., Frtzsch., 
B.-Crus., de W., Hofm., God. Beck, Lips. u. besonders Böhmer (obwohl 
das Richtige daneben gebend, 8. o.), es heisse nur: aufleben. Vgl. 
dagegen noch Nonn. Joh 535: aurıs ἀναζήσωσιν, wo (gegen Frtzsch.) 
αὖτις nach bekanntem Pleonasmus noch dazu gesetzt ist, und ἐπανα- 
ζώσει, reviviscet, Dial. Herm. de astrol. 1, 10, 42. Ueberhaupt ist die 
Anführung anderer Verba composita mit «va, in welchen dieses nicht: 
wieder, sondern: auf, empor bedeutet (und das ist ja bei sehr vielen 
der Fall), ohne alle Beweiskraf. Man hätte Stellen anzuführen 
gehabt, in denen ἀγναζὴῆν bloss: aufleben heisst. Dagegen heisst 
auch ἀναζωόω bei Aq. u. Symm. reviviscere facio. 8. Schleusn. Thes. I, 
.219. Und auch das häufige klassische ἀναβιῶ und ἀναβιώσχομαι ist 
immer: wieder aufleben; Plat. Rep. p. 614B. Polit. p. 272. Lucian. 
Q. hist. 40: ἀνεβέουν ἀποθανών, Ga 18. Vgl. ἀναβίωσις IIMak 79. 
Ganz willkürlich Chr. Hoffm.: die Sünde befand sich im Besitz einer 
von Gott selbst als berechtigt anerkannten Macht über Jen Menschen. 


310 Röm 710. 11. 


ist der Sache nach der geistliche Tod (Seml., Böhme, Rück.), 
von dem also hier des Kontextes wegen ἀέϑανον ge- 
deutet werden kann und muss. — εὐρέϑη μοι) es ward mir 
erfunden, erwies und ergab sich mir im thatsächlichen er- 
fahrungsmässigen Erfolge; vgl. Gal 21. Mtiı. — ἡ ἐντολὴ 
ἢ εἰς ζωήν) ist wohl nicht durch οὖσα zu ergänzen (Meyer); 
enn eben durch die Weglassung jedes Partizips wird es dem 
Apostel möglich, durch das gleiche eig zuerst das intendirte 
Ziel und dann das faktisch erreichte Ziel auszudrücken (vgl. 
. zu ὅ18. Die Verheissung des Lebens, welche an die Be- 
folgung des Mosaischen Gesetzes überhaupt geknüpft war 
Lev 185), von Paulus, wie immer (vgl. 1.17, im höchsten 
inne des ewigen Lebens genommen, galt auch der ἐντολή. 
Mit tragischem Nachdruck nimmt das αὕτη noch einmal den 
Begriff dieses dem Menschen zur Erlangung seines höchsten 
Zieles gegebenen Gebotes auf, das nun thatsächlich zu dem 
ἐπ ne θη Ziele geführt hat. Das eis ϑάνατον kann 
zunächst nur den geistlichen Tod im Sinne des ἀπέϑανον be- 
zeichnen (God.), da dieser allein bereits faktisch eingetreten 
ist; aber in dem Gegensatz zu dem vom Gesetz intendirten 
(ewigen) Leben liegt es angedeutet, dass mit dem Tode in 
diesem Sinn zugleich der ewige Tod gegeben war, und in 
diesem ΟΡ ΘΉδὴ ruht gerade das Akumen der Stelle *). 
V.11f. ἡ γὰρ ἁμαρτία) Das nachdrücklich voran- 
tretende Subjekt zeigt, dass die Rückkehr zu dem Gedanken 
von V.8 noch einmal konstatiren soll, wie es nicht die &z0A7 
war, die diesen tragischen Erfolg herbeiführte, sondern die im 
Menschen wohnende Sündenmacht. Auch hier kann das dıa 
τῆς ἐντολῆς nicht zu ἀφορμὴν λαβοῦσα gehören, sondern 
nur zu ἐξηπάτησεν (IlKor 118), wie der Parallelismus zeigt. 
Indem sie das Verbotene als begehrenswerth und damit das 
Verderbliche als gewinnbringend erscheinen liess, täuschte die 
Sünde ihn völlig. Bem. das verstärkende Comp. ἢ"). — ἀ πέ- 
xTeLvey) wie ἀχεέϑανον V.10, daher auch hier nur vom Ver- 





*) Die Begriffe Javaros und ζωή hier im physischem Sinne zu 
nehmen, ist unmöglich, da ja der Mensch auch nach dem Eintreten 
des Gesetzes noch lebt, und da ἀπέϑανον nicht heissen kann: ich 
wurde sterblich (Lipe., der an Gen 332 erinnert), ebensowenig aber: 
ich verfiel dem ewigen Tode (Meyer) oder der Unseligkeit, der Seelen- 
ἐδ: (de W., Böhmer); ich kam unter die Herrschaft des Todes (Chr. 

offm.), oder gar: ich war als Verurtheilter im rechtlichen Sinne 
todt (Otto). Willkürliche Beschreibungen des gemeinten Todes- 
zustandes vgl. auch bei Hofm., Luth. Das αὕτη ist nach der Analogie 
von V. 15f. 19f. nicht αὐτή zu schreiben (Beng., Hofm.). 

**) Eine Anspielung auf die Schlange im Paradiese finden Meyer, 


Röm 711---18. 311 


lust des wahren Lebens zu nehmen und nicht gleich dem vom 
Gesetz ausgesagten aswoxzeiveıv IIKor 36. — V. 12. ὥστε) 
wie V. 4, zieht das Ergebniss der ganzen Erörterung, wonach 
das Gesetz zwar durchaus heilig und darum an der unseligen 
Wirkung (V. 5£f), von der V. 7 ausging, völlig unschuldig, 
aber von der Sünde zum Mittel ihrer verderblichen Wirkung 
gemissbraucht ist. Der durch ὁ μὲν νόμος vorbereitete Gegen- 
satz folgt der Sache nach V. 13, aber nicht der Form nach. 
Wie Gott selbst ἅγεος ist, so auch das von ihm stammende 
Gesetz (IIMak 62. 28), so dass es also mit der Sünde un- 
möglich etwas zu thun haben, geschweige denn ἁμαρτία sein 
(V.7) kann. Dass dasselbe auch von der &»roAn ausdrücklich 
gesagt wird, hat seinen Grund in der Bedeutung, welche der- 
selben V.”7 beigelegt war, sofern sie gerade die Erregung der 
ersten Bethätigung der Sünde, der ἐσειϑυμία vermittelte. Von 
ihr wird aber noch ausdrücklich hervorgehoben, dass sie nicht 
etwa zu streng, sondern in ihrem Urtheil über die &rsı Ivuia 
nicht: in ihren Forderungen, Lips.) der göttlichen Heiligkeit 
urchaus entsprechend (dı“ai«) und für den Menschen heilsam 
(ἀγαϑή, im Sinne von 88, nicht: in ihrem inneren Werth, 
Lips.) sei*). — V. 13. τὸ οὖν ἀγαϑόν etc.) So unterbricht 
Paulus selbst die Exposition des aus seinen Erörterungen zu 
ziehenden Resultates, weil sich aus der Behauptung V. 12, 
zusammengehalten mit der V. 10 1, konstatirten Thatsache, der 
Widerspruch zu ergeben scifien, dass das an sich Gute und 
Heilsame für ihn thatsächlich das gerade Gegentheil geworden 
sei (£y&vero), nämlich ϑάνατος, d. ἢ. nach bekannter Me- 
tonymie: Ursache des Todes, also des höchsten Uebels (im 
Sinne von V. 10f). Paulus weist diese Folgerung zurück 
(un γένοιτο, vgl. V. 7) und giebt nun in der Form des 
direkten Gegensatzes zu derselben dasjenige, was er nach der 
Anlage von V. 12 nicht in dieser Form, sondern in einem 


God., Böhmer, Lips. u. A. der Natur der Sache und auch dem Aus- 
drucke nach (LXX. Gen 3ı3) wahrscheinlich, was Otto wohl mit Recht 
bezweifelt. Böhmer findet den Betrug zugleich darin, dass sie das 
Verbot als nicht gut gemeint darstellte, Chr. Hoffm. gar darin, dass 
der Mensch das Verbot als eine auf den Tod des Menschen abzielende 
Einrichtung ansah. 

Ἢ Es ist offenbar unnatürlich, das μέν als solitarium zu fassen 
(»das Gesetz an und für sich, das Gesetz als solches«), die Erwähnung 
der ἐντολή daraus zu erklären, dass einzelne ἐντολαί nach jüdischen 
Theologumenen auf untergeordnete Geister zurückgeführt wurden, und 
das δικαία im Sinne von: unparteiisch zu nehmen, da die V. 7 ange- 
zogene £rtoln eben keine Todesstrafe verhängt, am wenigsten gegen 
einen Einzelnen (gegen Otto). 








312 Röm 1718. 


dem Satze mit μέν entsprechenden Satze mit de zu geben 
Willens war*). — ἀλλὰ ἡ ἁμαρτία) sc. ἐμοὶ ἐγένετο ϑά- 
varoc. Diese Thatsache ıst aber nach Paulinischer An- 
schauung eine göttlich geordnete. Sie hat die Absicht (ἕνα), 
dass die Sünde erscheine (φανῇ, vgl. Gen 4215. Prv 21a. 
Mt θδ. 18) als das, was sie ist, nämlich als Sünde (ἁ μαρτί α), 
weil nur die Erkenntniss der Sünde in ihrem wahren Wesen 
zum Verlangen nach Befreiung von ihr führen kann. So wird 
das V. 7 dem Gesetze zugedachte Prädikat derjenigen Potenz, 
der es in Wahrheit allein zukommt, zugeeignet. Die Sünde 
aber konnte sich nicht deutlicher als Sünde, d.h. als das dem 
Willen Gottes schlechthin Widerstreitende offenbaren, als 
wenn sie dem Menschen den von Gott zugedachten Segen in 
Fluch verkehrte, indem sie mittelst des an sich Guten und 
Heilsamen (δεὰ τοῦ ἀγαϑοῦ) ihm Tod zu Wege brachte 
(κατεργαζομένη, vgl. V. 8), wodurch das Zuoi ἐγένετο ϑά- 
γατος V.12 aufgenommen und erläutert wird. — ἔνα γένηται 
etc.) nicht vom ersten Finalsatz abhängig (Lips.), sondern 
steigernder Parallelsatz (vgl. zu IIKor 95. Gal 314) zu ἕνα 
φανῇ etc., in welchem γένηται vom thatsächlichen Ergebniss 
zu fassen ist (vgl. 34). Die Sünde wird durch die Herbei- 
führung dieses Erfolges im Uebermaass, über die Maassen 
(καϑ᾽ ὑπερβολήν, vgl. IKor 12sı. IIKor 18. 4ır. Gal 
lıs u. 5. Wttst.) sündig. Die Wiederholung des Subjekts von 
nel (ἡ ἁμαρτία) und des von demselben angewendeten 

ittels war keineswegs überflüssig und bloss rhetorisch (gegen 
Meyer), da ersteres wohl in dem ersten Satz mit ἕνα ergänzt 
werden konnte, wo n ἁμαρτία unmittelbar vorherging, hier 
aber, wo dasselbe soweit entfernt steht, nothwendig ausgedrückt 
werden musste. Das διὰ τῆς ἐντολῆς war aber nothwendig, 
um zu erläutern, wie die angegebene göttliche Absicht mittelst 
der von Gott gegebenen ἐντολή verfolgt werden konnte. Weil 
Gott wusste, dass das Gebot von der Sünde als Mittel werde 
benutzt werden, um im Menschen Begierde zu Wege zu 
bringen (V.8) und ihn so zu tödten (V. 11), gab er das Gebot, 


—— ee et 


4“) Hier kann erst recht nicht davon die Rede sein, dass die 
Frage sich auf einen dem Apostel von judenchristlicher Seite ent- 
gegengehaltenen Einwand (Chr. Hoffm., Böhmer) bezieht, da sie ledig- 
lich die dialektische Form ist, in welcher Paulus das sich ergebende 
Resultat in seine schärfste Spitze zusammenzufassen sucht. Ganz un- 
natürlich ist es, mit Böhmer das ἐμοί zu τὸ ἀγαϑόν zu ziehen: die 
nachdrückliche Voranstellung rechtfertigt sich vollkommen dadurch, 
dass es seine eigene Erfahrung ist, an der jener scheinbare Wider- 
spruch zu Tage tritt. Das yeyore» (Rept.) statt ἐγένετο ist durch KL 
ganz ungenügend bezeugt (gegen Hofın.). 


Röm 718. 14. 813 


damit durch dasselbe die Sünde Anlass empfange, sich zu 
ihrem Gipfelpunkt zu steigern (5%) und dadurch sich in ihrer 
ganzen Sündhaftigkeit und Verderblichkeit zu offenbaren *). 
V. 14—25. Die Macht der Sünde im Fleisch als 
Ursache dieser unheilvollen Wirkung. — otldaue» 
ἀρ) begründet das Resultat, zu dem Paulus V. 12f. ge- 
ommen, wonach die unselige Wirkung des Gesetzes (V. 9ff.) 
nicht an ihm, sondern an der Sünde m und zwar zunächst 
durch das, was über das Wesen des Gesetzes ihm und seinen 
Lesern zweifellos bekannt ist (22. 319). Diese dürfen deshalb 
durchaus nicht jüdisch gerichtet sein (Lips.), da der göttliche 
Ursprung des Gesetzes auch bei Heidenchristen von Paulus 
als selbstverständlich vorausgesetzt wird (vgl. IIKor 99). — 
7Tvevuatıarog) bezeichnet nach feststehendem Paulinischen 
Sprachgebrauch den Ursprung des Gesetzes aus dem gött- 
lichen Geist (111), welcher ihm als dem heilsgeschichtlich 
offenbarten eignet (Theodoret: ϑείῳ ἐγράφη πνεύματι). Dass 
es als eine Selbstoffenbarung des göttlichen Geistes auch 
geistig-göttliche Art an sich trägt (Meyer, vgl. Sand.) und 
darum heilig ist, wie er V. 12 gefolgert hatte, ist die hier in 
Betracht kommende Folge davon, liegt aber nicht im Aus- 
druck **). — ἐγὼ de) stellt der anerkannten Aussage über die 


5) Ganz kontort konstruiren Luther, Carpz., Chr. Schmidt, Böhme, 
Flatt, Böhmer: ἀλλὰ ἡ ἁμαρτία διὰ τοῦ ἀγαϑοῦ μοι χατεργαζομένη nv 
(God.: ἐγένετο) ϑάνατον, ἵνα φανῇ ἁμαρτία. God. macht ausserdem das 
zweite ἵνα von χατεργαζομένη abhängig, was nur bei dieser Fassung 
erträglich ist, nicht aber bei der richtigen (gegen Luth.). Ganz un- 
nöthiger Weise und den direkten Gegensatz zum Vorigen aufhebend, 
nimmt Otto ἡ ἁμαρτία als voraufgenommenes Subjekt des als Um- 
schreibung des Imp. (Eph 5ss) gefassten Satzes mit fv«: sondern die 
Sünde sollte als Sünde erscheinen (vgl. Zimmer), und fasst das διὰ 
τὴς ἐντολῆς als steigernde Apposition zu διὰ τοῦ ἀγαϑοῦ, indem er 
ἵνα γένηται — ἡ ἁμαρτέα in Kommata einschliesst. Hofm. trennt gar 
ἢ ἁμαρτία διὰ τὴς ἐντολῆς von γένηται und betrachtet es als Wieder- 
aufnahme und Vervollständigung von ἡ ἁμαρτέκ (sc. ἐμοὶ ἐγέν. ϑάνατ.). 
Das γένηται logice zu nehmen (de W. u. A., vgl. Otto, Lipe.), ist hier 
um so weniger zulässig, weil dadurch der Fortschritt des Gedankens 
aufgehoben wird. 

**) Dagegen gehen die Reflexionen darauf, dass es διϑάσχαλος 
ἀρετῆς καὶ χαχίας πολέμιος ist (Chrys.), dass sein im göttlichen Geiste 
wurzelnder Inhalt nur von denen erfüllt wird, die das πνεῦμα haben 
(Thol., mit Calov. verschiedene Beziehungen verbindend), dass zwischen 
dem Gesetze und dem Tode keine Verwandtschaft besteht (Hofm., 
Luth.), oder dass es eine unerfüllbare gottähnliche Tugend verlangt 
(Calv.: »Lex coelestem quandam et angelicam justitiam ul) 
völlig über den Wortsinn hinaus. Gegen den Paulinischen Sprach- 
gebrauch und gegen die kontextgemässe Tendenz dieser Aussage haben 
Andere πρεῦμα von der höheren geistigen Natur des Menschen (Mt 








814 Röm 71. 


Beschaffenheit des Gesetzes gegenüber eine aus eigener Er- 
fahrung geschöpfte Aussage über die Beschaffenheit seines 
Ich, da nur aus dieser Beschaffenheit sich erklärt, wie die 
Sünde sich des Gesetzes als Mittels bedienen konnte, um ihn 
zu tödten (V.13). Obwohl diese Gegenüberstellung ihn nöthigte, 
die Aussage mit εἰμί einzuführen und die daran sich 
knüpfende Schilderung im Präsens fortzuführen, so zeigt doch 
schon der Zusammenhang, dass er nicht sein Ich meinen 
kann, wie es nach seiner Bekehrung durch die Wiedergeburt 
geworden, da er aus der gegenwärtigen Beschaffenheit des- 
selben ja nicht begründen könnte, was er als Resultat seiner 
Erlebnisse unter dem Gesetz V. 12f. zusammenfasst hatte. 
‚Dass trotzdem diese Präsentia nöthigten, anzunehmen, dass 
irgendwie dies Alles auch noch gegenwärtig von seinem Ich 
ausgesagt werden könne (vgl. d. Anm. zu V. 7 und noch 
Goeb.), ist offenbar unrichtig, da das Präsens der Schilderung 
überall nur der lebendigen Vergegenwärtigung der Situation 
dient, und stets erst aus dem ΖΝ ας ange sich ergeben 
kann, welcher Zeit die geschilderte Situation angehört. Auch 
hier betrachtet er selbstverständlich seine Erfahrung, aus der 
diese Aussage geschöpft, als die aller Andern, die unter dem 
Gesetze stehen (vgl. ebendaselbst). — oaexıvog) vgl. ΠῚ ΚΟΥ 
33. IKor 3ı. Plat. Leg. 10. p. 96C. Theocrit. 21, 66. 
IHChr 828. ἘΠ 11:9. 36%, ist nicht gleich dem qualitativen 
σαρχικός, fleischlich (s. Tittm. Synon. p. 23) d. 1. durch die 
σάρξ in seiner Beschaffenheit bestimmt, sondern ist Ausdruck 
der Substanz und bezeichnet: fleischern, aus Fleisch bestehend. 
Fleisch aber ist das natürlich-menschliche Wesen in seiner 
Unterschiedenheit vom Göttlichen (vgl. zu 14) und darum 
auch von dem Geiste, aus dem das Gesetz stammt. Diese 
Unterschiedenheit ist aber durch die im Menschen wohnende 


2641) gefasst (Decum. 2, Beza, Kölln., Reiche: »insofern es die Ent- 
wickelung und Aeusserung des πνεῦμα nicht hindert, sondern förderte, 
de W.: »von geistigem Gehalte und Charakter«, Otto: »der ursprüng- 
lichen, dem πνεῦμα von Gott gegebenen Bestimmung vollkommen ent- 
sprechend«, vgl. Chr. Hoffm.), oder gar beide Beziehungen von πρεῦμα 
in der Deutung des Ausdrucks verbunden (Rück.: »wiefern es gemäss 
seinem göttlichen Ursprunge an die höhere Natur des Menschen die 
Forderung einer gottähnlic en Tugend stellt«). Hieron, Est., Seml., 
Koppe, Flatt, Reiche, Hofm., Tb. Schott, Beck, Otto wollen οἶδα μέν 
schreiben, dem aber nur ein εἰμὶ δέ logisch gegenübertreten könnte, 
weshalb Hofm. vor οἶδα ganz willkürlich ein »nur« einschiebt, und 
Otto die Korrelation von μέν — δέ bestreitet. Gewöhnlich bezieht 
man die Begründung nur auf V.13 (vgl. noch Otto), wohl gar lediglich 
auf den letzten Zwecksatz (Th. Schott). 


Röm 714. ı5. 315 


und ihn knechtende Sünde zur Gegensätzlichkeit verkehrt, 
weshalb der Apostel noch ausdrücklich hinzufügt: zersea- 
μένος ὑπὸ τὴν ἁμαρτίαν, verkauft unter die Botmässig- 
keit der Sünde, ἃ. ἢ. von der Gewalt der Sünde so völlig ab- 
hängig wie ein Leibeigener von dem Gebieter, an welchen er 
verkauft ist (Theodor. Mopsv.). Vgl. IReg 21.20.5. IIReg 
171. IMak 115. Nur diese Knechtschaft unter die Sünde 
ist die Ursache, dass das im Menschen befindliche höhere 
Wesenselement (vgl. V. 18. 22f. 25) der Sünde gegenüber 
ohnmächtig ist und unwirksam bleibt, also neben seinem 
Wesensbestand aus Fleisch garnicht in Betracht kommt, so 
lange noch nicht, wie bei dem Gläubigen, die spezifisch gött- 
liche Macht des πνδῦμα ihn zu einem erfolgreichen Kampf 
wider dieselbe betähigt *). 

V. 15f. ὃ γὰρ xarepyaloucı) begründet die That- 
sache dieses Sklavenverhältnisses dadurch, dass, was er zu 
Wege bringt (vgl. 17), ihm (natürlich ohne diese Annahme) 
schlechthin unbegreiflich ist. Das οὐ γινώσκω heisst also 


*) Hier ist es klar, wie die σάρξ nicht »das physisch belebte 
und bestimmte materielle Menschenwesen der Erscheinung« (Meyer) 
ist, da nur, wenn in ihr ein der Einwirkung der Sünde zugängliches 
Element (die ψυχή) ist, der seiner Substanz nach aus Fleisch be- 
stehende Mensch, von der Sündenmacht geknechtet sein kann. Lips. 
lehnt zwar die Vorstellung, als ob in dualistischem Sinn das Fleisch 
mit seinen sinnlichen Trieben als stindhaft gedacht sei (Holst. u. A.), 
ab, behauptet aber doch, dass hier die Naturnothwendigkeit des 
Sündigens in der Fleischessubstanz des Menschen begründet sei. Er 
übersieht, dass das πεπραμένος nicht die Folge des oagxıros ist, 
sondern erläutert, weshalb dies σάρχινος den Gegensatz gegen das 
πνευματικός begründet. Er muss daher auch hier einen Widerspruch 
mit 815 finden, wonach die Sünde erst als Folge des Adamitischen 
Sündenfalls zu dieser Herrschaft über den Menschen gelangt ist, und 
also allerdings dieser Gegensatz erst durch die durch diese Herrschaft 
sündhaft gewordene fleischliche Willensrichtung des Menschen 
bedingt ist. — Die Rept. liest oapxıxos (LP Orig.), das offenbar dem 
πνευματιχὸς konformirt ist. Bei den Griechen steht zıngaazesdu mit 
zwi (Soph. Tr. 251. Dem. 1304. 8. Lucian. Asin 32, vgl. auch Lev 
2559. Dtn 2868. Jes ὅθ:. Bar 46), hier zur stärkeren Bezeichnung 
des Verhältnisses mit ὑπό (vgl. Gal 48). Vgl. πιπράσχειν εἰς τὰς 

eioas ISam 237. Jud 725; zur Sache auch Senec. de brev. vit. 3. 

er dar Ich unter die Sünde verkauft hat, hat Paulus schwerlich 
gefragt, der nur die Thatsache des Verkauftseins konstatirt (Bem. 
das Part, Perf. Pass... Nach Böhmer wäre es Adam, nach God. das 
Fleisch, nach Otto gar das ἐγώ, womit natürlich die Paulinische 
Lehre von der von Adam her in die Menschenwelt eingedrungene 
Sünde aufgehoben ist; denn die Sünde ist eben Macht und als Macht 
eingedrungen, die so lange unbedingt herrschen muss, als ihr keine 
höhere Macht entgegentritt, und eine solche ist allein das göttliche 
πνεῦμα. 


816 Röm 715. ıe. 


einfach: ich verstehe nicht, was ich zu Wege bringe (vgl. 
Volkm., Zimmer), bin mir selbst in meinem Thun ein un- 
erklärliches Räthsel (vgl. schon Ernesti), sofern in demselben 
stets das gerade Gegentheil von dem zu Tage tritt, was ich 
eigentlich will. Schon die Väter und die meisten Neueren 
(auch noch Meyer, Holst., God., Lips., Sand.) erklären es von 
dem Mangel vernünftiger Einsicht, von dem Zustande der 
Grebundenheit seiner sittlichen Vernunft. Allein, nach dem 
Folgenden handelt der Apostel mit vollkommen klarem sitt- 
lichem Bewusstsein darüber, dass, was er thut, das Böse ist. 
Auch steht nicht da, dass er ohne Einsicht in das eigentliche 
Wesen und das Ziel dessen, was er thut, handelt (Otto, vgl. 
schon Meyer), sondern dass er das, was bei allem seinem 
Handeln herauskommt, nicht begreift ἢ). — οὐ γὰρ ὃ ϑέλω 
etc.) kann unmöglich beweisen, dass er ohne sittliche Er- 
kenntniss handelt (gegen Meyer), da ja das ϑέλειν eine solche 
voraussetzt, sondern nur, dass in seinem Thun ein unbegreif- 
licher Widerspruch vorliegt, der erst V.17 gelöst wird. Denn 
während sonst die Neigung des Menschen, sein Wunsch (so 
im NT ϑέλω im Gegensatz zu der erwogenen Selbstbestimmung; 
dem Willensentschluss, βούλεσθαι, wie 118. Mt 119, vgl. 
Böhmer) die Richtung seiner Thätigkeit, sein Thun und 
Treiben (πράσσω, wie 13) bedingt, treibt er gerade das 
(Bem. das nachdrückliche τοῦτο), was er wünscht, nicht. 
Im Gegensatz (ἀλλα) steigert Paulus absichtlich den Aus- 

ck und sagt nicht nur, dass er Nichtgewolltes, sondern 
dass er in jedem einzelnen Falle solches thut (zroıw), was er 
verabscheut, was ihm verhasst ist, also doch sicher von ihm 
als ein Verwerfliches erkannt wird (ὃ uıow)**. — V. 16. 
ὃ οὐ ϑέλω) nimmt das ὁ μισῶ V. 15 auf; denn das Ver- 


*) Augustin., Beza, Grot., Est., Flatt, Glöckl., Reiche, Reithm., 
Böhmer fassen das γεγώσχω geradezu im Siune von: billigen, an- 
erkennen, was es nie heisst, Chr. Hoffm. gar im Sinne von: beschliessen 
aus innerem geistigen Antriebe. Nur eine andere Wendung dieser 
Umdeutung ist die Berufung auf den angeblich biblischen Sinn des 
aneigenenden Erkennens, wonach das, was er thut, ihm innerlich fremd 
ist (vgl. Umbr., Michelsen, Hofm., Th. Schott, Beck, Luth.). Charak- 
teristisch ist, wie Otto zur Durchführung seiner Auffassung mit ein- 
facher Umkehrung des bekannten Sprachgebrauchs behauptet, χατέρ- 
γάζεσϑαι sei die Beschäftigung mit einer Sache, πράσσειν heisse: etwas 
zu Stande bringen. 

**) Otto erklärt: Dem Sklaven ist jede Arbeit widerwärtig; es 
fehlt an Verständniss, an Interesse, darum an Willigkeit und Freudig- 
keit; aber es steht nicht da, dass ihm sein Thun verbasst ist, sondern 
dass er tbut, was er hasst. Daas jenes ϑέλεεν erst durch die Wieder- 
geburt möglich geworden sei (Luth., v. freien Willen p. 405), liegt 


Röm 716. 11. 317 


hasste ist natürlich ein Nichtgewolltes, ein Unerwünschtes. 
Die objektive Negation verkehrt nur den Begriff des ϑέλειν 
in sein Gegentheil und gehört nicht zum Bedingungssatz (ei 
δέ — τοῦτο ποιῶ). In diesem Nichtwollen des von ihm 
Gethanen, das nach dem Zusammenhange von V. 15 mit 
V. 14 thatsächlich stets widergesetzlich ist, liegt aber, dass 
sein eigentliches Wollen auf das vom Gesetz Geforderte ge- 
richtet ist, wodurch nun klar wird, dass der V. 15 erörterte 
Widerspruch zwischen Wollen und Thun durch die Ein- 
wirkung des Gesetzes auf jenes hervorgerufen ist (vgl. die vor. 
Anm... Da nun das Gesetz durch seine Forderungen unser 
Wollen auf eben das richten will, worauf mein eigentliches 
Wollen gerichtet ist, stimme ich dadurch, dass ich mein ent- 
egengesetztes Thun als Nichtgewolltes bezeichne, mit dem 

etze vollkommen darin zusammen (σύμφημι τῷ νόμῳ), 
dass es schön sei. Das χαλόν bezeichnet nıcht ohne Weiteres 
das Sittlichgute (Meyer), sondern etwas treffliches, wünschens- 
und erstrebenswerthes (vgl. IKor 7ı. 8%), was das Gesetz 
natürlich als der Inbegriff des in ihm Geforderten ist*). — 
V. 17 νυνὲ δέ) nun aber, d. ἢ. bei der V. 15f. geschilderten 
Sachlage, wonach das von mir Gethane allezeit meinem ϑέλειν 








dem Ausspruch, zumal in seiner engen Verbindung mit V. 14, völlig 
fern; das wirkungskräftige θέλειν, das der Geist wirkt (Phl 218), ist 
jedenfalls ein völlig anderes. Hier handelt es sich, wenn auch nicht 
um die blosse velleitas der Scholastiker (Thol., Reithm., vgl. B.-Crus.), 
8o doch um ein stets unkräftig bleibendes Wollen, das nicht im 
Stande ist, die Praxis zu bestimmen, um einen ohnmächtigen Wunsch. 
Aber selbst dieses wird ja nicht dem natürlichen Menschen zuge- 
schrieben, sondern dem unter der Einwirkung des göttlichen Gesetzes 
stehenden. Als profane Analogien des von Paulus gemeinten Selbst- 
widerspruchs et z. B. Epiet. Enchir. 2, 26, 4: ὃ μὲν ϑέλει (ὁ duap- 
τάνων) οὐ ποιεῖ, χαὶ ὃ un ϑέλεε ποιεῖ, Eur. Med. 1079: ϑυμὸς δὲ χρεέσ- 
σων (stärker) τῶν ἐμὼν βουλευμάτων, und das bekannte »Video meliora 
peu deteriora Be guor (Or. Met. 7, 19); 8. auch Wttst. u. Spiess, 
gos spermat. p. 2281. 

Ὁ Mit vollem Recht behaupten Meyer, Phil., Hofm., Volkm., 
Holst., God. u. A., dass das σὺν im Compos. nicht vernachlässigt werden 
dürfe und eich auf τῷ νόμῳ beziehe: ich behaupte mit dem Gesetze. 
Völlig grundlos wendet Otto dagegen ein, dass damit der Begriff des 
Zustimmens verdoppelt werde. Die gewöhnliche Fassung: ich räume 
dem Gesetze ein, stimme ihm bei (vgl. noch Goeb., Chr. Hoffm. und 
im Wesentlichen Otto), ist und bleibt sprachwidrig (vgl. Plat. ver, 

. 608 B. Theaet. p. 1990. Phaed. p. 64 B. Soph. Aj. 271. Oed. 
R. 663. Eur. Hippol. 265). Auf diese seine eigentliche innere Stellung 
sum Gesetze kommt aber der Apostel nicht nur beiläufig (Rück.), da 
er ja gerade zeigen will, wie nur das Verkauftsein unter die Sünde 
den V. 14 konstatirten Gegensatz zwischen seinem natürlichen Wesen 
und dem Gesetz verschuldet. 





818 Röm 711. 18. 


und der darin gegebenen Anerkennung der Treftlichkeit des 
Gesetzes widerspricht, bringe nicht mehr ich das Gethane zu 
Wege, sondern eine meinem Ich fremde, aber ihm inne 
wohnende Macht, die Sünde. Das ist die Lösung des ihm 
sonst unbegreiflichen Widerspruches (V. 15), die dann aller- 
dings, da jene Erscheinung sich beständig wiederholt, zeigt, 
dass er dieser Macht willenlos geknechtet ist (V. 14). Das 
οὐκέτι bezeichnet also hier, wovon bei der Sachlage, auf 
welche das γνυνὲ de zurückweist, nicht mehr die Rede sein 
kann (vgl. Böhmer), nämlich dass sein eigentliches Ich (Bem. 
das emphatische ἐγὼ) dieses widerspruchsvolle Thun ausübt. 
Das xareeyalouaı zeigt, dass der Gedanke zu seinem 
Ausgangspunkte in V. 15 zurückkehrt, wie ja auch das αὐτό 
auf das dort scheinbar als o es Bezeichnete 
zurückweist. Im Rückblick auf V. 14 aber wird die das 
χατεργάζεσϑαι in Wahrheit ausübende Macht als 7 ἐνοικοῦσα 
(Lev 2632. Jes 3218) ἐν ἐμοί ἁμαρτία bezeichnet ἢ). 

V. 18. oid« γάρ) begründet, weshalb die in ihm 
wohnende Sündenmacht im Stande ist, zu wirken, was sein 
eigentliches Ich garnicht wirken will, dadurch dass in seinem 
Ich Gutes, das im Stande wäre, im Gegensatz zu jener fremden 
Macht seinen Willen zu verwirklichen, nicht wohnt (ovx 
oixei ἐν ἐμοί, im AT nur eigentlich, vgl. Gen 416. 20. Jes 
3316. Ps 84:1). Das τοῦτ᾽ Zorıv ist, ganz wie 112, eine 
nähere Bestimmung, in der zugleich eine gewisse Selbst- 





*) Das νυνὶ δέ steht nicht zeitlich, wie 321 (August.: nunc in 
statu gratiae, Hilg. nach seiner Deutung des ἀνέζησεν V. 9), da hier 
eben der dort erörterte Fall eintritt, dass es nicht einen Zeitpunkt, 
sondern den im Vorigen gewonnenen neuen Gesichtspunkt markirt, 
also logisch zu nehmen ist. Darum bildet es aber keinen an den 
vorigen Obersatz sich anreihenden Untersatz (Reithm., Hofın., Luth.), 
da ja keine Schlussfolgerung folgt. Noch weniger kann das οὐχέτε 
rein zeitlich genommen werden, wie 69 (Hofm.: auf eine Zeit zurück- 
weisend, in der es mit dem Sprechenden anders gestanden, vgl. Beck. 
Luth.), sondern es ist das dialektische non jam, non item (Meyer, 
God. nach Bornem. ad Xen. Cyr. 1, 6, 27. in. & 65, 10, vgl. Gal 
318). Dass das ἐν ἐμοί anders als das ἐγώ zu fassen ist (Meyer), 
folgt aus V. 18 durchaus nicht. Es ist hier noch ganz seine »Ge- 
sammtindividualität« (Holst.), in der er eine sie knechtende fremde 
Macht vorfindet. Dass er aber »durch seine oapf« der Sünde ge- 
knechtet sei, wird von Lips. rein eingetragen und steht mit dem 
Folgenden im Widerspruch. Ebenso wenig folgt aus dieser Scheidung 
seines Ich von der dasselbe knechtenden Sündenmacht, dass hier von 
dem Wiedergeborenen die Rede ist (s. bes. Calv. u. Phil.); denn es 
handelt sich ja gerade um die Erklärung der Erfahrung, die Paulus 
unter dem Gesetze gemacht hat (V. 7—11). Das Comp. εφοιχουσα 
statt des Simpl. (Rcpt.) ist durch ΝΒ genügend bezeugt. 


Röm 7ıs. 819 


korrektur liegt. Ohne Frage soll also das ἂν ἐμοί durch ἐν 
τῇ oagxi μου auf die eine Seite seines Wesens beschränkt 
werden, nämlich auf die Naturseite desselben (vgl. zu 14), 
weil in ihr die nothwendige Vermittelung für alle in die Er- 
scheinung tretende Selbstbethätigung liegt, um die es sich bei 
dem κατεργάζεσϑαι handelt. Hier ist also das nachdrücklich 
am Schlusse stehende &ya 90» (anders wie V.12f.) das sittlich 
Gute (27. ı0), welches den Gegensatz gegen die gottwidrige 
Macht der Sünde bildet*. — τὸ γὰρ ϑέλειν meint ist 
das mit dem Gesetz übereinstimmende Wollen (V.16), welches 
daher, eben weil es ἀγαϑόν, nicht im Fleische wohnt, sondern 
in der anderen, gottverwandten Seite seines Wesens, die zwar 
durch das Einwohnen der Sünde in ihm ohnmächtig und ein- 
flusslos gemacht, aber nicht ausgetilgt werden kann. — παρά- 
“eıral En mir zur Hand (Plat. Tim. p. 69A. Phil. 
p. 410. IIMak 92), plastischer Ausdruck des Gedankens: 
es ist zur Verwendung bereit, steht in meiner Macht. Dieses 
Wollen wird aber zu einem völlig ohnmächtigen dadurch ver- 
urtheilt, dass das Zustandebringen des Gewollten (ro de 
κατεργάζεσθαι, vgl. 127), welches nothwendig die Be- 
theiligung der σάρξ voraussetzt, da diese, weil in ihr Gutes 
nicht wohnt, sich beständig versagt, nicht in ihr vorhanden ist 
(οὐ). Ausdrücklich wird hier das Gute, um dessen Zustande- 
kommen es sich handelt, als τὸ καλόν bezeichnet, sofern es 
als solches ja von dem ϑέλειν des Menschen anerkannt wird 
(V.16), ein solches ϑέλειν aber, das trotz dieser Anerkennung 


Ἢ Erst hier also wird klar, dass das σάρχινος V. 14 doch nicht 
80 zu verstehen ist, als ob es gar kein anderes Wesenselement im 
Menschen gäbe als die σάρξ, nur dass dasselbe dem (fordernden) 
Gesetz gegenüber nicht in Betracht kommt, da es zum Bewirken des 
Geforderten nicht im Stande ist, was Otto vergeblich bestreitet. 
Denn auch wo σαρξ das natürlich-menschliche Wesen in umfassendstem 
Sinne bezeichnet (320. 41. 619. 75), beruht dies doch immer darauf, 
dass das Fleisch im eigentlichen Sinne (238), ἃ. ἢ. das materielle 
Substrat seiner Leiblichkeit, das den Menschen von den himmlischen 
Geisteswesen unterscheidet, die Basis dieser Naturseite bildet, zumal 
hier, wo es sich um die Vermittelung für alle in die Erscheinung 
tretende Selbstbethätigung des Menschen (des χατεργάζεσϑαι) handelt. 
Dann aber ist damit immer noch eine andere Seite im ἐγώ gesetzt, 
und auch das σάρχενος V. 14 besagt doch nur, dass dieser substan- 
tiellen Naturseite im Menschen gegenüber die andere, die auf seine 
gesammte Selbstbethätigung einflusslos bleibt, nur ein wesenloses 
Accidenz ist. Wäre aber die σάρξ selbst es, wodurch der Mensch 
der Sünde geknechtet ist (Lips., vgl. die vorige Anm.), so wäre der 
Ausdruck, dass Gutes nicht in ihr wohnt, viel zu schwach; es müsste 
zur Begründung von v. 17 wenigstens heissen, dass in der σάρξ die 
Macht der Sünde wohnt, und auch dies wäre noch zweideutig. 








320 Röm 7 18—2ı. 


es nie zur Ausführung bringt, ein leeres Wünschen bleibt *). 
— V. 19 begründet die Thatsache, dass wohl ein unkräftiges 
ϑέλδιν, aber nie das χατεργάζεσϑαι ihm möglich ist, durch 
die schon V. 15 angezogene Erfahrung. Nur wird hier das 
οὐ γὰρ o ϑέλω ποιῶ (nicht: πραάσσω, wie dort) auf den 
einzelnen Fall bezogen, wo sich ihm eine bestimmte Gelegen- 
heit darbietet, Gutes zu thun, und darum das wohl Ge- 
wünschte, aber nie Gethane direkt als ein ἀγα #6» bezeichnet, 
wie es nur vermöge eines Wohnens des ἀγαϑόν in der σάρξ 
zu Stande kommen könnte. Im Gegensatz (ἀλλα) ist nun 
nicht von dem die Rede, was er hasst (V. 15), sondern wegen 
der Beziehung zu V. 18 von dem, was er nicht will (ὁ οὐ 
ϑέλω). Dieses wird aber nun direkt als ein χακόν (29) be- 
zeichnet, und mit dem nachdrücklichen τοῦτο, umgekehrt 
wie V. 15, hervorgehoben, dass dies der ständige Gegenstand 
seines Thuns und Treibens ist (πράσσω). Ueber die Ver- 
schränkung des Relativ- und Hauptsatzes s. Win. $ 24. — 
V. 20 nimmt nun wörtlich den Vordersatz von V. 16 auf (ei 
δὲ ὃ οὐ ϑέλω τοῦτο ποιῶ), um dann zu der Folgerung 
aus V. 17 zurückzukehren, um deren nähere Begründung es 
sich in diesen Versen handelte: οὐχέτι ἐγὼ κατεργάζομαι 
αὐτό, ἀλλὰ ἡ οἰκοῦσα ἐν ἐμοὶ ἁμαρτία. Bem. nur 
das wie V. 18 an die Stelle des Comp. tretente Simplex **). 
V. 21. εὑρίσκω ἄρα τὸν νόμον) Mit dem ἄρα (V.3), 
das im Klassischen, wie das Lat. igitur, die aus dem inneren 
Zusammenhange der Gedanken erschlossene logische Folge 
einführt (Kühner $ 545, 3), geht nun Paulus zu einem er- 
fahrungsmässigen Gesetz seines inneren Lebens über, welches 
ihm erst aus seiner vorigen Betrachtung (V. 15 - 20) verständ- 
lich wird; denn τὸν »ouov kann hier nur die im Folgenden 


— ἕο ἀαωρῦν -- ---- 


*) Das ἐγώ, welches das Wollen hat, kann gerade nicht der 
καινὸς πνευματικὸς ἄνϑρωπος sein (gegen Phil.), weil jenes ἐγώ, von 
der sündigen Macht des Fleisches behindert, zum χατεργάζεσϑαε un- 
fähig ist, während im Wiedergeborenen die Macht des πνεῦμα den 
Widerstand der Macht der Sünde brechen kann, weshalb Alle, die an 
jener Voraussetzung festhalten, jenes χατεργάζεσϑαι in irgend einem 
völlig unberechtigten prägnanten Sinne nehmen müssen (vgl. Chr. 
Hoffm.). Der Zusatz der Rcpt. (ουχ ευρισχω) ist durch NABC cop. arm. 
entscheidend verurtheilt (gegen hosen Hofm.).. Er würde natürlich 
nicht heissen: ich gewinne, d.h. ich kann es nicht (Est, Flatt, Thol., 
Kölln.), es ist mir unerreichbar (Hofm.), sondern einfach das Resultat 
der Umschau bezeichnen, die Paulus gleichsam in seinem Inneren hält. 

“ἢ Das ἐγὼ nach ϑέλω (Tisch., WH. a. R., Trg. a. R. i. Kl. nach 
NAKLT Rcpt.) ist offenbar aus dem Folgenden antizipirt. Gegen 
Volkm., der V. 19f. als uralte Glosse streichen will, vgl. Holst. 
a. a. Ο. p. 343f 


Röm 721. 321 


zu nirende stehende Ordnung oder unverbrüchliche Regel 
beseichnen und nicht das Mosaische Gesetz (vgl. noch zu 
V. 22). Der gewöhnliche Einwand (auch von Meyer), dass 
in dem Satz mit ὅτε ein empirischer Thatbestand und kein 
Gesetz folge, übersieht, wie gerade die Pointe des Gedankens 
darin liegt, dass der Apostel eine »thatsächliche Erscheinung«, 
die sich immer wiederholt, als ein feststehendes Gesetz, eine 
zwingende Norm betrachtet. Ganz wie bei dem δὑρέϑη μοι 
ὃ νόμος V. 10 bezeichnet der Dativ zw ϑέλοντι ἐμοί den- 
jenigen, welchem die sich erfahrungsmässig herausstellende 

orm und Regel gilt (vgl. Hom. Od. 9, 304: οἵ δ᾽ αὐτῷ 
πρώτῳ καχὸν εἴρετο οἰνοβαρείων. Soph. Ο. R. 546: δυσμενῆ 
γὰρ καὶ βαρὺν σ β νῷ ἐμοί. Oed.C. 910. Aj. 1144. Plat. 
Rep. p. 421 E. Eur. Jon. 1407). Das ist eben das Tragische, 
dass ihm, der τὸ χαλόν thun will, wie es hier mit Beziehung 
darauf, dass das Schöne, Treffliche des Guten ja durch das 
ϑέλδιν anerkannt wird (V. 16), heisst, diese Regel gilt. Die- 
selbe lautet nämlich, dass ihm gerade (ὅτε Zuoi) allezeit das 
Böse zur Hand liegt. Man sollte denken, dass ihm, dem nach 
V.18 das ϑέλειν zur Hand liegt, das noch eben als ein 
ϑέλειν des χαλόν bestimmt war, doch auch für sein Thun nun 
das καλόν (ἀγαϑόν) zur Hand liegen müsse. Statt dessen ist 
es regelmässig τὸ χαχόν V. 19, das ihm zur Hand liegt 
(παράκειται), so dass er nicht nur das Gute nicht, sondern 
an seiner Statt das Böse thut, das ihm durch die dasselbe 
beherrschende Sündenmacht immer als das zu Thuende so nahe 
gelegt wird, dass esthatsächlich wieder und immer wieder ge- 
than wird ἢ). 


Anmerkung. Ging man von der Voraussetzung aus, dass ö 
vouos nichts Anderes als das Mosaische Gesetz sein könne, so wurde 


*) So erklären in der Hauptsache Luther, Beza, Calv., Grot., 
Estius, Wolf u. M., Ammon, Böhme, Flatt, Kölln., de W., B.-Crus,., 
Niels., Baur, Delitzsch, Psychol. P: 379, Umbr., Krummach., Jatho, 
Beck, God. und die neuesten katholischen Ausleger Reithm., Maier, 
Bisp. Aehnlich Lips., nur dass er speziell an die ihm auferlegte 
Nothwendigkeit denkt, nur das Böse vollbringen zu können (vgl. 
Sand. mit Berufung auf V. 23). Streitig ist nur, ob das τῷ ϑέλοντε 
ἐμοί zu εὑρίσχω τὸν νόμον gehört (Luth., Zimmer, Böhmer, Chr. Hoffm., 
Tine, vgl. Win. $ 61, 4) oder dem Öbjektssatz, in den es hineinge- 
hört, des Nachdrucks wegen vorangestellt ist (de W., Phil., Holst., 
Goeb., Otto); aber wenn man auch Bene richtig die Wiederholung 
des ἐμοέ im Objektssatz durch den Nachdruck erklärt, der auf der 
Identität des Wollenden und des vom Bösen beherrschten Ich ruht, 
80 scheint mir das doch dem Wesen eines Hyperbaton zu wider- 
sprechen, das diesen Nachdruck eben durch die Trajizirung ausdrückt. 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 2 








322 Röm 7sı. 


die Stelle zu einem ἀσαφὲς εἰρημένον (Chrys.), an dessen Deutung 
Rück., v. Heng. ganz verzweifeln (vgl. die Misserklärung Reiche’s von 
einem doppelten Ich der jüdischen Menschheit. Man nahm dann 
τὸν νόμον als Objekt zu ποιεῖν, so dass τὸ χαλόν eine völlig über- 
flüssige, matt nachschleppende Apposition dazu wurde: »ich finde 
also an mir, der ich das Gesetz zu thun gewillt bin, (nämlich) das 
Gute, dass mir das Böse vorliegt«e. So im Wesentlichen Knapp, Ser. 
var. arg. p. 889, Klee, Olsh., Frtzsch., Krehl. Meyer aber, der richtig 
erkennt, dass nach V. 15—20 ποιεῖν τὸ χαλόν nicht getrennt werden 
darf, zieht τὸν v0u09 zu ϑέλοντε und erklärt: »es ergiebt sich mir 
also, während auf das Gesetz mein Wille gerichtet ist, um das Gute 
zu thun (zum Infin. des Zwecks vgl. Buttm., neut. Gr. p. 224), dass 
mir das Böse vorliegt«*). Vollends verfehlt ist Ew.’s Erklärung, nach 
welcher gar das Gesetz ihm als das Böse zur Hand liegt, und Th. 
Schott’s, nach welchem Paulus das Gesetz als ein solches vorfindet, 
welches es dabei lässt, dass ihm u. s.w. Zog man einmal τὸν νόμον 
zu εὑρέσχω, dann musste ὅτε natürlich: »weile genommen und der 
Dativ τῷ ϑέλ. ἐμοί in prägnantem Sinne dahin gefasst werden, dass 
das Gesetz, sofern ich den Willen habe, das Gute zu thun, mir bei- 
stimmend zur Seite steht, weil mir das Böse vorliegt (und ich 
daher das Gesetz als συνήγορον und ἐπιτεένογτα τὸ βούλημα bedarf, 
8. Chrys.). So im Wesentlichen Pesch., Chrys., Theophyl. (εὑρέσχω 
ἄρα τὸν γόμον συνηγοροῦντά μοι, ϑέλοντε μὲν ποιεῖν τὸ χαλὸν, μὴ 
ποιοῦντε δέ, διότε ἐμοὶ παράχειταε τὸ χαχόν); vgl. auch Orig., Theodor. 
Mopsv., Oecum. (unklarer Theodoret.), Hamm., Beng., Seml., Morus. 
Allein Meyer erklärt mit Recht, dass dies bestimmter und ausdrück- 
licher ale durch den blossen Dat. commodi bezeichnet sein müsste, 
und dasa diese Erklärung der Absicht des Apostels nicht entspricht. 
Hofm. vollends nimmt ro χαλόν als Prädikat zu τὸν νόμον und lässt 
davon das objektslose τῷ ϑέλοντε ἐμοὶ ποιεῖν abhängen, so dass Paulus 
das Gesetz als das erkennt, was ihm dem thun Wollenden das Gute 
ist, was Volkm., indem er den Widersinn dieses objektslosen ϑέλων 
ποιεῖν vermeidet, dadurch erreicht, dass er nach τὸ x«Au» das Prädikat 
καλόν ausgefallen sein lässt. 





ἢ Für die harte Inversion, wonach das τὸν νόμον vor τῷ ϑέλοντε 
steht, beruft sich Meyer auf den grossen Nachdruck, der darauf ruht 
und auf die vielen ganz ähnlichen Hyperbata bei allen Klassikern 
(vgl. z. B. Xen. Mem. 1, 6, 13, wo die Sophisten τὴν σοφέαν οἱ πω- 
λοῦντες genannt werden; Plat. Apol. p. 89 C: ὑμᾶς οἱ ἐλέγχοντες, 
Herod. 7, 184: τὰς χαμήλους τοὺς ἐλαύνοντας, Thuc. 6, 64, δ: ταῦτα 
τοὺς ξυνδράσοντας, auch Kühner 8 464, 2) und für den Acc. nach ϑέλεεν 
als Gegenstand des sittlichen Strebens und Begehrens der Lust und 
Liebe auf Mt 2743 und die LXX, wo dies besonders häufig ist. Vgl. 
Jes 524: οὐ γὰρ ἠϑέλησαν τὸν νόμον τοῦ xuelov. Aber nichts vermag 
das Gekünstelte dieser Konstruktion zu rechtfertigen. 


Röm 728. 28. 323 


V. 22f. erläutert diese bei ihm feststehende Norm da- 
durch, dass es die beiden verschiedenen Seiten seines Ich 
sind, in deren einer das Wollen des Guten seinen Sitz hat, 
während in der anderen eine fremde Macht wirkt, die ihn 
knechtet und stets sein Thun bestimmt. — συνήδομαι τῷ 
γόμῳ τοῦ ϑεοῦ) Das Compositum heisst: ich freue mic 
mit, wie dies einzig dem Sprachgebrauch (Plat. Rep. p. 462 E. 
Dem. 519. 10. 579. 19. Soph. Oed. Ο. 1398. Eur. Med. 136, 
vgl. zu σύμφημι V. 16) wie dem Zusammenhang entspricht. 

icht auf die Freude am Gesetz kommt es in demselben an, 
das ebenso als fordernde und unser Thun beeinflussende Norm 
enannt ist, wie der ἕτερος νόμος in V. 23, sondern auf die 
Mitfreude an dem Guten, welches das Gesetz fordert, und 
welches es nicht fordern würde, wenn es nicht seine Freude 
daran hätte; diese Mitfreude aber ist der tiefste Grund des 
viel besprochenen ϑέλειν V. 21). Als νόμος Jeov wird das 
Mosaische Gesetz bezeichnet, nicht im Gegensatze gegen den 
ἕτερος νόμος (Meyer, Hofm.), sondern um keinen Zweifel zu 
lassen, dass τὸν νόμον anders zu nehmen ist als V. 21. — 
κατὰ τὸν ἔσω ἀνϑρωτεον) Diejenige Seite seines Ich, nach 
welcher er mit dem Gesetze sympathisirt, also den »ots, in 
dem, als dem Organ für das Göttliche und Sittliche (128), das 
Gesetz die Freude an dem Letzteren gewirkt hat, natürlich 
nicht den wiedergeborenen Menschen (Luth., Mel. Calv., Cal., 
Krummach. u. V.), bezeichnet Paulus als den inwendigen Men- 
schen, weil bei der Herrschaft, welche die Sünde in der oag& 
ausübt (V. 18), und welche all sein Thun bestimmt, diese 
Seite seines Wesens nie in die Erscheinung tritt, etwas schlecht- 
hin Innerliches ist und bleib. — V. 23 βλέπ) Paulus 
stellt sich als Beschauer seiner eigenen Persönlichkeit dar, 
und als solcher erblickt er ein Gesetz anderer Art (daher 
ἕτερον, wie V. 4, nicht ἄλλον, vgl. z. Gal 16) in seinen 
Gliedern. Das ἐν τοῖς μέλεσί μου braucht nicht durch ein 
ergänztes Ovr« an »öuov angeschlossen zu werden (Meyer, 


*, Natürlich kann das ovv- nicht auf eine mit Anderen getheilte 
Freude gehen (v. Heng. u. A.), da von solchen im Zusammenhang 
keine Rede ist. Von Vielen wird das Compos. ganz vernachlässigt 
(so schon Beza, auch Rück., Reiche, Chr. Hoffm.), Andere nehmen es 
ale Verstärkung (Kölln., vgl. Otto: seine ganze Freude, Zimmer: 
seine herzliche Freude haben an etwası oder: apud animum meum 
laetor (so Frtzsch., B.-Crus., de W., Thol., Phil., God., Goeb.', oder 
von der freudigen Art der Antheilnahme am Gesetz (Hofm., vgl. Volkm., 
Holst., Lips.), was alles gleich willkürlich ist. Luth.’s Deutung (in 
meiner Freude treffe ich mit dem Gesetze zusammen) umgeht nur 
die Frage. 


21* 








324 Röm 738. 


Lips.), sondern gehört einfach zu βλέσεω, da man natürlich ein 
Gesetz nur sehen kann, sofern es in den Gliedern wirkt. Die 
Glieder, als die Organe aller Lebensthätigkeit (618. ıs. 75), 
ohne welche daher auch die σάρξ (vgl. zu V. 18) ihre Thätig- 
keit nicht in Vollzug setzen kann, sind es, in welchen die 
Sünde, wenn sie im Apostel wirksam wird (V. 17. 20), ihr 
Wesen treibt und darum das Wirken jenes andersartigen Ge- 
setzes zur Erscheinung kommt, indem es ihnen vorschreibt, 
was sie thun sollen. Natürlich fordert das Gesetz, das sie 
ihnen damit giebt, immer das (regentheil von dem, was das 
Gesetz Gottes fordert, und liegt darum zu Felde (ἀντεστρα- 
τευόμενον) gegen jede Forderung, die mit dem Gesetze 
Gottes übereinstimmt. Zu dem kriegerischen Bilde vgl. 618. 
— τῷ νόμῳ τοῦ νοός μου) Der Genit. ist ein einfacher 
Gen. der Angehörigkeit. Es ist das Gesetz gemeint, welches 
die Vernunft als das dem Menschen gegebene erkennt und 
anerkennt, welches daher Gesetz geworden, und nach welchem 
sie, freilich seiner Natur nach rein theoretisch, dem Menschen 

was er thun solle*). Wenn nun dies Gesetz des γοῦς 
fordert, dass das Gute oder der Wille Gottes gethan werde, 
so muss jener ἕτερος νόμος, welcher allezeit das Gegentheil 
von dem fordert, was das Gesetz Gottes fordert, mit ihm im 
unaufhörlichen Kampfe liegen**). Das Resultat desselben ist 


Ἢ Gemeint ist also nicht direkt der νόμος τ. ϑεοῦ V. 22 selbst 
(Kölln., Oleh. u. M., vgl. Lips.); aber da die Vernunft eben das Organ 
für die Erkenntniss des Göttlichen und Sittlichen ist, so erkennt sie, 
sobald die Gottesoffenbarung in dem positiven geoffenbarten Gesetz 
an sie herantritt, in ihm das höchste Gesetz, dem sich der Mensch 
zu seinem Heil zu unterwerfen hat. Diese Erkenntniss wirkt dann 
in dem ganzen inneren Menschen V. 22 jene Mitfreude mit dem Ge- 
setz Gottes, in welcher er das in demselben Geforderte zu thun 
wünscht, und damit jenes Gottesgesetz als das Gesetz seines eigensten 
Lebens anerkennt. 

**) Das ἐν τοῖς μέλεσίν μου mit ἀντιστρατ. zu verbinden und dieses 
als Prädikat zu βλέπω zu nehmen (Frtzsch., Hofm., vgl. Th. Schott), 
wird durch das entsprechende τῷ ὄντε ἐν τοῖς μέλεσίν μου schlechthin 
verboten und widerspricht der offenbaren Tendenz dieser Erörterung, 
die beiden Seiten im Menschen nach den in ihnen wirksamen Gesetzen 
scharf zu unterscheiden. Die Form »oos gebört der späteren Gräzität 
an (vgl. Lobeck ad Phryn. p. 458). Hier wird es aus dem Zusammen- 
hange ganz klar, dass der νοῦς, der auch 138 als der Sitz des ur- 
sprünglichen Sittenbewusstseins Be ist, der ἔσω ἄνϑρωπος selbst 
oder mindestens das wichtigste Organ desselben ist. Der »öuos der 
Vernunft aber bleibt ihrer Natur nach ein blosses unerfülltes Ideal, 
das Bewusstsein um das, was sein soll (vgl. Holst.), das wohl ein 
Wohlgefallen daran und ein dem entsprechendes unkräftiges Wollen, 
d. h. den Wunsch seiner Verwirklichung mit sich bringt, aber dem 





Röm 7. 325 


aber, weil der vous ein rein theoretisches Vermögen ist und 
bleibt, mit unfehlbarer Sicherheit, dass er den Menschen, um 
dessen Beherrschung es sich ja in jenem Kampfe handelt, zum 
Kriegsgefangenen macht (καὶ αἰχμαλωτίζοντα, IReg 8s. 
Jes 142, IMak 10s. IIKor 106). Das ue bezeichnet nicht 


den inwendigen Menschen, den »oög (Olsh.), der ja, an und 
für sich betrachtet, dem Gesetze Gottes dienstbar bleibt (V. 25), 
sondern den Menschen in seiner gesammten äusseren Lebens- 
gestaltung, wie sie durch die σάρξ vermittelt ist (V. 18), also 
in all seinem xaregyaleodaı. — ἐν τῷ νόμῳ τῆς ἁμαρτίας) 
so dass ich fortan in dies Gesetz wie in ein Gefängniss ein- 
geschlossen, also von jedem anderen Einfluss abgeschnitten und 
ganz und gar in seiner Macht bin. Der Genit. ist natürlich 
nicht anders zu nehmen als bei ὁ »ouog τ. ϑεοῦ, ὃ νόμος τ. 
νοός, nicht als Gen. auctoris (Meyer), sondern als Gen. der 
Angehörigkeit. Aber das Gesetz der Sünde ist natürlich der 
Sache nach das, in welchem die Sünde sagt, was der Mensch 
thun soll. Dass dies eben jener ἕτερος νόμος ist, zeigt das 
τῷ ὄντι ἐν τοῖς μέλεσί μου unwiderleglich, da es nicht, um 
das Schmähliche desselben fühlbar zu machen (Meyer), hin- 
zugefügt wird, sondern um hervorzuheben, dass das dort ge- 
meinte Gesetz kein anderes ist, als das Gesetz der Sünde*). 


entgegengesetzten Antriebe der Sünde, welche wirksam im Menschen 
herrscht, stets unterliegt. Unrichtig bestimmt man daher häufig (vgl. 
auch Meyer) den νοῦς als die Vernunft in ihrer praktischen Thätig- 
keit, die Erkenntnisskraft in sittlicher Bestimmtheit, den moralischen 
Willen bestimmender Wirksamkeit, die sittlich wollende Fakultät des 
menschlichen πρεῦμα, mit Berufung auf Stirm in ἃ. Tüb. Zeitschr. 
1834, 8.p. 46 ff. Beck, bibl. Seelenl. p. 49 ff. Delitzsch p. 179. Kluge 
in d. JdTh 1871. p. 827. Pfleid. in ZwTh 1871. p. 168 ἢ. 

*) Alle Versuche, diesen vowos von jenem zu unterscheiden, führen 
auf willkürliche Einlegungen. So nach Orig., Hieron., Oec., neuerlich 
Kölln.: der ἕτερος νόμος seien die Forderungen der Sinnlichkeit, in- 
sofern sie sich in den einzelnen Fällen als körperliche Lüste äussern, 
der νόμος τ. ἅμαρτ. die Sinnlichkeit selbst als sündhaftes Prinzip ge- 
dacht; oder de W.: jenes sei der Hang zur Sünde, der sich in der 
Bestimmbarkeit des Willens durch die Sinnlichkeit äussert, dieses der 
nämliche Hang, insofern er dem göttlichen Gesetze widerstrebt und 
durch den vollendeten Entschluss wirklich in Gegensatz damit tritt 
(vel. Umbr.); oder Ew. (vgl. auch Grot. u. v. Heng.): Paulus unter- 
scheide zwei Paare verwandter Gesetze: 1) das äussere Gesetz Gottes, 
und ihm zur Seite, aber an sich zu schwach, das Gesetz der Vernunft, 
und 2) das Gesetz der Begierde, und neben ihm als noch mächtiger 
das der Sünde. Aehnlich unterscheiden auch Delitzsch, Reithm., Hofm, 
das Gesetz der Sünde von dem Gesetze in den Gliedern so, dass jenes 
von der Sünde als der Gesetzgeberin allen denen vorgeschrieben 
werde, die ihr untergeben sind, dahingegen dieses in der leiblichen 


826 Röm 72. 


V.24f. ταλαΐτεωρος) vgl. Ps 1378. Tob 131. Sap 1310. 
IIMak 44 und sehr häufig bei den Tragikern, Plat. Euthyd. 
. 3022 B. Dem. 548, 12, mit ἐγὼ ἄνϑρωτεος verbunden, 
omin. des Ausrufes: ich unglückseliger Mensch! Vgl. Kühner 
8 356, 3. Win. $ 29, 2. So bricht das lastende Gefühl des 
Elendes jener Gefangenschaft aus, in deren Zustand sich der 
Apostel zurückversetzt hat*., — εἰς μ ῥύσεται) vgl. 
Ex 66. Jes 48». Ps 17ıs, rein futurisch. In der Tiefe des 
Elendes fragt die Sehnsucht nach einem Retter wie ver- 
zweifelnd: wer wird es sein? — 2x τοῦ σώματος τ. Java- 
του τούτου) das nachgestellte τούτου kann nicht zu σώματος 
ezogen werden (Erasm., Beza, Calv.. Est. u. V., auch Olsh., 
hil., Hofm., Th. Schott, Volkm., Holst., Luth., Otto, Zimmer, 
Chr. Hoffm., Goeb., Lips.), weil es, um diese Beziehung un- 
missverständlich anzudeuten, vor τοῦ σώματος stehen müsste, 
und weil im Zusammenhange gar nicht vom Leibe, geschweige 
denn von einer besonderen Beschaffenheit desselben die e 
war. Es gehört vielmehr zu ϑανάτου (Vulg.: corpus mortis 
hujus) und beweist eben darum, dass nicht der physische 
(so gew.) oder ewige Tod (Meyer) gemeint ist, von dem ja 
ebenfalls gar nicht die Rede war, und für den der Sache nach 
immer die Todverfallenheit (vgl. Lips. und Sand.: mortality 
gesetzt werden muss, sondern der vorher geschilderte Zustan 


Natur des Einzelnen herrsche, sobald die Begierde in ihm aufkomme. 
Das Richtige haben schon August., Theod. Mopsv., Calov. (vgl. Lips.). 
Der ἕτερος νόμος, der in den Gliedern sichtbar wird, ist eben der 
objektive vouos τῆς ἁμαρτέας. Die Weglassung des ἐν vor ro vo 
(Rept. nach ACL syr. arm., vgl. WH.i. Kl.) ist offenbar Erleichterung, 
ergiebt aber den ungeschickten Gedanken, dass ein Gesetz uns dem 
anderen (dat. commodi, nicht instrum., wie Chrys., Theod. Mopev. 
wollen) zum Kriegsgefangenen macht. 

*) Alle Versuche, diesen Ausruf, der mit dem 82 ausgedrückten 
Bewusstsein des Christen im schbneidensten Widerspruch steht (vgl. 
auch dıff.), doch irgend wie auf den Wiedergeborenen zu beziehen 
(vgl. Anm. zu V. 7), führen zu unerträglichen Künsteleien. Beiche, 
der V. 24 als Hülferuf der jüdischen Menschheit betrachtet, worauf 
8ı ein Erlöster antworte, muss V. 25 als Glossem ausscheiden, wie 
Grot., Flatt V. 25, Andere gar V. 24f. wenigstens parenthesiren, 
obwohl die Rede logisch nicht unterbrochen wird. Wenn Reiche 
gegen die richtige Fassung einwendet, dass Paulus von sich reden 
würde, während er an einen Menschen von ganz entgegengesetzter 
Verfassung denkt, so trifft dies höchstens die Auffassung, wonach hier 
Paulus von dem unerlösten Menschen als solchem redet (mittelst einer 
Idiosis), während er doch seit V. 14 sich in seinen früheren Zustand 
zurückversetzt hat und nun nur in überaus lebensvoller Weise das 
nn demselben verbundene Gefühl des höchsten Elends zum Ausdruck 

ringt. 


Röm 73. 86. 8237 


der Sündenknechtschaft, der schon V. 10f. 13 als Gegensatz 
des wahren Lebens bezeichnet war. Diesem Tode ist sein 
Leib verfallen (Gen. der Angehörigkeit), sofern seine Glieder 
durch das in ihnen herrschende Gesetz der Sünde genöthigt 
werden, allezeit der Sünde zu dienen; und der Wunsch, aus 
demselben errettet zu werden, kann nur erfüllt werden, wenn 
der der Sünde dienende Leib aufhört, ein solcher zu sein, 
was nach 66 bei dem Gläubigen bereits geschehen ist (vgl. 
God. Beck, Böhmer), weshalb der Apostel in den ge 
Dankruf ausbricht*). — V. 25. χάρις τῷ ϑεῷ) wofür? wird 
nicht ausgesprochen, ganz in der Weise der wechselnden leb- 
haften Erregtheit, aber die Frage V. 24 selbst und διὰ 'I. Χρ. 
beweisen, dass es eben die so heiss ersehnte Errettung ist, 
die ihm zu Theil geworden ist. Auch hier aber verdunkelt 
man nur die Sachlage, wenn man mit Meyer von einem 
»Kollektiv-Ich« redet, das erst sein Elend beseufzte und 
jetzt dan während es doch wie überall Paulus allein ist, 
der sein Ge ausspricht. — δεὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ) αἰτίου 
ὄντος τῆς εἰχαριστίας τοῦ Χριστοῦ, Theophyl. Christus 
ist dem Apostel seines Dankens Mittler, als der, dem er es 
ve ass er Gotte danksagen kann, nicht als der, durch 
welchen er seinen Dank zu Gotte bringt (Hofm.). Ygl. zu 
18. IKor 155**. Nicht umsonst bezeichnet Paulus Jesum 


*) Unmöglich kann bloss die Sehnsucht nach dem Tode Ste 
Theodoret., Theoph., Erasm., Par., Est., Cleric., Balduin, Kopp u. M.) 
in dem Kösdtnck liegen, oder die Sehnsucht, »nur von dem sterb- 
lichen, d. i. durch die Sünde der eur anheim gefallenen 
Körper so erlöst zu werden, dass der Geist ihn lebendig machen 
möge« (Olsh.) oder gar »der aussichtslose Wunsch, des Leibes ledig 
zu gehen, in dem er leben muss« (Hofm., vgl. Th. Schott: »die Er- 
ledigung von dem sündigen Naturleben«, doch im Grunde auch Lips.). 
Rein erfunden aber sind die Deutungen von σῶμα: »mortifera peccati 
magsa« (Calv., Cappell., Homb., Wolf); oder: »das System von sinn- 
lichen Neigungen (σώμα), welches Ursache des Todes ist« (Flatt); 
oder: der ganze Mensch als das alle Kräfte zusammenfassende Herr- 
schaftsgebiet des Todes (Otto), oder »der Tod als ein Ungeheuer mit 
einem Leibe vorgestellt, welches das ἐγώ zu verschlingen droht« 
en oder »die leibhaftige und substanzielle Wirklichkeit des 
odes« (Klosterm. p. 234). 

**) Für das ursprüngliche χαρὲς του 9. (Lehm., Tisch., Treg. nach 
B. sah.) spricht noch das glossematische ἡ χαρὲς του Yeov (DE vg.) 
oder τ. χυριου (FG), wodurch man eine direkte Antwort auf die 
vorige Frage erzielen wollte. Es wurde in ευχαριστω rw 9. ver- 
wandelt (Rcpt., WH. a. R.) um der überall in der Umgebung stehenden 
ersten Person willen. WH.txt. hat nach χαρὲς ein de i. Kl., das nur 
durch Korrektoren u. Min. cop. arm. bezeugt ist. Tisch. hat das μὲν 
vor vos nur nach NFG und den Lateinern weggelassen. Es ist also 


828 Röm 728. 


Christum als unseren Herrn (τοῦ χυρίου ἡμῶν), weil er erst 
in Folge seiner Erhöhung zu göttlicher Machtherrlichkeit in 
die Lebensgemeinschaft mit uns getreten, in welcher er durch 
seinen Geist von der Sündenherrschaft uns freigemacht hat 
(82). — ἄρα οὖν) vgl. dis. 78, folgert aus diesem Dankruf, 
sofern in ihm liegt, dass erst dyrch Christum die Erlösung 
von dem Elende der Sündenknechtschaft unter dem Gesetze 
eingetreten, eine schliessliche Zusammenfassung des Haupt- 
inhalts von V.14—24: ich für mich selbst, ausser Christo und 
auf mich beschränkt, bringe es nicht weiter, als dass ich zwar 
mit meinem γοῦς einem (Hottesgesetz, mit meiner σάρξ aber 
dem Sündengesetze dienstbar bin. — αὐτὸς &yw) heisst nichts 
Anderes als: ich selbst, ich für meine eigene Person, ohne 
jene höhere errettende Dazwischenkunft, welche ich Christo 
verdanke*), — τῷ μὲν νοΐ) Dass Paulus seiner Vernunft 


weder der Dankruf zu parenthesiren (s. bes. Rück., Frtzsch., God.), 
noch gar ἄρα οὖν — ἁμαρτίας umzustellen hinter V. 23 (v. Heng. 
nach Aelteren). 

*) So im Wesentlichen auch Volkm., Reithm., Bisp.. Beck, God., 
Baur, Goeb., Lips. Andere: »eben ich«, von dem vorher die Rede war 
(Grot., Reiche, Thol., Krehl, Phil, Maier, νυ. Heng.; vgl. Frtzsch.: 
»ipse ego, qui meam vicem deploravi«, und Ew., Chr. offm.), was 
zwar sprachlich tadellos ist (Bernhardy p. 2%), aber für den beson- 
deren Nachdruck, den es hätte, hier ganz unmotivirt wäre. Andere 
nehmen nach einem Sprachgebrauch der Jonischen Poesie, der dem 
NT fremd ist und den durch ἄρα οὖν indizirten Zusammenhang mit 
dem Vorigen aufgiebt, αὐτός gleich ὁ αὐτός (8. Horm. ad Soph. Antig. 
920. Opusc. I, p. 332f.: ego idem, »cui convenit sequens distributio, 
1: videri posset unus homo in duos veluti secari«, Beza). So Erasm., 

astal. u. V., Klee, Rück. und noch Holst. Olsh. beginnt deshalb 
hier bereits den neuen Abschnitt, welcher den durch Christum ganz 
veränderten Zustand des Menschen schildere. 80 auch bei der richtigen 
Fassung des αὐτός ἐγώ Th. Schott, Hofm. (vgl. selbst Böhmer), und 
neuerdings Otto, der in αὐτός ἐγώ das eigentliche Ich, das Ich in 
seinem Fürsichsein findet »im Gegensatz des Ich, soweit es noch der 
Sünde dienstbar ist, also in einem anomalen Zustande sich be- 
findet« und daher bestreitet, dass αὐτὸς ἐγώ zugleich Subjekt der 
zweiten Satzhälfte sei (!), endlich Zimmer, der das αὐτός ganz ignorirt. 
Aber mit Recht bemerkt Meyer, dass dann wenigstens logischer Weise 
τῇ μὲν σαρχὶ δουλ. voranstehen müsste. Nach Klosterm. p. 180-235 
fragt ein jüdischer Christ, ob er für seine Person sich aus den 
Erfahrungen und dem Gebahren des Apostels den Grundsatz bilden 
soll (ϑουλεύω als Conj. delib.), mit dem verständigen Bewusstsein 
göttlichem Gesetz zu gehorchen, aber mit dem Fleisch die Wege zu 
gehen, welche eine Lebensordnung der Sünde vorzuschreiben scheint, 
weil es ja jetzt keinerlei Verurtheilung mehr für den Christen gäbe, 
auch nicht für das Böse an ihm (p. 225231). Nach Par., Est, 
Wolf will Paulus mit dem αὐτὸς ἐγὼ nur das Missverständniss ver- 
hüten, als rede er in dem ganzen Abschnitt (besonders von V. 14 an) 


Röm 735. 8. 329 


nach einem göttlichen Gesetze geknechtet, dienstbar ist (dov- 
Aevw, wie de. 76), kann er in vollstem Sinne auch von seinem 
Stande unter dem Gesetze sagen, da er sich unter dem Gesetz 
Er munent fühlte, mit seiner Vernunft das, was jenes Gesetz 
ordert, als göttlich und gut anzuerkennen. Auch hier be- 
zeichnet das artikellose νόμῳ ϑεοῦ freilich nicht das positive, 
Mosaische Gesetz als solches (vgl. wieder Laps.), sondern den 
γόμος τοῦ νοός V. 23, welcher seinen γοῦς nöthigt, mit dem 
Gesetze (fottes sich an dem Guten zu freuen (V. 22.), und 
welcher eben darum ein göttliches (Hofm., Volkm., Holst.) 
heisst, da Gott diese Freude am Guten verlangt. — τῇ δὲ 
oaoxt) Hier steht also die Naturseite des menschlichen Wesens 
in ihrer Unterschiedenheit vom Göttlichen gegenüber der relativ 
aueh Seite desselben, dem γοῦς. 80 lange nun (vor 
der Erlösung durch Christum) in seinem auf sich selbst ge- 
stellten Ich die Sünde wohnt und herrscht, also die Unter- 
schiedenheit der σάρξ vom Göttlichen in Gegensätzlichkeit ver- 
kehrt ist, dient das Ich nach dem Fleische einem Sünden- 
gesetz, welches dasselbe nöthigt zu thun, was die Sünde ver- 
langt, und das Ich kommt über den so ergreifend geschilderten 
Selbstwiderspruch, das Gute zu billigen und, wenn auch un- 
kräftig, zu wollen, das Böse aber zu thun, nie hinaus. 


Kap. VIII 


Der dritte Abschnitt zeigt nun positiv, wie es die in 

der Lebensgemeinschaft mit Christo dem Gläubigen mitge- 
theilte Gottesmacht des Geistes (76) ist, welche die Macht 
der Sünde im Fleische bricht und ihn so zur Erfüllung des 
öttlichen Willens (zur thatsächlichen Gerechtigkeit) befähigt, 
ie also ohne Zuthun des Gesetzes auf einem ganz neuen 
Wege zu Stande kommt. Er handelt also von dem Leben 
im Geiste (Kap. 8), indem zuerst gezeigt wird, wie dieser 
Geist thatsächlich von der Macht der Sünde und des Todes 
‚befreit (8ı—u), dann aber, wie in diesem Geiste zugleich die 
Gewissheit der Heilsvollendung trotz aller Leiden dieser Zeit 
gegeben ist (d12—x). Damit erst ist der Apostel zum Ab- 





nicht als Wiedergeborener, nach Kölln. das bisher im Namen der 
Menschheit Durchgeführte durch seine eigene Empfindung bewahr- 
heiten (vgl. Umbreit: selbst ich). 





330 Röm 81. 


schluss des dritten Haupttheils gelangt, und er kann nun, zu 
dem zweiten zurückgreifend, zeigen, worauf für den Gerecht- 
fertigten zuletzt die triumphirende Gewissheit seines ewigen 
Heils ruht (3»—ss). S. Luther’s Vorrede. 

V.1-1l. Der Geist als Prinzip der Gerechtig- 
keit und des Lebens*). — οὐδὲν apa) folgert aus dem 
unmittelbar vorhergehenden αὐτὸς ἐγὼ — auagrias. Bin ich, 
sofern ich mir selbst überlassen, mit dem »org zwar einem 
Gottesgesetze, mit dem Fleische aber nach wie vor einem 
Sündengesetze dienstbar und darum dem xaraxpı ua I 18) 
verfallen, so kann das jetzt (νῦν, rein zeitlich von der Gegen- 
wart, wo er mit Christo in Gremeinschaft getreten) nicht mehr 
der Fall sein. Der Nachdruck liegt aber auf dem voran- 
tretenden οὐδέν; denn, dass den Christen wegen seiner früheren 
Sünden kein Verdammungsurtheil mehr trifft, folgt aus Allem, 
was Kap. 3—5 über die Rechtfertigung gesagt ist. Aber erst, 
wenn dafür gesorgt ist, dass er auch nicht durch die in seinem 
Fleische wohnende und herrschende Sünde sich immer aufs 
Neue ein Verdammungsurtheil zuzieht, findet keinerlei Ver- 
dammungsurtheil mehr statt (ergänze ἐστίν). Das ist aber nur 
bei denen der Fall, die in der Lobepegemeincchaft mit Christo 
stehen (τοῖς ἐν Xe. 'L.), nachdem sie mit ihm durch die 
Taufe in die Gemeinschaft seines Todes und seiner Aufer- 
stehung getreten sind (vgl. 68—ı1). Hieraus ergiebt sich erst, 
in welchem Sinne Paulus den gegenwärtigen Zustand (ν»ῦ») 
dem früheren (72) entgegensetzt, sofern er nämlich, wie alle, 
die in Christo Jesu sind, nicht mehr sich selbst überlassen ist, 
vielmehr in der Lebensgemeinschaft mit Christo (durch seinen 
Geist) die Kraft empfängt, die ihn von dem Dienste der Sünde 
freimacht und so bewirkt, dass jetzt keinerlei Verdammungs- 
urtheil mehr ihn trifft **). 


8ὴ Da auch letzteres schon V. 2 angedeutet und V. 10f. ausge- 
führt wird, darf man nicht in diesem Abschnitte nur die Befreiung 
von der Sündenmacht finden, so dass erst V. 12—89 (Volkm.) oder 
v. 12—17 (Holst.) die Befreiung von der Todesmacht folgt. Goeb. 
lässt den ersten Abschnitt bis V. 13, Chr. Hoffm. gar bis V. 17 
gehen. Vgl. zu dem Abschnitt noch Winzer, Progr. 1828. Selbst- 
verständlich knüpft derselbe nicht an 735a (Eop e, Frtzsch., Phil., 
Bisp.) oder gar an 76 (Beng,., Knapp, Winz., Go I an. Das ἄρα als 
Voraufnahme des folgenden γάρ zu fassen (Thol.), ist ebenso verfehlt, 
wie die analoge Fassung des διό 21. — Nach ınaov V.1 hat die Βορί. 
aus V. 4 die ganz ungehörige Glosse: un χατὰ σαρχὰ περίπατουσιν (A 
vg. g0. arm.) αλλα xara nveuua (EKLP) heraufgenommen. 

*) Wer den ganzen vorigen Abschnitt 7ıs—ss (Phil.) oder 
wenigstens 725 (Otto) von dem Wiedergeborenen fasst, muss νῦν in 
folgeradem Sinne nehmen, was 80 ohne weiteres nie der Fall und 


Röm 83. 831 


V. 2 nennt nun den Grund, weshalb es für die, welche 
in der Lebensgemeinschaft mit Christo stehen, keinerlei Ver- 
dammungsurtheil mehr giebt. — ὁ γὰρ νόμος τοῦ nveu- 
ματος) Da bisher der Mensch der Verdammniss verfiel, weil 
neben dem in der Praxis völlig unkräftigen »ouog τοὶ νοός 
723 der νόμος τῆς ἁμαρτίας widerstandslos in ihm herrschte, 
so lag es nahe, die Thatsache seiner Befreiung so auszudrücken, 
dass ein neuer, im Verhältniss zu diesem übermächtiger νόμος 
ins Mittel getreten ist. Ist dies das Gesetz des σενεῦμα, so ist 
dabei vorausgesetzt, dass der Christ diesen (göttlichen) Geist 
empfangen hat, der nun seinem Wesen entsprechend, zu dem 
bei Paulus überall die δύναμις gehört, sein Gesetz in wirk- 
samer Weise geltend macht, d. h. nicht nur eine Erkenntniss 
von dem, was gethan werden soll (wie der νοῦς), sondern ein 
Thun desselben bewirkt. Der Zusatz τῆς ζωῆς bezeichnet 
den Geist nicht als den, dessen Wesen Leben ist (Lips., Sand.), 
sondern als den zum (ewigen) Leben gehörigen, ohne welchen 
es zu dem Leben nicht kommt, d. h. der Sache nach, welcher 
das ewige Leben vermittelt (vgl. Il Kor 86), weil er als solcher 
eben das todtbringende κατάχριμα (516) ausschliesst*). — ἐν 





hier unmittelbar nach dem ἄρα οὖν ganz unmöglich ist. Nach Hofm. 
steht das νῦν im Gegensatz zu dem zukünftigen αἰών, was durch ἤδη 
oder einen bestimmenden Zusatz ausgedrückt sein müsste. Dass den, 
der innerlicher Weise göttlichem Gesetze dient (Hofm.) und nur noch 
dem Fleische nach der Sünde unterworfen ist (Otto), kein Verdammungs- 
urtheil mehr trifft (vgl. Böhmer), ist eine ganz unpaulinische und 
höchst bedenkliche Lehre. Beck dagegen behauptet wieder, Recht- 
fertigung und Heiligung vermengend, die Aufhebung des χατάχριμα 
trete überhaupt erst ein, wenn der Glaube die innere Vereinigung 
mit Christo herbeigeführt hat, die das εἶναι ἐν τῇ σαρχί gänzlich auf- 
hebt, und bezieht das οὐδέν χατάχριμα nur darauf, dass der Straf- 
charakter des Todes in jeder Form aufgehoben ist, also auch in Be- 
ziehung auf die vorerst noch nicht anfgehobenen Sündenleiden. Ganz 
unnöthig Volkm.: In nichts besteht also nunmehr u. 8. w. 

*, Nach Hofm. wird begründet, dass man in Christo sein müsse, 
um jeder Verdammniss ledig zu gehen. Aber nicht von etwas, was 
sein soll, sondern von einer Thatsache war V. 1 die Rede. Der 
ψόμος τοῦ πνεύματος jet nicht das Mosaische Gesetz, von welchem ja 
der Christ nach 71—e freigeworden ist, aber auch nicht der vouos 
τ. νοός 728 (Morus, Kölln.), da ja bei Paulus der menschliche νοῦς 
und das göttliche πνεῦμα etwas spezifisch Verschiedenes sind, obwohl 
Otto wieder beide miteinander vermengt. Ganz willkürlich denken 
Wolf an das Evangelium im Gegensatz zum Sittengesetz (ὁ νόμος τῆς 
ἅμαρτ.), Reiche an die christliche Heilsanstalt (337), Theod., Oec., 
Theop ., Maier, Th. Schott an den Geist selbst. Bei dem Genit. τῆς 
ζωῆς, der natürlich nicht, dem τοῦ πνεύματος parallel, von νόμος ab- 
hängt (Reiche), denken Viele (vgl. God., Luth.), und besonders die, 
welche ἐν Χρ no. mit τῆς ζωῆς verbinden (Luther, Beza u. V., auch 





332 Röm 83. 8. 


Χριστῷ ᾿ἸΙησοῦ) ist wegen der offenbaren Beziehung auf 
τοῖς ἐν Χρ. Ino. V. 1 nothwendig mit ἡλευϑέρωσε zu ver- 
binden. So Theodoret., Erasm., Melanth. u. M., auch Rück., 
Olsh., de W., Frtzsch., Reithm., Maier, Phil, Bisp., Böhmer, 
Luth.,, Sand. Der präpositionelle Zusatz musste mit Nach- 
druck voranstehen, weil ja darin gerade das begründende 
Moment liegt, dass in der Lebensgemeinschaft mit Christo (in 
welcher sich die οἱ ἐν Χριστ. ’Ino. V. 1 befinden) der von ihm 
in uns übergegangene Geist es zu Wege gebracht hat, dass 
nun durch das Gesetz dieses Geistes in übermächtiger Weise 
die Sündenherrschaft gebrochen ist. Mit dem ἡλευϑέρωσέν 
σε ἀπό (618.2) appellirt der Apostel an die thatsächliche 
Erfahrung der Leser, die in der Lebensgemeinschaft mit Christo 
stehen, wie er selbst. Befreit aber sind sie von dem Gesetz 
der Sünde (τοῦ νόμου τῆς ἁμαρτίας, vgl. 728. 25), ἃ. h. 
von der Macht, mit welcher die Sünde sie nicht nur das Böse 
thun hiess, sondern zu thun zwang. Dies Gesetz heisst aber 
zugleich ein Gesetz des Todes (xai τοῦ YJavarov), sofern die 
Sünde den Tod bringt (616), und durch dasselbe Gesetz, durch 
welches uns die Sünde beherrscht, auch der Tod uns be- 
herrscht (514) ἢ). 

V, 3f. begründet die V. 2 behauptete Thatsache der Be- 
freiung aller in Christo Seienden von der Sünde durch Dar- 
legung der wirkungsmächtigen thatsächlichen Veranstaltung, 
welche Gott zu diesem Behufe Angesichts der Unfähigkeit 
des Gesetzes dazu getroffen hat. — τὸ γὰρ ἀδύνατον τοῦ 
vouov) ist absoluter Nominativ, welcher dem Hauptsatze als 


— mn nn nn 


noch Böhmer, Klee, Ew., Hofm., Beck, Chr. Hoffm., Zimmer, Goeb., 
Otto, der sogar behauptet, dass der Apostel nie den Geist in Ver- 
bindung mit der jenseitigen ζωή setzt!), an das neue Leben, das der 
Geist in uns schafft. Allein Paulus bezeichnet nie, wo nicht der 
Kontext es deutlich veranlasst und eben darum erklärt, mit ζωή das 
neue religiös sittliche Leben. Auch Lips. verbindet bei der richtigen 
Fassung von ζωή das ἐν Xp Ina. damit, obwohl seine Analyse durch- 
aus auf die Verbindung mit ἠλευϑέρωσε führt, die er »gegen den 
Paulinischen Satzbau« (!) findet. Aber die Verbindung mit dem Vorigen 
ist schon darum falsch, weil bei dem Fehlen der Artikelbindung es 
dem Leser völlig ungewiss bleibt, ob derselbe zu ζωῆς oder zu τοῦ 
πνεύματος (Flatt, Thol.) oder ὁ νόμος (Semler, Reiche), resp. zu ὁ νόμ. 
τ. av. τ. ᾧ (Calv., Kölln., Glöckl., Krehl, God.) gehört, wie das 
Schwanken der Auslegung es bestätigt. 

Ἢ Das oe nach ηλευϑέρωσεν (NBFG Tisch., WH. txt., Treg. a. R.) 
ist der bisber herrschenden ersten Person entsprechend in we kon- 
formirt a Lehm ). Das Gesetz der Sünde ist natürlich nicht das 
Mosaische (resetz (Par., Seml., Böhme, Ammon, Reiche, Hilg.), was 
schon nach 77 ganz unmöglich ist. 


Röm 8s. 333 


Apposition vorangeschickt wird (Kühner ὃ 406, 6), um das, 
was in und mit jenem gegeben ist, nach einer bestimmten 
Seite zu charakterisiren: Gott verurtheilte die Sünde im Fleisch, 
was ein Ding der Unmöglichkeit Seitens des Gesetzes war. 
Vgl. Hbr 8ı. Sap. 161. Diese Apposition steht voran, weil 
ın ihr gerade ausgedrückt ist, was Resultat der ganzen Er- 
örterung in Kap. 7 war. Das Neutr. Adject. bezeichnet das, 
was das Subjekt (hier der νόμος) ausser Stande ist zu thun, 
was ihm unmöglich ist (vgl. bes. Plat. Hipp. maj. p. 295 E), 
wobei der Gen. durch die Substantivirung des Adj. veranlasst 
ist*), Dies ἀδύνατον ist dann zugleich der Punkt, in welchem 
(ἐν w) das Gesetz schwach war (ἡσϑένει, vgl. 419), während 
es ja sonst, als pneumatischen Ursprungs (714), keineswegs 
schlechthin schwach ist (vgl. Holst., Luth., Otto, Goeb. u. A.). 
Allein die Sünde zur Ohnmacht zu verurtheilen und uns von 
ihrem νόμος zu befreien. das vermochte es nicht, in diesem 
Punkte war es schwach διὰ τῆς σαρχός, ἃ. ἢ. weil das 
Fleisch, in welchem die Sünde wohnte und herrschte, alle 
seine Bemühungen, die Erfüllung des göttlichen Willens zu er- 
wirken, vereitelte**). — ὁ ϑεός) steht mit Nachdruck voran 


*) Zum Genit. vgl. Epist. ad. Diogn. 9: τὸ ἀδύνατον τῆς ἡμετέρας 
φύσεως: was unsere Natur nicht vermag; Xen. Hist. 1, 4, 6: ἀπὸ τοῦ 
τῆς πόλεως δυνατοῦ: von dem, was die Stadt zu leisten im Stande ist. 
Das Neutr. Adj. steht also nicht für das Subst. abstr. ἡ advraui« 
(Phil., Otto: das Unvermögen, die Unfähigkeit), welches in diesem 
Sinne unmöglich Apposition zum folgendem Satz sein könnte, weshalb 
es Th. Schott durch ein hartes Hyperbaton zum Subjekt des Relativ- 
satzes (»weil die Ohnmacht des Gesetzes noch schwächer wurde durch 
das Fleisch«), Hofm. (vgl. Märk. p. 25) zum Subjekt eines selbstän- 
digen Satzes macht, dem sich ὁ ϑεὸς — χατέχρενε asyndetisch an- 
schliessen soll, obwohl doch erst in ihm die eigentliche Begründung 
kommt. Sodann aber kann die zu ergänzende Copula unmöglich 
heissen: »die Ohnmacht des Gesetzes lag oder bestand darin, dass es 
schwach war durch das Fleisch«. Akkusativ könnte τὸ ἀϑύνατον nur 
sein, wenn man aus dem Folgenden ein allgemeines Verbum (wie 
ἐποίησε) heraufzunehmen hätte, was aber willkürlich geschähe (gegen 
Erasm., Luther, Volkm., Sand. u. M.). Otto, obwohl er bei dem Nom. 
abs. stehen bleibt, nimmt denselben im Sinne eines ÄAccus. abs., der 
ausserhalb der Konstruktion steht (in Anbetracht der Unfähigkeit des 
Gesetzes). 

**) Das ἐν @ im Sinne von: während, so lange als (Th. Schott, 
Volkm.) zu nehmen, ist falsch, weil diese Schwäche keine bloss zeit- 
weilige war; aber auch es im Sinne von: weil (de W., Phil., Meyer 
nach Win. 8 48, a, 3, c) oder: sofern (God., Beck) zu nehmen, ist 
mindestens ganz überflüssig. Das διὰ τῆς σαρχὸς erläutert Otto da- 
durch, dass das Gesetz unfähig war, die Sünde zu richten, ohne das 
Fleisch zum Tode zu treffen! 


334 Röm 8s. 


im Gegensatze zum Gesetze, welches nicht vermocht hat zu 
thun, was Gott gethan hat, und zwar durch die Sendung 
seines Sohnes (πέμψας, häufig bei Joh. von der Sendung 
Christi. Denn ganz willkürlich wendet Otto (vgl. Zimmer: 
nachdem) ein, dass der vorausgeschickte Partizipialsatz etwas 
zeitlich Vorangehendes aussagen müsse (vgl. dagegen zu 
Act 12); höchstens will Hofm. zugeben, dass es die Art und 
Weise, wie Etwas geschehen ist, ausdrücken könne, wenn das 
Zweite als das durch das Erste zu Wege Gekommene ge- 
dacht sei, was nun eben bier der Fall ist. — τὸν ἑαυτοῦ 
υἱόν) hebt das Ausserordentliche der von Gott getroffenen 
abhelfenden Maassregel hervor (vgl. V. 32) und bezeichnet da- 
rum weder die metaphysische Sohnschaft Christi (Meyer, God., 
Lips., Sand.) noch die übernatürliche Erzeugung des Men- 
schen Jesus (Hofm.), sondern das einzigartige Liebesverhält- 
niss, in welchem der zu Gott stand, dem er eine demselben 
so widersprechende Sendung auferlegte, und welches daher die 
Grösse der Liebesthat Gottes fühlbar macht (vgl. Otto). Da 
nun aber eine Sendung ἐν σαρχί bei einem Menschen durch- 
aus nichts Ausserordentliches, sondern etwas ganz Selbstver- 
ständliches ist, so erhellt allerdings, dass das σεέμψας nicht 
von dem geschichtlichen Auftreten genommen werden kann, 
sondern nur von einer Sendung, welche seinen Sohn ein durch- 
aus andersartiges ursprüngliches Sein mit dem Sein im Fleische 
vertauschen liess. ἥ eiss, bibl. Theol. $ 17, ο. 79, b. — 
ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας) in Gleichgestalt von 
Sündenfleisch. Das ἁμαρτίας kann hier sowenig wie 66 ein 
Genit. qualit. sein (Meyer), da ἁμαρτία bei Paulus nie die 
Eigenschaft der Sündhaftigkeit bezeichnet, sondern die Sünde 
als Potenz, als herrschende Macht. Es bezeichnet vielmehr 
die σάρξ als eine von Sünde beherrschte, ihr ganz und gar 
ehörige, und hebt daher den äussersten Gegensatz gegen die 
dem ursprünglichen Wesen seines eigenen Sohnes entsprechende 
Existenzform hervor, wenn Gott denselben so sandte, dass er 
in einer Existenzform erschien, welche dem von Sünde be- 
herrschten natürlichen Menschenwesen gleichgestaltet war. Das 
ὁμοιώμα bezeichnet aber, wie 12. 51. 65, dass sein Fleisch 
nicht mit dem Fleisch der empirischen Menschheit identisch, 
sondern ein dem Wesen desselben ganz gleich gemachtes 
war; aber das Beherrschtsein des Fleisches von Sünde gehört 
eben nicht zu seinem Wesen, sondern ist nur eine Bestimmt- 
heit des Fleisches der empirischen Menschheit. Paulus schreibt 
aber nicht ἐν oaexi, sondern betont diese Bestimmtheit der 
empirischen σάρξ, weil nur dadurch der Gottessohn mit der 
Sünde in Berührung kommen und sie besiegen konnte, dass 


Röm 88. 335 


er dieselbe σάρξ an sich trug, welche in der ganzen Mensch- 
heit von Sünde beherrscht war, und auf die daher selbstver- 
ständlich die Sünde ihre Herrschaft auch bei ihm auszu- 
dehnen suchte*). — καὶ περὶ ἁμαρτίας) Sünde halber, fügt 
hinzu, dass nicht nur die Art der Sendung, sondern auch ihr 
Zweck darauf berechnet war, zu verwirklichen, was das Gesetz 
zu thun nicht im Stande war. Dann aber kann man unmög- 
ΒΟ an den Zweck denken, die Sünde zu sühnen (Orig., Calv., 
Melanth. u. V., auch Koppe, Böhme, Ust., vgl. B.-Brus., Hofm., 
Beck)**), da es sich ja im ganzen Zusammenhange nur um 
die Aufhebung der Sündenmacht handelt (vgl. Theophyl., 
Castal. u. M., auch Maier u. Bisp), — κατέχρινδ τὴν 


— τος ς 





*) Dann freilich ist klar, dass σάρξ, nicht bloss »die stoffliche 
Erscheinungsweise«, »den leiblichen Menschheitsstoff«e (Meyer) be- 
zeichnet, auch wenn man mit ihm (freilich durchaus im Widerspruch 
mit dieser Erklärung) gegen Zeller festhält, dass die σάρξ nicht ohne 
ψυχή gedacht ist, und gegen Krehl, Baur (Gesch. d. 3 ersten Jahrh. 
P- #10), Pfleid., dass darin nichts Doketisches liegt, als ob bloss ἐν 
Ouolwuarı σαρχός stände. Gewiss heisst ἐν ὁὑμοεώματε nicht »in Aehnlich- 
keit« (Volkm., Hilg., vgl. Beck, nach welchem seine σάρξ nur binsicht- 
lich der Versuchbarkeit und Leidentlichkeit dem Sündenfleisch ähnlich 
war); aberjedenfalls ist der Ausdruck ἐν σαρχὶ ἁμαρτέας vermieden, eben 
weil die σάρξ Christi keine von Sünde beherrschte war, da er ja sonst 
ebenso ohnmächtig gewesen wäre, die Sünde zu besiegen. Der Gedanke 
aber, dass er wie ein Opfer mit fremder Sünde belegt war (Reiche), 
oder, die Sündenstrafe tragend, gleichsam selbst sündig wurde (Phil., 
vgl. Otto, Zimmer), wird völlig willkürlich eingetragen. Irrig aber 
hat Holst. nach dem Vorgange des Gennad. bei Cramer Cat. p. 123 
die σάρξ Christi wirklich als sündig aufgefasst, so dass sie das ob- 
jektive Prinzip der ἁμαρτέα gehabt habe (vgl. Lips.: die vermöge ihrer 
Naturbeschz enheit der Herrschaft der ἁμαρτέα unterworfene), diese 
aber bei ihm weder zum subjektiven Bewusstsein noch zur subjektiven 
That geworden sei (s. zum Evangel. d. Paul. u. Petr. p. 436ff., vgl. 
auch Hausrath, neut. Zeitgesch. II, p. 481f.) was ein Widerspruch in 
sich ist und nicht erklärt, weshalb dann Paulus nicht einfach ἐν 
σαρχὶ ἁμαρτίας schrieb. Vgl. dagegen auch Sabatier, l’apötre Paul. 

. 2856 und Wendt, die Begriffe Fleisch u. Geist P- 182 ff. Gegen 
Överbeck (in Hilg. Zeitschr. 1896. p. 178ff.), hat schon Zeller (eben- 
das. 1870. p. 301ff.) ausreichend gezeigt, dass der Ausdruck keines- 
wegs fordere, die σάρξ Christi als σὰρξ ἁμαρτίας zu denken; und dass 
sie 80 nicht gedacht werden kann, wenn nicht in der Paulinischen 
Anschauung eine ungelöste Antinomie liegen soll (Pfleid., Paulinism. 

. 165), zeigt unzweifelhaft IIKor. 521. Vgl. Weiss, bibl. Theol. 8 78,c. 
Hofm. will den Ausdruck willkürlich in einen »Adjektivbegriff« auf- 
lösen: so dass er sündlichem Fleische glich. 

**) Vgl. Lips., nach seiner Missdeutung von 68—ı0. Man ergänzt 
bei dieser Fassung gewöhnlich ϑυσέίαν (Lev 737. Ps 407. Jes 5310) 
oder nimmt es geradezu für Sündopfer (vgl. Böhmer und Hilgenf. in 
8. Zeitschr. 1871. p. 186f., der es sogar in diesem Sinne noch mit 
von ἐν ὁμοιώματε abhängig sein lässt, Man darf nicht einmal die 


336 Röm 88. 


ἅἁ μαρτίαν) Diese Verurtheilung der Sünde (letztere, wie immer, 
als Prinzip und Macht gedacht) ist das, was auf Seiten des 
Gesetzes durch Behinderung des Fleisches unmöglich war. 
Unmöglich aber war dem Gesetze selbstverständlich nur eine 
solche Verurtheilung der Sünde, durch welche dieselbe ihres 
bisher behaupteten Regimentes entsetzt wurde; also: er ver- 
urtheilte sie zum Verlust ihrer Herrschaft und zur Besiegung 
durch Christum. Der Ausdruck ist gewählt mit Beziehung 
auf das χατάχριμα V. 1. Sie, die bisher den Menschen das 
κατάχριμα zuzog und es ihnen immer aufs Neue zuziehen 
würde, wenn ihre Herrschaft fortdauerte, ist nun selbst (zur 
Ohnmacht) verurtheilt, indem ihre alle Macht und Herrschaft 
thatsächlich genommen wurde. Der Ausdruck ist aber um 
so treffender, als ja Gott selbst ihre Herrschaft nicht brach, 
sondern Christus, und Gott sie nur durch dessen Sendung ver- 
urtheilte, von ihm besiegt zu werden. Dies konnte aber nur 
geschehen ἐν τῇ σαρκί, sofern die σάρξ das bisherige Herr- 
schaftsgebiet der Sünde war, auf dem sich allein entscheiden 
konnte, ob sie auch dem Sohne Gottes gegenüber Herrscherin 
bleiben würde. Eben darum war derselbe ja in Gleichgestalt 
von Sündenfleisch gesandt, damit die Sünde, welche bisher 
alles Fleisch beherrschte, sich auch seines Fleisches zu be- 
mächtigen suche. Da sie dies aber nicht vermochte, sofern 
Christus in seinem sündlosen Leben jede Versuchung zur 
Sünde überwand, so wurde die σάρξ der Schauplatz, auf 
welchem jene thatsächliche Verurtheilung der Sünde zur Macht- 
losigkeit sich vollzog ἢ). 


Anmerkung. Die vielfachen Missverständnisse der Stelle 
knüpfen sich im Wesentlichen an die Voraussetzung, dass der Akt 
des χατέχρινε sich im Tode Christi vollzog (vgl. auch Sand.), während 
er nach der klaren Aussage des Apostels sich vielmehr in der Sendung 
des Sohnes ἐν ὁμοιώμ. o. «u. vollzog. Man kam darauf, indem man 
meist das ἐν τῇ σαρχί ohne weiteres fasste, als ob ἐν τῇ σαρχί αὐτοῦ 
stände, was Otto II, p. 13 sogar in seiner Weise philologisch zu 


Beziehung auf die Sühne mit einschliessen (Meyer, God., Sand.), weil 
der allgemeine Ausdruck alle Beziehungen zur Sünde zusammenfasse, 
da doch der Kontext die Beziehung genau andeutet, in welcher er 
gemeint ist. 

*, So im Wesentlichen, wenn auch unter verschiedenen Modifi- 
kationen in der Analyse des Begriffs xarexpıvev, Iren., Chrys,., 
Theodoret., Piscat., Estius, Beng., Kölln., Winz., Frtzsch., Baur, Krehl, 
de W., Maier, Umbr., Ew., Th. Schott, God., Luth., Goeb. Das ἐν 
τῇ σαρχί iet nicht mit τὴν ἁμαρτίαν zu verbinden (Beng., Michael., 

ofm.), was durchaus durch den Art. angedeutet sein müsste. 


Röm 88. 537 


rechtfertigen sucht. Dann sollte χατέχρενε heissen, dass er die Sünde 
als verdammlich darstellte (Erasm., de Dieu), oder dass die Bestrafung 
der Bünde an seinem Leibe vollzogen sei (Koppe, Flatt nach Aelteren, 
vgl. Rück... Man konnte dies im dogmatischen Sinne von der süh- 
nenden Bedeutung des Todes Christi nehmen (Thal., Phil.), aber man 
konnte ihm auch die Wendung geben, dass in seinem hingerichteten 
Leibe zugleich die Sünde hingerichtet und dadurch ihrer Macht 
beraubt sei (Orig., Beza, Ust., Olsh., Maier, Bisp. u. A.), wobei man 
dann wohl xarexgıve geradezu: interfecit übersetzte (Grot., Reiche, 
Glöckl. u. A). In derselben Richtung liegt die neuerdings beliebt 
gewordene Missdeutung der Stelle, wonach Gott in dem Tode Jesu 
das Fleisch und damit die ihm anhaftende Sünde tödtete und so die 
Macht derselben prinzipiell brach. Vgl. Baur, Holst., Pfieid., Richard 
Schmidt, Paul. Christologie p. 49 ff. Lips. Aber diese Fassung setzt 
voraus, dass dem Fleische Christi irgendwie wirklich die Sünde an- 
haftete, und sie lässt unerklärt, wie die Vernichtung der Sünde in 
dem Fleische des Menschen Jesus irgendwie den im Fleische lebenden 
Gläubigen zu Gute kommen konnte (vgl. dagegen Wendt a. a. Ὁ. 
p. 185ff. Weiss, bibl. Theol. ὃ 81, a). Dies zeigt sich am klarsten 
in der neuesten Darstellung von Holst. (a. a. O. p. 352), der zur 
Durchführung dieses Gedankens noch die Geistesmittheilung einmischt, 
die aber dann erst thatsächlich bewirkt, was jene Tödtung nicht be- 
wirken kann. Auf diese Einmischung kommt jetzt auch Hofm. heraus, 
der im Schriftbeweis II, 1. p. 355 die Stelle im Wesentlichen richtig 
erklärte, indem er die Verurtheilung der Sünde geradezu in der 
Geistesmittheilung erblickt (vgl. auch Gess, Christi Pers. u. Werk II, 
p. 183ff.), weil er das πέμψας als dem xarexgıve vorgängig fasst, 
wobei er in letzterem die thatsächliche Erklärung findet, »es sei 
dem, was von seinetwegen Rechtens ist, zuwider, dass die Sünde den 
Menschen wie einen leibeigenen Knecht unter ihrer Botmässigkeit 
habe«, nachdem er in der Sendung des Sohnes ἐν ὁμοιώμ. σ. au. 
»gleichsam ein Recht anerkannt, welches die Sünde auch über den 
Menschen habe, welcher sein Sohn seie.e Beck lässt in dem Tode 
Christi eine strafrechtliche Tödtung der Sünde vollzogen sein, die 
sich reell vollzieht bei alien τοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ durch die Gemein- 
schaft seines Todes. Zimmer lässt durch den Tod Jesu den Rechts- 
anspruch der Sünde (den Tod des Sünders) befriedigt und so die 
Herrschaft der Sünde über alle, die durch die Lebensgemeinschaft 
mit Christo an seinem Tod und seiner Auferstehung theilhaben, ge- 
brochen sein, wie schon Otto im Tode Christi die Rechtsforderung 
des Gesetzes erfüllt sein liess und geradezu die Auferstehung Christi 
hinzunahm, welche die σάρξ der Menschen vom Todesgeschick be- 
freien sollte, wovon doch vollends hier mit keinem Worte die Rede 


ist. Nach Böhmer stellt der Opfertod auf Golgatha den Tod der 
Meyer’s Kommentar. IV. Abtb. 9. Aufl. 22 


838 Röm 88. «. 


Sünde dar, der dem Geistesleben vorhergehen muss (vgl. die more 
imaginaria der Sünde im physischen Tode Christi bei Frtzsch.), 
während derselbe bei Chr. Hoffm. im Grunde nur die letzte Be- 
währung Jesu im Kampf mit der Sünde ist, durch welche die Sünde 
im Fleische verurtheilt wird. So schwankt die auf einer falschen 
Voraussetzung ruhende Exegese haltlos umher, berührt hie und da 
das Richtige, modifizirt sich aber immer aufs Neue nach den ver- 
schiedenen dogmatischen Vorstellungen der Exegeten. Dem einfachen 
Wortlaut der Stelle, den Lips. vergeblich für einen dem Apostel völlig 
fremden Gedanken erklärt, liegt dies Alles gleich fern. 


Absichtlich hat Paulus diesen allgemeinen Ausdruck (ἐν 
τῇ σαρχί) gewählt, um die universelle Bedeutung jener That- 
sache hervorzuheben; denn freilich war damit erst an einem 
Punkte innerhalb der Menschheit die Herrschaft der Sünde 
gebrochen, aber in dem Fleische des Heilsmittlers, der den 
durch ihn erfochtenen Sieg auch für die Seinen fruchtbar 
machen konnte. Wie er das gethan, ist im folgenden Ab- 
sichtssatz indirekt angedeutet. — V.4 erklärt, welche Absicht 
(ἔνα) Gott dabei hatte, wenn er durch die Sendung des 
Sohnes die Sünde im Fleische verurtheilte, und bezeichnet so 
der Sache nach, welches die Folge der in Christi Leben ge- 
schehenen prinzipiellen Veberwindang der Sünde sein sollte. 
— τὸ δικαίωμα τοῦ vöuov) ist ganz einfach wie 182. 226: 
das, was das Gesetz als seine Rechtsforderung festgestellt hat. 
Der Singular fasst die sämmtlichen (sittlichen) Rechtsbestim- 
mungen des Gesetzes als Einheit zusammen. Die Erfüllung 
dieser Rechtssatzung (πληρωϑῇ, wie Mt 31. 5ı. Gal 5u) 
kann nur darin bestehen, dass all ihren Forderungen Genüge 
geleistet wird. Diese Erfüllung sollte durch das Gesetz be- 
wirkt werden, das dieses aber nach V. 3 nicht vermochte. 
Darum hat Gott die V.4 geschilderte Veranstaltung getroffen, 
damit sie verwirklicht werde in uns (ἐν ἡμῖν) ἢ. Dieser ab- 


*) Viele ältere dogmatische Exegeten (8. bes. Beza, Calv., Calorv., 
Wolf z. St.) haben bei dem δεχαίωμα des Gesetzes zugleich an die 
Strafe der Uebertretung, welche im Gesetze verlangt wurde, gedacht, 
und an die Erfüllung beider durch den doppelten (thätigen und leiden- 
den) Gehorsam Christi an unserer Statt, durch dessen Imputation die 
Forderung des Gesetzes in uns erfüllt sei. Otto denkt sogar aus- 
schliesslich an die Rechtsforderung (»die Gerechtsame«) des Gesetzes, 
den Sünder zu strafen, und übersetzt: damit dieselbe erfüllt wäre 
(seil. in dem χατέχρενε). Frtzsch., Phil., Ew. denken an das Recht- 
fertigungsurtheil des Gesetzes, die sententia absolutoria (vgl. auch 
Kölln.), was dem Wortlaut, wie dem Kontext zuwider ist. Die Ueber- 
setzung von διχαίωμα durch justificatio (Vulg.) ist wortwidrig, mochte 


Röm 8«. 389 


sichtlich (statt ὑφ᾽ ἡμῶν) gewählte Ausdruck hebt ausdrück- 
lich hervor, dass auch jetzt nicht wir es sind, die sie zu Stande 
bringen, sondern dass sie in uns zu Stande gebracht wird. 
Wie dies geschieht, ist V. 2 klar genug angedeutet, indem 
nämlich in der Lebensgemeinschaft mit Christo die Macht 
seines Geistes uns von der Uebermacht der Sünde in uns frei- 
macht, was freilich erst geschehen konnte, nachdem im Leben 
des Heilsmittlers die Sünde zur Machtlosigkeit verurtheilt, 
d. h. ihre Macht gebrochen war. Das ist ja das Resultat, auf 
welches die ganze Erörterung von Kap. 6 an hinauswill, dass 
die tbatsächliche Erfüllung des Gesetzes nun nicht kraft dieses 
(esetzes, sondern auf einem völlig neuen Wege zu Stande 
kommt. — τοῖς un κατὰ σάρχα etc.) quippe qui ambu- 
lemus etc., giebt die spezifische Charakteristik der Christen, 
unter deren Voraussetzung allein die Rechtsforderung des Ge- 
setzes in ibnen erfüllt werden kann. Dabei ist un wegen des 
Zusammenhanges mit ἕνα ganz regelrecht; Bäuml. Partikell. 
p. 287f. Das πνεῦμα ist nach V. 2 der in der Lebens- 
gemeinschaft mit Christo mitgetheilte Geist, und der Art. fehlt 
nur (vgl. 76), weil die verschiedene Art des Wandels, von der 
es abhängt, ob es in uns zur Erfüllung des Gesetzes kommt, 
ganz allgemein nach der verschiedenen Art des denselben be- 
stimmenden Prinzips charakterisirt werden 5011] ἢ. Fleisch- 


man dabei nun an die Gerechtmachung als Zweck des Gesetzes (Chrys. 
u. 8. Nachfolger, auch Theod. Mopsv.) oder an die Rechtsgenugthuung 
ıRothe) denken. Das ἐν ὑμῖν heisst weder: durch uns, noch: an uns 
(Meyer) und bezieht sich keineswegs bloss auf die Innerlichkeit der 
Gesetzeserfüllung (Reiche, Klee, Hofm., Beck), die sich nothwendig 
auch in der gesammten Lebensthätigkeit (de W.) zeigen muss. 

“ Der Gedankengang, in welchem es gerade darauf ankam, das 
Mittel zu bezeichnen, durch welches Gott jene Erfüllung ermöglicht 
hat, wird völlig verkehrt, wenn man mit Hofm., Luth., Otto in diesem 
Zusatz das findet, worin eich jene Erfüllung zu erkennen giebt. Dies 
gerade würde die objektive Negation erfordert haben, da die Ver- 
Deinung an χατὰ σάρχα haften würde. In Plut. Lyc. 10, 19 (gegen 
Hofm.) steht Jie Negation beim Partizip und das Verhältniss der 
Abhängigkeit ist im Texte gegeben; s. Hartung, Partikell. II, p. 132. 
Allerdings darf man auch nicht umgekehrt das artikulirte Partizipium 
analysiren: als die wir nicht wandeln sollten nach dem Fleische, 
sondern nach dem Geiste (Goeb.), welche Auffassung Otto geradezu 
Meyer unterschiebt, um dann »das ganze Misere der modernen Aus- 
legung« verketzern zu können (vgl. das Beeper! Gedruckte auf S. 12!). 
Gerade darum steht ja der Art., und nicht das blosse Partizipium, 
weil der Apostel voraussetzt, dass die Christen solche seien, in denen 
seine Rechtsforderung erfüllt werden kann. Das Fehlen des Art. vor 
πνεῦμα, das freilich nicht dadurch erklärt werden kann, dass es die 
Natur eines Nom. propr. hat (Meyer), berechtigt keineswegs, an die 


»» 


840 Röm 84. δ. 


gemäss wandelt, wer dem sündlichen Gelüste, welches in der 
σαρξ wohnt, Folge leistet; geistgemäss aber, wer dem Zuge, 
der treibenden und normirenden Macht (V. 2) des heiligen 
Greistes folgt. Beides schliesst sich aus, Gal 5ıs. Der Zusatz 
zeigt eben, dass Gott nicht die Nothwendigkeit, sondern nur 
die Möglichkeit der Gesetzeserfüllung in den Christen wirkt, 
deren Verwirklichung davon abhängt. ob sie in ihrem Wandel, 
d. h. ihrem gesammten sittlichen Verhalten sich durch das 
neue Prinzip des πεγρεῦμα, das ihnen geschenkt ist, bestimmen 
lassen, oder durch ihre alte Natur. Aber auch wo Ersteres 
der Fall, sind keineswegs sie es, die das Gesetz erfüllen, sondern 
der Geist, durch welchen es in ihnen erfüllt wird, was freilich 
nicht er ist, ohne dass sie ihn in sich wirken lassen. 
V.5ff. begründet, woher nur in denen, die nicht fleisch- 
gemäss wandeln, sondern geistgemäss, es zur Erfüllung des 
Gesetzes kommt (vgl. Goeb.). — οἱ xara σάρκα ὄντες geht 
von dem κατὰ σάρχα σεεριπεατεῖν auf den tiefsten Grund des- 
selben zurück; denn fleischgemäss kann nur die gesammte 
Handlungsweise dessen sein, der seinem ganzen Wesen nach 
von Fleisch bestimmt ist*). Diese Bestimmtheit kommt aber 
zunächst zur Erscheinung in der Sinnesrichtung, in dem 
Trachten des Menschen (φρονοῦσι, vgl. IMak 10%. IIMak 





neue pneumatische Natur des Wiedergeborenen zu denken (Beng., 
Rück., v.Heng., Phil. u.A.). An den in seine ursprüngliche Stellung 
und Funktion wieder eingesetzten Menschengeist (Otto) haben doch 
selbst die rationalistischen Ausleger nicht gedacht. 

*) Fälschlich legen Rück., Bisp. (vgl. auch B.-Crus., v. Heng., 
Reiche, Beck., God.: während die, die nach dem Fleische sind u. s. w.) 
gerade auf das positive xara πν. als das zu Begründende den Accent, 
während doch das Negative mit Nachdruck voransteht, und V. 7f. 
ausschliesslich vom περέπατ. xar« σάρχα handeln. Auch rechtfertigen 
die Verse nicht bloss die eben gegebene Charakteristik der Christen 
in ihrem gegensätzlichen Inhalt (Meyer, vgl. de W.), begründen aber 
auch nicht, wiefern die Verurtheilung der Sünde im Fleisch ermög- 
lichte, dass Geist und nicht Fleisch maassgebend ward für unsern 
Wandel (Hofm.), oder sind gar die weitere Ausführung des angeblich 
in V. 4 enthaltenen Beweises, dass in uns die Forderung des (esetaes 
erfüllt sei (Otto). Wenn aber Paulus dem jüdisch-gesetzlichen Be- 
wusstsein von der Willkür freier Willensentscheidung gegenüber seine 
Ansicht von dem Wirken entgegengesetzter Substanzen im Subjekt 
näher begründen soll (Holst.), so wird doch im Folgenden höchstens 
diese Ansicht wiederholt, aber nicht begründet. Das ὄντες könnte 
ganz fehlen, weshalb auch der Ton nicht auf dem Gegensatz des Seins 
und der Sinnesrichtung liegen kann (gegen Hofm.). Es ist aber nicht 
vom natürlichen Menschen die Rede (God.), der σάρχενος ist (714) 
und darum nur χατὰ σάρχα sein kann, sondern vom Christen, in 
welchem ein anderes Lebenselement ist, wodurch er bestimmt sein 
kann (vgl. Beck). 


Röm 86. 6. 841 


14%. Plat. Rep. p. 505B), sofern dasselbe auf die Interessen 
des Fleisches (σὰ τῆς σαρκός) gerichtet ist. Das sind aber 
nicht nur die irdischen Güter, sondern, da die σαρξ im Gegen- 
satz zum Geist überall als die von der Sünde bewohnte und 
beherrschte gedacht ist, auch die ἔργα τῆς σαρχός, ihre (sünd- 
lichen) παϑήματα “al Errıdvulaı (Gal 52) u. s. w. Umge- 
kehrt trachten die Geistgemässen nach dem, was der Geist 
verlangt, wozu er treibt, und das ist die Erfüllung der dı- 
καιώματα τοῦ νόμου (V. 4), weil ja das Gesetz selbst zzvev- 
ματικός (11) ist. Das über sie Gesagte erläutert nur das 
über das Trachten der κατὰ σάρκα ὄντες Gesagte, das also auf 
diese Erfüllung nicht gerichtet ist. — V. 6 begründet, warum 
das φρονεῖν τὰ τῆς σαρχός, das die Sinnesrichtung aller fleisch- 
gemäss Wandelnden ist, jene Erfüllung des διχαίωμα τοῦ 
vouov ausschliesst, da ja an sich die σαρξ nicht sündlich ist, 
und daher das, was ihr angehört, nicht böse zu sein scheint. 
Das den Begriff des τὰ τῆς σαρχός wieder aufnehmende 
φούνημα τῆς σαρχός kann nur den Gegenstand des Trachtens 
ezeichnen. Dass derselbe aber ein widergöttlicher ist, ergiebt 
sich daraus, dass in ihm nicht das δικαίωμα τοῦ νόμου im 
Sinne von V. 4 erfüllt wird, sondern das διχαίωμα τ. ϑεοῦ 
im Sinne von 1» sich erfüllt, sofern das vom Fleische Erstrebte 
nothwendig den Tod (ϑάνατος, wie V. 2) zur Folge hat und 
darum in und mit Allem, was das Fleisch erstrebt, immer 
(wenn auch unbewusster Weise) der Tod als letzes Ziel er- 
strebt wird, weil dieses thatsächlich immer erreicht wird ἢ). 
Auch hier dient der Gegensatz nur zur Erläuterung, da es ja 
von dem φρόνημα τοῦ τενδύματος, wenn dieser Geist V.2 
als σπενεῦμα τῆς ζωῆς bezeichnet war, sich von selbst versteht, 
dass das von ihm Erstrebte nur ζωή sein kann. Wenn hier 
καὶ εἰρήνη hinzugefügt wird im Sinne von 17. 210, so ge- 
schieht das lediglich darum, weil Alles, was vom Geiste er- 


*) So mit Recht nach der Wortbildung Rück., de W., Hofm., 
God., Luth., Goeb., Böhmer, während die Aelteren (vgl. noch Meyer, 
Lips., Sand.) yeovnu« im Sinne von φρόνησις nehmen, was dann 
wieder die Fassung des Sararos vom geistlichen Tode, die durch die 
offenbare Beziehung auf V. 2 ausgeschlossen wird, nahelegt, oder, 
wenn man ϑάνατος richtig fasst, nöthigt, die (zu ergänzende) Kopula 
umzusetzen in: es läuft auf den Tod hinaus (Lips). Auch hat Jene 
Fassung von φρόνημα Meyer, Lips. (wie freilich auch Luth, Böhmer 
u. A., die nur die Gegensätzlichkeit der beiden Sinnesrichtungen 
durch das Ziel derselben erläutert sehen) veranlasst, das γάρ nur 
explikativ zu nehmen (vgl. Beck, der es geradezu: und übersetzt). 
Hofm. substituirt ganz willkürlich den Gedanken, dass das, was das 
Fleisch und was der Geist leistet und trachtet, so weit aus- 
einanderliegen, wie Tod und Leben. 


342 Röm 86. 1. 


strebt wird, nicht nur als letztes Ziel ζωή, sondern schon 
diesseits immer und überall Heil (ἃ. ἢ. einen von allem 
Mangel, aller Sorge und Gefahr befreiten Zustand) für den 
Menschen mit sich bringt ἢ). — V. 7. dıorı) vgl. 1.19. 21. 820: 
ropterea quod, führt den Grund ein, weshalb das, was das 
Fleisch mit seinem Streben erreicht, nichts Anderes als 
Tod sein kann. Dass hier nur die erste Hälfte von V. 6 
begründet wird, zeigt deutlich, dass auf ihr, und darum auch 
auf der ersten Hälfte von V.5 der Nerv des Gedankenganges 
liegt, und das über das Trachten des Geistmässigen V.5 u. 6 
Gesagte nur zur Illustration dient, was meist übersehen wird. 
Nur, wenn man τὸ φρόνημα von der Sinnesäusserung fasst, 
was freilich hier inkonsequenter Weise auch solche thun, die 
es V.6 richtig deuten (vgl. Hofm., Luth., Böhmer), kann man 
ἐχϑρὰ εἰς ϑεόν von der Feindschaft gegen Gott verstehen 
(so fast allgemein), obwohl schon an sich keineswegs erhellt, 
dass das chten unserer sündhaften Natur, das doch nur 
auf die Befriedigung seiner natürlichen Triebe gerichtet ist, 
eine widergöttliche Tendenz hat. Es kann daher nur etwas 
Gottfeindliches (vgl. Goeb., Zimmer) bezeichnen, ἃ. ἢ. etwas, 
das in Beziehung auf Gott seine Feindschaft erregt und daher 
eben nur immer Mod zur Folge haben kann. Das Subst. abstr. 
dient nur dazu, den Charakter des Gottesfeindlichen viel 
stärker auszudrücken, als das Adj. Nur hierzu passt auch 
die folgende Begründung, da ja die Feindschaft gegen Gott 
ein positives Ankämpfen wider ihn mit sich bringen würde, 
aber nicht bloss die negative Verweigerung des (fehorsams 
gegen sein Gesetz, während grade diese die Feindschaft Gottes 
gegen den Ungehorsamen nothwendig erregt. Aus dem τῷ 
γόμῳ τοῦ ϑεοῦ (7x) erhellt aber klar, dass die Tendenz der 
Ausführung von V.5 an ist, zu zeigen, dass bei fleisch- 
gemässem Sein es zur Erfüllung der Rechtssatzung des Ge- 
setzes in uns nicht kommt. Subjekt des οὐχ ὑποτάσσδβται 
(Dan 61, vgl. Ps 367. 6lı. IIMak 912) kann natürlich nicht 
das φρόνημα (Meyer, Beck), sondern nur die σάρξ selbst 


*) Die Beziehung auf den Frieden mit Gott (Beck, Luth., Böhmer, 
u. A., vgl. Lips., der die Bedeutung: Heil gradezu bestreitet) wird 
ganz kontextwidrig eingetragen, da das folgende ἐχϑρὰ eis ϑεόν V. 7 
damit garnichts zu thun hat (gegen Otto). Wenn man freilich da- 
gegen gewöhnlich geltend macht, es ergebe das ein Hysteronproteron, 
wie 68 sch. wirklich annimmt, so ist das nicht richtig, da keines- 
wegs das neben dem Hauptgegenstand des φρονεῖν Genannte noth- 
wendig etwas demselben zeitlich folgendes ist, wie 210, wo es sich 
m Ba Aufzählung des dem Gutesthuenden zu Theil Werdenden 

andelte. 


Röm 87. 8 848 


(Lips.) sein, welche » das Hauptsubjekt der ganzen Erörterun 
ist. — οὐδὲ γὰρ δύναται) denn es ist ihm nicht Ainmal 
möglich, aber nicht seiner widergöttlichen Naturbeschaffenheit 
wegen (Holst., Lips.), sondern weil es wegen der im Menschen 
han Sünde (71.2) dem Gesetz der Sünde geknechtet 
ist (72). Dies gilt aber nach dem Zusammenhange auch von 
der σαρξὲ des Wiedergeborenen; denn wenn dieselbe auch, 
ideell angesehen, in i todt ist (Gal 52%, vgl. 6 οἴ), 80 
macht sie sich doch empirisch immer wieder geltend (vgl. die 
Anm. zu 77), nur dass der Wiedergeborene im szysvua eine 
Macht in sich hat, welche ihn befähigt, sie nicht zur Geltung 
kommen zu lassen, was der γοῦς des natürlichen Menschen 
nicht vermochte. — V. 8. oi δέ) leitet von dem über die 
Stellung der σάρξ zu Gott und seinem Gesetz Gesagten zu 
der daraus nothwendig folgenden Stellung Gottes zu den ἐν 
σαρκὲ ὄντες über*. Weil jene sich seinem Gesetz nicht 
unterordnen kann, so kann er, der diese Unterordnung als Be- 
dingung seines Wohlgefallens fordern muss, an diesen kein 
Wohlgefallen haben. Darin liegt dann bereits (gegen Luth.) 
der Abschluss dieser ganzen Ausführung, sofern damit noth- 
wendig gegeben ist, dass das φρόνημα τῆς σαρχός Tod und 
nicht, wie das des Geistes, Leben ist, was in V.6 den Mittel- 

ff für dieselbe bildete. Das οἱ ἐν σαρκὲ ὄντας be- 
zeichnet die, welche im Fleische ihr Lebenselement haben, so 
dass ihr ganzes Sein ein im Fleische beschlossenes ist. Es ist 
nicht der Sache nach gleich κατὰ σαρχά V.5 und nur der 
Form der Vorstellung nach Tersohlöden (Meyer), sondern 
stärker als dieses (God., Goeb.) und bezeichnet den Bereich, 
in dem sie sich befinden, und dessen Wesen sie darum theilen 
(vgl. Hofm., Lips). Es entspricht also etwa dem σάρκινος, 
wie jenes dem σαρχεχός (Holst, vgl. Beck), und kann im 
Folgenden von den Christen direkt negirt werden, während 
jenes nach der ganzen Auseinandersetzung in V.4—7 immer- 


ἢ Dass hier die Betrachtung der Personen im Gegensatz zu der 
des φρόνημα folgt (Meyer), beruht auf seiner falschen Auffassung des 
Subj. von ὑποτάσσεται; aber es liegt auch nicht der Nachdruck auf 
dem Gegensatz des persönlichen οὗ ἐν σαρχὶ ὄντες zu der σάρξ selbst 
(Luth.). Ganz willkürlich ist es, das δέ gleich οὖν zu nehmen (Beza, 
Calv., Koppe u.M., vgl. auch Räück., Reiche), oder den Satz für einen 
Allgemeinsatz zu nehmen, aus dem etwas hinsichtlich der fleisch- 
lichen Gesinnung V. 7 gefolgert werden soll (Beck). Hofm. will V.8 
ganz unnatürlich vom Vorigen lostrennen (obwohl schon das οὐ δύνα- 
ται deutlich an das οὐδὲ δύναται rg pi und mit dem Folgenden 
eher das schon durch die direkte Anrede sich von dem Vorigen 
abscheidet. 


844 Röm 88.9. 


hin möglich sein muss. Zu ϑες ἀρέσαι vgl. Prv 12aı. 
Gen 201. Jos 2288. 

V.9. ὑμεῖς δέ) Ihr hingegen. So wendet sich der 
Apostel nach der allgemeinen Erörterung V. 5—8 an die 
Leser, von denen als von Gläubigen das Gegentheil gilt, um 
zu zeigen, dass und warum sie es sind, in denen nach V. 4 
die Satzung des Gesetzes erfüllt werden soll und kann. — ἐν 
σχενδύματι) War im Vorigen gezeigt, dass das Sein ἐν oapxi 
die Erfüllung des Gesetzes in ihnen unmöglich mache, so 
wird das εἶναι ἐν σπενεύματι, sobald aus ihm naturgemäss das 
δἶναι und περιπατεῖν χατὰ ıv. folgt, es sein, in Folge dessen 
in ihnen dasselbe erfüllt wird. — eisree) vgl. 3%, wenn 
anders (8. Klotz ad Devar. p.528. Bäuml., Partikell. p. 202). 
In dieser konditionalen Wendung liegt keine Anzweiflung der 
Thatsache, sondern eine Anregung zur Selbstprüfung, sofern 
ein Verhalten, das von einem δῖναι ἐν σαρκὶ zeugte, diese 
Thatsache und damit ihr Christsein in e stellen würde. — 
wyevua ϑϑεοῦ) Hier wird nun ganz klar, dass mit dem 
σονεῖμα in dem ganzen Abschnitt (V. 2. 4. 5. 6) göttlicher 
Geist gemeint ist. Wenn göttlicher Geist in ihnen wohnt, 
wie bisher allein die Sünde in ihnen wohnte (oixel ἐν ὑμῖν, 
vgl. 717.2), so ist durch seine übermächtige Wirkung noth- 
wendig auch Geist das Lebenselement, in welchem sich all 
ihr Sein, Streben und Wirken bewegt*. — δὲ δέ τις 
χενδῦμα Χριστοῦ οὐκ ἔχει) Antithese von eirzee — ὑμῖν, 
die Nothwendigkeit dieser Voraussetzung recht fühlbar machend. 
Da aber damit nur die im Vorigen ausgedrückte Sache negirt 
wird, so ist klar, dass der Geist Christi eben der göttliche 


*) Chrys. u. M., auch Olsh. nehmen das εἴπερ gleich quando- 
quidem, was zwar nicht sprachwidrig ist, da, wie εἰ im Sinne von 
ἐπεί (Dissen ad Dem. de cor. p. 195), so auch εἴπερ im Sinne von 
ἐπείπερ (s. Kühner ad Xen. Anab. 6, 1, 26) gebraucht wird; aber hier 
ist zu dieser Fassung gänzlich kein Grund im Kontexte. Das diesem 
Wohnen göttlichen Gesetzes in ihnen entsprechende ἐν nveuuarı εἶναι 
kann unmöglich geistliches Wesen (Phil.) oder gar den Geist als 
wirksamen Grund alles Lebens (Hofm.) bezeichnen. Während Saud. 
das ἐν πνεύματε zunächst von dem menschlichen Geist nimmt, der 
erst durch den Einfluss des ihm einwohnenden Gottesgeistes seine 
Richtung empfängt, denkt Otto an den zu seiner ursprünglichen (re- 
stalt erneuerten Menschengeist, der den sich stets zur Annahme dar- 
bietenden Gottesgeist aufnehme. Das oixeiv bezeichnet nicht das 
stabile domicilium (Frtzsch. u. M.)., das stetig Bleibende (Hofm., 
God., Beck, Otto), sondern nur die Immanenz im Unterschiede von 
einzelnen Einwirkungen auf den Meuschen (Luth.).. Stellen der Rab- 
binen vom Wohnen des heil. Geistes im Menschen s. b. Schöttg. 
p. 527. Eisenmeng., entdeckt. Judenth. I, p. 268. 


Röm 89. 10. 345. 


Geist ist, den wir haben, wenn er in uns wohnt*. — οὐχ 
ἔστιν αὐτοῦ) bezeichnet wohl nicht bloss die Angehörigkeit 
an Christum, also die wahren Christen im Gegensatz zu den 
Scheinchristen (Meyer), sondern die Zugehörigkeit zu ihm im 
Sinne der vollen Lebensgemeinschaft und Lebenseinheit mit 
ihm (vgl. Gal3®. IKor 152 mit V.22), wie aus dem folgenden 
Χριστ. ἐν ὑμῖν erhellt. Vgl. Weiss, bibl. Theol. $ 84,b. Mit 
Absicht wird dieser Fall nur ganz hypothetisch gesetzt, weil 
τ ἐς den Lesern sich eines Besseren versieht (vgl. Lips., 
and.). 

V. 10f. ei δὲ Χριστὸς ἐν ὑμῖν) Aus der Art, wie 
damit der Gegensatz gebildet wird zu εἰ de τις πεν. Χριστοῦ οὐχ 
öxeı, erhellt, dass das Sein Christi in uns thatsächlich nichts. 
Anderes ist, als das Sein seines Geistes (der mit dem göttlichen 
eins ist) in uns, wodurch es zu jener Lebenseinheit mıt Christo 
kommt, in der wir gleichsam nur noch ein Theil Christi sind. 
Vgl. Gal 2%. Da nun also diese Hypothesis für die Leser 
als feststehend betrachtet werden kann, so entwickelt Paulus 
ar die seligen Folgen, die sich daraus für sie ergeben, näm- 

ich das Leben, das schon nach V.2.6 die Folge des zvevua 
ist. — τὸ μὲν σῶμα vexeov) kann ohne Willkür nur vom 
Tode im eigentlichen (physischen) Sinne genommen werden, 
wie schon der Zusammenhang mit V. 2. 6 zeigt (Augustin., 
de pecc. merit. et rem. 1, 7, Oalv., Beza, Calov., Beng., 
Michael, Thol., Klee, Flatt, Rück., Reiche, Glöckl., Usteri, 
Frtzsch., Maier, Sand., Weiss a. a. Ο. 8 9,c u. M.) Es ist. 
aber zu beachten, dass der Satz keine Kopula hat, also ledig- 
lich der Zusammenhang darüber entscheiden kann, von welchem 
Zeitpunkte der Satz ausgesagt ist. Darüber entscheidet aber 
V.6, wo ganz wie hier sich Javarog und ζωή gegenüberstehen, 
sowie die Thatsache, dass ein Gedankenfortschritt nur noch 


*) Vergeblich sucht man einen Unterschied zwischen beiden 
(Kölln.: dieser die Quelle und Vollendung alles nveüu«, jener der 
höhere, gottähnliche Sinn, der in Christo zur Erscheinung gekommen; 
Umbr.: der Geist Christi das Vermittelnde, wodurch der Mensch den 
Geist Gottes erlange, vgl. v. Heng.: si vero quis spiritum, qui Christi 
est, cum eo non habet communem); der Wechsel der Bezeichnung des 
heil. Geistes ist nur gewählt, um die Wahrheit des οὐχ ἔστιν αὐτοῦ 
recht augenfällig zu machen, das natürlich nicht auf Gott geht 
(v. Heng.). Es bedarf daher nicht der Erklärung Otto’s, das πνεῦμα 
Christi sei der Odem des zur Wohnung des Gottesgeistes gewordenen 
Menschengeistes. Die Negation gehört nicht zum Bedingungssatz, 
sondern ausschliesslich zu dem ἔχειν, das durch die objektive Negation 
in sein Gegentheil verkehrt wird: Wenn Euch Geist Christi fehlt. 
Die Vertauschung des οἰχεῖν mit dem einfachen ἔχειν spricht gegen 
die prägnante Fassung des ersteren. 


8346 Röm 810. 


stattfinden kann, wenn jetzt das letzte Ziel genannt wird, zu 
dem das Χριστὸς ἐν ὑμῖν (= εἶναι ἐν πνεύματι) führt. Das 
erhellt aber auch daraus, dass zunächst auf die Beschaffenheit 
des σῶμα reflektirt wird, an der doch selbstverständlich das 
δἶναι ἐν σαρχί oder ἐν πνεύματι nichts ändert. Wohl aber 
könnte man erwarten, dass der Leib durch letzteres dem 
Strafgericht des (leiblichen) Todes entnommen würde ἢ. — δι 
ἁμαρτίαν) Grund: Sünde halber, in Folge von Sünde 
(Kühner ὃ 434, II, 3, b), erinnert an den nach 512. 616. 28 ge- 
setzten Zusammenhang zwischen Tod und Sünde und macht 
schon dadurch jede uneigentliche Fassung des σῶμα νδχρόν 
unmöglich. Der Tod, welcher als Strafe über die Sünde des 
Menschen gekommen ist, wird, wie alle leiblichen Folgen der 
Sünde, zunächst nicht aufgehoben durch die Erlösung, wenn 
er auclı für den Erlösten seine eigentlichen Schrecken ver- 
liert **). — τὸ δὲ πινεῦμα) Unmöglich kann dem über das 


*) Wenn Otto darauf verweist, dass noch kein Ausleger erklärt 
habe, warum der Leib todt sei bei denen, in welchen Christus ist, 
was er doch bei Anderen auch ist, so sagt eben das μέν in denkbar 
grösster Klarheit, dass die Folge des Χριστὸς ἐν ὑμῖν zwar in diesem 
Punkte zunächst nicht sichtbar wird; dann kann aber eben die Aus- 
sage nur auf den Zeitpunkt gehen, wo bei allen Menschen eine 
Aenderung mit ihrem σῶμα eintritt und sich also entscheiden muss, 
ob das Χριστὸς ἐν ὑμῖν dieselbe abwendet oder nicht, d. h. auf das 
Lebensende, wo der Leib allerdings todt ist, wie bei denen, in denen 
Christus nicht ist. Es bedarf daher nicht einer proleptischen Fassung 
des vexoov (Meyer mit Berufung auf Soph. Ant. 1167. Epict. fr. 176 
und die von ihm falsch gedeuteten Stellen 7ı0.. Apk 81) oder einer 
Umsetzung in: conditioni mortis abnoxium, todtverfallen (Augustin., 
vgl. Beng. und noch Beck, God., Luth., Chr. Hoffm., Goeb., Zimmer, 
Sand... Auch nach Hofm. ist von dem Tode die Rede, welcher im 
Sterben des Menschen nur seinen Abschluss findet, aber vermöge 
alles dessen schon vorhanden ist, was den Leib unfähig macht, eine 
Offenbarung wahren Lebens zu sein (vgl. Phil.,. Otto: ein für die 
Zwecke des ewigen Lebens untüchtiger.. Unmöglich ist vollends die 
Erklärung vom geistlichen Tode, man mag sie nun konsequenter 
Weise auch auf V. 11 ausdehnen (Erasm., Piscat.. Locke, Heum., 
Ch. Schmidt, Stolz, Böhme, Benecke, Kölln., Schrad., Steng., Krehl, 
v. Heng., Holst., Böhmer, vgl. de W., Niels, Umbr., die gar den 
sittlichen und pbysischen Sinn verbinden), oder auf unseren Vers 
beschränken (Orig., Chrys., Theodoret, Oecum., Grot., Koppe, Olsh., 
Reithm. u. A... Dabei nehmen die Meisten »exo. in verschiedenen 
Wendungen von dem Ertödtetsein der im Leibe wohnenden Sünde 
(vgl. Lips., der, wie ähnlich Hilg., an die in der Taufe vollzogene 

emeinschaft mit dem Tode Christi denkt, die aber doch nirgends 
auf den Leib bezogen wird). Andere umgekehrt von dem Sünden- 
elende (Michael., Koppe, Kölln., vgl. de W., Krehbl, Olsh., Thol.). 
**, Die Frage, ob an die Adamitische Sünde zu denken sei, um 
deretwillen zuerst der Tod in die Welt kam (Meyer, God., Goeb.), 


Röm 81. 347 


σῶμα dessen, in dem Christus ist, Gresagten nun eine Aussage 
über den objektiven (Geist Gottes oder Christi (Chrys., Theoph., 
Calv., Grot. u. M., vgl. noch Hofm., Luth., Goeb.) gegenüber- 
treten, schon darum nicht, weil dessen Wesen doch völlig un- 
abhängig ist und bleibt davon, ob Christus in Einem ist oder 
nicht, oder mindestens hervorgehoben sein müsste, was dieser 
Geist in uns oder für uns ist. Freilich kann auch nicht unser 
menschlicher Geist, ἃ. 1. das Substrat des persönlichen Selbst- 
bewusstseins und als solches das Prinzip der höheren, Gott 
zugewandten erkennenden und sittlichen Lebensthätigkeit 
(Meyer nach Rück., Frtzsch., Krehl, Thol., vgl. in ihrer Art 
auch Chr. Hoffm., Otto, Böhmer) gemeint sein, da ja auch 
dessen Beschaffenheit von dem Sein Christi in uns nur insofern 
abhängt, als sie eine durch ihn oder seinen Geist erneuerte 
ist. Wir haben hier also an das neue, durch das göttliche 
zevevua (oder den Christus in uns) erzeugte, von ihm durch- 
drungene Geistesleben (19), also die pneumatische Wesenheit 
des Wiedergeborenen zu denken (Theodoret, de W., Phil., 
God., vgl. Lips., Sand.). — ζωή) nicht bloss vollerer Ausdruck 
für ζῶν, nach Analogie von 87, da dies den Schein erwecken 
würde, als ob das πνεῦμα unter Umständen auch todt sein 
könnte, sondern Bezeichnung dafür, dass sein Wesen {τ 8.), 
nicht bloss sein wesentliches Element (de W., Meyer), Ei 
ist, und dass der, in welchem Christus ist, somit ein Prinzip 
unvergänglichen Lebens in sich trägt, das ihm unverlierbar 
bleibt, auch wenn der Leib todt ist. Dabei ist zu erwägen, 
dass die blosse Fortdauer der vom Leibe getrennten Seele nach 
biblischer Anschauung kein wahres Leben ist, dieses vielmehr 
erst mit dem durch Christi Geist in uns erweckten Geistes- 
leben auch nach dem Absterben des Leibes fortdauert. — 
διὰ δικαεοσύνην) Gerechtigkeits halber, wobei aber nicht 
an die um Christi willen geschenkte und durch den Glauben 
angeeignete Gerechtigkeit im Paulinisch-dogmatischen Sinne 
(Rück., Reiche, Frtzsch., Phil., Hofm., Meyer, God., Luth., 
Goeb., Zimmer, Böhmer nach den meisten Alten), auch nicht 


also an die mit der menschlichen Natur sich vererbende (Hofm., 
Luth.), oder an die dem Gläubigen noch anklebende Sünde (de W., 
Phil.), ist eine sehr müssige, da es keine Sünde giebt, die nicht 
irgendwie aus der von Adam her ererbten Natur stammt, und keinen 
Christen, in dem nicht die alte Adamsnatur noch irgendwie nach- 
wirkte und Sünde zu Wege brächte. Keinesfalls kann das δι᾽ auap- 
τίαν heissen: um der Sünde nicht mehr zu dienen (Holst.), aber δὺο 

der Gedanke von Lips., dass der Leib (in der Taufe) getödtet werden 
musste, um der in ihm wohnenden Sünde willen, würde nothwendig 
den Art. vor ἁμαρτίαν erfordert haben. 


848 Röm 810. 11. 


zugleich (Sand.) zu denken ist, sondern nach dem ganzen 
Kontext an die durch den Geist gewirkte Gesetzeserfüllung, 
ἃ. ἢ. an die sittliche Lebensgerechtigkeit (Erasm., Grot,, 
Thol., de W., Klee, Maier, Beck, Chr. Hoffm., Lips.). 
Dass das Grundgesetz der göttlichen Gerechtigkeit, wonach 
Leben nur ertheilt werden kann, wo Gerechtigkeit ist (vgl. 
Weiss, bibl. Theol. $ 65, d), dem Wiedergeborenen auch von 
Seiten der neuen, in ihm gewirkten Gerechtigkeit das Leben 
ewährleistet, ist eben im Unterschiede von ὅ 17. 18. 21 der neue 
edanke, zu dem Paulus in Kap. 8 fortschreitet ἢ. — V. 11. 
ei δέ) schreitet mit dem metabatischen δέ dazu fort zu zeigen, 
wie schliesslich auch die im Leibe noch zurückgebliebene 
Macht des Todes überwunden wird. Hier tritt an die Stelle 
der Voraussetzung, dass Christus in ihnen ist (V. 10), die nach 
dem Gedankengange nothwendig wieder aufgenommen werden 
muss, die andere, aber mit ihr völlig identische, dass der Geist 
in ihnen wohnt (τὸ πνεῦμα — οἰκεῖ ἐν ὑμῖν), der aber 
nun als der Geist Gottes bezeichnet wird. Daraus erhellt 
aufs Neue, dass Christus eben durch seinen Geist in uns ist, 
und dass dieser kein anderer ist, als der göttliche (V. 9. Er 
wird aber charakterisirt als der Geist dessen, der den Menschen 
Jesus von Todten erweckt hat (τοῦ ἐγείραντος τὸν Ἰησοῦν 
ἐκ νεχρῶν, vgl. 424), weil damit angedeutet werden soll, dass 
der, welcher an dem NMenschen Jesus diese Allmachtsthat 
vollbracht hat, sie auch an uns allen vollziehen kann. Daher 
wird auch Gott, von dem diese Allmachtsthat ausgehen wird, 
nun noch einmal bezeichnet als der, welcher von Todten er- 
weckt hat Christum. Hier ist absichtlich ὁ ἐγείρας mit ἐκ 
νεχρῶν verbunden, damit der volle Ton auf Χριστόν falle, 
weil, was an ihm als dem Heilsmittler geschehen, verbü 
dass es auch an uns geschehen wird (Hofm., Luth.**. — 





*) Eben weil auch diese Gerechtigkeit keine selbst erworbene, 
sondern eine durch den Geist gewirkte ist, und weil ohne Rücksicht 
auf das, was noch von altem Wesen und darum von Sünde im 
Menschen daneben zurückbleibt, das Leben ertheilt wird, bleibt es 
eine göttliche Gnadengabe (628). Dass auch die neue Gerechtigkeit 
niemals eine vollkommene ist (Meyer), kann Jdaber nicht in Betracht 
kommen; und dass der Gegensatz die Beziehung des διὰ διχ. auf die 
ohne sein Zutbun vorhandene Gerechtigkeit fordere (Hofm., Meyer), 
ergiebt sich nur aus der gleich fehlerhaften Auffassung des δι᾽ ἁμαρ- 
τίαν bei Beiden. Nur wenn man διὰ διχαιοσύγνην fasst: wegen Ge- 
rechtigkeit, »damit diese bleibe und herrsche« (Ew., vgl. v. Heng., 
Holst.), wird der Gegensatz zu vexpov δε ἄμαρε. aufgehoben. 

**) Der Art. vor ınoows, der in der Rept. fehlt, wird nach NAB 
herzustellen sein: während er vor χρέστον, wie häufig, von den Emen- 
datoren (hier KLP Rept.) zugesetzt ward. Dagegen ist kein Grund, 


Röm 8ıı. 349 


ζωοτεοιήσει) bezeichnet mit Absicht die für die Gläubigen 
zu erwartende Allmachtsthat nach 417 als Lebendigmachung, 
weil ja ihrem Geistesleben nach V. 10 bereits (unvergäng- 
liches) Leben mitgetheilt ist, und es nun nur noch darauf an- 
kommt, dass auch (κα) ihre sterblichen Leiber lebendig ge- 
macht werden (τὰ ϑνητὰ σώματα ὑμῶν). Nicht als νεχρά, 
wie V. 10, werden dieselben bezeichnet, da im Tode sich ja 
das πνεῦμα vom Leibe trennt, auf den Moment also, wo die- 
selben bereits todt sind, das im Folgenden geltend gemachte 
Motiv nicht zutrifft; vielmehr bezeichnet sie der Apostel vom 
Standpunkte der Gegenwart aus als sterbliche, welche jeden- 
falls dem Tode verfallen und darum nothwendig dereinst der 
Lebendigmachung bedürfen ἢ. Dass ihnen dieselbe aber auch 


mit Tisch., WH. nach NAD (vgl. C) ἑησουν zu letzterem hinzuzufügen, 
was durch das voraufgehende ἑησουν so nahe gelegt war, nur die 
Stellung des ex vexowv vor ζωοποίησει wird dem Vorigen konformirt 
sein (Rcpt. Treg.), so dass dasselbe nach NAC vor χριστον zu stellen 
ist. Die Streichung des xas vor τὰ ϑνητα nach NA hat Tisch. selbst 
nicht gewagt; WH. txt. u. Treg. a. R. haben es i. Kl. — Die Rept. 
δια του Evoıxovvrog αὐτου πνευματὸος (Tisch., WH. txt nach NAC cop. 
arm. aeth.) ist schwerlich erst im Macedonianischen Streite von den 
Orthodoxen aufgebracht, da sie sich bei Clem. Alex. findet, wenn auch 
die Behauptung derselben, dass sie sich in allen alten Codd. finde 
(vgl. Dial. c. Maced. 3 in Athan. Opp. II, p. 452), sicher übertrieben 
ist, da schon Orig., Iren. u. Tert. (vgl. BDEFGKLP it. vg. syr. sah.) 
δια τὸ etc. haben, und erst ihr Interesse an jener sie offenbar em- 

fohlen und ihre Verbreitung verursacht hat, so dass sie nicht mit 

eng., Frtzsch. auf einen Schreibfehler zurückgeführt werden darf. 
Sie wird daher mit Unrecht von de W., Ew., Krehl, Thol., Beck, 
Chr. Hoffm., Goeb., und von Holst., Böhmer im Interesse ihrer Miss- 
deutung der Stelle vertheidigt. Der Vers knüpft nicht nur an 
die Folge des εἰ Χριστὸς ἐν vuiv V. 10 an, wie Hofm. auf Grund 
seiner Missdeutung des zreüu« V. 10 annehmen muss. Jesus wird 
hier nicht wegen seiner urbildlichen Bestimmung für die Gläubigen 
. Χριστός genannt (Meyer nach Beng.); denn nicht, dass der Geist 
Gottes während seines irdischen Lebens in ihm wohnte, bildet die 
Voraussetzung des in Betreff der Gläubigen gezogenen Schlusses, 
auch nicht bloss seine Herrscherstellung (Otto: weil er als der 
auferweckte König Unterthanen haben muss, die nicht im Hades 
bleiben, vgl. Zimmer) oder die Angehörigkeit der Gläubigen an ihn 
(Goeb.), sondern sein Heilsmittlerthum. Vgl. IKor 152. 

*, Nach Meyer (vgl. Goeb.) ist ζωοποιήσει statt ἐγερεῖ gesagt, um 
die Verwandlung der bei der Parusie noch Lebenden einzuschliessen, 
was dem Wortlaut und Kontext völlig fern liegt; nach God. sind die 
Leiber als sterbliche bezeichnet im Gegensatz zu den unverweslichen 
Auferstehungsleibern, nach Hilg. im Gegensatz zu den nicht sterb- 
lichen (wenn auch nicht unsterblichen) Leibe Christi. Keinesfalls 
kann nach der Parallele mit der Auferweckung Christi, sowie neben 
dem ϑνητὰ σώματα, in irgend einem Sinne an eine ethische Lebendig- 


350 Röm 811. 13. 


zu Theil werden wird, ist dem Apostel gewiss wegen des in 
ihnen einwohnenden Geistes. Beachte das bezeichnendere 
Comp. dıa τὸ ἐνοικοῦν (Tr) — ἐν ὑμῖν und die nach- 
drückliche Voranstellung des auf Gott bezüglichen αὐτοῦ 
vor πνδῦμα. Wie könnte Gott, der Erwecker Christi, welcher 
bei ihm bezeugt hat, dass er von Todten erwecken kann, und 
dass er, was an dem Heilsmittler geschah, an uns thun will, 
die Leiber der Gläubigen, welche er gewürdigt hat, die 
Wohnstätten seines Geistes zu sein, ohne Lebendigmachung 
belassen ! ἢ. 

Υ. 12—27. Der Geist als Prinzip der Heils- 
gewissheit. — War schon im Vorigen angedeutet, dass mit 
der Wirksamkeit des Geistes in uns zugleich die Heilsvollen- 
dung objektiv gewährleistet ist, so wird jetzt näher ausgeführt, 
wiefern der Geist es ist, der uns derselben auch subjektiv ge- 
wiss macht. Nur in diesem Sinne kann man sagen, dass 
Paulus jetzt zu der mit der Geisteswirksamkeit gegebenen 
Heilsvollendung übergeht (gegen Lips., der in V. 12f. noch 
das Endergebniss der bisherigen Erörterung findet, vgl. Sand.), 
und dann gehört V. 18—27 nothwendig mit zu diesem Ab- 
schnitt (gegen Luth.), sofern es sich dort um die Leiden dieser 
Zeit handelt, die scheinbar unsere (subjektive) Heilsgewissheit 
erschüttern können. — V. 12. ἄρα ov») vgl. 72%, folgert aus 
dem sachlich eng zusammengehörigen Inhalt von V. 10. 11. 
Von den seligen Folgen war dort geredet, welche sich für 
unser geistiges, wie für unser leibliches Leben aus dem Sein 
Christi oder seines (resp. des göttlichen) Geistes in uns ergeben. 
Dass wir dadurch zu Dank verpflichtet sind (ὀφειλέται ἐσμέν, 


machung (vgl. zu V. 10) gedacht werden (Erasm., Calv., Kölln.: »so 
wird der, der Jesum von den Todten auferweckte, auch Eure noch 
dem Tode (Sünde und Elend) unterworfenen Körper zum Leben führen, 
d.b. auch Eure sinnliche Natur veredeln und so Euch ganz vollenden«, - 
Holst. a. a. O. p. 355, Böhmer). Beides suchen de W., Ew., Phil., 
künstlich zu vereinigen. 

*) Abgesehen von Meyer, der wegen seiner unrichtigen Fassung 
des Χριστός hier fälschlich den Geistesbesitz Christi einmischt, pole> 
misirt Otto aufs Schärfste gegen diese einfachste Auffassung, weil der 
Geist nicht im Leibe der Christen wohne, sondern im nveüu« des 
Menschen; dieses sei das Allerheiligste, jener nur der vaös (I Kor 619)! 
Er setzt darum an die Stelle von: weil sein Geist in uns wohnt, 
einfach: weil wir Lebensgemeinschaft mit ihm haben! Um die Be- 
ziehung auf Judenchristen festzuhalten, trägt hier Hilg. den ganz 
fremdartigen Gedanken ein, dass den Lesern, welche meinten, zur 
Bändigung des Fleisches des Gesetzes nicht entbehren zu können, 
noch das vollere Zutrauen auf den ihnen einwohnenden Christusgeist 


fehlte! 


Röm 813. 18. 351 


vgl. 114), ergiebt sich von selbst; es fragt sich nur, wem; 
und da V. 4—9 beständig von zwei Prinzipien geredet war, 
durch welche unser ganzes Sein, wie unser Wandel bestimmt 
werden kann, so präzisirt sich die Frage näher dahin, welchem 
dieser beiden wir zu Dank verpflichtet sind. Wenn nun Paulus, 
statt positiv diese e zu beantworten, nur konstatirt, dass 
wir jedenfalls nicht dem Fleische (οὐ zr oaexi) zu Dank 
verpflichtet sind, so geschieht das, weil, wie schon bei der 
Ausführung V. 5—8, die Absicht vorwaltet, zu zeigen, dass 
der Christ sich durch die σάρξ nicht mehr bestimmen 
lassen darf, wenn er der Segnungen seines neuen Gnadenstandes 
theilhaftig werden will. Indirekt liegt darin aber deutlich 
genug, dass wir nur dem neuen Prinzip des rveiua zu Dank 
verpflichtet sind*). Der Gen. des Inf. (vgl. 66) τοῦ κατὰ 
σάρκα ζῇν bezeichnet den Zweck, welchen ein solches Schuld- 
verhältniss zum Fleische hätte, wenn dieses Verhältniss über- 
haupt statt fände. Die Aufgabe, die für uns aus der Ver- 
pflichtung gegen die σάρξ resultiren würde, wäre ein fleisch- 
gemässes Leben, das mit dem Wandeln und Sein xara σάρκα 
V. 14f. wesentlich identisch ist. — V. 13 begründet die Aus- 
sage des V. 12 dadurch, dass ein solches ζῇν κατὰ σάρκα 
nicht nur unveranlasst wäre, sondern uns gerade um den 
Segen, den uns das Sein des Geistes in uns bringen will 
ἐν 101), betrügen würde. — μέλλετε) bezeichnet, wie 42, 
as »certum et constitutum esse secundum vim [divini] fati« 


*) Wenn Beck V. 12—17 die ethisch verpflichtende Bedeutung 
des Geistes findet, so wird der ei Zielpunkt dieses Abschnittes 
ganz verkannt über der praktisch-paränetischen Ueberleitung zu dem- 
selben. Hofm. lässt nach Reiche, Olsh. den Apostel nur aus V. 11 
folgern, weil er mit diesem einen neuen Abschnitt begann. Lips. be- 
streitet, dass es sich um eine Dankespflicht handelt, die sich doch 
unmittelbar aus dem ἄρα οὖν ergiebt und die Verpflichtung zum 
Dienst erst zur Folge hat. Nach Meyer liegt es nur an dem leb- 
haften Fortschritt der Rede, dass Paulus den aus V. 13 sich er- 
gebenden Gegensatz nicht ausdrückt, nach Hofm. will er den Wahn 
ausschliessen, dass man auf sein irdisches Wohlsein bedacht sein 
müsse (weil er das χατὰ σάρχα ζὴν ganz irrig von fleischlicher Glück- 
seligkeit nimmt), nach Beck reassumirt er nur, was V. 4—9 ent- 
wickelt ist (vgl. Otto: Besultat von 8ı—ıı). Chr. Hoffm. lässt ihn 
sogar absichtlich die (nach ihm unpassende) Vorstellung einer Ver- 
Bus une gegen den Geist vermeiden, obwohl dieselbe doch indirekt 

eutlich genug im Ausdruck liegt. Nach Frtzsch. gehört der Genit. 
des Inf. zu ὀφειλέταει: »Sumus debitores non carni obligati, nempe 
debitores vitae ex carnis cupiditatibus instituendae«; so auch Win. 
ὃ 44, 4. Aber Gal bs verbindet Paulus oy. mit dem einfachen Infin., 
wie Soph. Aj. 587. Eur. Rhes. 965, und die Wiederholung von σάρχα 
wäre sehr schwerfällig. 


352 Röm 818. 


(Ellendt, Lex. Soph. II, p. 72) und ἀποϑνήσκειν ein Sterben, 
dem keine Lebendigmachung (V. 11) folgt, also insofern das 
zum ewigen Tode führende ἢ. — πνεύματι) vermöge des 
heiligen Geistes (vgl. V. 4. 5. 6. 9 und das folgende sıvev- 
ματι ϑεοῦ), also auch hier nicht subjektiv (Rück., Phil., Otto, 
Sand. u. A.: pneumatische Geistesbeschaffenheit), da es sich 

erade um die göttliche Kraft handelt, durch welche dem 

hristen ermöglicht wird, die Aktionen des Leibes zu tödten. 
Es liegt schwerlich ein Grund vor, τὰς πράξεις (IIChr 
277. 28%. IMak 16%) anders zu nehmen als in dem gewöhn- 
lichen Sinne der Handlungsweisen des Leibes**), Gewiss 
braucht der Apostel absichtlich den Ausdruck τοῦ σώματος, 
weil, wenn der Leib sich von der Herrschaft des Geistes 
emanzipirt (vgl. Otto), er nur solche Aktionen ausübt, zu 
welchen die im Fleische wohnende Sünde ihn veranlasst, und 
dadurch eben dem Tode verfällt, von dem er nach V. 11 er- 
rettet werden konnte. Aber er ist ja auch gerade der Theil 
des Menschen, in welchem die Sünde immer wieder ihre 
Herrschaft geltend zu machen sucht (612), nachdem das Innen- 


Ἢ Meyer lehnt hier die Rückert’sche Ansicht ab, nach welcher 
Paulus keine Auferstehung des Leibes für die Ungläubigen in Aussicht 
nimmt, obwohl er selbst an das unselige Sein im Hades vor und nach 
dem Gerichte denkt, das doch überall in der Schrift als leibloses vor- 
gestellt wird. Phil. verbindet auch hier leiblichen, geistlichen und 
ewigen Tod; vgl. dagegen zu 5ı2, und hier steht noch insonderheit 
entgegen, dass das Sterben und Leben rein in das Gebiet der Zukunft 
gesetzt ist. Otto denkt auch hier bloss daran, dass sie auf dem Wege 
sind (wozu er das μέλλετε abschwächt) zum geistlichen Tode, Böhmer 
denkt gar bloss an die Gemüthsqual dessen, der sich bewusst ist, 
‚seine Christenpflicht nicht zu erfüllen. Vgl. auch Chr. Hoffm. 

**) Meyer will es speziell im Sinne von Praktiken, Machinationen, 
schlechten Streichen nehmen mit Berufung auf Dem. 126, 22. Polyb. 
2, 7,8. 2,9, 2. 4, 8, 3. 5, 96, 4 und Sturz, Lex. Xen. III, p. 646. 
‚So die Meisten, auch Luth.. Sand. Vgl. dagegen de W., Hofm., Beck, 
@od., Goeb., Zimmer u. A. Es bezeichnet im neutestamentlichen 
‚Sprachgebrauch überall nicht die einzelne Handlung, sondern die 
Gesammtheit des Thuns nach seinem Charakter, die Handlungsweise 
(Mt 1697. Lk 2351. Röm 124), auch wo, wie hier, dieselbe in ihren 
einzelnen Erscheinungsformen gedacht ist (Act 1918. Kol 39). Weder 
steht σῶμα hier für σαρξ (Reiche u. M.), so dass Paulus in seinem 
‚Sprachgebrauch inkonsequent geworden wäre (Stirm in d. Tüb. Zeit- 
schrift 1834. 3. p. 11), noch ist die Seele unter σῶμα mit inbegriffen 
(Phil... Ganz verflacht Hofm. den Sinn des ϑανατοῦτε, indem er ihn 
(seiner Missdeutung des ζῆν xar« σάρχα entsprechend) auf ein Hart- 
‚sein gegen sich selbst (vgl. IKor 937) reduzirt, aber auch God, indem 
er an jeden Akt der Aufopferung denkt, durch welchen die Selb- 
:ständigkeit des Leibes verneint, und seine Unterwerfung unter den 
Geist energisch bejaht wird. 


Röm 8:18. 14. 858 


leben des Christen bereits von ihr frei geworden ist. Gewählt 
ist auch das Javarovrs (16). Um nicht selbst zu sterben, 
muss man in Kraft göttlichen Geistes diese sündhaften 
Aktionen des Leibes ertödten, die uns immer wieder in den 
Tod bringen, ἃ. ἢ. man muss nicht nur im einzelnen Falle 
die Aktionen des Leibes hindern, sondern man muss ihn für 
solche Verrichtungen und Handlungsweisen, zu denen die 
Sünde ihn treibt, aktionsunfähig, und so diese selbst unmög- 
lich machen. — ζήσεσϑ, 8) ist im Gegensatz zu dem prägnant 
gebrauchten Jararovre das Leben, dem kein Tod ein Ende 
macht, also das ewige, selige Leben, das sich zunächst im Ge- 
biete des σενεῦμα bewegt (V. 10), aber endlich auch auf die 
Leiblichkeit erstrecken wird (V. 11). 

V. 14f. ὅσοι γάρ) vgl. 2:2. Indem der Apostel das 
ζήσεσϑε, womit er nach dem Uebergange in V. 12£. zu der 
für das Leben im Geist in Aussicht gestellten Heilsvollendung 
(V. 10f.) zurückgekehrt ist, begründet, kommt er auf den 
Hauptgedanken dieses Abschnittes, die Verbürgung der Kind- 
schaft und ihrer seligen Folgen durch den Geist, von welchem 
seit 82 gezeigt war, wie er die bestimmende Macht im Leben 
des Christen ist oder doch sein kann und soll. Denn wie 
viele thatsächlich durch göttlichen Geist (σεν εύματι Heor), 
wie er nach V. 9. 11 in ihnen wohnt, getrieben, d.h. in ihrer 
inneren und äusseren Lebensthätigkeit bestimmt werden 
(@yovraı, vgl. 24. Soph. Ant. 620: ὅτῳ φρένας ϑεὺὴς ἄγει, 
Oed. C. 254, Plat. Phaed. p. 94E: ἄγεσϑαι ὑτεὸ τῶν τοῦ 
σώματος ταϑηματων), wie es bei denen geschieht, die durch 
diesen Geist die Aktionen des Fleisches ertödten, die sind 
Söhne Gottes. Das οὗτοι hebt mit Nachdruck hervor, dass 
sie alle, aber auch keine Anderen es sind, also nicht solche, 
die noch «ara σάρχα leben (V. 12f), in ihrer gesammten 
Lebensführung noch nicht vom göttlichen Geiste bestimmt 
sind. Eben das Getriebenwerden vom göttlichen Geiste 
beweist ihre Gotteskindschaft, sofern (nach einer gangbaren 
metaphorischen Fassung des Kindschaftsbegrifis, vgl. 4ıı. 
Mt 5%) das Kind an der sittlichen Wesensähnlichkeit mit 
dem Vater erkannt wird (Goeb.)*). — vioi εἰσιν ϑεοῦ) 


*) Daraus folgt aber keineswegs, dass die Mittheilung dieses 
Geistes sie erst zu Kindern gemacht hat, wie im direkten Widerspruch 
mit Gal 46 wieder Hofm., Beck behaupten, während sie eben die 
Kindesannahme besiegelt, indem sie in der Verwirklichung jener 
Wesensäbnlichkeit das rechtlich gesetzte Verhältniss auch als ein 
thatsächliches erkennen lehrt (vgl. Lips... Auf diese Umkehrung des 
Gedankens, wodurch die Paulinische Gnadenlehre in ihrem Nerv ver- 
letzt wird, kommt doch auch God. hinaus, wenn er betont, dass sie 


Mever’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 23 


854 Röm 814. 16. 


Durch die gesperrte Stellung empfängt υἱοί den vollen Ton, 
und dieser Ausdruck ist gewählt, um die spezifische Stellun 
der Söhne zum Vater, wonach sie der Liebe desselben un 
der endlichen Theilnahme an all seinen Gütern gewiss sind, 
auszudrücken (vgl. zu 411). Denn hier, wo das »Söhne Gottes 
sein« als ein hohes Gut erscheint, das uns des ζήσεσϑε V. 13 
gewiss macht, kann nur auf diese Seite des Sohnesverhält- 
nisses reflektirt sein*). — V. 15. οὐ γὰρ ἐλάβετε) Indem 
der Apostel zur Begründung der Aussage in V. 14 auf die 
Beschaffenheit des Geistes, von dem sie getrieben werden, 
zurückgeht, hebt er zuerst hervor, welcher Art der Geist, 
welchen sie empfangen haben, nicht ist. Er ist nicht ein 
zysvua δουλδίας, d.h. ein Geist, wie er zum Knechts- 
stande gehört, ihm eigenthümlich ist. Welcher Art ein solcher 
wäre, zeigt der Zusatz πάλιν εἰς φόβον; denn der Knecht 
soll den Herrn fürchten. Zu Grunde liegt natürlich die Vor- 
stellung des Sklavenverhältnisses, in welchem kein anderes 
Motiv für die Erfüllung der zwangsweise auferlegten Pflicht 
vorhanden ist und gefordert wird, als die Furcht vor der 
Strafe des Herrn, dem der Knecht mit Leib und Leben an- 
gehört. Das vaAıy aber drückt nur aus, dass die Gesinnung, 
welche ein solcher Geist wirken würde, nur wieder dieselbe 
wäre, welche sie bereits früher gehabt haben (Lips.: gleich sic 
τὸ πεάλιν φοβεῖσθαι ὑμᾶς). Da darum der Geist ihnen nicht 
gegeben sein kann, damit sie sich abermals fürchten sollen, 
so kann er auch kein πνεῦμα δουλείας sein. Die Furcht vor 
Gott ist vielmehr dem gesammten vorchristlichen Verhältniss 


eben dadurch Gottes Söhne sind, dass sie sich von dem Geiste 
(ottes führen lassen, wie er denn auch mit Hofm. den gegensätz- 
lichen Nachdruck leugnet, der auf der Wiederaufnahme des Subjekts 
in dem οὗτοι liegt. Der ganze Fortschritt des Gedankens wird aber 
verkannt und die begründende Bedeutung des γάρ aufgehoben, wenn 
man das ζήσεσϑε von dem wahren geistlichen Leben nimmt und hier 
nur die Aussage findet, dass dasselbe eben die Aktuosität des Geistes 
Gottes in uns sei (Chr. Hoffm., Otto). 

*), Die richtige Wortstellung (Lehm., Tisch., Treg. txt. nach BFG) 
wurde aufgehoben, um den Gen. mit dem Subst. zu verbinden, theils 
durch Voranstellung (Rept. nach KLP), theils durch Nachstellung 
des εσεν (WH. nach NACDE). Verkannt wird auch der Gedanken- 
gang, wenn man erst im Folgenden den Beweis dafür findet, dass sie 
wirklich Söhne Gottes sind (Böhmer), während doch schon die That- 
sache, dass der Geist Gottes sie treibt, beweist, dass sie in das Kind- 
schaftsverhältniss zu Gott eingetreten sind, da nur in Kindern Gottes, 
dem Wesen desselben entsprechend, jenes Treiben stattfindet, und 
hierauf eben jetzt reflektirt wird, um daraus abzuleiten, dass die, in 
denen sich das Kindschaftsverhältniss thatsächlich bewährt, auch der 
weiteren Konsequenzen desselben gewiss sind. 


Röm 816. 355 


zu Gott ebenso charakteristisch, wie dem Knechtsverhältniss, 
weil man in jenem den heiligen Gott seiner Sünden wegen 
nur fürchten kann. Vgl. God.*. — ἀλλὰ ἐλάβετε) Die 
Wiederholung hat etwas Feierliches (vgl. IKor 27); sondern 
Ihr habt einen Geist empfangen, welcher dem Verhältniss der 
Sohnschaft angehört. Allerdings bezeichnet υἱοϑεσία den 
Akt der Adoption, durch welchen einer zum Sohne an 
nommen wird (Vulg.: adoptionis filiorum, vgl. ϑέσϑαι υἱόν: 
Plat. Legg. 11, p. 929C. Arr. An.1,23,11. Herm., Privat- 
alterth. $ 64, 15), hier also den Gnadenakt, durch welchen 
Gott den auf Anlass Glaubens Gerechtfertigten zu seinem 
Kinde annimmt, d. h. ihn als einen Gegenstand seiner Liebe 
55) erklärt und ihm alle Kindesrechte beilegt (Eph 16). Im 
gensatze zu dovAelag kann es aber nach bekannter Metony- 
mie nur den Zustand bezeichnen, in welchen diese Adoption 
versetzt (Gal 45. Vgl. Weiss, bibl. Theol. ὃ 33, de Anm. 5). 
Nach dem Zusammenhange kommt dieser Geist hier nicht als 
ein Geist freien willigen Gehorsams in Betracht (Otto, Zimmer), 
vielmehr als der Geist, welcher nicht Furcht vor Gott wirkt, 
sondern sie mit kindlichem Vertrauen den (sie liebenden) 
Vater anrufen lehr. — ἐν ᾧ) bezeichnet nicht das unser 
inneres Leben bewegende Element, wie V. 9 (Meyer, Goeb.), 
sondern heisst einfach: in welchem es geschieht, dass wir, oder 
auf Grund dessen wir rufen: Abba, Vater! Der Ausdruck 
xoalouev (Ps 271. 298. Gal 46) bezeichnet das laute Rufen 


*) Ungenau erklärt Meyer: ein Geist, wie er im Zustande der 
Sklaverei die maassgebende Gewalt ist (Meyer. Noch weniger kann 
der einfache Gen. der Angehörigkeit bezeichnen, dass der Geist Sklave- 
rei wirkt (Kölin., Rück., B.-Crus., Hofm., Reithm. nach Theod. Mopsv. 
u. A.), da ja δουλεία nicht einen knechtischen Sinn bezeichnet, son- 
dern das objektive Verhältniss, in dem man als Knecht steht (Ex 
133.14. Esr 99. Neh 9ı7. Hbr 216. Gal 426. 81. Ebenso wenig 
aber kann nach der stehenden Bedeutung von πρεῦμα im ganzen 
Kontext =». d. eine knechtische Gesinnung bezeichnen (Grot., Michael., 
Reiche, B.-Crus., de W., Phil). Es ist aber auch weder der in dem 
Gesetze wirkende Geist gemeint (Chrys., Theodor., Theoph., Oecum., 
Sand.), noch der im Heidenthume wirksame (Otto), sondern es ist 
nur gesagt, dass der Geist, den sie empfangen haben, nicht ein Geist 
sei, wie er solchen gegeben werden würde, welche sich im Knechts- 
stande befinden, um die diesem Stande entsprechende Gesinnung zu 
wirken (vgl. Luth.), wie sie der Zusatz charakterisirt, freilich auch 
nicht in gegensätzlicher Beziehung auf den Stand unter dem Zorn 
wirkenden Gesetze (Meyer), woraus dann Hilg. ebenso ohne jede An- 
deutung im Kontext schliesst, dass die Leser Juden gewesen seien. 
Das εἰς φόβον gehört nicht zu ἐλάβετε, was den ganz unpassenden 
Gedanken ergäbe, dass sie einmal schon einen solchen Geist em- 
pfangen haben (vgl. Otto). 


28" 


356 Röm 815. 16. 


als Ausdruck des brünstigen Affekts im Gebet. Der Ueber- 
gang in die erste Person geschieht ohne besondere Absicht- 
lichkeit im unwillkürlichen Drange des Gemeinschaftsgefühls. 
— ἀββᾶ) S. Buxt., Lex. Talm. p. 20. Nach Mk 149. Gal 
46 ist anzunehmen, dass die Anrede xzx aus den jüdischen 
Gebeten in die christlichen übergegangen war und, nachdem 
sie durch Christum selbst, welcher als Sohn den Vater so an- 
redete, die Weihe besonderer Heiligkeit empfangen hatte, 
allmählich die Natur eines Nom. propr. annahm, so dass neben 
ihr nun von den Griechisch betenden Christen in der Inbrunst 
des ae das spezifisch christliche Liebesverhält- 
niss zu Gott durch das Appellativum ὁ στατήρ im appo- 
sitionellen Nominativ (Kühner $ 356, 5) noch besonders aus- 
gedrückt, und so das »Abba, Vater« stehend wurde. Vgl. 
Phil. Der Vatername Gottes, im A. B. (Ex 42. Jes 631«. 
Hos 111. Jer 8:19. 319) nur auf das Volk Israel als solches 
bezogen, hat erst im N. B. durch die in Christo geschehene 
υἱοϑεσία die höchste Erfüllung seines Inhaltes und die Be- 
ziahung auf jedes einzelne Glied der Gemeinde empfangen. 
Vgl. Umbr. p. 2871. ἢ. 

V. 16f. αὐτὸ τὸ zevsüua) kann im Unterschiede von 
dem, was über unser Rufen in Kraft des Geistes gesagt war, 
nur der Geist selbst sein, sofern er als der uns treibende 
(V. 14) sich als eine objektive Macht in uns bethätigt (vgl. 
Sand.). — συμμαρτυρεῖ) Das σιν und seine Beziehung auf 





*) Dass nicht 3x, sondern xax gesagt wurde, brachte lediglich 
der Palästinische Landesdialekt mit sich und ist nicht gewählt, weil 
Letzteres kindlicher (lallender) geklungen (Tbol., Olsh... Andere 
prekäre Meinungen 8. Ὁ. Wolf, Cur. Lightf. Hor. p. 654f. Häufig 
(auch noch Rück., Reiche, Kölln., vgl. zech.: zur Gewohnheit ge- 
wordener Erklärungszusatz) nimmt man an, Paulus habe ὁ zar. zur 
Erklärung zugesetzt (vgl. Otto: Ausdruck dafür, dass der von den 
Juden Abba Genannte für die Christen ὁ πατήρ sei). Aber eine solche 
Dolmetschung oder Erläuterung, die in keiner der drei Stellen durch 
ein τοῦτ᾽ ἔστε oder dergl. angedeutet ist, entspricht weder dem 
empfindungsvollen Ausdruck des Gebetes, noch kann sie bei dem aus 
dem jüdischen Gebrauch, wie aus der evangelischen Ueberlieferung 
als Gebetsanrede Jesu bekannten Ausdruck Bedürfniss gewesen sein. 
Andere fanden die Nachahmung des Gebrauches der anschmeichelnden 
Kinder, den Vaternamen zu wiederholen (Chrys., Theodor. Mopsr., 
Theodoret., Grot.), oder eine Emphasis affectus darin (Erasm.), was 
doch nur möglich wäre, wenn ἀββᾶ, ἀββὰ stände, oder gar; es solle 
die Vaterschaft Gottes für Juden und Heiden angedeutet werden 
(Augustin., Anselm, Calv., Est., Böhmer u. M.). Auch hier kann das 
πνεῦμα vlo$. nicht den Geist bezeichnen, der den Kindschaftsstand 
bewirkt (Rück., Hofm.), oder der zu Gotteskindern umschafft (de W. 


u. A.). 


Röm 816. 11. 857 


τῷ πνεύματι nucv ist sowenig wie 216 zu vernachlässigen. 
Dann aber unterscheidet Paulus nicht von dem subjektiven 
Selbstbewusstsein: ich bin Gottes Kind, das damit überein- 
stimmende Zeugniss des objektiven heiligen Geistes: Du bist 
Gottes Kind! (so gew., auch Meyer, Lips.), womit man über den 
Gedanken des V. 15 nicht hinauskommt, in welchem bereits 
unser Kindschaftsbewusstsein auf den objektiv in uns wirkenden 
Geist zurückgeführt war, und den Zusammenhang mit V. 14 
verliert. Vielmehr unterscheidet Paulus von der objektiven 
Gottesmacht des Geistes in uns, die durch ihr ἄγειν die That- 
sächlichkeit unseres Kindschaftsverhältnisses (im metaphorischen 
Sinne) bezeugt, das neue durch den Geist in uns gewirkte 
Geistesleben (vgl. V. 10), in welchem wir subjektiv (durch das 
Gefühl kindlichen Vertrauens) unserer Kindesstellung zu Gott 
uns bewusst werden und so ein Zeugniss für dieselbe haben. 
— τέκνα) das zärtlichere Wort: Kinder bei fortschreitender 
Innigkeit der Rede. Nur darf man nicht sagen, dass dabei 
der Gesichtspunkt des Rechtsverhältnisses (der υἱοϑεσέα) 
zurücktritt (Sand.), da in V. 17 gerade auf das τέκνον δἶναι 
die Gewissheit der Erbschaft gegründet wird*. — V. 17. ei 
δὲ τέχνα) wie nun durch jenes doppelte Zeugniss V. 16 
sicher gestellt ist. — καὶ κληρονόμοι) vgl. Gal4r. Mk 127. 
In dem Fortschritt der Argumentation kommt nun erst der 
Apostel auf den Gedanken, durch den V. 13 seine Begrün- 
dung empfangen sollte. So gewiss Kinder auch Erben sind, 


*) Meyer bemerkt noch, unsere Stelle widerspreche der Be- 
hauptung, dass Paulus dem Menschen kein menschliches, sondern nur 
das subjektiv gewordene göttliche „rsüu« zuschreibe (Baur, Holst.). 
Falsch erklären das αὐτὸ τὸ πν. Hofm. durch: er, der Geist, Otto: 
der Geist in seinem Fürsichsein; Luther, Reiche, B.-Crus: derselbe 
Geist, von dem die Rede war, während doch αὐτός im casus rectus 
immer ipse heisst, wobei sich die nähere Sinnbeziehung aus dem 
Kontext ergiebt. Ganz verkehrt denkt Zimmer an den Geist, der 
aus den Zungenrednern spricht. Luther nach Vulg., Vätern, wie 
Grot., Koppe, Rück., Reiche, Kölln., deW. u.A. vernachlässigen auch 
hier das Comp. συμμαρτ. Wie wenig die neuesten Ausleger die Dar- 
legungen dieses Kommentars auch nur zu verstehen sich bemühen, 
zeigt Luth., der ihm zuschreibt, das πνεῦμα werde hier bloss als 
subj. Gefühl und Bewusstsein gefasst. Unrichtig eintragend Hofm.: 
υἱός betone den Lebenszusammenhang, rexvov die Abkunft, daher 
Christus nicht rexvov, sondern nur vlös genannt werde; God: υἱός 
gene auf die persönliche Würde und Unabhängigkeit, den offiziellen 

harakter als Vertreter der Familie, 7&xvov auf die Vertrautheit und 
lebensgemeinschaft. Vielleicht hat hauptsächlich das Interesse, auch 
die weiblichen Glieder der Gemeinde nicht als ausgeschlossen er- 
scheinen zu lassen, die Wahl des umfassenderen Ausdruckes geleitet 
(vgl. Böhmer). 


868 Röm 811. 


d. h. an allen Gütern des Vaters dereinst Antheil erhalten, 
wissen die Christen, nachdem sie ihrer Gotteskindschaft gewiss 
geworden, dass sie einst an dem höchsten Gut ihres Vaters 
(der ewigen, seligen ζωή V.13) Antheil erhalten werden. Sind 
sie so von der einen Seite ἢ Gottes (κληρονόμοι μὲν 
ϑεοῦ), so sind sie von der anderen Seite συγκληρονόμοι 
δὲ Χριστοῦ (vgl. Hbr 119), sofern Christus bereits durch 
seine Auferweckung in dies volle Sohnesteil eingetreten (1«), 
an der Seligkeit und Herrlichkeit des ewigen Lebens Antheil 
erlangt hat. Vgl. Weiss, bibl. Theol. ὃ 97, ὁ. — εἴσε 80) soll 
so wenig wie V. 9 die Gewissheit ihrer «Angovouia zweifelhaft 
machen, sondern nur zur Selbstprüfung anregen, ob auch bei 
ihnen die Lebensgemeinschaft mit isto, welche die Ge- 
wissheit des ἀμ λον seligen Lebens mit sich bringt, sich im 
Mit-Leiden mit Christo (συμπεάσχομϑν) bewährt. Wer um 
des Evangelii willen dem Leiden sich unterzieht, der leidet 
mit Christo, d. h. er hat thatsächlichen Antheil an dem von 
Christo erduldeten Leiden (IIKor 15). Die Ueberzeugung, 
dass in dieser Leidensgenossenschaft sich die Gemeinschaft mit 
Christo bewähren müsse, damit wir zur Vollendung derselben 
in der Theilnahme an der göttlichen Herrlichkeit (52) ge- 
langen können, zu der Christus bereits gelangt ist (iva καὶ 
συνδοξασϑῶμ er) entwickelte sich, zumal unter dem äusseren 
Einflusse der veriolgungsreichen Zeitverhältnisse, nothwendig 
aus der inneren Gewissheit, dass bei Jesu selbst sein gott- 
gewolltes, im Gehorsam gegen den Vater übernommenes 
und ae Leiden der Weg zu seiner Herrlichkeit war 
(Phl 2eff.)*). 


Ἢ Gott ist natürlich nicht als sterbender Erblasser gedacht, 
sondern ale der lebende Verleiher seiner Güter an seine Kinder (Lk 
1513), ohne dass deshalb unser Tod als Ersatz für den Tod des 
Erblassers anzusehen wäre (Phil... Trotz dieser von selbst sich er- 
gebenden Inkonzinnität darf man nicht von dem Begriffe der Erb- 
schaft, der dem Apostel sichtlich so wichtig ist, um die Gewissheit 
der auf dies Kindesrecht gestätzten Zukunftshoffnung zu deduziren, 
ganz absehen und bloss den Besitzempfang abgebildet finden (gegen 
v. Heng.. Böhmer, Otto). Dass dabei Paulus nicht das nur den leib- 
lichen Söhnen, wenn solche vorhanden waren, die Intestat-Erbschaft 
verleihende hebräische, sondern das römische Erbrecht als Analogie 
im Auge habe (Frtzsch., Thol., v. Heng.; 8. das Nähere zu Gal 47), 
ist die historisch nothwendige Ansicht, die am wenigsten in einem 
Briefe an die Römer fernliegend und unpassend sein kann (gegen 
Phil., Böhmer, Otto). Auch ohne das dem Worte selbst ganz fern- 
liegende Moment der »Theilnahme am Kampfe mit der Sünde in sich 
und in der Welt« (Olsh., Phil.) einzumischen, hat das συμπάσχειν als 
Voraussetzung der Mit-Erbschaft seine ausnahmslose Geltung, die 
nicht bloss in dem allgemeinen Antheil Aller an dem Leiden dieser 


Röm 8ıs. 859 


Υ. 188. λογίζομαι γάρ) vgl. 828, kann nur die Be- 
dingung rechtfertigen, an welche Paulus V. 17 die Gewissheit 
der Heilsvollendung geknüpft hat (vgl. Hofm.), und zwar sofern 
dieselbe voraussetzt, dass die Christen Leiden zu erdulden 
haben. Aber nicht um diese Thatsache an sich kann es sich 
handeln, sondern nur darum, dass dieselbe die Gewissheit der 
väterlichen Liebe Gottes und der damit garantirten Heils- 
vollendung aufzuheben scheint, während doch Paulus, wenn 
er die Erduldung dieser Leiden als nothwendige Bedingung 
der endlichen Vollendung erklärt, sie nicht so betrachten kann. 
Der Eintritt des Sing. ist schwerlich rein zufällig und ohne 
besondere Absichtlichkeit (Meyer), da es sich ja eben darum 
handelt, woher er trotz des notlıwendigen συμπάσχειν, das den 
Christen viele παϑήματα in Aussicht stellt und somit die 
Seligkeit der Gotteskindschaft fraglich zu machen scheint, doch 
die endliche Verherrlichung derselben als mit ihrem Kind- 
schaftsstande zweifellos gegeben hinstellen konnte. »Er will 
die Leser ohne Zweifel einladen, selbst seine Berechnung da- 
durch, dass jeder für seinen Theil sie nachrechnet, auf ihre 
Richtigkeit hin zu untersuchen« (God.). Eine gewisse Litotes 
aber liegt im Gebrauche von λογίζεσθαι, das doch für ihn in 
Wahrheit ein οἶδα und πέπεισμαι ist. — ὅτε οὐχ Afıa) 
vgl. Dem. 300. υἱ. Polyb. 4, 20, 2. Prv 3ıs. 8ı1, nicht von 
gleicher Wichtigkeit, nicht von entsprechendem Belange; un- 
erheblich sind die Leiden (ra παϑήματα, vgl. IIKor. 1658.) 


Zeit, sondern namentlich auch in dem Verhältnisse der Gotteskinder 
zur ungöttlichen Welt beruht. Natürlich ist diese Nothwendigkeit 
eine gottgesetzte, aber dem Gläubigen bekannte, und bei seinem 
Leiden mit in’s Auge gefasste, so dass man das ἕνα nicht mit Thol, 
Otto von ovyaAnpovouos abhängig machen darf. Zur Sache vgl. dsf. 
UKor 4ır. 

Ἢ 8. über den Abschnitt von der seufzenden Kreatur: Köster in 
den StKr 1862 p. 7ö5ff. M. Schenkel, von ἃ. Seufzen der Kreatur 
PET; Plauen) 1862. Frommann u. Zahn in d. JdTh 1863. 

. 28 ff. 1866. p.dllff. Graf in Heidenheim’s Vierteljahrsschr. 1867. 8. 
gelhardt u. Frommann in d. Luther. Zeitsch. 1871. p. 48ff. 1872. 
E 884. — Da im Vorigen keine Ermahnung enthalten ist, weder zur 
offnung, noch zum geduldigen Leiden, so kann auch die folgende 
Ausführung nicht enthalten, wodurch man sich in jener nicht ent- 
muthigen (Calr., de W., Phil. u. A.) oder zu diesem ermuthigen 
lassen soll (Meyer, Zimmer). Ganz grundlos findet Holst. a. a. O. 
. 8611. hier eine Polemik gegen die alte Hiobsfrage seiner jüdischen 
ser (vgl. Mang. p. 353), viel zu abstrakt Beck den Geist als das 
befreiende und verklärende Weltprinzip der Zukunft. Aber auch God. 
irrt, wenn er erst V. 23—830 den Gedanken von dem Elend der gegen- 
wärtigen Weltlage zur Durchführung des ewigen Heilsplanes Gottes 
sich wenden lässt. 


360 Röm 818. 19. 


der Gegenwart (τοῦ νῦν καιροῦ, womit nach 326 keineswegs 
ein bestimmter Zeitlauf vor der Parusie abgegrenzt wird, gegen 
Meyer, Böhmer) im Vergleich mit, im Verhältniss zu (σρός, 
vgl. Plat. Gorg. p. 471 E.: οὐδενὸς ἀξιός ἐστι πρὸς τὴν ἀλή- 
ϑειαν. Protag. p. 356 A. Win. 8 49, h.), der Herrlichkeit, 
zu der wir mit Christo nach V. 17 gelangen sollen. Im Gegen- 
satz zu dem τοῦ vu» steht das τῇν ἡ λοῦσα, (vgl. V. 13) 
mit Nachdruck vor δόξαν (vgl. Gal 38. IKor 12), und 
dann erst folgt das zu μέλλ. gehörige Verbum. Denn jene 
δόξα, welche jetzt noch verborgen (im Himmel, vgl. Kol 8581), 
aber doch schon vorhanden ist, sofern sie Christo bereits eignet 
(Hofm.), soll bei der Parusie offenbar werden an uns (εἰς 
ἡμᾶς), ἃ. ἢ. so, dass wir diejenigen sind, auf welche hin (ge- 
langend) die απεοχάλυψις vor sich geht, wenn mit dem vom 
Himmel kommenden Christus auch unsere δόξα kommt. 
V. 19ff. kann nur begründen, weshalb diese Herrlichkeit, 
gegen die dem Apostel die gegenwärtigen Leiden so gering- 
igig erscheinen, so gewiss bevorsteht, d. i. das in dem nach- 
drücklich vorangestellten μέλλουσαν liegende Moment; vgl. 
Calov., Frtzsch., de W., Krehl, Reithm., Bisp.*). — 7 ἀπο- 
xagadoxi τ nur noch Phl 120, bezeichnet in plastischem Aus- 
druck die harrende Sehnsucht der Kreatur (τῆς κτίσεως, 
Gen. subj.)**), Das Harren der χτίσις ist mit rhetorischem 


ἢ Kontextwidrig hat man seit Orig. u. Chrys. häufig die Grösse 
der Herrlichkeit oder »der Wandlung, die mit uns vorgehen soll« 
Hofm., Luthb., Goeb., Böhmer) hier begründet gefunden (vgl. auch 

ang. p. 854, verbunden mit dem Richtigen), oder gar die (garnicht 
ausgedrückte) Näbe derselben (Reiche), was alles ohnehin aus der 
Sehnsucht der Kreatur nicht folgen kann. Dass die δόξα erst zu- 
künftig sei (Phil., vgl. God.), bedurfte wahrlich einer Begründung 
nicht, und am wenigsten kann γάρ einen Glaubensgrund des Apostels 
zu seinem λογίζομαι etc. einführen (v. Heng.),. Aber auch nicht der 
innere Zusammenhang der künftigen Offenbarung mit dem jetzigen 
allgemeinen Lebensverhältniss (Beck), der Herlichkeit mit den Leiden, 
in denen sie schon unterwegs ist (Otto), kann begründet sein. 

**) Das Verb. xapadoxeiv (Xen. Mem. 3, 5, 6, häufig bei Eurip.) 
heisst eigentlich: mit erbobenem Haupte erwarten, dann überhaupt: 
erwarten, sich sehnen und xagadoxi« exspectatio (Aq. Prv 102. 
Ps 387). Das verstärkte (Viger. ed Herm. p. 582. Tittm., Synon. 
p. 106 ff.) anoxagadoxeiv (Joseph. Bell. Jud. 3, 2 26. Polyb. 16, 2, 8. 
18, 31, 4. 22, 19, 3. Ag. Ps 367) und «noxapadoxi«e wird von Rück.. 
Reiche, v. Heng. einfach im Sinne des Simplex genommen, während 
schon Chrys., Theod., Mopsv. das verstärkende Moment von ano an- 
erkennen. Gewiss falsch denkt Luther an ein ängstliches Harren, 
besser Hofm. daran, dass man ganz weg ist, ganz aufgeht in das 
καραδοχεῖν (vgl. Goeb., Sand: denoting Jdiversion from other things 
and concentration on a single object). Ob aber gerade »das Abharren, 


Röm 819. 861 


Nachdrucke wie etwas Selbständiges hervorgehoben. Nach 
bekannter Metonymie kann ἡ χτίσις, das eigentlich, dem 
klassischen Gebrauche im Sinne von Einrichtung (Pind. Ol. 
13, 118, vgl. IPt 2:9), Gründung (Polyb., Plut. u. A.), Pflanzung 
u. 8. w. entsprechend, den actus creationis (120) bezeichnet, auch 
das Erschaffene bezeichnen (15), und zwar entweder, wo der 
Kontext keine Beschränkung giebt, ganz allgemein, wie unser: 
Schöpfung (Jdt 161. IIPt 34. Apk 31); oder, wo der 
Kontext eine solche ergiebt, in mehr oder weniger speziellem 
Sinne, wie Mk 161. Kol 1255. Hbr 41:5. Auch an unserer 
Stelle, wo Kölln., Olsh. mit Unrecht an alles Geschaffene 
überhaupt denken, ist nicht nur die höhere Geisterwelt der 
Natur der Sache nach ausgeschlossen (gegen Theodoret., Orig., 
auch Erasm. u. M., welche die Engel das rechnen, wie Hilg. 
die böse Greisterwelt), sondern auch die Christenheit, die ihr 
vielmehr V. 19. 21 u. 23 entgegengesetzt wird, und ebenso 
die nichtchristliche Menschheit, welche unmöglich mit der ver- 
nunftlosen Kreatur unter einen Begriff zusammengefasst werden 
kann, und auf welche alles im Folgenden von ihr Gesagte 
nicht, passt*. Demnach bleibt als textmässige Begriffsbe- 
stimmung der χτείσις: die gesammte vernunftlose Schöpfung, 
die lebendige und leblose, also, was wir im populären Ge- 
brauche die ganze Natur nennen, wobei wir die intelligenten 
Wesen auszuschliessen pflegen. Mit Recht ist diese Fassung 
von der grossen Mehrzahl der neueren Ausleger angenommen, 
nach den meisten Kirchenvätern seit Iren. (adv. haer. 5, 32, 1), 


welches bis zur Erreichung des Zieles gespannt bleibt« (Meyer, Olsh., 
de W., Phil.), darin liegt, erscheint nach dem Paulinischen Gebrauch 
des gleich nachher folgenden analogen Decomposit. ἀπεχδέχεσϑαι (vgl. 
V. 23. 25. IKor 17. Gal 55. Phil 320) doch sehr zweifelhaft. Ganz 
willkürlich bezieht Ottn das ἀπό in beiden auf die Sehnsucht und 
Erwartung von der μέλλουσα δόξα her. 

*, Der vernunftbegabten Menschheit kann eben nicht wie der 
vernunftlosen Schöpfung ein unbewusstes Sehnen beigelegt werden 
(gegen Otto, der darum an dem ἀπεχϑέχεσϑαι künstelt, Böhmer), am 
wenigsten nach einem Ziel, wie es hier charakterisirt ist, und sie ist 
nicht bloss der ματαιότης, sondern dem ϑάνατος unterworfen. Ganz 
verfehlt sind daher die Deutungen von der Menschheit überhaupt 
(im Stande der Natur, vgl. Krehl, v. Heng., Frommann nach Aelteren, 
bes. Scholastikern, kathol. Ausl. u. Rationalisten), oder von der nicht- 
christlichen Menschheit, die Paulus überall durch ὁ χόσμος bezeichnet 
(Wttst., B.-Crus., Volkm.), wohl gar von den Heiden (Seml. u. A.) 
oder Juden (Cramer, Böhme) speziell, oder von der Christenheit (80 
die Socinianer u. Arminianer, vgl. Zyro i. d. StKr 1845. 51. 695ff.: 
das Kreatürliche an den Wiedergeborenen). Mit Luth., Bez., Frtzsch. 
die lebendige Kreatur auszuschliessen, berechtigt weder der Ausdruck, 
noch der Kontext (vgl. Tert. ad Hermog. 10). 


362 Röm 819. 20. 


Erasm, Melanth., Calv., Est., Grot., Cal., Wolf, Beng.*). 
Die harrende Sehnsucht der Kreatur in diesem Sinne deutet 
also der Apostel als eine Erwartung (ἀπεκχ δέχεται, vgl. 
Anm.**) auf 83. 860) der nach V.19 uns bevorstehenden δόξα, 
und bezeichnet dieselbe als τὴν ἀποχάλυψιν τῶν υἱῶν 
τοῦ ϑεοῦ, weil erst mit dem Eintritt derselben die Söhne 
Gottes als das, was sie de jure schon jetzt sind, nämlich als 
Erben Gottes und Miterben Christi (V. 17), offenbar werden, 
indem sie an der Herrlichkeit und Seligkeit Gottes und Christi 
Antheil erlangen. — V. 20. Diese von der Kreatur ausge- 
sagte Sehnsucht setzt zunächst voraus, dass sie sich in einem 
Zustande befindet, aus dem sie sich heraussehnen muss; soll 
sie aber die Gewissheit begründen, dass jene Offenbarung der 
Grotteskinder eintreten wird, so setzt das weiter voraus, dass 
sie Grund zu der Hoffnung hat, es werde zugleich mit jener 
ἀποχάλυψις eine Wandlung desselben eintreten. Beides 
wird jetzt begründet. — τῇ ματαιότητι) nachdrücklich vor- 
angestellt: vanitati, der Nichtigkeit. Das Substantiv (Pollux. 
6, 134) findet sich bei Griechen nicht mehr, oft aber bei d. 
LXX (wie Ps 896. Eccles. 2, 11). S. Schleusn., Thes. III, 
. 501. Es bezeichnet hier die nichtige und darum jedes 
öheren Werthes entbehrende Wesensbeschaffenheit, zu weicher 
die χτέσις aus ihrer ursprünglichen Vollkommenheit verändert 
ward, indem sie ihr unterworfen, unterthänig gemacht wurde 
(ὑπετάγη, vgl IKor 152), wie einer ihr vorher fremden 
Herrschergewalt. Dies historische Factum (Aor.) geschah in 
Folge des Sündenfalls, Gen 317. Vgl. Beresh. rabb. f. 2, 3: 


*) Bei der dichterisch prophetischen Färbung der ganzen Stelle 
können die Ausdrücke des Harrens, Seufzens, Hoffens, der Knecht- 
schaft und Erlösung umsoweniger befremden, da bereits im AT der- 
rn ἘΠ ΡΟΡΟΕΟΣ sehr gewöhnlich sind (Ps 1932. 6817. 988. 106 11. 
es 148. ὅδ:3. Ez 3lıs. Hab 21. Bar 3%. Job 127—s al.), und 
schon Chrys. bemerkt sehr treffend: ὥστε δὲ ἐμφαντιχώτερον γενέσϑαι 
τὸν λόγον, χαὶ προσωποποιεὶ τὸν χόσμον ἅπαντα τοῦτον ἅπερ κχαὶ ol 
προφῆται ποιοῦσιν, ποταμοὺς χροτοῦντας γερσὶν εἰσάγοντες οἷο. Vgl. 
Oecum. u. Theophyl. Als unpaulinisch aber kann die Idee der Ver- 
herrlichung des Naturganzen deshalb nicht gelten, weil sie, nach 
Gen 3ı7f. mit der sittlichen Entwickelungsgeschichte der Menschheit 
verknüpft und nothwendig zur Idee der ἀποχατάστασις πάντων gehörig 
(Mt 1928. IIPt 3ıoff. Apk 211), gerade dem Paulus am wenigsten 
abgesprochen werden dürfte, da sie aus den Propheten des AT’s 
stammt (Jes 11sfl. Ez 37. Jes 6517, vgl. Ps 10277 u. 8. Umbr. 
p. 291 ff.), wie sie denn auch in den Rabbinischen Lehrgehalt über- 
egangen ist. 8. Eisenm., entdeckt, Judenth. U, p. 367 fl. 284 ff. 
choettg. Hor. II, p. 71. 76. 117ff. Bertholdt, Christol. p. 214. Cor- 
rodi, Chiliasm. I, p. 876f. Ewald, ad Apocal. p. 807. Delitzsch, 
Erläuter. z. 8. Hebr. Uebers. p. 87. 


Röm 820. 868 


»(Juamvis creatae fuerint res perfectae, cum primus homo 
peccaret, corruptae tamen sunt, et ultra non redibunt ad con- 
gruum statum suum, donec veniat Pherez, ἢ. e. Messias«. Das 
Harren der Kreatur wäre von vorn herein ein aussichtsloses 
gewesen, wenn diese Unterwerfung ihr widerfahren wäre durch 
eigene Schuld. Das negirt das οὐχ ἑκοῦσα (Ex 2118). Aller- 
dings ist nun die unvernünftige Kreatur eigentlich überhaupt 
einer Verschuldung nicht fähig, aber der Ausdruck ist offenbar 
bedingt durch einen Seitenblick auf den Menschen, dem, wenn 
er wissentlich und willentlich that, was ihm den Tod zuzog, 
doch nur geschehen ist, was er selbst gewollt hat. Vgl. Hofm. 
Die Kreatur konnte aber nicht einmal in dieser indirekten 
Weise sich jenes Verhängniss zuziehen, sondern das ὑπετάγη 
ist eingetreten δεὰ τὸν ὑποτάξαντα (vgl. IKor 157), um 
des Unterwerfenden willen (διά mit Accus,, vgl. zu Joh 67), 
d. ἢ. weil damit dem Rath und Willen des unterwerfenden 
Gottes (Gegensatz gegen jedes dabei betheiligte Wollen), der 
in Folge des Sünden dem Menschen eine Strafe bestimmte, 
welche diese ματαιότης erforderte, Gentige geschehen musste*). 
— in ἐλπίδι) wie 415, vgl. Act 24. Xen. Mem. 2, 1, 18, 
spe proposita: auf Hoffnung hin, knüpft an örrerayn an, weil 
es darauf ankam hervorzuheben, dass die Kreatur nicht auf 
alle Zeit der ματαιότης unterworfen war, da sie ja sonst auf 
keine Wandlung ihres (4eschickes harren konnte, sondern dass 
in und mit jener Unterwerfung ihr die Aussicht auf eine solche 
Wandlung gegeben war, sofern, wie Hofm. treffend bemerkt, 
mit Erreichung des göttlichen Zweckes, zu dem ihre Unter- 
werfung eingetreten war, sie ihr Ende erreichen musste. — 


*) Meyer denkt bei μαεαιότης künstlicher an ihre ihres primitiven 
a en erregen Inhaltes verlustig gegangene (Hofm.: desjenigen 
Wesengehaltes, welcher ihr Dasein zu einer Offenbarung des in sich 
selbst beständigen Lebens Gottes machen würde, entbehrende) Wesens- 
beschaffenheit und fasst das οὐχ ἐχοῦσα (Calv.: invita et repugnante 
natura) ron dem Widerstreit des in ihrem ursprünglichen Zustand be- 
gründeten Strebens nach Inkolumität, was dem Wortlaut nicht ent- 
spricht. Theodor., Grot., Krehl, B.-Crus., de W. denken die ματαιότης 
mit dem Schöpfungsakt gegeben (gegen Gen 181), was ebenso dem 
Folgenden widerspricht, wie die mediale Fassung des ὑπετάγη (Frtzsch., 
Otto: se subjecit). Der ὑποτάξας ist natürlich weder der Mensch 
(Chrys., Bisp., Zahn, Lips, der bei der Beziehung auf Gott das διά 
c. Acc. unpassend findet), noch der Teufel (Hamm.); doch vgl. auch 
God. Aeusserst gekünstelt sucht Hofm. auch hier einen Gegensatz 
gegen den Menschen, der etwas werden wollte, wozu ibn Gott nicht 
geschaffen hatte. Die Parenthesenzeichen vor οὐχ und nach vnor. 
sind zu tilgen, da Zusammenhang und Struktur ununterbrochen 
fortgehen. 


364 Röm 8sı. 


V. 21. dıorı) vgl. V. 7, begründet, weshalb sie auf Hoffnung 
unterworfen ist, daraus, dass ihr eine Wandlung, welche der 
von den Gotteskindern erwarteten analog ist und deshalb auch 
mit der ἀπόχάλυψις der letzteren (V. 19) eintreten wird, sicher 
und gewiss bevorsteht*). — χαὲ αὐτὴ ἢ κτίσις) vgl. V. 16: 
et ipsa creatura, d. i. auch die Schöpfung ihrerseits, nicht bloss 
die Gotteskinder, auf deren Offenbarwerden sie daher harrt. 
Es wird einfach die Gleichmässigkeit ausgedrückt, nicht eine 
Steigerung (sogar), wovon der Kontext nichts andeutet. Sie 
wird befreit werden (ἐλευϑερωθήσεται arcd, vgl. 6ıs. 2) 
von der Knechtschaft, in der sie sich jetzt befindet. Diese 
δουλεία ist aber die Knechtschaft unter der ματαιότης, der 
sie nach V. 20 unterworfen ist. Der Gen. τῆς φϑορᾶς 
Jes 248. Ps 1034. Sap 141. IKor 154) kann nur ein- 
acher Genitiv der Angehörigkeit sein; denn was der Ver- 
gänglichkeit angehört, so dass es immer wieder vernichtet wird, 
ist eben damit der ματαιότης geknechtet, ἃ. ἢ. der nichtigen 
und darum jeder höheren Bedeutung entbehrenden Wesens- 
beschaffenheit. Die φϑορά, der er angehört, macht den Stand 
der xzioıg zu einem Stand der Knechtschafit unter der μα- 
zaıozns**). Vgl. Hofm., Luth. — εἰς τὴν ἐλευϑερίαν) ist 
der Zustand, in welchen die χτίσις durch ihr Befreitwerden 
gelangen soll, also eben ihre Freiheit von der ματαιότης. 
Aecht Griechische Prägnanz. S. Frtzsch. ad Marc. p. 322. 
Win. $ 66, 2. Auch hier kann die Freiheit nur die iheit 


ἢ Statt des ors der Rept. (Lehm., Treg., WH.) lies mit Tisch. 
nach NDFG diorı, weil das “71 nach ἐλπι so leicht ausfiel. Meyer 
(vgl. Zimmer, Lips.) liest or und fasst es als Objektsbezeichnung für 
ἐπ᾽ ἐλπίδε (Phl 190), was der Sache nach auf dasselbe herauskommt, 
da das, was jene Hoffnung begründet, natürlich nur das ihr sicher 
bevorstehende Hoffnungsziel sein kann. Andere knüpfen, indem sie 
ἐπ Ein. mit ὑποτάξας verbinden, das ὅτε an dieses an (Orig., Vulg., 
Luther, Cal., Est. u. M., auch Olsh.).. Hofm. findet hier die Grund- 
angabe für den ganzen vorhergehenden Satz, wodurch der schiefe 
Gedanke entsteht, dass die Unterwerfung wegen der künftig zu be- 
wirkenden Befreiung geschehen sei; sie hatte ja einen ganz ‚anderen, 
ee bekannten, auch bereits durch διὰ τὸν ὑποτάξ. ange- 

euteten, in der Verflechtung der χτέσις mit dem Eintritt der Sünde 
in die Menschheit liegenden historischen Grund. 

**) Unmöglich ist der Gen. Umschreibung eines Adj. (Kölln.: von 
der verderblichen Knechtschaft); es ist aber auch weder ein Gen. obj. 
(Rück., God.: Knechtschaft unter der φϑορά, Lips.), noch ein Gen. 
appos. (de W., Phil., Meyer, Beck u. A.: die in der φϑορά bestehende 

echtschaft), da ja der Stand der Knechtschaft nicht in dem Schicksal 
der 4:$op« bestehen kann, und auch im parallelen Ausdruck τῆς δόξης 
weder ein (en. obj. noch appos. sein kann. Unrichtig erklärt Hofm. 
auch hier αὐτὴ ἡ χτίσ.: sie, die Kreatur. 


Röm 821. 22. 365 


von dem sein, worunter die Kreatur früher geknechtet war, 
und der Genit. τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ ϑεοῦ kann 
nur als Gen. der Zugehörigkeit ausdrücken, dass eine solche 
Freiheit gegeben ist mit der Herrlichkeit, welche die Kinder 
Gottes haben werden (V. 18), wenn sie zu der Offenbarung 
dessen gelangen, was sie de jure schon jetzt sind. Auch die 
Gotteskinder sind ja nach der Seite ihrer, der φϑορα anheim- 
fallenden, Leiblichkeit (I Kor 1522. ssf.) noch jetzt der ματαιότης 
unterworfen, bis sie mit dem Eintritt der δόξα, der die 
ἀφϑαρσία eignet (27. IKor 1545), davon frei werden. Die 
Häufung der Genitive hat etwas Festliches; vgl. 26. IlKor 
44*. — V. 22 begründet diese ihr bevorstehende Befreiung 
aus dem Seufzen und Kreisen der Kreatur, welches, weil es 
aus dem gottgeschaffenen Wesen der Kreatur hervorgeht, kein 
zielloses Gebahren sein kann, sondern als sein Motiv eben jene 
Hoffnung, auf deren endliche Erfüllung es gerichtet ist, vor- 
aussetzt. Paulus setzt dies als eine dem christlichen Bewusst- 
sein geläufige Vorstellung voraus (otdaue», wie 22. 8:19. Tıa), 
weil sie mit der Hoffnung auf eine schliessliche Welterneuerung 

egeben ist**). — Die Praep. in ovorevaleı καὶ ovvw- 
δι veı findet ihre natürliche Beziehung in πᾶσα vor 7 κτίσις 


*, Willkürlich ist es, mit Lutber u. V., auch Böhme, Kölln. τῆς 
dog. zu adjektiviren: »zur herrlichen Freiheit«, da nach der Analogie 
des parallelen Ausdrucks jedenfalls nicht das persönliche τ. rexv. die 
nähere Bestimmung von rn» ἐλευϑὲρ sein kann. Die kontextmässige 
Beziehung der ἐλευϑερία auf die ματαιότης verkennend, lässt Hofm. 
die Freiheit, welche die Herrlichkeit der Gotteskinder mit sich bringt. 
(vgl. Lips., der die döf« der Gottessöhne als die befreiende Macht 
denkt), darin bestehen, dass ihre Erscheinung ganz und lediglich 
Selbstdarstellung und nicht mehr, wie vordem, durch solches, das. 
ihrem Wesen fremd und fremdartig, zwangsweise bedingt ist (vgl. 
Luth.: nämlich durch den Tod); Goeb. denkt an unbeschränkte 
Entwicklungsfreiheit ihrer bestimmungsmässigen Lebenskraft (vgl. 
God... Von der Ahnung der Unsterblichkeit (Frommann) oder der: 
Hoffnung auf ein goldenes Zeitalter (Köhler, Böhmer) ist hier natürlich 
keine Rede. Meyer bemerkt noch, dass Paulus die Katastrophe, von 
der er redet, nicht als Vernichtung der Welt und neue Erschaffung, 
sondern den prophetischen, besonders Jesaianischen Weissagungen 
entsprechend (Jes 35. 6517. 6622; vgl. Zahn p. 537. Schultz, alttest. 
Theol. II, p. 227) als Umwandlung in den vollkommeneren Zustand 
gedacht hat, wobei nur ihre Form vergeht (1Kor 781). 

**) Es wird also nicht das Harren der Kreatur V. 19 begründet 

(ee W., Rück., Phil.), was viel zu fern liegt. oder der ganze Abschnitt. 
. 19—21 (Goeb.), geschweige denn die ϑουλεία τῆς φϑορᾶς (Zahn), 
worauf wieder Hofm. herauskomnıt: »der Christ würde von einer 
Unterwerfung der Schöpfung unter die Nichtigkeit nicht reden, wenn 
er ihr gegenwärtiges Dasein für ein in sich selbst befriedigtes und 
diese Welt für die beste Welt ansähe«. Aber diese Jovi. τ. φϑορ. 


366 Röm 82. 23. 


und bezeichnet »gemitum et dolorem communem inter se 
artium creaturae«, Est. (vgl. Beza, de W., Sand. und schon 
Aheod. Mopsv.: βούλεται δὲ εἰπεεῖν, ὅτι συμφώνως ἐτειδείχνυται 
τοῦτο πᾶσα ἡ κτίσις) ἢ. Mit dem gemeinsamen Seufzen, das 
Paulus aus den Todeszuckungen alles vergehenden Lebens in 
der Natur heraushört, verbindet er das Bild der Geburtswehen. 
Die ganze Natur stöhnt und leidet heftig, wie eine Kreisende, 
dem Augenblicke ihrer Befreiung entgegen. Die Vorstellung 
beruht uf, dass das schmerzvolle Ringen der χτίσις auf 
die ersehnte Veränderung gerichtet ist, mit deren Eintritt das 
Leiden seinen Zweck erreicht hat und aufhört, so dass sie 
gleichsam ihre neue Lebensgestalt unter schweren Schmerzen 
an’s Licht gebären will. Vgl. Joh. 162. — ἄχρι τοῦ νῦν») 
vgl. Mt 242. Phl 15 bis zum gegenwärtigen Augenblick; so 
unablässig fortgesetzt ist das Seufzen. er Gegensatz der 
künftigen Wandlung (Hofm.: jetzt noch, was nach IKor 32 
ἔτι νῦν wäre, vgl. auch God.: selbst nachdem die Erlösung 
schon geschehen ist), liegt dem Kontext fem. Der Anfangs- 
punkt des Seufzens und Kreisens ist jenes ὑπδεάγῃ V. 20. 
V. 23. οὐ μόνον δέ) sc. πᾶσα ἡ κτίσις στενάζει. 
Vgl. ὅ8.... Indem Paulus die zum Beweise für V. 21 hinge- 
stellte Thatsache (V. 22) noch einmal aufnimmt, setzt er das, 


—— 





war ja V. 21 nicht erst von der χεέσις ausgesagt, sondern schon V. 20 
vorausgesetzt und kann daher hier nicht erst begründet werden. 
Ganz entbehrlich ist die Annahme Ew.'s, dass dem Apostel ein Buch 
mit einer ähnlichen Ausführung vorgelegen habe. 

*, Mit Unrecht fassen sie Michael., Seml., Kölin. ale blosse Ver- 
stärkung, während sie Calv., Par., Koppe, Ew., Umbr., Volkm., Lips. 
nach Oecum. auf die Gemeinschaft des Seufzens mit dem der Gottes- 
kinder bezieht, von dem noch gar nicht die Rede war. Frtzsch., der 
sie auf die Menschen tiberhaupt bezieht, vermisst den Sprachgebrauch 
für unsere eng Aber dass συστενάζεειν das gemeinsame Seufzen 
der in dem kollektiven πᾶσα ἡ χτέσις enthaltenen Theile unter ein- 
ander (vgl. Nägelsb. z. Ilias p. 193. ed. 3) nach dem Gebrauche ana- 
loger Verba bezeichnen könne, ist unzweifelhaft (vgl. Eph 4ıe: 
πᾶν τὸ σῶμα συναρμολογούμενον, vgl. 221, Plat. Loge. 8. p. 686 B: 
ἐπεὶ γενομένη γε ἡ τότε διάνοια χαὶ συμφωνήσασα eis ἕν, Dem. 516, 7: 
ui face ὁ δῆμος, 775. 18: συνταράττεται πᾶς ὁ τῆς πόλεως χόσμος); 
und dass desfalsige konkrete Beispiele nicht angeführt werden können, 
vermag nichts dagegen zu entscheiden, da συστενάζειν (Eur. Jon. 935, 
vgl. συστέγνειν Arist. Eth. 9, 11). wie auch συνωδέγνεεν (Eur. Hel. 727. 
Porphyr. de abst. 3, 10) nur an sehr wenig Stellen aufbehalten ist. 
Vgl. überh. Win., de verb. compos. II, p. 21f. Ebenso συναλγεῖν 
Plat. Rep. p. 462 Ὁ und συλλυπεῖσϑαε p. 462 E. Das συνωδένεε hat 
mit den dolores Messiae (Reiche, Chr. Hoffm.) nichts zu thun, Hofm. 
entleert die Vorstellung in die eines schmerz- und angstvollen Ringens 
mit steter Todesnoth. 


RBöm 83. 867 


wozu er nun steigernd fortgeht, zum weiteren Beweise für 
das ein, wofür er V. 19 das (im Wesentlichen identische) 
Sehnen der Kreatur zum Beweise gebraucht, nämlich für das 
mn Bevorstehen der zukünftigen Herrlichkeit (vgl. Chr. 

offm., Otto, Goeb.), nicht aber für die Hoffnung der Kreatur 
(Meyer) oder dafür, dass nicht sie allein unter dert Zustande 
er Unvollkommenheit zu leiden hat. — xai αὐτο ᾿ auch 
wir Christen unsrerseitte haben ein noch ungestilltes Sehnen 
in uns, das nicht ungestillt bleiben kann, und darum sein 
Ziel uns sicher verbürgt. — Da der Genit. nach ἀπαρχή ge- 
wöhnlich ein Gen. partit. ist (Lev 230. Num 181. Din. 
262. Herod. 1, 92. Plat. Legg. 7. p. 806 ἢ. Dem. 164. 21. 
Jak 1186. IKor 15». 161), so wollten Viele auch bei τὴν 
ἀπαρχήν den Genitiv in gleicher Weise nehmen. Dabei 
ward aber übersehen, dass das der Natur der Sache nach 
nur möglich ist, wenn der Gen. ein Plural oder ein Kollektiv- 
begriff ist, wovon der Erstling den ersten oder vorzüglichsten 
Theil bezeichnen kann, was bei τοῦ πινεύματος sprachlich, 
wie sachlich unmöglich ist. Da nun der Genit. auch nicht 
als Genit. subj. genommen werden kann, weil dann der Be- 

iff der azagyn ohne die für ihn schlechthin nothwendige 
äherbestimmung bleibt (gegen Frtzsch., Chr. Hoffm., Böhmer, 
Otto), so bleibt nur übrig, ihn als epexegetischen Genit. appos. 
15) zu fassen: den Geist .als Errstlingegabe, nämlich, wie a 
rläuterung und der folgende Gegensatz der zu erwartenden 
höchsten Gabe zeigt, der uns bestimmten Heilsgaben. So 
Beng., Win. 8 59, 8, B.-Crus., Reithm., Rück., Maier, Hofm,, 
God., Holst, Goeb*). Dann wird man freilich das ἔχοντες 


Ἢ Dass diese Idee Paulinisch sei (1 ΚΟΥ 132. 55), giebt auch 
Meyer zu, findet sie aber missverständlich ausgedrückt, während doch 
die augenscheinliche Unmöglichkeit jeder anderen Fassung von selbst 
auf die richtige führte. Man schiebt, weil τοῦ πνεύματος nun einmal 
kein Kollektivbegriff ist, wie in ἀπαρχὴ τῆς «Ἀχαΐας IKor 1615, d. h. 
der Christenheit Achaja’s, dern Begriff des Geistes den der Geistes- 
mittheilung oder des Geistesempfanges unter. So dachten schon Orig., 
Oocum., Melanth., Grot. u. A. an die Geistesmittheilung, welche die 
Apostel am Pfingstfeste, Erasm., Wttst., Reiche, Kölln., de W., Olsh., 
Mayor an die, welche die damalige Generation der Christen empfing im 
Gegensatz zu der noch bevorstehenden Geistesmittheilung, was aber 
für den Kontext keinerlei pragmatisches Moment ergiebt, geschweige 
denn, dass man in diesem früheren Geistesempfang eine Bevorzugung 
(Meyer) oder gar die beste Gabe des Geistes (Chr. Schmidt, Rosenm.) 
erblicken könnte. Andere dachten an einen nur vorläufigen, gleichsam 
auf Abschlag geschehenen Geistesempfang, im Gegensatze gegen den 
dereinstigen vollen Erguss im Himmelreiche (Chrys. u. a. Väter, Calv., 
Beza, Par., Est., Calov., Seml., Flatt., Thol., Phil, Bisp., vgl. auch 


368 Röm 833. 


nicht mit: obgleich auflösen dürfen (so gew., auch Meyer, 
Hofm., God.), sondern mit: weil (Goeb., Lips.), da gerade im 
Empfang dieser Erstlingsgabe die Bürgschaft des Eimpfanges 
der vollen Gabe liegt, und daher eben unser durch jene er- 
wecktes Sehnen nicht ungestillt bleiben kann. — καὶ αὐτοῦ 
mit angelegentlichem Nachdrucke wiederholt und mit ἐν 
Eavroig zusammengestellt; et ipsi (Bäuml. p. 151. Breitenb. 
ad Xen. Hell. 3, 1, 10) in nobis ipsis*). Letzteres bezeichnet, 
der Natur des tiefen schmerzlichen Affektes entsprechend, das 
innerliche Seufzen der stillen Sehnsucht der Gläubigen, die 
leidet, schweigt, hofft, aber nicht klagt und fordert, des doch 
endlich zu erreichenden Zieles gewiss. Zu orevaloue» vgl. 
Jes 198. 247. Job 242. 3ls. Thr 1.2. — υἱοϑεσίαν 
ἀπεκδεχόμενοι) vgl. V. 19: indem wir auf Kindesannahme 
harren. Zwar haben schon die Gläubigen dieses Gut (V. 15), 
aber als inneres Verhältniss nur und als göttliches Recht, dem 
jedoch der objektive und reale Zustand noch nicht entspricht. 
So, nach dem Gesichtspunkt vollendeter Verwirklichung be- 





Pfleid., Beck). Aber von einem Vollerguss des Geistes in der End- 
vollendung weiss Paulus nichts, bezeichnet vielmehr im Folgenden die 
zu erwartende ganz anders und setzt sie in keinerlei Beziehung zu 
einem neuen Geistesempfang. 

*) So ist mit Rück., Phil., Thol., Hofm. u. A. zu lesen nach B. vg., 
da das nuees bald nach eyorzes (Tisch., Terg., u. ΜΉ. 1. Kl. nach ΝΑ) 
bald nach χαε (Rcpt. nach ἘΓΡῚ zur Erläuterung hinzugefügt wurde, 
wenn es nicht gleich vor das erste «vros gesetzt, und dann das x«s 
vor dem zweiten αὐτοὶ gestrichen wurde (Frtzsch. nach DFG, vgl. E). 
Nach der Lesart der Bcpt., welche Ew., Umbr., God, Beck befolgen, 
wird entweder αὐτοὶ — ἔχοντες von den damaligen Christen überhaupt 
und χαὶ ἡμεὶς αὐτοί von den Aposteln (Kölln. nach Melanth., Wolf u. Y) 
oder Paulus allein (Koppe, Reiche, Umbr. u. V.) verstanden; oder 
Ersteres auf die Anfänger im Christenthume und Letzteres auf die, 
welche schon länger Christen sind, bezogen (Glöckl.); oder Beides 
(Letzteres per analepsin) wird auf die Apostel (Grot.), oder auf die 
Christen (Luth., Calv. u. d. Meisten) gedeutet. (Gegen jede Beziehung 
auf zweierlei Subjekte entscheidet das artikellose ἔχοντες. Das ἐν 
ἑαυτοῖς ist nicht gleich ἐν ἀλλήλοις (Frtzsch., Böhmer), es deutet nicht 
auf einen im eigenen Selbst liegenden Grund des Seufzens (Beck, 
A Otto) und bildet weder den Gegensatz zu anderen, die keine 
Ahnung davon haben (God.), noch zum Seufzen der unbewussten 
Schöpfung (Goeb.). Unrichtig will Hofm. x. αὐτοὶ ἐν ἑαυτοῖς mit 
ἔχοντες verbinden, wobei das x«/, welches nach der gewöhnlichen 

erbindung mit στενάζομεν seine treffiende Korrelation im Seufzen der 
xtloıs hat. beziehungslos wird, da es eben nicht im Sinne von: schon 
den Selbstbesitz im Gegensatz zu der einstigen Betheiligung der 
xtioıs am Geist, die ihr von den Christen aus zu Theil wird, be- 
tonen kann, zumal eine solche durch V. 21 überhaupt nicht in Aus- 
sicht genommen ist. 


Röm 838. ». 869 


trachtet, sollen sie erst bei der Parusie die volle Einsetzung 
in den Kindschaftsstand empfangen, wo dann mit dem Empfange 
der κληρονομία (V. 17) die Br enge τῶν υἱῶν τ. ϑεοῦ 
(V. 19) und ihre δόξα (V. 21) eintritt, wie Christus Sohn 
Gottes war und doch erst ἐν dumausı durch die Auferstehung 
zum Sohne (Gottes eingesetzt wurde (14). Erläuternd sagt die 
Apposition, was sie in und mit dieser vollendeten υἱοϑεσία 
erwarten, nämlich τὴν ἀπολύτρωσιν τοῦ σώματος ἡμῶν. 
Der Begriff der ἀπολύτρωσις (3%) bestimmt sich durch den 
Zusammenhang näher als die Erlösung von der Knechtschaft 
der ματαιότης (V. 20), welche eintritt, wenn unser Leib un- 
mittelbar oder durch die Auferweckung in ein σῶμα ἄφϑαρτον, 
dem Herrlichkeitsleibe Christi ähnlich, verklärt wird (Phl 3aı. 
IlKor 5dsff. IKor 155). Die Auferweckung des Leibes ist 
ja auch V. 11 das letzte Ziel, dessen uns der Geistesbesitz 
gewiss macht”). 

V.24f. τῇ γὰρ ἐλπίδι ἐσώϑημεν kann nur den 
scheinbaren Widerspruch lösen wollen, der darin liegt, dass 
wir, obwohl wir den Geist empfangen haben, der nach V. 15 
ein πενδῦμα υἱοϑεσίας ist, doch noch υἱοϑεσία erwarten und 
sogar das immer ungestillte Sehnen nach der Vollendung 
unseres Kindschaftsstandes noch als Bürgschaft für die Ge- 
wissheit der zukünftigen δόξα betrachten. Die richtige Auf- 
fassung der Worte hängt davon ab, dass man den Dat. als 
einfachen Dat. comm. fasst (Volkm., Holst, Luth.. Zimmer, 
Lips.), dass man ἐλζείς nach bekannter Metonymie von dem 
erhofften Gegenstande, der res sperata nimmt (wie auch Hofm., 
Böhmer thun), was durch das gleich folgende &Arrig βλεπ. 
schlechterdings nothwendig gemacht wird, und dass man dem 
ἐσώϑημεν den technischen Sinn der Errettung vom ewigen 
Verderben belässt (Ὁ 9) Nur dann ist klar, dass es, wie der 
mit Nachdruck vorangestellte Dat. sagt, im Wesen der σωτηρία 
liegt, uns die erhoffte Vollendung der υἱοϑεσία (Bem. den 
rückweisenden Art.) zu ermöglichen; denn von dem zukünftigen 
Verderben können wir doch nur errettet sein, um dessen theil- 


ἢ So der Hauptsache nach (τοῦ σώμ. Genit. subj.) Chrye. u. a. 
Väter, Beza, Grot., Estius, Corn. a Lap. u. die meisten Neueren. Da- 
gegen fassen Erasm., Cleric. u. M., auch Reiche, Frtzsch., Krehl, Ew.: 
die Erlösung vom Leibe; sprachlich zulässig (Hbr 9ı5), aber der 
Paulinischen Anschauung völlig entgegen. Ganz wunderlich denkt 
Böhmer an die sichtbare Kirche, die zu glorreicher Macht gelangen 
soll. Unrichtig verbindet Luther vfo9. mit στενάζομεν, welches aber, 
mit dem Acc. verbunden, etwas beseufzen heisst (Soph. Ant. 873. 
Dem. 690. 18. Eur. Suppl. 104). Gekünstelt Otto: ale Annahme in 
die Kindschaft erwartend die Erlösung u. s. w. 


Meyer ‘s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 24 


370 Röm 8324. 25. 


haftig zu werden, was den ausschliessenden Gegensatz der 
ἀπώλεια bildet, nämlich die ζωή mit ihrer δόξα, wie wir sie 
durch die Erlösung unseres Leibes in der Vollendung des 
Kindschaftsstandes erlangen. Dann aber müssen wir nicht 
trotzdem dass, sondern gerade weil wir bereits den Geist der 
Kindschaft empfangen Aaben, diese Vollendung sehnsüchtig 
erwarten; denn dass wir (durch die Erlösung, die wir in Christo 
haben) von dem κατάχριμα, das uns zur ἀσεώλδια verurtheilt, 
errettet sind, davon ging ja der Apostel 8ı aus, und für jenes 
erhofite Ziel sind wir eben errettet*). — ἐλιεὶς δέ BAsno- 
μένη) eine Hoffnung aber (δὲ ueraßarıxov), welche gesehen 
wird, d. 1. deren Gegenstand vor Augen liegt (II Kor 4:8), 
also bereits eingetreten ist, ist nicht Hoffnung (οὐκ ἔστιν 
£/ sis), widerspricht dem Wesen der Hoffnung. Wir könnten 
also gar nicht τῇ &Arzidı errettet sein, wenn es nicht einen 
noch rückständigen, noch zu erwartenden Hoffnungsgegenstand 
für uns gäbe. ier ist &Arrig offenbar passivisch genommen 
von dem erhofften Gegenstande (vgl. Hbr 618. 719, Thuc. 3, 
57, 4. Lucian. Pisc. 3. Aeschin. ad Ctesiph. 100), dann aber 
nothwendig auch in dem ersten Satzgliede. Begründet wird 
dies dadurch, dass der Apostel hinsichtlich des AAerzöuevor 
(0 γὰρ βλέπει) fragt, ob es etwa irgend einer hofft (τες 
ἐλτείζει), eine Frage, welche die Antwort, dass dies ein 
Widerspruch sei, in sich selbst trägt**). — V. 25. ei deo 








“ Gewöhnlich nimmt man ἐλπίς im subjektiven Sinne und den 
Dat. als Dat. modi, so dass gesagt sein soll, wir seien erst der Hofi- 
nung nach errettet (Luther, Melanth., Frtzsch., Thol., Meyer, Phil., 
Goeb., Sand. nach Win. 8 81, 6), während dies »erst«, auf dem aller 
Nachdruck läge, doch nun einmal nicht dasteht, oder als Dat. instr. 
(Rück., Kölln., de W. nach Chrys.), was der Paulinischen Heilslehre 
durchaus zuwider ist. Otto (vgl. Glöckl.) ganz sprachwidrig: wegen 
der Hoffnung (damit wir Hoffnung hätten) wurden wir errettet, was 
er sprachrichtig durch den Dat. comm. hätte erreichen können. Aber 
auch wenn man richtig ἐλπίς von der res sperata nimmt, kann der 
Dat. nicht Dat. instrum. sein, wie die eintragenden Erklärungen von 
Hofm. (indem wir durch die Darbietnng des Hofinungsguts zum 
Glauben erweckt wurden) u. Böhmer (durch die erhoffte Weltherr- 
schaft des Messias) zeigen. Wie willkürlich man endlich mit dem 
Begriff der σωτηρέα umspringt, zeigt die Erklärung von Chr. Hoffm. 
(dadurch, dass uns die Hoffnung des Reiches Gottes geschenkt wurde, 
sind wir in’s geistige Leben erhoben), während Otto einfach den Be- 
griff der zen substituirt und auf den Aor. als Ausdruck einer 
abgeschlossenen Thatsache pocht; als ob die durch Jie Erlösung uns 
zu Theil gewordene Errettung vom ewigen Verderben keine solche‘ 
wäre; aber freilich eine auf die Zukunft hinausweisende, da die Ent- 
scheidung zwischen anwic« und ζωή erst bei der Parusie erfolgt, 
worauf der Apostel eben aufmerksam macht. 

**, Gewöhnlich übersetzt man nach der Rept. τις τε zu eAnıdar 


Röm 825. 26. 371 


οὐ βλέπομεν ἐλπίζομεν) findet aber im Christenleben ein 
Hoffen auf Unsichtbares statt, und das ist der Fall, da wir 
τῇ ehreidı ἐσώϑημεν, und das Hoffnungsgut seiner Natur nach 
ein Unsichtbares ist, so ist eine Erwartung, wie sie V.23 von 
den Christen ausgesagt war, vollberechtigt. Der Apostel bleibt 
aber bei diesem Schlusse nicht stehen; denn das scheinbar 
Widerspruchsvolle in dem dort erwähnten Verhalten der Christen 
war nicht sowohl dies Warten an sich, sondern dass dasselbe 
mit einem ungestillten Seufzen und Sehnen verbunden ist, 
welches voraussetzt, dass das so sicher Erwartete doch immer 
noch nicht kommt. Liegt es aber im Wesen der Hoffnung, 
dass es noch nicht kommen kann, so muss ihr Warten trotz 
des Verzuges seiner Erfüllung ein ausdauerndes sein, wie das 
mit Nachdruck dem ἀπεδχδεχόμεϑ α vorantretende δ ὕσεο- 
μονῆς (mit Ausdauer, beharrlich, vgl. Hbr 12:1. Kühner 
δ 434, I, 3, b.) sagt*). 

V. 26. woavrwc δὲ καί) vgl. Plat. Symp. p. 186 E. al. 
IIMak 15%. IIIMak θ88: pariter ac, itidem (8. überh. Kühner 
$ 468. Anm. 7), führt ein ebenmässiges entsprechendes Ver- 
hältniss ein, welches zu dem im Vorigen besprochenen hinzu- 
tritt. Es bezeichnet also das im Folgenden beschriebene Thun 
des Geistes als ein dem Seufzen der Kreatur (V. 19-—22) und 
unserem eigenen Seufzen (V. 23—25) gleichartiges, d. ἢ. ebenso 
die zukünftige δόξα verbürgendes**). Nur von dem objektiven 
Gottesgeist, und nicht von irgend einer Bestimmtheit unseres 


(Tisch.): was einer sieht, warum hofft er es noch? Ix«s. wie δ1. IKor 
15292). Dass das τὲ nach τίς ausfiel (N), ist freilich ein leicht be- 
greiflicher Schreibfehler, der dann die Aenderung des eAnıda in 
vnousve zur Folge hatte (vgl. A. WH. a. R.); ebenso, dass man das 
unverstandene x«s wegliess (DFG Latt.; Lchm., Treg.); aber zu der 
Weglassung von re χαὶ (B. WH. txt.) ist gar kein Grund ersichtlich. 

*) Das anexd. ist nicht mit Est., Koppe. Kölln. u. M. expectare 
debemus zu fassen und sagt nieht die tugendhafte Wirkung (Grot.), 
sondern einfach die Situation aus, welche der Umstand, dass wir 
hoffen, was wir nicht sehen, mit sich bringt. 

**) Es knüpft also keineswegs daran an, dass das Wesen unserer 
Hoffnung uns geduldig zu warten lehrt (Meyer, vgl. Beck: wie die 
Hoffnung uns stärkt, so auch der Geist). als ob das, was die ὑπομονή 
und der Geist thun, ungenau gleichgestellt wäre (de W.); es sagt auch 
nicht bloss, dass die Weise, wie der Geist diese Gegenwart uns über- 
stehen hilft, eine unserem eigenen Thun in dieser Zeit gleichartige 
sei (Hofm.), sondern geht von dem Seufzen der Christen zu dem des 
Geistes über, das als ein höheres, wenn auch gleichartiges bezeichnet 
wird (God.). Das Richtige hat Otto, der aber in der Einführung dieses 
Gedankens den Beweis dafür sieht, dass die παϑήματα uns nicht ein 
Zeichen der göttlichen ὀργή sind, wovon nach dem Kontext gar nicht 
die Rede ist. 


24* 


872 Röm 826. ὲ 


Geisteslebens (Kölln., Reiche, v. Heng.), kann natürlich gesagt 
werden, dass er mit Hand anlegt mit unserer Schwachheit, 
uns in derselben helfend zur Seite steht. Die Praep. in dem 
ovvayrıLaußavsraı (vgl. Gen 30s.. Ex 182. Ps. 882) 
geht auf den folgenden Dativ. Thatsächlich sind natürlich wir 
es, denen er in unserer Schwachheit zur Seite steht und bei 
unserem Seufzen (V. 23) hilft. Das τῇ ἀσϑενείᾳ ἡμῶν (vgl. 
619) drückt aber viel stärker, als es ein ἡμῖν ἐν τῇ dos. Tu. 
thun würde, aus, dass eine solche Mithülfe eben eintreten muss 
unserer Schwachheit wegen. Dass diese Schwachheit irgend- 
wie mit unserer menschlichen Gebrechlichkeit und Leidens- 
fähigkeit (de W.) oder mit unserem dermaligen Leibesleben 

egeben (Hofm., Beck, Luth., Otto), ist durch nichts indizirt. 
Sie wird ausdrücklich in der Motivirung jenes Beistandes dahin 
erklärt, dass wir nach unserer menschlichen Kurzsichtigkeit 
nicht wissen, was wir erbitten sollen (τὸ γὰρ τί πιροσευξώ- 
μεϑα). Unbekannt ist es uns freilich nicht schlechthin, sofern 
ja der Hauptinhalt aller unsrer Gebete natürlich die ersehnte 
Heilsvollendung ist, wohl aber, was je nach den gegebenen Ver- 
hältnissen zu bitten Noth thut (χαϑὸ δεῖ, vgl. Lev 9s. 
IIKor 8. IPt 41), um durch die Leiden dieser Zeit hin- 
durch glücklich zu dem ersehnten Ziele zu gelangen (vgl. 
Beck). Zu der Substantivirung des ganzen Satzes durch das 
Neutr. des Artikels vgl. Win: 8 18, 3. Es bezeichnet das in 
solcher Lage in Frage tretende Was des Betens. Vgl. Krüger, 
Xen. Anab. 4, 4, 11 ἢ. — ὑπερεντυγχάνει) d.i. ἐντυγχάνει 


Ὁ Gewöhnlich (auch noch Volkm., Holst., Lips.) nimmt man 
καϑὸ dei von der Form des Bittens, gleich πῶς Mt 1019, womit aber 
die unterscheidende Sinnbeziehung von χαϑό, prout (vgl. Plat. Soph. 
P- 267D. Bar 16), vernachlässigt, und das τέ zur Bedeutungslosigkeit 

erabgesetzt wird; denn unser Nichtwissen um Inhalt und Form des 
rechten Bittens (vgl. noch Sand.) ist bei dieser Fassung nicht ausge- 
drückt (vgl. Lips... Ganz unnatürlich und wider die Wortstellung ver- 
bindet Hofm. καϑὸ dei mit οὐχ οἴδαμεν, so dass der Gedanke wäre: 
»nicht so verstehen, wie es nöthig wäre«. Es handelt sich also nicht 
um unsere Ohnmacht zur ὑπομονὴ (Meyer, God., Holst.); auch freilich 
nicht allein (Ambrosiast., Beng., v. Heng.), oder insonderheit (Bück., 
Phil.) um unsere Gebetseschwäche überhaupt; aber doch um eine all- 
gemein menschliche Schwachheit, die uns bei unserem Beten fühlbar 
wird. Das ow- in συναντιλ. ist weder zu vernachlässigen (Olsh. nach 
vielen Aelteren), noch als blosse Verstärkung zu fassen (Rück., Reiche) 
oder auf uns selbst (Otto), resp. unsere Hoffnung (Böhmer) zu be- 
ziehen, so dass τῇ ἄσϑεν. die Beziehung bezeichnete, in welcher une 
Mithülfe geleistet wird. Der Plur. ταῖς ασϑενειαις (Rept. nach KLP) 
ist offenbar Nachbesserung, wie das ὑπὲρ ἡμων (Rept. nach CKLP 
Verss. u. Vätern) exegetische Erläuterung. 


Röm 856. 31. 878 


ὑστὲρ ἡμῶν, er verwendet sich zu unserem Besten, natürlich 
bei Gott, zu dem wir ja beten wollen und nicht beten können, 
wie wir möchten, aus dem angegebenen Grunde. Das Decom- 
posit. ist ausser bei Kirchenvätern nicht aufbehalten, gebildet 
aber nach der Analogie von vrreparronpivouar, ὑτεεραπολογέο- 
μαι u.v.A. Er vertritt uns aber mit Seufzern (στεναγμοῖς, 
vgl. Ex 65. Jes 5lu. Ps 126. Job 3%), die, weil sie durch 
unser subjektives Geistesleben nicht vermittelt sind, und darum 
ihr Inhalt sich nicht in Worten aussprechen lässt, unaus- 
ehe sind: das allein heisst ἀλαλήτοις, da die Be- 
eutung: unausgesprochen, d. i. stumm, nicht von Worten be- 
gleitet (Beza, Grot., Witst, Koppe, Flatt, Glöckl., Frtzsch., 
B.-Crus., Reithm., v. Heng., Otto u. M.), wie ἄῤξητος ge- 
braucht werden kann, nicht nachweisbar ist. gl. auch 
HKor 9156. ΤΡῚ 18. Anth. Pal. 5, 4 (Philodem. 17). Theogn. 
422 (nach Stob. Serm. 36 p. 216). Paulus unterscheidet also, 
wie 816, den objektiven, in uns wirksamen Gottesgeist aus- 
drücklich von dem neuen durch ihn gewirkten Geistesleben, 
aus dem allein das V. 23 geschilderte Seufzen hervorgehen 
kann, und meint Seufzer, die der Christ eben als Seufzer des 
Geistes erkennt, weil er selbst ihnen keine Worte geben kann, 
sie also kein Produkt seines subjektiven Geisteslebens sein 
können (vgl. God., Goeb.)*). — v. 27. ὃ δὲ ἐρευνῶν τὰς 


8) Meyer, der sie wegen ihres überschwänglichen Inhaltes oder der 
Stärke ihrer Innigkeit und Brünstigkeit für unaussprechlich hält, be- 
zeichnet sie als Seufzer, an denen der Mensch keinen anderen An- 
theil hat, als dass das menschliche Organ dem Geiste dient, sie her- 
vorzubringen, und vergleicht sehr unpassend das Reden und Schreien 
der Dämonen aus den Besessenen, sowie das Zungenreden (rel. Zimmer, 
Böhmer, Lips.). Es ist aber gar nicht an ein eigentlich physisches 
Seufzen zu denken, wobei sich Mund und Lippen bewegen (Lips.), 
sondern an ein Sehnen, für das es keinerlei Aeusserungsform mehr 
giebt, und das wir eben darum als das Seufzen des Geistes in uns 
auffassen. Wenn man nur an Seufzer denkt, welche der Mensch, vom 
Geiste angeregt, ausstösst (Phil., vgl. Chrys., Theodoret., Oecum., 
Theoph., die an das yagınur εὐχῆς denken), so vermischt man eben, 
was der Apostel aus drück ich sondert, unser neues Geistesleben und 
eine davon getrennte, durch unser bewusstes Geistesleben nicht ver- 
mittelte, sondern nur gefühlte Selbstbethätigung des objektiven Gottes- 
geistes in uns. Vollends wort- und sinnwidrig sind die rationalisiren- 
den Deutungen von Reiche: »der Christensinn hegt zwar die stille 
Sehnsucht im Herzen und wendet sich damit vertrauensvoll zu Gott, 
jedoeh erlaubt er sich keine vorwitzigen Wünsche zu Gott«; und von 

ölln: >der in Christo gewonnene Geist — — wirke im Menschen 
jene tiefe heilige Rührung, in welcher der Mensch, nach seinem tiefsten 
Sinn Gott zugewandt, in der Fülle der Empfindung sein Anliegen 
nicht in Worten auszusprechen vermöge und nur in lautlosen Seufzern 


874 Röm 821. 28. 


χαρδίας) vgl. ISam 167. IReg 89. Ps Tu. Prv 15. 
Jer 17sf. Aus dieser Charakterisirung Gottes erhellt, dass 
das Seutzen des Geistes in uns, das, wie der Geist selbst (5), 
in dem Herzen als dem Mittelpunkt unseres Innenlebens seine 
Stätte hat, ein schlechtbin innerliches ist, das keinerlei sinnlich 
vernehmbare Aeusserungsform mehr findet, und darum nur 
von dem Herzenskündiger verstanden werden kann, aber von 
ihm auch verstanden wird. Lips. denkt daran, dass das 
Zungenreden nicht verstanden wird, weil es nicht zw νοΐ er- 
folgte. — Ti τὸ φρόνημα τοῦ πινδύματος) vgl. 86: was 
der Gegenstand des Trachtens ist, das sich in jenem Seufzen 
ausdrückt. Diese Objektsangabe, wie die Motivirung durch 
ὃ ἐρευνῶν etc., schliesst jede angeblich prägnante Fassung des 
oldev aus, als ob es zugleich das Verstehen und Erhören ein- 
schlösse (gegen Calv., Rück. Phil), ebenso aber, dass das 
folgende ὅτε in einem Parallelsatz dieses φρόνημα näher- 
bestimmt (so Meyer und die meisten Neueren, auch Lips, 
Sand.), wobei die Bedeutung von φρόνημα (wie bei V. 6. 7) 
vernachlässigt wird. Es kann nur begründen (vgl. Thol., Rück, 
de W., Phil, Ew., Umbr., God., Beck), weshalb der Herzens- 
kündiger weiss, was der Geist mit seiner Interzession erzielen 
will, sofern er ja seinem Willen gemäss (κατὰ edv, wie 
IV Mak 152. Plat. Apol. p. 22A. 23B. IDKor 79) und 
für Heilige d. h. Gottangehörige (17), deren innerstes Bedürfen 
Gott ja am besten kennt, eintritt ἢ). 

v. 28—39. Der tiefste Grund der christlichen 


dem gepressten Herzen Luft mache«. Otto nimmt ὑπερεντυγχ. nur 
für den Superlativ von 2yruyy (vgl. Luther) und den Dat. dem τῇ 
ἀάσϑ. parallel, als Dativ der Beziehung, so dass die orevayu. ἀλαλ. 
unsere Seufzer sind, denen der Geist ganz besonders nahe tritt! 

Ἢ Der Einwand, dass Gott ja das φρόνημα τοῦ πνεύματος ohne- 
hin kennen müsse (vgl. noch Sand.), ist ohnehin unerheblich, da es 
dann auch nicht durch Berufung auf ihn als den Herzenskündiger 
motivirt werden könnte. Der Geist ist hier eben nicht als die dritte 
Person der Gottheit gedacht (Sand.), sondern als die jenes unaus- 
eprechliche Seufzen in uns wirkende Geistesmacht, dessen Trachten 

80 unser eigenes Trachten ist. Dagegen bezeichnet das xar« 
ϑεόν eben die Art und nicht den Gegenstand des Trachtense und 
ebenso wenig das ὑπέρ ἁγίων an sich, weshalb beides nicht das 
φρόνημα näher bestimmen kann. In dem Begründungssatz aber liegt 
die nähere Exposition davon, weshalb der Herzenskündiger das vom 
Geist in uns gewirkte, wenn auch von uns selbst nicht verstandene 
Trachten versteht. Otto denkt bei dem Herzenskündiger an den Geist, 
welcher weiss, wonach der Menschengeist trachtet, wofür (ö, rs) er 
also vor Gott (vgl. Böhmer, Reiche, Frtzsch. nach Sap δι. Bernhardy 
p- 240) bittweise eintritt! 


Röm 828. 315 


Heilsgewissheit. — Da der ganze Abschnitt V. 12—27 
in ganz analoger Weise den dritten Theil abschliesst, wie 
5ı—ı den zweiten, indem er zeigt, dass mit der Geistes- 
mittheilung ebenso die Gewissheit der vollen Heilsvollendung 
ἔξ eben ist, wie mit der Rechtfertigung, bildet das nun noch 

olgende den triumphirenden Abschluss des zweiten und dritten 
Theils. Denn während V. 12—27 noch ganz wie V. 1—11 
von dem Sein des Christen im Geiste (vgl. V. 23. 26) die 
Rede war, ist hier davon garnicht mehr die Rede; es wird 
vielmehr wiederholt zu dem Hauptthema des zweiten Theiles, 
der Rechtfertigung (V. 30. 33) und der im Tode Christi be- 
wiesenen Liebe Gottes und Christi (V. 31f. 34f. 39) zurück- 
egriffen (vgl. Grafe a. a. O. p. 86, Goeb.).. Indem aber jetzt 

ie Heilsgewissheit auf ihren tiefsten Grund, die göttliche 
Vorherbestimmung, zurückgeführt wird, leitet unser Abschnitt 
zu den Erörterungen des vierten Haupttheiles über. Dies ge- 
schieht aber zunächst, indem von dem gottgemässen Eintreten 
des (teistes für uns mit dem metabatischen δέ übergeleitet wird 
zu einer Thatsache, die dem christlichen Bewusstsein auch ab- 
esehen davon feststeht (οἴδαμεν, wie V. 22)*. — τοῖς 
ἀγαπῶσιν τὸν Jeöv) Dat. commodi. Als die Gott Liebenden 
Dar ἐξοχ.) charakterısirt Paulus die wahren Christen (vgl. 

Kor 29. 88. Jak 11), die er eben noch als Gottangehörige 
bezeichnete (V. 27). Erst aus V. 29 erhellt, warum er es 
thut. Hier wird nur die Gewissheit ausgesprochen, wie sie sich 
von Gott dessen zu versehen haben, dass er in allen Stücken 
(πάντα, Accus. der näheren Bestimmung, wie IKor 9. 
10s. 112), d. h. in Allem, was ihnen begegnet, auch in allen 
leidensvollen Schicksalen, mitwirkt zu einem guten (heilsamen) 
Resultat für sie. Das συνεργεῖ (IIEsr 72. IMak 121. 
Jak 220) ist nicht einfaches Synonymon von βοηϑεῖ (Hesych.), 


*, Man darf sich dadurch, dass dieser Abschnitt an das über 
die Heilsgewissheit des Christen unter den Leiden der Gegenwart 
Gesagte anknüpft, nicht verleiten lassen, in ihm, wie nie θ- 
schieht (auch bei Volkm., Holst.), eine unmittelbare Fortsetzung des 
Vorigen, etwa die Anreihung eines neuen »Ermunterungsgrundes« 
(Meyer, Mang., Beck, Lips., Sand., vgl. Böhmer), der dem vorigen 
arallei sein soll, zu sehen, geschweige denn, dass nun erst dem 
iden dieser Zeit das herrliche Ziel gegenüberträte, das den Christen 
bestimmt ist (God.), oder unserem Seufzen (V. 22) gegenüber die im 
Folgenden exponirte Gewissheit (Hofm.). Gar nicht indizirt ist es, 
dies unser Wissen in einen Gegensatz zu stellen zu dem Nichtwissen 
V. 26 (Böhmer), und so hier. erst bestätigt zu finden, dass unsere 
ae uue durch den Geist eine ausreichende und wirksame ist 
(Otto). 


976 Röm 828. 


sondern setzt voraus, dass Alles, was uns begegnet, seinen 
Einfluss auf unser Geschick ausübt, der aber dadurch, dass 
der Gott, den sie lieben (ὁ Jeög), dabei allezeit mitwirkt, 
immer ein heilsamer werden muss. Das artikellose εἰς ἀγαϑόν 
ist durchaus in diesem allgemeinen Sinne zu belassen: zu 
Heilsamem. Vgl. Theogn. 161. Hom. Il. ı, 102. Plat. Rep. 
a. a. Ο. JSir 8951 ἢ. — τοῖς κατὰ περόϑεσιν κλητοῖς 
οὖσιν) als denen, welche (quippe qui, d.i. da sie ja) vorsatz- 
En Berufene: sind. er Zusatz bevorwortet also aus- 
drücklich, dass nicht, weil oder sofern sie Gott lieben, ihnen 
dies widerfährt, sondern dass in dem Verhältnisse, vorsatz- 
mässig Berufene zu sein (denn auf xAnzoig liegt der Ton), 
ursächlich die hier ausgesprochene Gewissheit ruhe. Die gött- 
liche Gnadenwirkung, durch welche sie zum Glauben gebracht 
und zur Christengemeinde herzugerufen sind, verbürgt aber, 
dass Gott ihnen Alles zum Guten lenken muss, weil dieselbe 
in Gemässheit eines ausdrücklichen göttlichen Vorsatzes erfolgt 
ist, der nach 9ıı die Auswahl aus der Masse der Menschheit 
und ihre Bestimmung zum Heile in sich schliesst, welcher 
darum durch Gottes Mitwirken alle ihre Lebensschicksale 
dienen müssen **). 


*) Meyer hielt das o $eos (AB Lchm., WH. 1. Kl.) für eine Glosse, 
zu der doch nicht der geringste Anlass im Kontext ersichtlich, da 
rade ohne dies Subj. das zayı« soviel leichter sich erklärte. Die 
sart ist als die schwerere sicher ursprünglich. Vgl. Volkm., Zimmer, 
Sand. Alle anderen Ausleger ziehen die Rcpt. vor, obwohl es schon 
an sich höchst unwahrscheinlich ist, dass zu den wichtigen Aussagen 
V. 29f. das Subjekt nur aus dem τὸν ϑεόν indirekt zu entnehmen sein 
sollte. Bei dieser Lesart hiesse es, dass Alles zusammenwirkt (vgl. 
V. 22) zum Guten (Beck, Böhmer, Luth., Otto), aber nicht mit den 
Gottliebenden (Phil., Goeb.), da es sich ja ausschliesslich um ihr 
Ergehen in den verschiedensten Lebenslagen handelt, und ihre Liebe 
zu Gott nicht als die Bedingung (God.) oder der Ueberzeugungsgrund 
unseres οἴδαμεν (Meyer) gemeint ist. Transitiv aber kann das συνεργεῖ 
nicht stehen (Lips: der Alles zusammenwirken lässt zu ihrem Heil; 
vgl. auch Sand.). Der Art. vor ἀγαϑόν (Lehm. ed. min. nach L. Min. 
Ptr.) ist ganz ungenügend bezeugt, und nur bei ihm könnte es auf 
das ni Heil der Christen (Reiche, vgl. auch God.) gehen. 

**) Wie es ganz verkehrt war, die πρόϑεσις von der eigenen Selbet- 
bestimmung der Subjekte zu deuten (Chrye., Theodoret. u. M.), so war 
es auch eine unbiblische und gefährliche Unterscheidung (s. dagegen 
Calov.), die χατὰ πρόϑεσιν Berufenen in einen Gegensatz zu denen zu 
stellen, welche un χατὰ roos. Berufene seien (Au in., Estius, 
Reithm. u. M., vgl. noch Böhmer). Vgl. Weiss in ἃ. JdTh 1857. p. 79: 
»Erwählung und Berufung sind untrennbare Korrelatbegriffe; wo die 
eine stattfindet, findet auch die andere statt, nur dass man jene als 
einen vorzeitlichen innergöttlichen Akt nicht erkennen kann, diese 


Röm 829. 377 


V. 29f. örı) begründet näher, wiefern die vorsatzmässig 
Berufenen es sind, denen zu Gut Gott in allen Stücken zum 
Heil mitwirkt, und löst zugleich die Frage, wie dieselben zu- 
gleich nach ihrer subjektiven Beschaffenheit als Gottliebende 
und nach der objektiven Begründung ihres Heils in der Be- 
rufung charakterisirt werden konnten. Eben darum tritt ja 
mit Nachdruck der Acc. voran, welcher besagt, welcherlei 
Personen er in einer Weise vorherbestimmte, die nach V. 30 
die Berufung zur nothwendigen Folge hat. Dann aber kann 
das οὖς πιροέγνω nur solche meinen, welche Gott als ihn 
Liebende (V. 28) vorher erkannte, nicht weil sie schon solche 
waren, sondern weil er, der Herzenskündiger, der die tiefste 
Grundrichtung des Herzens kennt, aus derselben erkannte, 
dass seine Gnadenführung in ihnen diese Liebe wirken werde*). 
Näheres bei Weiss, bibl, Theol. ὃ 88, c. Vgl. IKor 29. 88. 
Den Terminus des σερο in προέγνω wie nachher in περοώρισξ, 
ergiebt der Text ganz zweifellos, nämlich: vor ihrer Berufung, 
womit die gangbare Beziehung auf einen vorzeitlichen Akt 
(Thol., God., Sand. u.d. M.: vor Grundlegung der Welt) aus- 


aber als geschichtliche Thatsache in die Erscheinung tritt«, und dessen 
bibl. Theol. ὃ 88, a. Der Apostel setzt also nicht bloss bei ihnen als 
Christen voraus, dass sie den Ruf angenommen haben (Hofm.. God., 
Beck), weil dies aus ihrer Liebe zu Gott ersichtlich wird (Sand.); 
denn die Berufung ist bei Paulus immer eine wirksame Herzuführun 
zur Gemeinde. Vgl. Lamping, Pauli de praedest. deereta. Leovard. 
1858. p. 40f. u. bes. Otto. Hofm. will οὖσιν in einen Partizipialsatz 
auflösen, dessen Prädikat τοῖς xAnr. bildet: »da sie die vorsatzmässig 
Berufenen eind«, wogegen die jedem Leser zunächst sich darbietende 
Zusammengehörigkeit von τοῖς und οὖσεν spricht. Dass πρόϑεσις nicht 
eine Vorherbestimmung einzelner Personen, sondern der göttliche Heils- 
vorsatz überhaupt sei (Luth.), ist Angesichts der Stelle 911 offenbar 
unrichtig, dass aber dieser Vorsatz ein ewiger, jedenfalls vorgeschicht- 
licher sei (so gew., vgl. noch Böhmer), wird ganz willkürlich ange- 
nommen (vgl. dagegen Otto). 

*) So jetzt auch Otto, der aber seine raue Beziehung des 
οὗς προέγνω auf τ. ἄγαπ. τ. ϑεόν als etwas ganz Neues proklamirt, 
obwohl sie längst in diesem Kommentar geltend gemacht war, während 
Lips. dagegen bemerkt, dass, auch wenn die πρόγνωσις sich auf die 
menschliche Liebe zu Gott bezöge, diese doch von der erwählenden 
göttlichen Liebe abhängig (d. h. gewirkt) wäre, was wörtlich so eben 
von jeher gesagt war. Dagegen war es ganz willkürlich, an die 
praedestinatio ex praevisa fide zu denken (Calov.: quos credituros 
Bela 'vel susceptaros vocationem, vgl. Phil., God.), worauf in der 

ache auch Meyer hinauskommt, dessen Worterklärung nur einen 
Sinn giebt, wenn man darunter »die für seinen Plan Geeigneten« 
(Böhmer, vgl. Ew.: als würdige) versteht, was doch wieder eingetragen 
wird. Ebenso willkürlich Erasm.: Novit suos multo antequam vocaret, 
Lipe.: als Gegenstände seiner Liebe. | 


378 Röm 899. 


ng ist. Die durch die Wortbedeutung geforderte 
assung des “πτροέγνω von der Präscienz haben schon Orig., 
Chrys., Augustin, Ambros, Hieron, Theophyl., Oec., und 
ausser den in der vor. Anm. Genannten Reiche, Reithm., 
Maier, v. . u. A.; und für sie entscheidet der gesammte 
Sprachgebrauch, nach welchem regoyırWoxeıw niemals (auch 
112. IPt 120 nicht) etwas Anderes heisst als: vorhererkennen 
(Act 265. IIPt 31. Jdt 96. Sap 61:18. 88. 186)*. — καὲ 
περοώρεσδ) vgl. Act 428, die bestimmte er auch vorher, be- 
zeichnet die in der σερόϑεσις (V. 28), nicht in der Berufung 
(Lips.), eingeschlossene Vorberbestimmung näher durch die An- 
gabe, wozu er sie bestimmte. Zu der Verbindung des avu uoe- 

org (Lucian. Amor. 39), das Phl 321 mit einem Dat. steht, mit 

em Genit. τῆς εἰκόνος τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ vgl. Kühner 8 416, 1. 
Sie sollten gleichgestaltet werden dem Bilde seines Sohnes. 
Wie Christus das Bild Gottes ist (II Kor 44), sofern sich in 
ihm die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes sichtbar darstellt, 
so ist die verklärte Leiblichkeit des erhöhten Christus (I Kor 
154. Phl 821) die Form, in welcher das unsichtbare Wesen 
des Sohnes sichtbar wird, in ihr wird dasselbe wie im Bilde 
geschaut. Wenn daher die Leiblichkeit der Gläubigen, von 


*) Auch nicht im Klassischen, vgl. vielmehr Hom. Cer. 258. 
Xen. Ap. 30. Plat. Rep. p. 426 C. Theaet. p. 203 Ὁ. Tim. p. 70C. 
Eur. Hipp. 1072. Dem. 861. 13. Lucian. Prom. 20. Dasselbe gilt von 
πρόγνωσις und προγνωστεχός., Für die Bedeutung: vorberbestimmen, 
vorherbeschliessen (Calv. u. M.. auch Rück., Ust., Kölln., de W., Frtzsch., 
Krehl, B.-Crus., Lamp., Chr. Hoffm., vgl. auch Umbr., der beide Be- 
deutungen vermischt) beruft man sich auf den bekannten Gebrauch 
des γενώσχ. vom richterlichen Erkenntniss oder auch von sonstigen 
Beschliessungen und Entscheidungen (Herod. 4, 25. 1, 74. 78. Thuc. 

80, 3. 99 u. v. ἃ... Aber theile wird es in diesem Sinne nie mit 
dem Accus. der Person ohne Infin. verbunden, theils ist für das Compos. 
KL A jener Sprachgebrauch nicht vorhanden, so gangbar es 
auch den Griechen war. Aber auch sachlich passt diese Auffassung 
gar nicht nach der Analogie der folgenden (lieder, welche immer 
einen von dem vorigen verschiedenen Begriff anreihen. Sollte hier 
aber das Neue lediglich in der hinzugefügten Bestimmung liegen, 
wozu sie Gott ausersehen hat, so müsste ausdrücklich dasselbe Verbum 
aufgenommen sein. Dasselbe gilt gegen Hofm., nach welchem beide 
Verba nicht aufeinanderfolgende Akte bezeichnen, sondern jenes auf 
die Personen, dieses auf die ihnen zugedachte Beschaffenheit geht, 
und welcher das προγενώσχεεν in dem völlig erfundenen Sinne eines 
aneignenden Erkennens des Verwandten und Gleichartigen nimmt 
(vgl. Tbol., Beck, Luth., Goeb.), wie schon Augustin es einfach in 
approbavit jam ante umändert (vgl. Grot., Est. u. M., im Grunde 
wieder Sand., nach dem es auf Grund eines angeblichen ATlichen 
Sprachgebrauchs heissen soll: take note of, fix the regard upon). 


Röm 829. 80. 379 


το ματαιότης erlöst (V. 23), zur gleichen δόξα gelangt 
. 181), so werden sie diesem Bilde gleichgestaltet und eben 

it auch erst vollkommen als Söhne Gottes offenbar (V. 19. 
23). Daher kann als Enndzweck dieser Vorherbestimmung mit 
εἰς τὸ εἶναι αὐτόν (vgl. 120) bezeichnet werden, dass er, der 
Sohn, Erstgeborener sei unter vielen Brüdern. Das σρωτό- 
τοχος (Gen 105. Ex 1229. Jer 319) deutet darauf, dass auch 
Christus erst durch seine Erhöhung die volle Sohnesgestalt 
empfangen hat (14), aber ein Erstgeborener unter vielen Brüdern 
kann er natürlich nur werden, wenn Andere nach ihm in den 
Vollbesitz der Sohnesrechte, wozu auch diese Sohnesgestalt 
ehört, eintreten, weshalb der Nachdruck auf dem ἐν zoAAoics 
αδελφοὶῖὶς liegt (vgl. de W., Otto gegen Meyer)*). Dann 
aber wird Gott auch dafür sorgen, dass sie zu diesem Ziele 
gelangen und deshalb in allen Stücken ihnen mitwirken zum 
eil (V. 28). — V. 30. οὖς δὲ σεροώριεσεν) nimmt das 
zuletzt Gesagte auf, um zu zeigen, wie Gott thatsächlich an 
den zur Hei svollendung Vorherbestimmten Alles gethan hat, 
um sie diesem Ziele zuzuführen, weil damit erst die volle Ge- 
wissheit des V. 28 Gesagten verbürgt ist, Daher das nach- 
drückliche: τούτους χαὶ ἔχαάλεσεν, diese und keine Anderen 
(vgl. V. 14) hat er auch berufen, sie sind also die κατὰ 
πρόϑεσιν κλητοί V. 28. Hieraus erhellt klar, dass die Be- 
rufung das erste Moment in der Verwirklichung der Vorher- 
bestimmung zum Heile ist, also nicht die an Alle ergehende 
Einladung zum Heile, welche auch verschmäht werden kann 
(Rück., Frtzsch., Sand.), sondern eine göttliche Gnadenwirkung, 
welche mittelst des Wortes auf den, der berufen wird, ein- 
wirkend, sein Herz zur Annahme des Wortes aufthut und ihn so 
durch den Glauben zur Christengemeinde herzuruft. Eben 
weil (ott diejenigen, welche er zum Heil bestimmt und auf 
Grund dessen beruft, vorhererkannt hat als solche, welche ihre 
gesammte Herzensrichtung befähigte, Gottliebende zu werden, 
können dieselben nicht der Berufungsgnade den Widerstand 
des Unglaubens entgegensetzen, sondern werden ihrem Zuge 


5) Es ist daher weder mit Chrys., Theophyl., Beng. u. M. auf 
die gegenwärtige vlo9eola zu beziehen: noch die Konformität des 
inneren Seins (Krehl: die Sündlosigkeit) mit einzuschliessen (Hofm., 
vgl. Sand.), wenn dieselbe auch natürlich die Voraussetzung der hier 
gemeinten Glorie ist. Vollends die Leidensgemeinschaft mit Christo 
(Calv., Grot., Calov. u. M.) liegt ganz fern und ist auch nicht mit 
hinzuzunehmen (Zimmer). Dass das πρωτότοχος nicht auf die wesent- 
liche und uranfängliche Gottessohnschaft Christi geht (Meyer), hat 
Otto richtig erkannt; aber dass die Gewissheit des προώρισε auf 
Ex 206 beruhte, ist ein seltsamer Einfall. 


380 Röm 880. 


folgen, so dass alle Vorherbestimmte auch berufen sind. — 
Als die unmittelbare Folge davon wird mit χαΐ ange- 
schlossen: welche er berufen hat, die und keine Anderen hat 
er auch gerechtfertigt (£dıxai woe», vgl. 81. 9). Da die Recht- 
fertigung nicht eintreten kann, ohne dass der Glaube gewirkt 
ist, so muss die Glaubensbewirkung in den Akt der χλῆσις 
eingeschlossen sein. Dass die Heiligung nicht genannt ist, zei 

dass dieselbe nicht ein auf die Rechtfertigung folgender Akt 
ist, sondern dass zugleich mit der Rechtfertigung der Gläubige 
in das neue Leben versetzt wird, in dem sich dieselbe ver- 
wirklicht*). — οὔς δὲ ἐδικαίωσεν) Dass nicht wieder καί 
folgt, sondern de, zeigt, dass dieses Satzglied nicht den beiden 
vorigen unmittelbar parallel steht (vgl. Goeb.); denn es besagt 
nicht, was Gott bereits gethan hat, um die Vorherbestimmten 
ihrem Ziele zuzuführen, sondern, was in und mit dem an 
ihnen Geschehenen bereits nothwendig gegeben, wie das 
ἐχάλεσεν mit dem προώύρισεν, und darum für den Glauben 
bereits als vollzogen erscheint. Denn das ἐδόξασε fällt der 
Sache nach in die Zukunft (V. 21. 52); aber der Apostel 
stellt es absichtlich durch den proleptischen Aorist. (8. Herm. 
ad Viger. p. 746f. Kühner ὃ 386, 11) mit dem ἐχάλεσε und 
ἐδικαίωσε auf dieselbe Stufe der Gewissheit, wie etwas bereits 
in und mit demselben Gegebenes. Die volle Anerkennung 
dieser Glaubenskühnheit des Apostels schliesst aber keineswegs 
aus, dass derselbe sich die bereits geschehene Vollziehung 
dieses ἐδόξασεν dadurch vermittelte, dass in und mit der Er- 
höhung Christi, welcher bestimmt war, ein Erstgeborener unter 
vielen Brüdern zu werden, ‚sich dasselbe bereits prinzipiell voll- 
zogen habe**). Vielmehr emptängt die Ausführung des V. 29 





4) Es sind also weder der Glaube und die Heiligung als »die 
menschlichen Elemente der Heilsordnung« weggelassen (God.), noch 
schliesst das διχαιοῦν die Hineinbildung der göttlichen Gerechtigkeit 
in den Menschen ein (Beck): „aber die Heiligung ist auch nicht als 
die Folge der Rechtfertigung und die Bedingung des ἐδόξασεν voraus- 
gesetzt (Sand.). 

**, Damit ist keineswegs gesagt, dass das ἐδόξασεν nur als im 
Rathschlusse Gottes vollzogen betrachtet werden soll (Grot., Reiche, 
Umbr.). Ganz gegen den technischen Wortsinn des ἐδόξασεν bezogen 
Andere dasselbe auf die »vorerst nur innerlich und verborgen« be- 
sessene Gottesherrlichkeit(Hofm. mit Verweisung auf seine Missdeutung 
von 8283, vgl. Beck), auf eine schon jetzt besessene Stufe dieser Herr- 
lichkeit (Böhmer nach II Kor 318, obwohl diese Stelle zeigt, dass Paulus 
in der schon gegenwärtigen Geistesherrlichkeit der Christen ein 
Unterpfand ihrer zukünftigen δόξα sieht, auf den Ruhm bei Gott 
(Märcker). oder auf die diesseitige Gnadenbegabung und υἱοϑεσία 
(Chrys. und s. Nachfolger, Ambros., Pelag., Erasm., vgl. auch v. Heng.). 


Röm 880—se. 881 


darüber erst ihr ausreichendes Motiv, wenn sie im Vorblick auf 
dies ἐδόξασεν gemacht ist. Sind hiernach die Berufenen ihrer 
endlichen Verherrlichung, welche das Ziel ihrer Vorherbestimmung 
war ΓΟ . 29), ebenso gewiss, wie dessen, dass Gott in ihrer 
Berufung und Rechtfertigung bereits den ersten Schritt gethan 
hat, sie zu diesem Ziele zu führen (V. 30), so kann ihnen 
Gott nur in allen Stücken mitwirken zum Heile (V. 28). 

Υ. 818 τί οὖν ἐροῦμεν) vgl. 6ı. 71. as nun aus 
V.29f. gefolgert wird, worauf das πσιρὸς ταῦτα bezüglich des 
Gresagten ausdrücklich zurückweist, kann nur ein Kommentar 
zu V. 28 sein*. »Quid unquam Cicero dixit grandiloquen- 
tius?«, Erasm. Vgl. Augustin. de doctr. Chr. 4, 20. — εἰ ὁ 
ϑεὲς ὑπὲρ ἦμ ὧν) Die eigenthümliche Form, in der das 
Resultat des Vorigen aufgenommen wird, erklärt sich nur, 
wenn V. 28, wofür V. 29f. nur die Begründung bringt, Gott 
Subjekt war. Denn zur Zusammenfassung von V. 29f. ist 
der Ausdruck viel zu schwach, während er genau zutrifft, 
wenn in allen Stücken Gott uns zum Guten mitwirkt, d. h. 
doch eben stets für uns eintritt. Zu ὑπέρ im Gegensatze zu 
xara vgl. IIKor 188. — τίς xa$ ἡμῶν) Frage der 
sicheren, schon triumphirenden Gewissheit, dass alle feindliche 
Gewalt im Bewusstsein ihrer Ohnmacht uns gegenüber den 
Kampf wider uns aufgeben werde. Zu eivaı χατά τινος vgl. 
JSir 612. Sap4c. Plut. Nic. 21. — V.32. Die mit steigender 
Zuversicht triumphirende Frage ist der vorigen ganz parallel, 
nur dass sie in steigernder Weise aus dem, was Gott bereits 
für uns gethan, folgert, was wir von ihm zu erwarten haben. 
Da so Subjekt des Vordersatzes und Nachsatzes dasselbe ist, 
nimmt der erstere die Form eines Relativsatzes an, der mit 
dem kausalen γέ (Kühner $ 511, 9, a) von Gott aussagt, was 
schon für sich vollständig ausreicht, um die Antwort auf die 
in Betreff seiner gestellte Frage unausweichlich zu machen. 


Dass der Aor. für das Futur. oder Praesens stehe (Kölln.) oder gar 
ein Pflegen ausdrücke (Flatt), was im NT nie der Fall ist, ist natür- 
lich ganz unmöglich. 

*) Lips. bezieht die Frage auf 81 zurück, das doch viel zu weit 
zurückliegt, und woran der einfache Gegensatz des ὑπέρ-χαταά im 
Folgenden in keiner Weise erinnert. Vollends wenn man dieselbe 
analysirt: »Wie lässt sich dem gegenüber die Behauptung noch auf- 
recht erhalten, dass das Evangelium von der Glaubensgerechtigkeit 
zur Sünde führe und vor dem Gesetze verdammlich macht?«, so ist 
das doch auf’s Unnatürlichste herbeigezogen, nur um hier noch eine 
Beziehung auf Judenchristen zu finden, während die Stelle gerade 
zeigt, wie fern auch der dialektisch bewegtesten Rede in unserem 
Briefe eine solche liegt. Ä 


882 Röm 882. 


Er, von dem doch so viel feststeht, dass er (ὃς ye) des eigenen 
Sohnes nicht schonte. Das τοῦ ἐδίου vor υἱοῦ hebt ganz 
wie das ἑαυτοῦ 88 die Grösse des Liebesbeweises hervor, den 
Gott uns gab, indem er im Sohne das, was sein spezifisches 
Eigenthum und darum ihm das Liebste war, nicht verschonte 
(οὐκ ἐφείσατο, vgl. Gen 22:2. ISam 15s. Hab 11. IIKor 
132). Positiv bestimmt aber wird dies im Gegensatz (ἀλλα) 
dadurch, dass er ihn zu unserer Aller Besten dahingab (πὶ αρέ- 
$wxev), womit nach 425 nur seine Hingabe in den Tod ge- 
meint sein kann. Das zu ὑσεὲρ ἡμῶν hinzugefügte τεάντων 
soll wohl andeuten, wie viele unter ihnen eines so grossen 
Opfers doch völlig unwürdig waren. Aus diesem denkbar 
höchsten Liebesbeweis, in welchem das θεὸς ὑπεὲρ ἡμῶν V.31 
aufs Eklatanteste sich bewährt, folgert nun der Apostel die 
triumphirende Frage des Nachsatzs. — σεῶς οὐχὶ xal) 
wie ist's möglich (86. 62), dass er nicht auch Alles uns aus 
(Gnaden schenken wird. Das «a: gehört also zu dem ganzen 
Nachsatze (Hofm., Goeb.), in welchem das σὺν αὐτῷ gleich- 
sam noch einmal den ganzen Inhalt des Vordersatzes zu- 
sammenfasst, sofern in der Hingabe des Sohnes zu unserem 
Besten er uns ihn selbst als die denkbar höchste Gnadengabe 
gegeben hat, zu der sich alles Andere nur wie eine begleitende 
Zugabe verhalten kann. »Minus est enim vobis omnia cum 
illo donare, quam illum nostri causa morti traderes, Ambro- 
siast. Vgl. Chrys. Das τὰ πάντα bezeichnet im Parallelis- 
mus von V. 31 das Sämmtliche, was Noth thut, um jeden 
Widerstand zu nichte zu machen und uns trotzdem zum Ziel 
der Heilsvollendung zu führen. Zu xagioeraı vgl. Est 87. 
JSir 123. IIMak 3sı. Gal 38. IKor 212 ἢ). 


5) Die Frage ist weder eine Antwort auf V. 31 (Meyer), noch 
eine Bekräftigung davon (Hofm.). In dem τοῦ ἰδίου υἱοὺ einen Gegen- 
satz zu finden gegen die υἱοὶ ϑετοί (Theophyl., Wttst., Thol., Olsh., 
B.-Crus., Frtzsch., Phil.) liegt dem Kontext ebenso fern, wie eine Be- 
ziehung auf das gottgleiche Wesen des Sohnes (Otto, Sand.). Aber 
auch eine Anspielung an Gen 22ı3 (Phil, Hofm., God., Luth., Otto, 
Sand. u. viele Aeltere) würde einen der Stelle ähnlicheren Ausdruck 
fordern. Das χαί gehört weder zu πῶς οὐχί (Phil), noch zu σὺν αὐτῷ 
(Meyer), noch zu χαρέσεταε allein (God., Otto). Eine Beziehung des 
πάντων. auf den (segensatz von Juden und Heiden (Otto) liegt dem 
Kontext ganz forn. Dass das τὰ πάντα das Gesammte in dem Ge- 
schenk des Sohnes enthaltene Einzelne bezeichnet (Otto, vgl. Lips., 
der auch das σὺν αὐτῷ von der Gemeinschaft mit ihm fasst; Alles, 
was Christo eigen ist), ist ebenso unrichtig, wie die Beziehung auf 
Alles, was er dem Zweck der Hingabe Jesu gemäss zu schenken hat 
(Meyer). Ganz willkürlich Hofm.: Das All der Dinge, die χληρονομέα 
der Welt im Sinne von 418 (vgl. auch Böhmer). 


Röm 883. 3. 883 


V. 33f. War in der Frage des V. 32 die letze Konse- 
uenz davon gezogen, dass Gott sich uns als ὑσεὲρ ἡμῶν 
(v. 31) erwiesen hat, so zerlegt Paulus nun die Frage zig 
χαϑ'᾽ ἡμῶν; V.31 in mehrere Einzelfragen, deren triumphirende 
Beantwortung zeigt, wie wenig die Berufenen irgend eine 
Gegnerschaft zu fürchten haben. — rig ἐγκαλέσει), vgl. 
Prv 195. Zch 14. JSir 46. Wer wird Anklage erheben 
wider solche, welche Erwählte Gottes sind? Bem. die Artikel- 
losigkeit von ἐχλεχτῶν ϑεοῦ (vgl. das ὑπεὲρ ἁγίων V. 27), 
welche diese ihre Eigenschaft bedeutsam hervortreten lässt. 
Wenn Gott, vor dem allein man doch die entscheidende An- 
klage wider sie erheben könnte, selbst sie aus der Welt aus- 
gesondert und zu seinem speziellen Eigenthum gemacht hat, 
wie einst die Glieder des alttestamentlichen Bundesvolkes (Ps 
10543. 1066. Jes 421. 65s. Sap 389), so macht schon diese 
ihre Eigenschaft die völlige Vergeblichkeit des Versuches, 
ihnen auf diesem Wege zu schaden, fühlbar. Ueber den 
Genit. bei dem ganz substantivirten ἐχλδχεοί 5. Frtzsch. Diss. 
II, p. 31. Pflugk. ad Eur. Hec. 1135. — ϑεὸς ὁ δικαεῶν) 
ist natürlich die Antwort auf diese Frage. Wenn Gott selbst, 
also die höchste Instanz (Bem. die nachdrückliche Stellung 
von Jeög nach ϑεοῦ, dessen Erwählte sie sind), der Gerecht- 
sprechende ist, also uns absolvirt, wer will dann noch durch irgend 
eine Anklage den Christen zu schaden versuchen *). — V. 34. 
τίς ὁ Xaraxeivwv;) fassen v. Heng., Meyer, Hofm., Luth., 
Zimmer, Böhmer, Otto nach Orig., Chrys., Theodoret., Sand. 
u. a. Väter (vgl. auch Erasm.) Fortsetzung der Antwort, 
als ob dieselbe lautete: Gott ist der Rechtfertiger und also 
kein Verurtheilter da. Die Parallele Jes 50sf. spricht eher 


*), Von einem Gerechtsprechen im Endgericht (Hofm.) ist natür- 
lich nicht die Rede, sondern von der V. 80 erwähnten διχαέωσις, 
zumal ja im jüngsten Gericht keiner mehr als Ankläger gegen die 
Christen auftreten kann, am wenigsten von einem fortdauernden Akt 
der Gerechtmachung, wofür sich Beck auf das Part. Praes. beruft. 
Auch denkt Paulus eher an Jes δ08 als an Zch 33 (Hofm.). Ganz 
verkehrt ist die Fassung als ironische Frage: Wird Gott etwa an- 
klagen, welcher rechtfertigt? So nach Augustin. doctr. christ. 8, 8 
und Ambros. neuerlich Koppe, Reiche, Kölln., Olsh., B.-Crus., de W., 
Maier. Denn die Frage, ob der Rechtfertigende zugleich Ankläger 
sei, wäre einfach widersinnig; Gott kann überhaupt nicht als An- 
kläger gedacht werden, da es kein Tribunal giebt, vor dem er es sein 
könnte, und zu der Frage, ob, wenn Gott für uns ist, ein Anderer 
wider uns sein kann (V. 81), hat dieser Gedanke gar keine Beziehung 
mehr. Otto will wegen des fehlenden Art. ϑεύς als Prädikat nehmen; 
aber der Art. fehlt nur, weil es sich um Gott nach seinem Wesen 
als oberste richterliche Instanz handelt. 


884 Röm 884. 


gegen als für diese ganz unnatürliche, dem einfachen Wortlaut 
aufgezwungene Fassung. Mit vollem Recht nehmen Luther, 
Beza, Calv, Grot, Wolf u. V., auch Thol., Flatt, Frtzsch., 
Phil, Reithm., Ew., Volkm., God., Goeb, Lips. es als neue, 
dem τίς ἐγκαλέσει etc. parallele Frage, welche von dem An- 
klagen, wodurch einer den Christen zu schaden versuchen 
könnte, zum Verurtheilen fortschreitet. Es folgt dann dem 
ϑεὸς ὁ δικαιῶν ganz parallel die Antwort: Χριστὸς ὃ arro- 
ϑανών. Da es sich dem Christen von selbst versteht, dass 
im Enndgericht Christus das Urtheil spricht (2.16), so kommt es 
bei Erwägung der Frage τίς ὁ χαταχρίνων; zunächst darauf 
an, ob dies von ihm zu erwarten ist. enn aber der, welcher 
hier das Urtheil zu sprechen hat, alles thut, um uns von der 
Verdammniss zu erretten, so bleibt freilich keiner mehr übrig, 
von dem wir solches zu befürchten haben ἢ). — μᾶλλον ὃ " 
ist das immo vero, vel potius, womit sich der Redende selbst 
verbessert.(s. z. Gal 49); denn was wäre das Gestorbensein 


*) Dass keine Verurtheilung mehr eintreten kann, wenn keine 
Anklage Erfolg hat, und Christus nicht mehr verdammen kann, wenn 
Gott gerecht spricht (Meyer), ist richtig, aber das schliesst nicht aus, 
dass Paulus den Gedanken des τές xa9’ ἡμῶν von verschiedenen 
Seiten her anschaulich machen kann, zumal ja das δικαιοῦν Gottes 
V, 33 auf die Anklagen geht, die in der Gegenwart einer gegen die 
Christen erheben könnte, das χαταχρένειν aber (gegen Meyer) auf das 
Endgericht, sodass garnicht von einer Verurtheilung auf Grund der 
Anklage V..33 die Rede ist. Dass die Form der Frage (statt τές 
xaraxpıyei;) sich unter dem Einfluss der vorigen Antwort gebildet, 
und dass der Gedanke des διχαιοῦν den Gedanken an seinen Gegen- 
satz (das χαταχρίγεινιὲ hervorgerufen hat, beweist durchaus nicht, dass 
hier zwei wie Vorder- und Nachsatz zusammengehörige Sätze vor- 
liegen, zumal alle Versuche, von dieser Voraussetzung aus das Χριστὸς 
ὁ ἀποθανών zu erklären, missiungen sind. Rück., Hofm. wollen es 
mit denen, die schon ϑεὸς ὁ διχαιῶν fragend fassten, auch fragend 
nehmen; aber wenn, wie sie selbst zugeben, jenes unmöglich ist, 
dann ist es auch dieses. Um darum diesen Parallelismus aufzuheben, 
nimmt Böhmer gar Χριστὸς Ἰησοῦς für sich als Frage und ὁ «nodavow 
etc. als eine zweite parallele Frage. Dass aber das ἐποθανὼν — τοῦ 
ϑεοῦ nur erkläre, woher gerade von Christus zu befürchten sei, dass 
er uns verurtheile (Hofm.), ist ganz undenkbar, da es nach παρέδωχεν 
αὐτόν nicht bloss von dem Scheiden aus dem Leben seines Knechts- 
standes genommen werden kann. Die Uebrigen (auch Meyer) nehmen 
Χριστός ὁ ἀποϑανών als Fortsetzung der Antwort auf die Frage τίς 
Zyxaltosı (»Und was Christus betrifft — er ist der Gestorbene u. 8. w.«), 
was ebenso unnatürlich und schwerfällig ist, als wenn man dasselbe 
mit allem Folgenden als sachlichen Vordersatz für die Frage τές 
xwelos etc. V. 35 fasst (Luth., Zimmer, Otto, Sand... Das /ngous 
nach Χριστος, das Lehm., WH einklammern, Recpt. Treg. streichen, 
ist wohl in BDEK aus Nachlässigkeit ausgefallen, da ein Grund zur 
Hinzufügung nicht ersichtlich ist. 


Röm 884. 86. 885 


Christi an und für sich, wie könnte es uns ein Beweis sein, 
dass Christus alles gethan hat, um uns von der Verdammniss 
zu erretten, wenn nicht die göttliche Auferweckung hinzu- 
Sei wäre, die uns beweist, dass er nicht den Mod des 

ünders starb, sondern ihn erlitt, um unsere Sünde zu sühnen 
(vgl. zu 4%). Selbstverständlich ist übrigens diese ganze An- 
wendung des korrektiven Ausdruckes hier nur formeller Natur, 
dazu dienend, dass die beiden Momente in ihrer wichtigen 
Korrelation recht markirt hervortreten. — ὃς xal ἐστιν ἐν 
δεξιᾷ τοῦ ϑεοῦ) AufPs 1101 gegründete bildliche Darstellung 
der Theilnahme Christi am Weltregimente Gottes (vgl. auch 
Dissen ad Pindar. Fragm. 11, 9. In dieser Stellung ist er 
ja der Vollstrecker göttlichen Gerichts (2 16), ohne den keine 

erdammniss erfolgen kann. — ὃς xai) die Wiederhol 
hat etwas Feierliches, — ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἡμῶν) vgl. 
V. 26f. Diese Fürbitte ist die fortwährende Geltendmachung 
seines durch sein !Auorngıov vollzogenen Sühnwerkes von Seiten 
Christi in seiner Herrlichkeit bei dem Vater, welche vollends 
keinen anderen Zweck hat, als uns vor der Verdammniss zu 
bewahren ἢ). 

Υ. 35ff. bringen eine dritte, dem τίς &yx. und εἰς ὃ 
xarang. parallele Frage, die nun auf eine letzte Weise, wie 
der Christ geschädigt werden könnte, hinweist, um auch sie 
zu beantworten. Nur daraus erklärt sich ja, dass Paulus in 
Gleichmässigkeit mit ihnen zig statt zı fragt, obwohl er nach- 
her Zustände und Dinge, nicht Personen aufführt, wenn es 
auch natürlich mehr oder weniger Menschen sind, die uns in 
diese Zustände bringen oder diese Dinge uns anthun. — ἀπεὺ 
τῆς ἀγάπης τοῦ ϑεοῦ) Die Rückkehr zu der Erwähnung 
der feindlichen Mächte (V. 31), welche uns scheiden wollen 








Ἢ Das x«s nach μαλλον de (Rcpt. nach DEFGKL) ist offenbar 
Konformation nach den beiden folgenden x««. Es ist keineswegs noth- 
wendig (Meyer), da eben erst die Auferstehung und nicht sein Tod 
an sich (Bem., dass ὑπὲρ ἡμῶν fehlt) beweist, was hier bewiesen 
werden soll, dass wir von Christo keine Verdammung zu fürchten 
haben. Dagegen ist das x«« nach dem ersten os in NAC min. vg. go. 
cop. (Tisch., WH.) getilgt, von Lehm. eingeklammert, weil es nur so 
beim zweiten motivirt schien, so dass B allein das Richtige hat 
(Treg.), wo auch das ex των μέχρων nach ἐγερϑεὶις (NAC ΜΗ. i. Kl. 
fehlt und das (wohl echte) του vor ϑέου. Wie bei der Erwähnung der 
Auferstehung der Gedanke an die Ermöglichung unserer Auferstehung 
(vgl. auch Lips.), so liegt bei dem ἐστὸν ἐν δεξιᾷ ϑεοῦ der Gedanke 
an die Geistessendung ebenso fern (gegen God.), wie der seiner alle- 
zeit nahen Hülfe (1.108... Auch ist das Motiv dieser Zusätze nicht 
die Hervorhebung der Liebe Christi, wie Meyer annimmt, weil er 
darin eine Vorbereitung auf V. 35 sieht. 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 25 


886 Röm 8 838---81. 


(zuweisen, vgl. Sap 18. Prv 18:) von dem Urquell aller 
aben, die uns die Heilsvollendung ermöglichen. (V. 32), 
fordert zwingend, dass hier von der Liebe Gottes die Rede 
ist, von deren Gewissheit der ganze triumphirende Abschluss 
ausging”). — Zu ϑλέψες ἢ στενοχωρία vgl. 29. Mit 
letzterem ist, wie IIKor 1210, verbunden ἢ dıwyuds (Prv 
111), wie IIKor 11x auch λεμός ἊΣ 247) und γυμνότης 
(Dtn 284) unter den von dem Apostel selbst erduldeten Leiden 
aufgezählt werden. Auch von seinen κενδύνοες .(Ps 1165) 
redet Paulus IIKor 11%. — μάχαιρα) symbolischer Aus- 
druck für gewaltsame Tödtung (vgl. Ps 14410. Jes 1%). Ohne 
Zweifel muss diese Aufzählung fragend gelesen und das 
Prädikat aus dem vorigen Satze ergänzt werden. — V. 36 
wird mit καϑὼς γέγραπται (lır) genau nach den LXX 


Ps 442 als eine un darauf eingeführt, dass den 
Christen auch gewaltsamer bevorsteht, so dass der Apostel 


wohl (Grund hatte zu en, ob auch gewaltsamer Tod uns 
nicht scheiden wird von der Liebe Gottes. Das ὅτε, in der 
Psalmstelle causal, nimmt Paulus wohl einfach als recitat., wie 
417: Um Deinetwillen werden wir getödtet den ganzen Tag, 
so dass zu jeder Tageszeit bald Einer, bald der Andere von 
uns gemordet wird, wir sind geachtet, wie Schlachtschafe, die 
eben zu nichts Anderem als zum Hinschlachten bestimmt 
sind **. — V.37. ἀλλα) das einfache gegensätzliche at: aber, 


*) Es ist also auch aus exegetischen Gründen mit NB (WH.a.R.) 
του ϑέου zu lesen statt του yosorov. Dass B nach V.39 της ἐν zo. ıno. 
hinzufügt, spricht für die Örsprünglichkeit des ϑεοῦ, das erst diese 
Konformation veranlasste, und das N noch ohne diesen Zusatz hat. 
Die Aenderung in rov χριστου lag nach V. 34, wo von Christus ge- 
redet war, und nach dem διὰ τοῦ ἀγαπήσ. V. 87, viel näher, als die 
Konformation nach V. 39 ohne das dort hinzugefügte τῆς ev χρ. ıno. 
Natürlich wäre auch bei sov Ζθιστου an die Liebe Christi zu uns zu 
denken. Schon das χωρίσεει ἡμᾶς verbietet es, die Liebe zu Christo 
zu verstehen (Orig., Ambros., Erasm., Morus, Kölln., Ew.), oder das 
Bewusstsein von der Liebe Christi zu uns (de W., nach Analogie von 
5. 5, vgl. Calv., Rück., Thol., Beck), oder daran zu denken, dass die 
Trübsale, die uns Anzeichen des göttlichen Zornes zu sein scheinen, 
uns den Zugang zur Liebe Christi versperren (Phil... Mit ϑλέψες be- 
ginnt natürlich kein selbständiger Satz, der erst durch das ein- 
fallende ἀλλά V. 87 abgebrochen würde (gegen Hofm.). 

**) Es ist ganz unnöthig, den Vers zu parenthesiren, da das ἀλλά 
nicht sowohl an die Frage in V. 85, als vielmehr an diese den 
Gläubigen geltende Weissagung anknüpft. Dass Paulus bei dem Citat 
von der Voraussetzung ausgeht, es müsse der neutestamentlichen Ge- 
meinde ergehen wie der alttestamentlichen (Hofm., Luth., Otto), oder 
in den täglichen Ermordungen von Juden zur Zeit des Sängers einen 
Typus auf das Schicksal des Gottesvolks erblickt (Meyer, Lips. nach 


Röm 837. 38. 387 


ob uns gleich jeden Augenblick der Tod droht und mit ihm 
natürlich erst recht alle anderen V. 35 aufgezählten Leiden 
und Gefahren, so gewinnen wir in diesen allen (ἐν τούτοις 
πᾶσιν) einen Sieg, der mehr. ist als Sieg, indem wir nicht 
nur jede Versuchung zum Unglauben, die für uns in diesen 
Leiden liegen könnte, überwinden, sondern indem dieselben 
uns sogar zum Segen gereichen im Sinne von 5dsf. Gut 
Luther: »wir überwinden weit«. Vgl. zu dem wohl von Paulus 
selbst gebildeten steigernden Comp. 5, 20 ἢ). — διὰ τοῦ ἀγα- 
πήσαντος ἡμᾶς) Da der Aor. auf die historische Thatsache 
der Lebensaufopferung Christi (vgl. Gal 2%) hinweist, so kann 
nicht an Gott gedacht sein (gegen Chrys., Est, Grot., Beng. 
u. M., auch Reiche, Kölln., Olsh., v. Heng., Chr. Hoffm.). 
Eben weil Christus selbst, der uns jene grösste Liebesthat er- 
wiesen, auch Alles thun wird, um uns die Kraft zum Ueber- 
winden zu verleihen (vgl. IIKor 129), und so den einzigen 
Fall, in welchem wir durch den Abfall vom Glauben unfähig 
werden könnten, die Gnadengaben Gottes (V. 32) zu em- 
pfangen, zu einem undenkbaren macht, kann uns nichts von 
der Liebe Gottes scheiden (V. 35). 

V. 381. πέπεισμαι yae) vgl. Hbr 69, bestätigt die 
Gewissheit, dass der Gläubige Alles überwindet, durch den 
begeisterter Ausspruch seiner persönlichen Ueberzeugung, dass 
keine Macht, wie sie auch sein oder gedacht werden mag, ihn 
von der Liebe Gottes scheiden kann. Der allgemeine Begriff: 
keine Macht, kein Schicksal wird nun rhetorisch in einer 
Reihe von Gegensätzen amplifizirt, die den abstrakten Begriff 
in concreto veranschaulichen und daher in der Allgemeinheit 
ihres theils an sich, theils durch den Zusammenhang zweifel- 
losen Sinnes zu belassen sind; jede willkürliche Beschränkung 


Theodoret), ist wohl gesucht; er sieht in den Prophetenworten eine 
direkte Weissagung auf die messianische Zeit. Das &vexev σοῦ (Rcpt. 
nach CK: evexa) geht im Psalm auf Jehova, und braucht selbst bei 
der Lesart Δριστοῦ in V.35 nicht anders genommen zu werden (gegen 
Kölln., Hofm.), da ja auch das Getödtetwerden um Christi willen ein 
Martyrium für Gottes Sache ist (Joh 2119). Zu ὅλην τ. ἡμέραν, das 
nicht quotidie heisst (Grot., Glöckl.), vgl. ἔχ 1018. Jes 626. IMak bo. 

*) God. denkt daran, dass wir noch schlimmere Prüfungen über- 
winden würden, wogegen das ἐν τούτοις πᾶσιν spricht, und wodurch 
immer nicht ein ὑπερνικᾶν herauskommt. Auch liegt darin weder die 
Leichtigkeit des Sieges (Chrys., Theoph., Chr. Hofim.), noch das >in 
eruce etiam gloriamur« (Beza), welches vielmehr die Folge dieses 
Sieges ist. In der alten Gräzität ist ὑπέρνεκ. nicht aufbehalten, aber 
obwohl in nachtheiligem Sinne (vix&v μὲν χαλὸν, ὑπερνικἂᾶν δὲ ἐπέφϑο- 
vor), bei Socr. H. E. 3, 21. Leo Tact. 14, 25. Lips. nimmt es bloss 
im Sinne von: obsiegen. 


95* 


888 Röm 888. 39. 


ist der Absicht, alles Mögliche für unfähig zur Trennung der 
Gläubigen von der Liebe Gottes in Christo zu erklären, nur 
zuwider. — οὔτε ϑάνατος οὔτε ζωή weder Tod noch Leben, 
als die beiden allgemeinsten Zustände, in welchen der Mensch 
sein kann. Wir mögen sterben oder leben: wir bleiben in der 
Liebe Gottes. Den Tod zuerst zu nennen, veranlasste sehr 
natürlich V. 36, aber auch das Leben mit Allem, was es uns 
bringen mag (Goeb.), vermag uns nicht von der Liebe Gottes 
zu scheiden ἢ. — οὔτε ἄγγελοι οὔτε ἀρχαί) nimmt man 
wegen des in diesen Gliederpaaren herrschenden Gegensatzes 
am besten von himmlischen Mächten und irdischen Herrscher- 
gewalten (vgl. Lk 12u. Tit 31). So Wttst, Morus, Flatt, 
vgl. auch v. Heng., Goeb., Böhmer, die letztere wenigstens 
bei dem zweiten Ausdruck nicht ausschliessen wollen. Mit 
ἄγγελοι können gute und böse Engel zusammenbefasst sein 
W olf, Beng., Koppe, v. Heng., Goeb., Lips.), da Paulus nach 
Gal 18 wenigstens die Möglichkeit ins Auge fasst, dass auch 
ein Engel vom Himmel unser Heilsleben schädigen könnte, 
so dass kein Grund vorliegt, ausschliesslich an böse Engel zu 
denken (Clem. Alex, Grot., Est, Böhmer)*). — οὔτε 
ἐνεστῶτα οὔτε μέλλοντα) weder Gegenwärtiges noch Zu- 
künftige. Vgl. IKor 32. Mit diesem Gegensatz, welcher 
alles Erdenkliche nach der Kategorie der Zeit eintheilt, ver- 
bindet Paulus das ganz allgemeine οὔτε δυνάμεις zu einem 
dreigliedrigen Ausdruck, wodurch diese Gewalten als solche 
gedacht sind, die in ge oder Zukunft uns zu schädigen 
versuchen könnten (Beck, Luth.) ***. — V. 39. Ebenso wird 
mit dem Gegensatz des Raumes, nach welchem in οὔτε 


— 


5) Einlegend Grot. (nach Chrys. u. Hieron. ad Aglas. 9): »metus 
mortis; spes vitae«, was auch Phil. als »richtige Sinnumschreibung« 
betrachtet. Ganz willkürlich Hofm. (dem Volkm. beipfiichtet): »Tod 
so wenig wie Leben«, als ob letzteres selbstverständlich nichts schaden 
könnte. 

55) Ganz willkürlich ist es, Kerr von den guten, deyas von den 
bösen Engeln zu verstehen (Hofm., Volkm., God.), oder, dem herrschen- 
den Gegensatz in den (rliederpaaren widersprechend, mit Chrys., 
Theophyl., Beza, Thol., Frtzecb., Phil., Meyer bei ἄγγελοι nur an gute 
und bei ἀρχαί an höhere Engelmächte zu denken (vgl. Otto: »kos- 
mische Polizei- und Regierungsbehörden«). In Erinnerung an IKor 
1534 fügt die Rept. nach KL das oure δυγαμεις hier ein, wie C(DE) 
ovre εξουσιαε (om) einschalten. 

*«*), Meyer behauptet auch hier, dass ἐνεστῶτα im NT überall be- 
zeichne, was im Eintreten begriffen ist, obwohl dies dem Gegensatz 
offenbar nicht entspricht. Dass mit Gegenwärtigem und Zukünftigem 
gerade Leiden gemeint sind (Grot., Flatt u.A.), wird ebenso willkür- 
lich angenommen, wie dass bei δυνάμεις an unpersönliche (Hofm.) 


Röm 839. 389 


ὕψωμα οὔτε βάϑος alles Erdenkliche umfasst wird, noch 
als drittes Glied hinzugefügt οὔτε τις χτίσις ἑτέρα, um 
alles andere Geschaffene (vgl. V. 20), das etwa in den vor- 
herigen Momenten noch nicht enthalten, sondern irgendwie 
doch noch anderer Art wäre, mit einzuschliessen und somit 
den Begriff »nichts Kreatürliches in der Welt« völlig zu er- 
schöpfen ἢ. Daraus erhellt dann auch, dass mit ὕψωμα und 
βάϑος die in diesen Sphären vorhandenen χείσεις gemeint 
sind. Die sämmtlichen genannten Stücke aber in ihrer Reihen- 
folge unter bestimmte logische Kategorien zu bringen, führt 
zu Künsteleien, die solchen augenblicklichen begeisterten Er- 
güssen fern liegen. So kann nun der Apostel, zu V. 35 
zurückkehrend, seine Ueberzeugung aussprechen, dass nichts 
im Stande sein wird (δυνήσεται), uns von der Liebe Gottes 
zu trennen, welche jetzt aber mit Bezug auf V. 37, wo die 
Liebesthat Christi erwähnt war, als die in Christo Jesu be- 
ruhende (τῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ) bezeichnet wird, sofern 
wir durch sie erst Gegenstände der göttlichen Liebe ge- 
worden sind (vgl. Hofm.: die in Christo ihre mittlerische Be- 


gründung hat) **). 


oder überirdische (Volkm.) Mächte zu denken sei. Auf Letzteres 
könnte nur die Verbindung mit ἀρχαί führen. Nach God. soll δυν. 
die beiden Begriffe des folgenden Paares in Einem Gedanken zu- 
sammenfassen, Otto wird in der Deutung dieser Aufzählung ganz 
phantastisch. 


*) Auch hier führt jede Näherbestimmung zu Willkürlichkeiten. 
Am häufigsten denkt man an Himmel und Hölle oder Unterwelt 
Theodor., Beng., Wttst., Klee, B.-Crus., Ew., Böhmer, vgl. Hofm., 
olkm., die wieder gu: willkürlich auf das zweite den Hauptaccent 
legen); Himmel und Erde (Frtzsch.; vgl. Theophyl., Morus, Flatt); 
eistliche Höhen und Tiefen (God.); die Höhe des Glücks und die 
iefe des Unglücks (Koppe); spes honorum und metus ignominiae 
(Grot., Rosenm.); sapientia haereticorum und communes vulgi errores 
(Melanth.); neque altitudo, ex qua quis minaretur praecipitium, neque 
rofundum, in an aliquis minaretur demersionem (Thom. Ag. Anselm, 
Est). Lips. will, indem er die falsche Stellung des χαὶ δυναμεις aus 
der Rcpt. aufnimmt, sowohl &reoröra-uellovra als ὕψωμα-βάϑος will- 
kürlich als Näherbestimmung zu den himmlischen Gewalten nehmen, 
mögen sie gegenwärtig oder künftig (nach dem Ende dieses Lebens) 
an uns herantreten, mögen sie in der Höhe oder in der Tiefe sich. 
befinden. Seine Belehrung, dass »Raumdimensionen keine xrioss- 
wären«, trifft obige Erklärung nicht, Bei χτέσις ἑτέρα denken God., 
Böhmer an eine neue Welt, die der jetzigen folgen könnte. 


**) Nach der Lesart Χριστοῦ in V.85 ginge Paulus von der Liebe 
Christi, von der uns nichts scheiden kann, unmittelbar zu der durch 
ihn uns vermittelten Liebe Gottes über, was man nicht durch eine 
künstliche Identifizirung (Meyer: die Liebe Gottes, welche in Christo 


990 Röm 9. 


Kap. IX. 


Dass auch der vierte Haupttheil (Kap. 9—11) zur Aus- 
führung des lısf. angegebenen T'hemas gehört, erhellt daraus, 
dass dort ausdrücklich die Prärogative der Juden in ihrer Be- 
stimmung für’s Heil gewahrt war, und dieser Theil ausführt, 
wie diese Bestimmung vereinbar sei mit der est 
Verwerfung der grossen Mehrzahl des Volkes. Der Ausdruck 
seines tiefen Schmerzes über diese Thatsache (9ı—s) zeigt, 
dass die Lösung des in ihr enthaltenen Problems ihm selbst 
ein tiefgefühltes Bedürfniss ist (vgl. im Grunde selbst Holst. 
a. a. Ο. p. 112). Dieselbe vollzieht sich aber, indem Paulus 
ze wie jene Verwerfung nicht der Verheissung Gottes 
widerspreche (96— 2»), vielmehr durch das eigene Verhalten 
der Juden verschuldet sei (θ5---10 21, und wie Gott Mittel 
und Wege finden werde, trotz derselben seine Verheissung 
zur vollsten Erfüllung zu bringen (Kap. 11)*). 


ihren Sitz und ihre Werkstätte hat, und insofern nichts Anderes ist, 
als die Liebe Christi selbet; noch Künstlicheres bei Otto), ver- 
decken darf. 

*) S. über diesen Abschnitt: Nösselt in 8. Opusc. I, p. 141 ff. 
Beck, Vers. e. pneumatisch hermeneutischen Entwickel. d. neunten 
Kap. u.8.w. Stuttg. 1833. Steudel u. Baur in d. Τὰν. Zeitschr. 1836, 
1. p.i1ff. 3. p. 69. Haustedt in Pelt’s Mitarbeiten 1838. 3.. Hofm., 
Schriftbew. I, p. 240. Krummacher, Dogma von der Gnadenwahl. 
Duisb. 1856. p. 142ff. (weniger für den Zweck genauer wissenschaftl. 
Exegese), Weiss, Prädestinationslehre d. Ap. P. in d. JdTh 1857. 
Ρ 54f. Lamping, Pauli d. praedest. decreta. Leovard. 1858. p. 127. 

eyschlag, d. Paulin. Theodicee Rom. 9—11. 1868. Buhl, der Ge- 
dankengang von Röm 9—11 (StKr 1887, 2). — Nach Weisse wäre der 
ganze Abschnitt Kap. 9—11 eine Interpolation; nach de W., Thol., 
Phil. nur ein Nachtrag oder Anhang (vgl. auch Hofm., nach welchem 
er nur mittelbar zur Ausführung von 116 gehört, weil er ein nach- 
träglich geltend zu machendes Bedenken heben soll); nach der An- 
‚sicht Baur's der Haupttheil des ganzen Briefes, nach der Ansicht 
von B.-Crus., Delitzsch, Th. Schott, Mang., Volkm., Holst., Pfleid., 
Lips. u. A., wenigstens der zweite Haupttheil. Es hängt das damit 
: zusammen, dass man neuerdings meist eine Rechtfertigung der Heiden- 
‚mission des Apostels darin findet (vgl. selbst Luth.) oder eine Ver- 
-theidigung gegen den Vorwurf, dass Paulus durch dieselbe das Juden- 
thum in seinem Unglauben befestige und das gläubige Israel in die 
Reaktion hineintreibe (Holst.), wovon sich im Folgenden doch nirgends 
eine Spur zeigt. Sucht man in diesem Abschnitt antijudaistische 
Polemik oder apologetische Tendenzen (Pfleid. a. a. O. p. 527. Grafe 
8. ἃ. . p. 87f.), so verrückt man immer wieder den oben dargelegten 
(Gesichtepunkt desselben, den auch Sand. anerkennt. Denn dass jene 
Verwerfung der Mehrzahl durch »den thatsächlichen Erfolg des Evan- 


Röm 9ı. 891 


V.1-5. Einleitung. — Der neue Abschnitt tritt ohne 
Verbindung mit dem Vorigen ein; im schärfsten Kontrast mit 
dem vorher gepriesenen, vom Apostel selbst so tief erfahrenen 
eg Ar steht der schmerzliche Er seiner Liebe zu 
seinem Volke, das ja zugleich das Volk Gottes und der Heils- 
offenbarung ist. Es ist ihm aber ein Bedürfniss, diese seine 
Liebe und den daraus fliessenden Schmerz über sein Volk 
mit starkem Nachdruck auszusprechen, weil sein Eifer für die 
Heidenmission, durch den er ja auch diesen Brief motivirt 
hatte (l1s—ı), den Schein erwecken konnte, als kümmere 
ihn die Ausschliessung seines Volkes vom Heile nicht. Vgl. 
God.*). — V.1. ἀλήϑειαν λέγω ἐν Χριστῷ), ἃ. i. in der 


geliums von der Glaubensgerechtigkeit« herbeigeführt sei (Lipe.), ist 
eben durchaus nicht angedeutet; und davon, dass »durch die Gleich- 
berechtigung gläubiger Heiden« der Judenvorzug völlig beseitigt werde 
Hilg. a. a. O. 36, 3. 8. 260), ist garnicht die Rede, sondern davon, 
ass die gegenwärtige Verwerfung Israels damit scheinbar unvereinbar 
sei. Wenn Paulus früher solehe Gedanken selbst in dem Briefe, in 
dem er im schärfsten Kampf gegen das Judenchristenthum steht, 
nicht ausgesprochen hat, so beweist das nur, dass sie mit diesem 
Kampfe garnichts zu thun haben (vgl. die Einl. $ 3, 6). Dass aber 
die in I Thess. und Gal. betonte Feindseligkeit der Juden hier nicht 
besprochen wird, erklärt sich daraus, dass dieselbe eben die aller- 
wärts bekannte Folge ihrer zeitweiligen Verstockung und der Grund 
ihrer Verwerfung ist, von der hier zu handeln war (gegen Hilg.). Zu 
dogmatisirend findet Beck in den drei Theilen, dass die Gerechtigkeit 
des Lebens ein Werk der freien Gnade, eine Frucht des Glaubens 
und in ihrem künftigen historischen Abschluss ein Triumph der 
Weisheit Gottes sei (vgl. Otto, der hier die Lehre von der Er- 
wählung religionsgeschichtlich oder gar dogmengeschichtlich be- 
handelt sieht), zu apologetisch God. die absolute Freiheit Gottes, die 
Rechtmässigkeit ihres Gebrauches und die Nützlichkeit seiner Maass- 
regel als die drei Momente einer Theodicee. 

*) Aus diesen Versicherungen folgt aber durchaus nicht, dass er 
bei seinen Lesern solchen Verdacht zu befürchten hatte, sondern nur, 
dass derselbe ihm schon oft begegnet war, und er daher ohne seine 
indirekte Ablehnung die wahre Stimmung gegen sein Volk nicht aus- 

rechen wollte. Dass er seinen Lesern als ein Apostel des Juden- 
hun; (im Sinne von Act 21s0f.) verdächtig war, welcher für sein 
Volk kein Herz mehr habe (Hilg. a. a. Ο. 8. 262), ist doch nach 112 
ganz unmöglich. Gewiss kann er nicht ‘durch solche Worte seine 
Volksgenossen gewinnen wollen (vgl. noch Otto), da doch ungläubige 
Juden jedenfalls diesen Brief nicht lasen; aber darum konnte er sehr 
wohl die Heidenchristen Roms durch solches Selbstzeugniss anleiten, 
die Verdächtigungen, die Seitens der Synagoge gegen ihn verbreitet 
wurden, wirksam zurückzuweisen. Dass freilich jene Trauer nur neben 
dem freudigen DD DE Kap. 8 an sich unglaublich gefunden 
werden könne (Meyer, Hofm.), liegt doch ganz fern. Vgl. noch zu 
dem Abschnitt Winzer, Progr. Lips. 1832. 


892 Röm 91. 2. 


Lebensgemeinschaft mit Christo (vgl. 11Kor 2:17. 121). Eben 
dass sein Reden in dieser Lebensgemeinschaft erfolgt und 
daher ganz durch sie bestimmt ist, bürgt für die‘ Wahrhaftig- 
keit desselben. Das negative οὐ ψεύδομαι bekräftigt nur 
die positive Aussage (umgekehrt Lys. 4, 12: ψεύδεται x. οὐκ 
ἀληϑῆῇ λέγει), um daran im Gen. abs. die Versicherung anzu- 
knüpfen, dass sein Gewissen mit ihm, d. h. übereinstimmend 
mit seiner ausdrücklichen Aussage Zeugniss ablegt (συμμαρ- 
τυρούσης MOL τῆς συνειδήσεώς μου, vgl. 21. 81). Da 
das Gewissen bei Paulus gewöhnlich die sogen. conscientia 
consequens ist, welche die Qualität unserer Handlungen be- 
urtheilt, kann dasselbe nur bezeugen, dass er mit dem ἀλή- 
ϑειαν λέγω keine Lüge sagt, weil es ihn sonst einer Lüge 
zeihen würde. Daraus folgt, dass der Gen. absol. nicht über 
das »zwischen eingeworfene« οὐ ψεύδομαι hinweg auf ἀλήϑ. 
λέγω geht (Hofm., vgl. Otto), und dass das wo: nicht Dat. 
comm. sein kann, wie mit ihm de W., Luth., Goeb. u. A. an- 
nehmen. Allerdings kann sein Gewissen nicht unmittelbar den 
Lesern Zeugniss ablegen, aber mittelbar, sofern die Berufung 
darauf ihnen zeigt, dass er seine Aussage ausdrücklich an 
seinem Gewissen geprüft hat. — ἐν zyevuarı ἁγίῳ) gehört 
natürlich zum Verb. (vgl. IKor 125). Wenn der Christ ἐν 
zevevuarı (89) ist, so geht jede seiner Lebensthätigkeiten, 
also auch seine Gewissensfunktion ἐν σεν. vor sich, wodurch 
dieselbe gegen jede Selbsttäuschung sicher gestellt ist. »Sp. 
sancto duce et moderatore« (Beza)*). — V. 2. ὅτε bringt 
den Gegenstand der so feierlich betheuerten Aussage, dass 
seine Trauer ist und unablässig der Schmerz seines 
Herzens. Da Paulus nicht an J ndanchraten schreibt, ist es 
nicht sowohl »zarte Schonung« (Meyer), wenn er den Gegen- 
stand seiner Trauer direkt nicht ausspricht; er selbst ist es, 


ἢ Die von den meisten Aelteren und von Koppe, Böhme, Flatt, 
Reiche, Kölln. u. M. (wohl auch Volkm.) angenommene Erklärung 
von ἐν Χριστῷ im Sinne des Schwures ist eine ganz willkürliche Ab- 
weichung sowohl von der Weise des Apostele, welcher nie bei Christo 
schwört, als auch vom griechischen Gebrauche, welcher πρός mit 
Genit. gefordert hätte (Kühner 8 441, I, 1,e. Ellendt, Lex. Soph. II, 
. 647), und nicht einmal aus Mt 534. LXX. Jerd5r. Dan 127. Apk 
06 zu rechtfertigen, weil an diesen St. ὀμνύειν ausdrücklich dabei 
steht. Irrig will God. das οὐ ψεύδομαι bloss auf das ἐν Χριστῷ be- 
ziehen. Das ἐν nv. üy. ist nicht mit τῆς owed. u. zu verbinden 
(Grot., Semi. u. A.), weil dann der Artikel davor nicht fehlen könnte, 
und die Verbindung mit οὐ ψεύδομαι nöthigt entweder auch hier zu 
der ganz falschen Auffassung als Schwur (Cram., Morus, Koppe, Flatt, 
Reiche, Kölln.) oder zu der willkürlichen Ergänzung: ws ὃν πνεύμ. 
ἁγίῳ ὧν (Winzer, Frtzsch.). 


Röm 92. 8. 898 


dem es zu schwer wird, »dieses verhängnissvolle Wort auszu- 
sprechen«, God. Aus der folgenden Begründung der Grösse 
und Beständigkeit seiner Traurigkeit erhellt ja ohnehin klar 
genu , dass es sich um den Ausschluss des grössten Theiles 
er y uden vom Messiasheil handelt. Schön bemerkt God. die 
dreifache Steigerung in dem Parallelismus der beiden Vers- 
hälften von er (Jes 501. Prv 1010... IlKor 710 zu 
ὀδύνη, wie Prv 816 (vgl. Jer 222), von μεγάλη zu adıd- 
λειπετος (vgl. 19), von μοι zu τῇ καρδίᾳ μου. — V. 3. 
öxöum») τοῦ würde wünschen, nämlich wenn der Inhalt des 

unsches zum Besten der Israeliten verwirklicht werden 
könnte. Das Imperf. steht ohne ἄν, nicht bloss in Folge 
einer Nachlässigkeit der Vulgärsprache (Lips.), sondern weil 
das av» die Voraussetzung enthielte, dass es unerfüllbar ist, 
und also den Gedanken weckte: nun aber wünsche ich es 
nicht (Rück.), wodurch ja das Aussprechen des Wunsches 
seine Bedeutung verlöre. Vgl. zu Act 252. Gal4». Buttm,, 
neut. Gr. p. 187. Kühner 8 392b, 4. Anm. 2. — ἀνά ϑεμα) 
oder in Attischer Form ἀνάϑημα (Lobeck ad Phrmn. "ἢ 249, 
445 u. Paralip. p. 391f£), bei den Griechen (auc 215. 
IIMak 2wal.): Weihgeschenk, dann dem Hebr. or ent- 
sprechend, etwas Gott ohne Lösung (Lev 272) Geweihtes; 
und, sofern solches auch dem göttlichen Zorn geweiht und 
zum Untergange bestimmt ward (s. Ew., Alterth. p. 101ff.), 
etwas dem Untergange Anheimgesprochenes, ein Bannopfer 
(Din 72. Jos 712. Gallef. 1 Kor 123. 162). Paulus wäre 
also bereit, sein eigenes Seelenheil zu opfern und mit dem 
Zorne Gottes dem ewigen Verderben zu verfallen, wenn er 
damit seine Brüder retten könnte. Man hat diesen Wunsch, 
obwohl er kein anderer ist, als der von Moses geäusserte (Ex 
8285), ein rasendes Gebet (Michaelis, vgl. Otto) oder geradezu 
unsittlich (Krehl) genannt, und übersieht, dass der Affekt 
selbstloser Liebe und ungemessener Opferwilligkeit nicht mit 
der Frage der Möglichkeit oder Zulässigkeit rechnet (vgl. 
Sand... Das αὐτὸς ἐγώ, attraktionsweise zu εἶναι gehörig 
(Kühner 8 476, 1), ist, genau wie 723: ich selbst, ich für 
meine Person. Den Gegensatz, den Paulus dabei im Auge 
hat, deutet das eben darum von dem ανάϑεμα, wozu es ge- 
hört, getrennte ἀπτὸ τοῦ Χριστοῦ an. In der Lebens- 
gemeinschaft mit Christo, die auch 8: den Gegensatz zu dem 
αὐτὲς ἐγώ bildet, kann Ja von einem solchen Wunsche nicht 
die Rede sein, da in ihr nicht er Christum, sondern Christus 
ihn hat, und nichts ihn von Christo trennen kann. Nur er 
für seine Person könnte dem Verderben geweiht sein, so dass 
er dadurch weg von Christo, auf ewig von ihm geschieden 


894 Röm 93. 4. 


wäre. Zu der prägnanten Konstruktion, die Hofm. vergeblich 
leugnet, vgl. Lev 27». Gal 5. IIKor de. 11s. Buttm., 
neut. Gr. p. 271. — ὑπὲρ τῶν ἀδελφῶν μου) ist auch 
hier nicht: anstatt (Rück., hol, Olsh. u. V.), sondern: zum 
Besten, zu ihrer Rettung. Um seine Brüder (im Sinne der 
Volksgenossenschaft) von den christlichen Brüdern zu unter- 
scheiden, bezeichnet er sie durch zw» συγγενῶν (Lev 20%. 
IReg 161. Τοῦ 65. IMak 10s) als seine Verwandten und 
zwar als seine Blutsverwandten. Der Zusatz κατὰ σάρκα, 
ohne Artikel beigefügt, als geläufige Nebenbestimmung, welche 
mit dem Hauptworte zu einem Begriffe sich verschmilzt (vgl. 
IKor 10s), hebt hervor, wie eben diese engste natürliche Ver- 
bindung schon an sich seinen Wunsch motiviren könnte. 
V.4f. οἵτινες) vgl. 12.2. Quippe qui, die ja, motivirt 
noch weiter den V.3 ausgesprochenen Wunsch, sofern es seine 
leiblichen Brüder als solche charakterisirt, um deretwillen es 
der Mühe werth wäre, ein solches Opfer zu bringen (Grod.), 
weil dadurch der »ärgerliche Widerspruch« ihres Schicksals 
mit ihrer göttlichen Bestimmung gehoben würde (Beck). Dazu 
dient zunächst ihre bedeutsame Bezeichnung nach ihrem alt- 
heiligen Volksnamen Ἰσραηλῖται (Gen 32%. IIKor 11af.). 
Daran schliesst sich dann mit ὧν die Aussage, dass ihnen 


ἢ Das Imperf. bezeichnet also nicht einen Wunsch, den er wegen 
seiner religiös-sittlichen Unmöglichkeit nicht haben kann (Lips.), den 
er gehabt, aber nicht ausführen gekonnt (Luther, Pel. u. A. bei Wolf) 
oder als unerfüllbar aufgegeben (Reiche, v. Heng., Hofm.), weil dafür 
der Aor. oder ein ποτέ unentbehrlich wäre. Nach Otto geht das 
αὐτὸς ἐγώ auf den alten Saulus, den Paulus noch in sich hat, und der 
dauernd wünschte und (wenn auch in der Form der Wehmuth!) noch 
wünscht, von dem Christ getrennt zu sein, 'um Jude zu bleiben, 
weshalb auch der Gegenstand seines Schmerzes sein soll, dass sie ihn 
zum Anathema gemacht haben vor seinem Volke! Andere suchten 
das ἀνάϑεμα zu mildern (vgl. Hieron., Michael., Flatt u. A.: vom ge- 
waltsamen Tode, Chr. Hoffm.: Verzicht auf den Genuss aller Vorzüge 
und Vorrechte seines Apostelamts und selbst Hofm., der nur an die 
Ausgeschlossenheit von Christo denkt). Das αὐτὸς ἐγώ nehmen die 
Meisten im Gegensatz zu ὑπὲρ τ adely. u. (auch Meyer, Luth., Goeb.), 
wodurch es jede Bedeutung verliert, da ja selbstverständlich, was er 
für seine Brüder thun will, er nur in eigener Person thun kann: 
Willkürlich beziehen es Theodoret. u. Theophyl. (vgl. Chrys.) auf 889 
zurück (ich selbst, den doch nichts trennen kann u. 8. w.), was viel 
zu weit abliegt, v. Heng. (nach Krehl) auf das ἐν Χριστῷ V. 1: »ipse 
ego, qui me in Christi communione esse dixit«, Frtzsch. erklärt os 
durch nescio quis alius, Holst.: eben ich, den Ihr für einen Feind 
seiner Volksgenossen betrachtet. Th. Schott denkt an den Gegensatz 
seiner Berufspflicht. Das ἀπό darf natürlich nicht in ὑπό verwandelt 
werden (Morus, Flatt u. A.\. Die nn stellt das avrog eyo vor ara- 
ϑέεμα (CKL), die Bedeutsamkeit der Wortstellung verkennend. 


Röm 94. 895 


eine lange Reihe heilsgeschichtlicher göttlicher Wohlthaten 
gehört. Aufzählung zeigt, wie fern er davon ist, die 
Vorzüge seines Volkes (81) zu verkennen und zu missachten, 
und wie begreiflich sein Schmerz, »mit dem er sein Volk, 
welches alle diese Güter hat, nun desjenigen entbehren sieht, 
in welchem sie ihren Abschluss gefunden haben« (Hofm.). — 
ἡ υἱοϑεσία) die Adoption. Sie sind die von Gott an Kindes- 
statt Angenommenen, was natürlich nicht im christlichen (8 1), 
sondern im alt-theokratischen Sinne von der im (Gegensatz 
gegen alle Heidenvölker geschehenen Annahme zum Gottes- 
volk, dessen Vater Gott ist, verstanden werden muss. Vgl. 
Ex 45. 195. Din 14ı. 326. Hos 1lı. — Das fünfmalige 
καί verleiht der Aufzählung eine gewisse Feierlichkeit. — 
ἢ δόξα) ist die Glorie κατ᾽ ἐξοχήν, d.i. mim 122 (Ex 2416. 
40s4f. IReg 8uf. Ez 12. Hbr 95), die symbolisch sichtbare 
Gegenwart Gottes, wie sie in der Wüste als Wolken- und 
Feuersäule und über der Bundeslade sich zeigte, die Schechina 
der Rabbinen. — αἱ διαϑῆκαι) sind die mit den Patriarchen 
seit Abraham und dann mit dem ganzen Volke von Gott ge- 
schlossenen Bündnisse. Vgl. Sap 182. Sir 44u. IIMak 815. 
— ἡ νομοϑεσία) vgl. IlMak 62, die (Sinaitische) Gesetz- 
gebung. Diese ist »una et semel habita per Mosen«, aber die 
stestamenta frequenter statuta sunt«, Orig. Ein Gesetz hatten 
auch die Heiden (22), aber der feierliche Akt der Promul- 
girung eines solchen war das Werk (vgl. Plat. Legg. 6. p. 751B: 
μεγάλου τῆς νομοϑεσιας ἔργου Ὄντος), durch welches Gott die 
Israeliten vor allen anderen Völkern ausgezeichnet hatte. — 
ἢ λατρεία) vgl. Ex 122f. 135. IMak 21.2. Hbr 9ı, ist 
er allein wahre Kultus, der Jehovahdienst im Tempel, wie 
er eben mit der νομοϑεσία ins Leben trat. Beiden zusammen 
treten dann an die Seite αἱ ἐσεαγγελίέαι (418), hier natürlich 
speziell die messianischen Verheissungen, sofern in der Bund- 
schliessung es sich überall darum handelt, dass Gott einerseits 
sein Volk auf die Erfüllung seiner Gebote verpflichtet, andrer- 
seit8e ihm seine Verheissungen giebt. Die Reihenfolge ist 
nicht zufällig, sofern αἱ &rrayysklaı ans Ende treten, um nun 
nach Erwähnung der Väter, dan zunächst die Verheissungen 
gegeben waren, den Verheissenen selbst folgen zu lassen *). — 


*) Unter ἡ δόξα ist natürlich nicht die Bundeslade selbst zu ver- 
stehen (Beza, Pisc., Grot. nach ISam 428), noch die ganze Herrlich- 
keit des jüdischen Volkes überhaupt (Cal., Est., Morus, Böhme. Kölln., 
Glöckl., Frtzsch., Beck., Chr. Hoffm.), da ja lauter einzelne Vorzüge 
aufgezählt werden. Unter af διαϑῆχαι verstehen Beck, Pisc., Par., 
Grot., Seml. die Gesetzestafeln, August., Hieron., Cal., Wolf nach 





396 Röm 95. 


Ba 
V.5. ὧν οἱ πατέρες) Abraham, Isaak und Jakob, welche 
per excellentiam die Patriarchen heissen. Ex 3ıs. 16. 45. Act 
818. 7. Männer, wie sie, seine Väter zu nennen, ist ein 
hoher Vorzug des Volkes, sein höchster aber, dass aus ihm 
der Messias selbst herstammt. — τὸ xara σάρκα beschränkt 
die Herkunft aus Israel auf die natürlich- menschliche Seite 
2 seines Wesens (God.) und involvirt den Gegensatz einer 
anderen Seite seines Wesens, nach welcher er nicht mensch- 
licher Abkunft ist oder sein kann, womit natürlich die gött- 
liche gemeint ist *). — 6 ὧν ἐπὶ πάντων ϑεὸς εὐλογητὸς 
εἰς τοὺς auren, Da der Zusammenhang eine Aussage 
über das höhere Wesen Christi und seine Würdestellung 
fordert, sofern ja gezeigt werden soll, woher es ein so hoher 
Vorzug ist, das Volk zu sein, .aus welchem Christus stammt, 
bezieht sich diese Doxologie nothwendig auf ihn, so dass nach 
σάρκα nur ein Komma zu setzen ist: welcher Gott über Alles 
ist, gepriesen in Ewigkeit**. Zwar giebt Meyer zu, dass 
Paulus nach seiner Ohristologie das prädikative ϑεός (ohne 


Gal 424 gar das A u. NT (vgl. Chr. Hoffm.: die Bundesurkunden). 
Dass γνομοϑεσία nicht das Gesetz selbst bezeichnet (Rück., de W., 
Frtzsch.), bedarf keines Nachweises. Otto lässt den Apostel nur von 
seinem Jüdischen Standpunkte aus diese Vorzüge als volle Realitäten 
anerkennen. Der Sing. ἡ διαϑηχὴ in BDEFG (Lchm., Treg. a. R.) ist 
natürlich mechanische Konformation, die in DEFG sogar bei ἡ enay- 
yelıa durchgeführt ist. 

Ὁ Das xar« σάρχα geht also auch hier nicht bloss auf sein 
menschliches Erscheinungswesen (Meyer) oder die sich forterbende 
leibliche Natur (Hofm.) und involvirt keineswegs den Gegensatz einer 
anderen (nicht menschlichen) Herkunft (Meyer, God., Böhmer). Auch 
bildet hier nicht das χατὰ πρεῦμα ἁγιωσύνης 14 den verschwiegenen 
(Gegensatz (Meyer, vgl. Lips.), der nach v. Heng. sogar jede weitere 
Antithese ausschliesst, weshalb nach σάρχα nothwendig ein Punkt zu 
setzen sei. Der Gegensatz, den solche präpositionelle Bestimmungen 
mit Accus. d. Artiksls τό und τά (8. auch Buttm., neut. Gr. p. 84. 
Kühner ἃ 410, Anm. 16) involviren, kann entweder ausdrücklich da- 
stehen (wie z. B. Xen. Cyr. δ, 4, 11: νῦν τὸ μὲν En’ ἐμοὶ οἴχομαί, τὸ 
δ᾽ ἐπὶ σοὶ σέσωμαε Plat. Min. p. 8200. Rom 125: τὸ δὲ χαϑ᾽ εἰς), 
oder selbstverständlich aus dem Kontexte sich ergeben, wie 115. 1218, 
und sehr oft bei Klassikern. Hier liegt er indirekt im Folgenden. 

**) So im Wesentlichen schon Iren. Haer. 8, 16, 3, Tertull. (adv. 
Prax. $ 13. p. 2101 ed. Seml.), Orig., ὕπο Epiph., Athanas., Chrys., 
Theodor. Mopsv., Augustin., Hieron., Tbeodoret. und spätere Väter, 
Luther, Erasm. in der Paraphr., Calv, Beza und die meisten älteren 
Ausleger, später aber Michael., Koppe, Thol., Flatt, Klee, Oleh., 
Reithm., Maier, Beck, Phil., Bisp., Hofm., God., Luth., Goeb., Chr. 
Hoffm., Sand., Weiss, bibl. Theol. 8 76, Ὁ, auch Herm. Schultz (JdTh 
1868, p. 462ff.), obwohl er, wie Socin. bei Calov. p. 158, die eigent- 
liche Bedeutung des Ausdrucks zu entleeren sucht. 


Röm 95. 897 


Artikel) von Christo habe aussagen können, aber er meint, 
dass er absichtlich zwischen Gott und Christo genau scheide, 
wie zwischen $sdg und κύριος, wofür er sich ganz mit Unrecht 
auf IKor 86 beruf. Auch hebt er (unter seiner Voraus- 
setzung, dass IITim. IIPetr. und die Apokalypse es nicht 
seien) hervor, dass in den eigentlich apostolischen Schriften 
eine Doxologie auf Christum in der bei Doxologien auf Gott 
üblichen Form sich nicht finde. Vor Allem stösst er sich an 
dem ἐπὶ σπεάντων, dass mit der Gesammtanschauung des NT’s 
von der Abhängigkeit des Sohnes vom Vater unverträglich sei, 
während doch das prädikative 9εός dies Moment von selbst 
in sich schliesse Aus diesen Gründen meinte Meyer, die 
Doxologie auf Gott beziehen zu müssen, so dass nach σάρκα 
ein Punkt zu setzen wäre: »der über Alles seiende Gott sei 
gepriesen in Ewigkeit«*). Den Einwand, dass die ohnehin 
höchst abrupt eintretende Doxologie im Kontext ganz unmotivirt 
ist (wie anders 1261), sucht man dadurch zu entkräften, dass 
den Apostel die Aufführung der Auszeichnungen seiner Nation 
dazu bestimmen konnte. Allein die Doxologie, welche dann 
lediglich die Allmacht Gottes betont (nicht zugleich seine 
väterliche Güte und Gnade, was Lips. einträgt), zeigt schlechter- 
dings keine Beziehung auf diesen ihren Anlass; und weil V.6 
unmittelbar an die indirekt in diesem Eingange ausgesprochene 
Ausschliessung Israels vom Heile eine Rechtfertigung Gottes 
anknüpft, kann nicht eben vorher ein Preis Gottes gegangen 
sein, sondern nur solches, was dazu dient, die Vorzüge Israels, 
mit denen diese Ausschliessung im grellsten Kontrast steht, in 
ein helles Licht zu setzen. Fintscheidend spricht aber gegen 


*) So Erasm. in d. Annot., Wttst., Seml. und neuerlich Reiche, 
Kölln., Winz., Frtzsch., Glöckl., Krehl, Ew., v. Heng., Volkm., Holst., 
Böhmer, Lips., Hilg., unentschieden Rück., de W. 8. auch Baur II, 
p- 231, Zeller in d. theol. Jahrb. 1842. P- 61, Räbiger, Christol. Paul. 
p. 26f., Beyschlag, Christol. p- 210, Rich. Schmidt, Paul. Christologie 
p. 149ff. (Vgl. noch Otto, der aber ὁ — ϑεός von ἐξ ὧν abhängig 
sein lässt, so dass als letzter Vorzug Israels genannt wird, dass der 
allwaltende Gott von ihm zu den Heiden kommt, wofür doch Sam. 
Crell. wenigstens ων o ἐπε etc. a, Bei keinem der Väter 
findet sich diese Erklärung (doch vgl. das dem Diodor. zugeschriebene 
Fragment in Cramer catena p. 162), in den Arianischen Streitigkeiten 
ward u. St. nicht gebraucht. Aber später hat man sie mit Triumph 
gegen die Arianer geltend gemacht (vgl. Oecum.. Theophyl., Proclus 
de fide p. 53. Bei Cyrill. Alex. wird u. St. der Behauptung des 
Julian., dass nur Johannes Christum Gott nenne, entgegengehalten. 
8. die betr. Stellen bei Tisch. 8, welcher auch bemerkt, dass unter 
den Codd. C L 5. 47 nach σάρχα voll interpungiren. Grot. wollte 
nach ganz unerheblichen Zeugnissen ϑεὸς als unächt streichen. 


898 Röm 95. 6. 


diese Fassung, dass der Natur der Sache entsprechend in allen 
Doxologieen (vgl. IIKor 138), auch bei den LxXX, wovon die 
gleichsam sich selbst korrigirende Stelle Ps 68% am wenigsten 
eine Ausnahme bildet, das evAoy. voransteht, weil eben auf 
dem doxologischen Prädikat der Nachdruck ruht*). Ganz 
unnöthiger Weise stiess man sich daran, dass Christus doch 
unmöglich als der allwaltende Gott bezeichnet werden könne, 
was auch keineswegs geschieht. Es wird lediglich von Christo 
ausgesagt, dass er seinem nicht vom Fleisch herkommendem 
Wesen nach Gott im Sinne der absoluten Erhabenheit über 
Alles ist. — ἐπεί bezeichnet das Verhältniss des Regiments 
über Alles. Siehe Lobeck ad Herodian. p. 474 ad Phryn. 
p. 164. 174. Bähr ad Plut. Alc. p. 162. 

In der »Theodicee« des ersten Abschnittes (96—2) 
rechtfertigt also der Apostel Gott wegen der scheinbar seiner 
Verheissungstreue widersprechenden Ausschliessung der Mehr- 
zabl des Volkes Israel vom Heil, indem er aus der Urge- 
schichte Israels nachweist, dass die Verheissung keineswegs 
allen leiblichen Nachkommen Israels gelte (9s—ıs), dass 
Gott nicht ungerecht sei, wenn er bei der Auswahl, die er 
unter diesen treffe, von allem eigenen Thun derselben absehe 
(V. 14—21), und endlich zeigt dass Gott thatsächlich bei der 
Art, wie gegenwärtig seine Verheissung sich erfülle, nur grosse 
Langmuth und Barmherzigkeit bewiesen habe (V. 22—29). 

V.6—13. Die Auswahl unter den Söhnen der 


Ἢ Lips. will diese Schwierigkeit dadurch heben, dass der Nach- 
druck auf ὁ ὧν ἐπὶ πάντων liege, und 9eös Prädikat (in der Ueber- 
setzung fasst er es als Apposition) sei. Warum »die Wortstellung 
und die unpassende Stellung der Lobpreisung« gegen die Beziehung 
auf Christum sei, hat er nicht gesagt, und das Gegentheil liegt auf 
der Hand. Ganz willkürlich ist es, das ἐπὶ πάντων maskulinisch zu 
nehmen (Syr., Beza, Grot., Socin.) mit Bezug auf alle Menschen oder 
Völker (Volkm., Holst., Böhmer, vgl. Frtzsch.), und wohl gar auf die 
Patriarchen (so Aeltere) oder auf die Israeliten und Christus (v. Heng.) 
zu beschränken. Letzterer wollte, wie Reiche, Krehl, Lips. in der 
Uebersetzung, das ὁ ἐπὶ πάντων durch ein Komma vom Folgenden 
trennen, und so von denen, welche die Doxologie auf Christum be- 
ziehen, Hofm., God., Luth., Goeb., Sand. (vgl. Beck, der auch εὐλογη- 
τός von ϑέὲός als drittes Prädikat trennt), Erasm. schlug sogar vor, 
den Punkt (so schon in Cod. 71) nach πάντων zu setzen (worin ihm 
nach Aelteren Grimm, de Johann. Christol. indole Paulinae compar. 

. 75f., B.-Crus., Ernesti, Urspr. d. Sünde I, p. 200 ff., Märcker, 
Fimm r folgten), so dass qui est super omnia (Andere: omnes) auf 
Christum gehe (vgl. Act 1086), und dann die Doxologie auf Gott 
folge. Aber mit Recht hat sich Meyer gegen alle solche Zer- 
stückelungen des ganz korrekten Ausdruckes (vgl. Kühner 8 464, 8, c) 
erklärt. 


Röm 96. 899 


Erzväter. — Hatte Paulus V. 4. 5 die grossen Vorzüge 
seines Volkes aufgeführt, so kehrt nun sein Gedanke zu jener 
Schmerzäusserung V. 2f. zurück, welcher gegenüber (de) er 
jetzt den Gott seines Volkes zu rechtfertigen sucht darüber, 
dass Israel im Grossen und Ganzen nun doch des Heiles nicht 
theilhaftig geworden ist. — V.6. οὐχ οἷον δέ ὅτι) ist 
aus dem in der späteren Gräzität sehr gangbaren Gebrauche 

. 2. u. St.) des οὐχ οἷον mit elzenden Temp. finit. 
(z. B. οὐχ οἷον ὀργίζομαι Ὁ. Phryn. p. 372 u. ἃ. Stellen aus 
Polyb. b. Schweigh. p. 403) zu erklären, welche Konstruktion 
aber Paulus mit dem sinnverwandten οὐχ ὅτι für οὐκ ἐρῶ ὅτι 
(Kühner $ 525,3) vermengt hat (vgl. Buttm., neut. Gr. p. 319), 
so dass zu analysiren ist: οὐ τοῖον δὲ λέγω, οἷον ὅτι, nicht 
derartiges aber sage ich, wie (das ist) dass (vgl. Luth., Goeb,., 
Lips., Sand.) iese Abweichung vom griechischen Ge- 
brauche, in welche Paulus gerathen ist, giebt der Negation 
eine besondere Stärke und besagt, dass die Klage des Apostels 
in V. 2 etwas ganz Anderes sein solle als eine Klage über 
Vereitelung des göttlichen Wortes ἢ). — ἐκ σε ἑκτω κεν) stärker 
als σείσχττειν ([IKor 188. Jos 1314. Reg 1010), vgl. Plut. Tib. 
Gracch. 21. Ael. V.H.4, 7 und das dıerintewv Jos 2le. 
Jdt 69: aus seiner Stellung (als Norm für alles Geschehende) 
herausgefallen, d. 1. ungültig, erfolglos geworden ist das Wort 
Gottes, das Israel zuerst (vgl. 1160) das Heil zugesagt hat. 
Dass dieses mit ὁ λόγος του ϑεοῦ gemeint sei, ergab sich 
aus der Aufzählung seiner Vorzüge (V. 4f.) von selbst, beson- 
ders aus der Erwähnung der Bündnisse, der Verheissungen 
und der Abstammung des Messias aus Israel. — οὐ γὰρ 








*) Nach Beza, Piscat., Grot., Seml., Morus, Böhme, Ew., Chr. 
Hoffm., Hilg. u. A. bezeichnet der Ausdruck: es ist aber nicht 
möglich, dass, was schon sachlich nicht passt, da es sich nicht 
darum handelt, was an sich möglich ist, sondern was in dem vor- 
liegenden Falle stattgefunden hat, und was nach dem allein sicher 
erweislichen Gebrauch (IVMak 47. Xen. Anab. 2, 2,3. 7, 7,22. Mem. 
4,6,7. Thbuc. 7, 42,3. Fopn. Phil. 913. Ο. C. 1420. Ast, Lex. Plat. 
II, p. 425) 0:09 τε mit folgendem Infin. (Krüger 8 55, 3, 1) heissen 
würde. v. Heng. will den Ausdruck auflösen: τοιόνδε λέγων, οἷον 
τοῦτό ἔστιν, οὐ λέγω, ὅτε. Nach Hofm. soll zu οὐχ οἷον wieder ηὐχό- 

ἣν gedacht und ὅτε: weil genommen werden (vgl. schon Erasm., 

eithm. und wieder Volkm., der diese Worte höchst ungeschickt noch 
an die Einleitung Υ͂. 1---ὁ anschliesst), go dass also Paulus verneinen 
würde, zu jenem Wunsche den Grund zu haben, welcher mit ὅτε 
ἐχπέπτωχεν etc. benannt sei. Auch Otto nimmt das ὅτε kausal, wobei 
aber ebenso willkürlich ergänzt werden muss: Nicht aber ist es so 
(ist das so nn Israel, wie meine Klage zeigt, verworfen). 
Bei dem Worte Gottes ist nicht speziell an Gen 128 gedacht (Th. 
Schott), aber auch nicht an das Wort Gottes überhaupt (Hofm.). 


400 Röm 96. 1. 


σπεᾶντες οἱ ἐξ Ἰσραήλ) denn nicht Alle, die von Israel 
stammen, obcoı (vgl. 8 4) sind Ἰσραήλ in dem Sinne, in 
welchem das Volk als der Erbe des Stammvaters der Erbe 
seiner Verheissungen und damit des in Christo gekommenen 
Heiles war. Damit ist einfach gesagt, dass die Israel als Volk 
gegebene Verheissung sich nicht ohne weiteres auf alle Nach- 
kommen des Stammvaters bezieht, dass also jene Verheissung 
nicht hinfällig wird, wenn nicht jedes einzelne Glied des 
Volkes an dem verheissenen Heil Antheil erlangt, was durch- 
aus im Sinne der alttestamentlichen Verheissung gedacht ist. 
Vgl. Weiss, bibl. Theol. 8 91, b*). 

V. Tf. οὐδ᾽ δὃτι) ist nur durch ein Kolon von dem 
Vorigen zu trennen, weil die Rede Verneinung an Verneinung 
knüpfend fortgeht. Daher bleibt πάντες οἱ ἐξ Ισραήλ Subjekt, 
von welchem nun noch aus einem anderen als dem in dieser 
Bezeichnung liegenden, aber damit gegebenen Grunde der 
Sache nach dasselbe nochmals verneint wird. Gewiss nämlich 
sind Alle, die leiblich von Israel stammen, auch σπέρμα 
‘Aße. im Sinne leiblicher Nachkommenschaft, aber nicht sind 
sie darum, weil sie es sind, auch allzumal (rravres) τέχνα, 
ἃ. ἢ. Kinder im Sinne von 4:11. 817, die das volle Kindes- 
recht der Theilnahme an den Gütern des Vaters (insbes. an 
der ihm gegebenen Verheissung) haben. Nicht, dass die leib- 
liche Abkunft von Abraham, welche die Zugehörigkeit zu dem 
auserwählten Volke bedingt, dies Kindesrecht verleihe, leugnet 
Paulus, sondern dass sie dasselbe allen ohne Ausnahme 
verleihe, dass Gott nicht das Recht behielte, einzelne leibliche 
Nachkommen Abrahams von dem Kindesrecht der Theilnahme 
an der Verheissung auszuschliessen ἢ. Den mit ἀλλ᾽ einge- 


*, Um die völlig unverfängliche Thatsache, dass Ἰσραήλ zuerst 
Name des Stammvaters, dann, wie so häufig, Name des Volkes ist, 
der offenbar absichtlich gewählt, weil es dem Apostel auf das an- 
kommt, was das Volk mit diesem Namen von seinem Stammvater 
ererbt hat, zu entfernen, wollen Olsh., Phil., Hofm., Beck οὗ ἐξ Ἰσρ. 
von der Zugehörigkeit zum Volke nehmen; aber dann hätte nicht 
der mit dem Namen des Stammvaters identische Namen des Volkes 
gewählt werden können, ohne gerade den Ausdruck zweideutig zu 
machen, wie denn God. das 2x bei derselben Fassung des ’/oe. davon 
versteht, dass die gegenwärtige Generation als Abkömmling der vor- 
hergehenden gedacht sei. Ganz verfehlt aber war es, das zweite 
Ἶσρ. im Sinne des geistlichen Israel zu nehmen (Phil. und, wie es 
scheint auch Lips., vgl. dagegen Sand.), was in keiner Weise ange- 
deutet und wodurch der Satz zu einem völlig selbstverständlichen 
und daher nichtssagenden wird. 

**) Dass nicht Gottes Kinder gemeint sind, wie nach Theodoret. 
u. M. wieder Glöckl. will, erbellt aus dem parallelen οὗτοι Ἰσραήλ. 


Röm 91. 40] 


führten Gegensatz kleidet aber der Apostel sofort ein’ in den 
Wortlaut des den Lesern bekannten und daher ohne ein χαϑὼς 
γέγρατεται unmittelbar angeschlossenen (Gal 311. 1. IKor 1577) 
Gottesspruches Gen 2112 (genau nach den LXX, die den 
Grundtext wörtlich übertragen... Dass die zweite Person im 
Spruche unverändert beibehalten wird, deutet an, dass.derselbe 
gleichsam in Anführungszeichen gesetzt und als seinen Lesern 
bekannt vorausgesetzt wird. Sein Inhalt ergiebt unmittelbar 
die wirkliche Sachlage im Gegensatz zu der im Vorigen 
negirten: In Isaak soll Dir ein Nachkonmnns genannt werden. 
Von der Person Isaaks im Gegensatz zu Ismael, der ebenso 
leiblich von Abraham abstammte, wird gesagt, dass er und 
kein Anderer der Same Abrahams sei und als solcher gelten 
solle («An I noeraı, vgl. Win. $ 65, 8) in dem vollen Sinne, 
wonach damit das Anrecht auf die Abrahamitische Verheissung 
gegeben ist. Paulus findet in dieser göttlichen Erklärung ein 
erstes Beispiel davon, dass nicht allen leiblich von Abraham 
stammenden Kindern die göttliche Verheissung σὺ ἢ. — 


Hofm., Otto, Böhmer interpungiren ganz unnatürlich vor πάντες, jene 
beiden, indem sie ὅτε kausal nehmen, aber dem von ihnen kausal ge- 
fassten ὅτε in V. 6 parallel, dieser, indem er es als ὅτε recit. nimmt, 
so dass πάντες τέχνα einen selbständigen Satz bildet (Alle sind 
Kinder), und dann ausdrücklich bestritten wird, dass alle leibliche 
Nachkommen Abrahams σπέρμα sind, was doch Paulus 418. 16 selbst 
zugiebt. Ganz unnatürlich nimmt Lips. das πάντες als Subjekt zu 
εἰσίν herauf. 

5) Es ist also kein γέγραπται oder Aehnliches zu ergänzen (gegen 
de W. u. A... Nach Hofm. ist der Sinn des Grundtextes and des 
Apostels, das Geschlecht, dessen Ahnberr Abraham sein soll, werde 
Isaaks Namen tragen. Nach Meyer ist der Urtext zu erklären: durch 
Isaak wird Dir Nachkommenschaft genannt werden, d. i. durch Isaak 
wird’s Dir gescheben, dass Nachkommenschaft von Dir die Geltun 
und den Namen des σπέρμα ‘Aße. haben wird (vgl. Hbr 111s); und 
80 verstehen de W., God., Goeb. und die Meisten auch den Sinn des 
Apostels. Allerdings käme auch so der Gedanke heraus, dass nicht 
alle leiblichen Nachkommen Abrahams, sondern nur die von Isaak 
stammenden, Anrecht auf die Verheissung haben (gegen Meyer, der 
bier durch seine typische Fassung der Stelle irregeführt wird) ‚ aber, 
abgesehen davon, dass der Same Abrahams nicht nach Isaak genannt 
zu werden pflegt, kommt es dem Apostel, wie das zweite Beispiel 
(V.10—13) zeigt, hier auf eine konkrete Exemplifikation seines Satzes 
an den Kindern Abrahams an. Fälschlich nımmt Reiche das χαλεῖν 
im Sinne von: aus dem Nichts rufen (s. z. 4ı7); obwohl doch jener 
Spruch nach der Geburt Isaaks geschah, Holst. im Sinne von V. 11: 
in Isaak wird der Same berufen werden (vgl. Böhmer), so dass der 
Spruch nach Otto sogar besagen soll: in derselben Weise, in welcher 
Isaak berufen ward, soll Dir (durch die Wundermacht des Wortes) 
Same oder Nachkommenschaft berufen werden. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 26 


402 Röm 98. 


Υ. 8. τοῦτ᾽ ἔστιν) führt nicht, wie 112. 718, eine blosse 
Näherbestimmung ein, sondern eine Erläuterung: dies er 
dadurch ist die Idee ausgesprochen. Paulus will aber nicht 
dem Schriftspruch einen tieferen Sinn unterlegen (Phil.), son- 
dern aus der darin ausgesprochenen Thatsache eine allgemeine 
Wahrheit ableiten. — τὰ τέκνα τ. oaexös) kann nicht nur 
Kinder Abrahams bezeichnen, die es fleischlicher Weise (auf 
Grund leiblicher Abkunft) sind (Hofm.), da Paulus dies eben 
mit κατὰ σάρχα (V. 3. 5. 18) ausdrücken würde, und ein 
Genit. wie τ. σαρχός durch sich selbst auffordert, an Kinder 
zu denken, die das Fleisch (im eigentlichen Sinne) erzeugt hat, 
also an leibliche Kinder, wie Ismael. Wie V. 6. 7 das πα»- 
tes, so hebt hier das ταῦτα hervor, dass nicht diese, d.h. die 
leiblichen Kinder als solche sind, was V.7 erst als das τέχνα 
im vollen Sinne der Erbberechtigung, dann als σπέρμα im 
Sinne der Verheissung bezeichnet war. Hier bezeichnet es 
Paulus durch τέχνα τοῦ ϑεοῦ, sofern alle wahren Abra- 
hamiden durch ihre Zugehörigkeit zu dem theokratischen 
Volke, dem die υἱοϑεσία zukommt (V. 4), zu Gott im Ver- 
hältniss von Kindern stehen (Dtn 141), d.h. Gottgeliebte und 
Erben seiner Verheissung sind. Auch va τέχνα τῆς Erray- 
γδλίας bezeichnet wegen des Gegensatzes der τέχνα τ. gapxdc 
nur solche, welche kraft der göttlichen Verheissung erzeugt 
sind (Gal 428), wie Isaak, der nicht durch die natürliche 
(bereits erstorbene) Zeugungskraft seiner Eltern (419), sondern 
auf Grund der schöpferischen Kraft der göttlichen Verheissung 
erzeugt ward (vgl.: ἡ τῆς ἐπαγγελίας ἰσχὺς ἔτεχε τὸ παιδίον, 
Chrys). — λογέζεται) vgl. 43.5 sie werden angerechnet als 
Same (εἰς σπέρμα) in dem vollen Sinne von V.7, in 
welchem damit alle Rechte und Güter wahrer Nachkommen- 
schaft gegeben sind, auch die im Parallelsatz genannte Gottes- 
kindschaft. Diese Rückbeziehung auf V. 7 zeigt, dass sie von 
Gott und nicht von der Schrift (Hofm.) angerechnet werden, 
und dass es sich überhaupt ausschliesslich darum handelt, 
wen unter den leiblichen Abrahamskindern Gott als den 
wahren Abrahamssamen erachtet, als solchen anrechnet ἢ). — 


4) Dass solche als Same angerechnet werden, welche es in Wirk- 
lichkeit nicht sind (Holst.!,, also auch Heiden (vgl. auch Beyschl., 
God.), liegt nicht im Wortlaut und dem Kontext ganz fern. Der 
Allgemeinsatz leidet zuerst und zunächst seine Anwendung auf Ismael 
und Isaak, wobei es freilich sich auch für sie keineswegs bloss um 
die Ahnherrschaft Israels (Hofm.), sondern um die Thbeilnahme an 
dem Abraham verheissenen Heile handelt. Soll er aber darüber 
hinaus Anwendung leiden, was doch durch die Plurale beabsichtigt 
ist, so kann er nicht nur solche bezeichnen, deren Geburt die Ver- 


Röm 99. 10. 408 


V. 9 bestätigt, dass bei dem Allgemeinsatz in V. 8 zunächst 
an Ismael und Isaak gedacht ist, da er durch die Verweisung 
auf ein Schriftwort begründet wird, welches zeigt, dass Isaak 
ein solches Kind der Verheissung war. Das Prädikat des 
Satzes steht mit Nachdruck voran: Denn ein Verheissungs- 
wort (ἐπαγγελίας γάρ, sc. λόγος) ist folgendes Wort (ὁ 
λόγος οὗτος). So führt Paulus einen Gottesspruch ein, der 
freı aus Gen 18:10. 11 nach den LXX zusammengesetzt ist: 
»Um diese Zeit werde ich kommen, und es wird der Sarah 
ein Sohn seine. Die Zeitangabe, im Grundtext auf dieselbe 
Zeit des nächsten Jahres gehend, hat für den Apostel keine 
Bedeutung; aber dass der Sarah ein Sohn verheissen wird in 
Folge des Kommens Gottes, deutet er mit Recht dahin, dass 
dieser nicht auf Grund menschlicher Zeugungskraft erzeugt 
wird (als τέχνον τῆς σαρχός), sondern Kraft dieses göttlichen 
Verheissungswortes als τέχνον τῆς ἐταγγελίας. 

V. 10. Dass aber dieser Grundsatz, wonach die Theil- 
‚nahme am Heil keineswegs den leiblichen Kindern der Erz- 
väter als solchen zugesagt war (V. 6f.), nicht etwa bloss in 
diesem ersten Falle zur Geltung kam, sondern »ein unabänder- 
liches Gesetz des göttlichen Heilswillens ist« (Holst.), zeigt 
Paulus nun an einem zweiten Beispiel. Und wenn bei dem 
ersten noch eingewandt werden konnte, dass ja Isaak allein 
der legitime Sohn Abrahams von der Sarah war, so wählt er 
nun ein solches, wo sich beide Kinder völlig gleich standen, 
und jedes in ihrem Verhalten liegende Motiv, an das bei 
Ismael noch gedacht werden könnte (Gal 4»), von vorn herein 
ausgeschlossen war, also die Freiheit der göttlichen Auswahl 
als eine ganz unbeschränkte sich darstellte; und dieses Beispiel 
betraf gerade den Stammvater der Nation im engeren Sinne, 
Israel (V. 6). — οὐ μόνον δέ) vgl. Be. τι. 828. Die Formel, 
welche von dem eben Gesagten zu einer noch schlagenderen 
Bestätigung des damit Bewiesenen überleitet (vgl. auch 5ıı. 
82), knüpft an die ganze Darlegung in Betreff der Söhne 
Abrahams V. 7—9 an. Da nun der Apostel den Inhalt 
dieser Verse nicht in ein kurzes Wort zusammenfassen konnte, 





wirklichung einer Verheissung war (Hofm., vgl. v. Heng., Beck), oder 
für deren Kindesverhältniss irgendwie die Verheissung bestimmend 
ist (Luth., Otto und wohl auch Lips., Sand.), da sich von solchen ja 
von selbst versteht, dass sie als σπέρμα gelten, sondern, dass nur 
solche leibliche Nachkommen Abrahams am Heile Theil haben können, 
welche durch die Kraft des Verheissungswortes geworden sind, was 
sie sind (Abrahamskinder im Sinne von 413), d.h. für die Gegenwart: 
welche durch das Evangelium berufen und zum Glauben erweckt sind, 
was Beck vergeblich leugnet. 


26” 


402 Röm 98. 


Υ. 8. τοῦτ᾽ ἔστιν) führt nicht, wie 11:9. 718, eine blosse 
Näherbestimmung ein, sondern eine Erläuterung: dies Ὁ 

dadurch ist die Idee ausgesprochen. Paulus will aber nicht 
dem Schriftspruch einen tieferen Sinn unterlegen (Phil.), son- 
dern aus der darin ausgesprochenen Thatsache eine allgemeine 
Wahrheit ableiten. — ra τέκνα τ. σαρκός) kann nicht nur 
Kinder Abrahams bezeichnen, die es fleischlicher Weise (auf 
Grund leiblicher Abkunft) sind (Hofm.), da Paulus dies eben 
mit xara σάρχα (V. 3. 5. 18) ausdrücken würde, und ein 
Genit. wie τ. σαρχός durch sich selbst auffordert, an Kinder 
zu denken, die das Fleisch (im eigentlichen Sinne) erzeugt hat, 
also an leibliche Kinder, wie Ismael. Wie V. 6. 7 das πα»- 
τες, so hebt hier das ταῦτα hervor, dass nicht diese, d.h. die 
leiblichen Kinder als solche sind, was V.7 erst als das τέχνα 
im vollen Sinne der Erbberechtigung, dann als σπέρμα im 
Sinne der Verheissung bezeichnet war. Hier bezeichnet es 
Paulus durch τέχνα τοῦ Heot, sofern alle wahren Abra- 
hamiden durch ihre Zugehörigkeit zu dem theokratischen 
Volke, dem die υἱοϑεσία zukommt (V. 4), zu Gott im Ver- 
hältniss von Kindern stehen (Dtn 14ı), d.h. Gottgeliebte und 
Erben seiner Verheissung sind. Auch za τέχνα τῆς Erray- 
γδλίας bezeichnet wegen des Gegensatzes der τέχνα τ. σαρχίός 
nur solche, welche kraft der göttlichen Verheissung erzeugt 
sind (Gal 42), wie Isaak, der nicht durch die natürliche 
(bereits erstorbene) Zeugungskraft seiner Eltern (419), sondern 
auf Grund der schöpferischen Kraft der göttlichen Verheissung 
erzeugt ward (vgl.: ἡ τῆς ἐπαγγελίας ἰσχὺς Erene τὸ παιδίον, 
Chrys). — hoyıkaraı) vgl. 48. ὃ sie werden angerechnet als 
Same (εἰς σπέρμα) in dem vollen Sinne von V.7, in 
welchem damit alle Rechte und Güter wahrer Nachkommen- 
schaft gegeben sind, auch die im Parallelsatz genannte Gottes- 
kindschaft. Diese Rückbeziehung auf V. 7 zeigt, dass sie von 
Gott und nicht von der Schrift (Hofm.) angerechnet werden, 
und dass es sich überhaupt ausschliesslich darum handelt, 
wen unter den leiblichen Abrahamskindern Gott als den 
wahren Abrahamssamen erachtet, als solchen anrechnet *). — 


4) Dass solche als Same angerechnet werden, welche es in Wirk- 
lichkeit nicht sind (Holst.!, also auch Heiden (vgl. auch Beyschl., 
God.), liegt nicht im Wortlaut und dem Kontext ganz fern. Der 
Allgemeinsatz leidet zueret und zunächst seine Anwendung auf Ismael 
und Isaak, wobei es freilich sich auch für sie keineswegs bloss um 
die Ahnherrschaft Israels (Hofm.), sondern um die Theilnahme an 
dem Abraham verheissenen Heile handelt. Soll er aber darüber 
hinaus Anwendung leiden, was doch durch die Plurale beabsichtigt 
ist, so kann er nicht nur solche bezeichnen, deren Geburt die Ver- 


Röm 99. 10. 408 


V. 9 bestätigt, dass bei dem Allgemeinsatz in V. 8 zunächst 
an Ismael und Isaak gedacht ist, da er durch die Verweisung 
auf ein Schriftwort begründet wird, welches zeigt, dass Isaak 
ein solches Kind der Verheissung war. Das Prädikat des 
Satzes steht mit Nachdruck voran: Denn ein Verheissungs- 
wort (ἐπαγγελίας γάρ, sc. λόγος) ist folgendes Wort (ὃ 
λόγος οὗτος). So führt Paulus einen Gottesspruch ein, der 
freı aus Gen 18:10. 1a» nach den LXX zusammengesetzt ist: 
»Um diese Zeit werde ich kommen, und es wird der Sarah 
ein Sohn seine. Die Zeitangabe, im Grundtext auf dieselbe 
Zeit des nächsten Jahres gehend, hat für den Apostel keine 
Bedeutung; aber dass der Sarah ein Sohn verheissen wird in 
Folge des Kommens Gottes, deutet er mit Recht dahin, dass 
dieser nicht auf Grund menschlicher Zeugungskraft erzeugt 
wird (als vexvov τῆς vagxög), sondern Kraft dieses göttlichen 
Verheissungswortes als τέχνον τῆς £srayyellac. 

V. 10. Dass aber dieser Grundsatz, wonach die Theil- 
nahme am Heil keineswegs den leiblichen Kindern der Eız- 
väter als solchen zugesagt war (V. 6f.), nicht etwa bloss in 
diesem ersten Falle zur Geltung kam, sondern »ein unabänder- 
liches Gesetz des göttlichen Heilswillens ist« (Holst.), zeigt 
Paulus nun an einem zweiten Beispiel. Und wenn bei dem 
ersten noch eingewandt werden konnte, dass ja Isaak allein 
der legitime Sohn Abrahams von der Sarah war, so wählt er 
nun ein solches, wo sich beide Kinder völlig gleich standen, 
und jedes in ihrem Verhalten liegende Motiv, an das bei 
Ismael noch gedacht werden könnte (Gal 4»), von vorn herein 
ausgeschlossen war, also die Freiheit der göttlichen Auswahl 
als eine ganz unbeschränkte sich darstellte; und dieses Beispiel 
betraf gerade den Stammvater der Nation im engeren Sinne, 
Israel (V. 6). — οὐ μόνον δέ) vgl. 88. u. 8. Die Formel, 
welche von dem eben Gesagten zu einer noch schlagenderen 
Bestätigung des damit Bewiesenen überleitet (vgl. auch 5ıı. 
82), knüpft an die ganze Darlegung in Betreff der Söhne 
Abrahams V. 7—9 δὴ. Da nun der Apostel den Inhalt 
dieser Verse nicht in ein kurzes Wort zusammenfassen konnte, 


wirklichung einer Verheissung war (Hofm., vgl. v. Heng., Beck), oder 
für deren Kindesverhältniss irgendwie die Verheissung bestimmend 
ist (Luth., Otto und wohl auch Lips., Sand.), da sich von solchen ja 
von selbst versteht, dass sie als σπέρμα gelten, sondern, dass nur 
solche leibliche Nachkommen Abrahams am Heile Theil haben können, 
welche durch die Kraft des Verheissungswortes geworden sind, was 
sie sind (Abrahamskinder im Sinne von 412), d.h. für die Gegenwart: 
welche durch das Evangelium berufen und zum Glauben erweckt sind, 
was Beck vergeblich leugnet. 


26 * 


404 Röm 910. 


so liess er denselben unvollständig und nöthigt dadurch zur Er- 
änzung der einfachsten Rückweisung: nicht nur aber dies. 
Dazesen muss Paulus bei ἀλλὰ καί Ῥεβέκχα ursprünglich 
einen eigenen Hauptsatz im Sinne gehabt haben, welcher be- 
sagte, dass auch Rebekka einen Θουεδεσταοῃ empfing, der 
über ihre beiden Kinder eine analoge Bestimmung traf, wie 
sie V. 7—9 von den beiden Kindern Abrahams berichtet ist. 
Da er nun diesen Satz durch eine parenthetische Erläuterung 
unterbrach (V. 11), welche in ihrem Schlusse der Sache 
nach nichts Anderes enthielt, als was der Hauptsatz en 
wollte, so ist die Vollendung desselben fallen gelassen. Vgl. 
Rück., de W., Beck, Luth., Ohr. Hoffm. ἢ. — ἐξ ἑνὸς κοίτην 
ἔχουσα) bezeichnet jedenfalls, dass die beiden Kinder der 
Rebekka, um die es sich handelt, ebenso von einem Vater, 
wie von einer Mutter her waren, also was leibliche Geburt 
anlangt, sich völlig gleich standen, so dass über den Vorrang 
des Einen nur die Erstgeburt entscheiden konnte. Dass der- 
selbe durch die Apposition ’Ioaax τοῦ πατρὸς ἡμῶν näher 
bezeichnet wird, hat seinen Grund darin, dass er als einer der 
Erzväter (V. 5) bezeichnet werden soll (vgl. 41); denn da es 
sich auch hier bei den beiden Kindern um die Frage handelt, 
welches derselben zum Erben im vollem Sinne, insbesonders 
auch zum Erben seiner Verheissung bestimmt war, so war es 
pragmatisch bedeutsam, den Vater als einen der Stammväter 
des Volkes der Verheissung zu bezeichnen **). 


*) Die Anakoluthie ist also genau dieselbe und genau so ent- 
standen und entschuldigt, wie die in 812 durch V. 13f., weshalb es 
unbegreiflich bleibt, wie Meyer diese Annahme für gewaltsam er- 
klären konnte, und zwar, weil V. 11f. in sich eine ganz regelmässige 
Struktur habe. Das οὐ μόνον δέ knüpft weder speziell an das zu 
Abraham gesprochene Wort V. 7 (Hofm.), noch an das auf Sarah be- 
zügliche V. 9 (so gew.) an. Man kann daher nicht ein bestimmtes 
Subjekt ergänzen, wie: Abraham (Augustin., Beza, Calv., Reithm., 
v. Heng., Ötto) oder Sarah (so gew.), und dazu ein Prädikat, das 
zugleich Prädikat zu ἀλλὰ xal 'Peß. sein könnte, wie das bestimmte 
λόγον ἐπαγγελίας εἶχεν oder εὔῤν ἐν γφαν ἣν (Vatabl., Frtzsch., Win., 
Krehl, B.-Crus,, Volkm., Otto) oder das allgemeinere λόγον oder ῥῆμα 
ϑεοῦ εἶχεν, gemäss dem nachherigen ἐῤῥέϑη. (Vgl.Meyer, dersich vergeblich 
bemüht nachzuweisen, dass Sarah die Mitempfängerin der Verheissung 
V.9 war). Ebenso unmöglich ist es aber auch, mit Hofm. auf jede 
Vervollständigung zu verzichten. Auch das ἀλλὰ xal Ῥεβ. wollte man, 
um die Anakolutbie zu vermeiden, durch: »erfuhr dies« (God.: ἔπαϑε 
τὸ αὐτό), oder »beweist dies« (so Grot.: »non solum id, quod jam 
diximus, documentum est ejus, quod inferre volumus; Rebecca idem 
nos docet«, vgl. Seb. Schmid, Seml., Ch. Schmid, Cramer, Rosenm. 
u.M., auch Thol., Phil., Goeb., Böhmer) ergänzen, was aber durchaus 


willkürlich ist. 
**) Dass Isaak als der Christen Vater bezeichnet werden soll 





Röm 911. 405 


V. 11f. Ehe nun Paulus zur Vollendung des angefangenen 
Satzes den Gottesspruch bringt, welcher die Bevorzugung des 
Jakob vor Esau ausdrückt, fügt er eine Erläuterung (yae, 
wie 42.9: nämlich) über die Umstände, unter welchen der- 
selbe erfolgte, ein, weil sich aus ihnen erst die volle Bedeutung 
desselben und die aus ihm zu ziehenden Konsequenzen er- 
geben. — μήτε ὦ) Die subjektive an steht, weil es sich 
nicht um die objektive Benennung des Zeitpunktes handelt, 
sondern um die rechte Würdigung des Vorganges mit Rück- 
sicht auf diese seine Zeitstellung: ohne dass sie nämlich (wie 
man doch hätte erwarten sollen) schon geboren gewesen wären. 
Vgl. Win.855,5,8. — Τ)88 γεννη ϑέντων hebtnicht die Nichtig- 
keit der auf Geburt gegründeten Ansprüche hervor (de W.), 
da ja ihre legitime Geburt durch V. 10 bereits sicher gestellt 
nd V. 12 vorausgesetzt ist, sondern stellt nur die Thatsache 
ausser Zweifel, dass sie noch nicht irgend etwas Gutes oder 
Böses getrieben hatten (μηδὲ σπεραξάντων τι ἀγαϑὸν ἢ 
φαῦλον), als der Gottesspruch erging. Das Subjekt (avrwv) 
zu den Partizipien ist nicht ausgedrückt nach bekanntem 
klassischen Gebrauch; dass aber die Gemeinten die Zwillinge 
der Rebekka sind, verstand sich dem Leser aus der ihm be- 
kannten Geschichte von selbst; Win. ὃ 64, ὃ, ἃ. — ἵν α) Der 
mit Nachdruck dem ἐῤῥέϑη vorangestellte Absichtssatz führt 
die Absicht ein, welche Gott dabei hatte, dass er, ungeachtet 
sie noch nicht geboren waren u. s. w., gleichwohl schon die 
Erklärung V. 12 von sich gab. Er spricht die allgemeine 
Regel aus, welche Gott durch sein Verfahren in diesem Falle. 


(Reiche, Frtzsch., vgl. God.), lässt sich in keiner Weise erweisen, da. 
der Sinn, in welchem die Gläubigen 411: als Abrahams (geistliche: 
Kinder betrachtet sind, hier zunächst garnicht passt. Nicht mit 
Unrecht hat Otto darauf aufmerksam gemacht, dass die gangbare 
Deutung des χοίτην ἔχουσα nicht sicher erweislich ist. Zur die 
Deutung: »schwanger sein«, die er wenigstens für »viel dezenter« hält 
(Hofm., Luth., Goeb., Zimmer, Sand. u. A.), ist aus der Wortbedeutung 
uud dem Sprachgebrauch schlechterdings nicht abzuleiten, aber auch 
die gewöhnliche Deutung vom concubitus (vgl. auch Lips.), für die sich 
Meyer auf Eur. Med. 151. Hipp. 154 beruft, ist sehr fraglich. 
Wenigstens die Stellen, die man aus den LXX anführt (Num 8111. 
18. 35. Lev 1916. 18. 1828), auch Sap 8:18. 16. fordern dieselbe keines- 
wegs. Sie ist auch hier durchaus nicht notbwendig. Gerade die 
Stelle Num 5:20. nach der de W. gar effusio seminis übersetzen will, 
zeigt unzweifelhaft, dass es einfach heisst: von Einem her ein Bette 
habend, d. h. nur Eines Mannes Bette theilend, woraus dann natür- 
lich folgt, dass sie nur von Einem beschlafen und schwanger werden 
konnte, ohne dass dies im Wort liegt. Dass sie den (ottesspruch 
empfing von wegen Eines (Otto), kann freilich ἐξ äros nicht heissen. 





406 Röm 911. 


zur Geltung bringen wollte, so dass diese Erläuterung dem 
Apostel zu demselben Zwecke dient, wie der Allgemeinsatz 
V.8 beim ersten Beispiel*). — 7 κατ᾽ ἐκλογὴν πρόϑεσις) 
Der Ausdruck charakterisirt den von Gott gefassten Vorsatz, 
durch die Berufung zum Heile zu führen (82ff.), als einen 
auswahlmässigen, sofern er so gefasst wurde, dass in ihm eine 
Auswahl getroffen ward (vgl. God., Lips). Sein Beschluss 
betraf also nicht Alle, sondern nur die, welche er sich zu 
Gegenständen seines vorsatzmässigen Thuns auserwählte, wie 
in diesem Fall den Einen von den beiden Brüdern, so über- 
haupt unter den leiblichen Abrahamskindern nur die von ihm 
als für jenes Thun geeignet Vorhererkannten (οὺς προέγνω: 
82). Vgl. Beng., Flatt, Thol., Frtsch., Phil, Lamp., Goeb., 
Böhmer **). — u&vn) Gegentheil von ἐχπέσεεωκεν V.6. Vgl. 
Xen. Anab. 2, 3, 34. Eurip. Τρ. T. 959. Herod. 4, 201. 





*) Künstlicher nimmt Meyer an, dass das negative Verhältniss 
als von Gott bei der Abgabe seines Spruches vorgestellt und erwogen 
ausgedrückt werden soll, mit Berufung auf Bäuml., Partik. p. 295 
(vgl. Xen. Cyr. 3,1, 37): Wenngleich sie nämlich noch nicht geboren 
wären u. 8. w. — Lies nach NAB Orig. φαυλον (Prv 228. Job 988. 
JSir 2015) statt des gangbareren x«@xo» der Rept., die auch lediglich 
nach Min. του ϑέου vor προϑέσις stellt. Der Absichtesatz ist nicht 
zu parenthesiren und das ἕνα nicht ekbatisch zu nehmen; auch bezieht 
sich derselbe keineswegs bloss auf den vorliegenden konkreten Fall 
(Olsh., v. Heng., Chr. Hoffm., Böhmer, Otto u. Aeltere). 

**\ Der Ausdruck bezeichnet weder, dass die ἐχλογή und πρόϑεσις 
zeitlich vorangeht (vgl. 828), etwa als der innergeschichtliche, reichsge- 
schichtliche Plan, wie ihn Gott in der Erwählung Abrahams fasst und 
bis in die apostolische Gegenwart ausführt (Beyschl. p. 38), was der 
Natur des Verhältnisses zuwiderläuft, noch, dass die ἐχλογή der πρόϑεσις 
nachfolgt, sie mag nun als deren Vollziehungsakt (Reiche, Luth., vgl. 
Beck: »der der zeitlichen Durchbildung der ἐχλογή zur Norm dienende 
und ihre zeitliche Entwickelung nach allen ihren Theilen durch- 
dringende Grundentwurf«), oder als deren Zweck (Krehl! betrachtet 
werden, was wohl sprachlich möglich wäre (Kühner ὃ 433, b, 3, a), 
aber keine spezifische Besonderheit des Aktes der πρόϑεσις ergäbe. 
Ganz sprachwidrig Otto: Die vorbehaltlich der Wahl getroffene Vor- 
herbestimmung; ganz kontextwidrig Grot., Rück.: der in Betreff einer 
Auswahl gefasste Beschluss. In sprachlicher Beziehung tritt χατ᾽ 
&xloynv (häufig Ὁ. Polyb.) mit den bekannten Ausdrlicken χατὰ xp«ros, 
χαϑ' ὑπερβολήν u. 8. w. (Bornem. ad Cyrop. 1, 4, 23. Bernhardy p.249) 
in eine Kategorie. Aber unrichtig ist es, mit Carpz., Cramer, Böhme 
u. A. die Bedeutung von 2x4 zu ändern. und ἡ x«r' ἐχλ. πρόϑ. propo- 
situm Dei liberum zu erklären, worauf doch auch Hofm. herauskommt, 
wenn er in dem Erküren (das er nach seiner, jeden Gegensatz aus- 
schliessenden Auffassung der ἐχλογή absichtsvoll dem viel konkreteren 
Begriff der Auswahl unterschiebt) nur einen freien Willensakt sieht, 
der seine Voraussetzung nur in dem Erkürenden, nicht in dem Er- 
korenen hat. 


Röm 911. 12. 407 


Es sollte die allerdings schon bei den Kindern Abrahams be- 
wiesene (vgl. Holst.) Art seiner Heilsbestimmung eine dauernde 
(für alle Zeit geltende) bleiben (Bem. das Präs.) und daher 
auch in diesem Falle nicht durch das Thun der Brüder be- 
einflusst werden, wie geschehen wäre und (nach göttlicher 
Gerechtigkeit) hätte geschehen müssen, wenn die Bestimmung 
zu einer Zeit getroffen wäre, wo sie schon durch ihre Werke 
ein Verdienst erworben oder Strafe sich zugezogen hätten. 
Vgl. Thol, God. Das οὐκ ἐξ ἔργων gehört zu μένῃ, das 
durchaus noch eine Modalbestimmung fordert. Da δἶναι ἐκ: 
abhängig sein heisst (vgl. Rück.), so heisst μένεν ἔχ : abhängig 
bleiben wovon. Die objektive Negation braucht nicht daraus 
erklärt zu werden, dass das Hauptgewicht auf den mit 
«Al folgenden Gegensatz fällt (Meyer), was hier in der That 
nicht der Fall ist (Hofm.), sondern sie erklärt sich ausreichend 
daraus, dass die Negation sich nicht auf den ganzen Satz be- 
zieht, sondern auf das einzelne Wort, was namentlich bei 
Gegensätzen so häufig ist (Kühner ὃ 513, 4. Es wird eben 
nicht gesagt, dass die σερόϑεσις dieses oder jenes nicht sein 
sollte, sondern dass sie dauernd abhängig sein sollte nicht von 
Werken, sondern von dem Berufenden (ἐκ τοῦ καλοῦντο ς), 
was Buttm., neut. Gr. p. 302f. in solchen Fällen durch ein 
hinzugedachtes λέγω erläutert, das den negirten Satztheil Ban 
sam aus dem ganzen Satzgefüge heraushebt*. — V. 12. 
ἐῤῥέθϑη αὐτῇ) nämlich Gen 252, welche Stelle, genau nach 


*, Dies verkennt nach Thol. auch Meyer (vgl. Lips.), wenn er 
diese »kausale Angabe« nachträglich (als ob χαὶ τοῦτο stände) zu dem 
an sich selbständigen μένη, durch ein Komma getrennt, herzutreten 
lässt. wobei er mit de W., Phil., Sand. das μένῃ, logice nimmt (er 
wollte diese Unabänderlichkeit für die menschliche Erkenutniss fest- 
gestellt haben). Es kann auch weder zu ἐῤῥέϑη gezogen werden 
(Luther, Calv., Hofm., Jatho, Zimmer), das ja in dem Gen. abs. seine 
nähere Bestimmung hat, noch der Wortstellung zuwider als nach- 
trägliche Bestimmung zu xar’ ἐχλογήν (Frtzsch., Lamp., God., Beck, 
Otto), noch zu πρόϑεσις mit Ergänzung eines οὖσα (Reiche, Goeb. 
u. d. Meisten). Nach Augustin., Calv., de W. u. A. ist hier der Ge- 
danke einer unbedingten Gnadenwahl unumwunden ausgesprochen 
(vgl. Holst., Lips.), und allerdings darf man denselben nicht dadurch 
umgehen, dass man dieselbe von dem verhergesehenen zukünftigen 
Verhalten abhängig macht, da ja die Bestimmung über das Schicksal 
der Brüder eben ver ihrer Geburt getroffen ist, um sie nicht von 
ihrem Verhalten beeinflusst werden zu lassen (8. 0... Auch ist nicht 
etwa aus dem negativen οὐχ ἐξ ἔργων ein positives &x πέστεως als 
Norm dieser Bestimmung zu entnehmen (vgl. noch God.), da ja der 
Glaube eben von dem Berufenden im Akt der Berufung selbst gewirkt 
wird (828.30). Vielmehr liegt darin nur, dass es von dem Berufenden 
allein abhängt, seine πρόϑεσις an eine Bedingung zu knüpfen, welche 


408 Röm 9ıs. 


den LXX, mit den özı recit. angeführt wird. Da die Stelle 
im Urtexte unbestritten auf die beiden vom älteren und vom 
Jüngeren Zwillingssohne (die jetzt noch Rebekka unter ihrem 

erzen tzug) repräsentirten Völker geht, deren Ahnherren sie 
werden sollten, und von denen das Eine dem Anderen unter- 
worfen sein sollte, Paulus aber, wie der ganze Zusammenhang 
beweist, an Esau und Jakob selbst und nicht an ihre Nach- 
kommen denkt, so ist hier recht augentällig, wie er sich in 
seiner Auffassung des AT’s rein an den Wortlaut hält und 
von jeder Reflexion auf die geschichtlichen Beziehungen und 
die dadurch geforderte Auffassung abstrahirt*. Ohne Frage 
versteht er auch ὁ μείζων (vgl. Mt 1lu. IKor 14s) von 
dem (der natürlichen Ordnung nach) an Stellung und Be- 
deutung ern (seiner Erstgeburt wegen), der nun nach 
göttlicher immung dem Geringeren dienen muss, d. ἢ. der 
nicht, wie es dem borenen geziemt, die Herrschaft im 
Hause überkommt, sondern dem Zweitgeborenen als dem 
Oberhaupt des Hauses dienen muss. Damit wird aber er und 
er allein der Stammvater des Volkes Israel (V.4) und der Erbe 


er will, und dass er dabei weder an Geburt, noch an Werkverdienst 
ebunden ist. Denn wenn hier, um den Grundsatz festzustellen, die 
estimmung vor der Geburt erfolgt, so ist dies eben bei der 
πρόϑεσις 838, die auf dem Vorhererkennen beruht (839), durchaus 
nicht der Fall. 

8) Die vom Originalsinn abweichende Deutung der Stelle wird 
vergeblich von Hofm. als etwas für die Sache ganz Gleichgültiges 
dargestellt, und, wie auch sonst die Ausleger gern thun, durch eine, 
die Söhne und ihre Nachkommenschaft unklar vermischende Dar- 
stellung verdunkelt, während dieselbe Meyer mit Berufung auf die 
hermeneutische Freiheit dadurch rechtfertigt, dass auch die Genesiß 1.1. 
die beiden Brüder als Vertreter der Völker auffasst, und dass in dem 
Geschick der Brüder das spätere Verhältniss der Völker bereits seinen 
Anfang nahm (Gen 2729. 37. 0). Erfüllt ward jene Vorherverkündigung 
zuerst unter David, welcher die Edomiter besiegte (IISam 814), dann, 
nachdem sie sich unter Joram frei gemacht hatten (II Reg 821), unter 
Amazia (IlReg 147. IIChr 2811) und Usia (IIReg 1422. IIChr 268), 
welche sie wieder dienstbar machten, und zuletzt, nachdem sie unter 
Ahas sich abermals losgerissen (IIChr 2817: nach IIReg 166 hatten 
sie bloss den Hafen Elath den Juden entrissen), unter Johannes 
Hyrcanus, welcher sie gänzlich besiegte, zur Beschneidung zwang und 
dem jüdischen Staate einverleibte (Joseph. Ant. 18, 9, 1. Dass 
Paulus dagegen unter μεέζων und ἐλάσσων den Erst- und Zweitge- 
borenen (B.-Crus., de W., v. Heng., God., Holst., Sand. u. A.), den 
körperlich Grösseren oder Stärkeren (Meyer, Hofm.) verstanden habe, 
und unter dovievoe: bloss den Verlust der theokratischen Herrschaft 
(Meyer), lässt sich nicht erweisen. Zu der in der späteren Gräzität 

ewöhnlicheren Form ἐρρεϑὴ st. der Rept. ἐρρηϑὴη vgl. Mt ὅτι u. Kühner 
813 sub voce ἐρῶ. 


Röm 9:12. 18. 40% 


der göttlichen Verheissung, die durch ihn auf seine Nachkommen 
übergeht. Da aber Paulus daraus eine allgemeine Regel über 
die göttliche Erwählung zum Heil ableitet, (V. 11) so sieht 
er damit ohne Frage zugleich für den Einen die Bestimmung 
zum Heilsbesitz, für den Anderen die Ausschliessung von dem-- 
selben gegeben, was man aus dogmatischen Rücksichten ver- 
geblich zu verdecken sucht (vgl. z. B. Goeb.). 

V. 18. καϑάπερ γέγραπται) vgl. 45, erläutert diesen 
Gottesspruch durch seine Uebereinstimmung mit dem, was 
Mal 12. 8 (frei nach den LXX) von der δες Gottes. 
gegen Jakob und Esau gesagt ist, sofern nur daraus sich er-. 
kläre, warum er dem Erstgeburtsrecht zuwider den Geringeren 
vor dem Grösseren bevorzugt habe*). Die Aoriste sind im 
Sinne des Apostels kon mäss darauf zu beziehen, dass er 
schon vor der Geburt Jakob lieb gewonnen und Esau gehasst. 
habe. Paulus findet in der Prophetenstelle die Thatsache 
ausgesprochen, dass es lediglich die Verschiedenheit der Ge- 
sinnung Gottes gegen die beiden Brüder war, welche ihn un-. 
abhängig von ihrem Verhalten schon vor ihrer Geburt das. 
Schicksal derselben bestimmen liess, nicht um damit zu be- 
weisen, dass er auch jetzt noch nach solcher Neigung und 
Abneigung sich die auswählt, welche er zum Heile führen 
will, sondern um die Ordnung, wonach Gott dies ohne Rück- 
sicht auf Geburtsrecht oder Werkverdienst thut (V. 11), als eine- 
in der Geschichte Jakobs und Esaus vorgebildete und durch 
die Schrift aufs Schärfste und Klarste sicher gestellte zu er- 
weisen. Eine direkte Anwendung soll davon umsoweniger 
gemacht werden, als nach V. 12 aus besonderen Gründen die- 
Bestimmung über Jakob und Esau vor ihrer Geburt getroffen 
wurde, nur bei ihnen also die Neigung und Abneigung als 
eine durch ihr Verhalten in keiner Weise motivirte erscheint,. 
was beides der Natur der Sache nach sonst in der Regel 
keineswegs der Fall ist **). 


Ὁ Nach God., Sand. (der die Aoriste von dem geschichtlichen. 
Erweise nimmt).soll nur gesagt sein, dass das von Maleachi als ein: 
Beweis der Liebe und des Hasses Gottes gefasste Schicksal Israels 
und Edoms die Wahrheit des V. 11 angegebenen Verhältnisses be- 
stätige, wie auch Hofm. u. A. mit dem Stammvater seine Nach- 
kommenschaft zusammengefasst sein lassen, während doch Paulus 
nach dem Zusammenhang (bier übrigens in Uebereinstimmung mit. 
der Prophetenstelle) nur an die beiden Brüder denken kann. WH. txt.. 
liest mit Recht nach B Orig. xasanee, da das χαϑὼς yeyo. der Rept. 
nur die Substituirung der gewöhnlichen Citationsformel ist, während 
es sich doch hier um einen eigentlichen Schriftbeweis garnicht. 
handeln kann. 

**, Ganz willkürlich sind natürlich alle Versuche, den Gegensatz. 








«410 Röm 914. 


V. 14—21. Die Freiheit Gottes in der Erwählung 
zum Heil. — War im Vorigen gezeigt, dass Gott der dem 
Volke gegebenen Verheissung nicht untreu werde, wenn ein 
‚grosser Theil desselben vom Heile ausgeschlossen bleibe, da 
an den beiden grundlegenden Beispielen aus der Urgescliichte 
zu sehen sei, wie er von vorn herein seine Verheissung nicht 
allen leiblichen Nachkommen der Erzväter bestimmt habe, 
sondern denen, die er sich aus ihnen (und zwar ohne Rück- 
sicht auf ihr Verhalten) auswähle, so entsteht nun doch die 
Frage, ob nicht darin eben eine Ungerechtigkeit liege; und 
diesem Einwurf gegenüber rechtfertigt Paulus die unbedingte 
Freiheit Gottes in jener Auswahl. — V.14. τί οὖν ἐροῦμεν) 
Wie 35. 77, zieht Paulus selbst eine scheinbar aus dem Vorigen 
sich ergebende gottwidrige Folgerung, um dieselbe, wie dort, 
mit seinem un γένοιτο energisch abzuweisen*. — μὴ 
ἀδιχία παρὰ τ. Jew;) Die schon in der Form ihre Ver- 


von dyan. und w:o irgendwie in den von: lieben und nicht lieben 
oder weniger lieben (Grot., Est., Koppe, Thol., Flatt, Beck, Maier, 
Beyschl.‘, oder sonstwie abzuschwächen (vgl. Chr. Hoffm.: bevorzugen 
und hintansetzen), selbst wenn man es von der Verwerfung im Gegen- 
satz zur Annahme (Phil.), oder von dem Verbleiben unter dem 
‚allgemeinen Missfallen Gottes an dem sündigen Menschengeschlecht 
deutet (Beck). Völlig aufgehoben wird aber der Gedankenfortschritt, 
wenn man denselben nur mit Bezug auf den heilsgeschichtlichen 
Beruf der beiden Söhne und ihrer Nachkommenschaften verstanden 
wissen will (Hofm., Luth., Otto, Goeb., tbeilweise doch auch Meyer), 
da ja die Bestimmung darüber eben aus der Gesinnung Gottes gegen 
die beiden Brüder erklärt werden soll. Ebenso ist jene Liebe zu 
Jakob völlig unabhängig von vorhergesehenen Tugenden oder seinem 
vorhererkannten Glauben (God.) zu denken ΟΥ̓. 11), und dieser Hass 
gegen Esau völlig unabhängig von vorhergesehenen Sünden (gegen die 
Griechischen Väter und Hieron. z. Mal. 1), da beides ja dazu dient 
zu erklären, wie völlig unabhängig von ihrem Verhalten (Gott seine 
Bestimmung tiber ihr Schicksal getroffen habe. 

*, Hilg. freilich behauptet, dass Paulus zu einem blossen 
rhetorischen Dialektiker geniacht werde, wenn man nicht zugebe, 
dass er gegen die judenchristliche Einwendung seiner Leser, die in 
der Lehre von einer nicht durch das Verhalten der Menschen be- 
dingten Gnadenwahl einen Verstoss gegen die Gerechtigkeit (ottes 
fanden (a. a. Ὁ. 8. 205f., vgl. auch Lips.), sich vertheidigt. Allein 
Paulus trägt ja gar keine Lehre vor, sondern erörtert biblische That- 
sachen, die kein Jude oder Judenchrist in Abrede stellen konnte. 
Gewiss hat doch keiner von ihnen je in der Bevorzugung des Isaak 
vor Ismael oder Jakob vor Esau Ungerechtigkeit gesehen. Nur weil 
er daraus folgern will, dass auch jetzt Gott sich vorbehalten habe, 
aus den leiblichen Angehörigen des Volkes Israel sich die aus freier 
Gnade auszuwählen, in denen er den Glauben wirken und die er zum 
Heile führen will, wirft er die Frage auf, ob das auch nicht unge- 
recht sei? Oder sollen die Judenchristen in Rom es für ungerecht 


Röm 914—.1e. 411 


neinung involvirende Frage (vgl. 35) soll das Unmögliche des 
Gedankens sofort fühlbar machen. Das 7σεαρά (vgl. 211) lässt 
noch schärfer hervortreten, dass Ungerechtigkeit etwas ihm 
völlig Fremdes, seinem Wesen Widersprechendes ist, als wenn 
es, wie 36, hiesse: μὴ ἄδιχος ὃ ϑεός. Gemeint ist, wie 2.11, 
die Parteilichkeit Gottes, welche sich darin zu zeigen scheint, 
dass er mit Nichtberücksichtigung des menschlichen Verhaltens 
den Einen dem Anderen vorziehtt. — V. 15 τῷ Mwvoei 
{0 λέγει) begründet die entrüstete Abweisung dieses fast 

lasphemisch klingenden Einwandes durch eine Belbeanage 
Gottes über sich und sein Verhalten in der Schrift unter der 
selbstverständlichen Voraussetzung, dass Gott nichts seiner 
Unwürdiges, insbesondere nichts seiner in der Schrift so oft 
bezeugten Gerechtigkeit Widersprechendes von sich aussagen 
kann. Dass Moses als der Empfänger dieses (fottesspruches 
(durch Voranstellung des Dat.) stark betont wird, wird seinen 
Grund darin haben, dass der Mittler der Gesetzesoffenbarung 

erade als der erscheinen konnte, dem Gott offenbart habe, 

ass das Verhalten Gottes gegen Menschen nach seiner Ge- 
rechtigkeit ganz von dem Verhalten des Menschen abhänge 
(vgl. Holst, Böhmer). Der Spruch lautet wörtlich nach den 
LXX: »ich werde mich erbarmen, wessen irgend ich mich 
erbarme, und mich jammern lassen, wessen irgend ich mich 
jammern lasse«. Er betont also, dass Gott in der Wahl des 
Gegenstandes seines Erbarmens von Niemanden und von nichts 
ausser ihm selber abhängig ist, dass das faktische, sich that- 
sächlich vollziehende Erbarmen, welches Gott diesem oder 
jenem zu erweisen verheisst (Bem. das Fut.), nur solchen zu 
Theil wird, welchen er nun einmal sein Erbarmen zuwendet 
(Bem. das Praes.)*). — V. 16. ἄρα ov») vgl. 818, folgert 





gehalten haben. dass Gott sie erwählte, oder dass er ihre ungläubig 
gebliebenen Volksgenossen verwarf? Gerade die kritische Auffassung 
des Briefes macht den Paulus zum Dogmatiker, der über Lehrsätze 
streitet, wo er ihn tief bewegende Wege Gottes zu verstehen sucht. 
*) Da der Spruch die Form eines allgemeinen Satzes hat, wird 
Paulus schwerlich darauf reflektirt haben, dass sich Ex 3319 im Zu- 
sammenhange auf die dem Moses selbst zugewandte Huld Gottes be-: 
zieht (gegen Hofm., Goeb.), oder dass Moses vor allen Anderen diese 
Gnade verdient hat (Sand). Ganz willkürlich ist die Annahme, dass 
der Apostel nicht seine Abweisung der aufgeworfenen Frage, sondern 
diese selbst im Sinne des Gegners begründe (Orig., Hieron. ad Hedib 
qu. 10. Chrys., vgl. noch Flatt u. selbst Mang. p. 359), zumal Paulus 
ar keinen Gegner im Auge hat, sondern in seiner dialektischen 
eise die Frage nur aufwirft, um mittelst ihrer Verneinung die wirk- 
liche Sachlage zu entwickeln. Die Pointe liegt natürlich auf dem 
wiederholten ὃν ἄν (wenn irgend welchem ich gnädig bin, vgl. Hartung, 


412 Röm 916. 


aus der positiven Aussage dieses Gotteswortes lediglich, was. 
sich aus ihr nach der negativen Seite ergiebt, weil es nach 
dem Gange der Erörterung hauptsächlich darauf ankommt, 
dass das Erhafnen Gottes nicht von irgend einem menschlichen 
Verhalten abhängig ist. Das zu ergänzende Subjekt kann also 
nur das ἐλεεῖν und οἰχτείρειν Gottes selbst sein (vgl. Hofm., 
Luth.). Der von der zu ergänzenden Copula abhängige Genit. 
(οὐ τοῦ ϑέλοντος) bezeichnet einfach, dass dieses Erbarmen 
(&ottes nicht von dem Wollenden abhängig ist, dass es nicht. 
in seiner Macht steht, dasselbe herbeizuführen (vgl. Kühn. 
8 418, 1, b). Es wird aber nicht nur betont, dass es nicht. 
von dem Wünschen des Menschen abhängig ist, sondern auch, 
dass kein noch so angestrengtes Bemühen, wie es nach einem 
ursprünglich von den Wettläufen (IKor 9%) entlehnten Bilde 
durch οὐ δὲ τοῦ τρέχοντος bezeichnet ist, dasselbe verdienen 
kann. — ἀλλὰ τοῦ ἐλεοῦντος ϑεοῦ) kehrt zu der positiven 
Aussage des V. 15 zurück, so dass Gott nicht etwa als der 
Barmherzige bezeichnet ist, sondern darauf zurückgewiesen wird, 
dass sein ἐλεεῖν von nichts Anderem, als eben von seinem ἐλεεῖν 
abhängt. Uebrigens ist auch hier nicht von Gottes »freier 
Willkür« die Rede (gegen Holst.), sondern davon, dass Gott. 
bei der Bestimmung, wen er zum Gegenstande seines Er- 
barmens machen will, nicht an menschliches Streben gebunden 
ist, vielmehr ganz unabhängig davon festsetzen kann, an welche 
Bedingung er dasselbe knüpfen will *). 


Pratikell. II, ᾿ 243f. Ellendt, Lex. Soph. I, p. 119), wenn auch 
natürlicb in der Wiederholung desselben Wortes die re μὰ 
Selbstbestimmung Gottes sich ausdrückt (gegen Luth.). Die beiden 
Synonyma sind gewiss nicht von den LXX nach den Feinheiten des 
klassischen Sprachgebrauchs unterschieden, sondern das zweite Wort. 
dräckt im steigenden Parallelismus denselben Begriff nur stärker und 
innerlicher aus. Zu dem Ace. nach ἐλεεῖν vgl. Kühner ὃ 409, δ. 
8 419, I, c., zu der Form οἰχεειρήσω vgl. Lobeck ad Phryn. p. 741. 
Das γάρ hat die Rcpt. (AKL) nach rw st. nach vuro gestellt. 

*) Es ist ganz kontextwidrig, irgend etwas Anderes, als was V 15 
ergiebt, als Subjekt des Satzes zu ergänzen, etwa die Aufnahme ins 
Messiasreich (Chr. Hoffm., vgl. Zimmer) oder die Theilnahme am Heil 
(Goeb., Böhmer) oder die ἐχλογή (Otto). Auch darf man nicht dem 
durchaus allgemeinen Satze eine spezielle Beziehung auf Israel geben 
(Beyschlag, Otto), oder ihn mit God. zunächst auf Moses anwenden. 
Reiche will gar nach Aelteren das “έλεεν auf den Wunsch Abrahams, 
den Ismael, und Isaakse, den Esau zum Erben einzusetzen, und das 
τρέχειν auf das Herlaufen Esaus von der Jagd (Reiche nach Locke 
u. M.) beziehen. Ganz unnatürlich will Hofm. τοῦ ἐλεοῦντος für sich 
nehmen und #eoö als Apposition dazu, was doch wenigstens ein τοῦ 
ϑεοῦ erfordern würde. Das ἐλέωντος der meisten Mjsc. statt der Rcpt. 
ἐλέουγτος (K) ist eine der xown gehörende Form (8. Etym. M. 327, 30), 


Röm 911. 418 


V.17f. λέγει yaon γραφὴ τῷ Φαραώ) begründet die 
Thatsache, dass das Erbarmen Gottes in ihm selbst und nicht 
in einem Thun des Menschen seinen Grund hat, daraus, dass 
sogar das Auftreten des Gott zuwider Handelnden, das seiner 
(strafenden) Machterweisung dient, nicht von ihm selbst ab- 
hängt, sondern von Gott herbeigeführt ist. Allerdings ist Gott 
der in der Schrift Redende (Gal 88. 2), und in der folgenden 
Stelle spricht wirklich Gott selbst; aber nicht ohne Absicht 
wird dieselbe als Schriftaussage eingeführt, da es dem Apostel 
nicht auf die Erörterung einer geschichtlichen Thatsache aus 
dem Leben Pharao’s, sondern darauf ankommt, wie die Schrift 
dieselbe angesehen wissen will (Hofm.), oder was sie uns durch 
jenen Gottesspruch lehren will (V.18). Eben darum geht jede 

flexion darauf, wie Gott mit Pharao so habe verfahren 
können, über den Text hinaus. Mit grosser Feinheit wählt 
Paulus dem Beispiel des Moses gegenüber das des geschichtlich 
ihm gegenüberstehenden Pharao als Beispiel eines dem aus- 
gesprochenen Willen Gottes notorisch widerstrebenden Men- 
schen*). — Das, wie V. 12, mit ὅτε recit. eingeführte Citat 
ist aus Ex 9ıs, mit freier, zum Theil absichtlicher Abweichung 
von den LXX. So setzt Paulus statt des &vexev τούτου dıe- 
τηρήϑης, womit die LXX dem Sinn und Zusammenhange 
nach richtig den Grundtext wiedergeben, offenbar absichtlich 
nicht nur das stärkere eig αὐτὸ τοῦτο (gerade hierzu, zu 
nichts Anderem, vgl. IIlKor 86. 711), sondern vor Allem das 
an die Hebr. Wortform sich scheinbar näher anschliessende, 
aber den Sinn des Wortes auf die ganze geschichtliche Er- 
scheinung des Pharao erweiternde ἐξήγειρα oe. Hierin lie 
also der eigentliche Nerv dessen, was Paulus in dem Schri 
spruch an Pharao findet, und das Comp. ist daher, wie Joseph. 
Antt. 8, 11, 1, nur Verstärkung des sonst im NT gangbaren 
ἐγείρειν (Mt 111, vgl. Jud 21. JSir 104. IMak 3): sich 


die sich nirgends sonst im NT findet (V. 18 haben nur DFG ελεα). 
Meyer hält sie für einen alten Schreibfebler, was nicht unwahr- 
scheinlich ist. 

*, Wenn Otto, Böhmer, Goeb. u. A. die Begründung darin finden, 
dass Gott sich eben zuweilen auch nicht erbarmt, so ist doch im 
Folgenden von einem blossen Nichterbarmen keineswegs die Rede, 
aber auch freilich noch nicht von der Freiheit der göttlichen Zornes- 
erweisung (Meyer u. d. M.: Begründung e contrario, vgl. Holst.: freie 
Willkür im Erweise seines Zornes), weshalb auch Pharao so wenig 
ein Beispiel der Verwerfung (Meyer), wie ein Typus der Verstockung 
Israels (Beyschl.) sein kann. Da der Gottesspruch an Pharao selbst 
gerichtet, ist es natürlich reine Willkür, den Dat. zu erklären: in 
Bezug auf Pharao (Otto). 


414 Röm 911. 18. 


habe Dich erweckt, d. i. auftreten, aufkommen lassen, dass ich 
erweise an Dir meine Macht«*). Dagegen ist das ὅπως 
statt ἕνα in Analogie mit dem zweiten Gliede und das δύνα- 
μὲν statt ἰσχύν, das sich auch als Variante in der Hexapla 
findet, wohl absichtslosee Aenderung (gegen Phil, Böhmer). 
Gemeint ist die Machterweisung in seinen Strafwundern, zu 
der das Auftreten Pharao’s Gott den Anlass geben musste. 
Die zweite Vershälfte stimmt wörtlich mit den LXX. Sein 
Name soll überall hin verkündet werden auf der ganzen Erde, 
indem er überall als der genannt wird, der sich so mächtig 
an Pharao erzeigt hat, was besonders mit der Zerstreuung der 
Juden und der Verbreitung des Christenthums geschehen ist 
und fortwährend geschieht. Die Erklärung: im ganzen Lande 
(v. Heng.), ist auch der Tendenz des Urtextes weniger ent- 
sprechend, in dem schon Ex 15uff. den Eindruck schildert, 
welchen die letzte grosse Machterweisung Gottes auf alle um- 
wohnenden Völker machte. — V. 18. ἄρα ot») vgl. V. 16, 
zieht noch einmal das Ergebniss aus allem V. 15—17 Ge- 
sagten und spricht damit zugleich aus, was die Schrift uns 
mit jenem Worte Gottes an Pharao lehren will. — ὃν ϑέλει, 
ἐλεεῖ) resumirt das bereits V. 151. Festgestellte, doch so, 
dass der Nachdruck auf ϑέλδι fällt, nicht auf ὃν, wie V. 15, 
wo deshalb ἂν zugesetzt war. Es kommt eben darauf an, dass 
Einer Gegenstand des ἐλεεῖν vermöge dessen wird, dass ibn 
Gott zum Gegenstande desselben machen will. Damit ist 
aber keineswegs gesagt, dass Gott willkürlich dem Einen sein 
Erbarmen erweise und dem Anderen nicht, als wenn geleugnet 
werden sollte, dass Gottes Wollen ein in sich selbst geregeltes 
ist (vgl. Hofm., Luth. gegen Fritzsch., Kölln., Krehl), sondern 


5) So im Wesentlichen Theoph., Beza, Calv., Beng. u. M., auch 
Reiche, Olsh., Rück., Beck, Tbol., Phil., God., Beyschlag. Luth., Goeb., 
Lips., Sand. Dagegen ist ee ganz unmöglich, das ἐξήγεερά ce im 
Sinne des Urtextes und der LXX zu nehmen: vivum te servavi (vgl. 
Grot., Wolf u. V., auch Koppe, Morus, Böhme, Klee, Reithm., Böhmer) 
weder mit Berufung auf Jak 5ıs, wo nur der Kontext dem ἐγεέρειν 
einen ähnlichen Siun giebt, noch unter der (gewiss unrichtigen) Vor- 
aussetzung, dass der Apostel des Zusammenhanges der Schriftstelle 
eingedenk war (Hofm.: ich habe Dich von Krankheit erstehen lassen). 
Ganz willkürlich Flatt, Benecke, Glöckl : ich habe Dich zum Könige 
bestellt. Aber auch die an sich mögliche Fassung «ΕΝ: llChr 2683. 
IIMak 184. Hist. Sus. 45): ich habe Dich zum Widerstande auf- 
geregt (Augustin., Kölln., de W., Frtzsch., Maier, Bisp., Lamp., vgl. 
Umbr., Otto: ich habe Dich zum Entgegentreten veranlasst) lässt den 
Apostel etwas so ganz Verschiedenes vom Urtexte und von den LXX 
sagen, dass hierzu der Zusammenbang nöthigen müsste, was aber 
auch wegen V. 18 keineswegs der Fall ist (s. u.). 


Röm 918. 418. 


nur, dass Gott in der Feststellung der Norm, wonach er ἀ88-- 
selbe regelt, durch nichts (insbesondere durch kein mensch- 
liches Streben und Thun V. 16) gebunden ist. — ον δὲ JEleı). 
nachdrücklich wiederholt, wobei δέ (hinwiederum) die ent-- 
sprechende Gleichmässigkeit der beiderseitigen Relativ-Bestim- 
mung hervorhebt (Hartung, Partik. I, p. 168 ἢ). — σκληρύνει} 
vgl. Hbr 38. 18. 16. 47: er verhärtet ihn, macht ihn untähig, 
Eindrücke zu empfangen, welche zu seiner Besserung führen 
würden (vgl. 26). Also auch dies σχληρύνειν ist ebenso Vollzug 
eines göttlichen Willens, nach welchem Gott einen zum (Gegen-- 
stande desselben machen will. Wenn dieser Satz aus V. 17 
abgeleitet wird, obwohl dort von einem solchen σχληρύνειν. 
nicht die Rede war, so folgt daraus nur, dass Paulus aus der 
Erzählung der Schrift von Pharao voraussetzt, dass sein Auf- 
treten durch eine solche Verhärtung, die von Gott gewirkt. 
wurde, bedingt war (vgl. 421. 18. 912. 1020. 7. 1110. 144 al.). 
Wenn daneben schon dort diese Verhärtung ebenso auch als- 
eine selbstbewirkte dargestellt ist (816. 82, 9%, vgl. ISam 66), 
so sieht dies eben Paulus als eine Folge jener Gotteswirkung: 
an (vgl. Otto). Denn die Reflexionen God.’s über das Ver- 
hältniss des göttlichen Verstockens zu der Selbstverstockung: 
Pharao’s gehen gänzlich über den Text hinaus. 


Anmerkung. Dass die Auskunft bei Orig. u. m. Vätern, Grot.,. 
Koppe, Flatt, Klee, Maier u. M.: es sei nur die göttliche Zulassung: 
gemeint (vgl. Melanth.: »indurat, i. e. sinit esse durum nec convertit 
eum«) ebenso falsch ist, wie die der Wortbedeutung widerstrebende- 
Deutung: duriter tractat (Carpz., Seml., Cramer, vgl. Beck), beweist 
V.19f. Auch Beng. setzt ganz willkürlich das σχληρύνεε in οὐχ ἐλεεῖ 
um. Gewiss ist das σχληρύνειν nicht als Mittel gedacht, die Steigerung 
der Sünde zu hemmen (Olsh.) oder gar als Vollzug eines Gnaden- 
willens (gegen Th. Schott), aber ebenso wenig soll es dazu dienen, den 
Menschen in eine Verfassung zu versetzen, in welcher man nur 
Gegenstand seiner ὀργή sein und der Verdammniss verfallen kann 
(Meyer, Phil., vgl. dagegen Hofm.); und es kann dies nicht zufällig 
sein, da eine Hinweisung auf diesen Gegensatz des ἐλεεῖν nicht nur- 
diesem, sondern auch dem V. 17, woraus unser Satz abgeleitet ist, 
viel unmittelbarer entsprochen haben würde. Paulus will also wirklich 
in der Lehre, die er aus dem Beispiel Pharao's zieht, nicht weiter 
gehen, als dass er das σχληρύνειν Gottes, welches das Auftreten 
Pharao’s bedingte, auf einen freien Willensakt Gottes zurückführt,. 
offenbar weil er ja in der Anwendung dieser allgemeinen Wahrheit. 
auf den vorliegenden Fall keineswegs dazu kommen will, dass ein 
Theil Israels definitiv vom Heil ausgeschlossen, sondern dass er gegen-- 
wärtig verhärtet ist (117), womit aber eine endliche Hinführung des-- 


416 Röm 9ıs. 


selben zum Heil nicht ausgeschlossen ist (1135f.)*). Sonst wird zwar 
die Verhärtung in der Schrift oft genug als Strafe von Gott verhängt 
AJes 69ff. Ps 6928. IITh 2ı0ff., 8. Umbr. p. 810f.), aber hier ist ihr 
Zweck nicht: »ut eo ipso Dei justitiam declararet«, (Form. Conc. 
p. 821), sondern sie ist ein Beleg der völlig freien Selbstbestimmung 
-Gottes, zu verhärten, wen er will. Auch hier wird aber dies ϑέλεεν 
kein willkürliches sein, sondern ein nach bestimmten, in seiner 
Weisheit und Heiligkeit begründeten Normen sich vollziehendes, nur 
.dass wir nicht berechtigt sind, irgend etwas selbst Erfundenes, wie 
die Sünde wider den heiligen Geist (Olsh.), oder dass man Gott das 
Recht abspricht, das ibm hier vindizirt wird (Phil.), oder »vorher- 
gehende dünkelhafte Selbstgerechtigkeit« (Thol.), oder >so wie es der 
Mensch selbst gewollt« (Th. Schott) als diese Norm einzuschieben. 
Es darf nicht übersehen werden, dass Paulus nicht wie in dem 
parallelen V. 16, das göttliche ϑέλεεν in den Gegensatz zu allem 
menschlichen ϑέλεεν und τρέχειν stellt, also hier nicht so ausdrücklich 
wie dort sagt, dass dies ϑέλεεν nicht durch ein Verhalten des Menschen 
motivirt sein könnte, was selbst Hofm. übersieht, der immer seiner- 
‚seits diesen hier nicht ausgedrückten Gegensatz herzubringt, dass 
vielmehr der Begriff des σχληρύνειν schon an sich ein bestimmtes 
Verhalten voraussetzt, dessen Aenderung nur durch die Verhärtung 
unmöglich wird. Es wird das ebenso in der intendirten Anwendung 
‚seinen Grund haben, wie, dass Paulus nicht vom σχληρύνειν zu der 
Bestimmung zum Verderben fortschreitet, zeigt aber, wie jenes, dass 
er keineswegs alle Konsequenzen, die nach seiner Auffassung in der 
Schriftaussage über Pharao liegen können, auch wirklich zieben will. 


*) Dagegen ist es reine Willkür, die dogmatische Verwerthung 
dieser Aussagen dadurch abschneiden zu wollen, dass man sagt, Paulus 
wolle nur den Juden.zeigen, dass sie der Allmacht Gottes gegenüber 
völlig rechtlos seien, dass man auf dem Boden alttestamentlicher 
Anschauung nicht weiter gelangt (Otto), oder dass der Apostel nur 
hier nicht davon rede, ob und inwieweit das göttliche Verhalten 
Seitens des Menschen etwa sittlich bedingt sei (Luth.), oder dass das 
(resagte über die zeitgeschichtliche Rolle des Betroffenen nicht hinaus- 
gehe (Goeb.), oder dass sich in der Verwerfung Esau’s und Pharao's 
ebenso scheinbar ungerechte oder unbegreifliche Willkürhandlungen 
Gottes vorfinden, wie in der Verwerfung Israels und der Berufung 
der Heiden (Chr. Hoffm.). Von der Art und Weise, wie die älteren 
dogmatischen Exegeten im Kampfe gegen die absolute Prädestination 
hier klausulirt haben, diene Calov.'s Entwickelung zum Beispiel, welcher 
behauptet, wenn es heisse, dass Gott verhärte, so sei dies nicht 
ἐνεργητιχῶς oder effective zu nehmen, sondern 1) συγχωρητιχῶς, propter 

ermissionem, 2) dyopuntızas, propter occasionem, quam ex iiß, quae 

eus agit, sumunt reprobi, 3) ἐγχαταλειπτεχῶς, ob desertionem, quod 
gratia sua deserat reprobos, 4) παραδοτιχῶς, ob traditionem in sensum 
reprobum et in ulteriorem Satanae potestatem. 





Röm 919. 20. 417 


V. 194: ἐρεῖς μοι οὖν) folgert aus dem über die Ver- 
härtung Gesagten einen von dem Apostel selbst gebildeten 
Einwurf, welcher gegen V. 18 erhoben werden konnte*),. — 
τί οὖν ἔτι μέμφεται) vgl. 37. Der Vordersatz ergänzt sich 
von selbst durch die Rückweisung des οὖν auf V. 18: wenn 
Gott aus eigener Willensbestimmung verhärtet, warum tadelt 
(μέμφεται, vgl. JSir 117. 417. IIMak 27. Ηδγ 88) er noch? 
Jenes entzieht ja den Vorwürfen, welche Gott den verstockten 
Sündern macht, alle Berechtigung, da sie durch den göttlichen 
Willen selbst verhärtet worden sind. Begründet wird dieses 
noch dadurch, dass seinem Willensbeschluss (τῷ γὰρ BovAn- 
ματι αὐτοῦ, vgl. IIMak 155. Act 27e. Lob. ad Aj. 44) 
doch keiner (mit Erfolg) Widerstand leistet, was hier durch 
die lebhaft einfallende, ihre Antwort in sich selbst tragende 
Frage τίς ἀνθέστηχεν: vo 49:9. 504. Mal 315) ausge- 
drückt wird: wer widersteht? Der göttliche Beschluss ist über 
jedermanns Widerstand erhaben **). >- V. 20. ὦ ἄἀνϑρωπ ε) 
vgl. 21, steht mit grossem Nachdruck voran, um dem, der 
solches einwenden möchte, sein Verhältniss zu dem mit gleichem 
Nachdrucke am Schlusse der Antwort stehenden τῷ ϑεῷ 


*) Auch hier soll sich freilich nach Hilg. Paulus in die Seele 
der seinen Brief lesenden Judenchristen versetzen. Aber was hat 
denn der judenchristliche Standpunkt mit dieser Einwendung zu thun ? 
Hat je ein Jude oder Judenchrist das freie Erbarmen Gottes, das er 
dem Moses bezeugt, oder die von der Schrift berichtete Verstockung 
Pharaos für ungerecht gehalten? Es ist doch eine jedem Menschen 
sich aufdrängende Schwierigkeit, die Paulus gegenüber seiner unzweifel- 
haft sich ergebenden Folgerung aus den angezogenen Schriftstellen 
erörtert, weshalb auch die Art, wie er jenen Einwand niederschlägt, 
mit der Differenz seiner und der judenchristlichen Anschauung 
schlechterdings nichts zu thun hat, sondern sich auf ganz allgemein 
religiöse Motive gründet. 

**) Der allgemeine Ausdruck »Widerpart leisten« (Hofm.) ent- 
spricht dem Begriffe von ἀνϑέστηχεν nicht bestimmt genug, da letzteres 
überall das wirkliche und thätige resistere bedeutet (vgl. Mt bs». 
Gal 211. Soph. Fragm. 234. Dind.: πρὸς τὴν ἀνάγχην οὐδ᾽ "Aon 
ἀνϑίσταται. Pat. Symp. p. 196 D);: und die Vorstellung, dass ein 
ottwidriges Verhalten durch Gott selbst (seine verstockende Thätig- 
eit) bewirkt sein kann und doch gottwidrig bleibt, ist dem alt- 
testamentlichen Bewusstsein völlig geläufig, so dass es sich nur 
darum handeln kann, ob nicht der Wirkung des unwiderstehlichen 
Willens Gottes gegenüber jede Verantwortlichkeit für dieses gott- 
widrige Thun aufhört (gegen Hofm., der nur das ϑέλεεν Gottes durch 
den Einwand für ausgeschlossen hält). Die Uebersetzung: wer hat 
ihm je widerstanden ? (Beck) ist sprachwidrig. Das zweite ovv nach 
τι haben Tisch., Lechm., WH. nach NAKLP mit Unrecht gestrichen, 
Treg. eingeklammert; aber es erschien offenbar nach dem ersten ovr 
unbequem. Die Weglassung des γαρ (Rcpt.) hat nur Min. für sich. 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 97 


418 Röm 920. 


fühlbar zu machen, das durch sich selbst seine Widerrede als 
unpassend erscheinen lässt. — uevovvye), vgl. Lk 112. Ast. 
Lex. Plat. II. p. 303, führt nicht ohne Ironie mit dem scheinbar 
billigenden Ja wohl« einen desto schneidenderen Widerspruch 
gegen das Gesagte ein, indem er ihm zu bedenken giebt, was er 
sei (σὺ τές el; vgl. Plat. Gorg. p. 452 B: σὺ de — — εἰς εἶ, 
ὦ &v3ewree), der in seiner Nichtigkeit Gott gegenüber es wage, 
ihm, wenn er tadle, etwas darauf als Entgegnung zu antworten, 
Widerrede zu erheben (ὁ ἀντασεοκρινόμενος, vgl. Jud 5x. 
Job 168. 3212. Bei den Griechen findet sich das Wort nicht). 
Der Apostel will nicht den Einwand V. 19 widerlegen; er 
will ihn nur von vorn herein niederschlagen, indem er nach 
der Berechtigung, gleichsam nach der Legitimation (vgl. Otto) 
des Anklägers Gottes fragt (Melanth.: abrumpit quaestionem) *). 
Mit der Frage un ἐρεῖ τὸ πλάσμα τῷ πλάσαντι; (Jes 
2916), welche in ihrer Form die Verneinung in sich trägt, 
macht Paulus dem ἀνεαεοχρινόμενος fühlbar, dass er sich zu 
Gott nicht anders verhält, als das Gebilde zu seinem Bildner. 
Aber die Jesajastelle zeigt, dass hier schon dem Apostel das 
dem AT so geläufige Gleichniss vom Thon und dem Töpfer 
(Jes 459. 647. Jer 186. Sap. 157. JSir 3618) vorschwebt 
gegen Otto): Es wird doch nicht das Gebilde zu seinem 

ildner sagen: »Warum hast Du mich so, wie ich bin, ge- 
macht (τέ με ἐποίησας οὕτως; von dem τρότεος des 
Ζεριδῖν, der sich im ultat darstellt, vgl. Win. ὃ 54, 2). 
Ebenso widersinnig wäre es, wenn der Mensch mit seinem 
Schöpfer rechtete. Da die Reflexion auf das σσοιδῖν lediglich 
durch das Bild vom szAcoue herbeigeführt ist, darf man das- 
selbe nicht dahin pressen, dass man es auf die Herstellung 
der sittlichen Beschaffenheit bezieht (Rück., Krehl, Meyer, Otto 
vgl. Lips. u. A.), da der Töpfer seine Gefässe allerdings soweit 
schafft, als überhaupt ein Mensch etwas schaffen kann und 
die hierin liegende Einschränkung wegtällt, wo Gott als der 
Bildner gedacht ist (vgl. Hofm., Luth,) Es findet hier eben 
keine Beziehung auf die Verstockung (V. 18) oder die Be- 
stimmung Pharao’s (V. 17) statt (gegen Otto), die immer auf 
eine direkte Widerlegung des V. 18 erhobenen Vorwurfs 
hinaus ginge, während Paulus dem Menschen lediglich auf 
Grund der schlechthinnigen Abhängigkeit, in der das Geschöpf 


*) Das μενοῦνγε kann keine Verneinung oder Berichtigung ent- 
halten (Rück., Frtzsch., vgl. God., Lips.: vielmehr), da ja der Einwand 
V, 19 garnicht widerlegt, sondern nur als für den Menschen unzu- 
lässig dargestellt wird. Das ἀνταποχρίνεσϑαι bezieht sich nicht auf 
das Schriftwort V. 17 (Hofm.), sondern auf das hinsichtlich seiner 
Gerechtigkeit in Frage gestellte μέμφεσθαι Gottes. 


Röm 920. 91. 419 


zum Schöpfer steht, jedes Recht zum Rechten mit ihm ab- 
spricht ἢ). 

V. 21. ἢ) wie 2s: oder, wenn Du nicht zugeben willst, 
dass der Schöpfer solche absolute Machtvollkommenheit über 
das Geschöpf hat, welche diesem jedes Rechten mit demselben 
verbietet, so frage ich: Fehlt etwa (οὐχ ἔχει) dem Töpfer 
die Vollmacht ἀξουσὶ αν, vgl. Mt 96) über den von ıhm 
verwendeten Stoff, daraus Gebilde zu bilden, wie er es will? 
Hier wird nun der Bildner ausdrücklich als ὃ χεραμεύς und 
der Stoff, aus dem er sein Gebilde schafft, als der Thon (τοῦ 
σεηλοῦ) bezeichnet, wie Jes 4ös. Die Trennung des τοῦ 
zenAnv von ἐξουσίαν, wozu es gehört (vgl. Buttm., neut. Gr. 
p. 332), lässt das Verhältniss des Töpfers zum Thon durch 
die Nebeneinanderstellung beider scharf hervortreten (gegen 
Otto), un dadurch die unbedingte Verfügungsgewalt, die jener 
über diesen hat, aus ihm zu machen, was er will (τεοιῇ σαι, 
Inf. der näheren Bestimmung), als Ausfluss desselben fühlbar 
zu machen. Das ἐχ τοῦ αὐτοῦ φυράματος (sonst von der 
Brodteigmasse, Ex 129... Num l15»f. I Kor 5e, hier von der 
mit Wasser gemischten und gekneteten Masse des 7σεηλός, aus 
welcher der Töpfer die verschiedenen (sefässe macht) hebt 
noch einmal hervor, dass nicht etwa die Beschaffenheit der 
Teigmasse die Verschiedenheit der Gebilde bedingt, die nun 
dadurch charakterisirt wird, zu welchem Zweck das eine und 
das andere (0 μὲν — ὃ δέ, wie Mt 13& IKor 77) Gefäss, 
Hausgeräth (σχδῖος, wie Gen 8185. Mt 122) bestimmt: ist. 
Das εἰς τιμήν steht mit Nachdruck voran und bezeichnet 
die Bestimmung des Gefässes zu einem Gebrauche, der ihm 
selbst Ehre bringt, wie zu einem heiligen Geräthe, während 
das Gegentheil (eig ἀτιμίαν) bei einem zu schmutzigem Ge- 
brauch bestimmten Geschirr der Fall ist. Vgl. IL Tim 2af. 
— Da die weitere Ausführung des Gleichnisses dazu dienen 
soll, die V. 20 behauptete Machtvollkommenheit des Schöpfers 
über das Geschöpf zu erweisen, so ist sein nächster Sinn: Wie 
der Töpfer jedem Gefäss seine Bestimmung anzuweisen (und 


3) Es liegt hierin keine argumentatio a minori ad majus (Glöckl.: 
»Wenn nicht einmal beim Bildniss eine solche Frage an den Bildner 
stattfinden kann, wie viel weniger kann der Mensch u. a. w.«; auch 
darf man nicht einen Fortschritt von der Bestreitung der Richtigkeit 
dessen, was Gott ihm sagt, zu dem Missvergnügen über das, wozu 
ihn Gott gemacht hat, annehmen. So Hofm., welcher, dem Folgenden 
vorgreifend, an die Bestimmung denkt, zu der Gott Einen geschaffen 
hat (vgl. auch Beck, God.), während Th. Schott das οὕτως vollends 
fasst: unter solchen Verhältnissen, wenn es 80 steht. Auch heisst das 
ἐποίησας nicht: warum hast Du mich so behandelt? (Grot.). 


27* 








420 Röm 9nı. 


es dieser Bestimmung entsprechend zu bilden, vgl. V. 20) ein 
unbeschränktes Recht hat, so auch der Schöpfer dem Geschöpf, 
gleichviel ob das eine dadurch vor dem anderen bevorzugt 
erscheint. Nur sofern der Einwand, der mit dieser Verweisung 
auf das absolute Schöpferrecht Gottes niedergeschlagen werden 
soll (V. 19), doch zuletzt sein Motiv in dem Anstoss hat, 
welchen die V. 171. vorgetragene Auffassung und Anwendung 
der Geschichte Pharaos erregt, enthält unser Vers in zweiter 
Linie eine Hinweisung darauf, dass, wenn Gott Menschen 
werden lässt, die im Voraus dazu bestimmt sind, wie Pharao 
zur Offenbarung seiner (strafenden) Macht zu dienen (vgl. 
Hofm.), hiergegen vom Gesichtspunkt jenes absoluten Schöpfer- 
rechts aus nichts zu sagen ist*). Paulus vindizirt dem Schöpfer 
das absolute Recht, seinen Geschöpfen eine Bestimmung an- 
zuweisen, wie sie in seinem Interesse liegt, auch wenn dies 
ihrem Interesse zuwiderläuft, da das Geschöpf nach seinem 
Verhältniss zum Schöpfer schlechterdings keinerlei Anspruch 
an ihn hat. Ob und wieweit er aber sich dieses Rechtes be- 
diene, sagt er nicht, da es ihm lediglich darauf ankommt, 





ἢ Dagegen ist auch hier von einer effektiven Herstellung einer 
sittlichen Beschaffenheit (Meyer, dem Otto zustimmt) nicht die Rede, 
welche selbst in der aus der Geschichte Pharaos gefolgerten Freiheit 
Gottes zum σχληρύνειν nicht liegt, und völlig geht Meyer über das 
tert. comp. des Gleichnisses hinaus, wenn er die verschiedener For- 
mung fähige Thonmasse, die nur erwähnt wird, um die freie Dispo- 
sition, mit der der Töpfer seinem Material gegenübersteht, recht an- 
schaulich zu machen, deutet von der menschlichen Natur an und für 
sich, wie sie mit ihren entgegengesetzten sittlichen Fähigkeiten und 
Dispositionen Allen gleich ist, aber noch nicht in bestimmter indi- 
vidueller sittlicher Ausprägung gedacht. Von diesem Standpunkte 
aus hat er kein Recht, die Deutung Augustin’s abzuweisen, welcher, 
nur einen Schritt weiter gehend, diese massa als „peccato originali 
infecta, corrupta damnationique obnoxia« denkt, so dass dann die 
Gefässe εἰς run» diejenigen sind, welche assumuntur in gratiam, die 
Gefässe εἰς arıulav aber, welche ad luendum debitum relinquuntur, 
wie ja auch Meyer selbst bei den Gefässen zur Ehre an die Menschen 
denkt, die zu Theilbabern der Messianischen Herrlichkeit bestimmt 
sind, und bei den Gefässen zur Unehre an solche, die zur ewigen 
ἀπώλεια bestimmt sind. Während God. hier schon die Deutung auf 
Juden und Heiden einträgt, bezieht v. Heng. das Bild überhaupt auf 
die »inexplicabiles divini rerum humanarum regiminis rationes«, und 
Beyschl. auf das göttliche Recht, »aus dem im fortgehenden Werden 
vorhandenen Material des menschlichen Geschlechts Individuen mit 
dieser oder jener geschichtlichen Bestimmung auszuprägen«. Sonder- 
bar denkt Goeb. bei eis ruunv und eis arıulav daran, dass der eine 
Mensch Gott Ehre, der andere ihm Unehre bringe, während doch kein 
Töpfer absichtlich etwas bildet, was ihm Unehre bringt, und Gott 
auch durch die Offenbarung seiner strafenden Macht sich verherrlicht. 


Röm 921. 29. 421 


menschliche Einwürfe gegen die ihm V. 18 vindizirte Freiheit 
niederzuschlagen. 

V. 22—29. Das verheissungsmässige Verfahren 
Gottes in der Berufung von Heiden und Juden. — 
Nachdem Paulus die volle Freiheit Gottes bei der nach 
V. 6—13 zu treffenden Auswahl durch Berufung auf sein abh- 
solutes Schöpferrecht gegen jeden menschlichen Einwand sicher 

estellt hat (V. 14— 21), geht er nun zu dem thatsächlichen 
Verfahren Gottes in der Gegenwart über, in der er sich keines- 
wegs dieses absoluten Rechtes bedient, sondern den seinem 
gerechten Zorn Verfallenen gegenüber grosse Langmuth be- 
wiesen und durch die Uebung seiner Barmherzigkeit in der 
Berufung von Heiden und Juden nach beiden Seiten nur voll- 
kommen seiner Verheissung entsprochen hat. Diese Wendung 
wird eingeleitet mit dem ei δέ, das, da dem hypothetischen 
Vordersatz kein Nachsatz folgt, eine Ergänzung desselben aus 
dem Zusammenhange fordert: Wenn aber Gott in Wahrheit 
so verfahren ist, wie V.22f. darlegt, wirst Du dann noch an ein 
ἀνταττοχρίνεσϑαι denken, oder: wird dann nicht vollends jede 
Widerrede verstummen müssen? Dieses aposiopesische ei δέ 
(vgl. Joh 661. Act 239. Lk 1941. Hartung, Patikell. II, 
p. 212) entspricht ganz unserem: wie aber wenn? und kann 
nur einen starken Gegensatz bilden, in welchem dem, wozu 
Gott ein unzweifelhaftes Recht hat, sein thatsächliches Ver- 
halten gegenübertritt, indem er sich jenes Rechtes keineswegs 
bedient hat, sondern nach ganz anderen Normen verfahren 
ist*). — ϑέλω ») ist mit Frtzsch., Phil., Lamp., Volkm., God., 
Luth., Lips., Sand. u. M. durch: obgleich aufzulösen, weil im 
Folgenden ein thatsächliches Verhalten Gottes hervorgehoben 


*) Diese entscheidende Wendung der Argumentation haben schon 

Win. 8 63, 1, Thol., Reithm., Weiss, bibl. Theol. $ 88, b.. Beyschlag 
Σ 53 ff, Goeb. (vgl. auch mit geringen Modifikationen God., Beck, 
hr. Hoffm.. Sand.), richtig erkannt. Die Aposiopese haben ausserdem 
zugegeben Calv.. Calov., Grot., Frtzsch., Phil., v. Heng., Lamp., Volkm., 
auch de W. u. Meyer, die nur fälschlich das δέ metabatisch fassen 
(vgl. dagegen auch Reiche, Kölln., Hofm.), als ob Paulus nur von der 
göttlichen Machtvellkommenheit zu ihren Zwecken oder von der Ab- 
weisung des Widerredners zu seiner beschämenden Widerlegung über- 
führe (vgl. Luth.: die Rede steigernd). Völlig freilich stellt zipe: 
den Gedanken des Apostels auf den Kopf, indem er analysirt: Folgt 
daraus etwa das Recht, Gott einen Vorwurf zu machen, wenn er 
schliesslich doeh seinen Vorsatz ausführt? Aber diese 
Worte zu ergänzen, ist ja schon darum ganz unmöglich, weil der Ge- 
danke derselben der Sache nach in dem Partizipialsatz ϑέλων u. 8. w. 
liegt, den auch Lips. mit »obwohl« auflöst, es sich also um die Be- 
urtheilung eines göttlichen Verhaltens handelt, das in scheinbarem 





422 Röm 922. 


wird, das scheinbar den Verzicht auf die Offenbarung seines 
Zornes und seiner Macht einschliesst. Daher tritt das ϑέλων 
mit grossem Nachdruck an die Spitze noch vor das Subjekt 
ὃ ϑεός, um im Gegensatz zu demselben zu betonen, wie es 
Gottes unveräusserliches Charakteristikum ist, dass er beweisen 
will ιἐνδείξασϑαι, wie V. 17) seinen Zorn. Schon das 
Auftreten dieses Begriffes (vgl. 118) zeigt deutlich, dass die 
allgemeine Erörterung über die Freiheit des göttlichen &Aeeiv 
und σχληρύνειν verlassen ist, und dass von seinem Verhalten 
gegen konkrete Personen geredet werden soll, die thatsächlich 
seinen Zorn (vgl. 415) sich zugezogen haben. Eine Erweisung 
seines Zornes aber, welche nur durch ein offenkundiges Straf- 
gericht sich vollziehen kann, ist nur möglich, wenn es ihm 
nicht an der Macht zur Vollstreckung eines solchen fehlt, wenn 
er also zugleich kundmachen kann (χαὲ γνωρίσαι, vgl. Prv 
221. Ez 4428, Ex 213%) seine Macht (vgl. IIIMak 26). 
Das τὸ δυνατὸν αὐτοῦ, eigentlich: sein Mögliches, was er 
zu thun im Stande ist, ist der Gegensatz des τὸ ἀδύνατον τοῦ 
νόμου 83, vgl. Xen. Hell. 1,4, 13: τοῦ τῆς πόλεως δυνατοῦ ἢ). 
Den scheinbaren Gegensatz gegen jenes ϑέλειν bildet eben 
das geduldige Tragen derer, die solchen Zorn erregen (nveyxe», 
vgl. Dtn 112. Ez 84:2. Hbr 131), weil es den Schein er- 
weckt, als wolle Gott nicht strafen (seine ὀργή erweisen) oder 
könne es nicht, besonders wenn es nicht vorübergehend ge- 
schieht, sondern ἐν woAAn μακροθυμίᾳ (24), da die Lang- 


Widerspruch damit steht. Ganz abwegig Otto: wenn aber der 
Töpfer jene Macht hat (V. 19), so sollt Ihr nicht die geschichtliche 
Erhaltung des Judenthums als Beweis einführen, dass Ihr doch vor 
den Heiden bevorrechtigt sein müsst, auf welchen Gedanken bei der 
richtigen Fassung auch Zimmer hinauskommt. 

Das τὴν ὀργήν setzt nicht nur unklar (de W.), sondern ganz 
klar eine Schuld voraus, da (Gott über einen von ihm selbst gewirkten 
Zustand nicht zürnen kann, auch nicht vom »absoluten Standpunkt 
des Textes« (Meyer) aus. Die Auflösung: weil Gott wollte (so die 
Meisten, auch de W., Rück., v. Heng., Chr. Hoffm.), ergiebt den Sinn, 
Gott habe, um dann ein desto evidenteres Strafgericht ergehen zu 
lassen, geduldig getragen u. 8. w., was aber nicht auf eine πολλὴ 
μαχροϑυμέα hinauskäme, sondern in der That auf ein ungöttlich moti- 
virtes, Zornhäufung beabsichtigendes Zögern, während doch von einer 
reichlicheren Offenbarung seines Zornes nichts angedeutet ist. Es 
ist nur eine unklare Umgehung der Frage, wenn man ϑέλων mit: als, 
während auflöst oder bei dem allgemeinen: in der Absicht, mit dem 
Willen steben bleibt (vgl. Beck, Otto, Goeb., Böhmer, Zimmer). Will- 
kürlich eintragend Hofm.: Gott habe jene Menschen nicht so getragen, 
dass er erst zusehen wollte, wie es mit ihnen würde, um dann hier- 
nach an ihnen zu handeln, sondern er habe es mit dem dabei schon 
feststehenden Willen gethan, zu beweisen u. 8. w. 


Röm 922. 423 


muth eben mit der Strafe verzieht. Dass dies aber im Inter- 
esse der strafwürdigen Objekte geschieht, indem es ihnen Raum 
zur Besserung lässt (Beng., Thol., vgl. Beyschl.), liegt in der 
Natur der Sache und wird 24 ausdrücklich gesagt*). Das 
Verständniss der Stelle hängt davon ab, wen man unter den 
σχεύη ὀργῆς versteht, d. ἢ. unter den seinem Zorn verfallenen 
Gefässen (vgl. Eph 23. IITh 25). Der bildliche Ausdruck 
kann darüber nicht entscheiden, da er einfach aus V. 21 nach- 
klingt und andeutet, dass auch die genannten Personen nichts 
Anderes Gott gegenüber sind, wie Geschöpfe ihrem Bildner 
gegenüber, die ak, wenn sie einmal seinem Zorn verfallen 
sind, auch ohne weiteres von demselben ereilt werden können. 
Eben darum aber, weil Gott nicht zürnen kann dem, was er 
gemacht, und nicht langmüthig tragen kann, was er sich selbst 
aufgeladen, kann nicht daran gedacht werden, dass er sie selbst 
zu Zornesgefässen gemacht hat, sondern können sie es nur ge- 
worden sein durch eigene Schuld. Dann freilich wird hier 
ganz klar, dass Paulus dem, was Gott zu thun ein Recht 
hatte, gegenüberstellt, was er an solchen, über die seinen Zorn 
ergehen zu lassen er alle Ursache hatte (vgl. das ϑέλων), that- 
sächlich gethan hat. Gemeint sind also damit die seinem 
Zorm verfallenen Juden (v. Heng., God., Goeb., Zimmer u. A., 
selbst Otto, Lipe) weil diese es eben sind, von deren Be- 
handlung durch Gott in dem ganzen Abschnitt die Rede ist, 
und die also allein gemeint sein können, wenn die thatsäch- 
liche Art dieser Behandlung hervorgehoben wird, zumal ja 24 
gerade von ihnen genau dasselbe ausgesagt wird **). — χατηρ- 


*) Dagegen kann natürlich die (unbeweisliche) Voraussetzung 
von Meyer, dass nicht dort, aber hier Paulus auf dem Standpunkt 
des absoluten göttlichen Willens steht, so wenig beweisen, wie der Ein- 
wand von Lips.: dann wären sie eben keine σχείη ὀργῆς und von einem 
ϑέλειν ἐνδείξασϑαι τῆν ὀργήν könne dann keine Rede sein; denn sie sind 
es doch eben, solange sie noch nicht Busse gethan, und Gott muss 
seinen Zorn beweisen, wenn sie eg überhaupt nicht thun. Eine 
prolongatio irae, welche das Strafgericht verzögert zu irgend einem 
anderen Zwecke (Meyer, Hofm., Otto, Lips., u. A.), ist nun einmal 
nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Langmuth, und der Ge- 
danke, dass jener Aufschub für die oxeun ὀργῆς keinen Rechtsanspruch 
Be lnaet: em göttlichen Zorngericht zu entgehen (Lips.), liegt 
völlig fern. 

**) Die Behauptung Meyers, dass die oxeun εἰς ἀτιμίαν V. 21 ge- 
meint sein müssten, scheitert daran, dass σχεύη ὀργῆς nun einmal 
nicht heissen kann: Gefässe, die bereitet sind, Gottes Zorn an sich zu 
erfahren, zur Erweisung seiner ὀργή zu dienen (doch auch de W., 
Hofm., Chr. Hoffm., vgl. Goeb.), dass dies nothwendig durch den 
Artikel angedeutet sein müsste, wenn die vorher Genannten gemeint 


424 Röm 93. 38. 


τισμένα eig ἀπώλειαν) erklären de W., Meyer, Est., Lamp, 
Volkm., Holst., Chr. Hoffm., Luth., Lips. u. A.: bereitet, zu- 
gerichtet (von Gott) zum Verderben. Diese Fassung wird 
aber kategorisch ausgeschlossen durch den Zweck dieses Zu- 
satzes, welcher die Grösse der Langmuth dadurch hervor- 
heben will, dass nichts mehr hinderte, das Strafgericht sofort 
eintreten zu lassen, während Gott dem gegenüber, was er 
selbst gemacht hat, so wenig Langmuth üben, wie zürnen 
kann. Es heisst daher in adjektivischer Geltung: fertig, reif 
zum Verderben (vgl. IKor 11. IITim 31. Lk 610)*). So 
mit Recht Grot., Calv., Rück., Hofm., Zimmer, Sand. — V. 23. 
καὶ ἵνα) kann sich nur an den Hauptsatz anschliessen, und 


wären, da sie eben nicht mehr rein qualitativ bezeichnet werden 
können, wenn der OD LONBEnE fordert, dass an identische Gegen- 
stände gedacht werden soll, und dass es unlogisch wäre, von den nur 
hypothetisch gesetzten σχεύη eis ἀτιμέαν, zu deren Bereitung Paulus 
Gott nur die Berechtigung vindizirt hatte (und auch nur im Gleich- 
niss), als von bestimmten Gegenständen zu sagen, was Gott faktisch 
mit ihnen gethan hat. Gegen diese Gründe hat Lips. nichts zu 
sagen gewusst, sondern nur die alte Missdeutung aufrecht erhalten. 
Ebenso wenig heisst σχεύη ὀργῆς: Werkzeuge seines Zornes (Calv., 
Reiche nach Ges 135). Gemeint ist freilich weder allein, noch zugleich 
Pharao (Chrys., de W., Böhmer u. d.M.), von dem ja garnicht mehr die 
Rede ist, und aus dessen Geschichte daher auch der Ausdruck nicht 
erläutert werden kann (gegen Otto), aber auch nicht irgend welche 
Zornesgefässe unter Juden und Heiden (Meyer, Holst.), oder gar unter 
den letzteren allein (Volkm.), geschweige denn die für das Verderben 
reife Welt (Hofm., Beck, vgl. Luth.). 
ἢ An sich könnte auch von den dem Zorne Gottes verfallenen 
Juden gesagt sein, dass sie durch sein (ihre Verschuldung voraus- 
setzendes) Verstockungsgericht (117ff., vgl. Goeb.) reif gemacht sind 
zum Verderben, da ja dieses auch über Zornesgefässe erst kommen 
kann, wenn die Sünde ihren Gipfelpunkt erreicht hat. Aber gerade 
dass Paulus das dem ἃ προητοίμασεν V. 23 allein entsprechende 
ἃ χατήρτισεν vermeidet, zeigt deutlich, dass er den Ausdruck nicht 
assivisch genommen haben will (vgl. selbst de W., Luth. nach 
Beng.), da es völlig willkürlich ist, zu sagen, das Activum habe sich 
bei der Liebesthätigkeit näher dargeboten (Meyer). Natürlich kann 
der Ausdruck nicht, auch nicht zugleich (Beck), besagen, dass sie sich 
selbst zum Verderben zugerichtet und so dasselbe verdient hätten 
(8. schon Chrys., Theodoret., Oecum., Er van Beng. u. V., auch 
Steudel, Olsh.), was Andere unklar mit der Meyer'schen Fassung ver- 
mischen (vgl. Otto, Böhmer). Dem stebenden neutestamentlichen 
Sprachgebrauch entgegen denkt Goeb. bei ἀπώλεια (Phl 128. 81. 
t 718. Joh 1712. br 1019. Apk 178) an das geschichtliche Straf- 
gericht über Israel. Dies auch gegen nn p. 57, welcher meint, 
dass unsere Auffassung reichsgeschichtliche Begriffe in abstrakt dog- 
matische verwandle. Als ob die ewige ὠπώλεια und die ewige ϑόξα 
nicht gerade die reichsgeschichtlichen Ausgänge wären! 





Röm 93. 425 


καί heisst »auch«, so dass neben dem in ἐν zsoAln μαχροϑυμίᾳ 
angedeuteten Zwecke noch einer genannt wird, welchen Gott 
beim Tragen der Zornesgefässe im Auge hatte (vgl. Sand.). 
Hätte Gott nämlich die σκεύη ὀργῆς nicht so geduldig getragen, 
sondern bereits (mit der Parusie) das Strafgericht über sie 
hereinbrechen lassen, so hätte er keinen Zeitraum gehabt, um 
wenigstens etliche aus ihnen zum Glauben zu führen und 
andere an ihrer Statt zum Heil zu berufen*). — γνωρίσῃ), 
vgl. V. 22. Die Kundmachung ist als eine thatsächliche ge- 
dacht, und ihr Objekt ist der Reichthum (τὸ πλοῦτος, v8. 
24) seiner Herrlichkeit. Mit τῆς δόξης αὐτοῦ ist aber nicht 
die göttliche Majestät nach ihrer wohlthuenden, beglückenden 
Herrlichkeit gemeint, wie 64 nach der Seite ihrer Macht (vgl. 
Meyer, de W. u. A.), sondern, wie 52, die ihm eignende gött- 
liche Herrlichkeit, welche in ihrem ganzen Reichthum kund- 
gemacht wird, wenn die Erwählten in der Heilsvollendung 


— — mn 


Ἢ Das xas fehlt in B vg. go. cop. (WH.), weshalb es Treg. ein- 
klammert, aber entweder rein aus Schreibeversehen, oder weil man es 
nicht verstand. Unmöglich kann es den Nachsatz zu V. 22 bilden, 
da die Ergänzung eines »so that er es« oder »so trug er sie« (Olsh., 
Ew., Th. Schott, Hofm., vgl. Holst., der kein x«/ vor ἕνα liest) die 
reinste Willkür ist, aber es kann auch nicht einen zweiten Vordersatz. 
bilden, so dass xa/ kopulativ und ein zweites εἰ dahinter zu ergänzen 
ist (Thol., Phil., God., Chr. Hoffm. nach Reithm. u. Aelteren, vgl. 
Goeb., der gar mit εἰ den ganzen vorigen Satz ergänzt), da für diesen 
Vordersatz kein Verbum sich findet, und die Annahme, dass das 
ursprünglich intendirte ἐχάλεσεν αὐτούς anakolutbisch in den Relatir- 
satz des V. 24 verschlungen sei, eine völlig unmotivirbare Verwirrung 
der Rede voraussetzt. Es kann auch weder einen zweiten Zweck be- 
zeichnen neben dem in ϑέλων ausgedrückten (Calv., Grot., Beng., 
de W., Otto, Böhmer, Lips., der aber lieber x«/ streichen will), de 
dieses eben kein Zwecksatz ist, noch mit χατηρτισμ eis ἀπώλειαν vor- 
knüpft werden (Beza, Rück., Beyschl.), da xarner. nicht passivisch ge- 
dacht ist, also εἰς ἀπώλ nicht den Zweckbegriff involvirt. Auch be-- 
merkt Meyer mit Recht, dass das ganze Gleichgewicht der Rede ver- 
schoben wird, wenn V. 23, an den die ganze Fortsetzung der Er- 
örterung anknüpft (V. 24), einer blossen Nebenbestimmung unter- 
geordnet wird. Willkürlich ist auch die Ergänzung eines χαὶ τοῦτο. 
(Beck), welcher die irrige Annahme zu Grunde liegt, dass das Tragen 
der Zornesgefässe die Absicht hat, diese durch ihre Bekehrung selbst. 
zu Barmherzigkeitsgefässen zu bereiten. Es ist keineswegs gegen den 
Begriff der Langmuth (gegen Beyschl.), wenn neben dem in der 
Verschiebung des Gerichts für die Zornesgefässe liegenden Heilszweck 
Gott mit dem letzteren auch andere Zwecke verband; und damit, dass 
er den πλοῦτος τῆς δόξης αὐτοῦ an den oxsun ἐλέους beweisen will, ist 
ja nicht ausgeschlossen, dass er auch für die oxsun ὀργῆς noch Heils- 
zwecke hat (gegen Lips.), zumal diese, wenn seine Langmuth ihren 
nächstliegenden Zweck erreicht, auch σχεύη ἐλέους werden. die ja nach 
V. 24 sich nicht nur unter den Heiden befinden (gegen Beyschlag). 


426 Röm 93. 34. 


ihrer theilhaftig werden (vgl. Hofm., Goeb.). Durch diese Mit- 
theilung erstreckt sich jene Kundmachung über (£zi, wie 
lıs. 29, 322) solche, die nun analog den oxevn ὀργῆς V.22 als 
Barmherzigkeitsgetässe bezeichnet werden, sofern Gottes Barm- 
herzigkeit (ἐλέους, vgl. Gen 24:4. Ps 1084. [68 6315) sie 
sich zu Gegenständen ihrer Erweisung erkoren hat. Dem 
κατηρτισμένα εἰς ἀπεώλειαν V.22 entspricht nun das ἃ σεροητοί- 
uaoev sic δόξαν, woraus aufs Neue erhellt, dass mit der 
göttlichen Herrlichkeit nur die Herrlichkeit, die in der Heils- 
vollendung ihnen zu Theil werden sollte, gemeint sein kann. 
Der an das Bild der σχείη anknüpfende Ausdruck bezeichnet 
also Alles, wodurch die vorlaufende Gnade unter Juden und 
Heiden die Menschen auf die Erscheinung Christi oder die 
Annahme des Evangeliums vorbereitet und so zu Gefässen 
hergestellt hat (σεροητοίμασεν, vgl. Jes 284. Sap 98. IKor 
29). an denen Gott seine Barmherzigkeit erweisen kann 7: 
Hat sonach Gott so wenig das ihm als Schöpfer zustehende 
Recht, ganz nach seinem Interesse die Menschen zu schaffen, 
wie er will, gebraucht, dass er vielmehr solche, die durch ihre 
Schuld dem Zorn verfallen waren, mit grosser Langmuth ge- 
tragen hat, um zugleich an solchen, die er eigens für die Theil- 
nahme an seiner Herrlichkeit vorbereitet hat, den Reichthum 
derselben zu erweisen, wie kann da noch von irgend einem 
Rechten mit Gott die Rede sein? — V. 24. ug) von ἡμᾶς 
dem Genus nach attrahirt (Bernhardy p. 302. in. 8 24, 3): 
als welche er uns auch berufen hat (vgl. 8»). Das «ci be- 


5) Dass dieses ἑγοιμάζειν vom χαταρτέζεεν sich unterscheide, wie 
das Dasein vom Sosein, und bezeichne, dass Gott sie für die Herrlich- 
keit habe werden lassen, ist eine völlig beweislose Behauptung Hofm.'s, 
gegen die schon der reflexive Gebrauch von ἑτοιμάζειν ἑαυτόν (Apk 86. 
197) und des Mediums (I Mak Bıı. 1227 und oft bei Klassikern) spricht. 
Ganz willkürlich ist ee aber auch, es im Sinne des Vorherbestimmens 
«Thol., Phil., vgl im Wesentlichen auch Luth., Otto) zu nehmen, auch 
wenn man das Vorhererkennen mit einschliesst (God., vgl. auch 
Delitzsch, Psychol. p. 40). Das προ- geht natürlich weder auf die 
Zeit vor ihrer Geburt noch auf die Ewigkeit, sondern kontextgemäss 
allein auf die Zeit vor der Kundgebung seiner Herrlichkeit, sodass 
auch das Ziel, das er mittelst langmüthigen Tragens an etlichen der 
Zornesgefässe erreicht (vgl. die vor. Anm.), mit eingeschlossen sein 
kann. Dass diese vorbereitende Wirksamkeit nur an Einzelnen er- 
folgt ist, die von Ewigkeit her daftlir auserlesen sind, ist mit keinem 
Wort gesagt; erwähnt wird dieselbe nur, weil sich an ihr zeigt, woher 
Gott für diese oxeun ἐλ. ein Interesse habe, das ihn bewegen konnte, 
sein Verfahren gegen die σχείη ὀργῆς doch auch durch eine Rück- 
eicht auf sie leiten zu lassen. Gewiss ist aber, dass, wenn er selbst 
sie zu Barmberzigkeitsgefässen bereitete, nicht ihr ϑέλειν χαὶ τρέχειν 
(V. 16) sie dazu machte. 





Röm 92. 26. 427 


sagt, dass er sie für diesen Zweck nicht nur vorbereitet, sondern 
auch bereits berufen hat. Es wird dies aber erwähnt, weil 
erst in der geschichtlichen Thatsache der Berufung sichtbar 
wird, welches die konkreten Personen sind, die er sich für 
diesen Zweck erwählt und vorbereitet hat. Darauf kam es 
aber wesentlich an, um klarzustellen, dass die so zu Tage 
tretende Verwirklichung seines Heilsrathschlusses, weit entfernt, 
sein Verheissungswort hintällig zu machen (V. 6), demselben 
vollkommen entsprochen hat. — od μόνον ἐξ ᾿Ιουδαΐων) 
Nach V. 6—13 waren ja auch die Juden als solche keines- 
wegs berechtigt, auf Grund ihrer Abkunft diese Berufung zu 
fordern. »Judaeus credens non est eo ipso vocatus, quod 
Judaeus est, sed vocatus est ex Judaeis«, Beng. Indem Paulus 
aber auch die ἐξ ἐϑνῶν Berufenen unter die ἡμᾶς, in welchem 
er sich mit den Lesern zusammenschliesst, einrechnet, zeigt 
sich aufs Neue, dass Letztere mindestens grösstentheils Heiden- 
christen waren). 

V. 25f. ὡς xal) weist zuerst von dem χαὶ ἐξ ἐϑνῶν 
nach, wie es einem göttlichen Weissagungsspruche gemäss sei, 
wie der, welcher Heiden berufen habe, dies auch schon bei 
Hosea sage. Das ἐξ Ἰουδαίων bedurfte an sich (doch =. z. 
V.27) keiner prophetischen Begründung: aber die Mitberufun 
von Heiden konnte hier nicht unerwähnt bleiben, wenn einma 
die Weise, wie sich thatsächlich in der Berufung die göttliche . 
Erwählung zu verwirklichen begonnen hat, aufgewiesen und 
als schriftgemäss begründet werden sollte, obwohl nach wie 
vor (8. V. 27ff.) das Verhalten Gottes gegen die Juden, und 
nicht etwa die Heidenberufung als solche Gegenstand der 
Rechtfertigung in diesem Abschnitte ist. — ἐν τῷ Qone) in 
libro Hoseae; vgl. Mk 12. Joh 6s&. Act 7a. Die Stelle 








*) Meyer behauptet gegen Frtzsch., dass der Konditionalsatz 
nicht fortgehe, weil alles Folgende an V. 24 anknüpfe, sondern das 
Relativum nach dem Fragesatz den Nachdruck eines οὗτος γάρ habe 
(Kühner ad Xen. Mem. 1, 2, 64). Vgl. auch Beck, Lips. Allein die 
konkrete Bezeichnung derer, welche Gott ale σχεύη ἐλέους berufen, 
gehört durchaus noch zu dem, was jede Widerrede gegen Gott völlig 
abschneidet (vgl. God.), sofern ja nachher nachgewiesen wird, dass 
die thatsächliche Ausführung der Berufung hinsichtlich ihrer Objekte 
völlig der Verheissung Gottes im AT entsprochen habe. Das Frage- 
zeichen wird daher doch wohl besser nach ἐϑνὼν gesetzt (Goeb.), so 
dass sich erst der Schriftnachweis V. 25—29 in grösserer Selbst- 
ständigkeit vom Vorigen ablöst. Dass das x«af das über die Absicht 
Gottes Gesagte durch die Thatsächlichkeit der Berufung (Hofm., 
Luth., Goeb.), oder das über ihre Vorbereitung Gesagte bestätige 
essen God.), erhellt nicht und liegt von dem eigentlichen Motiv 

ieses Zusatzes ab. 





on Röm 935. 26. 


Hos 22 handelt vom götzendienerischen Volke der zehn 
Stämme, welchem Gott mit Anspielung an die Namen der 
beiden Prophetenkinder, welche die Verstossung desselben 
symbolisch darstellten (1e—e), die Begnadigung und Wieder- 
aufnahme zum Gottesvolke verkündigt, während sie Paulus 
ihrem Wortlaut nach auf Heiden bezieht. Um dieser Be- 
ziehung willen stellt er die beiden Parallelsätze um, weil der 
zweite den Gedanken der Heidenberufung schärfer und klarer 
auszudrücken schien, und verwandelt das ἐρῶ τῷ οὐ λαῷ 
μου" λαόν μου ei συ der LXX nach Hos 16.9 in καλέσω 
τὸν οὐ λαόν μου λαόν μου. Letzteres heisst natürlich 
nichts Anderes, als: ich werde das, was nicht mein Volk war, 
nennen mein Volk (vgl. zu καλεῖν τινά τι Act 14:2), und 
kann nicht im Sinne der Berufung genommen werden (gegen 
Frtzsch.), wohl aber absichtsvolle Anspielung an das ἐχάλεσεν 
V. 24 sein, weil sich in und mit der Bezeichnung von Heiden, 
die nicht zu seinem Volke gehören, als sein Volk ihre Be- 
rufung zum Heil vollzieht. Auch das ἐλεήσω τὴν οὐκ ἡλεημέ- 
vrv ist dem Parallelismus zu Liebe verwandelt in τὴν οὐκ 
ἡγατεημένην ἠγαπημένην, um sie noch direkter als Gott- 
geliebte zu bezeichnen, was sie nach 17 durch die Berufung 

eworden sind*. — V. 26. Mit dieser Stelle verknüpft 

aulus nach rabbinischer Weise (vgl. 310—ıs und 8. Surenhus. 
χαταλλ. p. 464. 45) die damit nicht im Zusammenhange 
stehende Stelle Hos 2ı, so dass beide wie ein zusammen- 
hängender Ausspruch betrachtet sind. Hier folgt der Apostel 
wörtlich den LXX und es wird geschehen, an dem Ürte, 


*) Das xa/ nach ws geht nicht auf andere Stellen, die dasselbe 
besagen (Böhmer), sondern hebt noch nachdrücklicher hervor, wie 
schon das Prophetenwort diese Art seiner Berufung V.24 voraussagt. 
Gegen den klaren Zusammenhang mit dem Vorigen, wie mit dem 
Folgenden behaupten Hofm., Lutb., dass Paulus das Citat nach seinem 
Originalsinn auf das jüdische Volk, Beck, dass er dasselbe auf das 
οὐ μόνον ἐξ Ἰουδ. ἀλλὰ χαὶ ἐξ ἐϑνῶν beziehe, während Phil., Beck., 
Chr. Hoffm., Böhmer, Goeb., Otto u.A. die Beziehung auf die Heiden 
pothdürftig zu rechtfertigen versuchen, und letzterer wegen der Ab- 
weichungen vom Grundtext annimmt, dass Paulus die erste Stelle nur 
auszugsweise und nach seiner Interpretation zum besseren Verständ- 
niss der zweiten voraufschicke, auf die es ihm eigentlich allein an- 
komme! Ebenso unrichtig ist freilich die Annahme, dass der Apostel 
in der Begnadigung Israels einen Typus auf die Annahme der Heiden 
ge in. welcher Gesichtspunkt in der Gleichheit der Kategorie der 

ubjekte sein Recht haben soll (Meyer. vgl. Hengst., Christol. I, p. 251 
und ähnlich God.). Beides setzt eine Reflexion des Apostels auf die 
geschichtlichen Beziebungen der Stelle voraus, welche seiner Auf- 
fassung und Behandlung des AT’s gänzlich fremd ist, dessen einzelne 
Stellen er lediglich auf ihren Wortlaut hin betrachtet. 


Röm 926. 31. 9 


wo zu ihnen gesagt ist: Nicht mein Volk seid Ihr, daselbst 
werden sie genannt werden Söhne des lebendigen Gottes«. 
Da der Apostel auch diese von der theokratischen Wieder- 
herstellung des exilirten Volkes (des Reiches Ephraim) han- 
delnden Worte auf die Heiden umdeutet, kann er bei dem 
ἐν τῷ τόπῳ οὗ unmöglich an die Heidenländer gedacht 
haben (so gew., auch Meyer u. die meisten Neueren), da nicht 
wohl abzusehen ist, wer sie dort in ihrem theokratischen Stande 
als Grottessöhne anerkennen soll, und auch die Erklärung 
Gottes, dass sie bisher nicht sein Volk seien, nicht wohl »in 
den Heidenländern erschallend« gedacht werden kann, in 
denen Gott keine Wohnung hat. Er denkt an die Christus- 
gemeinde, in der ja Gott jetzt in vollem Sinne seine Wohnun 
hat. Vgl.deW,, B.-Orus, Frtzsch., Goeb., Lips., und, obwo 
unklar, Böhmer ἢ). 

V.27f. führt Paulus mit dem metabatischen de zu einem 
Citat über, in dem ein anderer Prophet (Jesajas) über das ἐξ 
Ιουδαίων Auskunft giebt, wie V. 25f. über das ἐξ ἐθνῶν. 
Wenn die Barmherzigkeitsgefässe nur ebenso aus den Juden 
berufen sind, wie aus den Heiden, so ist damit konstatirt, dass 
keineswegs Israel als solches, sondern nur Einzelne aus Israel 
zum Heile erwählt sind. Dass aber auch dies nicht nur der 
schon in der Urgeschichte konstatirten Absicht, die Gott bei 
seiner Verheissung hatte (V. 6—13), sondern auch seinem in 
der Weissagung ausdrücklich kundgegebenen Plane entspricht, 
also von einem Hinfallen der letzteren (V. 6) in keiner Weise 
die Rede sein kann, zeigt abschliessend diese Stelle. — 
χράζει) von dem lauten, und somit besonders affektvollen, 
tieferregten und eindringlichen Rufe des Redners. Vgl. Act 
236. 2421. Joh 116. 728. 81. 124. Das ὑπὲρ Ἰσραήλ ist 
gleich περί zu nehmen: in Betreff, wie seit Demosth. häufig 
bei den Verb. dic. in. $ 27, 1, 3)**)._ Das Citat ist Jes 
102f. nach den LXX, nur klingt das ἡ ὁ ἀριϑμός τῶν 


*, Ob im Urtext Palästina oder der Ort des Exils gemeint ist, 
ist streitig, keinesfalls kann es Paulus in diesem Sinne genommen 
haben (gegen Hofm... Gemeint ist auch weder im Urtext (Hitz.), 
noch bei Paulus (Ew.): anstatt dessen, was schon das nachdrückliche 
!xei, das vielleicht erst von Paulus hinzugefügt ist, nicht erlaubt, und 
um deswillen die Worte auch nicht bedeutungslos aus dem Urtext 
mit herübergenommen sein können (Rück., Krehl). Hofm. u. A. 
nehmen das doch zur Prophetenstelle gehörige χαί, als ob es Paulus 
einschöbe, und setzen ein Kolon danach. — Das αὐτοῖς fehlt in BFG 
a it. a . und ist von WH. eingeklammert, von Treg. weggelassen 
(a. R. i. Kl.). 

**) Allerdings ist in dem Citat V. 25ff. Gott ale der bei Hosea 


450 Röm 927. 28. 


υἱῶν 'log. noch aus der eben citirten Stelle Hos 2ı nach 
statt des γένηται ὁ λαός σου ’Ioe.: »wenn die Zahl der Söhne 
Israels wäre, wie der Sand des Meeres, der Rest wird gerettet 
werden«e. Der Nachdruck liegt auf dem ὑπόλειμμα; denn 
nicht Israel als Volk, sondern nur der Rest des Volkes, der 
nach der Vertilgung der grossen Masse in dem messianischen 
Strafgerieht übrig bleibt, wird gerettet werden, und so wiederum 
nur eine kleine Auswahl aus Israel das Heil erlangen ἢ). — 
V. 28. Da der Apostel hier wörtlich bis auf den verkürzten 
Schluss κύριος ἐπεὶ τῆς γῆς (st. ὁ ϑεὸς χύριος τῶν δυναμέων 
ἐν τῇ οἰκουμένῃ 0An) den LXX folgt, sind alle Reflexionen 
auf den schwierigen, jedenfalls von den LXX sehr ungenau 
wiedergegebenen Grundtext für die Erklärung unserer Stelle 
völlig bedeutungslos.. In seinem Zusammenhang kann Paulus 
denselben nur verstanden haben: »Denn einen Spruch voll- 
streckend und verkürzend in Gerechtigkeit (ist er), weil einen 
verkürzten Spruch ausführen wird der Herr auf der Erde.« 


Redende genannt, aber deshalb ist nicht zu sagen, es werde mit δέ 
der Prophet dem redenden Gotte selbst gegenübergestellt 'v. Heng.), 
weil diese formale Verschiedenheit der Einführung des Citats eine 
ganz unwesentliche ist. Nur darf man ihretwegen doch nicht sagen, 
Paulus führe von dem einen Propheten, der das ἐξ 23». bestätige, zu 
dem anderen, der das ἐξ Ἰουδ. bestätige, fort (Meyer. God., Otto, vgl. 
noch künstlicher Hofin.),, da nun einmal nicht ᾿Ησαΐας de mit Nach- 
druck dem Hosea, sondern das von Jesajas Gesagte dem Gottesspruch 
bei Hosea gegenübergestellt wird, und also nicht beide Propheten zu 
einander in Beziehung gesetzt werden, freilich auch nicht der Gegen- 
stand ibrer Aussagen, der ja bei dem ersten garnicht genannt war, 
sondern ihre Aussagen selbst, wobei nur naturgemäss das redende 
Subjekt voransteht. Dass nicht ὑπὲρ δὲ τοῦ Ἰσρ. voransteht, soll 
nach Hofm., Luth. beweisen, dass schon V. 25 auf Israel gehe; aber 
wenn nicht V. 25 auf die Heiden ginge, hätte Paulus gar keine Ur- 
sache gehabt, hier ὑπὲρ. τ. '/oe. hinzuzufügen, da ja in der anzu- 
fübrenden Stelle selbst Israel ausdrücklich genannt wird. Das χράζεε 
ist nach Hofm. gewählt, weil die Jesaja-Stelle der mit gesteigertem 
Nachdrucke gesprochene Auslauf eines längeren, zuvor vom Gericht 
über Assur handelnden Zusammenhanges ist; nach Otto bezeichnet 
es ein Schreien in die Ohren der Tauben und gebt auf den schrillen 
Ton, mit welchem solche Aussprüche den Vollblutjuden in die Ohren 
klingen mussten. Das ὑπὲρ kann weder: »zum Besten« heissen 
(Luth., Böhmer u. A.), da der Inhalt keineswegs ein für Israel ver- 
heissungsvoller ist, noch lokal gefasst werden (God.: Die Drohung 
schwebt über den Häuptern Israels). Uebrigens ist von einer Auf- 
nahme der Heiden an Stelle der ausgeschlossenen Juden noch nicht 
die Rede (gegen Meyer, vgl. auch Otto). 

Ἢ Im Urtext heisst es: Der Rest wird zurtickkehren, weshalb 
Hofm., beide Stellen wortwidrig verdrehend, eine Uebereinstimmung 
erkünstelt. Statt des xaralsıuu« der LXX (Rept. nach DEFGKLP) 
hat Paulus vroissuua (Mch 47. 57. ISam 924. Job 2031). 





Röm 9ss. 29. 481 


Offenbar bezog er den λόγος, von dem Jesajas redet, auf 
das Gotteswort, durch welches Jehova Israel das Heil zuge- 
sagt hat (V. 6). Zu den Partizipien ist die einfache Cop. 
ἐστί zu ergänzen (vgl. Kühner ὃ 354, ὁ). Das συντελῶν 
nimmt er, wie Mk 134, von der Vollendung dessen, was in 
diesem Spruch verheissen ist, und das συντέ uvw»v, wie 
IIMak 1010 (vgl. Thuc. 8, 45, 2: τήν te μισϑοφοραν ξυνέτεμεν, 
Xen. Hier. 4, 9: τὰς δατεανὰς συντέμνειν) im Sinne von: ver- 
kürzen, indem er nämlich die Israel Se Ai Verheissung 
bei ihrem endlichen Vollzuge (Bem. das Wortspiel zwischen 
dem scheinbar die volle Ausführung aussprechenden συντελῶν 
und dem die theilweile Nichterfüllung involvirenden συντέμνων) 
dahin verkürzt, dass nicht Alle gerettet werden, sondern nur 
ein Rest V. 27 (Thol., Volkm. Goeb., Lips). Dafür spricht 
auch das ἐν δικαιοσύνῃ, welches darauf hindeutet, dass die 
richterliche Gerechtigkeit Gottes die σχεύη ὀργῆς V. 22 unter 
den Juden nicht erretten kann und daher bei der Erfüllung 
seine Verheissung verkürzen mus. Dann kann natürlich 
λόγον συντετμημένον nur auf den so verkürzten Ver- 
heissungsspruch gehen, den Jehova ausführen wird (ποιήσει, 


. 


wie IMak 2s:. 32). Vielleicht soll das ἐπεὶ τῆς γῆς aus- 
drücklich auf das Land Israel hindeuten*), — Ν᾿ : ' 


. 20, xal, 
χκαϑὼς προξίρηχεν Ἡσαΐας) ist zu interpungiren, so dass 


*) Allerdings feblen NAB (Tisch., Lachm., WH., Treg. txt.) die 
Worte εν διὲκ οτε koyor ovrteru.; aber der Wegfall entstand so leicht 
durch Ueberlesen von ovrreur. auf ausreru., dass die Worte wohl bei- 
zubehalten sind. Uebrigens bleibt der Sinn ohne sie wesentlich der- 
selbe: »Denn einen Verheissungsspruch wird, vollendend und ver- 
kürzend zugleich, der Herr ausführen auf der Erde.« Gewöhnlich 
nimmt man λόγος im Sinne von Rathschluss (vgl. auch Beck), was es 
aber nicht heisst, oder für: Thatsache (Beza, Melanth., Calv., Koppe, 
Reithm., vgl. Otto: es), was es jedenfalls nicht bei Paulus heisst, 
oder für: Rechnung, Abrechnung dom. (od., vgl. Holst., der, indem 
Gott die Abrechnung mit den Juden abbricht, den Rest errettet 
werden lässt. Meyer denkt .an einen strafrichterlichen Spruch (vgl. 
v. Heng., Böhmer, die durch Abkürzung desselben den Rest gerettet 
werden lassen). Vergeblich wendet Meyer gegen die richtige Fassung 
des συντέμνειν ein, dass es in dieser Bedeutung nur von Sachen 
(namentlich Reden) stehe, während es sich doch auch hier um die in 
dem λόγος verheissene Beseligung Israels handelt. Uebrigens denkt 
er selbst V. 28 (vgl. Luth.) an eine kurze summarische Abrechnung 
(vgl. Frtzech., Rück., de W., Phil.: beschleunigen) und nimmt es 
nachher völlig unmöglich in anderem Sinne von der knappen Be- 
messenheit des Spruches.. Aber bei dieser Fassung vermag er nur 
sehr gekünstelt einen Gedankenzusammenhang zwischen V. 28f. u. 27 
herzustellen. Dasselbe gilt aber von jeder Fassung, die bei συντ. an 
eine abschliessende Erfüllung (vgl. Chr. Hoffm.) oder kurze Ab- 


482 Röm 929. 


Paulus die Worte Jes 19 (genau nach d. LXX) zu seinen 
eigenen macht: »Und, wie Jesajas vorhergesagt hat, wenn 
nicht der Herr Zebaoth uns einen Samen übrig gelassen hätte, 
so wären wir wie Sodom und Gomorrha gleich geworden«, 
ἃ. ἢ. es wäre die ganze Nation (durch Ausschliessung vom 
Messiasheil) ohne Ausnahme untergegangen τὰ ἀπώλεια an- 
heimgefallen.. Was V. 27 ein ὑπόλειμμα hiess, heisst hier 
ein σπέρμα; ob aber Paulus bei dem aus den LXX. aufge- 
nommenen, den Grundtext (Ueberrest) ungenau wiedergebenden 
Ausdruck gerade darauf reflektirt hat, dass dieser Same das 
wahre Gottesvolk erhält und fortsetzt (Meyer, God.), muss 
dahingestellt bleiben, da ja nach seiner Ansicht diese Er- 
füllung der Verheissung nur eine vorläufige ist, und nicht 
das Erwachsen eines neuen Gottesvolkes aus diesem Samen, 
sondern die endliche Gesammtbekehrung Israels in Aussicht 
steht. Goeb. denkt an ein σπέρμα ’Aße. im Sinne von V. 7f.*). 


Anmerkung. Meyer bemerkt: »Der Inhalt von 96—39, wie er 
sich rein exegetisch ergeben hat, schliesst allerdings, an und für sich 
genommen, die Idee eines von der menschlichen sittlichen Selbst- 
thätigkeit bedingten Rathschlusse Gottes aus, wie denn auch Gottes 
absolute Aktivität, als solche für sich genommen, nicht von der des 
Individuums abhängen kann: aber ein fatalistischer Determiniemus, 
das »tremendum mysterium« des Calvin, welches nach Augustin’s 


machung (vgl. Luth.) denkt, und von Otto (»denn er vollendet und 
entscheidet es, weil Entschiedenes machen wird der Herr im Lande«). 
Ganz ungenau Zimmer: Spruchvollziehend wird auch beschneidend 
(d. h. die wilden Zweige abschneidend) der Herr auf Erden walten. 
Hofm. nach seiner irrigen Deutung von V. 27f.: So lange diese 
gegenwärtige Weltzeit dauere, bleibe Israels schliessliches Heil noch 
in der Schwebe: »aber Jehova lässt es nicht dabei, er macht ein 
Ende und rechnet ab mit der Welt, und was dann lIeraels Volk ist, 
dieser Nachblieb kehrt sich ihm zu und gelangt zum Heile«. 

Ἢ Da das vorhergehende Citat nicht durch ws oder χαϑώς ein- 
geführt war, kann das χαὶ χαϑώς nicht an das ὡς in V.25 anknüpfen; 
und einen Nachsatz zu ergänzen (Phil.: οὕτω χαὶ νῦν ἔχει, Zimmer: 
so ist es geschehen, Goeb.: es ist, Lips.: γένεται), ist willkürlich. 
Das προεέρηχεν (vgl. IIIEsr 638. Mk 15383. Jud. V. 17. Plat. Rep. 
p. 6190. Lucian. Jov. Trag. 30. Polyb. 6, 3, 2) heisst nicht: wie er 
an einer früheren Stelle gesagt hat (Erasm., Beza, Calv., Grot., 
B.-Crus., v. Heng.), da solche örtliche Näherangaben bei Paulus ganz 
ungangbar sind, und diese völlig bedeutungslos wäre. Darauf, dass 
das in der Stelle Vorhergesagte in seinem ursprünglichen Zusammen- 
hange auf die Gegenwart des Propheten geht, hat Paulus sicher nicht 
reflektirt (gegen Meyer, Hofm.), da er sich stets rein an den Wortlaut 
hält. Zu der Vermischung zweier Vorstellungsweisen: gleich ge- 
worden und: geworden wie vgl. Hos 46. Ez 328. Win 8 65, 1 und 
die klassische Verbindung von ὅμοιος und ὁμοέως mit ὡς und ὥσπερ. 





Röm 929. 488 


Vorgange den Menschen seiner Selbstbestimmung und freien Selbst- 
stellung zum Heile beraubt und ihn zum passiven Gegenstande gött- 
lichen Machtwillens macht, darf ebensowenig als Paulinische Lehre 
aus u. St. entnommen werden. Dieses deshalb nicht, weil die St. 
nicht gelöst vom Folgenden (V. 30ff. Kap. 10. 11) zu betrachten ist, 
und weil überhaupt die unzähligen Ermahnungen des Apostels zum 
Glaubensgehorsam, zur Glaubensfestigkeit und christlichen Tugend, 
sowie alle seine Mahnungen an die Verlierbarkeit des Heils und seine 
Warnungen vor Rückfall aus der Gnade eben so viele Zeugnisse 
gegen jene, den göttlichen Liebeswillen zurückstellende und das 
Wesen menschlicher Sittlichkeit und Zurechnungsfähigkeit aufhebende 
Ansicht sind. 8. gegen die Calvin’sche Auslegung auch Beyschl. 
p. 24. Wollten wir nun mit Reiche und Kölln., Frtzsch. (vgl. II, 
p. 550: »melius sibi P. conseneisset, si Aristotelis, non Gamelielis 
alumnus fuisset«) und Krehl annehmen, Paulus habe sich in seinem 
dialektischen Eifer zum Selbstwiderspruche hinreissen lassen; so 
hätten wir einen so handgreiflichen, und iu religiöser und ethischer 
Hinsicht doch so äusserst wichtigen und gefährlichen, die Gnaden- 
mittel illusorisch machenden und der christlich sittlichen Idee der 
göttlichen Heiligkeit und der menschlichen Freiheit so hart entgegen- 
stossenden Selbstwiderspruch, wie er gerade diesem Apostel am 
wenigsten zuzutrauen wäre, da ihn einerseits ebensowohl sein Scharf- 
blick und seine dialektische Tüchtigkeit davor bewahren konnte, als 
insonders andrerseits seine apostolische Erleuchtung und die Klar- 
heit und Tiefe seiner eigenen sittlichen Erfahrung ihn davor be- 
wahren musste. Dadurch aber rechtfertigt sich keineswegs, dass man 
von anti-prädestinatianischer Seite seit Orig. u. Chrys. (s. Luthardt, 
vom freien Willen p. 144.) bie jetzt (8. bes. Thal. z. V. 16—18. 
20—22, vgl. Gerlach, letzte Dinge 1869, p. 159) die sittliche Selbst- 
bestimmung und Selbstthätigkeit des Menschen als den dem gött- 
lichen Willensschluss korrelaten Faktor den klaren und bestimmten 
Aussagen des Apostels an u. St. zugetragen und zwischen die Zeilen 
gelegt δα ἢ. Vielmehr liegt die richtige Beurtheilung der deter- 


5) »Dieses einlegende Verfahren springt unter den Griechischen 
Vätern besonders bei Theodor. Mopsv., unter den heutigen Theologen 
seit dem Vorgange des Arminius (8. Beyschl. p. 9ff.) aber besonders 
bei Thol. in der Paraphrase der betreffenden Stellen in die Augen. 
Es erhellt von selbst, wie bei solchen Eintragungen und Binnverwand- 
lungen kein Text mehr gegen die Subjektivität seines Auslegers 
standfest genug ist. 8. wider Derartiges die im Wesentlichen treffenden 
Bemerkungen von Baur in d. theol. Jahrb. 1857, p. 196ff. u. in 8. 
neutest. Theol. 1 182ff. Wenn aber Beyschl. Kap. 9 unter den Ge- 
sichtspunkt stellt, dass darin nicht von einem vorzeitlichen Rath- 
schluss zu ewigem Heil oder Unheil der Menschen, sondern allein 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 28 





434 Röm 929. 


ministischen Sätse V.15—23 zwischen dem psychologisch und sittlich 
unmöglichen Zugeständnies des Selbstwiderspruchs und dem ex- 
egetisch unmöglichen Eintragen von Gedanken, deren nacktes Gegen- 
theil der apostolische Ausdruck ist, folgendermaassen in der Mitte. Da 
das Wie der in der sittlichen Welt nothwendigen Konkurrenz der 
individuellen Freibeit und Selbstthätigkeit des Menschen einerseits und 
der absoluten Selbstbestimmung und Allwirksamkeit Gottes andrer- 
seits, welche letztere aber als solche des immanenten Gesetzes der 
Heiligkeit keineswegs ermangelt (gegen den Einwand von Beyschl. 
p. 20), der menschlichen Reflexion unfassbar ist, so lange sie nämlich 
nicht aus der Sphäre der christlichen Grundanschauung heraus und 
in die unbiblische Identitäts-Sphäre der pantheistischen übertritt, in 
welcher freilich die Freiheit überhaupt keine Stelle hat: so sind wir 
auch, so oft wir von den beiden Wahrheiten: »Gott ist absolut frei 
und allwirksam«, und »der Mensch hat moralische Freiheit und ist 
in eigener Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit als liberum agens 
der Ursächer seines Heils oder Unheils«, nur eine behandeln und in 
konsequenter Theorie, also einseitig durchführen, genöthigt, ao zu 
reden, dass die andere aufgehoben zu werden scheint. Aber auch nur 
scheint, denn in der That findet in diesem Falle nur ein einstweiliges 
und bewusstes Abstrabiren von der anderen statt. Hier nun sah sich 
Paulus in diesem Falle, und er spricht sich nach dieser Betrachtungs- 
weise nicht etwa bloss vorübergehend V.20.21 aus (Beyschl.), sondern 
in der ganzen Deduktion V. 6—29. Der Abstammungs- und Werk- 
einbildung der Juden entgegen wollte er nämlich die freie und abso- 
lute Machtvollkommenheit des göttlichen Wollens und Thuns geltend 
machen, und zwar um so entschiedener und ausschliessender, je weniger 
er dem anmaasslichen Judenwahne, als müsse ihnen Gott gnädig sein, 
irgend etwas übrig lassen durfte. Der Apostel hat sich hier ganz auf 
den absoluten Standpunkt der Theorie schlechthinniger Abhängigkeit 
von Gott gestellt, und zwar mit aller Kühnheit klarer Konsequenz ; 
aber nur so lange, als bis er jenem polemischen Zwecke Genüge ge- 
than hat. Dann tritt er wieder (s. V. 30ff.) von jener Abstraktion 
auf den menschlich-sittlichen Standpunkt der Praxis, so dass er also 


von Aufnahme oder Nichtaufnahme in das geschichtliche Reich Gottes 
(also in's Christenthum), und zwar der Juden und Heiden als der 
beiden Ense no egLunben: nicht der einzelnen Menschen, die Rede 
sei, und dass hierin der rechte Auslegungsschlüssel liege: so lässt 
sich dieses durch die Einzelexegese von Kap. 9, und ohne dem Inhalte 
von Kap. 10u.11 vorzugreifen, nicht rechtfertigen, und die prinzipielle 
Schwierigkeit, welche in der völlig freien Selbstbestimmung des gött- 
lichen Wollens dabei liegt, bleibt auch so, indem dieselbe in den Be- 
reich des weltregimentlichen innergeschichtlichen Thuns Gottes ver- 
legt wird, unerledigt«. 


Röm 929. 455 


den beiden Betrachtungsweisen neben einander ihr Recht lässt, wie 
sie es einmal innerhalb der Schranken menschlichen Denkens neben 
einander haben; die jenseits dieser Schranken liegende Erschauung 
des metaphysischen Verhältnisses der wesentlichen Zusammengehörig- 
keit der beiden Momente, nämlich objektiv göttlicher und subjektiv 
menschlicher Freiheit und Willensthätigkeit, blieb nothwendig ausser 
und über seinem Gesichtskreise, wie er auch gerade hier keinen An- 
lass gehabt hätte, auf dieses Problem einzugehen, da es ihm oblag, 
eben nur mit der einen Seite desselben, mit der Absolutheit Gottes, 
die jüdische Anmassung zu schlagen. Dass und inwiefern die gött- 
liche Wahlbestimmung dennoch kein delectus militaris, sondern in 
Gott selbst durch seine Heiligkeit immanent normirt, und somit auch 
durch eittliche Bedingungen menschlicherseits bedingt sei, bleibt 
ihm dabei vorläufig ganz ausser Betracht, tritt aber schon V. 30ff. 
auf, womit die zeitweilig verfolgte Einseitigkeit der Betrachtungsweise 
wiederum ausgeglichen und der Lehrbestimmung von einem absoluten 
Dekrete der im apologetischen Interesse einstweilen eingeräumte 
Boden wieder entzogen wird. Vgl. auch de W., Lechler, apost. Zeit- 
alter p. 122f., Phil., Glaubensl. IV, 1. p. 113, Beck a. a.O. und Baur, 
neut. Theol. p. 182ff.e Dieser Vermittelungsversuch Meyer’s erscheint 
dem Bearbeiter ebenso unhaltbar, als unnöthig. Es ist nicht denkbar, 
dass Paulus sich nicht des harten unlösbaren Widerspruchs dieser 
beiden Betrachtungsweisen, die er so unmittelbar aufeinander folgen 
lässt, die sich aber nicht gegenseitig ergänzen, sondern gegenseitig 
aufbeben (zumal wenn man annimmt, dass sie Kap. 11 völlig mit ein- 
ander verflochten werden), sollte bewusst geworden sein und darum 
lieber den Versuch, auf diesem Wege das ihm vorliegende Problem 
zu lösen, aufgegeben haben. Man muss also immer darauf zurück- 
kommen, dass Paulus entweder sich jenes Widerspruchs nicht bewusst 
geworden ist, oder, wie wir gezeigt zu haben glauben, dass er auch 
im Vorigen nichts gesagt hat, was die im Folgenden so klar hervor- 
tretende Verschuldung der Juden, die ihre zeitweilige Verwerfung 
veranlasst hat, ausschliesst ἢ). 


*) Mit Unrecht bezeichnet es Meyer als willkürliche Eintragung, 
wenn man nach Analogie der sonstigen Aeusserungen Pauli sich vor- 
behält, dass die Freiheit seines Erbarmens, welche Paulus Gott 
V. 16—18 so nachdrücklich vindizirt, nicht eine Freiheit der Willkür 
sein darf, sondern die Freiheit ist, mit welcher Gott festsetzt, an 
welche Bedingung er seine Gnade knüpfen will (vgl. Weiss, bibl. Theol. 
ἃ 68, b), vorausgesetzt, dass man dabei nicht an irgend eine mensch- 
liche Selbstthätigkeit denkt, die allerdings durch V. 11. 16 kategorisch 
ausgeschlossen ist, sondern an das Verhalten der Menschen gegen 
seine vorbereitende Gnadenwirksamkeit (V. 23). Das schliesst nicht 
aus, dass Paulus die biblischen Beispiele von Jakob und Esau 


28 * 


456 Röm 929. so. 


Der zweite Abschnitt des vierten Haupttheils (9s0 bis 
1021) zeigt nun, wie die Verwerfung des grössten Theiles 
Israels durch seine eigene Schuld veranlasst ist, indem Paulus 
zuerst feststellt, worin diese Verschuldung bestanden habe 
(9s—10s), sodann, worin das Entscheidungsschwere derselben 
lag (10«—ıs), und endlich, wie unentschuldbar ihrerseits jene 
Verschuldung war (10 4u—2ı). 

990---108. Die Verschyldung Israels. — ri οὖν 
£goüuev;) fragt, was in Folge der V.24 ausgesprochenen und 
V, 25—29 in ihrer Uebereinstimmung mit der Verheissung 
begründeten Thatsache zu sagen, und zwar, wie aus dem 
Inhalt der Antwort erhellt, was in Betreff des Grundes der- 
selben zu sagen sei*), worauf mit ὅτε (wir werden sagen, dass 
u. 8. w.) die Antwort folgt (vgl. Hofm., Volkm., Beck, God. 
u. A.). — ἔϑνη) Heiden als solche (vgl. 214), nicht die Heiden 


(V. 12f.) und von Pharao (V. 17) zur Unterstützung seiner Argumen- 
tation in einer Weise verwerthet, die sich dieser Anschauung nicht 
fügt. Während dies sich aber aus seiner Auffassung und Behandlung 
der alttestamentlichen Schrift erklärt, so kann für die Feststellung 
der Lehre Pauli doch nur in Betracht kommen, was er aus diesen 
Beispielen folgert, und dass dies nicht weiter geht, als das oben 
Behauptete, zumal wenn man den der Erbarmung entgegengesetzten 
Begrift der Verstockung in dem allgemein biblischen, auch von Paulus 
überall festgehaltenen und dem Wortlaut allein entsprechenden Sinne 
fasst, wonach er eine verkehrte Richtung und darum eine Verschul- 
dung voraussetzt, ist in der Einzelexegese gezeigt worden. "Dazu 
kommt, dass Meyer durch unhaltbare Exegese die in V. 22 eintretende 
entscheidende Wendung verkennt, in welcher ausdrücklich angedeutet 
ist, dass Gott das, wozu er ein absolutes Recht hatte, nicht gethan, 
und dass Israel durch seine Verschuldung sich den Zorn Gottes zuge- 
zogen hat (vgl. auch das ἐν διχαιοσύνῃ V. 28). 

*) Weder sammelt sich der Apostel in dieser Frage erst nach 
langer Abschweifung (de W.), noch kehrt er zur Frage nach der 
wirklichen Beschaffenheit der Thatsache, um die er nach V.2 trauert 
(Hofm., der V. 30—33 garnicht von der Schuld Israels die Rede sein 
lässt), oder nach ihrer V. 6 noch nicht gegebenen Erklärung zurück 
(God... Es handelt sich aber auch nicht um eine Zusammenfassung 
des geschichtlichen Ergebnisses aus den vorherigen Prophetieen 
(Meyer, vgl. Frtzsch.), in denen ja das Hauptmoment von V. 30f. 
garnicht enthalten ist. Den meisten dieser falschen Fassungen des 
οὖν liegt die N orannnetung zum Grunde, dass V.30f. nur Uobergan 
zu V. 32 sei, wo erst die Begründung der Thatsache, um die es sic 
hier handelt, folge, und dass der Apostel auf eine Desau EuEEnE der 
Annahme der Heiden hinauswolle (vgl. noch Goeb.). Das ὅτε kann 
nicht bloss eine Präzisirung der aufgeworfenen Frage bringen: was 
sollen wir dazu on, dass (Theod. Mops. u. M., Flatt, Olsh., vgl. 
Morus), da diese e weder aus dem Vorigen gefolgert werden 
kann, noch im Folgenden beantwortet wird. Erkünstelt war es, wenn 
Tb. Schott in διχαίοσ. δὲ τὴν ἐχ πέσε. die Antwort auf diese Frage 


Röm 930. sı. 487 


als Gesammtheit (de W.. Es kam also vor, dass Menschen 
Gerechtigkeit erlangten, wie es Heiden sind, die nun, genau 
wie 214, nach dem Merkmal näher charakterisirt werden, auf 
welches es hier gerade ankommt, nämlich als solche, welche 
doch nicht einmal Gerechtigkeit erstrebten (εὰ un dıwxovra 
dıxaroovynv). Nach einer Gerechtigkeit, wie sie durch Er- 
füllung eines göttlich gegebenen Gesetzes erlangt wird, konnten 
sie freilich nicht streben, da sie ein solches nicht hatten, aber 
auch nach einer Gerechtigkeit auf Grund des ihnen einge- 
pflanzten Sittengesetzes strebten sie mit vereinzelten Aus- 
nahmen (2ı4f.) nicht, sofern sie in sittlichen Indifferentismus 
versunken waren (12»—a). Hier haben wir also den V. 16 
ausgesprochenen Grundsatz bestätigt, dass Gottes Erbarmen 
die Gerechtigkeit — und damit die Bedingung alles Heils — 
een hat unabhängig von allem Wollen und Laufen des 

enschen, da der Glaube der Gegensatz aller menschlichen 
Werkthätigkeit ist und überdem durch Gott selbst gewirkt 
wird in denen, die ihn in sich wirken lassen. Zu dem bild- 
lichen, vom Laufen nach dem Preise in der Rennbahn ent- 
lehnten dıwxee», vgl. Plat. Rep. p.545 A. Theaet. p.176B, 
so wie zu dem korrelaten χαταλαμβάνεδιεν vgl. Phl 312—ı«. 
IKor 92%. ITim 6uf. JSir 1110. 278. Die ganze Stelle ist 
akuminös gestaltet. »Vehementer auditorum commovet ejus- 
dem redintegratio verbi, — — quasi aliquod telum saepius 

rveniat in eandem partem corporis«, Auct. ad Herenn. 4, 28. 

as in diesem scheinbaren Widerspruch liegende Problem der 
Heilsgeschichte löst der Apostel, indem er, ähnlich wie 32, 
mit dem näherbestimmenden δέ hinzufügt, dass es eine Ge- 
rechtigkeit war, die aus Glauben herkommt (τὴν ἐκ πείστεως, 
vgl. 3%. 5ı), auf Anlass Glaubens erlangt wird, womit freilich 
von selbst gegeben ist, dass sie nicht erjagt werden kann, da 
das auf etwas Anderes gesetzte Vertrauen eben der aus- 
schliessende Gegensatz zu aller Selbstthätigkeit ist, durch die 
man sein Ziel erstrebt. — V. 31 enthält den zweiten Theil 
der Antwort, wird aber doch wohl besser, weil nachdrücklicher, 
nicht mehr von örı abhängig, sondern als selbständiger Satz 
gefasst (Meyer gegen de W.), da V. 32 allein an V. 31 an- 


fand, wie Reiche auf die fragweise proponirte Antwort (Sollen wir 
sagen, dass Heiden u. s. w.), der dann V. 82 die »Wegräumung des 
Grundes der Einwendung durch Aufdeckung der Ursache der Er- 
scheinung« folge. Unmöglich kann das ὅτε begründend sein, da das 
τί ἐροῦμεν nicht die Antwort »Nichts« involvirt (gegen Lips., welcher 
behauptet, dass obige Erklärung gegen den Paulinischen Gebrauch 
des τέ ἐροῦμεν seil). 





488 Röm 9sı. 


οὐδο λῶν — Ἰσραὴλ δέ) nämlich der Masse des Volkes nach. 
— δεώ κων) nicht: obschon (de W., Lips.), sondern gerade: 
weil; denn hier wird nun vollends klar, dass diejenigen, 
welche mit eigenem Wollen. und Laufen nach dem Heilswe 
suchten, denselben nicht finden konnten, da Gott nun einm 
nach seinem freien Erbarmen sich vorbehalten hat, zu be- 
stimmen, auf welchem Wege er das Heil erlangen lassen will 
(vgl. V. 16). Eben darum sagt der Apostel nicht, dass sie 
nach der Gerechtigkeit trachteten, was, wenn .dies auf dem 
gottgewollten Wege geschieht, immerhin sein Ziel erreichen 
muss, so wenig der Ausdruck διώχειν dafür ein passender 
wäre, sondern dass sie einer Norm (vgl. 327. sı) nachjagten, 
nach welcher Gerechtigkeit erlangt wird (vgl. Volkm., Holst, 
Sand.). Der Genit. in νόμον δικαιοσύνης ist ein einfacher 
Genit. der Angehörigkeit, wonach die gemeinte Norm als eine 
solche bezeichnet wird, welche zur Gerechtigkeit (Gottwohl- 
getälligkeit) gehört, weil sie (dem Wesen einer solchen ent- 
sprechend) zeigt, wie man dazu gelangt*). Da nun von einer 
solchen Norm erst recht gilt, sie nicht von Menschen 
enagt, sondern nur von Gott gegeben werden kann, der doch 
allein zu bestimmen im Stande ist, wie man zu der vor ihm 
nn normalen Beschaffenheit gelangt, so ist es klar, 
ass die Folge ihres dıwxsır nur sein konnte, dass sie zu einer 
solchen Norm nicht gelangten (sis νόμον οὐκ ἔφϑασε, 
yel. Dan 419. Piut. Mor. p. 338A. Apollod. 12, 242. Phl 
16) **), 


*), Schon wegen des artikellosen Ausdrucks kann unmöglich das 
Mosaische Gesetz (auch Beng., Koppe, Flatt, Reiche, Krehl, de W., 
vgl. Göb., Luth., obwohl mit Anklängen an die richtige Auffassung) 
gan! sein, worauf auch Hofm. wieder hinauskommt, obwohl doch 

χων nach Analogie von V. 30 unmöglich das Bestreben ausdrücken 

kann, das Gesetz zu erfüllen (vgl. auch Böhmer, Lips.), sondern 
nur, es zu besitzen. Otto findet hier einen paradoxen Ausdruck 
für das sinnlose Ziel des Judenthums und denkt an ein Gesetz, das 
die von den Vätern ererbte Gerechtigkeit zum Ausgangspunkt, bezw. 
Fundament ihrer Ansprüche hat. Dem Richtigen nähern sich Frtzsch., 
Tbol., Meyer, obwohl sie unklar von dem Ideal eines rechtfertigenden 
Gesetzes oder einem zur Realisation vorgestellten Ideal der Ge- 
rechtigkeit (Phil.) reden, wogegen Hofm. mit Recht polemisirt. Das 
Richtige ahnend, wollten Rück., Kölln. unmöglicher Weise den Aus- 
druck nach paradoxer Redekürze für τὸν νόμον ὡς νόμον dıx. nehmen. 
Aeltere fanden hier sogar eine Hrpallage für διχαιοσύνην νόμου 
(Chrys., Theodor., Calv., Beza, Pise., Beng.). 

52) Das Fehlen des zweiten διχαίοσυνης in NABDEG it. cop. lässt 
sich unmöglich daraus erklären, dass ursprünglich you, dıx. per hom. 
weggefallen war (was nur in Min. der Fall ist) und nur theilweise 
restituirt wurde (Meyer), und muss daher ursprünglich sein, die Hin- 








Röm 982. 489 


Υ. 821. διὰ τῷ sc. εἰς νόμον (δικ.) οὐκ ἔφϑασεν; Ant- 
wort: ὅτε οὐχ ἐκ πίστεως, sc. ἐδίωξεν νόμον διχ., dann 
aber ist der Gegensatz von ἐκ σείστεως und ἐξ ἔργων hier 
nicht ohne weiteres der aus der Paulinischen Rechtfertigungs- 
lehre bekannte, wenn Paulus auch vielleicht absichtlich an 
ihn anspielt; denn die Norm, nach welcher die gottwohl- 
gefällige Beschaffenheit erlangt wird, kann nur Gott selbst 
bestimmen, wer also nicht im Glauben hinnimmt (vgl. 15. ıe), 
was Gott als diesen νόμος dıx. verkündigen lässt, der kann zu 
dem wahren »du. dı“. nicht kommen. Nur so erklärt sich ja 
auch das ὡς vor ἔξ ἔργων (vgl. IIKor 217), das sonst aller- 
dings keinen Sinn hätte. Dagegen charakterisirt es durchaus 
treffend die subjektive Vorstellung, von der sie bei ihrem 
Streben ausgingen: wie wenn der »öu. dıx. nothwendig von 
Werken ausginge und darum nur gefunden werden könne, 
wenn man die rechten, die dıx. erwerbenden Werke kennen 
lernte. Eben weil sie bei ihrem gesetzlichen Sinne es für 
selbstverständlich hielten, dass ein νόμος dı“. Leistungen an- 
geben müsse, durch die man sich die dıx. verdienen könne, 
konnten sie zu dem wahren vou. dıx., der die dıx. an das 
gerade Gegentheil aller menschlichen Leistung bindet, nicht 
gelangen ἢ. Die Folge davon aber (Holst.) und darum der 





zufügung von δεχ. (Rcpt.) aber eine naheliegende Erläuterung (vgl. 
Tisch., Lchm., ie WH.). Ebenso ist das νομοῦ nach ἔργων in 
V. 82 (Rept. nach DEKLP) erläuternder Zusatz. Hilg. will das 
voraufgehende διχαιοσύνης zu εἰς νόμον ziehen, wodurch im Grunde 
der richtige Gedanke (wenn auch in sehr unnatürlicher Weise) heraus- 
kommt, dessen obige Darstellung er gänzlich missversteht. Ganz 
willkürlich erklärt Hofm. nach seiner falschen Fassung des »ou. dıx., 
Israel sei nicht &Zvvouos geworden; weil ihm das Gesetz, dem 
Schatten gleich, immer nur nahe, aber unerreichbar blieb, so sei es 
garnicht dazu gekommen, seinen Standpunkt überhaupt in einem Ge- 
setze zu haben und in ibm zu leben, weder im alttestamentlichen, 
hinter dem es her war, noch im neutestamentlichen, dem es den 
Rücken kehrte (vgl. Beck). Aehnlich mischen Luth., Goeb., Chr. 
Hoffm., Böhmer die Gesetzeserfüllung ein, wodurch der Gedanke ganz 
verschoben wird (vgl. zu V. 32f.), und Lips. verwandelt einfach νόμον 
in »das von dem (Mosaischen) Gesetz dem menschlichen Thun vor- 
gesteckte Ideal«! Fälschlich übersetzen Erasm., Est.. Ew., Jatho 
u. A. das ἔφϑασεν auch hier: praevenit. 

ἢ Der Sinn des Verses wird völlig verkannt, wenn man, mebr 
oder weniger klar, statt des ἐδέωξεν νόμον διχ., das doch allein aus 
V. 81 ergänzt werden kann, ergänzt: τὴν διχαιοσύνην (vgl. noch 1185) 
und nun den Gegensatz ἐχ πίστεως --- ἐξ ἔργων darauf bezieht, dass 
sie dieselbe nicht aus Glauben, sondern aus Werken zu gewinnen 
strebten. Nach Meyer soll das ws nur das ἐξ ἔργων mehr hervor- 
heben, um die (verkehrte) Art und Qualität des Strebens zu be- 


440 Röm 982. 833. 


tiefste Grund, warum sie zu dem Ziele, nach dem sie suchten, 
nicht wirklich gelangten (Hofm.), war das mit grossem Nach- 
druck asyndetisch angereihte προσέκοψαν (vgl. Mt 46 nach 
Ps 912. Pıv 32. m.13,16) τῷ λέϑῳ τοῦ προσχόμ- 
ματος. Dem Bilde vom δεώχϑδεν entsprechend, wird die 
Thatsache, dass sie das Ziel desselben nicht erreichten, 
dadurch erklärt, dass sie unterwegs anstiessen und hinfielen *). 
Der Stein des Anstosses aber, an welchem sie stolperten, 
war Christus, insofern sie an seiner Erscheinung (besonders 
an seinem Kreuzestode, IKor 12), und mehr noch daran, dass 
sie auf Grund dieses Kreuzestodes die dıx. erhalten sollten 
(was all’ ihren Vorstellungen von der Art, wie man die dıx. 
erlangt, aufs Entschiedenste widersprach), Anlass zum Un- 
glauben nahmen. Woher der Apostel von dem Stein des 
Anstosses als einem bekannten reden konnte, zeigt das fol- 
gende Citat. — V. 33. καϑὼς yeyparrıaı) Ihr Anstossen 
war nichts Unvorhergesehenes, vielmehr bereits von der Weis- 
sagung in Aussicht genommen. Um dies nachzuweisen, hat 
Paulus in der ohnehin frei nach den LXX (vgl. das ri Inuı 
ἐν) citirten Stelle Jes 28:16, anstatt des Ecksteins, den dort 
Jehovah legt, die Bilder vom λέϑος προσκόμματος und 
der πέτρα aus Jes 814 eingesetzt, die er freilich statt durch 
στώματι näher bestimmt durch das bezeichnendere σχαν- 
δάλου (vgl. IPt 26.8): Siehe ich lege in Zion einen An- 


zeichnen (vgl. Klotz ad Devar. p. 757f.. Dem realen Sinne nach 
kommt hierauf auch Phil. (vgl. Rück.) hinaus, jedoch ὡς von der 
subjektiven Vorstellung der διώχοντες deutend (vgl. Lipe.), gleich ὡς 

noöusvos etc., obwohl doch bei ἐξ ἔργων wie bei ἐχ πέστ. nur der 

egriff des διώχεεν gedacht sein kann. Hofm. hat in Konsequenz 
seiner irrigen Fassung von V. 31 den Worten den Sinn abgenöthigt, 
»dass Israel in einem Thun zu stehen wähnte, vermöge dessen es 
hinter dem Gesetze Gottes her seic. Natürlich kann das ὡς weder 
heuchlerisches Wesen (Theophyl.), noch vermeintliche Werke (Frtzsch.) 
bezeichnen, auch nicht quasi (v. Heng. nach Vulg.), da ja die Juden 
wirklich von Gesetzeswerken bei ihrem Streben ausgingen. 

4) Das προσέχοψαν ist keineswegs der Grund dieses δεώχεεν 
(Meyer, Phil. Krehl, vgl. Lips., der freilich nachher wieder diesen 
Anstoss als die Folge ihres falschen δεώχειν erklärt), und schon daher 
das yap (Rept nach KLP) nur ganz verkehrter Verbindungszusatz. 
Mit dem Vorigen lässt sich das προσέχοιψαν nicht verbinden, weder 
so, dass es den Nachsatz zu dem Vordersatz mit ὅτε bildet (Lehm., 
Thol., Otto), aa dies ὅτε nur als Antwort auf die Frage διὰ τέ; ge- 
fasst werden kann, noch 80, dass es das Verbum zu dem Satz mit 
ὅτε bildet, da die Ergänzung eines διώχοντες (God.) oder gar ὄντες 
(Holst.) sehr hart ist, noch gar so, dass es allein zu ἀλλ᾽ ὡς ἐξ ἔργων 
Be (Th. Schott: »sondern, wie es sein musste in Folge von 

erken, an dem Stein des Anstosses zu Falle kame). 





Röm 988. 101. 441 


stossstein und Aergernissflls. Er sieht darin, wie auch die 
Rabbinen thun, eine Messianische Weissagung, nach welcher 
der in Zion, d.h. im theokratischen Mittelpunkte des Volkes 
eingesetzte Messias, Vielen ein Gegenstand des Anstosses 
werden wird, der sie veranlasst zum Unglauben. Nur die 
Schlussworte sind genau den übrigens mindestens sehr ungenau 
übersetzenden LXX entnommen: wer sich verlässt auf ihn, 
auf ihm sein Vertrauen ruhen lässt, wird nicht zu Schanden 
werden. Gott hat also wohl vorausgesagt, dass der Messias 
ein Stein des Anstosses für Viele sein werde, aber zugleich 
den Weg gewiesen, wie man diesen Anstoss vermeiden kann, 
nämlich durch das gläubige Vertrauen auf ihn. Wären sie dem 
Messias gläubig entgegengekommen, um sich durch ihn, den 
Heilbringer, den Weg des Heils zeigen zu lassen, dann wären 
sie nicht zu Schanden geworden (5 Ν᾽ hätten sich in ihm nicht 
etäuscht, sondern auf Grund solches Vertrauens in ihm 
en wahren »vou. dıx. und damit den Heilsweg gefunden, 
während sie jetzt sich an ihm stiessen und so das Ziel ver- 
fehlten *). 


Kap. X. 


V.1f. ἀδελφοῦ Die liebevolle Anrede drängt sich, 
wie Otto treffend ausführt, dem Apostel auf, um anzudeuten, 
wie die warme Theilnahme für sein Volk, die er nochmals 
ausspricht (vgl. 926), seinem brüderlichen Gefühl gegen die 
heidenchristlichen Leser keinerlei Abbruch thue. as μέν, 
dem kein δέ entspricht, setzt auch hier voraus, dass dem Apostel 
ein Gegensatz vorschwebt, nämlich, dass er wohl weiss, warum 
das, worauf diese Theilnahme gerichtet ist, sich nicht verwirk- 
lichen kann (V. 3). Aber eben darum dient es allerdings zu 
einer nachdrücklichen Bekräftigung dieser Aussage, die mit 
dem vernichtenden Urtheil über sein Volk (θ 818.) in schroffem 
-Widerspruche zu stehen schien. Es steht gleich hinter dem 
Art, weil es sich ebenso auf das erste wie auf das zweite 
Subjekt bezieht. Nachweislich heisst evdoxia (Ps dis, 18 16. 
14416. Mt 317) nichts Anderes als Wohlgefallen, das durch 








*) Das πὰς (Rept. nach KLP) ist ein Zusatz aus 1011. Es be- 
darf zur Erklärung des ἐπ᾿ αὐτῷ nicht der Vorstellung, dass Christus 
als derjenige gedacht ist, an welchem der Glaube als an seinem 
Grunde haftet (Meyer mit Berufung auf Bernhardy p. 250), geschweige 
des Umschweifes: »fidem in Deo ponit Christo fretus« (v. Heng.). 
S. auch z. Mt 27. 





442 τ Röm 101. 3. 


τῆς Eung καρδίας als ein tiefinnerliches bezeichnet wird, 
weil es im Mittelpunkt seines gesammten Seelenlebens seinen 
Sitz hat. Es könnte nach dem vorigen scharfen Urtheil über 
sie scheinen, als müsse das sie für ihre Verschuldung treffende 
Verderben ihm nur gerecht erscheinen, und jede Abwendung 
desselben sein Missfallen erregen. Aber nicht nur sein Wohl- 
gefallen, sondern auch seine .Bitte an Gott für sie ist auf Er- 
rettung gerichtet. Der Art. vor δέησις (Ps 22%. IIChr 6%. 
Dan 95) weist auf die Bitte seines Herzens zurück (vgl. Win. 
δ 18, 2,b. Kühner ὃ 461, 2), die dieser Grundstimmung 
desselben entspricht. Dagegen bedurfte das σερὸς τὸν ϑεόν 
keiner Artikelbindung (vgl. Win. $ 20, 2), weil dieser Zusatz 
ja erst den Begriff der Bitte zu dem einer an Gott gerichteten 
(Gebetsbitte vervollständigt, der durch vrzee αὐτῶν (nämlich 
die Glieder des Volkes Israel) noch weiter zur Fürbitte sich 
bestimmt. Gegenstand seines Wohlgefallens, wie Ziel seiner 
Fürbitte für sie ist aber Errettung von dem Verderben, das 
sie auf Grund der Verfehlung 9sıff. treffen muss (eig awry- 
oiav)*). Treffend übrigens Beng.: »non orasset Paulus, si 
absolute reprobati essent«. — V.2. μαρτυρῶ γὰρ αὐτοῖς) vgl. 
Lk 4. Joh 3%. 2. IIIJoh s, begründet diese Theilnahme 
an den Gliedern seines Volkes, die das Ziel verfehlt haben,. 
dadurch, dass ihr, wenn auch irrender, Eifer immer noch 
etwas Achtungswerthes hat und eine Hoffnung übrig lässt. 
Sie haben Eifer um Gott (ζῆλον ϑεοῦ, vgl. Ps 6910. IMak 
2:8), eifern für seine Ehre, wenn sie gegen den Messias und 


*, Offenbar hat die neue Anrede den Anlass zu der höchst un- 
assenden (gegen Phil., Otto) Kapitelabtheilung gegeben; aber auch 
ofm., Volkm., Holst., Luth., Goeb. u. A. machen bier einen Absatz, 

obwohl doch V.3 genau auf dasselbe zurückkommt, was 981}. gesagt 
war. Die Anrede kann nicht Ausdruck der Rührung sein (Meyer), da 
sie sich ja nicht an die richtet, denen die Aeusserung seiner Theil-- 
nahme gilt. Hofm. findet ganz willkürlich in dem μέν, dass er sich 
nicht verbergen könne, an welche Bedingung seine Bitte geknüpft 
sei. Dass εὐδοχέκ nicht: Wunsch, Verlangen heisst (gegen Chrys., 
Theodor., Theophyl., Rück., Reiche, Kölln., de W., Olsh., Goeb.) oder 
gar Willensmeinung (Hofm.), steht fest: aber auch die Bedeutung: 
Wohlwollen (Frtzsch., v. Heng., Meyer, Beck) ist äusserst zweifelhaft 
und jedenfalls:hier ganz. unpassend, wo ja der Gegenstand nicht eine 
Person, sondern eine Sache ist, weshalb Meyer das eis σωτηρίαν 
künstlich umschreiben muss: awınof« ist das Ziel, welches mein Wohl- 
wollen für sie will. Das πρὸς τὸν #0» passt zu dem zu ergänzenden 
ἐστέν (gegen Volkm.) so wenig, wie das ὑπὲρ αὐτῶν zu dem richtig ge-- 
fassten eudoxi« (gegen Meyer, Hofm. u. d.M., vgl. dagegen God., Otto, 
Luth., Zimmer). Die Rept. bat nach n ϑεησις den Art., erläutert 
arrow durch τοῦ Jagen) und fügt danach dıe Cop. eorıw hinzu,. 
wesentlich nach KL. 





Röm 102. 3. 443. 


sein Evangelium ankämpfen (vgl. Phl 3e), aber nicht in Ge- 
mässheit rechter Erkenntniss (οὐ κατ᾽ ἐπίγνωσιν). Man 
beachte auch hier (vgl. z. 12) das Compos.; denn an γνῶσις 
überhaupt fehlte es den Juden nicht; aber gerade an dem 
Punkte, auf welchen es ankam, dass ihre γνῶσις die rechte, 
ihren Gegenstand mit der rechten Unterscheidungsgabe (vgl. 
God.) durchdringende ἐσίγνωσις gewesen wäre, fehlte es 
ihnen ἢ)... — V. 3 begründet zunächst das οὐ κατ᾽. ἐχείγνωσιν.. 
Schon darım kann das daran: anknüpfende ἀγνοοῦντες 
nichts Anderes heissen, als: nicht kennend (vgl. zu 24). 
Allerdings war es ihre Schuld, wenn sie die Gerechtigkeit 
des Gottes, um den sie eiferten (vgl. Otto), nicht kannten, da 
sie ja im Gesetz und in den Propheten bezeugt war (321); 
allein diese Verschuldung hervorzuheben, war im Zusammen- 
hange kein Anlass, in welchem es nur darauf ankam zu er- 
klären, warum sie eine eigene Gerechtigkelt (τὴν ἔδεαν, vgl. 
8 82) aufzurichten, zur Geltung zu bringen (στῆσαι, wie 3sı) 
suchten. Die eigene Gerechtigkeit ist natürlich eine selbst- 
erworbene, also ἐξ ἔργων hervorgehende, und dies ihr ζητεῖν 
(vgl. 27) die nothwendige Folge davon, dass sie einem νόμος 
διχαιοσ. nachjagten wg ἐξ ἔργ. V. 32, wie ihr ἀγνοεῖν die 
Folge des οὐχ ἐφϑ. V. 31. Eben weil ihnen so die Gottes- 
gerechtigkeit, welche das Evangelium predigt (117), nicht nur 
etwas völlig Neues und Unbekanntes, sondern etwas der ein- 
mal von ihnen eingeschlagenen . Richtung direkt Entgegen- 
gesetztes war, sofern die dıx. ϑεοῦ nicht selbsterworben, sondern 
aus Gnaden geschenkt wird, haben sie sich ihr, als sie ihnen 
nun verkündigt wurde, nicht untergeordnet (οὐχ ὑπετά- 
ynoav, vgl. 8). Während Gott verlangt und verlangen 
kann, dass man sich von ihm sagen lasse, auf welchem Wege 
man die dıx. erlangen solle, haben sie die vrraxon πίστεως 
(15) verweigert, nicht der von ihm proklamirten, ihnen aber 
völlig fremden und unsympathischen Heilsordnung sich gefügt, 
und so kann jetzt ihr Eifern um Gott nur ein unverständiges 
sein **). 


*, Nur darf man nicht mit Hofm. die ganz willkürliche Be- 
stimmung eintragen, es sei ein Erkennen gemeint, welches die willent- 
liche Richtung auf den Gegenstand des Erkennens zur Voraussetzung 
hat (s. z. 128), oder es mit Beck vom Anerkennen der Erkenntniss: 
nehmen, mit Otto von einen das Herz durchdringenden Erkennen. 
Von Eifersucht gegen die Berufung der Heiden (Chr. Hoffm.) ist 
natürlich nicht die Rede. 

**) Auch in den klassischen Stellen, welche für ἀγνοεῖν in der 
Bedeutung »verkennen« angeführt werden (wie Xen. Mem. 4, 2. 25. 29. 
Cyr. 4, 1, 16. Dem. 151. 7 al.), ist der Sinn »nicht kennen« festzu- 


444 Röm 104. 


V. 4—13. Die entscheidende Bedeutung der 
Verschuldung Israels liegt darin, dass auf dem von ihm 
verschmähten Heilswege schlechterdings allein alles Heil zu 
finden ist. Vgl. God. Wenn diese Erörterung als Begrün- 
dung (γάρ) eingeführt wird, so kann sie nur begründen, 
weshalb ihr Eifern für Gott, in dem sie nur eine eigene Ge- 
ee τ aufzurichten streben (V.2f.), ein unverständiges war. 
Vgl. Rück.*). Gewöhnlich übersieht man (wie v. Heng,, 
Hofm., Holst., Luth., Sand. erkennen), dass das mit grossem 
Nachdruck an die Spitze gestellte τέλος νόμου artikellos 
steht, dass also ausgedrückt werden soll, wie gesetzliche Ver- 
mittelung der Heilserlangung mit dem Erscheinen Christi 
überhaupt ein Ende (Lk 185. IPt 4, vgl. Augustin. und die 
meisten neueren Ausleger) hat. Denn Χριστὸς bezeichnet 
eben den Heilsmittler, und es liegt im Begriff desselben (vgl. 
Hofm.), dass er (nämlich durch seinen Tod) das Heil ver- 
mittelt, also das Mittel zur Erlangung der Gerechtigkeit und 
darum die Grundlage der Heilsgewinnung nicht mehr, wie in 
der alten Theokratie, ein νόμος sein kann**. — sig 
dıxaLoavyny παντὶ τῷ πιστεύοντι) damit Gerechtigkeit 


halten. Falsch daher Reiche, de W., Thol., Ew., Volkm., Luth., 
Goeb. u. M.: verkennend; Hofm.: ausser Acht lassend. Natürlich ist 
es nicht bloss Schonung gegen die Juden, wenn Paulus von blosser 
Unkenntnies redet (Rück. u.M.), da er ja garnicht an Juden schreibt. 
Den Gegensatz der ἰδία dıx. zu der dıx. ϑεοῦ findet Otto wieder, wie 
etwa Chr. Hoffm., in einer auf irgend welche (doch erst menschliche 
oder aus eigener Gesetzesauffassung abgeleitete) Ordnung sich gräün- 
denden dıx., während er das ὑπετάγησαν, wie 820, passivisch nimmt. 
Das dıxawournv (Tisch. nach NFGKL Rcpt.) ist als erläuternder Zu- 
satz zu streichen. 

*, Es wird also nicht begründet, dass man sich der Gottes- 
gerechtigkeit unterwerfen muss (de W.), was ja nicht gesagt war, 
oder warum die Juden sich ihr nicht unterordneten (Phil., Otto), was 
ja in dem Partizipialeatz des V.3 ausreichend gesagt war, auch nicht 
eigentlich, aus welchem ἀγνοεῖν ihr verkehrtes Gerechtigkeitsstreben 
hervorging (Meyer, Hofm., Holst.), da ja das Objekt des ἀγν. in V. ὃ 
direkt genannt war. Hilg. findet hier, um zu erweisen, dass Paulus 
an judenchristliche Leser schreibt, einen Beweis für die wahre Ge- 
rechtigkeit, obwohl ar doch lediglich das Schicksal der ungläubigen 
Juden erklärt. 

**) Erfüllung des Gesetzes (Orig., Erasm., Est., Wolf), was viele 
dogmatische Erklärer von der satisfactio activa fassten oder auch von 
der activa und passiva zugleich (Calov), heisst τέλος nicht, weshalb 
auch die Reflexion auf die wahre Erfüllung des Gesetzes (Meyer) 
garnicht hierber gehört, da ja vom Mosaischen (Gesetz un. 
nicht, und ebensowenig davon die Rede ist, dass es als gesetzliche 
Forderung aufhöre (wie 7ıfl.), sondern nur davon, dass eine solche 
nicht mehr Heilsmittel sei. Sprachlich tadellos, aber ebenfalls dem 


Röm 104. δ. 445 


erlange jeder, welcher glaubt. Aus dem zei erhellt, dass 
auch die, welche ein Gesetz hatten, durch dessen Erfüllung 
sie meinten, nach der Gerechtigkeit streben zu können, jetzt: 
nach Gottes Ordnung nur mittelst Glaubens die Gerechtigkeit 
erlangen können, sodass jenes Streben, so sehr man dadurch 
auch für Gott und seine Ehre zu eifern trachtet, nur ein un- 
verständiges Eifern sein kann. 

V.5. Das γάρ ist erläuternd (»nämlich«), oder nur inso- 
fern begründend, als aus der Beschreibung des gegensätzlichen 
Charakters der V. 4 einander entgegengesetzten Normen der 
Gerechtigkeitserlangung erhellt, dass die eine die andere auf- 
hebt (vgl. Holst.). — γράφει τὴν dıx.) schreibt von der Ge- 
rechtigkeit (vgl. Joh 1s. Herm. ad Eur. Phoen. 574), die 
aus einem Gesetz, d.h. aus der Erfüllung desselben herkommt. 
(τὴν ἐκ νόμου, Gegensatz von τὴν ἐχ πίστεως 9%). Zum 
Praes. vgl. das häufige λέγει bei Schriftanführungen. — Die 
durch das rezitative ὅτε eingeführte Stelle Lev 185 giebt 
Paulus zunächst genau nach den LXX, selbst mit dem avra, 
das im Zusammenhange derselben, wie Paulus als bekannt 
voraussetzt, auf die Gebote Gottes geht. Das Hauptgewicht: 
aber liegt auf πεοιῆσας: wer sie gethan haben wird, so dass 
also Moses das Thun als die Heilsbedingung für den Menschen 
aufstelt. Auch das ζήσδται behält er bei, obwohl man 
δικαιωθήσεται erwartet. Aber dass das Leben nicht erlangt. 
werden kann ohne Gerechtigkeit, setzt Paulus nach der Ur- 
norm der göttlichen Gerechtigkeit als selbstverständlich voraus, 
und betont er dadurch noch ausdrücklich, dass er das ἐν αὐτοῖς 
des Grundtextes und der LXX in ἐν αὐτῇ verwandelt (mit 
‚ Bezug auf die von ihm beschriebene Gerechtigkeit: auf Grund 

ihrer). Vgl. God. ἢ). 


Zusammenhang nicht a Ha ῶς Chrys., Theophyl., Melanth., Beza,. 
Michael., Chr. Hoffm. u. M.: Zweck und Ziel des Gesetzes sei die 
Gerechtmachung der Menschen, und diese sei durch Christum ge- 
schehen; oder (Theodoret., Grot., Wttst., Klee, Glöckl.): Zweck und 
Ziel des Gesetzes heisse Christus deshalb, weil Alles im Gesetze, als 
dem παιδαγωγὸς eis Χριστόν (Gal 3%), auf ihn hinführe: »quiequid 
praecipiat, quicquid promittat, semper Christum habet pro scopo«, 
Calv. Ganz verkehrt Otto: Gesetzes Ende, nämlich Christus, ist der: 
Weg zur Gerechtigkeit für jeden, der da glaubt, was schon von dem 
Gläubigen des AT gelten soll. 

*) Nach NB ist der Art. vor vouav (Rept., Lchm., ae a. R.). 
zu streichen. Das Richtige hat im Folgenden offenbar B, der avr« 
nach ποίησας (Treg. txt., ἃ. R.i. Kl.) und doch ev «urn hat. Entweder 
änderte man dies nach αὐτὰ in auross (Ropt., Meyer nach EFGKL), 
oder man liess «ur« fort und setzte das ors nach γραφει (NAD), eine 
so offenbar abglättende Lesart, dass Tisch, WH. sie nicht hätten 





.446 Röm 106. 


V.6f. ἡ δὲ ἐκ πίστ. διχ. οὕτως λέγει) Da Paulus 
‚ausdrücklich nicht sagt, dass Moses (oder die Schrift) die 
Glaubensgerechtigkeit beschreibe, so entbehrt die Annahme, 
.dass Paulus in den folgenden Worten Mose’s eine typisch 
weissagende Charakteristik dieser Gerechtigkeit erkannt habe, 
in der dieselbe, nur personifizirt (vgl. Hbr 125), sich selbst 
charakterisire (vgl. Meyer, Lips. nach Augustin. de nat. et 
grat. 83, Theodor., Erasm., Calov., Seml., Ch. Schmidt, 
Reiche, Kölln., Olsh., Benecke, Frtzsch., B.-Crus., Ew., Umbr., 
vgl. Otto), im Texte jeden Anhalts. Vielmehr hat Paulus, 
der ja die Glaubensgerechtigkeit nicht, wie die Gesetzes- 
gerechtigkeit, durch den, der den Grund zu ihr gelegt, konnte 
.charakterisiren lassen, weil er nicht Christo selbst Worte in den 
Mund legen durfte, die dieser nicht gesagt (vgl. Rück. Phil.), 
dieselbe sich selbst schildern lassen und diese Schilderung in 
Mosaische Worte nur eingekleidet*). Die von dem Apostel 
benutzte Stelle ist Din 3012—ı, die er aber mit dem nur 
ungefähr in ihrem Zusammenhange liegenden un εἴπῃς ἐν 


VG 


vorziehen sollen, da ein so planer Text sicher nicht dazu veranlasste, 
ihn durch Konformirung nach Lev 185 oder Gal 312 zu verwirren. 
Es ist hiernach zu lesen: γραῴφέι τὴν διχ. τὴν εχ vouov οτι 0 ποιῆσας 
αὐτὰ ανϑρωπος ζησεταιε ἐν avın. Der Vers kann nicht einen Beweis 
‚aus Moses selbst für V.4 bringen (de W., Meyer), da ja V.6, worauf 
doch der Hauptaccent läge, garnicht als Wort des Moses eingeführt 
wird, auch nicht, indem man einen Gegensatz zwischen dem yocipes 
und λέγεε erkünstelt (Hofm.), da überhaupt im Folgenden von der 
Aufhebung des Gesetzes garnicht die Rede ist, sondern es kann nur 
die Gesetzesgerechtigkeit und die Glaubensgerechtigkeit beschrieben 
werden. Daher erhellt auch aus dieser Berufung auf Moses nicht, 
dass V. 4 vom Mosaischen Gesetz die Rede war, da es nur thatsäch- 
lich zu seiner Zeit keine andere, aus einer gesetzlichen Ordnung 
stammende Gerechtigkeit (Bem. das artikellose τὴν 2x νόμου) geben 
konnte, als auf Grund des durch ihn promulgirten Gesetzes (gegen 
Meyer). Nach Otto sind die dıx. ἡ 2x νόμου und ἡ ἐκ πίστεως wesent- 
lich dieselbe διχαίοσ. ϑεοῦ im Gegensatz zur ἰδέα dıx., und er erklärt: 
wer das ausgerichtet, was alle Gebote wollen, nämlich zu der Er- 
kenntniss der Sünde und des Unvermögens der Menschen. Gottes 
Willen zu thun, hinzuführen, der wird hierdurch leben, d. ἢ. Ge- 
rechtigkeit erlangen und zwar die Gerechtigkeit aus dem Glauben! 
ἢ So mit Recht die Meisten, wie Chrys., Luther, Beza, Calv., 
auch Thol., Rück., Goeb., Böhmer, Sand.; Beng. nennt das eine sua- 
vissima parodia, Phil. »ein heiliges und liebliches Spielen des Geistes 
Gottes im Worte des Herrn«. Man führt dafür auch an, dass Paulus 
die Stelle mit noch grösserer Freiheit 418 sonst und in einem genau 
entgegengesetzten Sinne benutzt (da sie gerade von der Gesetzes- 
erfüllung redet), und nirgends anderswo eine biblische Stelle so 
zwischenein kommentirt. Auch Hofm. geht davon aus, dass Paulus 
.die (Glaubensgerechtigkeit als eine vorhandene und gegenwärtige 


Röm 106. 447 


τῇ καρδίᾳ σου aus Din 81. 94 einleitet: Du sollst nicht 
eprechen in Deinem Herzen (d. h. denken), was nun wörtlich 
aus der Hauptstelle entnommen wird: »Wer wird in den 
Himmel hinaufsteigen?« Während sich aber dies dort auf 
das Gebot Gottes bezieht, das man nicht erst vom Himmel 
herabholen dürfe, weil es dem Volke durch Mosen gegeben 
sei, bezieht die Glaubensgerechtigkeit die Worte darauf, dass 
man nicht denken solle, es bedürfe irgend welcher ganz ausser- 
ordentlicher, ja unmöglicher Kraftanstrengungen, um das zu 
erlangen, was doch das Streben jedes Menschen ist, nämlich 
die Gerechtigkeit, von der all unser Heil abhängt*). — τοῦτ᾽ 
ἔστιν) ist, wie 98, nicht eine Erklärung darüber, was diese 
Worte bedeuten, sondern setzt den in ihnen liegenden Ge- 
danken einem anderen gleich, der sich daraus in der Anwen- 
dung, die der Apostel von ihm für die Gegenwart macht, 
ergiebt; denn da sie voraussetzen, dass die Gerechtigkeit noch 
nicht beschafft sei, so würde daraus folgen, dass noch kein 
Heilsmittler auf Erden erschienen sei. Das In den Himmel 
Hinaufsteigen, d. ἢ. das Unternehmen übermenschlicher Kraft- 
anstrengungen, um die Gerechtigkeit zu beschaffen, ist also 
etwas ebenso Verkehrtes, wie Christum (vom Himmel) herab- 
führen (Χριστὸν καταγαγεῖν); denn jene ist bereits be- 
schafft, und dieser ist bereits herabgestiegen (in seiner Mensch- 
werdung), und zwar eben, um sie zu beschaffen. Darin liegt 
dann allerdings zugleich eine Motivirung des Verbotes jener 
Frage, die sich in ihrer Gleichsetzung mit dieser als ganz 


selbst sprechen lässt mit Worten, die an Dtn 30 erinnern sollen, 
jedoch so, dass das Wort, von welchem Moses spricht, sich zu dem, 
welches die Glaubensgerechtigkeit meint, so verhalte, wie Altes Te- 
stament zum Neuen, jenes also auf dieses weissage. Aehnlich God., 
Beck., Luth. 

*, Natürlich ist es nicht buchstäblich gemeint, als müsse man 
die Gerechtigkeit aus dem Himmel holen (Phil., God., vgl. Beck), 
sondern das Hinaufsteigen in den Himmel ist der proverbielle Aus- 
druck (vgl. Prv304) für ein dem Menschen unmögliches Unternehmen, 
wie sachlich auch in der Deuteronomiumstelle, wo es sich aber nicht 
um die Erfüllung des Gesetzes (Meyer), sondern um die Erlangung 
desselben handelt. Hiernach ist die Frage nicht eine Frage der An- 
maassung (God.), des Unglaubens (Meyer), auch nicht des Wunsches 
(v. Heng.: utinam quis sit, qui nos 6 longinquo in viam salutis ducat); 
aber es handelt sich auch allerdings in Υ. 6f. nicht bloss um die 
Verneinung der Schwierigkeit gerecht zu werden, wie V.8 um die 
Versicherung der Leichtigkeit (Cbrys., Theodoret., Theophyl., Grot. 
u. M., auch Reithm.), sondern darum, dass die Glaubensgerechtigkeit 
vor Allem erklärt, man dürfe die Gerechtigkeit nicht als eine erst zu 
erwerbende betrachten, was dem Grundgedanken der Rechtfertigungs- 
lehre vollkommen entspricht. 


448 Röm 101. 8. 


verkehrt erweist*). — V. 7. ἢ tig χαταβήσεται εἰς τον 
&ßvooo»v;) Das Kolon nach 7 ist zu tilgen. Die Frage be- 
zeichnet sachlich dasselbe, wie die des Grundtextes (LXX: 
τίς διασεεράσει ἡμῖν εἰς τὸ ππτέραν τῆς ϑαλάσσης;), die nur in 
anderer Form die Vorstellung eines äusserst schwierigen, ja 
fast unmöglichen Unternehmens versinnlicht, wobei natürlich 
der Zweck wieder ist, die Gerechtigkeit zu erlangen. Paulus 
wählt aber diese Form, in der er ausdrücklich den gang- 
baren Gegensatz gegen den Himmel εἰς τ. ἄβισσον (Job 118. 
Ps 107%. 1398. Am 92. JSir 1618. 245), den Hilg. aus 
IVEsr 4s ableitet, einführt, um hieran einen ähnlichen Mi- 
drasch zu knüpfen, wie in V. 6. Dies In den Hades Herab- 
steigen, d. ἢ. das Unternehmen übermenschlicher Kraft- 
anstrengungen, um die Gerechtigkeit zu beschaffen, ist etwas 
ebenso Verkehrtes. wie Christum von Todten Heraufführen 
(Χριστὸν ἐν νεχρῶν ἀναγαγεῖν); denn jene ist bereits be- 
schafft, und dieser ist bereits auferstanden, und zwar eben um 
die in seinem Tode erworbene Gerechtigkeit uns zu versiegeln 
(45). Die verzweifelte Frage also, wer doch jenes thun könnte, 
ist so verkehrt, wie wenn man Christum erst von Todten er- 
erwecken wollte, und wird daher von der Glaubensgerechtig- 
keit verboten**). — V.8. ἀλλὰ τί λέγει!) Sonden was 
sagt sie (die Glaubensgerechtigkeit)? Ungenauer Gegensatz 


ἢ Der Einwand, dass es dann heissen müsse: Christum herab- 
führen wollen (Hofm.), ist ganz haltlos; denn die Erklärung kann nur 
das ὠναβ. εἰς τ. οὐρ. dem Χριστὸν xuray. gleichsetzen wollen, und erst 
die Frage: wer wird in den Himmel hinaufsteigen? würde danach 
der Frage gleichzusetzen sein: wer wird Christum herabführen ? d.h. 
dem Herabführenwollen Christi. Es bedarf darum weder hier, noch 
V.7 der dem Sinne des τοῦτ᾽ Zorıv widersprechenden Erklärung: 
nämlich um Christum herabzuholen. So nach patristischen Auslegern 
Olsh., de W., Meyer, Volkm., Holst., Goeb., Böhmer, Chr. Hoffm., 
Zimmer, Otto, Lips., Sand. Es spricht dagegen vor Allem, dass damit 
in die alttestamentlichen Worte ein so völlig fremdartiger Sinn hinein- 
gelegt wird, dass man nicht begreift, warum sich Paulus an sie tiber- 
baupt noch angeschlossen hat. Nach den Meisten soll hiermit die 
Glaubensgerechtigkeit den Unglauben an die Menschwerdung Christi 
verbieten, die man für nicht geschehen und für unmöglich hält 
(Meyer), nach Glöckl. den Unglauben an die Himmelfahrt Christi 
(vgl. God.) oder gar ein Herabführen des zur Rechten Gottes sitzenden 
Christus, welches den handgreiflichen Beweis von seiner himmlischen 
Erhöhung geben soll (Melanth., Calv., Reiche, v. Heng.), was doch 
Alles zur spezifischen Charakteristik der Glaubensgerechtigkeit gar- 
nichts nun 

55) Der Descensus Christi in den ἄβυσσος (Scheol) ist jedenfalls 
die unzweifelhafte Voraussetzung, von welcher aus Paulus die Worte 
u. St. den Worten des Grundtextes substituirte.e Nach Glöckl. will 


Röm 108. 9. j 449 


zu μὴ eireng V. 6, als ob vorher die Negation bei A&ysı V. 6 
ee hätte (οὐχ οὕτω λέγει" siszce etc.), der sich aber 
adurch rechtfertigt, dass wirklich das, was die Glaubens- 
gerechtigkeit zu denken verbietet, nur ausdrücken soll, was sie 
nicht von sich sagt. Die Frageform dient »ad attentionem 
excitandam«, Dissen ad Dem. de cor. p. 186. 347. Vgl. Gal 
4%. Die nun folgenden Worte sind direkt aus Din 301, 
natürlich mit Weglassung von allem, was für die apostolische 
Verwendung keine Bedeutung hatte: »Nahe ist Dir das Wort 
in Deinem Munde und in Deinem Herzen.< Was aber dort 
vom Wort des Gesetzes gesagt ist, deutet der Apostel mit dem 
τοῦτ᾽ ἔστιν auf τὸ δῆμα τῆς πίστεως (Gen. obj., wie Gal 
32. Eph 11. 615. Act 209), d. ἢ. das Wort, welches von 
dem Heilsvertrauen handelt, und also voraussetzt, dass das 
V.6f. erst zu erlangen gesuchte Heil (die Gerechtigkeit) bereits 
vorhanden sei, und es nur darauf ankomme, durch zuversicht- 
liches Vertrauen auf den, der dasselbe beschafft hat, es sich 
anzueignen. Das 0 κηρύσσομεν (vgl. IKor 128. 1511) deutet 
darauf hin, dass von diesem Worte wirklich gilt, was die 
Worte aus Deut. sagen; denn wenn es in dem Munde und 
.. der Verkündiger ist, ist es uns ja in Wahrheit ganz 
nahe *). | 
V. 9£. ὅτε) setzt nicht die Rede der Glaubensgerechtig- 
keit fort (Göb.), sondern begründet, weshalb die Aussage über 
das Wort vom Glauben V. 8 jede weitere Anstrengung zur 
Beschaffung der Gerechtigkeit (V. 6f.) ausschliesst, wenn es, 
wozu doch sein Nahesein auffordert, mit dem Munde bekannt 
(ἐὰν ὁμολογήσῃς, vgl. JSir 426. Sap 1815. IIMak 66) und 
mit dem Herzen geglaubt wird. Das Bekenntniss, dass Jesus 


wieder God. die Worte so nehmen, dass die Frage, wer in den 
Hades steigen wolle (um selbst die Verdammniss für seine Sünden zu 
tragen), soviel sei, als leugnen, dass Christus sie in seinem Tode ge- 
tragen babe, ala eine Leugnung seines Versöhnungstodes. 
ἢ Es wird also eben nicht einem Verbot des Unglaubens in 
V. 6f. eine Aufforderung zum Glauben gegenübergestellt, wie die 
Meyersche Erklärung voraussetzt, und Lips. wieder einträgt, und das 
τοῦτ᾽ ἔστιν bringt nicht, wie man es dann fasst, eine Näherbe- 
stimmung des ῥῆμα, sondern eine Deutung desselben. Der Gen. bei 
ῥῆμα kann weder ein »Gen. auct.« sein (Otto: wie es sich dem Glauben 
zu eigen giebt, vgl. Chr. Hoffm.: das Glauben wirkt), noch ein Wort 
bezeichnen, das einen Inhalt hat, der als geschichtliche Wirklichkeit 
eglaubt sein will (vgl. auch Goeb., Zimmer), oder überhaupt »ein 
laubenswort« (Hofm.), was schon die beiden Art. nicht erlauben. 
So wenig hier schon von der inneren Aneignung dieses Wortes die 
Rede ist (Otto), so wenig bringt erst V.9 die Inhaltsangabe desselben 
(Rück., v. Heng. u. M., auch Holst., Lips.). 


Meyeor's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 239 


450 Röm 109. 10. 


χύριος (Bem. das mit Nachdruck voranstehende Prädikat), 
d. ἢ. unser göttlicher Herr sei, ist auch IKor 1235. Phl 2u 
das spezifische Christenbekenntniss, »in hac appellatione est 
summa fidei et salutis«, Beng. Dieses Bekenntniss setzt aber 
voraus den Glauben (χεεστευσης), dass Gott Jesum von 
Todten auferweckt hat (42), weil er dadurch erst zu gott- 
leicher Herrlichkeit erhoben is. Nur die Anknüpfung an 
die Deuteronomiumstelle hat es natürlich hervorgebracht, dass 
hier neben dem Glauben ausdrücklich noch das (ihm selbst- 
verständlich folgende) Bekenntniss hervorgehoben und τ μὴ 
vorangestellt wird, weshalb auch die χυρεότης Jesu vor der 
sie bedingenden Auferweckung genannt werden musste. Als 
Folge von beidem wird die Errettung vom ewigen Verderben 
bezeichnet (σωϑήσῃ, vgl. ὅ οἵ), welche ohne Beschaffung der 
Gerechtigkeit unmöglich ist (1 16), weshalb mit dem Worte, das 
nur diesen Glauben verlangt, alles Bemühen um die Erlangun 

derselben unnöthig gemacht ist ἢ). — V.10 begründet, weshalb 
Paulus das Nahesein im Munde V. 8 auf das Bekenntniss und 
das Nahesein im Herzen V.9 auf das Glauben bezog, und der 
Apostel schafft sich in dieser Begründung nicht nur die Ge- 
legenheit, zu der natürlichen Ordnung von Glauben und Be- 
kennen zurückzukehren, sondern auch die in V. 9 vorausge- 
setzte Bedingung der Errettung (die durch den Heilsmittler 
beschaffte δικαιοσύνη) ausdrücklich zu benennen. Der Nach- 
druck liegt also auf χαρδίᾳ, weil sich nur mittelst des 
Herzens, d. h. im tiefsten Innenleben das Glauben vollzieht 
(πιστεύεται). Dass dem Glauben der Erfolg beigelegt 
wird, zur Gerechtigkeit zu führen (eig δεχαιοσύνην., vgl. 
V. 5), entspricht dem Grundgedanken der Paulinischen Recht- 
fertigungslehre. Aber die durch den Glauben erlangte Ge- 
rechtigkeit würde wieder verloren gehen und Errettung nicht 
zur Folge haben, wenn er nicht dadurch beständig bewährt 


*) Das ὅτε begründet also nicht, dass hinsichtlich des evan- 
gelischen ῥῆμα Bekenntniss und Glaube (Mund und Herz) zusammen- 
stimmen müssen, um Jdas Heil zu erlangen, wie dies Moses V.8 vom 
Wort des Gesetzes meine (Meyer). Auch entsprechen die Objekte des 
Bekennens und Glaubens nicht den Fragen in V. 6f. (de W., Meyer, 
God., Lipe., Sand.), da Jesus ja nicht durch seine Menschwerdung, 
sondern durelı seine Auferweckung zur χυριότης erhöht ist. Ganz 
künstlich will Hofm. das ὅτε auf ἐγγύς σου τὸ ῥῆμά ἐστεν beziehen und 
darin den Grund sehen, warum das Wort, von welchem Moses spricht, 
zu dem, welches die Glaubensgerechtigkeit meint, sich verhält, wie 
Altes Testament zum Neuen, und auf dieses weissagt. — Das ors xug. 
ıno. in B (WH. txt. Treg. a. R.) ist dem Parallelsatz konformirt, wie 
das ro ona« nach ομολογ. (B WH. txt.) aus V. 8 wiederholt. 





Röm 1010—12. 451 


würde, dass er mit dem Munde bekannt wird (στόματι 
ὁμολογεῖται). Vgk® God. Wir haben also in der Ver- 
theilung des eig din. und sig σωτηρίαν nicht einen bloss 
formalen, sondern einen nach dem sachlichen Verhältniss der 
Heilsordnung gestalteten Parallelismus ἢ). 

V.11ff. λέγει γὰρ ἡ γραφή) begründet aus der Schrift 
die entscheidende Bedeutung des Glaubens für die Heils- 
erlangung mit den schon 988 angezogenen Worten aus Jes 
2816. Nur wird hier das weder im Hebr. noch bei den LXX 
stehende, aber der Sache nach in dem uneingeschränkten 
ὁ σειστ. bei Jes. liegende πᾶς hinzugefügt, um hervorzuheben, 
dass auch für Israel, das durchaus nach einer eigenen (aus 
(Gresetzeswerken hervorgehenden) Gerechtigkeit trachtete (V. 3), 
durch Christum jeder Vermittlung des Heils durch ein Gesetz 
ein Ende gemacht war (V. 4)**). — V. 12. οὐ γάρ ἐστι 
διαστολή) vgl. 32, erläutert das τεᾶς dadurch, dass hin- 
sichtlich dieser Beseligung des Glaubenden ein Unterschied 
zwischen einem Juden und Hellenen (vgl. 3s) nicht stattfindet. 
Denn Ein und derselbe (ὁ γὰρ αὐτός) ist Herr Aller. 
Dieser κύριος τπεάντων kann nach V. 9 umsomehr nur 


Ὦ Mit Recht bemerkt Phil., dass Paulus den Ausdruck nicht 
umkehren würde und das Bekenntniss als Mittel nennen, wodurch 
man zur Gerechtigkeit gelangt, da so immer der Schein entstände, 
als ob dasselbe ein verdienstliches Thun wäre. Nach Lips. will 
Paulus nur begründen, dass beides erforderlich sei, nach Hofm. will 
er zeigen, wie, dem Inhalte des neutestamentlichen Wortes ent- 
sprechend, das Verbalten zu demselben nicht ein Thun (wie beim 
alttestamentlichen Wort des Gesetzes), sondern ein Glauben und Be- 
kennen sei, wobei der Nachdruck, der auf χαρδίᾳ und στόματι liegt, 
ibersehen, und Ἰησοῦς zum Subjekt von zzuor. und ὁμολογ. gemacht 
wird, was durch ITim 816 durebaus nicht gerechtfertigt wird. Sinnig 
bemerkt Goeb., dass die unsichtbare Jixawovvn dem innerlichen 
Herzensglauben und die in die Erscheinung tretende σωτηρία seiner 
Kundgebung im Bekenntniss entspricht, was aber doch über einen 
formalen Parallelismus nicht hinausführt. Die Beziehung der ὁμολογία 
auf das Taufbekenntniss (Böhmer) verengt den Gedanken, da es 
gerade auf das dauernde ὁμολογεῖν ankommt; Otto setzt an seine 
Stelle einfach das Taufsakrament. 

**) Dieser Schriftbeweis zeigt unzweideutig, dass die Noth- 
wendigkeit des Glaubens nicht in V. 6—10 als von Mose geweissagt 
dargestellt sein kann (gegen Meyer, der sich darum hier mit einer 
»feierlichen Besiegelung« alles Vorigen hilft. Da aber im Vorigen 
auch nicht V. 4 begründet war, so kann jetzt nicht die Vollendung 
dieser Begründung, insbesondere des zerrl τ, nıor. folgen (Hofm., 
Holst... Allerdings liegt die Ausschliesslichkeit und damit der Uni- 
versalismus der (rlaubensforderung als Heilsbedingung indirekt schon 
in V. 9f.; aber darum kann man doch nicht sagen, dass dieser es 
sei, der hier begründet werde (Otto). 


29" 


452 Röm 1012. 18. 


Christus sein, weil sich auf ihn auch, wie 938, das ἐσ αὐτῷ 
V.11 bezog. So mit Recht die Meisten» Auch hier schliesst 
die κυριότης, wie V. 9, das Heilsmittlerthum Christi ein, wie 
aus dem appositionellen Zusatz erhellt, wonach er reich ist 
(πλουτῶν, vgl. Ps 481. Prv 312. Jer 5x. IKor 48) für 
Alle (eis πιάντας), d.h. so dass er Allen von seinem Reich- 
thum mittheilen kann. Woran er reich sei, verstand sich dem 
christlichen Bewusstsein von selbst und liegt auch in dem 
vorherigen οὐ καεαισχυνϑήσεται und in dem nachherigen 
σωϑήσεται, nämlich an Gnade und Heil. Vgl. 5. — τοὺς 
ἐπικαλουμένους αὐτόν) nennt als das Charakteristikum 
derer, welchen er von seinem Reichthum mittheilen kann, die 
Anrufung Christi (um dieses Heil) auf Grund seiner nach V.9 
eglaubten und bekannten xugıorng, welche auch nach IKor 12. 
hl 2 ı0f. den Christen eigenthümlich ist*. — V. 13 be- 
Be die Thatsache, dass alles Heil von der Anrufung 
hristi und von ihr allein abhängt, durch Schriftworte aus 
Joel 35 (wörtlich nach LXX. 2»), die Paulus als bekannt 
voraussetzt und zu den seinigen macht: »Jeder, der den Namen 
des Herrn angerufen haben wird, wird gerettet werden.< Da 
dieselben nun von der Anrufung Jehovahs handeln, und Paulus 
sie nach seiner Messianischen Deutung der Stelle unmittelbar 
auf die Anrufung Christi bezieht, so ist klar, dass er dem- 
selben göttliche Anbetung vindizirt (vgl. 95) ἢ). So ist also 


4 Da die Hinzufügung des πᾶς in V. 11 in keiner Weise ala 
solche markirt ist, kann sie auch hier nicht gerechtfertigt werden 
(Hofm., Luth.). God. lässt den Apostel hier von der Verdienstlosig- 
keit des Heils zu seiner Allgemeinheit übergehen, um den zweiten 
Punkt zu nennen, in welchem die Juden Mangel an Erkenntniss hin- 
sichtlich des Heilsplanes Gottes zeigten; ähnlich Beck und besonders 
Hilg., der daraus schliesst, dass der Apostel seine Leser noch von 
der Unbeschränktheit der Gottesgerechtigkeit durch den Vorzug des 
jüdischen Gottesvolkes überzeugen will, den sie durch die Paulinische 

eidenbekehrung beeinträchtigt sehen. Man übersieht dabei völlig, 
wie der Nerv des Gedankens nach dem Kontext nicht darauf liegt, 
dass auch die Heiden auf diesem Wege das Heil erlangen, sondern 
dass auch die Juden es auf keinem anderen erlangen können, wie 
selbst Lips. anerkennt. Die Beziehung des χύριος auf Gott (Theodoret., 
Theoph., Grot., Reiche, Kölln., Ew., Umbr., v. Heng., Zimmer) ist 
kontextwidrig und wenigstens bei Otto (der ausserdem übersetzt: 
derselbe Herr ist Aller Herr) offenbar bedingt durch die Tendenz, 
das Citat in V. 13 in seinem alttestamentlichen Sinne za nehmen. 
46) Dass dem Paulus die an erstere geknüpfte Verheissung in der 
neutestamentlichen Zeit für diejenigen und nur für die gilt, welche 
ihre Heilszuversicht auf Jesum setzen und also ihn anrufen (Hofm.), 
ist willkürliche Eintragung. Meyer bemerkt: »Das Anrufen Christi, 
welcher nirgends im NT als identisch mit dem Jehova des AT's er- 





Röm 1018. 14. 458 


nicht nur die entscheidende Bedeutung des Glaubens über- 
haupt, sondern auch der Stellung zu Öhristo festgestellt, so 
dass erhellt, weshalb die Juden, die sich keinen anderen »vou. 
dıx. als einen durch Werke vermittelten denken konnten 
und an Christo Anstoss nahmen (9s), zur Errettung nicht 
gelangt sind. 

V. 14—21. Die Unentschuldbarkeit Israels. — 
Zunächst musste die Nothwendigkeit der evangelischen ἀποστολή 
festgestellt werden, um dann den Ungehorsam der Juden gegen 
dieselbe mit der Stärke des Kontrastes hervortreten zu lassen 
(Meyer, vgl. de W., Phil, God.), sofern jene N u. den 
Grund aufdeckt, warum es mit der Anrufung Jesu als Heils- 
bedingung (V.13) gegeben war, dass den Juden das Heil in der 
Form der Verkündigung von Jesu (vgl. V.8) entgegengebracht, 
und darum ihr Verhalten zu derselben entscheidend für sie 
werden musste*). — πῶς οὖν ἐπικαλέσωνται) Wenn die 


scheint (gegen Phil.), ist nicht das Anbeten schlechthin, wie es nur 
in Betreff des Vaters, als des einigen absoluten Gottes geschieht, 
wohl aber die Anbetung nach der durch das Verbältniss Christi zum 
Vater (dessen wesensgleicher Sohn, Ebenbild, Throngenosse, Vermittler 
und Fürsprecher für die Menschen u. s. w. er ist) bedingten Re- 
lativität im betenden Bewusstsein. — — Der Christum Anrufende ist 
sich bewusst, er rufe ihn nicht als den schlechthinnigen Gott, sondern 
als den zur göttlichen δόξα erhöhten gottmenschlichen Vertreter und 
Vermittler Gottes an, in welchem die adäquate Heilsoffenbarung 
Gottes gegeben sei.ce Diese dogmatisirenden Reflexionen scheinen mir 
über den Text und die Einfachheit apostolischer Anschauung hinaus- 
zugehen. 

ἢ Die Darlegung der Unentschuldbarkeit Israels beginnt also 
keineswegs erst V. 18 (Meyer), sondern jedenfalls schon V. 16. Aber 
desbalb sind auch V. 14f. keine Abschweifung (Rück., vgl. Zimmer), 
was sie wären, wenn sie eine Anklage wider die Heiden (Frtzsch.) 
oder eine Rechtfertigung der Heidenberufung (Calv., Reiche, Böhmer, 
Chr. Hoffm., vgl. besonders Hilg. a. a. O. p. 272) sein sollten, noch 
der Abschluss des vorigen Abschnitts, sofern zur Universalität des 
Heils auch eine universelle Verkündigung gehört (Holst.). -Freilich 
enthalten sie auch weder einen jüdischen Einwurf (Grot., Mich., Böhmer), 
da vielmehr bier wieder einmal recht deutlich erhellt, wie wenig diese 
dialektische Form eine Antithese gegen dem Apostel vorschwebende 
Irrthümer enthält, wie selbst Lips. zugeben muss, noch haben sie 
bereits die Tendenz, den Juden jede Ausflucht abzuschneiden (Chrys,., 
Theodoret. u. M., auch Kölln., Sand.), oder zu zeigen, dass Allen ohne 
Unterschied, also auch den Juden, das Evangelium gepredigt werden 
musste (Lips... Ganz verkehrt meint Otto, Paulus wolle das ὃ xnovoo. 
V.8 ins Licht setzen und zeigen, dass die Heilsbotschaft als solche 
im N. wie im A. Bunde ein besonderes Botenamt erfordere, offenbar 
um auch hier dem Citat in V. 15 seinen Originalsinn zu vindiziren. 
Hofm. bat den einfachen Gedanken dahin verkünstelt, dass die Gestalt 
der gegenwärtigen Heilszeit gerade die sein musste, dass das Heil 


454 Röm 10 1a. ı5. 


Anrufung des Herrn so nothwendig ist, so entsteht die Frage 
(οὐν): wie sollen sie anrufen denjenigen, an welchen sie nicht 
läubig geworden sind? Subjekt sind die, welche nach der 
Schriftsteile V. 13 durch Anrufung des Namens des Herm 
zum Heil gelangen werden. Zu dem in dem Relativum ent- 
haltenen Demonstr. (τοῦτον) vgl. Buttm., neut. Gr. p. 92. 
Der Sinn der lediglich rhetorischen Frage ist: den Namen 
des Herrn kann man nicht anrufen, wenn man nicht an ihn 
gläubig geworden ist. — σεῶς δὲ πειστεύσωσιν οὗ οὐκ ἤκου- 
σαν) nimmt man gewöhnlich so, dass οὗ gleich: de qno 
m. u. V., auch Phil., v. Heng., Volkm., Holst., God., Chr. 

offm., Lips., Sand.), welche Konstruktion zwar dem NT und 
der Griechischen Prosa fremd, aber doch nicht ohne Beispiel 
(Od. 4, 144. Vgl. das Homerische σευνϑανεσϑαί τινος bei 
Nägelsb. zu Ilias p. 104. ed. 3) und Analogie ist. Vgl. den 
Genit. mit einem Partizip oder Objektssatz bei Kühner $ 417,5 
Anm. 7, f. Buttm. neut. Gr. p. 144f. Besser aber nimmt man 
mit Hofm., Luth., Goeb., Böhmer οὔ als Ortsadverbium, wo- 
gegen sich die Konformität der Rede nicht einwenden lässt 
(gegen Meyer, Sand.), da dieselbe doch sofort im folgenden 

liede verlassen wird. Wie sollen sie glauben, wo sie nicht 
un haben? Das Glauben setzt ein Hören von dem Objekt 
es Glaubens voraus. Zum allgemeinen (redanken vgl. Plat. 
Rep. p.327 C: ἡ xai δύναισϑ᾽ ἄν, ἡ δ᾽ ὅς, πεῖσαι μὴ ἀκούον- 
τας; — χωρὶς κηρύσσοντος) vgl. V. 8: ohne dass sie einen 
Verkündiger haben, sonder Verkündiger*). — V. 15. πῶς 
δὲ χκηρύξωσιν) sc. οἱ xngdooovres, die auch im Folgenden 


zwar vorbanden sei, aber im Wort der apostolischen Verkündigung, 
während die Juden eine Verwirklichung des Heiles erwarteten, welche 
so nicht eingetreten, und sich an der stiessen, welche geschehen war, 
wovon doch nichts angedeutet ist. — V. 14f. sind die Konjunktive 
ἐπιχαλεσωνται, πιστευσωσιν, χηρυξωσιν weit überwiegend bezeugt gegen 
den Ind. Fut. der Rept. Dann aber wird auch αχουσωσὲν mit Lehm., 
Treg,. WH. nach B zu lesen sein, wofür Tisch. nach MDEFGKP 
axovoovyraı schreibt. 

*) Die impersonelle Fassung (Frtzech., de W., B.-Crus., Phil., 
v. Heng. u. M.) bat gegen sich, dass das χηρύξ. nicht dasselbe allge- 
meine Subjekt bat, wie die vorhergehenden Verba. Ganz verkehrt 
Otto: wie sollen sie anrufen, an den die Juden ebenso wenig, wie die 
Heiden, als an den σωτὴρ πάντων glaubten! Das οὗ, das Otto, 
Zimmer als Gen. von 5 nehmen, erklärt Meyer nach Vulg.: »quomodo 
credent ei, quem non audierunt«, so dass Christus als das durch 
seine Verkündiger (vgl. Eph 2ı7) redende Subjekt gedacht ist (Mk 
11. Lk 24. Win 8 30, 7). Allein dass das eben mit εἰς αὐτόν 
konstruirte πιστεύω hier durch πεστεύω rırl aufgenommen sein sollte, 
ist wenig wahrscheinlich, und die Vorstellung Christi als des Redenden 
hebt ja die folgende Frage nach einem χηρύσσων auf. 


Röm 1015. 16. 455 


Subjekt bleiben: Wie sollen sie verkündigen, wenn sie nicht 
ausgesandt sind (ἀποσταλῶσιν), und zwar nach IKor 117 
von Christo. Die Form der Rede ist ein Kettenschluss, und 
dessen Ergebniss: die Abordnung evangelischer Herolde ist. 
die erste Bedingung, um zum Anrufen des Herrn zu gelangen. 
Darum eben ist τὸ ῥῆμα τῆς πέστεως 0 κηρύσσομεν V. 8 die 
Form, in welcher das Heil allen denen entgegentritt, die auf 
Grund ihrer Anrufung des Herrn gerettet werden sollen 
(V. 18). — καϑὼς y&yparztaı) Der so geschilderten Noth- 
wendigkeit einer heilverkündenden ἀστοστολή entspricht der 
Jubel über das Vorhandensein einer solchen, welchen der 
folgende Schriftspruch ausdrückt, und welcher insofern a 
jene ne Gemeint ist Jes 527 (frei nach den LXX), 
welche Stelle von der Botschaft der Befreiung aus dem Exile 
handelt, aber bereits von Rabbinen Messianisch gedeutet und 
von Paulus als Weissagung aufgefasst wird auf die evan- 
gelischen Verkündiger: »Wıe lieblich sind die Füsse, d.h. 
wie willkommen die Ankunft derer, die Heil verkündigen, die 
(sutes verkündigen *). 

V. 16f. ἀλλὴ Aber, obwohl mit solchem Nahen der 
Heilsbotschaft für Alle die Möglichkeit gegeben war, durch 
Anrufung des Herrn zum Heile zu gelangen, — nicht Alle 
gehorchten der Heilsbotschaft. Das οὐ πάντες geht natürlich 
auf die Juden, von denen so Viele,‘ ungeachtet die lieblichen 
Füsse der Heilsverkünder unter ihnen dahinschritten, keine 
Folge leisteten. Der negative Ausdruck für diese Menge ist 
eine Litotes, schonend, aber tragisch genug fühlen lassend, 
dass das Gegentheil von οὐ πάντες hätte stattfinden sollen. 
Vgl. 33. Das ὑπήκουσαν τῷ εὐαγγελίῳ setzt, wie 15, 
voraus, dass die frohe Kunde von dem Messias und dem in 
ihm gebrachten Heil die Forderung des Glaubens an sie 
stellte, der sie aber nicht gehorchten. — γάρ) kann nicht die 
Thatsache, die im Vorigen ausgesprochen, bestätigen wollen, 
da dieselbe ja durchaus keiner Bestätigung bedarf, sondern 
nur, dass es Ungehorsam gegen das Evangelium war, wenn 
Viele durch dasselbe nicht zu dem heilbringenden Glauben 
gelangten. Dann ist aber nicht das Citat an sich, sondern 
zusammen mit dem, was Paulus V. 17 daraus folgert (Hofm.), 


*, WH. txt. hat nach B χαϑαπὲρ statt χαϑως. — Die Worte row 
ευχγγελιζομένων τὴν εἰρηνὴν vor τῶν ευαγγελιζομενων (Bept.) sind nicht 
nach den LXX zugesetzt (wo es αχοη» eıponvns heisst), sondern offenbar 

er bom. in NABÖ (Lehm., Tisch., Treg. txt. WH.) ausgefallen. Treg. 
at sie a.R.i. Kl. Sicher ist ebenso nicht das τὰ vor ayasa (Tisch., 
Rept. nach NKL) nach den LXX ausgelassen, sondern zugesetzt. 





456 Röm 1019. 11. 


also das Citat in seiner dadurch herausgestellten Bedeutung 
die Begründung des Vorigen. In der Klage Jes 531 (genau 
nach den LXX, auch mit dem von diesen Ag en XUVoLE) 
über den Unglauben jener Zeit an die prophetische Predigt 
(ἀκοή, 5. z. Gal Fee Paulus (vgl. auch Joh 123) eine 
Weissagung des jüdischen Unglaubens der christlichen Zeit 
an die christliche Predigt. »Herr, wer hat unserer Predigt. 
Glauben geschenkt *)?«. — V. 17. ἄρα) vgl. 8ı. Aus der 
Klage des Propheten folgert der Apostel, dass ordentlicher 
Weise der Glaube aus einer Botschaft, wie der V. 16 er- 
wähnten (ἐξ ἀκοῆς), hervorgeht, es also an den Hörern liegen 
muss, wenn dies nicht eintritt. Obwohl ἀχοή an sich das 
Hören, Anhören (Rück., de W., Thol., Phil., Chr. Hoffm., 
Zimmer) heissen kann (8. Plat. Theaet. p. 142D. Diod. 19, 41), 
wenn es auch gewöhnlich das Gehör, oder das Gehörte heisst, 
so ist es doch hier, wo aus dem Citat gefolgert wird, ganz 
unmöglich, dasselbe in einem anderen Sinne zu nehmen als 
dort, wogegen V. 18 nichts beweisen kann. — dıa δήματος 
Χριστοῦ) Auch bei der ρον. Lesart (ϑεοῦ) kann unmöglich 
esagt sein, dass das Hören durch das (gepredigte) Wort 

ottes erzeugt werde (so d. Meisten), weil hier sowenig wie 
im ersten Gliede ἀκοή das Hören bezeichnen kann, und weil 
dann eben das ἐχ sicher wiederholt wäre. Aber auch das 
artikellose ῥῆμα Χριστοῦ heisst nicht das Wort von dem 
Messias (Chr. Hoffm., Lips., Sand.) oder das Wort Christi, 
das wir zu predigen haben (Zimmer), sondern kann nur ein 
Geheiss Christi bezeichnen, kraft dessen die vernommene Bot- 
schaft erfolgte, wie auch nach V.15 Christus es ist, der seine 
Boten aussendet. Dann aber nt eben hierin, dass das Aus- 
bleiben des Glaubens auf einen Ungehorsam gegen das Evan- 
gelium zurückgeführt werden kann, da eine auf Christi Befehl 





*) Die Anfangsworte des Verses sind weder fragend zu fassen, 
(Theod. Mopsv., vgl. Theodoret.), noch als gegnerischer Einwurf, 
welchen Paulus hernach durch die Stelle des Jes. abweise (Reiche, 
vgl. Sand.), wogegen gerade die Form der Einführung von V. 18f. 
spricht. Das οὐ πάντες kann weder auf die Heiden bezogen werden 

rtzsch. nach Carpz.), von denen im ganzen Kontext nicht die Rede 
ist, noch ist es ganz allgemein zu nehmen (Hofm., Chr. Hoffm., Goeb., 
Zimmer, Böhmer). Otto will es gar von dem Erfolg der Heilspredigt 
Jes 527 verstehen! Fälschlich nebmen de W., Rück. Phil, (vgl. 
auch Meyer, God., die deshalb in V. 17 nur einen das V. 14 Gesagte 
rekapitulirenden Gedanken finden) das Citat allein ala Begründung 
der vorher erwähnten Thatsache; und Umbr., Hofm., Beck., Luth. 
nebmen nach Syr. Cal. u. A. «xon von dem den Israeliten durch das 
Wort Gottes Kundgemachten, was zu V. 17 durchaus nicht passt. 


Röm 1011. 18. 457 


ergehende Kunde fordern kann und muss, dass man sie gläubig 
annehme. Vgl. Volkm., Goeb., Böhmer ἢ). 

V.18. ἀλλὰ λέγω) Der durch V. 16f. ausgesprochenen 
und begründeten Anklage des Ungehorsams stellt der Apostel, 
als Selbsteinwurf, eine etwa mögliche Entschuldigung für die 
Juden entgegen, und zwar gleich in der Form einer zu ver- 
neinenden Frage: »Aber ich frage: war es ihnen denn etwa 
nicht möglich, ἐξ axojg zum Glauben zu kommen? Die 
Predigt ist ihnen doch nicht unvernommen geblieben, doch 
nicht etwa garnicht zu Ohren gekommen ?« Das Richtige 
hat einfach und klar schon Chrys. Das alla ist das ganz 
rn der Einwendung, die man selbst oder im Namen 

es Gegners macht; Bäuml. p. 13. — μὴ οὐχ ἤκουσαν!) 
doch nicht etwa nicht gehört haben sie? Beachte, dass sich 
οὐχ enge an ἤχουσαν anschliesst, das Gegentheil von ἤχουσαν 
ausdrückend (Bäuml. p. 277f. Win. $ 57, 3, vgl 1Kor 9. 
112), und dass das Eagande un die verneinende Antwort 
setzt: Keineswegs ist's ihnen ungehört geblieben, in welcher 
Verneinung des οὐκ ἤκουσαν die Assertion des ἤχουσαν liegt, 
wobei τὴν ἀχοήν zu ergänzen ist. Das Subjekt sınd nach dem 
Zusammenhange mit V. 16 (οὐ πάντες ὑπήκουσαν) die un- 
gläubig gebliebenen Juden **). — uevorvye) ist hier natürlich 


*, Nach der entscheidenden Bezeugung von NBCDE muss Xgsorov 
gelesen werden statt der Rcpt. ϑεου (Meyer). Was Otto dagegen ein- 
wendet, beruht auf der ganz unzutreffenden Voraussetzung, der Apostel 
wolle beweisen, dass er mit der Verkündigung des Evang. beauftragt 
sei; Böhmer sieht gar hier den Einwand eines Judenchristen. Das 
artikellose ῥῆμα ϑεοῦ könnte überhaupt nicht das verkündigte Gottes- 
wort (so gew., auch God., Beck), auch nicht die göttliche Offenbarung 
(Reiche. v. Heng., vgl. Olsh., welcher es gar durch διὰ nveiuarog 
$eoö erklärt) bezeichnen, durch welche uns die Kunde vermittelt wird 
(Hofm.: welche Kunde dadurch in der Welt ist, dass Gott zur Welt 
geredet hat, Luth., Otto: dass Gott befohlen, und was Gott befoblen 
hat), sondern nur ein göttliches Geheiss (Lk 32. Mt 44. Hbr 115), 
wodurch die Kunde in’s Werk gesetzt wird, weil Gott Prediger mit 
ihrer Verkündigung beauftragt hat (Meyer nach Beza, Piscat., Seml., 
Cram., Frtzsch., Glöckl., Thol., B.-Crus.). Mit der richtigen Lesart. 
fällt freilich auch der sehr künstliche Versuch von Meyer, nachzu- 
weisen, wie Paulus diesen zweiten Theil des Verses aus der Jesaja- 
stelle folgern konnte, was ja keineswegs nothwendig ist. Er meint, 
aus der ganzen Stellung des Propheten zu Gott, wie sie sich in 
χύριε — ἡμῶν ausdrückt, erscheine Gott als derjenige, auf dessen Be- 
fehl die ἀχοή verkündigt wird, was Otto gar daraus erschliesst, dass 
er seine Klage bei Gott anbringt. 

**) Dagegen spricht weder, dass diese Frage in Betreff der 
Palästinensischen Juden absurd wäre (v. Heng.), da Paulus, an die 
Römer schreibend, natürlich hauptsächlich an die auswärtigen Juden 
denkt, noch nöthigt die Nennung Israels in V.19, dies ganz allgemein 


458 Köm 1018. 19. 


nicht ironisch bejahend (de W.: freilich, God.: ja doch, Goeb.: 
gewiss haben sie gehört), wie 920, sondern berichtigend (immo 
vero), wie häufig in Erwiderungen. Vgl. Herm. ad Viger. 

.845. Pflugk ad Eur. Hec. 1261. Kühner 8 608, 2, ς. Paulus 
kieidet seine Erwiderung in die Worte aus Ps 195 (genau 
nach den LXX), wo von der allgemein verbreiteten Natur- 
offenbarung Gottes die Rede ist, indem er sie auf die allent- 
halben hin ausgegangene Verkündigung des Evangeliums be- 
zieht: »In die ganze Erde ist ausgegangen ihr Schall und an 
die Enden der Welt ihre Wortee. Die Antwort widerlegt 
das οὐκ ἤκουσαν sehr schlagend, weil a majori argumentirend 
und also auch auf alle Diaspora-Juden zutreffend *). 

V.19£. ἀλλὰ λέγω) führt eine abermalige mögliche 
Entschuldigung, deren Kichti keit die Schuldbarkeit der Juden 
entkräften würde, in nachdrücklicher Konformität mit der 
vorigen ein. Vgl. Chrys., Theod. Mopsv.: πάλιν ἑτέραν ἀντί- 
ϑεσιν ἐἔπταγει. --- μὴ Tagan) Die nachdrückliche Stellung 
des Subjekts zeigt, dass es nicht bedeutungslos ist, wenn hier 
Ἶσρ. als Subjekt ausdrücklich genannt ist. Nur braucht es 
deswegen nicht im Gegensatz zu einem anderen Subj. des 
ersten Fragesatzes zu stehen (Hofm.), oder bloss eine Klimax 


zu fassen (Hofm., Otto), da diese ihren kontextmässigen Grund hat. 
Dass aber diese Frage erst jetzt aufgeworfen wird, beweist, dass 
nicht schon V. 17 (wie Lips. meint) auf ihre Widerlegung abzielen 
kann. Fälschlich nimmt v. Heng. das λέγω zwischensätzlich, so dass 
ἀλλά zum Folgenden gehört. Unrichtig Hofm.: nachdem Paulus den 
Propheten redend eingeführt habe, springe er dazu über, selbst etwas 
zu sagen, wozu ihn jener prophetische Satz veranlasse: Gut, 80 sage 
ich denn. Dagegen ist theils, dass nicht erst hier, sondern schon 
V. 17 Paulus es ist, welcher redet; theils dass er, sich selbst dem 
Propheten gegenüberstellend, nicht bloss ἀλλὰ λέγω, sondern ἀλλ᾽ ἐγὼ 
λέγω geschrieben haben miisste; theils dass ἀλλά hiernach den Sinn 
des Zustimmens oder Einräumens hätte (s. Bäuml., Partik. p. 16), 
welcher weder hier, noch V. 19 passt. Die Beziehung auf die Heiden 
(Orig., Calr., Frtzsch. u. M., auch νυ. Heng., Böhmer) liegt, wie V.16, 
dem Zusammenhange ganz fern. Otto ergänzt zu ἤχουσαν ganz will- 
ἜΠΗ τος dass ὁ αὐτὸς χύριος πάντων πλουτῶν εἰς πάντας etc. δὺ8 
. 12. 
Ἢ Das αὐτῶν bezieht Paulus natürlich auf die Verkündiger des 
Evangeliums. Der Schluss aber, dass nach u. St. damals das Evan- 
elium wirklich schon überallhin gedrungen sei (auch nach China, 
erika u. 8. w.), ist nichts als eine arge Verirrung, dem Wesen des 
populär dichterischen Ausdrucks zuwider, gleichwohl nach Aelteren 
wieder von Löhe (v. d. Kirche p. 34ff.) und Pistorius in d. Luther. 
Zeitschr. 1846, 2. p. 40 erneuert. Die allgemeine Verbreitung des 
Evangeliums (vgl. Kol 18. 23. Cliem. Cor. 1, 5) war bereits von den 
Aposteln in Gang gebracht (vgl. 18). Otto u. Böhmer wollen an dem 
Originalsinn der Stelle festhalten. 





Röm 10:19. 459 


der Angelegentlichkeit auszudrücken (Meyer: im Hinblick auf 
V. 21), sondern die Betonung desselben macht, wie die nega- 
tive Frageform, von vorn herein fühlbar, dass von Israel dies 
οὐκ ἔγνω am wenigsten ausgesagt werden konnte. Objekt 
davon aber kann, wie bei dem parallelen μὴ οὐκ ἤκουσαν 
V. 18 nur τὴν ἀκοήν sein. So nach Chrys., Est. u. M. Rück., 
Olsh., v. Heng., Phil. Hofm., Beyschl., Mang., Beck., Luth., 
Otto, Goeb., Lips., Sand.*). Dann lautet die Frage einfach 
dahin: Israel hat doch nicht etwa das nach V. 18 vernommene 
Evangelium nicht verstanden? Die folgenden Schriftstellen 
aber besagen als Antwort darauf, dass Gott das Heil solchen 
zugewandt habe, die nach der in ihnen enthaltenen Charak- 
teristik ungleich weniger als Israel im Stande waren, das 
Evangelium zu verstehen, und welche es dann doch verstanden 
und geglaubt haben müssen, so dass also von einer Unfähig- 
keit Israels zu seinem Verständniss, mit der es sich etwa 
möchte entschuldigen wollen, unmöglich die Rede sein kann. 
Vgl. Olsh. Goeb.,, Sand.*). — πρῶτος) bezeichnet, dass 
Moses als Erster (der in der noch heute zu uns redenden 
Schrift diesen Einwand widerlegt) das Folgende . Nach 
Hofm. versteht sich das von selbst, da früher als in den 


Ἢ Meyer ergänzt ein einfaches »es« und denkt dabei nach V. 18 
an ὅτι εἰς πᾶσαν τ. γῆν ἐξῆλθεν ete., wo aber auch von einer »univer- 
sellen Bestimmung der Predigt von Christo« garnicht die Rede ist. 
So im Wesentlichen auch de W., Frtzsch., Tbol., Volkm., Holst., God., 
während Aeltere (Thom. Ag., Corn. a. Lap., Piscat., Calov., Koppe, 
Benecke, Kölln., Ew., vgl. Thol.) nach Pelag., Theod. Mopsv. vollends 
kontextwidrig bei οὐχ ἔγνω hinzudenken: dass das Evangelium von 
den Juden auf die Heiden tibergehen würde. Ebenso willkürlich 
wollte Beza Deum bei ἔγνω, Reithm. aber gar kein Objekt ergänzen; 
und Reiche nahm vollends Ἰσραήλ als Objekt und ἔγνω davon, dass 
Gott Israel als sein Volk anerkannte. Die Rcpt. hat gegen ent- 
scheidende Zeugen /oo. nach οὐχ eyrw gestellt. 

**) Ganz mit Unrecht behauptet also Meyer, dass die folgenden 
Stellen als Antwort auf diese Frage nicht passen, was nur der Fall 
ist, wenn man sie dahin fasst, dass Gott den Juden zur Strafe das Heil 
zu den Heiden übergehen lasse (Rück.), weil sie dasselbe schändlich 
verachtet haben (v. Heng.), was ja nicht dasteht, oder dass man sich 
über das schon im AT geweissagte Nichtverstehen der Juden nicht 
verwundern solle (Phil.), was eine andere Frageform und eine andere 
Einführung der Antwort voraussetzt. Hofm. zieht nach dem Vorgange 
von Wttst., Michael, Storr, Flatt πρῶτος zu οὐχ ἔγνω und bezieht die 
Frage darauf, ob etwa der in der Heilsgeschichte begründeten Ord- 
nung des Heils zuwider das Heil nicht zuerst zur Kenntnisse Israels 
gekommen sei, und muss, da hierauf offenbar das Folgende keine 
Antwort enthält, annehmen, dass es einer Antwort auf diese Frage 
nicht bedarf (womit sie aber eben als ganz überflüssig erwiesen!), und 
mit V. 19b ein ganz neuer Gedanke beginnt! 





460 Röm 10:19. 20. 


Büchern Mosis sich kein Zeugniss finden kann; aber es 
handelt sich auch nicht darum, dass sich kein früheres findet, 
sondern dass der Erste, der solches sagt, kein Anderer als 
Moses ist, mit dem die Schrift anhebt, d.lı. aber in der Sache 
allerdings: schon Moses (Lips., Sand... Vgl. schon Theod. 
Mopsv.: εὐθὺς Mwiong. Die Stelle Din 3221 (fast genau 
nach den LXX), nach welcher Gott durch die Segnung 
heidnischer Völker die Israeliten zur Eifersucht und zum Zorn 
reizen will, wie sie ihn durch Götzendienst gereizt hätten, 
fasst Paulus als eine direkte Weissagung (de W.): »ich will 
Euch eifersüchtig machen über ein Nichtvolk (d. h. über ein 
Volk, in welchem die in Israel verwirklichte Idee eines nach 
göttlichem Willen sein Leben regelnden Volkes sich nicht. 
realisirt); über ein unverständiges Volk will ich Euch zum 
Zom reizen«*. Auf dem ἐπε ἔϑνει ἀσυνέτῳ ruht die 
eigentliche Pointe des Citats (Lips). Wenn ein Volk, das 
Gott selbst als ein unverständiges, verständnissunfähiges be- 
zeichnet, im Stande war, die Heilsbotschaft zu verstehen, was 
doch geschehen sein muss, wenn es Gott durch das Evangelium 
zur Theilnahme am Heil berief, wie sollte denn Israel dasselbe 
nicht verstanden haben? — V. 20 führt mit dem meta- 
batischen δέ zu dem Ausspruche eines anderen Propheten 
über, wie 9. — ἀποτολμᾷ steht absolut (Hom. Il. x, 232. 
u, 5l, vgl. Win. $ 54, 5. Buttm. p. 249): er erkühnt sich 
und ev Der kühn redende Prophet ist vergegenwärtigt, wie 
vorher Moses bei λέγει. Einem auf seine Vorzüge so eifer- 
süchtigen Volke gegenüber dergleichen zu sagen, war und ist 
eine Kühnheit. Das Citat ist Jes 681 frei nach den LXX 
und nicht mit unabsichtlicher Umkehrung der beiden paral- 
lelen Glieder (Meyer), sondern weil das zweite Glied den Ge- 
danken, den Paulus in der Stelle suchte, besonders klar aus- 
drückte **). Paulus findet darin, wie schon aus dem Zusammen- 





Ἢ Nach Meyer fasst Paulus die Stelle typisch auf, nach Hofm. 
soll in der Gegenwart die Weissagung Mosis in anderer Gestalt sich 
zu erfüllen fortfahren; aber diese moderne Vorstellung von einer 
sukzessiven oder mehrfachen Erfüllung eines Weissagungswortes ist 
der Schrift ganz fremd. Auch noch die neuesten Ausleger, wie Otto, 
Böhmer, Zimmer, Chr. Hoffm., verkennen völlig die eigentliche Pointe, 
aus der sich allein die Bedeutung des Citats im Zusammenhange 
ergiebt. 

e 59) Dem historischen Sinne nach bezieht sich d. St. auf die durch 
Unsittlichkeit und Götzendienst von Gott abtrünnig gewordenen 
Juden (nicht auf die Heiden, wie Calv., Vitringa, Pbil., God. wollen, 
8. dagegen Delitzsch 2. d. St.), für welche der Propbet eben um 
Gnade gefleht hat, auf welches Fleben Jehova seine Antwort mit der 


Röm 1030. sı. 461 


hange mit V. 19 erhellt, eine Weissagung auf die Bekehrung 
der Heiden: »ich bin gefunden worden unter denen, die mich 
nicht suchten, ich bin offenbar geworden unter denen, die 
nicht nach mir fragten. Wenn also solche, die garnicht 
einmal sich bemühten, Gott zu finden, ihn dennoch (in seiner 
Heilsbotschaft) fanden, also dieselbe als ein an sie gerichtetes 
Gotteswort verstanden, wie hätte sie Israel nicht verstehen 
sollen, das doch gewöhnt war, Gott in seinem Worte zu 
suchen und zu finden? Wenn Gott in seiner Selbstoffenbarun 
(durchs Evangelium) denen offenbar geworden ist, die naeh 
solcher Offenbarung garnicht fragten, und von da aus das 
Verständniss des Evangeliums sich ihnen erschloss, wie sollte 
Israel, das doch gewöhnt war, nach der Offenbarung in seinem 
Wort zu fragen, dasselbe nicht verstehen können, so dass 
ihnen Gott (nach seinem Heilsrathschluss) im Evangelium 
offenbar wurde *)? 

V. 21. πρὸς δὲ τὸν Ἰσραὴλ λέγει) Das einen Gegen- 
satz einführende de bezieht sich darauf, dass Jesajas, der nach 
des Apostels Auffassung in dem vorher citirten Spruche von 
den Heiden redet, das Folgende in Beziehung auf Israel (χερός, 
wie Hbr 17f. Lk 124) sagt**). Nachdem die möglichen 
Einwürfe, mit denen man Israel gegen den Vorwurf in V. 161 


Erinnerung daran beginnt, wie er sich dem abfälligen Volke mit 
zuvorkommender unverdienter Huld zu finden gegeben und offenbar 
gemacht habe. Auch hier motivirt Meyer die Anwendung, die Paulus 
von dem Spruche macht, fälschlich dadurch, dass er in dem ab- 
trünnigen Israel ein typisches Vorbild auf die Heidenwelt sieht, 
während Hofm. trotz des gegensätzlichen πρὸς δὲ τὸν ᾿Ισραήλ V. 21 
leugnet, dass Paulus den Spruch auf die Heiden beziehe, indem er in 
Folge seiner verkehrten Annahme, dass mit V. 19b ein neuer Ge- 
dankengang beginnt, in den Spruch den ihm ganz fernliegenden Ge- 
danken einträgt: »Nachdem Gott von freien Stücken sich Israel dar- 
geboten hat, sein Gott zu sein, und dann die ganze Zeit her ver- 
ea ihm nachgegangen ist, es an sich zu ziehen, ist es kein 

under, wenn er jetzt nicht ruht, bis er ihm seinen Ungehorsam 
vergolten hat.« 

5) Das ἐν nach ευρέϑην und eyerounv (BD Treg. u. Lehm. i. Kl., 
WH.a.R.) statt des für ὑπο ὁ. Gen. stehenden blossen Dat. ist ächt, 
und nur unverstanden ausgefallen. 

**) Der Gegensatz erlaubt also nicht, das πρός zu fassen: an 
Israel erklärt er (Kölln., Rück, Ew. u. M. nach Luther, Vulg.) oder: 
zu Israel gewendet spricht er (Holst., God., Chr. Hoffm., vgl. Volkm., 
Lips.; und vollends kann es ohne näbere Andeutung des Textes nicht 
den Sinn von adversus haben (Erasm., Beza, Calv., Grot., Koppe). 
Meyer u. d. M. verbinden V. 21 nach ihrer falschen Auffassung der 
in V. 19f. gegebenen Antwort auf die Frage in V. 19 unmittelbar 
mit derselben, wäbrend sie Paulus durch das δέ und das πρὸς τ. ᾽1σρ. 
deutlich davon abscheidet. 


462 Röm 10sı. 11. 


könnte schützen wollen (V. 18—20), erledigt sind, führt der 
Apostel zum Schlusse noch ein Schriftwort an, welches den 
von ihm erhobenen Vorwurf nicht nur bestätigt, sondern auf 
eine ständige Charaktereigenthümlichkeit des Volkes zurück- 
führt, und schliesst so mit grossem Nachdruck seine Darstellung 
von der unentschuldbaren Verschuldung Israels ab. Dass er 
dies mit dem Spruche .Jes 652 (mit unbedeutender Umstellung 
wörtlich nach den LXX) thut, welcher fast unmittelbar auf 
den V. 20 angeführten Jes 651 folgt, darf bei der Art, wie er 
beide ausdrücklich trennt, so wenig auffallen, wie, wenn er 
sonst weit auseinanderliegende Sprüche kombinir. Dass 
Jesajas, wie V. 20, im Namen Gottes spricht, versteht sich 
von selbst. »Den ganzen Tag habe ich ausgebreitet meine 
Hände gegen ein ungehorsames und widersprechendes Volk«. 
Auf dieser Charakteristik Israels ruht der ganze Nachdruck. 
Dieser ungehorsame und widersprechende Charakter des 
Volkes war es, der es bewog, der Heilsbotschaft (V. 16) und 
der in ihr verkündeten Gottesgerechtigkeit (V. 3) sich nicht 
unterzuordnen, sie vielmehr an dem Messias Anstoss nehmen 
liess (92), so dass der Verlust des Heils durchaus durch sie 
selbst verschuldet und zwar durch ihr völlig unentschuldbares 
Verhalten verschuldet war *). 


Kap. XI. 


Der dritte Abschnitt des vierten Haupttheils (Kap. 11) 
zeigt nun, wie auf Grund dieser Verschuldung, freilich nicht 
das Volk als solches, aber doch ein grosser Theil desselben 
verstockt sei (V. 1—10), wie aber Gott dabei von vorn herein 
die Gewinnung desselben auf einem Umwege beabsichtigt 
habe (V. 11—24), und wie endlich verheissungsgemäss Israel 
als Volk das Heil erlangen werde (V. 25—36). 


*, Dieser ganze Gedankengang des Apostels wird freilich zer- 
stört, wenn man in dem an eich berechtigten Bestreben, den Apostel 
über den gewöhnlich angenommenen Selbstwiderspruch des Kap. 10 
mit Kap. 9. 11 hinauszuheben. annimmt, dass Paulus auch Jiesen Un- 
gehorsam des Volkes auf die Machtwirkung Gottes und seine absolute 
Prädestination zurückführe (so nach Holst., Pfleid. a. a. Ὁ. p. 529, 
Grafe p. 89, auch wohl Lips.). Allein die ganze Exposition V. 16—21 
zeugt so entschieden dagegen, dass schon darum die Auffassung von 
Kap. 9 u. 11, welche diesen Widerspruch erzeugt, eine falsche sein 
muss. »Widerspenstig sein« (Grot., Reiche, Frtzsch., v. Heng., 
Volkm. u. d. M.) heisst ἀντιλέγεεν nicht. Vgl. IIIMak 228. Lucian. 
Ὁ. Μ. ὃ. 


᾽ 





Röm 11ı. 468 


V.1—-10. Die Verstockung Israels. — V.1. λέγω 
οὖν) Mit dem resumirenden οὖν kehrt der Apostel von dem 
Abschnitte, welcher die Verschuldung Israels dargelegt hat 
(θ9υ---10 21), zu dem Problem zurück, das ihn im ersten Ab- 
schnitt beschäftigt hat (9e—z»), nur mit der näheren Be- 
stimmung, die es durch diesen zweiten Abschnitt zu erhalten 
schien. Hatte es sich dort nämlich zunächst darum gehandelt, 
dass die Mehrzahl seiner Brüder nach dem Fleisch des Heils 
verlustig gegangen sei, so war hier wiederholt die Verschuldung, 
auf welche dies zurückgeführt, von Israel im Ganzen aus- 
g (951. 101. 21), so dass es in der That schien, als ob 
das Volk als Ganzes des ihm verheissenen Heiles verlustig 
gegangen und also von Gott verstossen sei. Darum wirft er 
nun die Frage auf, ob dem denn etwa wirklich so sei, um 
diese Frage, wie schon ihre Form andeutet, zu verneinen und 
diese Verneinung eingehend zu begründen ἢ). — un arw- 
σατο οἷο) Vgl. Ps 94u. ISam 122. Durch die Voran- 
stellung des Verbums treten die beiden auf einander bezüg- 
lichen Begriffe ὁ ϑεός und τὸν λαὸν αὑτοῦ in sehr näch: 
drücklicher Weise nebeneinander, um schon im Ausdruck 
die Undenkbarkeit dieses Falles fühlbar zu machen, der dann 
auch mit dem un y&voıro kategorisch verneint wird, nachdem 
schon die Frageform auf die Verneinung vorbereitet hat: Gott, 
der ja nicht wankelmüthig ist, wie ein Mensch, kann doch sein 
Volk, das er zu seinem Eigenthum erkoren, nicht verstossen 
haben? Vgl. Beng.: »ipsa populi ejus appellatio rationem 
negandi continet« ἢ. — καὶ γὰρ ἐγώ etc.) denn auch ich 





*, Gewöhnlich nimmt man an, dass Paulus eine falsche Folgerung 
aus den Prophetensprüchen 10 198, ablehne (de W., Phil., vgl. Otto, 
der ihn ganz speziell über Jes 652 reflektiren lässt und darauf pocht, 
dass der Aor. frage, ob er es zur Zeit des Propheten verworfen habe!), 
oder ale ob er selbst eine scheinhare Konsequenz aus dem über die 
Schuld der Juden Gesagten ziehe (Frtzsch., God., vgl. Goeb., 
die er ale eine dritte Frage den beiden in 10 18[. anreihe (Meyer), 
um etwa eine neue mögliche Entschuldigung oder Einwendung Israels 
zurückzuweisen (Holst.). Allein weder wird die folgende Frage ibrem 
Inhalt nach (als hiesse es un οὖν ἀπώσατο) als Folgerung aus dem 
Vorigen eingeführt, noch wird gefragt, ob er diese olgerung ziehe 
(als ob das λέγω οὖν fragend zu fassen wäre). Dies hat Hofm. richtig 
erkannt; aber wenn er selbst meint, der Apostel werfe diese Frage 
auf, weil sich aus den Schriftstellen 101sff. ergebe, dass sie zu ver- 
neinen sei, 80 ist dies die Folge seiner unrichtigen Deutung jener 
Schriftsprüche und scheitert schon daran, dass die Verneinung erst im 
Folgenden gegeben und ausführlich begründet, nicht aber aus dem 
Vorherigen vorausgesetzt wird. 

**) Reiche vermisste ein ἅπαντα, übersah aber, dass der Nach- 
druck auf dem vorangestellten Verbum ruht, und dass eine Verstossung 


464 Röm 111. 3. 


bin ein Israelit (vgl. 94), und zwar von ächtester, unanfecht- 
barer Abkunft. enn er war nicht nur ἐκ σπέρματος 
Aßeaau, sondern speziell ἐκ φύλης Βενιαμίν (Phl 8), 
d. h. aus dem Stamme, welcher nebst dem Stamme Juda 
‚den theokratischen Kern der Nation nach dem Exil bildete 
.(Esr 4ı. 105). Das kann unmöglich beweisen sollen, dass 
Paulus schon als ächter Israelit patriotischer Weise vermöge 
‚seines theokratischen Selbstgefühls jenes ἀσεώσατο nicht ein- 
‚räumen, sondern nur mit Abscheu zurückweisen könne 
{v. Heng., de W., B.-Crus., Meyer, Böhmer, Lips., Sand., 
Hilg). Denn dann wäre ja offenbar nicht die Thatsache, 
‚dass Gott sein Volk nicht verstossen hat, sondern nur dass 
Paulus dies nicht behaupten könne, begründet. Der Apostel 
kann vielmehr nur an seinem eigenen Beispiel beweisen, dass 
Gott das Volk als solches nicht verstossen hat. So gew., 
‚auch God., Beck., Goeb., Chr. Hoffm.*). — V.2. Indem das 





überhaupt nur von dem Volke als Ganzem ausgesagt werden kann, 
das, eben weil es Gott als Volk zu seinem Sohn und Eigenthum an- 
genommen hat, auch nur als solches aus dieser Stellung verstossen 
werden kann. Das 0» προέγνω nach τὸν λαὸν αὐτου (Lehm. nach AD) 
ist ohne Zweifel aus V. 2 antizipirt. Das un γένοιτο perhorreszirt 
nicht das λέγω (v. Heng.), als ob Paulus bloss ἀπώσατο ohne un ge- 
schrieben hätte, was lediglich einer falschen Fassung von V. 2 zu 
Liebe angenommen wird. 

*) Vergeblich wendet Meyer dagegen ein, dass das Beispiel 
‚eines einzelnen Auserkorenen garnicht beweisend wäre, da ja eine 
Verwerfung des Volkes als solchen schlechterdings die Begnadigung 
einzelner Glieder desselben ausschloss. Allerdings aber soll es nur 
eine vorläufige Begründung des un γένοιτο aus einer schlagenden 
'Thatsache sein, während sich Paulus eine noch viel tiefer greifende 
für das Folgende vorbehält, weshalb V.2ff. nichts gegen die richtige 
Fassung beweisen kann (gegen Hilg.). Freilich wird der Nerv dieser 
Begründung nur geschwächt, wenn man den Paulus nicht als einen 
einzelnen, ächten Israeliten nimmt, wie er sich bier selbst charak- 
terisirt, sondern irgend ein ihn vor den Uebrigen auszeichnendes 
‚Moment angedeutet findet, das seinen Fall ja zu einem exzeptionellen 
und darum nicht beweisenden machen würde, wie seine Verkündigung 
-des Evangeliums (Theod. Mopsv., vgl. Zimmer), oder gar seine Be- 
rufung zur Heidenmission, in der Hofm., Luth., Otto ohne jede An- 
deutung des Textes eine Besiegelung des heilsgeschichtlichen Berufes 
Israels finden. Erträglicher, obwobl ebenso willkürlich, verweist 
Beng. darauf, dass auch er als einstiger Verfolger der Verwerfung 
werth war (vgl. Holst.: auch ich, der ποτὲ ϑεόμαχος) Wenn aber 
Paulus auf seine eigene Person und nicht auf die Gemeinde der Leser 
zum Boweise Jdafür hinweist, dass Gott das Volk Israel als solches 
nicht verstossen bat, so folgt daraus unzweifelhaft, dass dieselbe dem 
Volk Israel nicht angehörte (God. nach Weizs.); und es ist eine völlig 
nichtige Ausflucht, wenn Mang. p. 214 dagegen geltend macht, dass 
‚doch auch die Römischen Judenchristen noch am Gesetze festhielten. 


Röm 112. 465 


οὐχ ἀπώσατο ὃ ϑεὸς τὸν λαὸν αὐτοῦ noch einmal die 
thatsächlich erwiesene Verneinung der aufgeworfenen Frage 
ausspricht, fügt das ὃν προέγνω ein neues, die Unmöglich- 
keit des ἀχεώσατο fühlbar machendes Moment hinzu. Ein 
solches ist es aber nur, wenn man es wortgemäss (vgl. 82) 
darauf bezieht, dass Gott dieses Volk ja, ehe er es zu seinem 
Volke erkor, in seiner ganzen Eigenthümlichkeit gekannt hat, 
also auch wusste, dass es im Grossen und (Ganzen ein un- 
gehorsames und widersprechendes Volk sei (1021). Machte 
also dies dasselbe ungeeignet, sein Volk zu sein, so würde er 
es nicht dazu erkoren haben; hat er es aber trotz dieses 
Vorhererkennens dazu gemacht, so kann er nun nicht, als ob 
er sich in ihm getäuscht, es als ungeeignet für seine Zwecke 
verworfen haben. Vgl. v. Heng.*). — ἢ οὐκ οἴδατε) oder 
— wenn Ihr das nicht zugeben wollt —, führt, wie 24 und 
häufig, einen neuen Beweis für den schon V. 1 erwiesenen 
Satz ein aus einem typischen Geschichtsvorgange, bei welchem 
nach der Schrift in einem analogen Falle von Widersetzlich- 
keit des Volkes Gott den Ausspruch gethan hat, er habe 


Denn da sie Paulus doch jedenfalls als Gottgeliebte, berufene Heilige 
bezeichnet (17), deren Glauben er lobt und als dem seinen ebenbürtig 
anerkennt (18. 12). so kann er sie doch immerbin nicht zu denen 
rechnen, die, weil sie sich an Christo stiessen (932), dem Evangelium 
den Gehorsam verweigert haben (1016). Hilg.'s energische Abweisung 
dieser Widerlegung (a. a. OÖ. p. 275) bringt auch nicht das Mindeste 
bei, was sie als unhaltbar darthut. 

Ἢ Das προέγνω kann nicht bloss heissen, Gott habe vorher- 
gesehen, dass es sein Eigenthumsvolk sein und bleiben werde (vgl. 
Phil. u. in der Sache auch Meyer, Zimmer, Lips., Sand.), wogegen 
schon Hofm. bemerkt, Gott hätte ja auch vorhersehen können, dass 
und wann es aufhören werde, sein Volk zu sein. Andere bleiben 
auch hier bei der sprachwidrigen Umdeutung stehen: welches er 
vorberbestimmt hat (Rück., Frtzsch., de W., Volkm., Chr. Hoffm.), 
obwohl hier am wenigsten die Angabe, wozu er es vorherersehen, 
fehlen könnte. Nach Hofm. ist sein Vorhererkennen ein Willens- 
akt (? ἢ, durch den Gott im Voraus Israel zu dem gemacht hat, was 
es darnach in Wirklichkeit geworden ist (vgl. Beck, Luth., Otto u. 
ähnlich Goeb.). Lässt man aber das τ. λαὸν αὐτοῦ durch ὃν προέγνω 
näher bestimmt (und beschränkt) werden zum Begriffe des zum 
christlichen Heile bestimmten geistigen Gottesvolkes (Orig., Au- 
gustin., Chrys., Luther, Calv. u. M., auch Heum., Seml., Rosenm., 
Flatt, Glöckl., Holst., Beck, Böhmer, worauf trotz seiner Zurück- 
weisung dieser Auffassung in der Sache auch Lips. herauskommt), so 
wird, abgesehen davon, dass dann die Frage höchst überflüssig wäre, 
der Fragepunkt völlig verrückt, da es sich ja eben nach V.1 um das 
Schicksal der Nation als solcher handelt, deren Mitgliedschaft, wie 
schon die Selbstcharakteristik in V.1 zeigt, lediglich durch die leib- 
liche Abstammung von den Vätern konstituirt wird. 


Mever's Kommentar. ΙΥ, Abth. 9. Aufl. 30 


466 Röm 112. 8. 


ie etwa sein Volk verstossen, sondern) trotz der grössten 
erdorbenheit der Menge sich eine Anzahl Treuer übrig be- 
halten. — ἐν Ἠλίᾳ) gehört zu τί Atysı ἣ γραφή, dem es 
mit Nachdruck voransteht: in der vom Elias handelnden 
Stelle, in der Geschichte des Elias (Otto). Vgl. Mk 126. — 
ὡς ἐντυγχάνει τῷ ϑεῷ χατὰ τοῦ Ἰσραήλ) abhängig von 
οὐχ οἴδατε, als näher bestimmende Parallele von ἐν Ηλ. ri 
λέγει ἡ yo. Vgl. Lk 2261. Act 1116. Das ἐνευγχάνειν 
(82. 84) steht hier mit dem Dativ der Person, die man angeht, 
wie oft bei Plutarch, Polyb., Lucian etc. (vgl. Act 252. Sap 
821. 162), und mit κατά ὁ. gen., weil es in anklagendem 
Sinne wider Israel geschieht, vgl. IMak 88 ἢ. — V. 3 bringt 
die Stelle IReg 19:10. ı« frei nach den LXX und mit Um- 
stellung der beiden ersten Versglieder, die gewiss nicht zufällig 
ist (Meyer), da sie dazu dient, das ὑσεδλείφϑην von dem 
ἀπτέχτειναν zu trennen, und ihm so den von Paulus intendirten 
Sinn zu sichern. Vgl. Hofm. »Herr, Deine Propheten haben 
sie getödtet (nämlich die Israeliten unter Ahab und Jesabel, 
vgl. IReg 184), Deine Altäre haben sie von Grund aus zer- 
stört (geschleift); und ich bin übrig geblieben allein; und sie 
suchen meine Seele« ἢ. Der Fall war also ganz ähnlich, 
wie der jetzt vorliegende, wo nach der Art, wie er V. 1 auf 


5) Das ἐν ’Hif« heisst nicht soviel als: de Elia (Erasm., Luther, 
Beza, Calv., Calov. u. M.). Sehr gangbar ist diese Citationsweise bei 
Philo und auch bei den Rabbinen (Surenh. χαταλλ. p. 493), vgl. schon 
Thuc. 1, 9, 3, wo ἐν τοῦ σχήπτρου ἅμα τῇ παραδόσει εἴρηχεν heisst: 
an der Stelle, wo er (Homer) von der Scepter-Uebergabe handelt, hat 
er gesagt u. 8. w. Ganz ungeschickt fasst Otto das ὡς als von λέγει 
abhängigen Objektssatz. Das λέγων am Schlusse des Verses (Βορί. 
nach NL) ist zu streichen. 

**) Meyer sagt: »Ueber den Plural (τὰ $voscornei«), da der Tempel 
in Jerusalem der ausschliesslich zum Kultus bestimmte Ort war, ge- 
nügt Estius: »Verisimile est, Eliam loqui de altaribus, quae passim 
in excelsis studio quodam pietatis Deo vero erecta fuerant; maxime 
postquam decem tribus regum suorum tyrannide prohibitae fuerunt, 
ne Jerusolymam ascenderent sacrificii causa. Quamvis enim id lege 
vetitum esset [s. Lev 178[. Dtn 1218, ac recte fecerint Ezechiae 
οὗ Josias, reges Judae, etiam ejusmodi aras evertendo, tamen impium 
erat eas subvertere odio cultus Dei Israele. Vgl. Grot., auch Keil, 
Archäol. I, & 89.« Ob das μόνος im Urtexte heisst: allein von den 
Propheten (e gew.), wofür die Gedankenfolge in ihm spricht, was 
aber Otto lebhaft bestreitet, ist ganz gleichgültig; der Apostel bezieht 
es jedenfalls darauf, dass er als der Einzige Jehova treu geblieben 
war, weil seine Gesinnungsgenossen getödtet waren, und das ab- 
trünnige Volk, wider das er ja Anklage erhebt, sie eben ihrer Treue 
wegen getödtet hatte. Das xaı der Rept. vor ra ϑυσιαστ. (DEL) ist 
Verbindungszusatz nach den LXX. Otto benutzt es für seine Auf- 
fassung, indem er es behandelt, als ob eg vor τοὺς rooy. stehe! 


Röm 11 8. 4. 467 


seine Person verwies, Paulus allein übrig geblieben zu sein 
scheinen konnte. — V.4. ἀλλὰ ri λέγει αὐτῷ) aber, 
obgleich Elias allein übrig gelassen zu sein klagte, was sagt 
zu ihm die (auf diese Anklage antwortende) göttliche Weisung ? 
Zu ὃ χρηματισμός, nur hier im NT, vgl. IIMak 24. 11ı,. 
Diod. Sic. lı. 147 und über χρηματίζω 2. Mt 21. Es folgt 
nun IReg 1918, mit freier pragmatischer Abweichung sowohl 
von den LXX als vom Grundtexte: »ich habe mir selbst 
(ἐμαυτῷ, nämlich zu Dienst und Eigenthum) übrig gelassen 
(indem ich sie vor Abfall bewahrt und in der Treue erhalten 
habe) siebentausend Männer, welche doch (oörıveg motivirt, 
παν, sie ihm treugeblieben) nicht gebeugt haben ein Knie vor 
« ἢ). 





*) Auffallend ist — da doch ὃγβ als Bezeichnung der phöni- 
zischen Gottheit, deren Verehrung bei den Juden besonders unter den 
späteren Königen sehr verbreitet war, ein männliches Nomen ist —, 
dass es bei den LXX u. in den Apokr. zwar überwiegend den männ- 
lichen (Num 224. Jud 218. IReg 1681 al), oft aber auch den 
weiblichen Artikel (Zph 14. Hos 28. ISam 74, immer bei Jerem., 
Tob 15 al.) bat. Auch an unserer Stelle las Paulus wohl den männ- 
lichen Art. (gegen Frtzsch., Ew.), da der weibliche in den jüngeren 
Codd. der LXX erst aus unserer Stelle eingedrungen sein wird, setzte 
aber seinerseits den weiblichen. Dass die LXX gemeint hätten, 5ya 
sei generis communis und bezeichne auch die Astarte (Reiche, vgl. 
Otto, der sogar meint, Paulus habe mit Absicht und auf besseres 
Wissen aus der Tradition die Astarte als die Gottheit ihres Ge- 
schlechts genannt, die das Weib Jesabel in den Königspalast Israels 
eingeführt habe), ist deshalb nicht wahrscheinlich, weil bei den LXX 
nicht bloss der männliche Baal und die Astarte oft nebeneinander 
vorkommen (Jud 2ıs. 106 al.), sondern auch Baal als Fem. neben 
der Astarte (ISam 74). Nach Frtzech. haben die LXX byı sowohl 
für den Namen eines Gottes als auch für den einer Göttin gehalten 
und daher je nach dem vermeintlichen Zusammenhang bald den 
männlichen, bald den weiblichen Artikel gesetzt, letzteren besonders, 
wo eg neben ri-n7y vorkommt. Meyer nimmt an, dass Baal als an- 
drogyne Gottheit gedacht gewesen sei (Beyer ad Selden. de Diis Syr. 
p. 273f., Wttst., Koppe, Olsh., Phil.), obgleich ein näherer geschicht- 
licher Nachweis fehlt. Andere halten unter Verweisung auf IIReg 
17s0f. und die rabbinische Bezeichnung der Idole durch mx die 
weibliche Artikulirung für eine verächtliche Bezeichnung (Gesen. in 
Rosenm. Repert. I, p. 139, Thol., Ew. Alterth. p. 302). Hat man das 
Femin. artic. auch durch Ergänzung eines Substant. erklärt (εἰχόνε: 
Erasm., Luther. Beza, Grot., Beng., God. u. M.; στήλῃ: Glass, Estius, 
vgl. auch v. Heng.: ϑρησχείᾳ: Cramer), so war dies ebenso willkürlich 
als falsch, weil es wenigstens τῇ τοῦ βάαλ heissen müsste, da bya 
immer den Artikel hat. Eine völlig befriedigende Erklärung hat erst 
Dillmann in dem Monatsbericht der Καὶ]. Akademie der Wissen- 
schaften zu Berlin vom 16. Jan. 1881 gegeben. Hiernach scheuten 
sich die Palästinensischen, wie die Hellenistischen Juden, den Baal- 


90 * 





468 Röm 115. 6. 


V. δέ. οὕτως) wie 11. 611: in dieser Weise, diesem 
alttestamentlichen Geschichtsvorgange entsprechend, nur dass 
das οὖν zugleich von demselben die Anwendung macht auf 
die Frage, um die es sich in der Gegenwart handelt, welche 
nach der typischen Auflassung des alttestamentlichen Vor- 
ganges demselben genau entsprach: So nun auch in der 
en) Gegenwart (καὶ ἐν τῷ νῦν καιρῷ, vgl. 32). 

as tert. comp. liegt aber in dem Begriff des Asiuua (Il Reg 
194. Herod. 1, 119), d.h. darin, dass von der grossen Masse 
des Volkes nur ein kleiner Theil übrig geblieben ist, und so 
ein Ueberbleibsel zu Stande gekommen und vorhanden ist 
(Bem. das Perf. yeyovev) im Verhältniss zu dem grossen Ganzen, 
von dem der grösste Theil hinweg ist. Natürlich ist es, wie 
bei dem χατέλιστον ἐμαυτῷ V. 4, ausschliesslich Gott selbst, 
durch welchen dies λεῖμμα zu Stande gekommen, d. ἢ. be- 
wirkt ist, dass ein Rest Israels gläubig geworden ist und das 
Heil erlangt hat, weil nur daraus folgt, dass das Volk als 
solches nicht verstossen sein kann. Aber als ein ganz neues, 
durch den alttestamentlichen Vorgang nicht dargebotenes Mo- 
ment tritt hier das χατ᾽ E&xAoyn» χάριτος hinzu, das die 
Modalität des γέγονεν beschreibt, und das, wie die nachdrück- 
liche Voranstellung zeigt, dem Apostel besonders wichtig ist. 
Es ist nämlich das λεῖμμα zu Stande gekommen in Gemäss- 
heit einer Auswahl, welche göttliche Gnade getroffen, d. h. 
indem Gott sich nach freier Gnade aus der Masse des Volkes 
die auswählte, welche er durch die Bewirkung des Glaubens 
sich erhalten und zum Heile führen wollte. Es zeigt sich 
darin aber nur wieder dieselbe göttliche Ordnung, nach 
welcher er sich von Anfang an vorbehalten hat, aus den leib- 
lichen Nachkommen der Erzväter die auszuwählen, welche das 
dem Volk bestimmte Heil empfangen sollen (96—ıs), und 
ihnen so seine Gnade zu Theil werden zu lassen, die ihrer Natur 
nach eine freie ist (9ı1. 1618) ἢ). — V. 6. ei δὲ χάριτι der 
Sache nach gleich χατ᾽ ἐχλογὴν χάριτος: wenn aber durch 


namen auszusprechen, und ersetzten ihn beim Lesen der heiligen 
Texte im Griechischen durch αἰσχύνη, welches Qeri dem verständigen 
Leser durch den weiblichen Artikel vor Βάαλ angedeutet wurde. 
Ihm folgen Lips., Sand. — Ganz verkehrt nimmt Hofm. das χατέλιπον 
als 3. pers. plur., so dass es dasselbe Subj. wie awexreırav hat, was 
schon durch das ἐμαυτῷ ausgeschlossen wird. 

*, Hofm. verbindet das x«r’ ἐχλογήν mit λεῖμμα und sieht darin 
fälschlich eine Verstärkung des für V. 2 erbrachten Beweises. Otto 
übersieht, dass dieselbe Gnade, welche sich ihre Objekte erwählt, 
dieselbe durch ihre Berufung zu dem λεῖμμα macht, dass deshalb die 
erwählende Gnade aber doch eine andere ist als die, welche in ibnen 


Röm 11e. 469 


Gnade, sc. λδίμμα yeyove. Gerade an dieses neu hinzugetretene 
Moment knüpft die Fortführung des Gedankens an, weil dem 
Apostel Alles darauf ankommt, den Gedanken auszuschliessen, 
als ob man sich durch Werke ein Anrecht darauf erwerben 
könnte, zu dieser Auswahl zu gehören (vgl. 911. 16. Er kon- 
statirt daher, dass, was durch Gnade zu Stande gekommen, 
nicht mehr (οὐχ ἔτι im logischen Sinne, wie 717) auf Anlass 
von Werken (ἐξ ἔργων) zu Stande gekommen sein kann, 
weil, wenn dem so wäre (£rzei im Sinne von 3s: sonst), die 
Gnade aufhört, Gnade zu sein, oder, wie das οὐκέτε γίνεται 
noch bezeichnender sagt, sich als das thatsächlich zu erweisen, 
zu verwirklichen (vgl. zu 34), was sie ihrem Wesen nach ist 
und bleiben muss, wenn sie ihren spezifischen Charakter nicht 
aufgeben soll (vgl. Augustin.: gratia, nisi gratis sit, gratia 
non est). — ei δὲ ἐξ ἔργων) sc. τὸ λεῖμμα γέγ. Diese Um- 
kehrung des Gedankens zeigt nur aufs Neue, wie sehr es dem 
Apostel darauf ankommt, den Gedanken auszuschliessen, dass 
die Zugehörigkeit zu jenem λεῖμμα durch Werkverdienst er- 
worben sein könnte. — οὐκέτι ἐστὶν χάρις) Dann findet 
Gnade nicht mehr statt, ein für den Apostel, dem Gnade das 
beherrschende Prinzip der ganzen Heilsgegenwart ist, so un- 
denkbarer Gedanke, dass durch diese undenkbare Konsequenz 
die Unmöglichkeit des ἐξ ἐργων definitiv sicher gestellt ist. — 
ἐπεὶ τὸ ἔργον) sonst, wenn nämlich doch noch von Gnade 
die Rede sein soll, trotz jener Prämisse, ist das Werk nicht 
mehr Werk, weil ein Werk, das nicht durch sich selbst er- 
wirbt, was seine Folge ist, keine wirkliche Leistung mehr ist *). 


-----ὄ .“..-...-..,..-...... 


den Glauben (wie V. 4 das Treugebliebensein) wirkt. Beck findet in 
diesem Ausdruck »die objektive und subjektive Entstehung«, »die 
göttlich aktive und die menschlich rezeptive Hervorbringungs- 
thätigkeit«, die berufende Erwählung Gottes und die menschliche 
Hingabe an dieselbe ausdrücklich angedeutet. God. will bei der 
ἐχλογὴ χάριτος nur an die Erwählung des Volkes denken, in Folge 
deren dasselbe nie gänzlich verworfen werden könne, immer ein Best 
übrig bleiben müsse. Aller Gedankenzusammenhang wird natürlich 
aufgehoben, wenn man hier an eine ἐχλογή aus Heiden und Juden 
denkt (Zimmer). 

5) Dieser Gedanke ist keineswegs bloss beiläufig und zufällig 
(Koppe, Rück., de W., Frtzsch., Maier u. A.), und leitet auch nicht 
bloss zu V.7 über (Meyer); er handelt aber auch nicht vom Zustande- 
kommen eines Restes im Unterschiede von der Erwählung der Einzelnen 
(Hofm.), da nur durch diese nach V. 5 jener zu Stande kommt, und 
ist auch nicht vom Apostel um seiner »judenchristlichen« Leser 
willen eingefügt (Hilg.’, die doch sicher nicht annahmen, dass sie 
wegen ihrer vorchristlichen Gesetzestreue von Gott erwählt und zu 
Christen gemacht seien. Otto leugnet die Ergänzung von λεῖμμα 


470 Röm 111. 


V. τί. τί οὖν!) fragt, wie 89. 61, was nun in Folge 
von V. 5f. sich in Betreff dessen, was Israel widerfahren ist 
und was doch nach V. 1. 2 keine Verstossung des Gottes- 
volkes sein soll, ergiebt*). — ο ἐπιζητεῖ) vgl. ISam 20ı. 
Hbr 111. Act 19. Was Israel erstrebt hat und noch er- 
strebt (Bem. das Praes.), das ist nach 9sıf. die Gerechtig- 
keit; denn wenn dort auch zunächst von einem νόμος δικ. 
die Rede war, so sollte dieser ihm doch nur dazu verhelfen, 
die Gerechtigkeit zu erlangen, und zwar nach der Art, wie 
es jenen »Ouog auflasste, eine eigene Gerechtigkeit (108); denn 
nur bei einer solchen kann von einem ἐπεζητδῖν, welches 
nothwendig allerlei Werkthätigkeit voraussetzt, die Rede sein. 
Mit grossem Nachdruck hebt das den Relativsatz wieder auf- 
nehmende τοῦτο hervor, dass es eben dies nicht erreicht hat 
(ἐπέτυχεν, vgl. Prv 12. Jak4a Hbr 610) — ἡ δὲ 
ἐκ λογή) metonymisch für die Auserwählten, wie zzegizoun 
980 für die Beschnittenen, vgl. Lobeck ad Phryn. p. 469. — 
Was Israel erstrebte, und die Auswahl erlangte, war dieselbe 
Gerechtigkeit, die nur von Israel auf falschem Wege erstrebt, 
den Auserwählten aber, nachdem sie Gott berufen und den 
Glauben in ihnen gewirkt hatte, aus Gnaden geschenkt wurde 
(89). Da nun mit der Gerechtigkeit alles Heil gegeben, so 


€yovev und setzt willkürlich ein »etwas geschieht« an die Stelle. — 
Di zweite Vershälfte: εἰ de εξ ἐργων ouxers ἐστιν yapıs, ENE τὸ ἔργον 
οὐυχετε ἔστιν ἐργον (Rept.) ist durch BL gut bezeugt; denn dass in B 
das ἔστε nach ers ausgefallen, und statt des ἔργον am Schlusse sinnlos 
das χαρις der ersten Vershälfte wiederholt ist, hat gar keine kritische 
Bedeutung. Ein Grund, diese Antithese zu bilden, war gerade bei 
ihrer scheinbar »völligen Entbehrlichkeit für die Argumentation« für 
die Abschreiber durchaus nicht gegeben, und die Worte entsprechen 
keineswegs so genau denen der ersten Vershälfte, dass sie als Nach- 
bildung erscheinen. Dagegen lag der nachlässige Ausfall des fast 
aus denselben Worten (in anderer Stellung) gebildeten Satzes den 
Abscobreibern sehr nahe. Die Worte sind daher mit Recht gegen die 
neuesten Kritiker und Exegeten mn Meyer und besonders Hofm., 
dessen Kritteleien an ihrem Gedanken durch die obige Auslegung 
sich von selbst erledigen, vgl. auch Lips., der sie für sinnlos erklärt) 
von Frtzsch., Reiche (Comment. crit I, p. 68ff.), Volkm. festgehalten 
worden. Ohne Grund verdächtigt Holst. den ganzen Vers. 

*) Das οὖν folgert also nicht aus V.2—6 (de W., Frtzsch., Phil.), 
geschweige denn dass nach dem Grunde der Thatsache 1016 gefragt 
wird, da die Verwerfung des Volkes nach dem Vorigen dieser Grund 
nicht sein könne (Holst... Auf die von ihm gestellte Frage antwortet 
aber Paulus nicht mit einer neuen Frage (Lehm.), die ihre Verneinung 
in sich selbst trägt (Hofm.), oder mit einer Frage der Verwunderung 
(Reiche, der die folgenden Worte mit τέ οὖν zu einer Frage zusammen- 
zieht), so dass eret mit ἡ δὲ ἐχλογή etc. die Antwort folgte, sondern 
mit einer positiven Aussage. 





Röm 111. 8. 471 


erlangt dieser Rest Israels das Heil, freilich nicht ἐξ ἔργων, 
aber auch nicht, weil Gott ihn sich nach einem decretum ab- 
solutum der Willkür auserlesen hat, sondern, weil Gott sich 
eben solche erwählte, die nicht, wie die Masse des Volkes, ἐξ 
ἔργων nach der Gerechtigkeit trachteten ἢ. — οἱ δὲ Aoıoi 
ἐπεωρώϑη σαν) heisst trotz Job 177 nicht: verblenden (Hofm., 
Holst.), sondern: verhärten (vgl. zu IlKor 31) und ist an 
mit σκληρύνειν (9ı8). Vgl. noch Mk 6.2. 817. Joh 1242. Nie 
wurden (von Gott) in der verkehrten Richtung, die sie 
eingeschlagen, so verfestigt, dass sie für alle Antriebe zur 
Aenderung derselben unempfänglich (gefühllos, wie mit einer 
Schwiele überzogen) gemacht sind (vgl. Frtzsch. ad Marc. p. 78. 
Winzer Progr. 1828. p. 8. Es ist also nicht die verkehrte 
Richtung ihres ἐχειζητεῖν (9sıf. 103) auf diese Verhärtung 
zurückgeführt (Holst., vgl. Lips., der die Worte analysirt, als 
sei von ihrem Unglauben die Rede), als ob Paulus, was er 
bisher als subjektiv verschuldet angesehen, jetzt wieder vom 
objektiven Standpunkt betrachte (de W.), sondern umgekehrt 
ihre Verhärtung als ein Strafgericht über die eingeschlagene 
verkehrte Richtung aufgefasst, in der sie nunmehr verharren 
müssen, nachdem sie dieselbe nicht haben verlassen wollen 
(1021). — V. 8, καϑάπερ γέγραπται) Gemeint ist Din 
294, das frei nach den 1Xx und mit Einflechtung eines 
Hauptbegriffes aus der sachlich ähnlichen Stelle Jes 29 10 
citirt wird. Paulus fasst die Schriftworte, welche von einer 
Verstockung des Volkes zur Zeit des Jesaias und des Moses 
handeln, als eine Weissagung auf die jüdische Verstockung 
gegen das Evangelium **). Statt mit der Deuteronomiumstelle 


*) Trotzdem darf als Objekt des ἐπεζητεῖν und ἐπιτυχεῖν nichts 
Anderes gedacht werden als die Gerechtigkeit (nicht die ἰδέα dıxzmıo- 
ovvn, wie Lips. obiger Erklärung unterschiebt), durch deren Mittheilung 
(in der Rechtfertigung) auch allein ein Rest zu Stande kam (V. δ), 
wie damals, als Gott sich die 7000 selbst erhielt (V. 4), da als Objekt 
des zweiten ἐπέτυχεν nur 5 ἐπιζητεὶ ᾿Ισρκήλ ergänzt werden darf. 
Sobald man ihren Gnadenstand bei Gott (Otto, Goeb.), ihre Seligkeit 
(Zimmer), oder gar das Messianische Reich (Chr. Hoffm.) dafür ein- 
setzt oder doch hinzunimmt, gebt man über die kontextmässige Be- 
deutung des ö hinaus. Dass die Praep. im Comp. ἐπεζητεῖν den 
Verbalbegriff verstärke (Frtzsch., Phil., Luth.), bestreitet Meyer, weil 
sie nur, dem ἐπέτυχεν korrelat, die Richtung bezeichne. Vgl. Phl 4 11. 
Ueber den Acc. nach enırvyy. statt des gewöhnlichen Gen. (rovror: 
abe nach Min.) vgl. Matthiae $ 828. Eillendt, Lexic. Soph. II, 
p.861. Er ist beim pronominalen Objekt, bei dem die partitive Vor- 
stellung ausgeschlossen, das Natürliche (vgl. Otto). 

**) Es widerspricht durchaus dem technischen Sinne des γέγραπται, 
wenn man den Apostel nur die Uebereinstimmung des jetzt Ge- 
schehenen mit dem dort Geschriebenen hervorheben lässt (Thol., 


473 Röm 118. 


zu sagen, was Gott ihnen nicht gab (Augen zu sehen und 
Ohren zu hören), wählt er, dem Begriff der Verstockung ent- 
sprechend, sofort den Ausdruck πνεῦμα χατανύξεως aus 
esaja: »Gott gab ibnen einen in Betäubung versetzenden 
Geist«, d. ἢ. einen Geist, welcher nach der betäubenden, 
einen Zustand der Unempfindlichkeit und Unempfänglichkeit 
herbeiführenden Wirkung, die er ausübt, charakterisirt wird *). 
Ebenso sagt Paulus nun positiv, Gott habe ihnen Augen des 
Nichtsehens und Ohren des Nichthörens (τοῦ un βλέπειν --- 
τοῦ μὴ ἀκούειν) gegeben, ἃ. ἢ. er habe ihre Organe der 
geistigen Wahrnehmung (wofür die der sinnlichen nur Symbole 
sind) zu solchen gemacht, die nicht mehr wahrzunehmen ver- 
mögen, womit derselbe Gedanke nur noch deutlicher aus- 
gedrückt wird ἢ. Endlich wird das: »bis auf diesen Tag« 
des Grundtextes umgesetzt in ἕως τῆς σήμερον ἡμέρας 
(vgl. IIKor 314), das noch bestimmter hervorhebt, wie die 


Hofm., welche den Nachdruck darauf legen, dass auch die hier be- 
schriebene Verstockung Israels keine Verstossung des Volkes involvirte, 
sondern dazu diente, es als Volkseinheit zusammenbhalten'!). Vgl. noch 
Luth. Statt des gew. x«3ws der Βορί. (Lcehm.) ist nach NB χαϑαπεὲρ 
(46) zu lesen. 


*) Dieser Sinn von χαζάγυξις erklärt sich aus dem Gebrauche 
von χατανίσσεσϑαι, a ἀμὸν τς bei den LXX und den Apokr. vom 
lähmenden Betroffenwerden durch Schmerz, Furcht, Staunen u. 8. w., 
wodurch man verblüfft und wie vom Schlage gerührt wird (Schleusner 
Thes. III, p. 256, vgl. 2. Act 237). Dass auch die LXX unter 
χατάνυξις hier wirklich: Betäubung, Taumel verstehen, zeigt das o?vor 
χατανύξεως Ps 605. Vgl. Frtzsch. Exc. p. 658ff. Falsch sind daher 
alle Erklärungen, welche die Ableitung des χατάρνυξις von νύσσεεν ver- 
lassen. So z.B. Calv.: »Spiritum vocat — compunctionis, ubi scilicet 
quaedam fellis amaritudo se prodit, imo etiam furor in respuenda 
veritate«. Aehnlich Luther (»einen erbitterten Geist«) und Melanth. 
Mit Unrecht denkt Meyer und wohl auch God. an einen dämonischen 
Geist (IIKor 44 Eph 22), wie Otto an eine blosse Bestimmtheit 
des Menschengeistes. Die Macht, mit welcher Gott auf ihren Geistes- 
zustand einwirkt, ist als ein ihnen mitgetheilter Geist vorgestellt, 
der die intendirte Wirkung zu Wege bringt. 

**) So mit Recht Grot., Frtzsch., Phil., v. Heng., Chr. Hoffm. 
Ganz unnatürlich ist es, den Gen. als Inf. des Zwecks zu nehmen 
(Meyer, Hofm., God., Böhmer, Zimmer, Lips. u. A.); denn selbst 
Augen und Ohren, die so eingerichtet sind, dass man mit ihnen nicht 
hören und sehen soll, brauchen nicht erst gegeben zu werden, um 
dies Sehen und Hören zu verhindern, da man ohne Augen und Ohren 
schon an sich nicht sehen und hören würde. Die Schlussworte ge- 
hören nicht zu V. 7, so dass χαϑάπερ — ἀχούεεν zu parenthesiren 
wäre (Bez., Wolf), weil sie noch dem Schriftwort angehören, und ihre 
Beziehung auf eine Zeit, wo es anders werden soll (V.25), liegt hier, 
wie bei dem ἐν τῷ νῦν χαιρῷ V. ὅ, noch fern (gegen Hofm.). 





Röm 118.9.. 418 


Verstockung Israels bis auf den heutigen Tag fortdauert. Zur 
Sache vgl. noch Jes 6sf. 

V. 96. bringt noch einen Schriftbeleg des en 
und zwar Ps 692f., mit freier Abweichung nach d. LXX ἢ 
»Es werde ihnen (es wandle sich ihnen) ihr Tisch zu einer 
Schlinge, in der sie sich gleichsam selbst fangen«. Es genügt 
dem Ausdruck nicht, dass, während sie an ihrem wohlbesetzten 
Tische sicher und sorglos schmausen und trinken, sie unver- 
sehens das Geschick der Vergewaltigung ereilen soll (Meyer, 
Lips), da die Pointe desselben doch jedenfalls darin liegt, 
dass gerade das, woran sie sich weiden, ihre Befriedigung 
suchen (vgl. Zimmer, Goeb.), ihnen zum Verderben gereicht. 
Dann hat aber Paulus dabei sicher an das Gesetz und seine 
Werke gedacht. Vgl. Melanth., Phil., Thol., God., Sand. 
u. A.*) — An die Stelle des «ai δὶς ἀντατεόδοσιν, das 
Paulus der Sache nach für zuletzt aufspart, setzt er xai εἰς 
ϑήραν, so dass nun mit dem folgenden xai sig σκάνδαλον 
durch drei synonyme Ausdrücke der Gedanke verstärkt wird, 
dass, was ihnen ein Gut ist, ihnen zum Verderben gereicht. 
Dann aber kann ϑήρα, wie Ps 358 Prv 118, nur die Jagd 


——  «-- . 


*) Wenn der Verfasser dieses Psalms nicht David ist, wie die 
meisten Neueren annehmen, so ist das analog zu beurtheilen wie der 
Ausspruch Christi Mt 2243. Selbst Hofm. sagt: »Zu untersuchen, ob 
der angezogene Psalm ein Gebet Davids wirklich sei. war des Apostels 
Sache nicht Er verwendet ihn, wie er ihn in der Schrift vorfindet. 
die ihn als ein Gebet Davids bietet«, obwohl er trotzdem auf die 
Nennung Davids Gewicht legt, wie auch Otto meint, dass der Apostel 
gern prophetische Zeugnisse durch einen Ausspruch Davids bekräftige, 
der nicht nur als Prophet, sondern auch als Schriftverständiger im 
böchsten Grade galt (?). Meyer sieht wieder in dem leidenden Theo- 
kraten des Psalms einen Typus des Messias, in seinen Feinden einen 
Typus der ungläubigen Juden; aber Paulus fasst ohne Zweifel die 
Stelle ihrem Wortlaut nach, in dem Manches an das eben beschriebene 
Verstockungsgericht erinnerte, als eine Weissagung auf dasselbe ohne 
jede Reflexion auf ihre zeitgeschichtliche Beziehung. Denn dass hier 
steigernd ein Hinweis auf das Israel bevorstehende Strafgericht an- 
gefügt werde (Hofm.), ist kontextwidrig. 

**, Dies wird vergebens von Luth. u. A. bestritten; es ist das 
kein Allegorisiren (Lips.), da Paul. sich bei den Worten des Psalms 
doch etwas gedacht haben muss. Ganz fern liegt der Gedanke an 
die Sorge um das tägliche Brod, die jeden höheren Aufschwung 
hemmt (Otto), oder an Schlemmerei und Geldwucher (Frtzsch.). 
Böhmer denkt zu speziellan den Tisch des Passamahls und den ganzen 
alttestamentlichen Kultus. Sprachwidrig ist es, im Folgenden ϑήρα 
mit: Netz zu übersetzen (Thol., Ew., Hofm.), sachwidrig, an das Jagen 
‘nach irdischem Gute zu denken (Otto), oder σχάνδαλον in dem sonst 
gewöhnlichen Sinn: Anstoss (Luth., Goeb.), Aergerniss (Zimmer) zu 
nehmen. 


4714 Röm 119—1ı. 


sein, auf der einem nachgestellt wird, so dass der Sinn ist, 
es werde ihnen so verderblich, wie die Jagd dem Wilde. 
Aehnlich heisst dann eig σχάνδαλον, wie oft bei den LXX 
(s. Schleusn. Thes. V, p. 38) und so auch hier als Ueber- 
setzung von ὦ τ, Fallstrick oder geradezu Falle, wie bei den 
Griechen σχανδάληϑρον das Stellholz einer Falle ist. — Höchst 
bedeutsam ist es nun, dass Paulus absichtlich das xai esc 
ἀνταπόδομα (Jud 9ıs. Ps 214. JSir 146. Lk 142) an 
den Schluss stellt: und so zur Wiedervergeltung. Damit ist 
nämlich das sie ereilende Verderben (der Verstockung) aus- 
drücklich als Vergeltung für ihr Verhalten Masern: 
dass sie den Glauben an Christum verworfen haben, richtiger 
God.: für den Eigensinn ihrer Selbstgerechtigkeit) bezeichnet, 
weshalb es begreiflich ist, dass Holst. (Zwih 1872 p. 455), 
Lips. w. A. diese Verse für unächt erklären. — V. 10 sa 
nun, welches das Verderben sei, das sie ereilen soll, und 
die folgenden Worte aufs Genaueste an V. 8 erinnern, so ist 
nur an das Verstockungsgericht zu denken, das also hier 
deutlich als Strafgericht für ihr Verhalten erscheint. Es heisst 
nämlich wörtlich nach den LXX: »Verfinstert müssen ihre 
Augen werden, damit sie nicht sehen und ihren Rücken 
krümme immerdar«. Jenes bezeichnet, genau wie V. 8, die 
Verblendung, in welcher sie in Folge des Verstockungsgerichts 
verbleiben müssen, dieses ein beständiges Festgehaltenwerden 
in der geistigen Knechtschaft der durch die σεώρωσις herge- 
stellten unfreien Verfassung des inneren Lebens. Die Knecht- 
schaft ist als eine Situation gedacht, in der man den Rücken 
beständig krümmen muss, um das in ihr auferlegte Joch zu 
tragen *). 

Υ. 11—24. Die göttliche Heilsabsicht bei der 
Berufung der Heiden, die an Stelle der einstweilen vom 
Heile ausgeschlossenen Glieder des auserwählten Volkes ge- 





*) Hier liegt allerdings der Gedanke an die Gesetzesknechtschaft 
(Melanth., Thol., Phil., God., Böhmer, Goeb.) sehr nahe. Keinesfalle 
darf man bei der Vorstellung des beugenden Unglücks (de W., Luth.) 
oder der Entziehung des’ Messiashieails (Lips) stehen bleiben, da 
keineswegs von schweren göttlichen Gerichten überhaupt, wie beim 
Untergange Pharao’s (Hofm.), sondern vom Verstockungsgericht die 
Rede ist, dessen endliche Aufhebung das einen dauernden Zustand 
ausdrückende διαπαντός natürlich nicht ausschliesst (gegen Lipe.). 
Vollende kontextwidrig hat man in V. 9 die Zerstörung Gerasalene 
geweissagt gefunden (Michael. nach Grot., Wttest. u. V.), eo dass man 
τράπεζα auf das Ostermahl bezog, zu dessen Feier die Juden gerade 
in Jerusalem waren, als die Stadt eingeschlossen wurde (Joseph. Bell. 
Jud 69. 34), oder gar (Grot.) auf den Altar im Tempel; und dann 
V. 10 die Römische Knechtschaft der Juden (so schon Väter). 





Röm 1111. 478 


treten sind. — V. 11. λέγω ob») vgl. V.1, bringt eine Frage 
zur Sprache, die sich nach dem von der verstockenden Thätig- 
keit Gottes Gesagten (V.7—10) nahelegte, weshalb das nicht- 
genannte Subjekt im Folgenden nur die Aoızor V. 1 sein 
können, d. ἢ. die nicht zur ἐχλογή gehörigen Glieder des 
Volkes, — μὴ ἔπταισαν) Das Verbum, das allerdings 
zunächst: anstossen heisst und darum Synonymon von 7c000- 
κόπτειν (922) ist (vgl. Polyb. 31, 19, 5. 20, 1), bezeichnet 
doch sprachgebräuchlich das durch einen solchen Anstoss 
herbeigeführte Straucheln und steht in diesem Sinne schon 
Dtn 72. JSir 372. Jak 21. 32. ΠΡΙῚ 1:10 (vgl. Eur. Aeg. 
fr. 2,1. Marc. Antonin. 7, 15) von _ sittlichen Febltritten. 
Nun ist ja ihre Verfehlung, wie sie 932. 108. 16 beschrieben 
war, nach V. 7 durch göttliche Verstockung herbeigeführt, 
aber darum ist doch eben nicht diese als ein bellasens. 
werthes Widerfahrniss (Hofm., Holst., Lips.), sondern eine per- 
sönliche Verschuldung gemeint, welche nur dadurch herbei- 
geführt ist, dass sie in de Sinnesrichtung, aus der sie hervor- 
ging, verhärtet wurden. Das freilich muss sie schon darum 
sein, weil im Folgenden nach der (göttlichen) Absicht dabei 
gefragt wird. -- zz&owaoıy) Der Strauchelnde kann entweder 
sich wieder aufraffen und zum Stehen kommen oder fallen 
und zum Liegen kommen (vgl. Sand). Wenn also auch das 
πταίειν oft ganz synonym mit σείσετειν gebraucht wird (ISam 
11. IlSam 101. IIMak 14:17), so wird dies hierdurch aus- 
drücklich als die mögliche Folge davon unterschieden und 
- kann nur Bild des ewigen Verderbens sein, dem sie durch 
ihren Fehltritt anheimfallen. Vgl. Hbr 4ıı. Prv 1128. 2416. 
JSir 27. Eben weil die verstockende Thätigkeit Gottes, 
welche sie in ihrem widerspenstigen Verhalten verfestigte, den 
Schein erweckte, als ob ihr definitives Verderben die Absicht 
Gottes sei, wirft Paulus die Frage auf, deren verneinende 
Form (»doch nicht den Zweck hatte ihr Straucheln, dass sie 
fallen sollten?«) schon die völlige Abweisung dieser Möglich- 
keit (μὴ γένοιτο) vorbereitet*). — Da der Zusammenhang 


*) So wenig Subjekt das Volk Israel ist (doch vgl. auch Luth.), 
80 wenig ist das ref.» hier im Sinne von 9382 genommen (gegen 
Goeb., Otto), da, wenn dies beabsichtigt wäre, eben das προσχόπτειν 
von dort wiederaufgenommen sein würde. Dies auch gegen Böhmer, 
nach dem Gott ihnen den Stein, über den sie strauchelten, in den 
Weg gelegt hat. Das ἔνα kann natürlich hier so wenig wie irgend 
wo die Folge bezeichnen (Orig., Chrys., Vulg., Grot. u. A.). Alle, 
welche das πέπτεεν wesentlich gleichbedeutend mit zrafcım nehmen, 
müssen die eigentliche Pointe des Gedankens eintragen. So Augustin. 
n. V.: nur damit sie fallen sollten, als ob μόνον ἵνα stände (vgl. 


"476 Röm 1111. 12. 


schlechterdings fordert, dass mit τῷ αἰτῶν παραπτώματι 
der Begriff des πταίειν aufgenommen wird, so ist hiermit 
definitiv bestätigt, dass dieses als ein sündhaftes Vergehen ge- 
dacht ist (vgl. 425. 5ıs.»), und man darf also nicht den Un- 
‚glauben Israels als eine »That Gottes« (Holst.) bezeichnen. 
Da ihre sittliche Verfehlung aber freilich kein zufälliger 
Einzelakt war, sondern durch das göttliche Verstockungsgericht 
zu dem dauernden Zustande ihres dem Evangelium gegenüber 
bewiesenen Unglaubens wurde, so konnte dadurch nach gött- 
licher Absicht (vgl. das folgende εἰς ro c. Inf.) die Errettung 
den Heiden zu Theil werden (7 σωτηρία τοῖς ἔϑνεσιν 
sc. γέγονεν), sofern den immer wieder von ihnen abgewicsenen 
Boten des Evangeliums (in erster Linie dem Apostel selbst) 
nichts übrig blieb, als sich zu den Heiden zu wenden. In 
diesen Erfahrungen (Act 1346) hat eben Paulus den göttlichen 
Rathschluss erkannt, der durch die Verstockung der Juden 
den Heiden das Heil bereitete (Act 282»). Als den letzten 
Enndzweck davon bezeichnet der Apostel im absichtlichen An- 
schluss an das 1019 angezogene Prophetenwort, dass die 
Juden durch den Vorgang der Heiden und den Anblick des 
in ihnen verwirklichten Heiles zur Nacheiferung gereizt werden 
sollten (eig τὸ παραζηλῶσαι aUrovg). Dann aber kann 
unmöglich das srrareıv als reine Gotteswirkung gedacht sein, 
da Gott ja nicht die Juden ungläubig machen kann, um sie 
nachher (auf einem Umwege) zum Glauben zu reizen. Viel- 
mehr, wenn nach seiner ursprünglichen Intention, wie sie alle 
Propheten aussprechen, das Heil zunächst in Israel ver- - 
wirklicht werden sollte, damit die Heiden, dadurch zur Nach- 
eiferung gereizt, sich ihm anschlössen, so ist es nun durch die 
Widerspenstigkeit der Juden umgekehrt gekommen, dass das 
von Israel (im Grossen und Ganzen) verworfene Heil zuerst 
zu den Heiden kommt, und erst dadurch wieder Israel zur 
Nacheiferung gereizt und so sein widerspenstiger Trotz ge- 
brochen wird*). — V. 12. δῶ μεταβατιχόν, von der Folge 


auch Umbr., Reiche, Rück., dass sie zu Falle kämen — und nichts 
weiter'), ferner Melanth.: »>non sic impegerunt Judaei, ut in tota 
gente nemo sit salvandus«; Ew.: »damit sie rein nach der gött- 
lichen Absicht und also ohne ihre Freiheit und ihren Selbstwillen in 
die Sünde und in das Verderben fielen«; Lips.: damit sie bleibend 
ausgeschlossen seien vom messianischen Reich (vgl. Beck). Vgl. auch 
Hofm., nach welchem gefragt wird, ob ihr Fallen Selbstzweck sei. 

" Wenn Hofm. behauptet, das τ. παραπτώμ. weise weder auf 
πταίειν, noch auf πέπτειν zurück, sondern bezeichne das, was sich 
mit Israel begeben hat, jetzt als das, was diejenigen, welchen Ver- 
blendung widerfahren ist, mit ihrem der Verblendung sowohl voran- 





Röm 1112. 477 


ihres Fehltritts (V. 11) zu ihrer mittelst des πεαραζηλῶσαι be-. 
absichtigten Bekehrung überführend. Paulus schliesst a felici 
effectu causae peioris ad feliciorem effectum causae melioris.. 
Denn schon ihr Vergehen (τὸ παράτετωμα αὐτῶν) ist ein 
Reichthum geworden für eine ganze gottfeindliche Menschen- 
welt (πλοῦτος κόσμου), sofern durch das von ihnen abge-. 
wiesene und den Heiden gebrachte Evangelium derselben ein 
Reichthum an Heil (1012) bereitet ist. Der Reichthum steht. 
also metonymisch für das, worin und womit der Welt solcher: 
Reichthum zu Theil wird. — τὸ ἥττημα αὐτῶν) Da das 
αὐτῶν nothwendig dieselben bezeichnen muss, wie das αὐτῶν. 
im Parallelsatz, also die ungläubigen Glieder des Volkes, so. 
kann ἥττημα nur die Einbusse, den Nachtheil, den Schaden 
bedeuten, den sie durch ihre (einstweilige) Ausschliessung vom 
Heil erlitten haben ἢ. So Frtzsch., Kölln., Glöckl., de W., 
Beck, Luth., Zimmer, Mang., Sand. Völlig kontextwidrig: 
aber ist es, an ihre Einbusse in numerischer Beziehung zu 
denken (vgl. Vulg.: deminutio eorum; auch Thol., Meyer, God.,, 
Goeb., Lips.), wobei das αὐτῶν auf Israel als Volk bezogen. 
werden müsste, was zu dem parallelen αὐτῶν nicht passt, und. 


gehenden als nachfolgenden Unglauben verbrochen haben, so zerreisst 
er eben allen Zusammenhang. Unmöglich aber kann es ihr Fallen, 
ibre Niederlage (Thol. mit Berufung auf Diod. 19, 100), ihren Sturz 
bezeichnen (Reiche, (od. u. A.). Das αὐτῶν kann natürlich nur auf 
das Subjekt des ἔπταισαν und πέσωσιν gehen und darum nicht auf 
das Volk Israel, an dessen Gesammtschuld hier auch Meyer denkt, 
sondern auf die von der ἐχλογή Ausgeschlossenen. Darum kann aber 
auch hier nicht der Beweis vollendet werden, dass Gott sein Volk 
nicht verstossen habe, was Otto (vgl. Zimmer) ohnehin nur dadurch 
herauebringt, dass er immer wieder die Verstossung des Volkes und 
die Ausschliessung von seinem heilsgeschichtlichen Beruf konfundirt,. 
was doch völlig verschiedene Dinge sind. 

Ἢ Das Wort kommt in der alten Gräzität nicht vor, sondern 
nur Jes 318 und IKor 67, ist aber gleich dem klassischen ἧττα, 
welches Gegensatz von v/xn ist (Plat. Lach. p.196A. Legg. I, p. 638A. 
Dem. 1486. 3. Xen. Cyr. 3, 1, 19. 20), und, der Bedeutung von ἡττᾶ-. 
oe: profligari, vinci entsprechend, clades heisst, sowohl im eigent- 
lichen Sinne, als auch überhaupt: das Unterliegen, der Verfall (vgl. 
Dem. 1466. 28 ἧττα τῆς προαιρέσεως), die erlittene Einbusse ıIKor 67),. 
das den Kürzeren Ziehen. 85. Perizon. ad Ael. V. H. 2, 25. Die Er-. 
klärung Rück.’s: »Der Verlust ihrer ursprünglichen Würde und Herr- 
lichkeit als Volk Gottes« (vgl. Calv., Hofm.: ihr mit ihrem παράπτωμα 
gegebener Schade, dass sie vermöge ihres Unglaubens das nicht sind, 
was sie sein sollten) ist nicht recht kontextgemäss, und Ew.'s Ueber- 
setzung (»ihr Zurückbleiben«, vgl. Böhmer, Chr. Hoffm.) ungenau, 
Phil. trägt ganz willkürlich die Beziehung auf das Gottesreich ein:: 
die Einbusse, welche das Reich Gottes an ihnen erlitten hat (vgl.. 
Kahnis Dogm. I, p. 573). 


478 Röm 1112. 18. 


ebenso sprach- als kontextwidrig die gewöhnliche, nur aus 
dem falsch gedeuteten zsAngwua erschlossene Beziehung auf die 
Minderzahl, die »paucitas Judaeorum credentium« (Grot). 
So im Wesentlichen Chrys., Theodoret., Erasın., Beza, Est., 
Wittst., Beng. u. V., auch Reiche, Olsh., B.-Crus., Meier, Bi 
Reithm., Volkm. — Ganz parallel dem τελοῦτος χόσμου steht 
das πλοῦτος ἐθνῶν, mur die gottwidrige Menschenwelt 
näher bestimmend als die Heidenweit und dieses muss nun 
natürlich mit einem ἔσται oder γενήσεται zu πόσῳ μᾶλλον 
(Mt Tu. Hbr 91) nn werden: wie viel mehr wird ihr 
σελήρωμα dazu ausschlagen, die Heiden an Heil zu bereichern, 
nicht bloss: würde (Luther), als ob es sich um eine bloss 
mögliche, aber nicht wirkliche πρόσληψις Israels handelte 
(Phil), wogegen V. 26 entscheidet. Im en zu ἥττημα 
kann τὸ σιλήρωμα αὐτῶν unmöglich im numerischen Sinne 
genommen werden (so d. Meisten seit Theodoret. mit Berufung 
auf V. 25, u. noch de W., Meyer, God., Goeb., Lips, Sand.), 
wobei man immer dem einfachen Begriff der Vollzahl unter- 
schiebt, dass Israel seinem Vollbestande nach bekehrt oder 
zum Gottesvolk geworden, und wobei αὐτῶν auf die Nation als 
Ganzes bezogen werden muss, was wegen der durchgehenden 
Beziehung desselben auf die ungläubigen Juden nicht angeht. 
Es kann vielmehr nur dasjenige bezeichnen, wodurch die Ein- 
busse (an Heil), die sie (die einstweilen verstockten Juden) 
erlitten haben, ausgefüllt wird, also: ihr Ersatz, die Wieder- 
ausfüllung, Vergütung ihrer Einbusse *). 

Υ. 13ff. ὑμῖν δέ λέγω τοῖς ἔϑνεσιεν) stellt der zu 
Gunsten der Juden eröffneten Perspektive in V. 117 gegen- 
über, was daraus für die Heiden folgt, um nun erst auszu- 


*) So Böhmer ἃ. ἃ. Ungenau Rück., Kölln.: die Wiederherstellun 
Israels in seine gebührende Stellung; Beck: der volle Heilsstand and 
zwar des Volkes Israel, nicht bloss eines λεῖμμα); Hofm.: der Bestand, 
in welchem sie voll und ganz sind, was sie sein sollten (qualitativ); 
vgl. Zimmer: ihre Vollendung, Ew.: ihr das Fehlende noch ergänzender, 
voller Eintritt, oder gar Umbr.: das Erfülltsein ihrer Vorherbe- 
stimmung. Die Deutung Phil.'s (»die durch ihre Bekehrung ein- 
tretende Ausfüllung der durch ihren Unglauben entstandenen Lücke 
in Reiche Gottes«, vgl. Melanth.: complementum integrae ecclesiae 
convertendae ex semine Abr., und ähnlich schon Orig.) trägt den Haupt- 
begriff ein, und die v. Hengel's (die Gesammtheit der von Gott zur 
Bekehrung Bestimmten) verbindet die falsche Fassung des πλήρωμα 
mit einer unmöglichen Beziehung des αὐτῶν. Otto fasst gar den 
(regensatz von ἥττημα und πλήρωμα (das Zurückgebliebene — das Er- 
füllte an ihnen) kollektivisch: Die (in Betreff ihres Berufes) Zurück- 
gebliebenen (die negativ gerichteten) Israeliten und die, in denen der 
Missionsberuf Israels realisirt ist, die positive Fraktion! 





Röm 11 18. 4179 


sprechen, was Paulus bei dem πόσῳ μᾶλλον im Auge gehabt 
hat. Der Nerv seiner Ausführung liegt also nicht darin, dass 
er mit seiner Heidenmissionswirksamkeit zugleich den Juden 
dienen will (V. 14), sondern auf dem Segen, den dies nach 
V. 12 den Heiden bringen soll. Beachte, dass Paulus nicht 
etwa τοῖς δὲ ἔϑνεσιν ἐν ὑμῖν λέγω schreibt, als meinte er nur 
einen heidnischen Bruclitheil der sonst judenchristlichen Ge- 
meinde; er wendet sich an seine Leser, sofern sie eben die 
Heiden sind, von denen er V. 12 geredet*). — ἐφ᾽ ὅσον) 
ist nicht zeitlich gemeint, wie Mt91w. IIPt 118 (Orig., Vulg., 
Volkm.), wofür Paulus 7ı ἐφ᾽ ὅσον χρόνον sagt, sondern steht, 
wie Mt 25. Plat. Polit. p. 268B. Xen. Cyr. ὃ, 4, 68, im 
Sinne von: soweit als ich nun freilich Heidenapostel bin. 
Das μέν, dem, wie oft, kein δέ folgt, weil der intendirte 
Gegensatz (sein auf die Juden gerichtetes Interesse) V. 14 in 
anderer Wendung eingeführt wird, konzedirt seine Bestimmung 
für die Heiden; und das damit verbundene od» folgert die- 
selbe zugleich aus dem V. 11 Gesagten; denn für die Aus- 
führung des göttlichen Rathschlusses, wonach die Verfehlung 
der Juden den Heiden zum Heil gereichen sollte, war ja er 


*) Dies bestreiten Baur (I, p. 371), Volkm., Holst., Hilgenf., 
Lips., die hier einen neuen bis V. 32 sich fortsetzenden Gedanken- 
zusammenhang finden, in dem sich Paulus von den Judenchristen, 
mit denen er bisher gehandelt, an die Heidenchristen in der Ge- 
meinde wendet (allerdings auch zur Beschwichtigung der Juden- 
christen). Allein, obwohl auch Hilg. meint, nur Vorurtheil oder Be- 
fangenheit könne die Worte anders verstehen (a. a. Ὁ. p. 276), so 
zeigen schon die überkünstlichen Versuche von Mangold, diese Auf- 
fassung gegen die gewöhnliche zu vertheidigen (p. 215f. 224ff.), wie 
unnatürlich dieselbe ist. Dass auch die Beispiele, die Hilg. beibringt, 
völlig anderer Art sind, bedarf kaum eines Beweises. Man kann 
wohl, wenn man verschiedenartige Hörer vor sich hat, sich an einen 
Theil derselben wenden, indem man mit einem ὑμῖν auf diesen Theil 
hinweist und dann zur Verdeutlichung dieser Wendung, denselben 
durch eine Apposition charakterisirt; nicht aber, wenn man einen 
Brief schreibt, in dem man bisher stets mit ὑμεῖς die ganze Gemeinde 
oder die grosse Majorität derselben angeredet hat. Da kann nun 
einmal diese Apposition nur als Charakteristik derselben verstanden 
werden. Mangold übersieht, dass es sich nicht darum handelt, einer 
falschen Konsequenz aus der geschilderten Sachlage (die in V. 11f. 
garnicht angedeutet) entgegenzutreten, sondern dass das Hauptziel 
seiner Ausführung in V. 15 liegt. Aber auch eine Polemik gegen 
eine zu beschränkte Auffassung seines Berufes Seitens der Heiden- 
christen (Meyer) ist sowenig indizirt, wie gegen ihre Geringschätzung 
der Juden oder Judenchristen (Zimmer). Statt der Rept. γαρ ist 
nach NABP u. orient. Verss. de zu lesen, womit auch die falsche 
Fassung des Gedankenzusammenhanges bei Frtzsch., Hofm. u. A. hin- 
fällig wird. 


480 Röm 1] 18--- 16. 


gerade zum Apostel berufen. Daher auch das ἐγώ, das diese 
spezielle Berufsbestimmung seiner Person betont. — τὴν 
dıazoviav μου δοξάζω) bezeichnet, wie IITh 31. Joh 
12%, die faktische Verherrlichung des Amtes, welche in 
treuer und eifriger Ausrichtung desselben besteht ἢ). -- V. 14. 
εἴπως) wie lıo (vgl. noch ISam 146. IISam 161. IlReg 
194) mit Ind. Fut.: ob ich etwa zur. Eifersucht reizen werde 
(παρφαζηλώσω, wie V. 11) mein Fleisch (μου τὴν σάρκα, 
vgl. Gen 37. Jud 92. IlSam 5ı), womit noch stärker als 
durch das ovyy. xara σάρχα 93 ausgedrückt ist, wie nahe ihm 
seine Volksgenossen stehen. — «at σώσω) vgl. IKor 1715. 
92. — Beachte noch den bescheidenen, aber durch die Er- 
. fahrung der Schwierigkeit der Judenbekehrung um so näher 
gelegten Ausdruck zıvac (vgl. IKor 9%), wobei das αἰτῶν 
auf die mit dem kollektiven τὴν σάρκα Gremeinten geht **). — 
V. 15 bringt nun in der Form der Begründung dafür, dass 
er bei der Verherrlichung seines heidenapostolischen Amtes 
nie die Gewinnung seiner (ungläubigen) Volksgenossen aus 
den Augen lässt, die ausdrückliche Aussage darüber, welchen 


*) Das οὖν nach μὲν (NABCP) fehlt in der Rept. und ist von 
Meyer gestrichen, von Treg. eingeklammert. Der Nachdruck des 
ἐγὼ braucht nicht aus dem Gegensatz gegen die Judenapostel (Holst., 
vgl. Zimmer) erklärt zu werden, oder gar aus dem (segensatz zu 
dem von Otto so arg missdeuteten πλήρωμα, als ob Paulus sagen 
wollte, dass, indem er, ein jüdischer Mann, offiziell zu den Heiden 
redet, er damit doch nur die allgemeine Dienstpflicht Israels lob- 
preisend anerkennt, und wenn er damit Juden gewinnen will, er es 
doch nur thut, um sie für diesen Missionsdienset an den Heiden zu 
gewinnen! 

ἢ Hofm. (vgl. auch Buttm., neut. Gramm. p. 220. Volkm.) nimmt 
εἴπως: wenn etwa, obwohl dies nothwendig das Fut. δοξάσω fordern 
würde, und führt als Beispiel Xen. Anab. 4, 7, 3 an. Solche Stellen 
sind aber ganz anderer Art (s. Brunck ad Arist. Plut. 1064. Maetzn. 
ad Lycurg. p.251), und zu dem in ihnen ausgedrückten nothwendigen 
Zusammenhang der Folge mit der Bedingung würde dae »wenn etwa«, 
welches die Bedingung problematisch machen würde, gänzlich un- 
passend sein. Vgl.auch Kühner, Gramm. 8 382.6. Nach Hofm. tritt 
die Verherrlichung des Amtes eben in diesem Falle ein, während 
Volkm. deshalb δοξάζω nach Grot., Flatt, Reiche, Ew. u. A. in dem 
Sinne nimmt: ich rühme, halte mein Amt für etwas Hohes und Herr- 
liches. Das vor dem Nomen stehende enklitische μου kann nicht 
nachdrücklich sein (v. Heng.), sondern vertritt zugleich den Dativ des 
Interesses (ob ich etwa zum Wetteifer mir anregen werde mein 
Fleisch), wie IKor 997 u. oft bei Griechen. Mit Recht bemerkt God., 
wie sehr auch dies μου dagegen spricht, dass die Majorität der 
Römergemeinde selbst aus Judenchristen bestand, da er ja in diesem 
Falle naturgemäss τὴν oapx« ἡ μῶν (natürlich nicht ὑμῶν, wie Hilg. 
unterstellt) gesagt hätte. 





Röm 1115. 481 


Segen das V.12 in Aussicht lite πλήρωμα αὐτῶν haben 
wird. Die Gewissheit desselben hebt er aber durch die 
schon V. 12 angewandte Schlussform hervor: Denn wenn 
ihre Verwerfung schon Versöhnung einer Sünderwek ist, was 
wird dann ihre Annahme Anderes sein, als das Höchste und 
Letzte, was überhaupt noch zu erwarten steht? Dass ἡ ἀπο- 
ßBoAn nichts Anderes ist, als ihre gegenwärtige Verwerfung, 
ihr Ausschluss aus der Heilsgemeinde, lehrt zweifellos der 
Gegensatz; diese ἀποβολή war eben die Einbusse, die sie nach 
V. 12 erlitten. Dadurch bestätigt sich auf's Neue, dass 
αὐτῶν, wie das αὐτών V. 14, nur auf die ungläubigen Juden 
gehen kann, da ja das Volk als solches weder verstossen 
(V. 1f), noch auch nur einstweilen von der (Gemeinde ausge- 
schlossen ist, der ja die ἐχλογή Ν. 1 zweifellos angehört. Das 
καταλλαγὴ κόσμου ist nur die konkrete Bezeichnung des 
σπελοῦτος x00uov V. 12, sofern ja das von den Juden zu 
den Heiden übergegangene Evangelium allen, die es gläubig 
annehmen, den Empfang der Versöhnung (51) vermittelt. 
Denn natürlich ist der Ausdruck auch hier metonymisch und 
bezeichnet, was zur Versöhnung der Welt gereicht. Ebenso 
fragt dann auch das τίς ἡ πρόσλημψις, was (scil. hinsicht- 
lich ihrer Wirkung) ihre Hinzunahme (zu der Heilsgemeinde) 
sein wird, und das δὲ μή (77) hebt sofort hervor, dass, da ja 
mit der χαεαλλαγή alles gegenwärtige Heil gegeben, dann 
nichts mehr übrig bleibt, als die jenseitige Vollendung des- 
selben ἢ. Schon darum kann ζωὴ ἐκ νεκρῶν nur im eigent- 
lichen Sinne Leben bezeichnen, wie es aus Todten hervorgeht, 
wenn Todte auferstehen, also das mit der Todtenerweckung 
beginnende ewige Leben im αἰὼν ὃ μέλλων. Daher sagt 


*, Otto will bier den Gedanken herausbringen, dass die Ver- 
werfung Christi Seitens der Juden (durch seine Tödtung) die Ver- 
söhnung der Welt geworden sei (vgl. Beck), und behauptet, dass 
ἀποβολή nicht das Verworfensein, sondern nur das Verworfene be- 
zeichnen hönne, obwohl nicht nur Plat. Legg. 12. p. 943E. 9446. A., 
sondern vor Allem die etwas modifizirte Bedeutung von ἀποβολή Act 
2728 (vgl. Plat. Phaed. p. 75E. Plat. Sol. 7), die Vulg., Luther, 
Beng. u. A. (vgl. auch Phil.: der Verlust, den das Gottesreich er- 
litten) fälschlich auch hier festhalten, das Gegentheil beweist. Den 
Genit. als subj. zu nehmen (vgl. auch Zimmer), ist schon darum un- 
möglich, weil für ihr Verwerfen, d. h. die von ibnen vollzogene Ver- 
werfung das a nur ganz willkürlich ergänzt werden könnte. 
Ganz dasselbe gilt von ἡ πρόσλημψις, wobei der Gen. αὐτῶν sich von 
selbst ergänzt (vgl. Plat. Theaet. p.210A), und womit unmöglich ihre 
Annahme des Heils gemeint sein kann (Otto, Zimmer). Uebrigens 
spielt auch hier bei vielen Auslegern (vgl. Hofm.) die falsche Be- 
ziehung des αὐτῶν auf das jüdische Volk als solches hinein. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 31 





482 Röm 1115. 16. 


Paulus auch nicht etwa ἀνάστασις ἐκ νεχρῶν; denn sein 
Blick geht schon über dieses Ereigniss hinaus auf dessen 
selige Folge. Die Verwandlung der Lebenden gehört mit zu 
dieser letzten Entwickelung (ον 1551), welche hier a potiori 
bezeichnet ist. Der Schluss des Apostels aber beruht nicht 
auf Mt 2414 (Reiche nach Theodoret.), sondern auf der dem 
Apostel mit den Uraposteln gemeinsamen Erwartung, dass mit 
der Gesammtbekehrung Israels die (himmlische) Vollendung 
des Gottesreiches eintritt, an welcher die Verstorbenen nur 
mittelst en theilnehmen können. Vgl. Orig,, 
Chrys., Theodor. Mopsv., Theodoret., Erasm., Semler, Reiche, 
Glöckl, de W., Frtzsch.. Rück., Reithm., Bisp., Hofm., Bey- 
schlag, Beck, Luth., Goeb., Zimmer, Lips., Sand. *). 

v. 16 geht mit dem metabatischen δέ zu dem neuen 
Gedanken über, wie wohl begründet die Aussicht auf diese 
durch die Arbeit an den Heiden intendirte endliche Be- 
kehrung Israels ist. Die beiden Bilder sind parallel und 
stellen denselben Gedanken dar. — ἢ ἀπαρχη) erhält die 
dabei zu denkende Genitivbestimmung durch τὸ ὕραμ α, 
wie wiederum der Art. bei letzterem Wort (auch ohne ὁλον, 
gegen Hofm.) auf die betreffende Teigmasse hinweist, von 
welcher die ἀπεαρχή ausgesondert ist. Die ἀσπταρχὴ τοῦ φυρά- 
ματος aber ist nach Num 15 19—2ı Bezeichnung des Erstlings- 
brodes. Von jedem ($ebäcke nämlich musste, wenn der Teig 
geknetet wurde, ein Theil vorweggenommen und davon ein 
Brodkuchen für die Priester gebacken werden ἢ. Durch diese 


4) Die uneigentliche Deutung von der Erweckung zu einem neuen 
Leben (Melanth., Calv., Est., Beng., Carpz., Cramer, Böhme, B.-Crus.), 
die auch nicht mit der richtigen verbunden werden darf (Olsh., 
Umbr.), ergäbe nur etwas mit der χαταλλαγή bereits Gegebenes, wenn 
man nicht mit Otto an eine Erweckung Anderer (der Heiden) zum 
Leben oder ganz phantastisch mit Phil., God. an eine Neubelebung der 
erstorbenen Christenheit und Ausbreitung des Reiches Gottes denken 
will, was doch rein eingetragen wird. Andere erklären den Ausdruck 
metaphorisch als Bezeichnung von summum gaudium (Grot., nach 
Oecum), oder summa felicitas (Hamm., Koppe, Kölln.). Vgl. Theophyl. 
(ἄπειρα ἀγαϑά), Beza, Flatt, v. Heng., Böhmer, welcher an die Lebens- 
wonne der Christen denkt, die durch den Zuwachs der Neubekehrten 

esteigert wird. Vgl. noch Thol., der es auf die hervorragende 
Stellung des bekehrten Israel in der göttlichen Reichsgeschichte be- 
zieht, wie Chr. Hoffm. auf das Wiederaufleben der ihrem Untergange 
entgegengehenden Nation. 

"Ὁ Vgl. Philo de sac. hon. II, re Joseph. Antt. 4,4,4. Keil, 
Archäol. I, 8 71; d. Rabbinischen Bestimmungen in Mischn. Surenh. 
p. 289 ff. ollte man ἡ ἀπαρχή von der Erstlingsgarbe (Lev 2810) 
nehmen, um ähnlich wie beim zweiten Bilde ein Verhältniss des Ganzen 
zu seinem Ursprunge hberauszubekommen, so musste man τὸ φύραμα 


Röm 1116. 483 


Weihe des Erstlingsbrodes an Gott erhielt dann die ganze 
übrige Teigmasse den Charakter der Gottgeweihtheit. Brachte 
es hier das durch die Kultusordnung gesetzte Repräsentations- 
verhältniss mit sich, dass, wie der Erstling, so auch die 
Teigmasse heilig war, so bringt der Apostel nun noch ein 
zweites Beispiel, in welchem es die natürliche Wesensähnlich- 
keit der Wurzel (ἡ δίζα) und der aus ihr entsprossenen 
Zweige (οἱ xAadoı, vgl. JSir 232. 401. Menand. 711) 
mit sich bringt, dass, wenn jene heilig ist, auch diese heilig 
sind. Er wählt aber offenbar dieses zweite Bild, weil es noch 
unmittelbarer dem abzubildenden Verhältniss, in welchem der 
Theil, um den es sich handelt, thatsächlich zum Ganzen stand, 
entspricht. Eben darum kann an nichts Anderes gedacht 
werden, als an das Verhältniss der Stammväter der Nation 
(95), der Patriarchen (nicht Abrahams allein, wie Hofm. will), 
zur Gesammtheit des Volkes, auf welches von jenen der Cha- 
rakter der Gottgeweihtheit (ἅγεος, im Sinne von IKor 71) 
überging, den jene durch die Erwählung Gottes erhalten 
hatten. So deuten das Bild im Wesentlichen richtig Chrys., 
Oecum., Erasm., Beza, Calv., Est., Grot., Calov., Beng. u. M,, 
auch Koppe, Thol., Kölln., Olsh., Frtzsch., Phil., Maier, 
de W., hl, Umbr., Ew., Reithm., Holst., Luth., Goeb., 
Zimmer, Chr. Hoffm., Sand.*). Nur sind bei dieser richtigen 


von dem zum Backen bestimmten Getreide deuten (Grot. u. Rosenm.), 
während es doch immer eine (mit Feuchtigkeit oder sonstwie) ge- 
mischte, besonders eine geknetete Masse (921) und bei den LXX (Ex 
1234), wie bei Paulus (IKor bef. Gal bs), der ständige Ausdruck für 
Mehlteig ist; oder, wenn man bei der richtigen Bedeutung von φύ- 
oaue stehen blieb (Est., Koppe, Kölln., Olsb., Krehl: das aus der 
Erstlingsgarbe bereitete φύρ.), zu ἀπαρχή eine vom Texte nicht dar- 
gebotene Genitivbestimmung ergänzen, was um 80 weniger zu billigen 
ist, da gerade ὠπαρχὴ φυράματος aus Num 1d20f. solenn war, oder 
gar zwischen beide den gesammten Erndtesegen, aus dem der Teig 
bereitet ist, einschieven (Hofm., Luth., Böhmer). 

*, Wider den Parallelismus der beiden Bilder, welcher um so 
mehr festzuhalten ist, ale der Gedankenfaden V. 17ff. nur an dem 
zweiten fortgesponnen wird, war es, beide Bilder verschieden zu 
deuten, wie (Wlöckl., Steng., Bisp. u. A. in mannigfacher Weise will- 
kürlich gethan haben. Theodor. Mopsv. und Theodoret. deuten die 
ἀπαρχή von Christo, wie Orig. beide Bilder, die ῥέζα aber von den 
Patriarchen; v. Heng. u. im Wesentlichen auch Reiche, Rück. nach 
Aelteren die ἀπαρχή von den Juden, die zuerst das Christenthum an- 
Beaamen (vgl. Lips.: die 2xAoyn V.7), im Gegensatz zu dem übrigen 

heile der Nation; das zweite Bild von den Erzvätern und deren 
Nachkommen: Böhmer das erste von den bis jetzt christgläubig ge- 
wordenen Juden zu allen späteren, das zweite von dem Ursprung der 
Judenchristen und Heidenchristen aus dem Glauben Abrabams. Durch 


81" 


ἀ84 Röm 11 18. 11. 


Deutung die Patriarchen nicht die Wurzel der idealen oder 
der wahren Theokratie, wie man oft unterschiebt (vgl. auch 
de W., Meyer), sondern des gesammten von ihnen stammenden 
gottgeweihten Volkes, dem alle Rechte und Verheissungen 
eines solchen gehören. Auch die ungläubigen Israeliten haben 
ja als leibliche Nachkommen der Patriarchen nach der fol- 
genden Durchführung des Bildes dazu gehört; aber weil sie 
um ihres Unglaubens willen des Heiles verlustig gehen, so 
werden sie eben als ausgebrochene Zweige dargestellt. Darum 
kann denn eben die Gesammtheit der Zweige (soweit sie nicht 
ausgebrochen sind) als heilig bezeichnet werden, nicht weil 
sie ein ideales Israel darstellt, sondern weil aus dem von den 
Vätern stammenden Israel die ungläubigen Glieder als aus- 
geschieden gedacht sind *). 

V.17f. ei de) wenn aber, wie im vorliegenden Falle 
(217), etliche von den Zweigen (zıv&g, wie 88) ausgebrochen 
wurden (ἐξεκλάσϑησαν, vgl. Plat. Rep. p.611D), wie junge 
Reiser (κλάδοι, vgl. Theoph. c. plant. I, 15, 1), die sich zum 
Tragen ie erwiesen haben. Gemeint sind die un- 
gläubig gebliebenen und darum durch die Verstockung für 
jetzt vom Heile ausgeschlossenen Juden, die trotz ihrer grossen 
Zahl als τινές bezeichnet sind, sofern im Vergleich mit allen 
Nachkommen der Erzväter von Anbeginn an auch die grosse 
Mehrzahl der gegenwärtigen Generation nur eine Minderheit 
bildet**). — σὺ de) individualisirende Anrede an jeden 





das zweite Bild wird die Deutung von den gläubig gewordenen Juden 
und von der übrigen Masse des Volkes (Ambros., Pelag., Anselm., 
Tolet., Rosenm., Stolz, Bisp., vgl. Beck), oder von der aus den 
gläubigen Juden bestehenden Mutterkirche im Verhältnies zu den dazu 
zunächst berufenen Juden (so im Wesentlichen Corn. a Lap., Carpzov., 
Schoettg.), oder gar von der aus Heiden und Juden bestehenden 
Kirche (Otto, vgl. schon Semler) schlechthin ausgeschlossen, obwohl 
sie noch de W. für möglich hält. 

4) Wie hierin, so hat Paulus auch darin, dass er die zum Heil 
berufenen Heiden (934) als Zweige denkt, die in den Stamm des aus 
dieser Wurzel entseprossenen Oelbaumes (vgl. Jer 1116. Hos 147) ein- 
gepfropft sind, sich vollkommen die urapostolische Anschauung an- 
geeignet, wonach Israel als Volk der eigentliche Träger des Mes- 
sianischen Heiles ist und bleibt, an dem die Heiden nur mittelst 
Einverleibung in dasselbe Antheil empfangen, nur dass er auf Grund 
von 7ı-+ die Konsequenzen, die man daraus in judenchristlichen 
Kreisen für die Verpflichtung der Heiden zur Uebernahme des Ge- 
setzes zog, ablehnen konnte. 

**) Es ist darum auch nicht nöthig, eine Schonung der Juden 
(Ehil), eine liebevolle Annahme (Otto) oder eine Bewahrung der 

eidenchristen vor Selbstüberhebung (Meyer) in dem Ausdruck zu 
suchen. Dass nur die Glieder der gegenwärtigen Generation als 


Röm 11ır. 485 


Einzelnen unter den Heidenchristen, an die sich Paulus seit 
V. 13 ausdrücklich gewandt hat. Das ἀγριέλαιος ὧν 
nöthigt keineswegs, die Gesammtheit der Heiden angeredet zu 
denken (Reiche, Rück., Kölln., v. Heng., Phil., Ew., Böhmer 
u. A.), da doch thatsächlich keineswegs das Heidenthum als 
solches, sondern nur einzelne Heiden der Heilsgemeinschaft 
einverleibt waren, ebenso wie im Bilde nicht ganze Bäume, 
auch nicht ganz junge (gegen de W.), als Pfropfreis genommen 
werden. Da es hier doch nur auf das Wesen des wilden Oel- 
baumes ankommt, das in jedem seiner Zweige dasselbe ist, 
und da aus jedem Zweige, wenn er eingepflanzt wird, wieder 
ein Baum erwachsen kann, so ist der ungenaue Ausdruck 
nicht nur entschuldigt, sondern wahrscheinlich beabsichtigt 
(vgl. Beck). Ist doch jeder Heide, ohne die göttliche Zucht 
und Leitung aufgewachsen, wie ein wilder Oelbaum ohne 
Gärtnerpflege, während Israel als Volk der göttlichen Offen- 
barung und Gnadenführung theilhaftig ward ἢ. — Οἐνεχεν- 
τρίσϑης ἐν αὐτοῖς) kann nur heissen: Du bist unter ihnen, 
d. h. inmitten der Zweige des edlen Oelbaumes eingepfropft, 
da es sofort dadurch näher bestimmt wird, dass der Heiden- 
christ dadurch mit ihnen Theilnehmer geworden ist (συγκοι - 
»wvog, vgl. IKor 98. Phl 17) an der Wurzel des edlen 
Oelbaumes (τῆς δίζης), welche durch den Gen. qualit. τῆς 
πεότητος als die eigentliche Trägerin der dem edlen Oel- 
baum eigenen Fettigkeit (vgl. Jud 9s) charakterisirt wird (vgl. 
Win. 8 34, 3, ὃ). Sinn ohne Bild: »Du bist zur Theilnahme 
gelangt an der Gottgeweihtheit der Patriarchen und damit an 


κλάδοι gedacht sein könnten (Mang. p. 220), ist eine ganz willkürliche 
Beschränkung des Bildes, in welchem, wie so oft, der Kollektivbegriff 
des Volkes durch den Baum, die einzelnen Glieder desselben als die 
Haupttheile des Baumes (die Zweige) dargestellt sind. Gewiss hat es 
auch in früheren Generationen unwürdige Glieder des Volkes gegeben, 
die darum ausgebrochenen Zweigen verglichen werden könnten, aber 
darauf wird hier eben augenscheinlich nicht reflektirt, wo nur von 
der Gegenwart die Rede ist. Uebrigens vgl. zu V. 17. 18 noch Matthias 
in den StKr 1866, p. 519 ff. 

*, Allerdings kommt ἐγρεέλαεος auch als Adj. vor (Eryc. 5 in 
Anthol. 9, 237. Theocr. 25, 255. Lob., Paralip. p. 376), wenn auch 
sehr selten; aber es hier so zu nehmen (Frtzsch., Meyer, Matthias, 
G@od., Luth.: obgleich vom wilden Oelbaum seiend), verbietet der sub- 
stantivische Gebrauch des Wortes V.24. Trotzdem ist der Ausdruck 
weder nachlässig (Krehl), noch Ersparniss einer Weitläufigkeit (Hofm.), 
da es nur des Gen. des Subst. bedurfte, um den Sachverhalt ganz 

enau auszudrücken. UOtto erdichtet die Bedeutung: Holz vom wilden 
elbaum (vgl. Zimmer), obne zu sehen, dass dieselbe nur aus der von 
ıbm bekämpften adj. Fassung einigermaassen erklärt werden könnte. 


486 Röm 1111. 18. 


den ihnen verheissenen reichen Segnungen«, welches Beides 
die ungläubigen Juden eingebüsst haben ἢ. — V.18. μὴ 
xaraxavyw) vgl. Jer 5010.38. Zch 1012, wo es aber nicht, 
wie Jak 218. 314, mit dem Gen. dessen steht, wider das man 
sich rühmt: Rühme Dich nicht wider die Zweige. Mit τῶν 
κλάδων können, dem ἐν αὐτοῖς V. 17 entsprechend, nur die 
Zweige des Oelbaumes überhaupt (von denen einige ausge- 
brochen worden), ohne Bild also: alle Glieder des Volkes 
Israel gemeint sein, also weder bloss die bekehrten Juden 
(Frtzsch.), noch bloss die nunmehr das nichtchristliche Israel 
Ausmachenden (Hofm., Otto nach Theodoret., Theophyl., 
Erasm., Calov., Rück., Ew. u. A.), was durchaus irgendwie 
näher bezeichnet sein müsste **). — εἰ δὲ χατακαυχᾶσαι) 


*) Das xaı nach ρέζης (Rept., vgl. Lchm., Treg. i. Kl.) ist nach 
ΒΟ cop. zu tilgen, da es per hom. nur ausgelassen sein könnte. 
wenn zugleich τῆς ρίζης fehlte, wie bei DFG it. (gegen Meyer). Die 
Erklärung des ἐν αὐτοῖς durch: an Stelle der (ausgebrochenen) Zweige 
(Chrys., Beza, Pisc., Seml. u. M., auch Reiche, Kölln., de W., Olsh., 
Volkm., Holst., God.) ist sprachlich recht zweifelhaft und schon da- 
dadurch ausgeschlossen, dass dann das σὺ» in ovyxoıw. beziehungslos 
wird. Erkünstelt ist, mit Otto zu Gunsten seiner falschen Fassung 
der ῥέζα in V. 16 zu erklären: »Du bist mit der Wurzel (in welche 
Du eingefügt bist) theilhaftig geworden der Fettigkeit des Delbaumes« 
(vgl. auch Chr. Hoffm., Zimmer), da man ja nicht in die Wurzel ein- 
fropft. Dass Paulus V. 17ff. an das im Oriente wirklich gebräuch- 
iche Verfahren gedacht habe, Oelbäume durch Einpfropfung von 
Oleasterreisern neu zur Tragbarkeit zu kräftigen (s. Colum. 5, 9, 16. 
Pallad. 14, 58. Michael., orient. Bibl. X, p. 67ff. und Anm. p. 129. 
Bredenkamp in Paulus Memorab. II, p. 149 ff.), wie Reiche, Matthias, 
Böhmer annehmen, ist bestimmt zu bestreiten, weil ja hier das 
Pfropfreis die Fettigkeit vom edlen :Oelbaum erhält und dadurch 
selbst veredelt wird, während dort das eingepfropfte dem Baume 
neue Säfte zuführen und so ihn befruchten soll. Die ache, die Paulus 
darstellt, forderte nun einmal nicht das Bild der gewöhnlichen Ein- 
pfropfung des edlen Reises auf den wilden Stamm, sondern das um- 
gekehrte, nämlich der Einpfropfung des wilden Reises und dessen 
Veredelung hierdurch. »Ordine commutato res magis causis, quam 
causas rebus aptarvit«, Orig. 


**) Mit Recht hat Meyer gegen Hofm. geltend gemacht, dass er 
ja ausser den Juden, die das Evangelium angenommen, und die es 
verworfen hatten (d. i. den ausgebrochenen Zweigen), noch viele gab, 
die noch Zweige am ÖOelbaume waren, obwohl auch bei ihnen sich 
noch entscheiden musste, ob sie es bleiben oder ausgebrochen werden 
sollten. Die Beziehung auf die ausgebrochenen Zweige würde durchaus 
eine ausdrückliche Rückweisung auf die τενές des Vordersatzes er- 
fordern; nur für die, welche das ἐν αὐτοῖς V. 17 von den ausge- 
brochenen Zweigen genommen haben (s. d. vor. Anm.), wäre ein 
Grund, bier an diese zu denken. Das Richtige haben auch Böhmer, 
Lutb., Goeb., Sand. 





Röm 111s— 0. 487 


Für den Fall aber, dass doch ein solches Rühmen des Heiden- 
christen wider die Juden eintritt, giebt ihm der Apostel das 
Folgende zu bedenken. Das οὐ σὺ τὴν δίζαν βαστάζεις 
ist also deklarativ zu fassen (Win. ὃ 66, 1, a. Buttm. p. 338) 
mit Ergänzung von: so bedenke (vgl. IKor 1116). Nicht der 
Zweig trägt die Wurzel, sondern die Wurzel den Zweig 
(αλλὰ ἡ 6ila a8). Das gilt von den eingepfropften Zweigen 
Bean so wie von den ursprünglichen, jene haben also gar 
einen Grund, sich wider diese zu brüsten *). 

V.19ff. ἐρεῖς οὖν) Wenn Dir nun dies Dir vorgehaltene 
{mit allen Zweigen gemeinsame) Verhältniss zu der Wurzel 
das Rühmen wider die Zweige verbietet, so wirst Du darauf 
hinweisen, dass doch Zweige um Deinetwillen ausgebrochen 
sind, und Du darum doch sicher von (ott höher geschätzt bist 
als sie, nämlich als die ausgebrochenen Zweige. Dies ἐξε- 
κλάσϑησαν κλάδοι, d.h. die Verstockung der λοιποί und 
ihre damit gegebene Ausschliessung vom Heil (V. 7) hatte ja 
wirklich nach V.11 die Absicht, den Heiden das Heil zu ver- 
mitteln, was eben dadurch geschah, dass sie zur Heilsgemeinde 
berufen, d.h. in den edlen Oelbaum eingepfropft wurden. In 
dem ἕνα ἐγὼ ἐνχεντρισϑῶ hat das stark betonte ἐγώ den 
Accent anmaasslichen Selbstgefühls **). — V.20. xaAws) scil. 
εἶχεας, wie Lk20s. Joh 411: schön! recte dixisti. Dem 998. 24. 
Plat. Phil. p. 25B. Eur. Or. 12. 116. Lucian. Deor. jud. 10. 
Paulus giebt das Faktum zu, weist aber dessen Ursache nach, 
weil diese dem Hochmuthe wehren und Besorgniss wegen der 
Dauer des Gnadenstandes einflössen muss. — τῇ ἀπεστίᾳ) 
mit Nachdruck warnend vorangestellt, ist der Dat. der be- 


Ἢ Natürlich ist dies Verhältnisse thatsächlich ganz unabhängig 
von dem mit εἰ etc. gesetzten Fall, für welchen es der Apostel zu 
Gemüthe führt. Hofm. bestreitet dies zwar, bringt aber den Schein 
einer Fassung, bei der es einer Ergänzung nicht bedarf, nur dadurch 
zu Wege, dass er die hier ausgesprochene Thatsache, die er natür- 
lich auch nicht von ibrem Rühmen abhängig machen kann, umsetzt 
in den Gedanken, dass um ihretwillen ihr Rühmen Nichts sei, weil 
ohne Grund, obwohl dieser Gedanke doch eben nicht dasteht. 

**) Der Art. vor xlados (Rept. nach Ὁ) ist natürlich nach dem 
τῶν χλάδων 17f. hinzugefügt. Auch wenn er stünde, würde er nicht 
besagen, dass sämmtliche Zweige ausgebrochen seien (Phil.: vom über- 
müthigen Standpunkte der Gegner aus), was ja Paulus nicht bejahen 
könnte, sondern nur auf die nach V.17 ausgebrochenen Zweige zurück- 
weisen. Da er aber fehlt, ist vollends klar, dass es sich V. 18 um 
ein Rühmen gegen solche, die überhaupt Zweige am edlen Oelbaume 
sind (God.), und nicht gegen die abgebrochenen Zweige handelt (gegen 
Hofm., der ausserdem das nicht einmal an der Spitze stehende Sub- 
jekt betont: Zweige, die es waren, sind ausgebrochen). 





488 Röm 1120. 2:. 


wirkenden Ursache (Win. ὃ 81, 6, ο. 8. 2. Gal 6:2. Mit der 
warnenden Tendenz dieser Aussage ist die Vorstellung, als 
ob dieser Unglaube auf Grund eines willkürlichen decretum 
von Gott gewirkt sei, schlechthin ausgeschlossen. Während 
jene um ihres Unglaubens willen (Bem. den Art.) ausgebrochen 
sind, ist der Heidenchrist um seines Glaubens willen (τῇ 
zrioteı) eingepfropft und steht nun an der Stelle, die jene 
en räumen müssen (Eosnxag), nämlich als Zweig auf dem 
Oelbaume. Da hiernach die scheinbare Bevorzugung des 
Heidenchristen lediglich vom Glauben abhängt, so soll der- 
selbe sich vor dem Hochmuth hüten (ὑψηλὰ φρόνδι), der 
immer Selbstzufriedenheit und Selbstvertrauen (also das Gegen- 
theil des Glaubens, d. ἢ. des Vertrauens auf die göttliche 
Gnade) involvirt, vielmehr sich fürchten (ἀλλὰ φοβοῦ), den 
Glauben zu verlieren und damit selbst die Voraussetzung auf- 
zuheben, unter der er an seine Stelle gekommen ist; »timor 
opponitur non fiduciae, sed supercilio et securitati«, πῶς ἐδ 
— V.21 begründet die Mahnung zur Furcht durch den Hin- 
weis darauf, dass ja Gott selbst die natürlichen Glieder des 
Volkes (τῶν κατὰ φύσιν κλάδων, die naturgemäss aus der 
Wurzel entsprossenen im Gegensatz zu den eingepfropften, wie 
es alle leiblichen Kinder der Erzväter waren) nicht verschont 
hat (οὐκ ἐφείσατο, vgl. Ss), sondern sie zur Strafe für 
den Unglauben, durch den sie sich versündigt, vom Heile aus- 
en (V. 20). — μήτεως οὐδὲ σοῦ φείσεται) ab- 
ängig von dem aus dem φοβοῦ V. 20 von selbst sich er- 
gänzenden: es ist zu fürchten, dass Gott auch Dich nicht 
verschonen wird. Vg. Win. ἃ 55, 1. 56, 2. Bäuml., Partik. 
p. 288. Das Futur. setzt das Gefürchtete noch gewisser, 
als der Conjunct. S. Herm. ad EI. 992. ΑἹ. 272. Stallb. 
ad Plat. Rep. p.451A. Hartung, Partikell. πὶ p. 140 **), — 


-..--....-. m 


*) Das ἐχλασϑησαν (Lehm., Treg. nach BDFG) statt des Comp. 
ist blosser Schreibfehler, indem das εξ vor &x aus Versehen abfiel. 
Da das Bild auch nachher noch weiter verfolgt wird, ist es kontext- 
widrig, das ἔστηχας absolut, als Gegentheil von πέπτειν (V. 11) zu 
nehmen (Frtzsch., Thol., Krehl) oder im Sinne von I1IKor 124 (Otto: 
Du aber stehst im Glauben). Das ὑψηλὰ φρονεε (ΑΒ) statt des 
υψηλοφρονεε der Rept. hält a. fälschlich für Auflösung des nur 
noch {Tim 617 vorkommenden Ausdruckes nach 1216. Den Griechen 
ist beides fremd; doch vgl. Schol. Pind. Pyth. 2, 91. 

**) Meyer nimmt an, dass das μήπως etc. nicht einen förmlichen 
Nachsatz bildet, dass derselbe vielmehr, wie oft bei konditionellen 
Vordersätzen (8. Win. ὃ 64, 7. Buttm. p. 330. Stallb. ad Plat. Symp. 

. 199 Ε), anakoluthisch unterdrückt ist, und statt desselben die Be- 
Kirchtung μήπως etc. selbständig eintritt, was der bewegten Lebendig- 
keit der Rede entspreche. Mithbin: »Denn wenn Gott der natürlichen 





Röm 11». 489 


V. 22. ἴδε ov») Da die V. 21 ausgesprochene Befürchtung 
ausdrücklich auf das bisherige Verhalten Gottes zurückgeführt 
war, so folgert der Apostel daraus die Aufforderung, die sich 
darin offenbarende göttliche Güte und Strenge anzusehen. 
Die Artikellosigkeit von χρηστότητα (24) καὶ ἀποτομίαν 
(Diod. Sic. 12,16. Piut. de tıb. educ. p. 13D. Dion. Hal. 8, 61) 
$sov erklärt sich völlig ausreichend daraus, dass es sich nicht 
um die göttlichen Eigenschaften als solche handelt, sondern 
um göttliche Güte und Strenge, wie sie sich in dem be- 
treffenden Verhalten Gottes erweist. Vgl. v. Heng., Volkm., 
Holst, Böhmer, Goeb., Luth. In einem neuen selbständigen 
Satze wird nun ausgesagt, an wem sich Beides erwiesen hat. 
Nur fehlt die Kopula, weil sie sich im ersten Gliede auf ein 
reines Faktum der Vergangenheit bezieht, im zweiten auf ein 
noch fortdauerndes (vgl. 51). Mit Bezug auf das οὐχ ἐφεί- 
σατο V. 21 steht voran, dass über die Einen ἐσεὶ μὲν τοὺς 
πεσόντας) Strenge ergangen ist. Gemeint sind die Juden, 
die wegen ihres Unglaubens aus dem edlen Oelbaum, an dem 
sie einst Zweige waren, ausgebrochen sind und 80, wie weg- 
eworfene Zweige, hingefallen, wodurch, wenigstens für jetzt, 
nen ein zrirereıw im Sinne von V. 11 widerfahren ist. Der 
Ausdruck ist zugleich gewählt im Gegensatz zu dem £ornxas 
V. 20, in dem sich göttliche Güte erweist, sofern ja dasselbe 
durch ihre Einpfropfung als Zweige des Oelbaumes zu Stande 
gekommen ist, welch von Gott bereits bei dem schonungs- 
losen Ausbrechen jener Zweige intendirt war (V. 19). Eben 
weil aber die in diesem perfektischen ἔσεηκας sich erweisende 
öttliche Güte nicht wie die in dem οὐκ ἐφείσατο bewiesene 
παν eine reine Thatsache der Vergangenheit ist, sondern 
noch immer fortdauert, kann zu dem Ei δὲ σὲ χρηστότης 
ϑεοῦ ein Bedingungssatz hinzugefügt werden, welcher den 
Heidenchristen warnend daran erinnert, unter welcher Voraus- 
setzung allein die über ihn ergangene Güte eine fortdauernde 
ist und bleibt. — ἐὰν &srıuevng) vgl. 61: wenn Du verbleibst 


Zweige nicht verschont hat —; er wird wohl, besorge ich, auch 
Deiner nicht verschonen.< Otto will nichts ergänzen, nimmt das 
μήπως im Sinne von: doch wohl und das fut. ale fut. logieum oder 
conseq.: so folgt doch wohl, dass er auch Dich nicht schonen wird. 
Die neueren Editoren haben das μηπὼς nach NABCP gestrichen. 
Aber dasselbe sieht, zumal mit dem Ind. fut., den Min. (Rcpt.) daher 
in den Conj. φεέσηται verwandelten, nicht nach einer Glosse aus und 
wurde wohl, weil unverstanden, weggelassen. Uebrigens ist der Aus- 
druck mit μήπως nicht mildernder und schonender (Meyer), sondern 
deckt vielmehr mit einer gewissen Ironie den ganzen Widersinn eines 
Verhaltens auf, das von der entgegengesetzten Annahme ausgeht. 


400 Röm 11.232. 23. 


bei der Güte, ἃ. 1. wenn Du dabei verharrst, Dich an die Dir 
widerfahrene Güte (Bem. den rückweisenden Art. in τῇ χρη- 
στότητι) zu halten, nur ihr allein Dein Heil verdanken zu 
wollen. Dies ἐπεμένειν schliesst aber eben den selbst- 
zufriedenen und eigengerechten Hochmuth aus, vor dem V.20 

ewarnt war. — ἐπεεὶ χαὶ σὺ &xx07un0n) denn sonst (wenn 

u nicht verbleibst) wirst auch Du (wie Jene ausgebrochenen 
Zweige) abgehauen werden. Die drohende Rede bot unge- 
sucht das stärkere Wort dar. Vgl. zu ἐχχότετεσϑαι Dan 4ıı. 
Job 147. Mt 310*). 

V. 23f. χἀχεῖνοι δέ) Da die ganze Ermahnung an die 
Heidenchristen (V. 18-22) nur gelegentlich der Erwähnun 
des Ausbrechens der Zweige eingeschaltet ist (V. 17) un 
dazu gedient hat, den subjektiven und objektiven Grund davon 
(V. 20. 22) klarzustellen, so folgt jetzt naturgemäss im Gegen- 
satz zu der Drohung V. 22 der schon V. 16 eingeleitete 
Hauptgedanke, so. dass nach ἐχχοζε. ein Punkt zu setzen ist: 
Auch jene aber, wenn sie nicht verharren bei dem Unglauben, 
der ihre Ausschliessung veranlasst hat (V. 20), werden einge- 


*, Die Artikellosigkeit von χρηστ. χαὶ «nor. erklärt Meyer ganz 
unzureichend aus dem artikellosen ϑεοῦ, Otto, Zimmer daraus, dass 
beide bei Gott sich bei einander finden, während Hofn. höchst un- 
natürlich übersetzt: eine göttliche Güte und Strenge. Die Accu». 
anorouıev U. χρηστοτητα statt der Nom. in der zweiten Vershälfte 
(Rept. nach DFGL) sind stilistische Nachbesserung, wie das ϑέου nach 

ρηστ. entfernt ist, weil es nach dem zweiten «nor. fehlt (Rcpt. nach 
GL). Buttm., neut. Gramm. p. 329 (vgl. God.) nimmt diese Nom. 
als epexegetische Nom. absoluti, was wegen des sich anschliessenden 
ἐὰν ἐπιμέν. nicht angeht, das einen selbständigen Satz voraussetzt. 
Das πεσόντας im Sinne von 144. 1Kor 1012 von ihrer Versündigung 
durch den Unglauben zu nehmen (de W), erlaubt der Gegensatz des 
ἕστηχας nicht. Ganz kontextwidrig bezieht Otto die χρηστότης auf 
die Schonung, die bisher den Ruhmredigen zu Theil geworden, und 
übersetzt daher wortwidrig: Milde (vgl. auch Zimmer). wie ἐποτομέα 
mit dem viel zu milden: Entschiedenheit. Auch leugnet er, dass 
ἐχχόπτ. stärker sei, als ἐχχλάζεσθϑαι. - Statt des ἐπεμέινῆς der Βορί. lies 
nach NBD enıuerns, wie V. 23 ἐπιμένωσιν. Das τῇ χρηστότητι dabei 
im Sinne des menschlichen Rechtsverhaltens zu nehmen (Frtzsch. 
nach Chr. Schmidt), erlaubt schon der rückweisende Artikel nicht. 
Dass übrigens der Apostel die Fortdauer der göttlichen Güte gegen 
sie von einem Verbalten ihrerseits abhängig macht, zeigt klar, dass 
ihr Glaube, dem sie die erste Erweisung derselben verdanken, nicht 
auf einer unwidersteblichen Gnadenwirkung rubt, die ihren Gnaden- 
stand zum unverlierbaren macht; denn dass hier nur von der 
Christenbeit heidnischer Abkunft im Allgemeinen die Rede ist (God.). 
schliesst ja nicht aus, dass die Aussage sich auf jedes einzelne Glied 
derselben bezieht, dem doch immer die darin indirekt liegende und 
ausdrücklich individualisirte Ermahnung gelten soll. 








Röm 11] 28. 24. 491 


froptt werden. Das καὶ setzt die gegenwärtig ausgebrochenen 

weige in Parallele mit den eingepfropften wilden Oelzweigen 
(V. 17). Das ἐὰν μὴ ἐπιμένωσιν τῇ ἀπιστίᾳ tritt be- 
deutsam gegenüber dem ἐὰν ἐπειμένῃς τῇ χρηστότητι V. 22. 
Wie bei jenen dies Verbleiben in der ihnen durch göttliche 
Güte vergönnten Stellung von ihrem Verhalten abhängt, so 
bei diesen die Aufhebung ihres Ausschlusses von der theo- 
kratischen Volksgemeinschaft und ihren Segnungen. Dass 
dieser Fall als möglich gesetzt wird, aber zugleich als von 
ihrem Verhalten abhängig, zeigt klar, dass ihr Unglaube kein 
gottgewirkter (Holst.) ist, und dass auch die Verstockung V. ἴ 
eine solche Wandlung nicht ausschliesst. — δυνατὸς γάρ 
ἐστιν ὁ θεός) vgl. 41. Nur durch einen göttlichen All- 
machtsakt ist es möglich, den jetzt verstockten Gliedern des 
israelitischen Volkes (V. 7) ihre Stellung als Zweige an dem 
aus der Wurzel, der Erzväter entsprossenen Baume des gott- 
geweihten Volksthums Israels wiederzugeben, sie durch Ein- 
Bonn wieder in ihren vorigen Stand zu bringen (zakıv 
γχεντρίσαι αὐτούς); aber an Macht dazu fehlt es Gott 
nicht ἢ). — V. 24. ei γὰρ) bringt einen populären Beweis 
dafür, dass Gott dies thun kann, und zwar aus der relativen 
Leichtigkeit der Sache im Vergleich mit einer jedenfalls 
schwierigeren und doch thatsächlich eingetretenen. Damit ist 
von selbst gegeben, dass die Frage nach der Möglichkeit jener 
Einpfropfung hier überhaupt nicht vom Standpunkte der gött- 
lichen Allmacht, für die sie ja selbstverständlich fortfällt, son- 
dern von dem des nach menschlichem Maassstabe Leichteren 
behandelt, und dass die Frage nach der grösseren Wahr- 
scheinlichkeit eben nach dem, was, menschlich angesehen, 
leichter ist, beurtheilt wird **). Er führt nämlich dem Heiden- 


δ Das xaxeivor (nicht: xas exeıvos, Bept. nach L) δέ führt also 
nicht den mit ἐπεί beginnenden Satz V. weiter (Hofm.), da das 
Folgende dann ein neues Motiv für das Verharren der Heidenchristen 
bringen müsste; es beginnt aber auch nicht einen neuen, die Selbst- 
überhebung derselben dämpfenden Satz (Meyer, Goeb.), sondern es 
kehrt zu der Hauptfrage der Erörterung zurück. Bei dem ἐνχεντρέσαι 
handelt es sich nicht um die Hebung ihres Unglaubens (de W.), da 
ja das Nichtverharren bei demselben eben als die nothwendige 
Voraussetzung bezeichnet war, die keineswegs selbstverständlich jene 
restitutio in integrum zur Folge hat, wie treffend Otto ausführt. Wie 
es zu diesem Nichtverharren kommen wird, bleibt hier ganz ausser 
Frage (vgl. Luth.), ist aber V. 11, 14 angedeutet. 

**) Dies gegen die Bedenken Meyers, welcher auf die erfahrungs- 
mässige Schwierigkeit der Bekehrung ungläubiger Juden verweist (um 
die es sich ja bier gar nicht handelt, vgl. d. vor. Anm.) und in dem 
πόσῳ μᾶλλον nur den grösseren Grad von Wahrscheinlichkeit oder 


492 Röm 112. 


christen (σύ) zu Gemüthe, wie mit seiner Aufnahme in die 
Heilsgemeinschaft eine der Natur zwiefach zuwiderlaufende 
Machtthat Gottes vollzogen ist. Ist er heraus gehauen aus 
dem wilden Oelbaum, der es naturmässig ist (ἐκ τῆς xarc 
φύσιν), so gehörte er auch naturgemäss diesem als Zweig an, 
und das ἐξεχκότεης, das vor ἀγριελαίου eingeschaltet ist, 
hebt nun sehr nachdrücklich den naturwidrigen Gegensatz 
hervor zwischen diesem Verfahren und seinem naturgemässen 
Verbleiben in dem Baume, zu dem er naturgemäss gehört. 
Ebenso naturwidrig (παρὰ φύσιν, vgl. 1%) ist nun aber 
seine Einpfropfung (ἐνεχεντρίσϑης) in einen edlen Oel- 
baum (sig καλλεέλαιον, vgl. Arist. plant. 1, 6), dem er an 
sich völlig fremd war. — πόσῳ μᾶλλον), vgl. V. 12; 
wie vielmehr, d.h. wieviel leichter werden dann diese (οὗτοι, 
d. h. die Verstockten und daher aus der Heilsgemeinschaft 
ausgeschlossenen Juden), eben weil sie die naturgemässen 
Zweige des edlen Oelbaumes sind (ot ara φύσι»), dem- 
selben wieder eingepfropft werden. Das ἐγχδντρισϑή- 
σονται ist das einfache logische Futurum, welches ausdrückt, 
was eben wegen dieser relativen Leichtigkeit die um so viel 
ewissere Folge sein wird. Das τῇ ἰδέᾳ EAai« bezeichnet 
en edlen Oelbaum als den ihnen zugehörigen, weil sie ja 
auf ıhm gewachsen sind und so gleichsam einen natürlichen 
Anspruch auf ihn als ihren Stamm haben ἢ). 


Gewissheit ausgedrückt findet. Er will deshalb das γάρ explikativ 
fassen, äbnlicb wie Hofm. die im Vorigen als möglich erwiesene 
Thatsache der Zukunft nun dadurch begründen lässt, dass sie als 
eine wirklich zu erwartende in Aussicht gestellt wird, wodurch aber 
dem Folgenden u 25ff.) ganz unzulässiger Weise vorgegriffen und 
der Fortschritt des Gedankens aufgehoben wird. Ganz unmöglich ist 
es, mit Winz., Progr. 1828, Reiche, Pbil., Thol. das γάρ dem vorber- 
Banden koordinirt zu fassen und so auf den Hauptgedanken des 
orherigen, auf ἐγχεντρισϑήσονται, zu beziehen. 

*) Vergeblich behauptet Meyer, dass das πόσῳ μᾶλλον, um die 
össere Leichtigkeit zu bezeichnen, eine nähere Sinnbestimmung im 
ontext finden müsste, während doch die Macht Gottes nicht das 

Korrelat des Leichten, sondern des Schweren, ja menschlich unmöglich 
Erscheinenden sei. Aber in der populären Beweisführung handelt os 
sich eben nicht um das, was der Macht Gottes, sondern um das, was 
an sich leichter ist; und dieser Begriff ergiebt sich allerdings aus 
dem Zusammenhange, sofern das, was mit logischer Nothwendigkeit 
viel eher noch als etwas Anderes eintreten wird, eben das nach 
menschlichem Maassstabe Leichtere ist. Höchst gekünstelt ergänzt 
Hofm. das ἐχ τῆς χατὰ φύσεν durch den allgemeinen Begriff des Oel- 
baumes, so dass εἰγρεελκέου erst als Apposition nachfolgt, und schreibt 
mit Frtzsch.: ovrus, οἱ χατὰ φύσιν Be ἐγχεντρισϑήσονται), ἐγχεντρισϑή- 
σονται τὴ ἰδ. ἐλ. Lips. will das Fut. als Fut. der zukünftigen Tbat- 





Röm 1156. 493 


Υ. 25—-36. Die schliessliche Gesammtbekehrung 
Israels. — Was bisher nur als eine Möglichkeit, ja unter 
den vorliegenden Umständen als naheliegende W einlich- 
keit hingestellt war, wird nun in dem Schlussabschnitt mit 
prophetischer Gewissheit vorherverkündigt. Nur wenn im 
Vorigen die künftige Wiederaufnahme der Juden noch nicht 
als Thatsache ausgesprochen war (gegen Meyer, Hofm.), kann 
jetzt die als Ziel der Heidenmission V. 11—14 in’s Auge 
gefasste grosse Wendung, deren Dankbarkeit V. 23f. nach- 
gewiesen ist, dadurch begründet werden (yao), dass es sich 
hier um das dem Apostel durch Offenbarung kundgewordene 
Ziel des göttlichen Rathschlusses handelt. — V.25. οὐ ϑέλω 
ὑμᾶς ἀγνοεῖν) wie lıs, legt ein besonderes Gewicht auf die 
Mittheilung, die er ihnen zu machen hat. Ausdrücklich redet 
er sie hier wieder, wie dort, mit adeAgoi an (vgl. auch 7ı. 
101), weil sie als seine (heidenchristliche) Brüder nicht unbe- 
kannt bleiben dürfen mit dem, was ihm als ächten Israeliten 
(V. 1) freilich noch in ganz anderem Sinne am Herzen liegt, 
wie ihnen. Ganz unmöglich ist, dass er den angeblich V. 13 
angeredeten Theil der Leser, nun anreden soll, wie er sonst 
alle seine Leser anredet, was Hilg, Lips. nur annehmen 
müssen, weil das folgende offenbar auf Heidenchristen geht. -- 
τὸ μυστήριον) hat im NT nicht den Sinn, in welchem 
Profanskribenten von Mysterien reden (etwas an sich Ge- 
heimnissvolles, nur den Eingeweihten Fassliches, den Profanen 
zu Verbergendes: 8. über μύειν und μυστήρ. ÜCreuzer z. 
Plotin. de puler. p. 357f., vgl. Lobeck, Aglaoph. I, p. 85ff.), 
sondern es bedeutet dasjenige, was, den Menschen an sich un- 
bekannt und unerkennbar, durch göttliche ἀποκάλυψις 
ihnen kund geworden ist. So bezeichnet es oft bei Paulus 
den göttlichen Rathschluss der Erlösung durch Christum, im 
Ganzen oder nach einzelnen Theilen desselben, weil er den 
Menschen verhüllt war, bevor ihn Gott enthüllte (Rom 16. 
IKor 2:—ı. Eph 33—5).. Wenn der Apostel ein solches 
Mysterium mittheilt, ist er sich bewusst, dasselbe durch gött- 
liche Offenbarung empfangen zu haben (eben so IKor 1851), 
und redet als phet ἐν ἀποχαλύψει (IKor 140. 90. Das 
τοῦτο weist hinaus auf den folgenden Objektssatz, vgl. 23. 
66. — ἵνα un ἦτε ἐν ἑαυτοῖς φρόνεμοι) Die Leser sollen 
nämlich auf ram heidenchristlichen Standpunkte nicht unter 
Verkennung des göttlichen Rathschlusses ihre eigenen An- 
sichten über die definitive Verwerfung des Israelitischen Volkes 


sache nehmen, womit dem Folgenden vorgegriffen wird (vgl. d. vor. 
Anmerkung). 





494 Röm 11». 


für Wahrheit halten und somit in sich selbst, d. i. in ihrem 
eigenen Denken (vgl. Soph. El. 1065 f. Jes ὅ 21. Jak 24) 
klug sein. Offenbar waren sie geneigt, es für undenkbar zu 
achten, dass das Volk, welches Jesum gekreuzigt und den 
Zeugen seiner Auferstehung nicht geglaubt hatte, noch einst 
als Volkseinheit sich bekehren könne (v. Hofm.), und dasselbe 
für immer verstossen zu denken, um ihnen im Gottesreiche 
Platz zu machen (vgl. V. 19) ἢ. — ὅτε πώρωσις ἀπὸ 
μέρους τῷ Ἰσραὴλ γέγονεν) dass Verstockung, wie sie 
nach V.7 über alle gekommen, die nicht zur &xAoyn gehören, 
einem Theile nach dem Volke Israel widerfahren ist und, wie 
das Perf. sagt, noch andauert. Das ἀστὸ μέρους gehört natur- 
gemäss zu γέγονεν und ist extensiv zu verstehen. Soweit ent- 
hält die Mittheilung nichts Neues, sondern erinnert nur an 
die bereits besprochene, vor Augen liegende Thatsache; das 
Neue liegt erst in dem ἄχρις οὗ (Job 821. IKor 1126), 
welches den Zeitpunkt bezeichnet, bis zu welchem diese Ver- 
stockung nach göttlichem Rathschlusse fortdauern soll **): bis 
dass die Fülle der Heiden eingegangen sein wird. Der Aus- 
druck τὸ πλήρωμα τῶν ἐϑνῶν kann, da er nicht, wie 
V.12, durch den Gegensatz seine besondere Beziehung erhält, 
nach dem alttestamentlichen 5 γῇ καὶ τὸ πλήρωμα αὐτῆς 


*), Mit Recht hat Meyer das ev εαυτοῖς mit Lehm., Treg. u. WH. 
txt. nach AB vorgezogen, da das παρ εαυτοις (Tisch., Treg. u. WH. 
a. R. nach NCDL Βορί., vgl. FG: eavrows, das Hofm. gegen alle text- 
kritische Raison bevorzugt) wohl aus 1216 stammt. as Luther hat: 
»auf dass Ihr nicht stolz seid« (vgl. Erasm., Beza, Calvin, Calov., 
Volkm., Zimmer), ist nicht direkt ausgesprochen, wird aber von 
Theodoret richtig als Folge bezeichnet. Soll dies durch die Mit- 
tbeilung des Apostels beabsichtigt werden, so können die Leser das 
Mitzutheilende nicht ohne ihn wissen (gegen Hofm.). Eine Beziehung 
auf das τὸ μυστήρ. τῆς βασιλ. Mk 4ıı wird von Böhmer willkürlich 
eingetragen. 

**) Das ἀπὸ μέρους ist also nicht intensiv zu verstehen, als ob 
es den Begriff der πώρωσις mildern sollte (Calvin: quodammodo), und 
nicht auf die Absicht der πώρωσις zu beziehen, die ja überhaupt 
nicht genannt ist (gegen Kölln.: eines Tbeils sei die Verstockung 
nur dazu von Gott über Israel verhängt worden, damit erst u. 8. w.). 
Die zeitliche Fassung >»einstweilig« (Hofm.) ist hier so sprachwidrig, 
wie IIKor 114. 25. Auch gehört die Praep. weder zu πώρωσις 
(Böhmer, Zimmer) noch zu τῷ Ἰσραήλ (Estius, Semler, Koppe, Frtzsch.). 
Ganz sprachwidrig suchen Calv., Calov. u. A., trotz des ἄχρις οὗ den 
Gedanken eines Endzieles zu entfernen; und Otto behauptet geradezu, 
dass die von Gott als Strafgericht verhängte πώρωσις, was sie aller- 
dings nach V. 90 (vgl. 9ss—10sı) unfehlbar ist, stets ein definitiver 
Gerichtsakt sei und, ohne dass Gott mit sich in Widerspruch tritt, 
nie aufgehoben werden könne. 





Röm 1138. 96. 495 


(Jer 8ı.. 472 Ps 24ı vgl. IKor 10x) und analogen Aus- 
drücken, wie Koh 4e. 643. 820, nur bezeichnen, was die 
ἔϑνη vollmacht, und das ist, da die &9vn eben aus einer Zahl 
von Individuen bestehen, was dazu gehört, um diese Zahl 
vollzumachen, also ihre Vollzahl (God., Beck). Aber es liegt, 
in der Natur der Sache, dass diese Vollzahl nur in Grossen 
und Ganzen gemeint ist. Wie ihre bisherige theilweise An- 
nahme nicht ausschliesst, dass Einzelne im Unglauben wieder 
abfallen (V. 21£.), so schliesst auch ihre vollzählige Bekehrung 
natürlich nicht aus, dass Einzelne im Unglauben sich ver- 
stocken ἢ Das εἰσέλϑῃ empfängt seine Bedeutung aus 
dem Zusammenhang, wo das Bild von der Einpfropfung in 
den heiligen Oelbaum ihr Eingehen in die Gemeinde des 
Heils darstellte. Von ihrem Eingehen in das Gottesreich der 
Vollendung (Otto) kann nicht die Rede sein, da dieses erst 
am Ende stattfindet, wo von einer Wendung der Geschicke 
Israels nicht mehr die Rede sein könnte. — V. 26. χαὲ 
οὕτω) und so, nämlich nachdem das πλήρωμα τῶν ἐϑνῶν 
eingegangen sein wird. Doch kann die durch οὕτως be- 
zeichnete Modalität nicht bloss in der den Eintritt der That- 
sache bedingenden Zeitfolge liegen (Meyer mit Berufung auf 
Schweig., Lex. Herod. II, p. 167. Thuc. 3, 96,2. Xen. Anab. 
3,5,6. Dem. 644. 8. 802. 29), sondern es muss in der vorauf- 
gehenden Thatsache zugleich ein die Art der folgenden be- 
stimmendes (812. Act 281. IKor 1128) oder ein sie selbst 
motivirendes Moment liegen (Act 274). Das ist aber einer- 
seits die mit diesem Zeitpunht, bis zu dem sie fortdauert 
(V. 25), authörende σεώρωσις (Beng., Hofm., Luth., Goeb.), 
andererseits die Vollendung der von der Heidenbekehrung im 





— 


ἢ Trotz seiner Polemik gegen diese Klausel kommt Meyer doch 
in der Sache auf dasselbe hinaus, wenn er mit Berufung auf die 
apokalyptische Redeweise sagt, der Prophet (vgl. z. B. Act m. 11 28) 
schaue und sage die grossen Dinge der seinem Blicke geöffneten 
Perspektive im Grossen und summarisch, ohne für solche Sprüche 
nach strickter mathematischer Strenge verantwortlich zu sein. 
Sprachlich möglich wäre es auch, an die Zahl der einzelnen Völker 
zu denken (Hofm., Beyschl. p. 75, Goeb.); aber Paulus reflektirt, wo 
er von den ἔϑνη redet, nie auf die einzelnen Völkerschaften, sondern 
nur auf die zu ihnen gehörigen Individuen. Wort- und sinnwidrig 
ist aber die Beziehung auf das zum Ersatz der ungläubigen Juden 
dienende complementum ethnicorum (Wolf, Michael., Olsh., Phil.), 
wodurch ja deren Wiederaufnahme gerade ausgeschlossen wäre. Ganz 
willkürlich ist es, nur an die Vollzahl der zum Heile bestimmten 
Heiden zu denken (Theophyl., Augustin., Oecum. u. V., vgl. noch 
v. Heng., Chr. Hoffm., Otto, Luth.), oder den Begriff in caterva gen- 
tilium (Frtzsch., vgl. Zimmer) abzuschwächen. 


496 Röm 113. 


öttlichen Rathschluss erwarteten (V. 11. 14) Wirkung auf die 
uden (God., Beck, Sand.) Beides schliesst sich ja keineswegs 
aus, sondern weil die Wirkung, welche von der Anschauung 
der vollendeten Heidenbekehrung auf Israel ausgeht, stark 
enug ist, um dasselbe zur Nacheiferung zu reizen, so hat 
tt eben sie als den Termin geordnet, mit welchem sein 
Verstockungsgericht ein Ende hat. — πᾶς ᾿Ισραήλ) be- 
zeichnet die Totalität des Volkes, wie es durch die Ab- 
stammung von den Erzvätern konstituirt wird, aber doch eben 
das Volk als solches, als Volkseinheit (vgl. Hofm.), die genau 
wie hier auch IReg 12ı. IIChr 12ı ohne Artikel bezeichnet 
wird (gegen Otto). Es sind also nicht alle einzelnen Israeliten 
(Meyer), sondern es ist das Volk im Grossen und Ganzen ge- 
meint (vgl. 951. 101°—117), was immerhin das Verbleiben 
Einzelner im Unglauben nicht ausschliesst (God). Die ganze 
Erörterung dreht sich ja nicht um die Frage nach dem Heil 
der Einzelnen, sondern um die Frage nach dem Schicksal 
Israels im Gegensatz zu den Völkern (vgl. Chr. Hoffm., Goeb., 
Luth.)*). — σωϑήσεται) wird gerettet werden durch die 
Bekehrung zu Christo. — χαϑ ὼς em ea) Für das ag 
"Ioe. σωϑήσ. findet Paulus einen Schriftbeleg **) in Jes 59af., 


ἢ Dagegen ist es ganz willkürlich, mit Oecum., Wttst., Rück., 
Frtzsch., Thol. das πᾶς in die Bezeichnung einer grösseren Masse ab- 
zuschwächen, oder unter Berufung auf Gal 616 an das geistliche 
Israel (Augustin., Theodoret., Luther, Grot.), resp. unter Berufung auf 
96 an die ἐχλογή aus Ier. zu denken (Calov., Beng., Olsh., Böhmer, 
Otto). Auch sachlich wäre ja bei dieser Erklärung die so feierlich 
eingeführte Mittheilung jedes Inhaltes beraubt; denn dass sich in 
Folge der Heidenmission immer noch einige Juden bekehren, also 
die Zahl der ἐχλογή V. 7 noch nicht abgeschlossen ist, war ja schon 
V. 11. 14 angedeutet, und dass also mit der Vollendung der Heiden- 
mission auch die Judenmission sich vollendet, soweit eben Juden er- 
wählt sind und berufen werden, versteht sich ja von selbst. Vollends 
aber an die ἐχλογή aus Heiden und Juden zu denken (Calv., vgl. noch 
Zimmer), ist dem Kontext gegenüber einfach gedankenlos. Uebrigens 
tritt dieses grosse Endergebniss, das sicher nicht »wenigstens mittel- 
bar den gläubigen Juden« (Hilg.) zum Trost verkündigt ist, da diese 
schwerlich daran gezweifelt haben, gewichtiger hervor, wenn man xal 
οὕτω etc. selbständig nimmt, als wenn man es noch mit von ὅτι ab- 
a. lässt (Lchm., Tisch., Frtzsch., Ew., Hofm., Holst., Luth. 
u. 


.). 

**, Nicht als ob er bloss ein Substrat seiner eigenen Gedauken 
in der Stelle suchte (Thol.), oder gar zeigen wollte, dass seine Lehre 
erst den ächten, vom Geist gewollten Sinn der Prophetenstelle gebe 
(Chr. Hoffm.), aber auch nicht, als ob er aus ihr seine Prophetie ent- 
nommen hätte (vgl. noch Hofm.); denn das ὅτε πώρωσις — xal οὕτω 
konnte er nicht daraus entnehmen, und Stellen, wie die 9 91---9 an- 
geführten, konnten auf das Gegentheil führen. Die Verheissung Jes 


Röm 1156. 27. 497 


das er nicht ganz genau nach den LXX und von ὅταν an 
mit Zuziehung von 279 (8. Surenh. “araAA. p. 503f.) wieder- 
giebt. So setzt er gleich für das ἦξει ἕνεχεν Σιων in Re- 
miniscenz an Stellen, wie Ps 147. 537, ἐκ Σιών, um die ver- 
heissene Ankunft des Erretters aus Zion auf die erste Er- 
scheinung des Messias zu beziehen (Goeb.) *), welcher abwenden, 
ἃ. h. entfernen wird (@asroorg&weı, wie Bar 37. IMak 488) 
Gottlosigkeiten von Jakob. Damit ist im Sinne des Apostels 
wohl die entsündigende, versöhnende Wirkung gemeint, welche 
er an dem bekehrten Israel vollziehen werde, und nicht die 
sittliche Bekehrung (Hofm., Goeb.), die nur eine allmähliche 
sein könnte, während mit jener sofort die Errettung Israels 
gegeben ist. Das «ai αὕτη V.27 geht nicht auf das Vorber- 
nt (Hofm. nach Beng., Kölln. u. A.), sondern auf das 

olgende, wie im Grundtext und bei den LXX, wo aber von 
Paulus nun statt der Worte der Grundstelle die mit seiner 
Auffassung des ἀποστρέψει χτλ. stimmenden Worte aus Jes 
219 (wo ebenfalls ein vorhergehendes Demonstrativum auf 
ὕταν vorwärts weist) eingesetzt werden, so dass der Sinn ist: 


5920f. (auch bei den Rabbinen messianisch gedeutet, 8. Schoettg., 
Hor. II, p. 71. 187) geht bloss auf die vom Abfall sich bekehrenden 
Israeliten, aber da ja die treu Gebliebenen selbstverständlich zum 
Glauben kommen und gerettet werden, so ist damit das πᾶς Ἰσραὴλ 
σωϑήσεται gesichert. Ganz unnöthig und künstlich lässt Frtzsch. in 
der ersten Hälfte nur die auserwählten Israeliten, in der zweiten 
aber das ‚Bene Volk gemeint sein. Nach Calv. u. M. glaubt wieder 
Glöckl.. V.27 sei aus Jer 313ı—s4 entlehnt, was aber abzuweisen ist, 
weil χαὶ αὕτη — διαϑήχη noch Jes 5921, ὅταν οἷο, aber wörtlich Jes 
279 steht. Auch Phil. meint, dass dem Apostel der Inhalt der Jere- 
miasstelle vorgeschwebt habe. Künsteleien über die Verbindung 
beider Stellen s. bei Otto. 

ἢ Meyer hält die Abweichung für eine bloss memorielle, weil 
£yexev 2. dem Apostel eben so gut gepasst hätte (gegen Reiche, 
Frtzsch., v. Heng.), das 2x sei ihm nicht einmal bequemer gewesen 
ıHofm.), und daher keine Absichtlichkeit ausfindig zu machen (Phil.: 
um das Anrecht des Volkes den Heiden eu stärker hervor- 
zuheben, noch künstlicher Otto). Natürlich ist mit ὁ ῥυόμενος nicht 
Gott (Grot., v. Heng.), sondern der Messias gemeint, und nicht seine 
Parusie (Hofm., Luth., Lips., Sand.), da sich ja Paulus die Bekehrung 
Israels durch die Bekehrung der Heiden (also noch in dieser Zeit) 
vermittelt denkt und nirgends die Parusie von Zion aus erwartet, 
auch nicht eine von der Zukunft zu erwartende (zur Gesammt- 
bekehrung Israels) besondere wirksame Selbstoffenbarung Christi in 
der Predigt seines Evangeliums (Meyer mit Berufung auf Eph 2.11). 
Irrig aber haben Augustiu., Chrys., Theodoret. u. A. als geweissagt 
angenommen, Elias oder Henoch werde vor dem Weltende als Juden- 
bekehrer auftreten. Das x«s vor αποστρέψεε (Rept. nach KL) ist als 
Verbindungszusatz nach den LXX zu streichen. 


Meyer'’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 32 


498 Röm 11] 21. 


»Und wenn ich ihre Sünden vergeben haben werde, so wird 
dies (dieser von mir ertheilte Sündenerlass) ihnen der von mir 
ausgegangene, meinerseits mit ihnen gemachte Bund sein«, 
d. i. sie werden darin die Erfüllung der Verheissung eines 
neuen Bundes haben, sofern ein solcher ohne volle Sünden- 
vergebung nicht eintreten kann. 


Anmerkung. Die Reformatoren wurden nicht durch exegeti- 
sches, sondern durch dogmatisches Interesse, auch durch ihre üble 
Meinung von der jüdischen Verdorbenheit (sein Jude oder Jüdisch 
Herz ist so stock-, stein-, eisen-, teufelhart, dass es mit keiner Weise 
zu bewegen ist« u. 8. w. Luther 1543, welcher früherhin milder ur- 
theilte) bewogen, den Wortsinn des Apostels zu verlassen. Doch blieb 
bei den Reformirten durch Beza die wörtliche Fassung vorherrschend; 
und durch Calixt und Spener ward sie es wieder in der Lutherischen 
Kirche, in welcher sie indess auch früherhin noch durch Hunn,, 
Balduin u. M. trotz der Auktorität Luthers ihr Recht bewahrt hatte. 
Melanth. blieb bloss dabei stehen (s. dessen Enarratio 1566): »futurum 
esse ut subinde usque ad finem mundi aliqui ex Judaeis convertantur«. 
Den früher (1540) gemachten schüchternen Zusatz von einer mög. 
lichen allgemeinen Judenbekehrung hat er in dieser seiner letzten 
Erklärung des Briefes nicht. Auch Calov. erklärt nur von einer suk- 
zessivon Bekehrung der Juden, welche allmählich bis zum Weltende 
erfolge, so dass bloss ein noch zu bekehrender magnus numerus ge- 
meint sei, und so jetzt auch Phil. (p. 557 ff.): Theilweise sei Israel 
bis zum Eingange des Heidenpleroma verhärtet, und auf diese Weise, 
dass nämlich aus dem nur theilweise verhärteten Volke eine grosse 
Sammlung von Gläubigen bis zu Ende der Tage fort und fort geschieht, 
werde das ganze vom alttestamentlichen Gotteswort nach der Pro- 
phetenstelle eigentlich bezielte Israel errettet werden; ferner Kliefoth, 
Christl. Eschatologie 1886, p. 170ff., Münchmeyer, Zeitschrift f. kirchl. 
Wissenschaft 1881, p. 561ff., Max Frommel, der Israel Gottes, Bonn 
1881 und mit besonderem Nachdruck Otto. Ueber die Geschichte d. 
Auslegung u. St. 8. übrigens Calov. p. 190. und Luthardt. Die von 
Paulus verheissene Bekehrung von ganz Israel ist noch nicht ge- 
schehen; denn die Meinung, als sei die Verheissung schon in der 
apostolischen Zeit durch die Bekehrung eines grossen Theiles des 
Volkes (vgl. Euseb. H. E. 8, 85; Judaizantes Ὁ. Hieron.) erfüllt worden 
(Grot., Limb., Wttst.), scheitert trotz Act 2120 an dem Wortsinne von 
πᾶς Ἰσραήλ und von πλήρωμα τῶν ἐθνῶν. Die Zeit ibres Eintrittes 
hat sich Paulus offenbar nahe gedacht, da er (mit der ganzen aposto- 
lischen Kirche) sich die Parusie selbst als nahe vorstellte. Aber des- 
halb ist nicht die Verheissung von der Bekehrung des Volkes Israel 
: selbst als eine solche zu betrachten, deren Erfüllung nicht mehr zu 








Röm 11 21. 28. 499 


hoffen sei, als ob mit der nicht bewährten Vorstellung von der Zeit 
des Ereignisses dieses selbst hinfiele (Ammon, Reiche, Kölln., Frtzsch.); 
denn die Sache an sich, nicht aber deren Zeitpunkt, ist vom Apostel 
als Stück des ihm enthüllten μυστήριον eröffnet. — Beachte übrigens, 
wie u. St. der jetzt mehrfach erneuten ebionitischen Ansicht (Chr. 
A. Crusius, Delitzsch, Baumg., Ebr., Auberl. u. Ausleger der Apokal.) 
von einer auf Grund der prophetischen Weissagungen (Hos 22. 168, 
34f. Jes 1111. Kap. 60 al.) zu erwartenden Wiederherstellung Israels 
zum theokratischen Königthum in Kanaan, welche Otto im Interesse 
seiner Polemik einfach mit der richtigen Erklärung unserer Stelle zu- 
sammenwirft, schnurstraks entgegensteht, da nach V. 15 mit der Be- 
kehrung Israels unmittelbar die Todtenauferstehung, also die Heils- 
vollendung eintritt, weshalb diese Hoffnung auch mit chiliastischen 
Erwartungen (gegen de W.) nichts zu thun hat. Vgl. bes. Bertheau 
in JdTh 1859 p. 888 ff. 


V. 28. Was in den folgenden Versen (bis V. 32) über 
den Gesichtspunkt gesagt wird, unter welchem die Heiden- 
christen die Gegenwart des jüdischen Volkes anzusehen haben 
Hofm., Luth., Goeb.), hat sein Absehen unzweifelhaft darin, 
ass die Gewissheit der V. 26 eröffneten Aussicht von einer 
neuen Seite her in’s Licht gestellt wird*). Das Subjekt sind 
die gegenwärtig ungläubigen Israeliten (αὐτῶν V. 27) als solche. 
Da es sich nun in der folgenden Aussage nach dem ganzen 
Zusammenhange (vgl. V. 26. 27) nur um die Stellung Gottes 
zu ihnen, seine Gesinnnng gegen sie handeln kann, so be- 
zeichnet das zwiefache χατά die Norm für ihre Beurtheilung 
von Seiten Gottes. In Gemässheit des Evangeliums sind sie 
Feinde, Gegenstände seiner Feindschaft (010), um Euretwillen, 
aber des Evangeliums nicht seinem Inhalte nach (vgl. Böhmer), 
da dieser ja nicht maassgebend sein kann für Gottes Stellung 
zu ihnen, sondern nur, sofern es von ihnen verworfen ist (Hofm.). 
Dies bewirkt, dass Gott ihnen feindlich gesinnt sein muss, da 
die Verwerfung des durch ihn angebotenen Heiles sträflicher 
Undank und Ungehorsam ist. Das de ὑμᾶς aber kann nur 
nach V. 11 davon erklärt werden, dass diese feindselige Ge- 
sinnung Gottes gegen die Juden, nach der er ja ihr Verhalten 
durch die Verstockung zu einem dauernden gemacht hat, den 
Heiden zu Gute kommen sollte, sofern Gott das Heil, das er 


*) Es braucht deshalb freilich nicht durch Parentbesirung von 
χαϑὼς γέγρ. οἷο. mit σωθήσεται verbunden zu werden (Ew.), ist auch 
direkt weder Zusammenfassung (Meyer, God.), noch Begründung des 
Vorigen (de W., Phil.), geschweige denn Folgerung daraus (Reiche). 


82 * 


8500 Röm 1128—0. 


in Folge derselben jenen vorenthalten musste, diesen zuwandte *). 
Dem, was sie von der einen Seite (u&») in Gemässheit des 
Evangeliums sind, tritt nun gegenüber, was sie von der anderen 
Seite (κατὰ δὲ τὴν ἐκλογήν) in Gemässheit der Erwählung 
sind. Auch hier kann der Begriff der ἐχλογή nicht für sich 
genommen werden, am wenigsten im Sinne von V. 7 (Ew., 
Meyer, Otto), sondern, wie das τὸ εὐαγγέλιον, nur in seiner 
Beziehung auf die Juden, weil die Erwählung für eine ent- 
g ee Gesinnung Gottes gegen sie (@yasınrol) maass- 
Beben sein soll, also von der dem Volke Israel zu Theil ge- 
wordenen Erwählung aus allen Völkern (Dtn 7eff.). Genau wie 
im Parallelgliede ist nun die Liebe Gottes zu seinem Eigen- 
thumsvolke zwar an sich schon durch die Erwählung bedingt, 
aber sie ist trotz des die Feindschaft Gottes erregenden Ver- 
haltens des Volkes eine fortdauernde um der Väter willen: 
διὰ τοὺς πατέρας. Weil Gott das Volk in den Erzvätern 
bereits erwählt und sich gegen sie verpflichtet hat, indem er 
dem Abraham und seinem Samen die Verheissung gab 
(418), so sind und bleiben sie Gottgeliebte trotz alledem. — 
V.29 begründet die zweite Vershälfte dadurch, dass unbereubar 
sind (ἀμεταμέλητα, vgl. Polyb. 21, 9. 11. 24, 12. Plat. 
Tim. 59D. IIKor 710) die Israel verliehenen Gnadengaben 
Gottes (ra χαρίσματα), wie sie Paulus 94f. aufgezählt hat, 
und insbesondere ihre Berufung. Es ist ganz willkürlich, 
ἡ κλῇσις speziell auf den Missionsberuf Israels zu beziehen 
(Otte, vgl. Chr. Hoffm.); es kann im Zusammenhange mit 
.26 nur die Berufung zum Heil sein. Kann aber Gott 
beides nicht bereuen, so kann er es auch nicht zurücknehmen. 
V. 30f. begründet die auf der unwandelbaren Treue 


-.-.- en 


*) Damit ist jede aktive Fassung des ἐχϑροί (Olsh., v. Heng., 
Ritschl, Beck u. A.), die ohnehin der Gegensatz des ἀγαπητοί ganz 
unmöglich macht, ausgeschlossen. Dass sie nicht als Feinde des 
Apostels bezeichnet werden (Theodoret, Luther, Grot., Semler u. A.), 
oder des Evangeliums (Chrys., Theophyl., Michael., Morus) und der 
Gläubigen (Olsh.), wird durch den (segensatz über jeden Zweifel er- 
hoben. Auch erlaubt die Nothwendigkeit, das ἐχϑροί durch das Ver- 
halten der Juden motivirt zu denken, nicht, bei dem χατὰ τὸ εὐαγγέ- 
λιον schon an ihre Ausschliessung vom Evangelium (Frtzsch.), seinen 
Uebergang zu den Heiden (Luth., Goeb.), oder seine Verbreitung über- 
haupt (Rück., Holst.: sein Hingelangen zu den Heiden, vgl. Lipe.: 
die Ordnung, in welcher das Evangelium verkündigt werden soll) zu 
denken. Ganz eingetragen wird in das δε ὑμᾶς der Gedauke, dass 
die Heidenberufung der Grund ist, um deswillen die Juden das Evan- 
gelium verworfen haben (Beck, Otto, Chr. Hoffm.), oder dass durch 
den Unglauben der Juden das Evang. erst seiner judenchristlichen 
Form entkleidet und den Heiden zugänglich gemacht sei (God.). 





Röm 1180. sı. 501 


(Gottes beruhende Fortdauer seiner Liebesgesinnung gegen das 
Volk durch den Hinweis auf die Liebesabsichten, die Gott 
noch mit ihm hat, und lässt dieselben dadurch um so glaub- 
hafter erscheinen, dass er sie auf eben dieselbe Barmherzigkeit 
zurückführt, welche die Heiden bereits erfahren haben. — 
ὠσπερ yag) vgl. Bw. 61. Denn wie Ihr einst (more, in 
Eurer vorchristlichen Zeit, wo die Leser also Heiden waren) 
Gotte ungehorsam waret. Das ἠπειϑήσατε τῷ ϑεῷ ist 
die en heidnische Grundsünde (Eph 2.2. de), wonach sie 
von (Gott nichts wissen wollten (vgl. Luth., God.), also nicht 
Unglaube (Meyer). Vgl. 1186. Der Ausdruck ist aber ab- 
sichtlich gewählt, um ihr Verhalten mit dem jetzigen Israels 
in Parallele zu stellen. — νῦν δὲ ἠλεήϑητε) Ihre jetzige 
Aufnahme in die Christengemeinde wird absichtsvoll als ein 
Werk der ihrer Natur nach freien Barmherzigkeit Gottes 
(9:15) hingestellt, die nicht nach ihrem Verhalten fragte, 
sondern lediglich durch das Mitleid mit ihrer Noth sich leiten 
liess. — τῇ τούτων ansı$sig) Das Verhalten der Juden, 
das schon 1021 in tiefstem Grunde auf ihren Ungehorsam 
zurückgeführt war, wird nun mit Absicht als ein dem früheren 
Verhalten der Heiden ganz gleichartiges hingestell. Das Er- 
barmen, das die Heiden erfuhren, ist aber insofern durch den 
Ungehorsam der Juden vermittelt, als das Heil, dessen An- 
nahme sie in sträflichem Ungehorsam verweigerten, nunmehr 
den Heiden zugewandt wurde durch die Verkündigung_ des 
Evangeliums unter ihnen ἢ). — V. 31. οὕτως καὶ οὗτοι 
νῦν ἡπεείϑη σαν) hebt noch einmal sehr nachdrücklich hervor, 
dass die Schuld der Juden, welche sie bis jetzt des Heiles 
verlustig gemacht hat, keine andere ist, als die, welche auch 
die Heiden auf sich geladen hatten, und durch welche Gott 
sich doch nicht abhalten liess, ihnen Erbarmen zu erzeigen, 
so dass er das auch den Juden gegenüber nicht thun wird. 


*, Das verstärkende x«s; nach ωὡσπὲρ (Rept. nach L) ist zu 
streichen. WH. a. R. bat vuve nach B allein. Das νὺν vor ἐλεηϑωσιν 
V. 81 (Lehm., Tsch., WH. nach NBD) ist der mechanischen Hinzu- 
fügung nach den beiden vorhergehenden νυν, insbesondere dem ersten 
vor niend. sehr verdächtig. Treg. hat es mit Recht mit der Rept. 
gestrichen. Durch die angeredeten heidenchristlichen Leser (ὑμεῖς) 
sind die bekehrten Heiden überhaupt individualisirend bezeichnet. 
Da aber selbst die, welche nur den heidenchristlichen Theil der Ge- 
meinde angeredet sein lassen, zugeben müssen, dass gerade der Höhe- 
punkt der ganzen Ausführung in a, 9—11 speziell an Heiden- 
christen sich wendet, so ist damit definitiv erwiesen, dass dieselbe 
nicht durch Bezugnahme auf judenchristliche Bedenken veranlasst ist 
(gegen Hilg. a. a. OÖ. p. 2380). 


593 Röm 11sı. 


Wenn nun durch ἕνα ein gottgeordneter Zweck ihres Unge- 
horsams bezeichnet wird, so ist damit auf’s Neue angedeutet, 
dass derselbe durch Gottes Verstockung (V. 7) zu einem an- 
dauernden gemacht ist und darum noch jetzt als die That- 
sache betrachtet werden kann, als deren letzter Zweck die 
Heilsabsicht Gottes erscheint, auf die es dem Apostel ankommt. 
— τῷ ὑμετέρῳ ἐλέει) ist des Parallelismus wegen in den 
Satz mit ἕνα zu beziehen, und der Dativ im Sinne der Ver- 
mittelung, wie τῇ tour. ἀπτειϑ., zu fassen: damit durch das 
Euch widerfahrende Erbarmen νει: zu dem nachdrücklichen 
ὑμετέρῳ im objektiven Sinn Win. 8 22, 7. Kühner 8 455. 
Anm. 11) auch ihnen Erbarmen zu Theil werde. Ihre Stel- 
lung haben die Worte vor der einleitenden Konjunktion des 
Nachdrucks wegen; vgl. Il Kor 127. Gal. 4::. in. 8 61,3. 
Denn das ist eben die Pointe des Gedankens, dass dasselbe 
Erbarmen, das den Heiden trotz ihres früheren Ungehorsams 
widerfahren ist, auch den Juden trotz ihres jetzigen Ungehor- 
sams widerfahren kann und wird (vgl. Thol, Win., Luth., 
Goeb., Sand... Hätte Israel gleich das Evangelium ange- 
nommen, so wäre die Ertheilung des Heiles an dasselbe ledig- 
lich eine Sache der Verheissungstreue Gottes gewesen (156); 
da sie aber durch ihren Ungehorsam die Verheissung ver- 
scherzt und sich den Heiden gleichgestellt hatten, so ist ihre 
Zurückführung zum Gehorsam und ihre endliche Wieder- 
annahme eine Sache genau derselben Barmherzigkeit, wie sie 
die Heiden erfahren haben (Bem. das nachdrückliche xai 
αὐτοί vor ἐλεηϑ ὦσιν) ἢ. 


*) Den Gedanken erläutert man gew. (auch ἀθ W., Meyer, Hofm., 
Böhmer, Lips.) dadurch, dass die Juden durch das den Heiden wider- 
fahrene Erbarmen zur Nacheiferung gereizt werden würden (V. 11). 
Allein die Einschiebung dieser subjektiven Vermittelung ist gerade 
der Tendenz der Stelle zuwider, die das, was den Heiden widerfahren 
ist und den Juden widerfahren soll, auf die Barmherzigkeit Gottes 
zurückführt, und hebt gerade den Parallelismus mit dem τῇ τούτων 
arneı$. V. 81 auf, da nicht sowohl ihr Ungehorsam als solcher. als 
vielmehr das über ihn ergangene Strafgericht es war, wodurch den 
Heiden das Erbarmen Gottes (in der Zuwendung der Heilsbotschaft 
an sie) vermittelt ward. Dagegen wird der Parallelismus gänzlich 
aufgeopfert, und die bedeutungsvolle Kongruenz des einfachen ἤπεέ- 
ϑησαν mit dem ἠπειϑήσατε nur geschwächt, wenn man das Komma 
nach ἐλέεε setzt und den Dativ mit ἠἡπεέϑ. verbindet, wobei man den 
Dativ sehr verschieden fasst: sie haben nicht geglaubt an die Euch 
widerfahrene Barmherzigkeit (Vulg., Luther, Est., Chr. Hoffm.), oder: 
sie wurden ungehorsam durch Eure Begnadigung (Erasm., Calv., Wolf, 
Morus, Glöck., Maier, Holst., Beck, vgl. Ew.: ‚bei Eurem Erbarmen«), 
oder: zu Eurer Erbarmung (Volkm., vgl. Buttm. in StKr 1860. p. 867: 
»zu Gunsten Eures Erbarmens, damit Ihr Erbarmen finden konntet«) 





Röm 118. 508 


V. 32 begründet diese von Gott ΡΒ ΘΒ Greich- 
stellung der Heiden und Juden hinsichtlich der Barmherzig- 
keit dadurch, dass die Absicht Gottes von vorn herein auf 
eine universelle Offenbarung seiner Barmherzigkeit gerichtet 
gewesen ist. So ist V. 32 zugleich das grosse Summarium 
und der herrliche Schlussstein des ganzen bisherigen Brief- 
theils. — συνέκλεισεν) Er schloss sie alle zusammen in Un- 
gehorsam hinein (sig ἀπε ϑειαν). Der bildliche Ausdruck 
ist davon hergenommen, dass man einen in ein Gefängniss 
(I Mak bs) oder sonst wo einschliesst, von wo er nicht ent- 
rinnen kann (Lk 5s), hat aber sprachgebräuchlich diese spe- 
zielle Bedeutung eingebüsst und bezeichnet die Preisgabe an 
jemand oder etwas, in Folge derer man völlig und unaus- 
weichlich in seiner Gewalt ist (Diod. Sic. 19, 19. Polyb. 
6, 63, 3. Ps 319. 7850. IMak 31. 4a, vgl. V. 30. Gal 
32), wie denn die LXX das Ὁ „3977 geradezu mit παρέδωχεν 
wiedergeben (Din 32». Job 161. Ps 784). Gott hat die 
von ihm sich abwendenden Heiden in immer tiefere Unsittlich- 
keit preisgegeben (12. z. 3) und die im Eigenwillen den 
rechten Heilsweg verschmähenden Juden verstockt (V. 7. 25), 
so dass beide Theile in den gleichen Ungehorsam gegen ihn 
ιν 80) hineingeriethen Ἵ: - τοὺς πάντας) kann wegen 
es rückweisenden Artikels unmöglich alle Menschen sammt 
und sonders (so die Meisten, auch Meyer, Goeb., Lips.), sondern 
nur die eben Genannten alle bezeichnen (vgl. I Kor 92. 10:17. 
ΠῚ ον 5:5 u. Ὁ. allen Griechen), wobei also der Nachdruck 
darauf liegt, dass von den Genannten oder dem Leser Be- 
kannten Niemand ausgeschlossen ist, nicht aber, dass alle Ein- 
zelnen einer Kategorie zusammengefasst werden (vgl. v. Heng., 
Hofm., Luth., Böhmer). Genannt sind aber im Vorigen, und 
so als die gemeinten Subjekte dem Leser gegenwärtig, nicht 
alle einzelnen menschlichen Individuen, mögen sie nun Heiden 
oder Juden gewesen sein, sondern die bekehrten Heiden (ὑμεῖς) 
und die für jetzt noch ungläubigen Juden (αὐτοί) **). — ἕνα 


u. M. Ganz kontextwidrig denkt Otto bei ἐλεηϑῶσεν an das Erbarmen, 
das ihnen Seitens der Heidenchristen widerfährt. 

*) »Merk’ diesen Hauptspruch, der alle Welt und menschliche 
Gerechtigkeit verdammt und allein Gottes Barmherzigkeit hebet, 
durch den Glauben zu erlangen«, Luther's Glosse. Das Comp. be- 
zeichnet nicht, dass sie alle zusammengeschlossen werden (Beng. u. A.: 
simul), sondern verstärkt nur den Begriff, den man vergebens theils 
durch deklarative (Chrys., Tbeodoret., Grot., Wolf, Carpz., Wttst., 
Ch. Schmidt), theile durch permissive Fassung (Orig., Corn. a. Lap., 
Est. u. V., auch Flatt, Thol.) abzuschwächen versucht hat. 

**) Es ist demnach nicht einmal ganz richtig, dass hier die 


504 Röm 1182. ss. 


τοὺς πάντας ἐλεήσῃ) damit er sich der Sämmtlichen er- 
barmte. Da das τοὺς σπεάνεας hier denselben Umfang hat, wie 
im Hauptsatz, so ist die Frage, wie weit Paulus am Ende der 
Menschheitsentwickelung die Heilsabsicht Gottes realısirt ge- 
dacht hat, deren Beantwortung sich aus der richtigen Auf- 
fassung von V. 25f. ergiebt, aus dieser Stelle schlechterdings 
nicht zu beantworten. Dieselbe spricht nur davon, dass es die 
sen Absicht war, keinen auf Grund seiner Werke zum 

eil zu führen, sondern nur solche, die durch ihren Ungehor- 
sam jeden Anspruches darauf entbehrten, aus reiner Barm- 
herzigkeit zu erretten *). 

V.33ff. Es ist nicht bloss die grosse, heilige, den ge- 
sammten göttlichen Beseligungsgang enthaltende Wahrheit 
(V. 32), welche den Apostel in die folgende Lobpreisung 
Gottes ausbrechen lässt (Meyer), aber auch nicht die ganze 


beiden Massen der Juden und Heiden, diese beiden Menschheits- 
hälften im Ganzen, zu verstehen seien (Thol., Frtzsch., Pbil., Ew., 
God., Otto, Zimmer, Chr. Hoffm., Sand.), da auch von einer Theilung 
der Menschheit in zwei solche Hälften im Vorigen nicht die Rede 
gewesen ist. Die Behauptung, dass es bei der bestimmten Beziehung 
auf die in V. 31 genannten Kategorieen τοὺς ἀμφοτέρους heissen 
müsse, erledigt sich von selbst, sobald man erwägt, dass es dem 
Apostel eben nicht darauf ankam, dass von diesen beiden Kategorieen 
keine ausgeschlossen sei, sondern dass mit der Erstreckung dieses 
Satzes auf jene beiden Kategorieen seine Allgemeingültigkeit festge- 
stellt ist. Man kann aus 39. Y92s3f. beweisen, dass auch von den noch 
unbekehrten Heiden (gegen Böhmer) und von der ἐχλογή der Juden 
(gegen Maier, v. Heng.) dasselbe gilt, aber daraus folgt nicht, dass 
sie hier mit gemeint sind. Ganz willkürlich ist es aber, τοὺς πάντας 
bloss auf die Juden zu beziehen (v. Heng. vorschlagsweise und Hofm.), 
welche als Volk in der Gesammtheit (mithin nicht in allen- Individuen) 
gemeint seien, da weder die Beschränkung des γάρ auf den Nachsatz 
von V. 81 irgendwie gerechtfertigt. noch τοὺς πάντας sie als Gesammt- 
heit, als Volk bezeichnen kann, wie Meyer mit Recht bemerkt. Den 
Sinn: im Ganzen hat οὗ πάντες bekanntlich bei Zahlen; s. Krüger, 
8 50, 11, 13. Kühuner, ὃ 465, 6, b. 

*) Meyer wehrt von seiner Auffassung des τοὺς πάντας, wie von 
V. 25f. aus, ganz vergeblich die Annahme einer Apokatastasis bei 
Paulus ab, während er doch zugeben muss, dass »solchen Miss- 
deutungen des universalistischen Axioms die Erwählungslehre des 
Apostels als sicheres Korrektiv entgegenstehe. Unrichtig habe man 
in solchen allgemeinen Aussprüchen eine Inkonsequenz des Paulus, 
nämlich »unentwickelte Grundzüge einer liberalen Vorstellung« (Georgii 
in d. theol. Jahrb. 1845. I, p. 25) gefunden«e. Wirklich nimmt noch 
Lips. an, dass sich total entgegengesetzte Aussagen bei Paulus finden, 
je nachdem er vom Standpunkt der thatsächlichen Erfahrung oder von 
dem der theologischen Betrachtung aus redet. Aber alle diese Künste 
sind unnöthig, wenn man fragt, was Paulus wort- und kontextgemäss 
sagt, und nicht, was die dogmatische Theorie daraus gemacht hat. 





Röm 1158. 505 


den bisherigen Verlauf des Briefes bildende Ausführung von 
lıs an (Hofm.), sondern speziell die Ausführung von Kap. 11, 
wonach Gott trotz der menschlichen Sünde, welche seine Heils- 
absichten an dem auserwählten Volke zu vereiteln schien, 
Alles so zu lenken wusste, dass eben dieser Ungehorsam das 
Mittel wurde, die Universalität des Heils zu realisiren, indem 
dasselbe von den Juden zu den Heiden kam, und endlich 
doch die Verheissung auch an dem auserwählten Volke ver- 
wirklicht wird (Goeb.). — ὠ βάϑος πλούτου) vgl. Soph. 
Aj. 130, bezeichnet nach einer auch im Klassischen gangbaren 

eise die Grösse des Reichthums nach seiner unmessbaren 
Fülle*). Es sind aber nicht die beiden anderen Genitive dem 
zeAovrov unterzuordnen (Augustin, Ambros., Luther, Calv., 
Beza, Wolf, Koppe, Reiche, v. Heng.,, Holst, God. Chr. 
Hoffm., Otto u. M.), weil V. 35f., das noch zur Ausführung 
dieses Themas gehört, nicht mehr von σοφία und γνῶσις die 
Rede ist, auch diese beiden zu sinnverwandt sind, um mit χαὶ 
-- χαί einander gegenübergestellt zu werden. Bei πλοῦτος 
wird gewöhnlich und mit Recht an den göttlichen Ginaden- 
reichthum (vgl. 24. 1012) gedacht, wozu auch V. 32, sowie 
V.35 trefflich passt. — σοφίας) ist wohl in populärer Unter- 
scheidung von dem folgenden y»rwoewg die zwecksetzende, 


d. ἢ. Alles zum besten Ziele lenkende Weisheit Gottes (I Kor 


124. ww. 27), während dieses die dazu gehörige Erkenntniss aller 
Verhältnisse, also insonderheit auch der Mittel ist, welche er 


*) Diesen Ausdruck aus der Vorstellung unterirdischer Schatz- 
kammern herzuleiten (v. Heng.). davor hätte schon warnen mögen, 
dass man auch βάϑος χαχὼν (Eur. Hel. 310, Prv 188) u. dergl. sagt: 
und da nicht bloss von Weisheitsfülle die Rede ist, darf man nicht 
den Begriff der Unerforschlichkeit hineinlegen (Phil.), oder darauf 


'reflektiren, dass sie bis in die Tiefen der Ewigkeit hinabreicht (Otto). 


Vgl. noch βαϑὺς πλοῦτος (Ael. V. H. 3, 18), βαϑδὺ πλουτεῖν (Tyrt. 
8, 6), βαϑύπλουτος, sehr reich (Aesch. Suppl., p. 549, Crinag. 17), 
βαϑυπλούσιος (Poll. 3, 109) und über βάϑος und βαϑύς von geistiger 
Tiefe (Plat. Theaet. p. 183E. Polyb. 27, 10, 3. 6, 24, 9. 21, 5, δ) 
Dissen ad Pind. Nem. 4, 7 p. 396, Blomf. ad Aesch. Sept. 578, Jacobs 
ad Antbol. XI, p. 252. Vgl. βαϑύφρων Pind. Nem. 7,1. Put. Sol. 14. 


,βαϑίβουλος Aesch. Pers. 138. Da keine Genitivbestimmung dabei 
‚steht, so wollen sich Rück., Frtzsch., Phil., Hofm., Meyer einfach mit 


dem Wortsinn begnügen: wie tiberschwenglich reich ist Gott! Phl 


419. Allein wenn doch auch Hofm. analysirt, dass Gott reichlich hat 


um zu geben, und auf 1012 verweist, 80 kommt diese Fassung immer 
wieder auf den Reichthum göttlicher Gaben hinaus, wobei nach dem 
ganzen Zusammenhange nicht an irgend welche irdischen Gaben, 
sondern an Gnadengaben zu denken ist. Ganz fern liegt dem Kontext 
die Beziehung auf die göttliche Machtfülle (Volkm.), zu eng Lipe.: 
Reichthum an Hilfsmitteln, seinen Heilszweck durchzuffihren. 


506 Röm 11ss. δέ. 


dabei braucht, der Wege, welche er dabei einzuschlagen hat ἢ). 
— ὡς ἀνεξερξδύνητα) vgl. Symm. Prv 258. Jer 179: wie 
unausforschlich sind seine Gerichte! Die unerschöpfliche Tiefe 
der Weisheit und Erkenntniss stellt sich dem Menschen als 
Unerforschlichkeit dar. Es ist gar kein Grund, τὰ κρέματα 
αὐτοῦ in weiterem Sinne von Entscheidungen, Beschluss- 
fassungen zu nehmen, nach denen sein Handeln geschieht 
Meyer, Hofm., Holst., Luth.. Böhmer, Zimmer, Sand.), mit 

erufung auf Zph 886. Sap 1212, wo diese Bedeutung ebenso 
zweifelhaft ist, wie hier, und nicht im Sinne von richterlichen 
Urtheilsfällungen (2 οἵ, 88. 5ıs, vgl. Ps 367. 1197), da es sich 
doch auch im Vorigen vielfach um seine Gerichte (z. B. das 
Verstockungsgericht, woran de W., Phil. ausschliesslich denken, 
wie Lips. an V. 32) handelte, die in ihrem Eintreten und 
Aufhören (vgl. z. B. V. 25) ebenso ein Ausfluss der göttlichen 
Weisheit und nach Grund und Ziel für den Menschen unaus- 
forschlich sind. — Das parallele «ai ἀνεξιχνίαστοι, unaus- 
spürbar (Job 5s. 910. Eph 38) entspricht nur dem Bilde, in 
welchem die Handlungsweisen Gottes als αἱ ödoi αὐτοῦ 
(Ps 9510 14517. JSir 394. Tob. 32), d. ἢ. als die Wege, 
die er mit den Menschenkindern geht, dargestellt werden **). 
— V, 34 begründet zunächst die Unerforschlichkeit der gött- 
lichen Gerichte und Fügungen, indem Paulus die Worte Jes 
40 18 (fast ganz genau nach den LXX), wie I Kor 216, zu den 
seinigen macht. Wer hat Jehova’s Sinn erkannt, oder wer ist 
sein Rathgeber geworden? Da Niemand den vous des Herrn 
erkannt hat, ist auch Niemand in die Tiefen seiner Weisheit 
eingedrungen und hat dieselben erforscht; und da Niemand 
sein Berather geworden ist, so hat auch Niemand Einsicht in 


*), Ganz abstrakt und unnatürlich Hofn.: ooy. sei die Eigen- 
schaft, welche befähigt, überhaupt richtig zu urtheilen und zu 
handeln, yrwo. die Durchdringung des im bestimmten Falle erkannt 
sein wollenden Gegenstandes; willkürlich beschränkend God.: yraoss- 
gebe besonders auf das Vorherwissen Gottes um die freien Ent- 
schlüsse der Menschen. Im Wesentlichen kommen auf das Richtige 
auch Böhmer, Otto, Luth., Lips. hinaus, Goeb. nimmt beides als ein 
Hendiadyoin. 

*°) Es ist hier nicht ein zweiter Gegenstand der Bewunderung 
neben dem ersten angegeben (Hofm.. Warum aber die ὁδοί der 
γνῶσις, die χρέματα der σοφία entsprechen sollen (Meyer), oder um- 
gekehrt (God.), ist nicht einzusehen, da auch diese zu den Mitteln 
ehören, durch welche Gott seine Zwecke auslührt, und auch jene 
urch die zwecksetzende Weisheit bedingt sind. God., Otto, Böhmer 
bemerken, dass das Gesagte nur für die natürliche Fassungskraft des 
Menschen stattfinde und durch die Offenbarung aufgehoben werde, 
was aber immer doch nur theilweise der Fall ist. 





Röm 114 —se. 507 


die Mittel und Wege gewonnen, die Gott allein zur Aus- 
führung seiner weisen Zwecke wählt*). — V. 35 schliesst 
unmittelbar daran nach Job 413: Oder wer hat ihm (etwas) 
zuvor gegeben, und es wird ihm wieder vergolten werden ? 
(Vgl zu der Strukturveränderung Kühner δ 1). In diesen 

orten finden νυ. Heng., Phil. Hofm., Luth., Otto, Goeb., 
Lips. eine Fortsetzung der Begründung der Unausforschlich- 
keit Gottes, sofern die göttliche Weisheit berechenbar wäre, 
wenn ihr Thun durch irgend ein menschliches Verdienst be- 
dingt wäre. Natürlicher findet man hier die Begründung des 
βάϑος πλούίτου, sofern Gott reich genug ist, um von keinem 
vorher etwas empfangen zu dürfen (Frtzsch., Beck, Sand.). 
Dagegen x die Beziehung auf die freie Gnade, die alles 
menschliche Verdienst ausschliesst (Rück., de W., Krehl, Kölln., 
God., Böhmer, Chr. Hoffm. u. A.), wohl fern**. — V. 36. 
örı) begründet wohl nicht alle drei vorhergehende Fragen 
de W., Hofm.), geschweige denn Gottes Unerforschlichkeit 
V. 33, vgl. Goeb.), sondern knüpft an die letzte e ihrem 
negativen Inhalte nach an (vgl. auch Otto), wenn auch natür- 
lich, was ihn begr ndet, zugleich die Ursache alles dessen ist, 
was Paulus seit V. 33 bewundernd preis. Niemand hat Gott 
etwas zuvorgegeben, das ihm wiedervergolten werden müsste, 
er ist schlechthin unabhängig von aller Kreatur, weil er der 
letzte Grund von Allem ist, was geschieht (ἐξ αὐτοῦ), weil 
es durch ihn allein geschieht, ohne dass er eines Vermittlers 
bedürfte (δ αὐτοῦ), und weil Alles ihm und seinen Zwecken 
dienen muss (εἰς Be) Der rückweisende Art. zeigt, dass 
τὰ πάντα nicht auf Alles geht, was in Folge der Schöpfung, 
Erhaltung oder Regierung der Welt vorhanden ist oder ge- 
schieht (weshalb die Stellen IKor 86. Kol 11. Hbr 21, 
die man hier gewöhnlich anzieht, nicht ganz parallel sind), 
nicht einmal auf den Gesammtverlauf alles Geschehens (Lips.), 
sondern auf das Alles, was Gott unabhängig von Menschen- 
rath und Menschenbeistand nach seinem Reichthum und seiner 
Weisheit thut, um Juden und Heiden dem Ziele zuzuführen, 


*) Meyer will die erste Hälfte auf die yrooıs, die zweite auf die 
σοφία beziehen (Theodoret., Theophyl., Wttst., Frtzsch., God., Beck); 
aber eher kann man das Umgekehrte sagen (vgl. auch Lips... Böhmer 
bezieht die erste Hälfte auf die χρέματα, die zweite auf die odos. Jede 
Sonderbeziehung leugnen de W., Hofm., Otto. 

45) Die Worte sind dem Hebräischen nachgebildet, da die LXX 
hier ganz falsch übersetzen. LXX Jes 4014 hat Cod. A wie auch Bin. 
unsere Worte, aber gewiss durch Interpolation aus u. St. Nach Ew. 
hat sie Paulus wohl in seiner Handschrift der LXX gleich hinter Jes 
4013 gefunden. 


508 Röm 11se. 12, 


wie es V. 32 geschildert hat (vgl. Otto) ἢ. — ἡ δό ξαὴ) sc, εἴη: 
ihm sei die ihm gebührende Ehre. Gal 16. 


Kap. XI. 


Es folgt nun der praktisch paränetische Theil des 
Briefes (12:—15ıs). Nach einer grundlegenden allgemeinen 
Ermahnung (1211) legt derselbe zuerst den Lesern die Gemein- 
schaftspflichten, insbesondere die christliche Bescheidenheit und 
die Nächstenliebe an’s Herz (123—2ı), behandelt sodann die 
Hauptpflichten, die der Einzelne als solcher hat (Kap. 13), 
und regelt endlich speziell ihr Verhalten in einer die Gemeinde 
bewegenden Streitfrage (14ı—15ıs), in welcher die Rücksicht 
auf die Gemeinschaft mit den Ansprüchen der Individualität 
in Kollision zu kommen schien **). 


*, Völlig ab von dem Ausdruck und Kontext liegt die Be- 
ziehung auf die Trinität (Olsh., Phil, Krumm. nach August., Ambros., 
Hilar., Tolet., Est., Calov. u. M.), die Orig. schon in V. 33 fand. 
Weder Chrys., Oecum., Theophyl., noch Erasm., Melanth., Calv., Beza 
haben eine Beziehung auf die Trinität in ihren Erklärungen ausge- 
drückt, gegen welche sich mit Recht die meisten Neueren (auch 
Sand.) aussprechen. Aber auch die Beziehung von ἐξ auf den Reich- 
thum, von διά auf die Weisheit, von eis auf die γνῶσις (Beck und, wie 
es scheint. Böhmer) ist Künstelei. Der Streit, ob das διέ auf die 
Schöpfung und erst εἰς auf die Erhaltung geht (Oecum., Theoph., 
Frtzsch.), oder beides auf Erhaltung und Regierung, dagegen ἐξ auf 
die Schöpfung (Meyer), wird bei der richtigen Fassung des τὰ πάντα 
gegenstandslos. Ganz unnatürlich fasst Böhmer den Satz mit ὅτε als 

ordersatz der Doxologie, wie IKor 1215. 16. 
58) S. Petr. Abr. Borger, Dissertatio de parte epistolae ad Rom. 
araenetica. Lugd. Bat. 1849. Melanth., Beza u. A. theilten das 
Folgende in ἠϑιχά (K. 12), πολιτιχά (K. 13) und fegarıxza (K. 14f.); 
Volkm. fasst Kap. 12 als allgemeine Ermahnung und das Folgende 
als spezielle, so dass sich Paulus Kap. 18 an die judenchristliche 
Seite und Kap. 14 an die heidenchristliche wende; nach God. fasst 
Kap. 12 die religiöse, Kap. 18 die bürgerliche Sphäre ins Auge. Auch 
dass Kap. 13 das Verhalten gegen die »ausserchristliche Welt« ins 
Auge fasst, bestätigt sich nicht, da schon die Erörterungen über die 
Liebe in Kap. 12 vielfach auch das Verhalten zu den Nichtchristen 
ins Auge fassen; nach Hofm. bezieht sich 1235—8 auf das Verhalten 
gegen die christliche Gemeinschaft, V. 9—21 auf das Verhalten gegen 
den Einzelnen, als ob man nicht auch die Bescheidenheit dem Ein- 
zelnen gegenüber üben und der Gemeinschaft Liebe beweisen kann. 
Aus den ganz allgemeinen Ermabnungen in Kap 12 lässt sich weder 
auf judenchristliche (Mang. p- 239), noch auf heidenchristliche Leser 
schliessen (Weizs., Pfleid. mit Verweisung auf V. 8. 16, woraus Hilg. 


Röm 121. 509 


V.1—-8 Die Ermahnung zur christlichen Be- 
scheidenheit wird eingeleitet durch eine allgemeine Er- 
mahnung zur Heiligung. — V. 1. παρακαλῶ οὖν) nimmt 
man gewöhnlich, und wohl mit Recht, als Folgerung aus dem 
ganzen, mit 116 anhebenden dogmatischen Theile. Das schliesst. 
aber keineswegs aus, dass die speziellere Art, wie der Apostel 
seine Eirrmahnung motivirt, durch das unmittelbar Vorher- 
gehende bedingt ist, wo ja Alles, was der Brief bisher über 
die neue Heilsordnung den Evangeliums gelehrt hatte, sich 
noch einmal in der Erörterung über das Ziel der Wege Gottes, 
die er mit der ganzen Mensch hheit geht, in prägnantester Weise 
zusammengefasst hatte. Das zeigt sich schon in der Art, wie 
das ἀδελφοί (112) wieder aufgenommen, und wie mit dıa 
τῶν οἰκτιρμῶν τοὺ ϑεοῦ an die bereits vorliegenden und 
noch zu erwartenden Erbarmungserweisungen Gottes ange- 
knüpft wird, um dadurch zur Befolgung seiner Ermahnungen 
anzutreiben. Denn die οἰχτιρμοί (Dan 9ıs. Neh 919. IT Chr 
809) weisen auf das über das ἐλεεῖν Gottes 11 808. Gesagte 
zurück, dem ja 1916 das οἰκτείρειν synonym stand. Zu dem 
δια, welches "diese οἰχτιρμοί zum Mittel seines πεαραχαλεῖν 
macht, sofern die Hinweisung darauf die Leser bestimmen 
muss, aus Dankbarkeit dafür die Ermahnung zu befolgen, vgl. 
IKor 110. IIKor 10:1, zu dem Plural, der dem griechischen 
Pluralgebrauch der Abstracta entspricht, vgl. Kühner 8 348, 3 *). 
— παραστῆσαι τὰ σώματα ὑμῶν ϑυσίαν) Dass das 
618. 16. 19 immer wiederkehrende παριστάναι, das dort nichts 
Anderes als: zur Verfügung stellen heisst, hier im sakrifiziellen 
Sinne von dem Hinstellen des Opfers an ‘den Altar genommen 
sei (80 gew., auch Meyer), ist um so unwahrscheinlicher, als 
es wohl im Griechischen so vorkommt (Xen. Anab. 6, 1. 22. 
Lucian. de sacrif. 13. Polyb. 16, 25,7. Diod. Sic. [Π᾿ p. 240. 
Aelian hist. anim. 7, 44), aber keineswegs im AT (da Lev 167 
doch anders ist) irgend wie stehender terminus techn. ist, wie 
schon Otto mit Recht bemerkt. Es sollen aber ihre Leiber 
sein, die sie Gotte zur Verfügung stellen, weil der Leib mit 
seinen Gliedern auch 612f. als Organ aller sittlichen Lebens- 
thätigkeit erscheint, welcher in den Dienst Gottes gestellt und 


umgekehrt schliesst, dass Paulus hier jedenfalls auch mit an Juden- 
christen denkt). 

*) Mit Recht knü an darum Kata Goeb., Lips., Sand. an 11soff. 
an, wie Rück., Frtzsc A. an Υ͂. 82 8 ziell; künstlicher Thol. 
an V. 33, Meyer an 11ssf., Otto an 1186, obwohl ja der an die Aus- 
führungen V. 80ff. sich anschliessende Tobpreia ottes immer noch 
den Grund edanken desselben durchklingen liess, und insbesondere 
V. 86 in τὰ πά»τα auf jene Erbarmungserweisungen zurückwies. 


510 Röm 12ı. 


somit ihm ganz und gar geweiht werden soll, wodurch allein 
er ein Dankopfer wird für alle Barmherzigkeit Gottes, die wir 
erfahren haben ἢ. Dem entsprechen auch die Prädikate, die 
zu $volav hinzugefügt werden, sofern das ζῶσαν auf leben- 
dige, d. ἢ. wirkungskräftige Thätigkeit (vgl. 611. ıs) hinweist, 
in welcher der Gott zum Opfer geweihte Leib ihm dienstbar 
ist, das ἀγέαν auf die Reinheit, in welcher der Leib vor jeder 
Befleckung, die ihn zum Dienste Gottes untauglich macht 
(124), bewahrt werden soll, und das εὐάρεστον (Sap. 410. 9:0. 
II Kor 5s) auf das Wohlgefallen, das Gott an ihm hat, wenn 
er durch seinen Dienst verherrlicht wird (IKor 6%). Das 
τῷ ϑεῷ tritt dann mit grossem Nachdruck an den Schluss, 
indem es Gott als den bezeichnet, welchem der Leib als ein 
solches Opfer zur Verfügung gestellt werden soll (Est., Beng,., 
Koppe, Otto) **) Der Accusativ τὴν λογικὴν λατρείαν 


Ἢ Dass nur des Opferbildes wegen τὰ σώμ. vu. statt ὑμᾶς αὐτούς 
gesagt sei (so gew., auch noch Phil.), als ob σῶμα die ganze aus Leib 
und Seele bestehende Person (Lips.) bezeichnen könne (was im Grie- 
chischen nie der Fall ist, auch nicht Eur. Alc. 647. Soph. O. C. 355, 
vgl. dagegen zu 612), ist eine ganz willkürliche Annahme. Dass der 
Leib nicht ohne die Seele Gott geopfert werden könne, ist an sich 
richtig, schliesst aber nicht aus, dass Paulus das leibliche Selbstopfer 
und die geistige Erneuerung formal trennen konnte, nur nicht beide 
koordinirend, wie es Meyer zu nehmen scheint, sondern letztere V. 2 
als das Mittel für die erstere bezeichnend (Hofm.). Vollends die 
Deutung von τὰ owu. ὑμ. auf die sinnliche Natur, die ihn zur ἁμαρτία 
zieht (Kölln.), oder auf die niedrigste Potenz des menschlichen Wesens 
(Olsh.), ist ganz verfehlt. Mehr oder weniger spielt aber diese Ver- 
wechselung von σώμα und σάρξ überall da mit, wo man Nachdruck 
darauf legt, dass ϑυσία Schlachtopfer heisst, und die Darbringung des 
Leibes als eines solchen eine Tödtung im Sinne von 8ıs involvire 
vgl. Böhmer, Otto u. A.), was auch noch die Deutung des ζώσαν bei 

eyer, Beck, God. beeinflusst, sofern hervorgehoben wird, dass diese 
ethische Selbstopferung ein Sterben involvirt. Sinnig ist der Gegen- 
satz, in welchen wegen des οὖν God. unser Opfer zu dem von Gott 
für uns gebrachten Sühnopfer (335f.) stellt. Derselbe wird aber, 
ohnehin fern liegend, durch die richtige Erklärung dieser Stelle aus- 

eschlossen. Stellen aus Porphyr., Hierocl., Philo, Joseph. und den 

abbinen, in denen ebenfalls die sittliche Gottgeweihtheit als Selbst- 
opfer dargestellt wird, s. b. Wttst. 

**) T)jo Stellung des rw ϑέω vor evapsarov (NAP Tsch. WH. txt.) 
sollte wahrscheinlich den Dat. mit ayıry verbinden, weil er für diesen 
Begriff bedeutsamer erschien, als für den des euepeoror. In der That 
ist es ganz unmöglich, ihn bei dieser Stellung mit εὐαρέστον zu ver- 
binden, weil er dadurch einen Nachdruck empfängt, der bei seiner 
völligen Selbstverständlichkeit ganz unmotivirt wäre. Aus demselben 
Grunde ist es aber sehr bedenklich, ihn überhaupt mit εὐάρεστ. zu 
verbinden (80 gew., auch Meyer, Lipe., Sand.), da er zu ἅγεον minde- 
stens ebenso gut und doch wegen des ζῶσαν nicht zu allen drei Prä- 


Röm 19:1. 3. 511 


ὑμῶν bildet eine appositionelle Bestimmung, und zwar nicht 
zu dem blossen ϑυσίαν (dessen Begriffe der weitere Begriff 
u εν nicht entspricht), oder gar zu σώματα (Lips.), sondern 
zu dem ganzen 7ταραστῆσαι etc., indem er besagt, was dieser 
ganze Opferdarbringungsakt sein solle. Treffend Luther: 
»welches sei Euer vernünftiger Gottesdienste. 8. Win. 
$ 59, 9,a. Kühner 8 406, 6. Zu Aarosia, Opfer-Kultus vgl. 
z. 94, zu Aoyıxoc, vernünftig vgl. Plat. Locr. p. 99E. 102E. 
Polyb. 25, 9, 2. Mit λόγος ım Sinne von Wort, wie IPt 2, 
hat der Ausdruck nichts zu thun (gegen Böhmer), aber auch 
nicht mit dem Gegensatz gegen die ζῶώα ahare (Theodoret., 
Grot., Koppe u. v), oder dem Schlachten der Opferthiere 
(Lips.). Es bezeichnet im Gegensatze zu einer äusserlichen 
edankenlosen Vollziehung des ceremoniellen Kultus (einer 
λογος τριβὴ καὶ ἐμστειρία, Plat. Gorg. p. 501 A) die hier ge- 
forderte oeia als eine auf vernünftiger Erwägung dessen, 
was Gott von uns verlangt, beruhende. — V.2. xai μὴ 
ovoxnuarileote) vgl. IPt 114: und bildet Euch nicht in 
Eurer gesammten Lebensweise gleich dem Sn (bis 
zur Parusie fortdauernden, vgl. Mt 128) Zeitalter, dessen 
Charakter der widergöttliche ist (τῷ αἰῶνι τούτῳ, vgl. Gal 
14. IIKor 4. Das Verbum steht zu μεταμορφοῦσϑε 
ὙΠΟ Ps 331. 11Kor 31) im Gegensatze nur durch die 

iposition ohne Sinnverschiedenheit der Stammworte. Da 
sie als ehemalige Heiden den habitus dieses Weltlaufs an sich 
zu tragen gewohnt sind, kann das μὴ ovoxnu. nur dadurch zu 
Stande kommen, dass sie diese ihnen gewohnte Lebensgestalt 
beständig umgestalten, und so den nach V. 1 gefassten Ent- 
schluss in einer dauernd dem σχῆμα τοῦ αἰῶνος τούτου wider- 
sprechenden Lebensform bewähren ἢ. Zum Wechsel des 


dikaten gehören kann. Eben darum wird er am besten mit παρα- 
στῆσαι verbunden. Die Beziehung des ζῶσαν auf den Gegensatz des 
rituellen Opferdienstes (so gew., auch Meyer) bestreiten mit Recht 
Hofm., Otto, Luth. Die Tödtung des Thieres im rituellen Opfer ge- 
schieht ja nicht, weil Gott etwas Todtes zum Opfer gebracht werden 
soll, vielmehr wird auch in ihm Lebendiges zum Opfer gebracht, und 
die Tödtung erfolgt nur behufs Gewinnung des Blutes. Auch würde 
dieser Gegensatz vereinzelt stehen, da in «ylav, εὐάρεστον ein solcher 
nicht liegt, und dem Folgenden vorgreifen (gegen Goeb., der hier 
schon den Gegensatz gegen todten Ceremoniendienst findet). 
*) Vgl. den Wechsel von μορφή und σχῆμα Phl 27, auch den 
iechischen Gebrauch von σχηματίζεεν und μορφοῦν, welche jedwede 
Gestaltung je nach dem Kontexte bezeichnen (Plut. Mor. p. 719B: τὸ 
μεμορφωμένον καὶ ἐσχηματισμένον, Eur. Iph. T. 292: μορφῆς σχήματα). 
Die Unterscheidung von μορφή und σχῆμα, wie Inneres und Aeusseres 
(Beng., Phil.), organische Form und äussere Haltung (God.), Grund- 


512 Röm 12». 


Infin. Aor. (παραστῆσαι) u. Τρ. Praes. vgl. z. 62. — τῇ 
ἀνακαινώσει τοῦ νοός) vgl. Tit 36, bezeichnet, wodurch 
diese Umgestaltung zu Stande kommen soll: durch die Er- 
De ung des νοῦς, der Vernunft, als Organ des Sittenbewusst- 
seins. Sie bedarf der Erneuerung, um den göttlichen Willen 
für unsere Handlungsweise allezeit klar zu erkennen, weil sie 
unter der Uebermacht der ἁμαρτία in der σάρξ verdunkelt 
und zum ἀδόχεμος νοῦς (128) geworden ist (vgl. z. 72). — 
εἰς τὸ doxıualsıy) vgl. 218, bezeichnet Richtung und Ziel 
dieser Erneuerung (Hofm., Luth., Goeb.), da das δοχεμάζξειν 
die spezifische Thätigkeit des γνοῖς ist. — τὶ τὸ ϑέλημα 
ϑεοῦ) was das von Gott (ewollte ist, vgl. Μί 61. I Ths 48. 
In einer Apposition dazu wird das, was der Wille Gottes ist, 
näher durch drei substantivirte Adjektive charakterisirt, welche 
unter einem Artikel zusammengefasst sind, weil sie nicht drei 
verschiedene Dinge, sondern das, was Gott will, nur von drei 
verschiedenen Gesichtspunkten her bezeichnen. Vgl. Win. 
ξ 19, 4. Kühner $ 463, 2. Dann wird aber durch τὸ aya- 
$0» nicht das sittlich Gute (so gew.), sondern, wie 38. 57. 718. 
8%, das Heilsame (Otto), durch εὐάρεστον das schlechthin 
Wohlgefällige, »dem jedes Gemüth im tiefsten Inneren Beifall 
giebt«e (Böhmer, vgl. Otto), und durch reAsıov erst das 
sittlich Vollkommene im Sinne von Din 18:85. Mt 5ss be- 
zeichnet sein *). 


züge und farbiges Bild (Otto), Erscheinung für Andere und Zuständ- 
lichkeit an sich (Hofm.), ist willkürlich. Nach letzterer bestimmt dann 
Hofm. ebenso willkürlich das Verhältniss von V. 1 zu V. 2 dahin, 
dass V. 1 enthalte, wie sich der Christ zu Gott stellen, und V. 2, 
wie er sich seiner Umgebung darstellen solle. — Die Imperative ov- 
σχηματιίζεσϑεὲ und μεταμορῴφουσϑεὲ der Rcpt. sind durch BLP (vgl. auch 
N beim ersten), alle Verss. und Pttr. so entscheidend bezeugt, dass 
Meyer die offenbar die Konstruktion konformer gestaltenden Infinitive 
(ADFG, vgl. Lchm., Treg. u. WH. a. R.) nicht hätte vertheidigen 
sollen, weil, wie er meint, der praktische Gebrauch der Vorschrift 
die direkte paränetische Ausdrucksweise näher legte. — Das ὑμων 
nach νοὸς (Rcpt. nach NELP) ist als naheliegender Zusatz aus V.1 
zu streichen. 

*) Die Erneuerung bedarf auch der Wiedergeborene wegen des 
in ihm vorhandenen Widerstreites von Fleisch und Geist (84. Gal 
Bısfl.); sie geschieht allerdings durch den heiligen Geist, aber darum 
braucht man das μεταμορῷ. nicht passivisch zu nehmen (gegen Meyer), 
da sie doch nur zu Stande kommt, wenn sich der Gläubige seiner 
Wirksamkeit beständig mit sittlicher Freiheit hingiebt. Meyer nimmt 
εἰς τό χτλ. als Zweck des uerauopy., während doch die Umgestaltung 
sich auf die Lebensgestalt bericht, welche erst durch das Resultat 
dieses δοχεμάζεειν bedingt ist. Der Sinn: prüfen können (Rück., 
Kölln.) wird so willkürlich eingetragen, wie 218. Der erneuerte νοῦς 





Röm 123. 513 


Υ͂. 8. λέγω γάρ), wie 22. Das Besondere, welches er 
nun fordern wıll, dient der allgemeinen Ermahnung V. 2 zur 
Bestätigung. Denn der natürliche Sinn ist immer hochmüthig, 
und nur wenn er zum rechten Prüfen des göttlichen Willens 
erneuert ist, wird er diese grundlegende Christenpflicht er- 
füllen können. Der ihm noch unbekannten und nicht von 
ihm gegründeten Gemeinde gegenüber will aber der Apostel 
die Mahnung zur Selbstbescheidung nicht aussprechen ohne 
Berufung auf die ihm verliehene, nach 15 in seiner Berufung 
zum Apostel ihm zu Theil gewordene göttliche Gnade, welche 
Gehorsam gegen diese seine, in apostolischer Autorität ausge- 
sprochene, Ermahnung verlangt. Daher das δι ἃ τῆς χάριτος 
τῆς δοϑείσης μοι, welches gleichsam auf den Rechtstitel 
verweist, kraft dessen er einem Jeden, der unter ihnen ist 
(zwavri τῷ ὄντι ἐν ὑμῖν), also auch dem Höchstbegabten, 
solche Weisung ertheilen darf*). — un irzeogeoveiv), vgl. 
Symm. Job 31:15. 416. Polyb. 6, 18, 7. 10, 40, 8. Tosenh. 
Ant. 1, 11, 7; im NT nur hier. Nicht hochfahrenden Sinnes 
soll der Christ sein, in seinem Denken (Halten) von sich nicht 
über das Maass dessen hinausgehen, was man pflichtmässig 
von sich denken Be) muss (παρ᾽ 0 dei φρονεῖν), sondern 
sein Sinnen soll darauf gerichtet sein, dass sein Denken von 
sich ein gesundes, besonnenes, eine maassvolle Selbstschätzung 
sei. Bem. die schöne Paronomasie in der vierfachen Anwen- 


kann nicht bloss, sondern er übt das doxıualer wirklich und gewinnt 
damit die Vorbedingung für die Umgestaltung der ganzen Lebens- 
weise, ohne welche es zu dem V. 1 geforderten Selbstopfer nicht 
kommen kann. Das τὸ aya$. xri. wird von Pesch., Vulg., Chrys. u. 
d. meisten Aelteren (vgl. auch Rück., Reiche, God.) adjektivisch mit 
τὸ ϑέλημα verbunden, wozu schon das εὐάρεστον schlechterdings nicht 
asst, auch wenn es nicht, wie gewöhnlich mit Unrecht, von dem 
Gottwohlgefälligen genommen wird. Otto nimmt τοῦ νοός, indem 
er den »voüös als Organ der Heilserkenntniss fasst, als Gen. subj., 
was sachlich gerade durch Tit 35 widerlegt wird, will das εὐάρεστον 
χαὶ τέλειον von dem Art. loslösen, und disponirt ganz erkünstelt den 
folgenden Inhalt des Kapitels nach diesen drei Gesichtspunkten (vgl. 
Beck). 

δ Ganz willkürlich Koppe, B.-Crus.: Jedem, der sich dünkt, 
etwas zu sein unter Euch; God.: Jedem, der in Funktion, in Amts- 
thätigkeit unter Euch ist; Böhmer: Jedem, der etwas Besonderes ist, 
ein Mann von Einfluss. Otto will an die judenchristlichen Glieder 
der Gemeinde denken, die eine besondere Autorität in religiösen 
Dingen beanspruchten. Auch Meyer meint, dass dieses Gebot in der 
römischen Gemeinde besonders nöthig war; aber wenn er es selbst 
als das erste bezeichnet, »dessen Befolgung zu einem gedeihlichen 
Gemeindeleben unentbehrlich war«, so bedarf es ja jenes Grundes 
durchaus nicht, um zu erklären, woher Paulus dies Gebot voranstellt. 


Moyer’s Kommentar. 1V. Abth. 9. Aufl. 33 


514 Röm 128. 4. 


dung des φρονδῖν und seiner Composita. Das mit Nachdruck 
dem Satze, in den es gehört, voraufgestellte ἑκάστῳ (vgl. 
IKor 35) hat den Hauptton. Maassgebend für unser φρονεῖν 
ist vor Allem die Thatsache, dass Gott nicht nur Einzelnen 
in der Gemeinde, sondern einem Jeden seine Gabe zugetheilt 
hat (ὡς ὁ ϑεὸς ἐμέρισεν, vgl. JSir 45». IVMak 1818. 
IKor 7ır), nämlich ein Glaubensmaass, d. ἢ. ein Maass an 
Glauben (μέτρον πίστεως). Mit Absicht nennt Paulus 
nicht das Maass der Begabung selbst als die Norm der Selbst- 
schätzung, sondern das, was die Vorbedingung desselben bildet, 
das Maass des Vertrauens auf die göttliche Gnade, ohne 
welches diese ihre Gaben nicht mittheilen kann, um anzu- 
deuten, wie auch dieses selbst eine Gnadenwirkung, und also 
die Begabtheit in ihrem tiefsten Grunde göttliche Gnadengabe 
ist, die zu keinerlei Selbstüberhebung Anlass giebt. Gerade 
die Gnadengabe der σείστις ist ja eine ganz allgemeine, da 
ohne sie keiner Mitglied der Gemeinde sein kann, so dass es 
sich nur um das Maass derselben handeln kann, das aber 
auch ein gottgegebenes ist ἢ). 

V. 4f. motivirt die vorherige Ermahnung durch das 


Ἢ Meyer sagt: Das Maass von Glauben »ist die subjektive Be- 
dingung (die objektive ist die göttliche χάρες) dessen, was Jeder im 
christlichen Gemeindeleben leisten kann und soll. Je nachdem nämlich 
der Glaube bei den Einzelnen mehr oder weniger lebendig, praktisch, 
thatkräftig, nach dieser oder jener Richtung hin wirksam, beschaulich 
oder in’s äussere Leben eingreifend in Beredsamkeit und That u. s. w. 
ist, darnach haben sie auch die ihnen beschiedene Stellung und Auf- 
gabe in der Gemeinde zu bemessen«. Diese Erklärung scheint mir 
weder dem Paulinischen Glaubensbegriff zu entsprechen, noch dem 
Wortlaut, nach welchem ja Gott gerade dies Glaubensmaass zuge- 
theilt hat. Auch Lips. substituirt die Stärke des Glanbenslebens und 
der im Glauben gewonnenen Erkenntniss, wie Sand. alles mit dem 
Glauben als seine Resultate Gegebene. Hofm., der μέτρον πίστ. ge- 
waltsam von ἐμέρεσεν trennt und es als Appositionsakkusativ, wie τὴ 
2oy. λατρ. V. 1, nimmt, fasst πέστεως als Gen. der Eigenschaft, 
welcher das Maass, in dem sich das Denken des gläubigen Christen 
halte, von dem des natürlichen Menschen unterscheide (ähnlich, wie 
es scheint, Goeb.). Aber der Gen. nach μέτρον kann nur Gen. partit. 
sein, wie IIKor 1015. Eph 47. Plat. Theaet. p.161E. Eur. Jon. 354 
(gegen Volkm.: ein Maass, das im Christvertrauen besteht; Beck: das 

abenmaass, das dem Glauben zukommt; God.: das Maass, welches 
einer in der Kraft des Glaubens empfangen hat). Die πέστες fasst 
Böhmer von dem Vertrauen, das Gott schenkt (32); Otto im Unter- 
schiede von der allgemeinen fides salvifica als die individuelle Em- 
pfänglichkeit für das Göttliche. Mit Recht behauptet er, dass nicht 
ὁ $eog betont sei (vgl. noch Goeb.), sondern ἑχάστῳ, ohne dass man 
deshalb, wie er will, den Satz mit ὡς als Objektssatz zu φρονεῖν 
nehmen darf. Est., Köllner verbinden ἑχάστῳ mit λέγω. 


Röm 124—. 615 


Gleichniss vom Leibe mit seinen vielen Gliedern, sofern aus: 
ihm erhellt, dass, weil jedem Einzelnen für sein besonderes 
Geschäft eine besondere Begabung zugetheilt ist, jede solche 
Begabung auch ihre Schranke hat, deren Verkennung zum 
vrceggonveiv führen würde. Wie gangbar die Parallele zwischen 
einem menschlichen Körper und einem corpus sociale (IKor 12) 
auch den Alten war, 8. Ὁ. Grot. u. Wttst, — xasarree) 
vgl. 46. Denn gleichwie wir in einem Leibe viele Glieder 
haben, die Glieder aber sämmtlich nicht dieselbe (sondern 
eine verschiedene) Thätigkeit, Verrichtung (πρᾶξιν, wie 818) 
haben, also z. B. die Augen eine andere als die Ohren, die 
Füsse eine andere als der Mund. — V. 5. οἱ ssoAkoi) vgl. 
515: wir, die Vielen, bilden einen Leib, betont zunächst die 
Vielheit im Gegensatze gegen die Einheit des Körpers, welchen 
sie ausmachen, und zwar in der Lebensgemeinschaft mit 
Christo (ἐν Χριστῷ, wie 6ı1. 81. Ausser Christo wären wir 
nicht ὃν σῶμα, sofern einen Organismus nur bilden kann, 
was in lebendiger Beziehung zu einem Mittelpunkte steht. — 


ro δὲ καϑ' εἷς) was aber das Einzelverhältniss betrifft, so 


sind wir Glieder untereinander. Jeder, einzeln genommen, 
dient allen Anderen, ist also eben nicht ein Ganzes für sich, 
sondern nur ein Theil am Ganzen. In xa$ εἷς hat das xara 
seine Rektion ganz verloren nach einem der späteren Gräzität 
sehr gangbaren Solöcismus (Mk 141. Joh 85. IIIMak 5») 
für xa9°” ἕνα (vgl. Kühner, $ 433, b, I, 3, d). S. Lucian. 
Soloec. 9. Win. ὃ 37, 3*). Ä 

V.6fl. ἔχοντες δέ) knüpft an das in der zweiten Hälfte 
des V. 5 zu ergänzende ἐσμέν an, indem es die durch das 


‚Prädikat ἀλλήλων μέλη scheinbar einander ganz gleich ge- 


stellten einzelnen Glieder des Leibes nun im Anschluss an 
das za de μέλη — περᾶξιν V.4 nach der bei ihnen durch die 
Ermahnung V. 3 vorausgesetzten Verschiedenheit charakteri- 
sirt ἢ. Der Nachdruck liegt darum auf dem am Schlusse 


*) Mit Ungrund wird τὸ x«9’ εἰς von Frtzsch. als »commentitia 
formula« verurtheilt. War χαϑ᾽ eis und ὁ xa9’ εἰς im Gebrauch (und 
dies war der Fall), so konnte man folgeweise ebenso gut sagen τὸ 
χαϑ᾽ εἰς, wie τὸ χαϑ᾽ ἕνα (vgl. Kühner ὃ 410, Anm. 16). S. auch 
Buttm., neut. Gr. p. 26f. Ganz verkehrt erläutert die Rcpt. (EL) 
es durch o de χαϑ εἰς. Das ἐν χριστῷ heisst nicht: an Christo (Koppe 
u. Aeltere), als ob Christus als das Haupt bezeichnet wäre (vgl. noch 
Otto), aber ebensowenig ist er als die Seele des Leibes (Lips.) ge- 
dacht. In V. 4 ist das πολλα gegen die Rcpt. (ALP) dem wein mit 
Nachdruck voranzustellen, und das οὐ nicht zu πάντα zu ziehen 
(v. Heng.). als ob nur die Glieder gemeint seien, die wir doppelt haben. 

**) Ganz unnatürlich ist es, mit ἔχοντες einen neuen Satz zu be- 


885 


516 Röm 12e. 


stehenden Worte, nämlich darauf, dass die nicht, wie lıı. 
jedem Christenleben nothwendigen, sondern den Einzelnen 

1611 für ihren Dienst an den Anderen (V. 5) gegebenen 
Önaden ben verschiedene (διάφορα, wie Lev 19:9. Din 
229. r 910) sind. Obwohl es in dem Namen der χαρίσ- 
ματα bereits liegt, hebt der Apostel doch noch ausdrücklich 
hervor, dass wir alle (nicht anders, wie er selbst, vgl. διὰ τῆς 
χαρ. τ. 609. μοι V. 3) solche individuellen Gnadengaben be- 
sitzen in Gemässheit der uns verliehenen Gnade, also nicht 
auf Grund eigenen Verdienstes oder Erwerbes, weil dadurch 
jede Versuchung zu dem vrrepggoreiv abgeschnitten wird. 
Als solche Gaben werden nun mit dem distribuirenden εἴτ 8 
— site zunächst genannt die zur Gemeindeerbauung dienende 
σεροφητεία (IKor 148) und die für die mancherlei Zwecke 
des äusseren Gremeindelebens unentbehrliche δεα κονία. Sowohl 
zu den Akkusativen, wie zu den an sie sich schliessenden 
Präpositionen ist nichts Anderes zu ergänzen, als das ἔχοντες, 
zumal ja das zunächst folgende χατά nur das xara bei dem- 
selben näherbestimmend aufnimmt, und das τὴν ἀναλογίαν 
τῆς niorswg lediglich an das nach V. 3 einem jeden ver- 
liehene μέτρον σείστεως anknüpft, um aufs Neue hervorzu- 
heben, wie die Besonderheit der Gabe nie ein Grund der 
Ueberhebung werden darf*). Auch nach Meyer ist ἀναλογία, 
proportio, sehr gangbar (auch als mathematischer Ausdruck) 
bei Klassikern (vgl. insbes. zu χατὰ τ. avaloy. Plat. Polit 
p.257B. Locr. p. 95B. Dem. 262. 5), der Sache nach nicht 
verschieden von μέτρον V.3 (vgl. Plat. Tim. p. 69B: ἀνάλογα 
καὶ ξύμμετρα), was Hofm. vergeblich leugnet. Es ist darum 
lediglich gesagt, dass diese allen vorangestellte höchste Gabe 


ginnen, wie nach Beza die meisten Neueren thun (Olsh., Frtzsch., 
B.-Crus., Phil., v. Heng., Hofm., Volkm., Meyer, Beck, God., Luth.. 
Goeb., Lips., Sand.), da dieser angebliche Vordersatz zu den im Nach- 
satz angenommenen Ermahnungssätzen in keinem logischen Ver- 
hältniss steht. Dagegen durfte in der vollkommen durchgeführten 
Vergleichung V. 5 das im Zusammenhang gerade bedeutsamste Mo- 
ment der Verschiedenheit nicht fehlen. 

*) Es ist hiernach ebenso kontextwidrig, wie an sich willkürlich, 
aus dem προφητείαν ἔχοντες ein προφητεύωμεν zu ergänzen und somit 
hier eine ganz neue Ermahnung zu finden, wie ausser den in der 
vorigen Anm. Genannten auch Theodoret., Erasm., Luther, Calv., Est., 
Flatt. Thol. u. A. thun. Daher wird auch die Ermabnung ganz ver- 
schieden analyeirt: er übe sie aus (Lips.), oder: er beurtheile sie 
(Sand.). Das Richtige haben schon Reiche, de W., Rück. und neuer- 
dings Otto, Zimmer, Böhmer, wenn auch Otto zu einseitig als Haupt- 
Sg Heel der Darstellung hervorhebt, dass alle Gaben der Ge- 
meinde dienen. 





Röm 19 6. 1. δ17 


ein besonderes Maass von Glauben voraussetzt, den Gottes 
Gnade verliehen haben .muss, wenn sie ertheilt werden soll. 
Jede Fassung des «ara, wonach direkt oder indirekt hierin 
eine Ermahnung liegt, welche besagt, nach welcher Norm das 
σερηοφηξδύειν geübt werden soll, widerspricht ohnehin dem 
Wesen der Prophetie, d. h. der theopneustischen Rede, deren 
Voraussetzung die ἀποκάλυψις ist (IKor 1429), und die 
darum nach Inhalt und Form durch den göttlichen Impuls 
bedingt ist, wie dem Wesen des Glaubens, der wohl die Voraus- 
setzung für den Empfang dieses Impulses, aber nicht die 
wirksame Kraft der Prophetie ist*). — V.7. εἴτε διακονία»): 
sc. ἔχοντες. Gemeint ıst die Gabe der Verwaltung äusserer 
Gemeindeangelegenheiten, besonders, wenn auch keineswegs 
ausschliesslich, der Armen-, Kranken- und Fremdenpflege 
(vgl. IKor 122, wo die Verrichtungen der Diakonie ἀντιλή- 
weıg genannt werden), ohne dass dieselbe an ein bestimmtes 
kirchliches Amt gebunden gedacht ist, wie es Chrys., Luther, 
Hofm., Volkm., God. u. A. voraussetzen. Hier konnte der 
Apostel nicht das κατά wiederholen, da er nur andeuten will, 
dass bei dem, welcher die Gabe der διαχονέα hat, dies sich 
in solcher Thätigkeit des Dienens (ἐν τῇ δεακονίᾳ) zeigt, 
das nur auf Grund solcher Gnadenbegabung vollzogen werden 


*) Sehr künstlich erläutert Meyer den Sinn dieser Ermahnung 
»Die Propheten sollen von dem Maassverhältnies, welches ihr Glaube 
hat, nicht abweichen, weder darüber hinauswollend, noch darunter 
zarückbleibend, sondern sich nach demselben richten und also die 
empfangene ἀποχάλυψις so kundgeben und dolmetschen, wie es die 
ihnen verliehene eigenthümliche Glaubensstellung nach der Stärke, 
Klarheit, Inbrunst und sonstigen Beschaffenheit ihres Glaubens mit 
sich bringt, so dass die Art und Weise ihres Redens den Normen 
und Grenzen angemessen ist, welche in dem Verhältnisse des indi- 
viduellen Glaubensgrades gegeben sind. Widrigenfalls gerathen sie 
hinsichtlich des Inhalts und der Form in eine entweder exzessive und 
überepannte oder aber unzureichende und mangelhafte (dem Niveau 
des Glaubens nicht entsprechende) propueneen Redeweise. Dieselbe 
Offenbarung kann ja je nach der Verschiedenheit des Verhältnisses 
des Glaubens, mit welchem sie sich, objektiv gegeben, subjektiv ver- 
bindet, sehr verschieden ausgesprochen und vorgetragen werden«. 
Ashnlich, wenn auch einfacher, Hofm., Luth., Goeb. Vollends die alte 
dogmatische Deutung von der regula fidei (πέστες im objektiven Sinne, 
fides quae creditur), d. i. von der conformitas doctrinae in scripturis 
(s. bes. Calov. und schon Luther in s. Glosse), liegt dem Kontext 
völlig fern und ist selbst sprachlich nicht zu rechtfertigen (s. z. 15), 
obwobl sie im Wesentlichen bei Flatt, Klee, Glöckl., Kölln., Phil. 
(»der norma et regula fidei Christianae unterthan zu bleiben«), Umbr., 
Bisp., Otto, Zinımer wiederkehrt. Beck vermischt beide Erklärungen, 
und God. sucht die letztere mit dem Begriff des subjektiven Glaubens 
(der Gemeinde) in Einklang zu bringen. 


518 Röm 127. 8. 


kann. Hier ist erst recht jede Ermahnung ausgeschlossen, 
wie man sie durch willkürliche Ergänzung eines ὦμεν (im 
Sinne von versari in) zu gewinnen sucht (vgl. Meyer), obwohl 
ja der Gedanke, dass man sich auf die seiner Begabung ent- 
sprechende Thätigkeit beschränken (Sand.) oder dieselbe in 
ihr bewähren solle (Lips.), darin noch keineswegs liegen würde. 
— εἴτε ὃ διδάσκων) Paulus hätte gleichmässiger Weise 
fortfahren können: εἴτε διδασχαλίαν (sc. ἔχοντες), wie A wirk- 
lich hat. Da es aber keinen solchen spezifischen Ausdruck 
für den Beruf als Lehrer gab, wie für den des Propheten oder 
sonst eines Dieners an der Gemeinde, so nennt er einfach den, 
der die Lehrthätigkeit übt, um hinzuzufügen, dass er eben in 
seinem Lehren (ἐν τῇ διδασκαλίᾳ) die ihm eigenthümliche 
Gönadengabe besitzt (vgl. IKor 1426. Es ist also lediglich 
ἔχων χάρισμα zu ergänzen. Gemeint ist die Gabe des Unter- 
richts in gewöhnlicher verstandesmässiger Lehrentwickelung, 
wie mit ἐν τῇ πεαραχλήσει die (abe der mahnend und er- 
munternd auf Gemüth und Willen einwirkenden Ansprache, 
auch wo sie sich nach Synagogenweise an ein Schriftwort an- 
schliesst (vgl. Act 1315)*). — V.8 wird nun die Anknüpfung 
an das das &yovıes distribuirende εἴτε — εἴτε fallen gelassen, 
weil nicht mehr solche genannt werden, welche zu einer be- 
stimmten Funktion an der Gemeinde, sondern solche, welche 
überhaupt zu gemeinnütziger Thätigkeit im sozialen christ- 
lichen Leben ein xagıoua besitzen ἢ. Aber auch hier, wo 


*) Schwierig wird der Strukturwechsel erst, wenn man auch 
bier mit Meyer u. d. M. einen paränetischen Satz durch Ergänzung 
von Zorw herausbringen will and nun das εἴτε ὁ διϑάσχων auch noch 
durch ἐστέ zu einem Vordersatz ergänzen muss: »wenn es, nämlich 
ein charismatisch Begabter, der Lehrende ist«. Allein es müsste ja 
nothwendig umgekehrt heissen: »wenn der charismatisch Begabte ein 
Lehrender ist«, da auf eine nicht charismatische Lehrgabe überhaupt 
nicht reflektirt wird. Die Auskunft von Hofm., dass hier εἴτε — εἴτε 
dem vorherigen ἐν τῇ διαχονίᾳ untergeordnet, ὁ διδάσκων und ὁ παρα- 
χαλὼν aber als zwischensätzliche Apposition zum Subjekte des zu er- 
gänzenden Verbums zu nehmen sei (»sei es, dass er, der Lehrende, 
die Lehre handhabt« u. s. w.), ist eine von der unrichtigen Fassung 
von διαχονία aufgenöthigte, dem koordinirten Verhältnisse der beiden 
ersten εἴτε widerstreitende Künstelei. Die spezielle Beziehung von 
παρακαλεῖν auf die Trostgabe (Otto) ist nach [ΚΟΥ 148 ganz unwahr- 
scheinlich. 

**) Hat man aber auch diese letzten drei Punkte (oder doch die 
beiden ersten, wie Beck) auf bestimmte dienstliche Geschäfte bezogen: 
ὁ ueradıd. sei der die Liebesgaben austheilende Diakonus, ὁ zpoi- 
orau. der Vorsteher der Gemeinde, Bischof oder Presbyter (vgl. Phil., 
Hofm., Beck), ὁ ἐλεῶν der Krankenpfleger, vgl. Lips.), so widerlegt 
sich dies theils dadurch, dass die angenommenen Beziehungen von 





Röm 128. 9. 619 


selbst solche, die das Vorige richtig fassen (vgl. Böhme u. A.), 
es annehmen, kann unmöglich eine Ermahnung beabsichtigt 
sein, die ganz aus dem bisherigen Gedankengange herausfiele, 
sondern nur eine Aussage darüber, worin ji: diese Thätig- 
keiten übende die ihm eigenthümliche Gabe besitzt. — ὁ ue- 
tadıdovg) ist der, welcher Mildthätigkeit durch Mittheilung 
von seinen Mitteln an Arme ausübt; Eph 4:2. Lk 3u. Die 
Mittheilung geistlichen Gutes, wie 111, zu verstehen (B.-Crus,, 
Böhmer), oder mit zu verstehen (Hofm,), hat im Kontexte 
keinen Grund, da das geistliche Mittheilen bereits vorher in 
seinen besonderen Formen erledigt ist. — ἐν awzAornzı) in 
Einfalt, also ohne alle eigennützigen oder ehrgeizigen Neben- 
absichten, in schlichter Lauterkeit der Gesinnung, welche 
lediglich Gottesgabe ist. Vgl. IChr 191. Prv 191. Sap lı. 
IIKor 82. 911. 18. — ὁ προϊστάμενος) vgl. Am6w. IMak 
5. ITh 5ı2: der Vorstehende, der Anderen als Leiter vor- 
zustehen, irgend welche Verhältnisse zu dirigiren hat (vgl. 
προΐστασϑαι τῶν πραγμάτων, Herodian. 7, 10, 16), besitzt 
seine eigenthümliche Begabung in einem Eifer, der nie er- 
müdet (ἐν σπουδὴ, vgl. IIKor uf. Hbr 611), wie der Barm- 
herzige gegen Leidende, Unglückliche, denen er Trost, Rath, 
Hülfe zuführt (ὃ ἐλεῶν, vgl. 916. 18), die seine ἐν ἱλαρότητι, 
d. h. in heiterem, freundlichen Wesen, mit dem er es thut 
(OT Kor 9, vgl. Prv 182); Gegentheil des unwilligen, ver- 
driesslichen Benehmens. Vgl. Xen. Mem. 2, 7, 12: ἱλαραὲ 
δὲ ἀντὲ σχυϑρωτεῶν, Jak 15. 

Υ. 9—21. Die Ermahnung zur Liebe bildet jeden- 
falls den eigentlichen Mittelpunkt dieser Ermahnungsreihe, ἡ 
wenn auch, der freien, lebendigen Gedankenbewegung des 
Apostels entsprechend, die Paränese auch auf allgemeinere 
Gesichtspunkte abschweift. — V.9. ἡ ἀγάπη ἀνυπόκριτος) 
vgl. Sap 5ıs. 181. IIKor 66. IPt 13. Man ergänzt ge- 
wöhnlich, wie es, wenn auch selten, bei Klassikern vorkommt 


ueradıd. (nach Act 435 sollte man wenigstens Jiadıdous erwarten) 
anz unnachweislich ist, theils dadurch, dass eine solche Zerlegung 
der diakonischen Gabe unpassend wäre, nachdem bereits von der 
διαχονέκ im Ganzen die Rede gewesen ist, theils dadurch, dass die 
Stellung des προϊστάμενος, als des Presbyters, zwischen zwei Diakonats- 
geschäften und fast am Ende der Reibe, unpassend sein würde; 
wollte man aber προϊστάμ. Fremdenpfleger erklären (Meyer erste Aufl., 
Borger) oder Patron über Wohlthätigkeitsinstitute (God.), so würde 
sowohl tür diese besondere Seite der Diakonie, als auch für deren 
Bezeichnung durch zooior«u. (denn der προστάτης in Athen, der 
Patron der Metöken, war doch etwas ganz Anderes; Herm., Staats- 
alterth. 8 115, 4) jeder Nachweis fehlen. 


510 Röm 12ı. 


somit ihm ganz und gar geweiht werden soll, wodurch allein 
er ein Dankopfer wird für alle Barmherzigkeit Gottes, die wir 
erfahren haben ἢ. Dem entsprechen auch die Prädikate, die 
zu ϑυσίαν hinzugefügt werden, sofern das ζῶσαν auf leben- 
dige, d. h. wirkungskräftige Thätigkeit (vgl. 611. ıs) hinweist, 
in welcher der Gott zum Opfer geweihte Leib ihm dienstbar 
ist, das &yiav auf die Reinheit, in welcher der Leib vor jeder 
Befleckung, die ihn zum Dienste Gottes untauglich macht 
(124), bewahrt werden soll, und das εὐάρεστον (Sap. 4:10. 9:0. 
II Kor 5s) auf das Wohlgefallen, das Gott an ihm hat, wenn 
er durch seinen Dienst verherrlicht wird (I Kor 6»). Das 
τῷ Fe tritt dann mit grossem Nachdruck an den Schluss, 
indem es Gott als den bezeichnet, welchem der Leib als ein 
solches Opfer zur Verfügung gestellt werden soll (Est., Beng., 
Koppe, Ötto)**. Der Accusativ τὴν λογιχὴν λατρείαν 


Ἢ Dass nur des Opferbildes wegen τὰ owu. vn. statt ὑμᾶς αὐτούς 
gesagt sei (so gew., auch noch Phil.), als ob σῶμα die ganze aus Leib 
und Seele bestehende Person (Lips.) bezeichnen könne (was im Grie- 
chischen nie der Fall ist, auch nicht Eur. Alc. 647. Soph. Ο. C. 3585, 
vgl. dagegen zu 613), ist eine ganz willkürliche Annahme. Dass der 
Leib nicht ohne die Seele Gott geopfert werden könne, ist an sich 
richtig, schliesst aber nicht aus, dass Paulus das leibliche Selbstopfer 
und die geistige Erneuerung formal trennen konnte, nur nicht beide 
koordinirend, wie es Meyer zu nehmen scheint, sondern letztere V. 2 
ale das Mittel für die erstere bezeichnend (Hofm.). Vollends die 
Deutung von τὰ σώμ. vu. auf die sinnliche Natur, die ihn zur ἁμαρτέα 
zieht (Kölln.), oder auf die niedrigste Potenz des menschlichen Wessne 
(Olsb.), ist ganz verfehlt. Mehr oder weniger spielt aber diese Ver- 
wechselung von σώμα und σάρξ überall da mit, wo man Nachdruck 
darauf legt, dass ϑυσία Schlachtopfer heisst, und die Darbringung des 
Leibes als eines solchen eine Tödtung im Sinne von 818 involvire 
vgl. Böhmer, Otto u. A.), was auch noch die Deutung des ζῶσαν bei 

eyer, Beck, God. beeinflusst. sofern hervorgehoben wird, dass diese 
ethische Selbstopferung ein Sterben involvirt. Sinnig ist der Gegen- 
satz, in welchen wegen des οὖν God. unser Opfer zu dem von Gott 
für uns gebrachten Sühnopfer (325f.) stellt. Derselbe wird aber, 
ohnehin fern liegend, durch die richtige Erklärung dieser Stelle aus- 
eschlossen. Stellen aus Porphbyr., Hierocl., Philo, Joseph. und den 
bbinen, in denen ebenfalls die sittliche Gottgeweihtheit als Selbst- 
opfer dargestellt wird, 8. Ὁ. Wttst. 

**) Die Stellung des rw ϑεέω vor evapeatov (NAP Tsch. WH. txt.) 
sollte wahrscheinlich den Dat. mit a«yırv verbinden, weil er für diesen 
Begriff bedeutsamer erschien, als für den des evapeorov. In der That 
ist es ganz unmöglich, ihn bei dieser Stellung mit εὐάρεστον zu ver- 
binden, weil er dadurch einen Nachdruck empfängt, der bei seiner 
völligen Selbstverständlichkeit ganz unmotivirt wäre. Aus demselben 
Grunde ist es aber sehr bedenklich, ihn überhaupt mit εὐάρεστ. zu 
verbinden (so gew., auch Meyer, Lips., Sand.), da er zu ἅγεον minde- 
stens ebenso gut und doch wegen des ζῶσαν nicht zu allen drei Prä- 


Röm 121. 3. 511 


ὑμῶν bildet eine appositionelle Bestimmung, und zwar nicht 
zu dem blossen ϑυσίαν (dessen Begriffe der weitere Begriff 
a ον nicht entspricht), oder gar zu σώματα (Lips.), sondern 
zu dem ganzen 7ταραστῆσαι etc., indem er was dieser 
ganze ÖOpferdarbringungsakt sein solle. Treffend Luther: 
»welches sei Euer vernünftiger Gottesdienste. S. Win. 
$ 59,9, a. Kühner ὃ 406,6. Zu λατρεία, Opfer-Kultus vgl. 
z. 94, zu λογικός, vernünftig vgl. Plat. Locr. p. 99 Εἰ. 102€. 
Polyb. 25, 9, 2. Mit λόγος im Sinne von Wort, wie I Pt 23, 
hat der Ausdruck nichts zu thun (gegen Böhmer), aber auch 
nicht mit dem Gegensatz gegen die [wa ἄλογα (Theodoret., 
Grot., Koppe u. V.), oder dem Schlachten der Opferthiere 
(Lips.). Es bezeichnet im Gegensatze zu einer äusserlichen 
8 ankenlosen Vollziehung des ceremoniellen Kultus (einer 
Aoyos τριβὴ καὶ ἐμπειρία, Plat. Gorg. p. 501 A) die hier ge- 
forderte oeia als eine auf vernünftiger Erwägung dessen, 
was Gott von uns verlangt, beruhende — V.2. χαὲ μὴ 
συσχηματίζ εσϑ εὴ vgl. IPt 11: und bildet Euch nicht in 
Eurer gesammten Lebensweise gleich dem gegenwärtigen (bis 
zur Parusie fortdauernden, vgl. Mt 128) Zeitalter, dessen 
Charakter der widergöttliche ist (τῷ αἰῶνι τούτῳ, vgl. Gal 
1. IIlKor 44). Das Verbum steht zu le ΟΡσΥ 
an Ps 331. 11Kor 818) im Gegensatze nur durch die 

äposition ohne Sinnverschiedenheit der Stammworte. Da 
sie als ehemalige Heiden den habitus dieses Weltlaufs an sich 
zu tragen gewohnt sind, kann das un ovoxnu. nur dadurch zu 
Stande kommen, dass sie diese ihnen gewohnte Lebensgestalt 
beständig umgestalten, und so den nach V. 1 gefassten Ent- 
schluss in einer dauernd dem σχῆμα τοῦ αἰῶνος τούτου wider- 
sprechenden Lebensform bewähren ἢ. Zum Wechsel des 


dikaten gehören kann. Eben darum wird er am besten mit παρά- 
στῆσαι verbunden. Die Beziehung des ζῶσαν auf den Gegensatz des 
rituellen Opferdienstes (so gew., auch Meyer) bestreiten mit Recht 
Hofm., Otto, Luth. Die Tödtung des Thieres im rituellen Opfer ge- 
schieht ja nicht, weil Gott etwas Todtes zum Opfer gebracht werden 
soll, vielmehr wird auch in ihm Lebendiges zum Opfer gebracht, und 
die Tödtung erfolgt nur behufs Gewinnung des Blutes. Auch würde 
dieser (Gegensatz vereinzelt stehen, da in «yfav, εὐάρεστον ein solcher 
nicht liegt, und dem Folgenden vorgreifen (gegen Goeb., der hier 
schon den Gegensatz gegen todten Ceremoniendienst findet). 

*) Vgl. den Wechsel von μορφή und σχῆμα Phl 27, auch den 
iechischen Gebrauch von σχηματίζεεν und μορφοῦν, welche jedwede 
staltung je nach dem Kontexte bezeichnen (Plut. Mor. p. 719B: ro 

μεμορφωμένον καὶ ἐσχηματισμένον, Eur. Iph. T. 292: μορφῆς σχήματα). 
Die Unterscheidung von μορφή und σχῆμα, wie Inneres und Aeusseres 
(Beng., Phil.), organische Form und äussere Haltung (God.), Grund- 





512 Röm 122. 


Infin. Aor. (παραστῆσαι) u. Imp. Praes. vgl. z. 62. — τῇ 
ἀνακαινώσει τοῦ νοός) vgl. Tit 86, bezeichnet, wodurch 
diese Umgestaltung zu Stande kommen soll: durch die Er- 
neuerung des νοῦς, der Vernunft, als Organ des Sittenbewusst- 
seins. Sie bedarf der Erneuerung, um den göttlichen Willen 
für unsere Handlungsweise allezeit klar zu erkennen, weil sie 
unter der Uebermacht der ἁμαρτία in der σαρξ verdunkelt 
und zum ἀδόχεμος νοῦς (128) geworden ist (vgl. z. 7a). — 
εἰς τὸ doxıualsıv) vgl. 218, bezeichnet Richtung und Ziel 
dieser Erneuerung (Hofm., Luth., Goeb.), da das δοκιμάζειν 
die spezifische Thätigkeit des νοῖς ist. — ri τὸ ϑέλημα 
$sor) was das von Gott Gewollte ist, vgl. Mt 610. I Ths 4s. 
In einer Apposition dazu wird das, was der Wille Gottes ist, 
näher durch drei substantivirte Adjektive charakterisirt, welche 
unter einem Artikel zusammengefasst sind, weil sie nicht drei 
verschiedene Dinge, sondern das, was Gott will, nur von drei 
verschiedenen Gesichtspunkten her bezeichnen. Vgl. Win. 
$ 19, 4. Kühner ὃ 463, 2. Dann wird aber durch τὸ aya- 
30» nicht das sittlich Gute (so gew.), sondern, wie 38. 57. 7ıs. 
82, das Heilsame (Otto), durch evaesoro» das schlechthm 
Wohlgefällige, »dem jedes Gemüth im tiefsten Inneren Beifall 
giebt« (Böhmer, vgl. Otto), und durch τέλειον erst das 
sittlich Vollkommene im Sinne von Dtn 18:85. Mt 5ss be- 


zeichnet sein *). 


züge und farbiges Bild (Otto), Erscheinung für Andere und Zuständ- 
lichkeit an sich (Hofm.), ist willkürlich. Nach letzterer bestimmt dann 
Hofm. ebenso willkürlich das Verhältniss von V. 1 zu V. 2 dahin, 
dass V. 1 enthalte, wie sich der Christ zu Gott stellen, und V. 2, 
wie er sich seiner Umgebung darstellen solle. — Die Imperative συ- 
σχηματιζεσϑὲ und μεταμορῴφουσϑὲ der Rcept. sind durch BLP (vgl. auch 
N beim ersten), alle Veres. und Pttr. so entscheidend bezeugt, dass 
Meyer die offenbar die Konstruktion konformer gestaltenden Infinitive 
(ADFG, vgl. Lehm., Treg. u. WH. a. R.) nicht hätte vertheidigen 
sollen, weil, wie er meint, der praktische Gebrauch der Vorschrift 
die direkte paränetische Ausdrucksweise näher legte. — Das vuww 
nach νοὸς (Rept. nach NELP) ist als naheliegender Zusatz aus V.1 
zu streichen. 

*) Die Erneuerung bedarf auch der Wiedergeborene wegen des 
in ihm vorhandenen Widerstreites von Fleisch und Geist (84ff. Gal 
Bısfl.); sie geschieht allerdings durch den heiligen Geist, aber darum 
braucht man das μεταμορῷ. nicht passivisch zu nehmen (gegen Meyer), 
da sie doch nur zu Stande kommt, wenn sich der Gläubige seiner 
Wirksamkeit beständig mit sittlicher Freiheit hingiebt. Meyer nimmt 
eis τό χτλ. als Zweck des uer«uopy., während doch die Umgestaltung 
sich auf die Lebensgestalt bezieht, welche erst durch das Resultat 
dieses δοχιμάζεεν bedingt ist. Der Sinn: prüfen können (Rück., 
Kölln.) wird so willkürlich eingetragen, wie 2ı8. Der erneuerte νοῦς 





Röm 123. 513 


V.3. λέγω γάρ), wie 22. Das Besondere, welches er 
nun fordern will, dient der allgemeinen Ermahnung V. 2 zur 
Bestätigung. Denn der natürliche Sinn ist immer hochmüthig, 
und nur wenn er zum rechten Prüfen des göttlichen Willens 
erneuert ist, wird er diese grundlegende Christenpflicht er- 
füllen können. Der ihm noch unbekannten und nicht von 
ihm gegründeten Gemeinde gegenüber will aber der Apostel 
die Mahnung zur Selbstbescheidung nicht aussprechen ohne 
Berufung auf die ihm verliehene, nach 15 in seiner Berufung 
zum Apostel ihm zu Theil gewordene göttliche Gnade, welche 
Gehorsam gegen diese seine, in apostolischer Autorität ausge- 
sprochene, Ermahnung verlangt. Daher das δι ἃ τῆς χάριτος 
τῆς δοϑείσης μοι, welches gleichsam auf den Rechtstitel 
verweist, kraft dessen er einem Jeden, der unter ihnen ist 
(παντὶ τῷ ὄντι ἐν ὑμῖν), also auch dem Höchstbegabten, 
solche Weisung ertheilen darf*. — μὴ ὑπερφρονεῖν), vgl. 
Symm. Job 31ıs. 416. Polyb. 6, 18, 7. 10, 40, 8. Joseph. 
Ant. 1, 11, 7; im NT nur hier. Nicht hochfahrenden Sinnes 
soll der Christ sein, in seinem Denken (Halten) von sich nicht 
über das Maass dessen hinausgehen, was man pflichtmässig 
von sich denken Be) muss (παρ᾿ ὁ δεῖ φρονεῖν»), sondern 
sein Sinnen soll darauf gerichtet sein, dass sein Denken von 
sich ein gesundes, besonnenes, eine maassvolle Selbstschätzung 
sei. Bem. die schöne Paronomasie in der vierfachen Anwen- 


kann nicht bloss, sondern er übt das δοχιμάζειν wirklich und gewinnt 
damit die Vorbedingung für die Umgestaltung der ganzen Lebens- 
weise, ohne welche es zu dem V. 1 geforderten Selbstopfer nicht 
kommen kann. Das τὸ ἀγαϑ. xri. wird von Pesch., Vulg., Chrys. u. 
d. meisten Aelteren (vgl. auch Rück., Reiche, God.) adjektivisch mit 
τὸ ϑέλημα verbunden, wozu schon das εὐάρεστον schlechterdings nicht 
asst, auch wenn es nicht, wie gewöhnlich mit Unrecht, von dem 

ottwohlgefälligen genommen wird. Otto nimmt τοῦ νοός, indem 
er den νοῦς als Organ der Heilserkenntniss fasst, als Gen. subj., 
was sachlich gerade durch Tit 85 widerlegt wird, will das εὐάρεστον 
χαὶ τέλειον von dem Art. loslösen, und disponirt ganz erkünstelt den 
folgenden Inhalt des Kapitels nach diesen drei Gesichtspunkten (vgl. 
Beck). 

B Ganz willkürlich Koppe, B.-Crus.: Jedem, der sich dünkt, 
etwas zu sein unter Euch; God.: Jedem, der in Funktion, in Amts- 
thätigkeit unter Euch ist; Böhmer: Jedem, der etwas Besonderes ist, 
ein Mann von Einfluss. Otto will an die judenchristlichen Glieder 
der Gemeinde denken, die eine besondere Autorität in religiösen 
Dingen beanspruchten. Auch Meyer meint, dass dieses Gebot in der 
römischen Gemeinde besonders nöthig war; aber wenn er es selbst 
als das erste bezeichnet, »dessen Befolgung zu einem gedeihlichen 
(Gemeindeleben unentbehrlich war«, so bedarf es ja jenes Grundes 
durchaus nicht, um zu erklären, woher Paulus dies Gebot voranstellt. 


Meyer’s Kommentar. 1V. Abth. 9. Aufl. 33 





510 Röm 12ı. 


somit ihm ganz und gar geweiht werden soll, wodurch allein 
er ein Dankopfer wird für alle Barmherzigkeit Gottes, die wir 
erfahren haben ἢ. Dem entsprechen auch die Prädikate, die 
zu Yvoiav hinzugefügt werden, sofern das ζῶσαν auf leben- 
dige, d. ἢ. wirkungskräftige Tätigkeit (vgl. θ 11. 18) hinweist, 
in welcher der Gott zum Opfer geweihte Leib ihm dienstbar 
ist, das ἁγίαν auf die Reinheit, in welcher der Leib vor jeder 
Befleckung, die ihn zum Dienste Gottes untauglich macht 
(124), bewahrt werden soll, und das εὐάρεστον (Sap. 4:10. 9:0. 
II Kor 5s) auf das Woblgefallen, das Gott an ihm hat, wenn 
er durch seinen Dienst verherrlicht wird (I Kor 6»). Das 
τῷ ϑεῷ tritt dann mit grossem Nachdruck an den Schluss, 
indem es Gott als den bezeichnet, welchem der Leib als ein 
solches Opfer zur Verfügung gestellt werden soll (Est., Beng., 
Koppe, Ötto)**. Der Accusativ zn» λογιχὴν λατρείαν 


Ἢ Dass nur des Opferbildes wegen τὰ owu. vu. statt ὑμᾶς αὐτούς 
gesagt sei (so gew., auch noch Phil.), als ob σῶμα die ganze aus Leib 
und Seele bestehende Person (Lips.) bezeichnen könne (was im Grie- 
chischen nie der Fall ist, auch nicht Eur. Alc. 647. Soph. O. C. 355, 
vgl. dagegen zu 612), ist eine ganz willkürliche Annahme. Dass der 
Leib nicht ohne Jdie Seele Gott geopfert werden könne, ist an sich 
richtig, schliesst aber nicht aus, dass Paulus das leibliche Selbstopfer 
und die geistige Erneuerung formal trennen konnte, nur nicht beide 
koordinirend, wie es Meyer zu nehmen scheint, sondern letztere V. 2 
als das Mittel für die erstere bezeichnend (Hofm.). Vollends die 
Deutung von τὰ σώμ. vu. auf die sinnliche Natur, die ihn zur ἁμαρτία 
zieht (Kölln.), oder auf die niedrigste Potenz des menschlichen Wesens 
(Olsb.), ist ganz verfehlt. Mehr oder weniger spielt aber diese Ver- 
wechselung von σώμα und σάρξ überall da mit, wo man Nachdruck 
darauf legt, dass ϑυσία Schlachtopfer heisst, und die Darbringung des 
Leibes als eines solchen eine Tödtung im Sinne von 818 involvire 
vgl. Böhmer, Otto u. A.), was auch noch die Deutung des ζῶσαν bei 

eyer, Beck, God. beeinflusst. sofern hervorgehoben wird, dass diese 
ethische Selbstopferung ein Sterben involvirt. Sinnig ist der Gegen- 
satz, in welchen wegen des οὖν God. unser Opfer zu dem von Gott 
für uns gebrachten Sthnopfer (3385f.) stellt. Derselbe wird aber, 
ohnehin fern liegend, durch die richtige Erklärung dieser Stelle aus- 
geschlossen. Stellen aus Porphyr., Hierocl., Philo, Joseph. und den 

abbinen, in denen ebenfalls die sittliche Gottgeweihtheit als Selbst- 
opfer dargestellt wird, s. Ὁ. Wttst. 

**) Die Stellung des rw ϑέω vor euapentov (NAP Tsch. WH. txt.) 
sollte wahrscheinlich den Dat. mit «yınv verbinden, weil er für diesen 
Begriff bedeutsamer erschien, als für den des &urgeorov. In der That 
ist es ganz unmöglich, ihn bei dieser Stellung mit euapeorov zu ver- 
binden, weil er dadurch einen Nachdruck empfängt, der bei seiner 
völligen Selbstverständlichkeit ganz unmotivirt wäre. Aus demselben 
Grunde ist es aber sehr bedenklich, ihn überhaupt mit evagsor. zu 
verbinden (so gew., auch Meyer, Lipe., Sand.), da er zu ἅγεον minde- 
‚stens ebenso gut und doch wegen des ζῶσαν nicht zu allen drei Prä- 


Röm 12ı. 3. 511 


ὑμῶν bildet eine appositionelle Bestimmung, und zwar nicht 
zu dem blossen ϑυσίαν (dessen Begriffe der weitere Begriff 
ed wi nicht entspricht), oder gar zu σώματα (Lips.), sondern 
zu dem ganzen srapaeornoaı etc., indem er be was dieser 
ganze ÖOpferdarbringungsakt sein solle. Treffend Luther: 
»welches sei Euer vernünftiger Gottesdienste. 8. Win. 
$ 59,9, a. Kühner ὃ 406,6. Zu λατρεία, Opfer-Kultus vgl. 
z. 94, zu Aoyıxoc, vernünftig vgl. Plat. Locr. p. 99E. 102 €. 
Polyb. 25, 9, 2. Mit λόγος im Sinne von Wort, wie IPt 22, 
hat der Ausdruck nichts zu thun (gegen Böhmer), aber auch 
nicht mit dem Gegensatz gegen die [wa ἄλογα (Theodoret., 
Grot., Koppe u. V.), oder dem Schlachten der Opferthiere 
(Lips.). Es bezeichnet im Gegensatze zu einer äusserlichen 
Sdankankissn Vollziehung des ceremoniellen Kultus (einer 
(λογος τριβὴ καὶ ἐμστειρία, Plat. Gorg. p. 501 A) die hier ge- 
forderte λατρεία als eine auf vernünftiger Erwägung dessen, 
was Gott von uns verlangt, beruhende — V.2. xei un 
συσχηματίζεσϑε) vgl. IPt 114: und bildet Euch nicht in 
Eurer gesammten Lebensweise gleich dem gegenwärtigen (bis 
zur Parusie fortdauernden, vgl. Mt 122) Zeitalter, dessen 
Charakter der widergöttliche ist (τῷ αἰῶνι τούτῳ, vgl. Gal 
1. IlKor 44. Das Verbum steht zu μεταμορφοῦσϑε 
Symm. Ps 331. 11 ΚΟΥ 8:8) im Gegensatze nur durch die 
räposition ohne Sinnverschiedenheit der Stammworte. Da 
sie als ehemalige Heiden den habitus dieses Weltlaufs an sich 
zu tragen gewohnt sind, kann das μὴ ovoxnu. nur dadurch zu 
Stande kommen, dass sie diese ihnen ewchrke Lebensgestalt 
beständig umgestalten, und so den nach V. 1 gefassten Ent- 
schluss in einer dauernd dem σχῆμα τοῦ αἰῶνος τούτου wider- 
sprechenden Lebensform bewähren ἢ. Zum Wechsel des 


dikaten gehören kann. Eben darum wird er am besten mit zape«- 
στῆσαι verbunden. Die Beziehung des ζῶσαν auf den Gegensatz des 
rituellen Opferdienstes (so gew., auch Meyer) bestreiten mit Recht 
Hofm., Otto, Luth. Die Tödtung des Thieres im rituellen Opfer ge- 
schieht ja nicht, weil Gott etwas Todtes zum Opfer gebracht werden 
soll, vielmehr wird auch in ibm Lebendiges zum Opfer gebracht, und 
die Tödtung erfolgt nur behufs Gewinnung des Blutes. Auch würde 
dieser (Gegensatz vereinzelt stehen, da in aylav, εὐάρεστον ein solcher 
nicht liegt, und dem Folgenden vorgreifen (gegen Goeb., der hier 
schon den Gegensatz gegen todten Ceremoniendienst findet). 

*) Vgl. den Wechsel von μορφή und σχῆμα Phl 27, auch den 
iechischen Gebrauch von σχηματίζεεν und μορφοῦν, welche jedwede 
estaltung je nach dem Kontexte bezeichnen (Plut. Mor. p. 719B: τὸ 

μεμορφωμένον χαὶ ἐσχηματισμένον, Eur. Iph. T. 292: μορφῆς σχήματα). 
Die Unterscheidung von μορφή und σχῆμα, wie Inneres und Aeusseres 
(Beng., Phil.), organische Form und äussere Haltung (God.), Grund- 


512 Röm 123. 


Infin. Aor. (παραστῆσαι) u. Imp. Praes. vgl. z. 62. — τῇ 
ἀνακαινώσει τοῦ νοός) vgl. Tit 85, bezeichnet, wodurch 
diese Umgestaltung zu Stande kommen soll: durch die Er- 
neuerung des νοῦς, der Vernunft, als Organ des Sittenbewusst- 
seins. Sie bedarf der Erneuerung, um den göttlichen Willen 
für unsere Handlungsweise allezeit klar zu erkennen, weil sie 
unter der Uebermacht der ἁμαρτία in der σαρξ verdunkelt 
und zum ἀδόχεμος νοῦς (128) geworden ist (vgl. z. 728). — 
εἰς To δοκιμάζειν) vgl. 218, bezeichnet Richtung und Ziel 
dieser Erneuerung (Hofm., Luth., Goeb.), da das δοχιμάζειν 
die spezifische Thätigkeit des νοῖς ist — τί τὸ ϑέλημα 
ϑεοῦ) was das von Gott Gewollte ist, vgl. Mt 610. I Ths 43. 
In einer Apposition dazu wird das, was der Wille Gottes ist, 
näher durch drei substantivirte Adjektive charakterisirt, welche 
unter einem Artikel zusammengefasst sind, weil sie nicht drei 
verschiedene Dinge, sondern das, was Gott will, nur von drei 
verschiedenen Gesichtspunkten her bezeichnen. Vgl. Win. 
$ 19, 4. Kühner ὃ 463, 2. Dann wird aber durch τὸ aya- 
$0» nicht das sittlich Gute (so gew.), sondern, wie 38. 57. 7ıs. 
82, das Heilsame (Otto), durch εὐάρεστον das schlechthin 
Wohlgefällige, »dem jedes Gemüth im tiefsten Inneren Beifall 
giebt« (Böhmer, vgl. Otto), und durch τέλειον erst das 
sittlich Vollkommene im Sinne von Dtn 181. Mt 5ss be- 
zeichnet sein *). 


züge und farbiges Bild (Otto), Erscheinung für Andere und Zuständ- 
lichkeit an sich (Hofm.), ist willkürlich. Nach letzterer bestimmt dann 
Hofm. ebenso willkürlich das Verhältniss von V. 1 zu V. 2 dahin, 
dass V. 1 enthalte, wie sich der Christ zu Gott stellen, und V. 2, 
wie er sich seiner Umgebung darstellen solle. — Die Imperative ov- 
σχηματιζεσϑὲ und μεταμορῴφουσϑὲ der Rcept. sind durch BLP (vgl. auch 
N beim ersten), alle Verss. und Pttr. so entscheidend bezeugt, dass 
Meyer die offenbar die Konstruktion konformer gestaltenden Infinitive 
(ADFG, vgl. Lehm., Treg. u. WH. a. R.) nicht hätte vertheidigen 
sollen, weil, wie er meint, der praktische Gebrauch der Vorschrift 
die direkte paränetische Ausdrucksweise näher legte. — Das ὑμων 
nach roog (Rcpt. nach NELP) ist als naheliegender Zusatz aus V. 1 
zu streichen. 

*) Die Erneuerung bedarf auch der Wiedergeborene wegen des 
in ihm vorhandenen Widerstreites von Fleisch und Geist (84. Gal 
bieff.); sie geschieht allerdings durch den heiligen Geist, aber darum 
braucht man das #erauopg. nicht passivisch zu nehmen (gegen Meyer), 
da sie doch nur zu Stande kommt, wenn sich der Gläubige seiner 
Wirksamkeit beständig mit eittlicher Freiheit hingiebt. Meyer nimmt 
eis τό χτλ. als Zweck des uerauopg., während doch die Umgestaltung 
sich auf die Lebensgestalt bezieht, welche erst durch das Resultat 
dieses doxsuafeıw bedingt ist. Der Sinn: prüfen können (Rück, 
Kölln.) wird so willkürlich eingetragen, wie 218. Der erneuerte vous 


Böm 123. 513 


Υ͂. 8. λέγω γάρ), wie 22. Das Besondere, welches er 
nun fordern will, dient der allgemeinen Ermahnung V. 2 zur 
Bestätigung. Denn der natürliche Sinn ist immer hochmüthig, 
und nur wenn er zum rechten Prüfen des göttlichen Willens 
erneuert ist, wird er diese grundlegende Uhristenpflicht er- 
füllen können. Der ihm noch unbekannten und nicht von 
ihm gegründeten Gemeinde gegenüber will aber der Apostel 
die ung zur Selbstbescheidung nicht aussprechen ohne 
Berufung auf die ihm verliehene, nach 15 in seiner Berufung 
zum Apostel ihm zu Theil gewordene göttliche Gnade, welche 
Gehorsam gegen diese seine, in apostolischer Autorität ausge- 
sprochene, Ermahnung verlangt. Daher das δι ἃ τῆς χάριτος 
τῆς δοϑείσης μοι, welches gleichsam auf den Rechtstitel 
verweist, kraft dessen er einem Jeden, der unter ihnen ist 
(zavri τῷ ὄντι ἐν ὑμῖν), also auch dem Höchstbegabten, 
solche Weisung ertheilen darf*). — μὴ irzeogeoveiv), vgl. 
Symm. Job 3lıs. 416, Polyb. 6, 18, 7. 10, 40, 8. Joseph. 
Ant. 1, 11, 7; im NT nur hier. Nicht hochfahrenden Sinnes 
soll der Christ sein, in seinem Denken (Halten) von sich nicht 
über das Maass dessen hinausgehen, was man pflichtmässig 
von sich denken Balken) muss (παρ᾿ ὁ δεῖ φρονεῖν»), sondern 
sein Sinnen soll darauf gerichtet sein, dass sein Denken von 
sich ein gesundes, besonnenes, eine maassvolle Selbstschätzung 
sei. Bem. die schöne Paronomasie in der vierfachen Anwen- 


kann nicht bloss, sondern er übt das δοχεμάζεεν wirklich und gewinnt 
damit die Vorbedingung für die Umgestaltung der ganzen Lebens- 
weise, ohne welche es zu dem V. 1 geforderten Selbstopfer nicht 
kommen kann. Das τὸ ayasd. χιλ. wird von Pesch., Vulg., Chrys. u. 
d. meisten Aelteren (vgl. auch Rück., Reiche, God.) adjektivisch mit 
τὸ ϑέλημα verbunden, wozu schon das εὐάρεστον schlechterdings nicht 
asst, auch wenn es nicht, wie gewöhnlich mit Unrecht, von dem 

ottwohlgefälligen genommen wird. Otto nimmt τοῦ νοός, indem 
er den νοῦς als Organ der Heilserkenntniss fasst, als Gen. subj., 
was sachlich gerade durch Tit 35 widerlegt wird, will das εὐάρεστον 
χαὶ τέλειον von dem Art. loslösen, und disponirt ganz erkünstelt den 
folgenden Inhalt des Kapitels nach diesen drei Gesichtspunkten (vgl. 
Beck). 

*, Ganz willkürlich Koppe, B.-Crus.: Jedem, der sich dünkt, 
etwas zu sein unter Euch; God.: Jedem, der in Funktion, in Amts- 
thätigkeit unter Euch ist; Böhmer: Jedem, der etwas Besonderes ist, 
ein Mann von Einfluss. Otto will an die judenchristlichen Glieder 
der Gemeinde denken, die eine besondere Autorität in religiösen 
Dingen beanspruchten. Auch Meyer meint, dass dieses Gebot in der 
römischen Gemeinde besonders nöthig war; aber wenn er es selbst 
als das erste bezeichnet, »dessen Befolgung zu einem gedeihlichen 
(Gemeindeleben unentbehrlich war«, so bedarf es ja jenes Grundes 
durchaus nicht, um zu erklären, woher Paulus dies Gebot voranstellt. 


Meyer’s Kommentar. 1V. Abth. 9. Aufl. 33 


514 Röm 123. 4. 


dung des geoveiv und seiner Composita. Das mit Nachdruck 
dem Satze, in den es gehört, voraufgestellte &xaozı (vgl. 
IKor 35) hat den Hauptton. Maassgebend für unser φρονεῖν 
ist vor Allem die Thatsache, dass Gott nicht nur Einzelnen 
in der Gemeinde, sondern einem Jeden seine Gabe zugetheilt 
hat (ὡς ὁ ϑεὸς ἐμέρισεν, vgl. JSir 45». IVMak 18 18. 
IKor 71, nämlich ein Glaubensmaass, d. h. ein Maass an 
Glauben (μέτρον πίστεως). Mit Absicht nennt Paulus 
nicht das Maass der Begabung selbst als die Norm der Selbst- 
schätzung, sondern das, was die Vorbedingung desselben bildet, 
das Maass des Vertrauens auf die göttliche Gnade, ohne 
welches diese ihre Gaben nicht mittheilen kann, um anzu- 
deuten, wie auch dieses selbst eine her und also 
die Begabtheit in ihrem tiefsten Grunde göttliche Gnadengabe 
ist, die zu keinerlei Selbstüberhebung Anlass giebt. Gerade 
die Gnadengabe der σείστις ist ja eine ganz allgemeine, da 
ohne sie keiner Mitglied der Gemeinde sein kann, so dass es 
sich nur um das Maass derselben handeln kann, das aber 
auch ein gottgegebenes ist *). 

V. 4f. motivirt die vorherige Ermahnung durch das 





*) Meyer sagt: Das Maass von Glauben >»ist die subjektive Be- 
dingung (die objektive ist die göttliche χάρις) dessen, was Jeder im 
christlichen Gemeindeleben leisten kann und soll. Je nachdem nämlich 
der Glaube bei den Einzelnen mehr oder weniger lebendig, praktisch, 
thatkräftig, nach dieser oder jener Richtung hin wirksam, beschaulich 
oder in’s äussere Leben eingreifend in Beredsamkeit und That u. s. w. 
ist, darnach haben sie auch die ihnen beschiedene Stellung und Auf- 
gabe in der Gemeinde zu bemessen«. Diese Erklärung scheint mir 
weder dem Paulinischen Glaubensbegriff zu entsprechen, noch dem 
Wortlaut, nach welchem ja Gott gerade dies Glaubensmaass zuge- 
theilt hat. Auch Lips. substituirt die Stärke des Glaubenslebens und 
der im Glauben gewonnenen Erkenntniss, wie Sand. alles mit dem 
Glauben als seine Resultate Gegebene. Hofm., der μέτρον πίστ. ge- 
waltsam von ἐμέρισεν trennt und es als Appositionsakkusativ, wie τὴν 
λογ. λατρ. V. 1, nimmt, fasst πίστεως ale Gen. der Eigenschaft, 
welcher das Maass, in dem sich das Denken des gläubigen Christen 
balte, von dem des natürlichen Menschen unterscheide (ähnlich, wie 
es scheint, Goeb.). Aber der Gen. nach μέτρον kann nur Gen. partit. 
sein, wie IIKor 1018. Eph 47. Plat. Theaet. p. 161E. Eur. Jon. 354 
(gegen Volkm.: ein Maass, das im Christvertrauen besteht; Beck: das 

abenmaass, das dem Glauben zukommt; God.: das Maass, welches 
einer in der Kraft des Glaubens empfangen hat). Die πίστες fasst 
Böhmer von dem Vertrauen, das Gott schenkt (82): Otto im Unter- 
schiede von der allgemeinen fides salvifica ale die individuelle Em- 
pfänglichkeit für das Göttliche. Mit Recht behauptet er, dass nicht 
ὁ ϑεὸς betont sei (vgl. noch Goeb.), sondern ἐχάστῳ, ohne dass man 
deshalb, wie er will, den Satz mit ὡς als Objektssatz zu φρονεῖν 
nehmen darf. Est., Köllner verbinden &xaoıy mit λέγω. 


Röm 12ε---ο. 615 


Gleichniss vom Leibe mit seinen vielen Gliedern, sofern aus: 
ihm erhellt, dass, weil jedem Einzelnen für sein besonderes 
Geschäft eine besondere Begabung zugetheilt ist, jede solche 
Begabung auch ihre Schranke hat, deren Verkennung zum 
ὑπεδρφρονεῖν führen würde. Wie gangbar die Parallele zwischen 
einem menschlichen Körper und einem corpus sociale (IKor 12) 
auch den Alten war, 8. b. Grot. u. Witst. — καϑάπερ) 
vgl. 46. Denn gleichwie wir in einem Leibe viele Glieder 
haben, die Glieder aber sämmtlich nicht dieselbe (sondern 
eine verschiedene) Thätigkeit, Verrichtung (πρᾶξιν, wie 815) 
haben, also z. B. die Augen eine andere als die Ohren, die 
Füsse eine andere als der Mund. — V.5. οἱ :εολλοί) vgl. 
515: wir, die Vielen, bilden einen Leib, betont zunächst die 
Vielheit im Gregensatze gegen die Einheit des Körpers, welchen 
sie ausmachen, und zwar in der Lebensgemeinschaft mit 
Christo (ἐν Χριστῷ, wie 61. 81. Ausser Christo wären wir 
nicht ἕν σῶμα, sofern einen Organismus nur bilden kann, 
was in lebendiger Beziehung zu einem Mittelpunkte steht. — 
τὸ δὲ καϑ' εἷς) was aber das Einzelverhältniss betrifft, so 
sind wir Glieder untereinander. Jeder, einzeln genommen, 
dient allen Anderen, ist also eben nicht ein Ganzes für sich, 
sondern nur ein Theil am Ganzen. In xa$ eig hat das xara 
seine Rektion ganz verloren nach einem der späteren Gräzität 
sehr gangbaren Solöcismus (Mk 141. Joh 89. IIIMak 55) 
für xa9” ἕνα (vgl. Kühner, $ 433, b, I, 3, d.. S. Lucian. 
Soloec. 9. Win. 8 37, 3*). Ä 

V.6fl. ἔχοντες δέ) knüpft an das in der zweiten Hälfte 
des V. 5 zu ergänzende ἐσμέν an, indem es die durch das 
‘Prädikat ἀλλήλων μέλῃ scheinbar einander ganz gleich ge- 
stellten einzelnen Glieder des Leibes nun im Anschluss an 
das za δὲ μέλη — πρᾶξιν V.4 nach der bei ihnen durch die 
Ermahnung V. 3 vorausgesetzten Verschiedenheit charakteri- 
sirt*). Der Nachdruck liegt darum auf dem am Schlusse 


*) Mit Ungrund wird τὸ χαϑ᾽ εἰς von Frtzsch. als »commentitia 
formula« verurtheilt. War x«9’ εἰς und ὁ χαϑ᾽ εἰς im Gebrauch (und 
dies war der Fall), eo konnte man folgeweise ebenso gut sagen τὸ 
χαϑ᾽ εἰς, wie τὸ 29 ἕνα del. Kühner ὃ 410, Anm. 16). S. auch 
Buttm., neut. Gr. p. 26f. Ganz verkehrt erläutert die Rcpt. (EL) 
es durch o de χαϑ εἰς. Das ἐν χριστῷ heisst nicht: an Christo (Koppe 
u. Aeltere), als ob Christus als das Haupt bezeichnet wäre (vgl. noch 
Otto), aber ebensowenig ist er ala die Seele des Leibes (Lips.) ge- 
dacht. In V. 4 ist das πολλὰ gegen die Rcpt. (ALP) dem μέλη mit 
Nachdruck voranzustellen, und das οὐ nicht zu πάντα zu ziehen 
(v. Heng.)., als ob nur die Glieder gemeint seien, die wir doppelt haben. 

**) Ganz unnatürlich ist es, mit ἔχοντες einen neuen Batz zu be- 


98* 





516 Röm 126. 


stehenden Worte, nämlich darauf, dass die nicht, wie 111, 
jedem Christenleben nothwendigen, sondern den Einzelnen 
ziell für ihren Dienst an den Anderen (V. 5) gegebenen 
nadengaben verschiedene (διάφορα, wie Lev 19:1. Din 
229. r 9:10) sind. Obwohl es in dem Namen der χαρίσ- 
ματα bereits liegt, hebt der Apostel doch noch ausdrücklich 
hervor, dass wir alle (nicht anders, wie er selbst, vgl. διὰ τῆς 
χαρ. τ. δοϑ. μοι V. 3) solche individuellen Gnadengaben be- 
sitzen in Gemässheit der uns verliehenen Gnade, also nicht 
auf Grund eigenen Verdienstes oder Erwerbes, weil dadurch 
jede Versuchung zu dem vrrepggoveiv abgeschnitten wird. 
Als solche Gaben werden nun mit dem distribuirenden eire 
— εἴτε zunächst genannt die zur Gemeindeerbauung dienende 
προφητεία (ΚΟΥ 148) und die für die mancherlei Zwecke 
des äusseren Gremeindelebens unentbehrliche δεα κονία. Sowohl 
zu den Akkusativen, wie zu den an sie sich schliessenden 
Präpositionen ist nichts Anderes zu ergänzen, als das ἔχοντες, 
zumal ja das zunächst folgende «ara nur das xaza bei dem- 
selben näherbestimmend aufnimmt, und das τὴν ἀναλογίαν 
τῆς niorewg lediglich an das nach V. 3 einem jeden ver- 
lichene μέερον πίστεως anknüpft, um aufs Neue hervorzu- 
heben, wie die Besonderheit der Gabe nie ein Grund der 
Ueberhebung werden darf*. Auch nach Meyer ist ἀναλογία, 
roportio, sehr gangbar (auch als mathematischer Ausdruck) 
bei Klassikern (vgl. insbes. zu κατὰ τ. avaloy. Plat. Polit 
p.257B. Locr. p. 95B. Dem. 262. 5), der Sache nach nicht 
verschieden von μέτρον V.3 (vgl. Plat. Tim. p. 69B: ἀνάλογα 
καὶ ξύμμετρα), was Hofm. vergeblich leugnet. Es ist darum 
lediglich gesagt, dass diese allen vorangestellte höchste Gabe 


innen, wie nach Beza die meisten Neueren thun (Olsh., Frtzsch., 
‚Crus., Phil., v. Heng., Hofm., Volkm., Meyer, Beck, God., Lutb.. 
Goeb., Lips., Sand.), da dieser angebliche Vordersatz zu den im Nach- 
satz angenommenen Ermahnungssätzen in keinem logischen Ver- 
hältniss steht. Dagegen durfte in der vollkommen durchgeführten 
Vergleichung V. 5 das im Zusammenhang gerade bedeutsamste Mo- 
ment der Verschiedenheit nicht fehlen. 

*) Es ist hiernach ebenso kontextwidrig, wie an eich willkürlich, 
aus dem προφητείαν ἔχοντες ein προφητεύωμεν zu ergänzen und somit 
hier eine ganz neue Ermahnung zu finden, wie ausser den in der 
vorigen Anm. Genannten auch Theodoret., Erasm., Luther, Calv., Est., 
Flatt, Thol. u. A. thun. Daher wird auch die Ermahnung ganz ver- 
schieden analysirt: er 6 sie aus (Lips.), oder: er beurtheile sie 
(Sand.). Das Richtige haben schon Reiche, de W., Rück. und neuer- 
dings Otto, Zimmer, Böhmer, wenn auch Otto zu einseitig als Haupt- 
Se erh der Darstellung hervorhebt, dass alle Gaben der Gre- 
meinde dienen. 


Röm 126. 1. 517 


ein besonderes Maass von Glauben voraussetzt, den Gottes 
Gnade verliehen haben muss, wenn sie ertheilt werden soll. 
Jede Fassung des xara, wonach direkt oder indirekt hierin 
eine Ermahnung liegt, welche besagt, nach welcher Norm das 
σεροφητδύειν geübt werden soll, widerspricht ohnehin dem 

esen der Prophetie, d. h. der theopneustischen Rede, deren 
Voraussetzung die ατοχάλυψις ist (IKor 14af), und die 
darum nach Inhalt und Form durch den göttlichen Impuls 
bedingt ist, wie dem Wesen des Glaubens, der wohl die Voraus- 
setzung für den Empfang dieses Impulses, aber nicht die 
wirksame Kraft der Prophetie ist*). — V.T7. εἴτε dıaxovia»): 
sc. &xovres. Gemeint ist die Gabe der Verwaltung äusserer 
Gemeindeangelegenheiten, besonders, wenn auch keineswegs 
ausschliesslich, der Armen-, Kranken- und Fremdenpflege 
(vgl. IKor 1228, wo die Verrichtungen der Diakonie ἀντιλή- 
weıg genannt werden), ohne dass dieselbe an ein bestimmtes 
kirchliches Amt gebunden gedacht ist, wie es Chrys., Luther, 
Hofm., Volkm., God. u. A. voraussetzen. Hier konnte der 
Apostel nicht das κατά wiederholen, da er nur andeuten will, 
dass bei dem, welcher die Gabe der διαχονία hat, dies sich 


ῳ 


in solcher Thätigkeit des Dienens (ἐν τῇ δεακχκονίᾳ) zeigt, 
das nur auf Grund solcher Gnadenbegabung vollzogen werden 


*) Sehr künstlich erläutert Meyer den Sinn dieser Ermahnung 
»Die Propheten sollen von dem Maassverhältniss, welches ihr Glaube 
hat, nicht abweichen, weder darüber hinauswollend, noch darunter 
zurückbleibend, sondern sich nach demselben richten und also die 
empfangene ἀποχάλυψις so kundgeben und dolmetschen, wie es die 
ihnen verliehene eigenthümliche Glaubensstellung nach der Stärke, 
Klarheit, Inbrunst und sonstigen Beschaffenheit ihres Glaubens mit 
sich bringt, so dass die Art und Weise ihres Redens den Normen 
und Grenzen angemessen ist, welche in dem Verhältnisse des indi- 
viduellen Glaubensgrades gegeben sind. Widrigenfalls gerathen sie 
hinsichtlich des Inhalts und der Form in eine entweder exzessive und 
überspannte oder aber unzureichende und ıangelhafte (dem Niveau 
des Glaubens nieht entsprechende) prophetische edoweiee. Dieselbe 
Offenbarung kann ja je nach der Verschiedenheit des Verhältnisses 
des Glaubens, mit welchem sie sich, objektiv gegeben, subjektiv ver- 
bindet, sehr verschieden ausgesprochen und vorgetragen werden«. 
Aehnlich, wenn auch einfacher, Hofm., Luth., Goeb. Vollends die alte 
dogmatische Deutung von der regula fidei (z/orıs im objektiven Sinne, 
fides quae creditur), d. i. von der conformitas doctrinae in scripturis 
(8. bes. Calov. und schon Luther in 5. Glosse), liegt dem Kontext 
völlig fern und ist selbst sprachlich nicht zu rechtfertigen (s. z. 15), 
obwohl sie im Wesentlichen bei Flatt, Klee, Glöckl., Kölln.,, Phil. 
(»der norma et regula fidei Christianae untertban zu bleiben«), Umbr., 
Bisp., Otto, Zimmer wiederkebrt. Beck vermischt beide Erklärungen, 
und God. sucht die letztere mit dem Begriff des subjektiven Glaubens 
(der Gemeinde) in Einklang zu bringen. 





518 Röm 191. 8. 


kann. Hier ist erst recht jede Ermahnung ausgeschlossen, 
wie man sie durch willkürliche Ergänzung eines ὦμεν (im 
Sinne von versari in) zu gewinnen sucht (vgl. Meyer), obwohl 
ja der Gedanke, dass man sich auf die seiner Begabung ent- 

rechende Thätigkeit beschränken (Sand.) oder dieselbe in 
ihr bewähren solle (Lips.), darin noch keineswegs liegen würde. 
— εἴτε ὁ διδάσκων) Paulus hätte gleichmässiger Weise 
fortfahren können: εἴτε διδασκαλίαν (sc. ἔχοντες), wie A wirk- 
lich hat. Da es aber keinen solchen spezifischen Ausdruck 
für den Beruf als Lehrer gab, wie für den des Propheten oder 
sonst eines Dieners an der Gemeinde, so nennt er einfach den, 
der die Lehrthätigkeit übt, um hinzuzufügen, dass er eben in 
seinen Lehren (ἐν τῇ dıdaaxalıa) die ihm eigenthümliche 
Gmnadengabe besitzt (vgl. IKor 14%). Es ist also lediglich 
ἔχων χάρισμα zu ergänzen. Gemeint ist die Gabe des Unter- 
richts in gewöhnlicher verstandesmässiger Lehrentwickelung, 
wie mit ἐν τῇ παραχλήσει die (fabe der mahnend und er- 
munternd auf Gemüth und Willen einwirkenden Ansprache, 
auch wo sie sich nach Synagogenweise an ein Schriftwort an- 
schliesst (vgl. Act 1 15) ἢ). — V.8 wird nun die Anknüpfung 
an das das &xovıes distribuirende εἴτε — site fallen gelassen, 
weil nicht mehr solche genannt werden, welche zu einer be- 
stimmten Funktion an der Gemeinde, sondern solche, welche 
überhaupt zu gemeinnütziger Thätigkeit im sozialen christ- 
lichen Leben ein χάρισμα besitzen ἢ. Aber auch hier, wo 


ἢ Schwierig wird der Strukturwechsel erst, wenn man auch 
bier mit Meyer u. d. M. einen paränetischen Satz durch Ergänzung 
von Zorw herausbringen will und nun das εἴτε ὁ dıdaaxam auch noch 
durch ἐστί zu einem Vordersatz ergänzen muss: »wenn es, nämlich 
ein charismatisch Begabter, der Lehrende ist«. Allein es müsste ja 
nothwendig umgekehrt heissen: »wenn der charismatisch Begabte ein 
Lehrender ist«, da auf eine nicht charismatische Lehrgabe überhaupt 
nicht reflektirt wird. Die Auskunft von Hofm., dass hier εἴτε — εἴτε 
dem vorherigen ἐν τῇ διαχονίᾳ untergeordnet, ὁ διδάσχων und ὁ παρα- 
χαλῶν aber als zwischensätzliche Apposition zum Subjekte des zu er- 
gänzenden Verbums zu nehmen sei (»sei es, dass er, der Lehrende, 
die Lehre handhabt« u. s. w.), ist eine von der unrichtigen Fassung 
von διαχογία aufgenöthigte, dem koordinirten Verhältnisse der beiden 
ersten εἴτε widerstreitende Künstelei. Die spezielle Beziehung von 
παραχαλεῖν auf die Trostgabe (Otto) ist nach 1Kor 143 ganz unwahr- 
scheinlich. 

45) Hat man aber auch diese letzten drei Punkte (oder doch die 
beiden ersten, wie Beck) auf bestimmte dienstliche Geschäfte bezogen: 
ὁ μεταδιδ. sei der die Liebesgaben austheilende Diakonus, ὁ προΐ- 
στάμ. der Vorsteher der Gemeinde, Bischof oder Presbyter (vgl. Phil., 
Hofm., Beck), ὁ ἐλεῶν der Krankenpfleger, vgl. Lips.), so widerlegt 
sich dies theils dadurch, dass die angenommenen Beziehungen von 


Röm 128. 9. 619 


selbst solche, die das Vorige richtig fassen (vgl. Böhme u. A.), 
es annehmen, kann unmöglich eine Ermahnung beabsichtigt 
sein, die ganz aus dem bisherigen Gedankengange herausfiele, 
sondern nur eine Aussage darüber, worin der diese Thätig- 
keiten übende die ihm eigenthümliche Gabe besitzt. — ὁ ue- 
tadıdovg) ist der, welcher Mildthätigkeit durch Mittheilung 
von seinen Mitteln an Arme ausübt; Eph 428. Lk 3u. Die 
Mittheilung geistlichen Gutes, wie 1.11, zu verstehen (B.-Crus,, 
Böhmer), oder mit zu verstehen (Hofm,), hat im Kontexte 
keinen Grund, da das geistliche Mittheilen bereits vorher in 
seinen besonderen Formen erledigt ist. — ἐν ἁπλότ τιν in 
Einfalt, also ohne alle eigennützigen oder ehrgeizigen Neben- 
absichten, in schlichter Lauterkeit der Gesinnung, welche 
lediglich Gottesgabe ist. Vgl. IChr 191. Prv 19ı. Sap lı. 
IIKor 82. 9:11. 18. — ὁ προϊστάμενος) vgl. Am 6:0. ak 
5m. ΤῈ 512: der Vorstehende, der Anderen als Leiter vor- 
zustehen, irgend welche Verhältnisse zu dirigiren hat (vgl. 
σροΐσιασϑαι τῶν πραγμάτων, Herodian. 7, 10, 16), besitzt 
seine eigenthümliche Begabung in einem Eifer, der nie er- 
müdet (ἐν σπουδὴ, vgl. IIKor Tııf. Hbr 61), wie der Barm- 
herzige gegen Leidende, Unglückliche, denen er Trost, Rath, 
Hülfe zuführt (ὁ ἐλεῶν, vgl. 916. 18), die seine ἐν ἱλαρότητι, 
d. h. in heiterem, freundlichen Wesen, mit dem er es thut 
(IL Kor 97, vgl. Prv 182); Gegentheil des unwilligen, ver- 
driesslichen Benehmens.. Vgl. Xen. Mem. 2, 7, 12: ἱλαραὶ 
δὲ avi σχιϑρωπῶν, Jak 15. 

Υ͂. 9—21. Die Ermahnung zur Liebe bildet jeden- 
falls den eigentlichen Mittelpunkt dieser Ermahnungsreihe, ᾿ 
wenn auch, der freien, lebendigen Gedankenbewegung des 
Apostels entsprechend, die Paränese auch auf allgemeinere 
Gesichtspunkte abschweift. — V.9. ἡ ἀγάπη ἀνυπόκριτος) 
vgl. Sap 5is. 1816. IIKor 66. ΤΡῚ 12. Man ergänzt ge- 
wöhnlich, wie es, wenn auch selten, bei Klassikern vorkommt 


ae En aa μκωκαανονυνας ἐν 


ueradıd. (nach Act 435 sollte man wenigstens διαδιδούς erwarten) 
ganz unnachweislich ist, theils dadurch, dass eine solche Zerlegung 
der diakonischen Gabe unpassend wäre, nachdem bereits von der 
διαχονία im Ganzen die Rede gewesen ist, theils dadurch, dass die 
Stellung des προϊστάμενος, ala des Presbyters, zwischen zwei Diakonats- 
geschäften und fast am Ende der Reihe, unpassend sein würde; 
wollte man aber προΐστάμ. Fremdenpfleger erklären (Meyer erste Aufl., 
Borger) oder Patron über Wohlthätigkeitsinstitute (God.), so würde 
sowohl für diese besondere Seite der Diakonie, als auch für deren 
Bezeichnung durch zeoisrau. (denn der προστάτης in Athen, der 
Patron der Metöken, war doch etwas ganz Anderes; Herm., Staats- 
alterth. 8 115, 4) jeder Nachweis fehlen. 


520 Röm 128. 10. 


ühner $ 354, Anm. 2, d), den Imper. ἔστω (auch Meyer, 

ips., Sand.), während Otto, Zimmer hier vielmehr mit Recht 
eine Schilderung christlichen Wesens finden. Wie im Vorigen 
keine Ermahnung lag, so leitet die Schilderung, wie sich die 
Gnadengabe im μεταδιδόναι und ἐλεεῖν erweist (V. 8), von 
selbst dazu über, wie die Liebe, welche als die erste Frucht 
des Geistes (Gal 52) die allgemeinste göttliche Gnadengabe 
ist, beschaffen ist. Nur als solche ist sie eine ungeheuchelte, 
die aus dem Herzen kommt. Erg. &oziv. Noch unnatürlicher 
erscheint die gangbare Ergänzung des ἐστέ bei den folgenden 
Partizipien; dieselben beschreiben solche, in denen die Liebe 
eine wahre und darum gottgewirkte ist, aber natürlich mit der 
paränetischen Tendenz, wonach sie eine solche in Allen sein 
sol. Denn, ähnlich wie IKor 186, charakterisirt sich die 
wahre Liebe dadurch, dass sie eine heilige ist, wenn man das 
Böse (am Nächsten) verabscheut und nur dem Guten in ihm 
anhängt. Die schon von Chrys., Theodoret, Oecum. und 
Theophyl. bemerkte verstärkende Bedeutung des Compos. in 
ἀποστυγοῦντες hat Frtzsch. grundlos geleugnet; sie passt 
auch völlig in Stellen wie Herod. 2, 47. 6, 129. Soph. Oed. 
C. 186. 691. Eur. Jon. 488. Parthen. Erot. 8 Das auch 
sonst auf Personen bezügliche χολλάσϑαι (1Kor 6ısf.) zeigt 
deutlich, dass nicht von der Liebe zum Guten im Allgemeinen, 
sondern von dem Guten die Rede ist, um deswillen man dem 
Gegenstande seiner Iiebe sich hingiebt (Hofm., Luth, 
Zimmer) ἢ. — V. 10. τῇ φιλαδελῳφέᾳ) hinsichtlich (im 
Punkte, wie 419) der Bruderliebe mh Ἧι Hbr 18:. IPt 
12). Sehr naheliegend ist der Uebergang von der Nächsten- 
liebe im Allgemeinen zu der Liebe, welche die Christen unter- 
einander verbindet. In dieser Beziehung sind sie, wenn sie 
sind, wie sie sein sollen, φελόστοργοι, zärtlich, gewählter 
Ausdruck, weil die Christen Geschwister sind, wie das Wort 
auch bei Griechen von der Familienliebe das gewöhnliche ist. 


*) Fern liegt dagegen der Gedanke an das Gute, das man am 
Nächsten fördern will (God.) oder ihm erweist (Lips., vgl. Otto), an 
Gutherzigkeit und Uebelwollen überhaupt (Reiche). Nur muss man 
nicht sagen, es handle sich um die sittliche Grundstimmung der un- 
Beben Liebe (Meyer, Phil.); denn das ἀνυπόχριτος bezeichnet 

och eine völlig andere Bestimmtheit der wahren Liebe, als diese Be- 
stimmung dessen, was sie am Nächsten liebt und verabscheut (gegen 
Otto, Goeb.). Daher rechtfertigt schon der sachliche Zusammenhang 
dieser Aussage in keiner Weise die Fassung der Partizipien als Ex- 
egese des vorigen Satzes (Hofm., Lips.; vgl. Frtzsch., Phil., God.), 
der Uebergang von der Liebe zu den Liebenden war durch den Inhalt 
der Aussage geboten. 


Röm 1210—ı12. 521 


Vgl. auch Cie. ad Att. 15,17. — τῇ τιμῇ) Das Korrelat der 
V. 3ff. geforderten Bescheidenheit ıst die Anerkennung, die 
man jedem Anderen wegen der ihm eigenen Begabung und 
Stellung zollt, und die auch durch die Innigkeit der Liebe 
nicht aufgehoben wird. In diesem Punkte soll jeder dem 
Anderen (ἀλλήλους) vorangehen (σεροηγούμενοι, im NT 
Grch.), wie ein Anführer (vgl. Dtn 209. ἯΙ Esr 82), nämlich 
mit dem zur Nachfolge reizenden Verhalten. Vgl. Beck *). — 
V. 11. τῇ σπουδῇ) knüpft an das V. 8 von den zeoiora- 
μενοι Gesagte an, die Paulus vielleicht schon bei dem τῇ 
τιμῇ zeoony. ἀλλ. im Auge hatte, sofern sie am ehesten ge- 
neigt sein mochten, es hieran fehlen zu lassen. Hier aber 
gilt es von Allen, dass sie, wenn sie sind, wie sie sein sollen, 
hinsichtlich des Eifers in jeder Pflichterfüllung nicht träge 
sind (öx»neoi, vgl. Prv 66.9. JSir 221.2). Damit ist aber, 
wie das Folgende zeigt, der (tesichtspunkt der Bruderliebe 
gänzlich verlassen (gegen Hofm., Otto u. Α.). — τῷ πνϑύ- 
ματι ζέοντες) durch den (heiligen) Geist in Wallung versetzt 
werdend, Gegentheil von ὀχνηροὶ τῇ σποιδῇ. Vgl. Act 18%. 
An den menschlichen (Geist zu denken, auch wenn man ihn 
vom heiligen Geist bewegt denkt (Meyer, Beck, Otto, Sand.), 
ist gegen den Paulinischen Sprachgebrauch (vgl. Decum. u. V., 
auch Holst, Lips) und durch den Dativ nicht gefordert, 
dessen Beziehung auch im dritten Gliede wechselt. Vom 
geistigen aestuare steht ζέω auch bei Klassikern häufig. Plat. 
Pol. 4. p.4400. Phaed. p.251B. Soph. Oed. C. 435. Eur. 
Hec. 1055. — τῷ κιρίῳ δουλ.) Die Rücksicht auf den dem 
Herrn (Christo) schuldigen Dienst weist den brennenden Eifer 
in die Schranken rechter Selbstzucht und bewahrt ihn vor 
Eigenwilligkeit **). — V.12 schildert im freien Gedankenfluss 


*) Ohne Sprachgebrauch nehmen Erasm., Grot., Heum., Koppe, 
Hofm., Sand. προηγεῖσϑαιε gleich ἡγεῖσϑαι ὑπερέχοντας (Phl 23), se 1080 
otiores ducere alios. Vgl. God.: die Anderen vor Euch führend, 
ihnen unter allen Umständen den Vortritt gebend. Im Griechischen 
kommt es sonst nicht mit Akkus., sondern nur mit Dativ (Xen. Cyr. 
2, 1, 1. Arist. Plut. 1195. Polyb. 12, 5, 10) oder Genit. der Person 
vor (Xen. Hipp. 4, 5. Herodian. 6, 8,6. Polyb. 12,13, 11); mit Akkus. 
aber ΠΟΙ, wie Xen. Anab. 6, 5. 10: προηγ. ὁδόν. Ungenau sind auch 
die Erklärungen durch: übertreffend (Chrys., Morus, Kölln.) oder: 
zuvorkommend (Vulg., Theophyl., Luther, Wolff, Fiatt). Die Be- 
ziehung der τιμή auf die sittliche Achtung und Hochschätzun 
(Meyer) scheint mir ebenso fernliegend, wie die auf den Christenstan 
als solchen (Hofm.). 

**) Die Lesart der ältesten Codd., der meisten Versionen und 
Griech. Väter τω χυριω wird von Meyer, Hofm. verworfen, weil das 
schwierige τω χαέρὼ (DFG it. u. Lat. Väter) leichter wegen seiner 


522 Röm 12:12. 13. 


das christliche Wesen ganz im Allgemeinen, gegenüber der 
Noth der Zeit. — τῇ &Azzidı) bezeichnet nicht den Beweg- 
grund (so die Meisten, auch Meyer, nach Kühner $ 425, 8), 
sondern dem τῇ σπουδῇ entsprechend, das Hoffen auf die 
künftige Herrlichkeit (5), hinsichtlich dessen (vgl. Luth.) der 
Christ immer freudig sein kann (gadeovrec), auch wenn ihn 
die Drangsal der Gegenwart niederbeugt ἢ). — τῇ 9ϑλέίψει) 
der Drangsal Stand haltend, standhaft in ihr ausharrend. 
Zum Dativ vgl. Kühner $ 426, 2. Paulus hätte schreiben 
können τὴν ϑλῖψιν (IKor 137. Hbr 10:2) nach dem klassischen 
Gebrauch, setzt aber im Zuge der formellen Gleichmässigkeit 
mit den übrigen Stücken den Dativ und dann das absolute 
ὑπομένοντες (Mt 102. Jak du. IPt 2%). Beides aber 
wird nur möglich sein, wenn man dem Gebete beharrlich ob- 
liegt (77, προσξδυχῇ προσχκαρτεδροῦντες). Vgl. Kol. 42. 
Act 11. — V. 13 kehrt wieder zu dem Hauptthema von der 
Liebe zurück, die sich an den Bedürfnissen (raig χρείαις, 
vgl. IMak 10x. 4. JSir 381. Act 203) der Mitchristen be- 
thätigen muss, die als die Heiligen bezeichnet werden (τῶν 
&yiw»), um anzudeuten, wie es sich ziemt, dass für der Gott- 
angehörigen Bedürfnisse gesorgt wird (vgl. 827 u. bes. 1 Tim 
51). Das χοεινωνοῦντες, nach seltenerem griech. Gebrauch 
mit dem Dat. (Sap 62) statt Gen. der Sache (Hbr 2 1) ver- 


scheinbaren Anstössigkeit entfernt, als dem einfachen unanstössigen 
τ. χυρ. supponirt wurde. Aber dass in unserem ältesten Texte rw χαίρω 
als anstössig entfernt sei, davon kann keinesfalls die Rede sein; und 
immerhin lag die Ersetzung des scheinbar so selbstverständlichen ro 
vom δουλ. durch eine zeitgemässere spezielle Ermahnung nicht so fern, 
wenn hier nicht ein einfacher Lesefehler des abgekürzten Wortes vorliegt. 
Das τῷ χαιρῷ δουλ. würde nach Meyer die Geistesgluth in die Schranken 
der christlichen Klugheit weisen, welche bei der regsten Betriebsam- 
keit doch der wahren Liebe gemäss in die Zeitumstände sich schickt, 
sich mit seittlicher Besonnenheit nicht unabhängig von denselben 
stellen, oder gar hartköpfig ihnen entgegentreten will, sondern sich 
ihnen mit weiser Selbstverleugnung (IKor 134—s) untergiebt. Vgl. 
über das Jovi. τῷ χαιρῷ (tempori servire, Cic. ad Div. 9, 17. Tuscul. 
8, 27, 66) und synonyme Ausdrücke (χαερῷ λατρεύειν, τοῖς χαιρ. dxo- 
λουϑεῖν), welche je nach dem Kontexte im guten und tiblen Sinne ge- 
braucht werden, Wttst. u. Frtzech. 2. St. Jacobs ad Anthol, X, p. 261. 
*) Eine Anknüpfung an den Herrendienst V.11 zu suchen (Otto), 
ist nicht indizirt; vielmebr wird es hier ganz evident, dass die Auf- 
zäblung der einzelnen Züge des rechten Christenwesens durch keine 
rämeditirte Disposition geleitet ist. Künstlich will Otto den in der 
N oranstellung liegenden Nachdruck durch den Gegensatz gegen die 
Freude des natürlichen Menschen über die Erfolge seines Eifers moti- 
viren. Ebenso künstlich ist die Anknüpfung an das IKor 137 von 
der Liebe Gesagte (Sand.), woran hier garnicht zu denken ist, 





Röm 1913- 15. 523 


bunden, heisst einfach: Gemeinschaft womit haben, Antheil 
woran nehmen, so dass man ihre Bedürfnisse als die eigenen 
betrachtet und sie ebenso zu befriedigen sucht. — Ein spe- 
zieller Zug solcher Fürsorge ist die Gastfreundschaft (τὴν 
φιλοξενίαν, vgl. Hbr 132. IPt4s). Dieselbe that damals 
bei reisenden, auch vertriebenen und verfolgten Christenbrüdern 
besonders Noth *). 

V. 14. Der plötzliche Eintritt des direkten Imperativ 
stloyeite (Gen 141. Hbr 7ı. 1120) sieht sehr nach einem 
Citat aus, und so scheint dem Apostel das Wort Christi über 
das Verhalten gegen die δεώχοντες (Mt ὃ 4) vorzuschweben. 
Dasselbe wird durch das Verbot des Gegentheils noch ver- 
schärft: μὴ καταρᾶσϑε, vgl. Gen 27». Num 249. Lk 62. 
Jak 33 **. — V. 15. Die Infinitive (vgl. Phl 816) als kurz 
hingeworfener Ausdruck des verlangten nothwendigten Ver- 
haltens, geben der Ermahnung »die Gestalt eines Losungs- 
worts« (Hofm.), sehen aber darum ebenfalls sehr nach einem 
Citat aus (vgl. Otto), da im Folgenden der Apostel sofort 
wieder zu den Partizipien, in denen die Darstellung V. 9—13 
fortschreitet, zurückkehrt, wobei freilich der schildernde Aus- 
druck immer stärker durch den einmal angeschlagenen parä- 
netischen Ton beherrscht wird. Zur Sache vgl. JSir 7a. 
Richtig hebt schon Chrys. hervor, wie das κλαίδιν etc. γενναίας 


Ἢ Die Lesart ureıaıs (DFG) statt zosmıs giebt keinen Sinn, 
obwohl Hofm. sie empfiehlt und ihr unter Vergleichung von Gal 210 
u. Phl 14 den Sinn: Hülfleistungen abzugewinnen sucht, was eine 
sprachliche Unmöglichkeit ist. Doch wollte schon Theodor. Mopsv. 
dieser Lesart den Sinn zuweisen: ὅτε δέχαιον ὑμᾶς μνημονεύειν 
πάντοτε τῶν «ylwr. Bei den «yıos an die jerusalemischen Christen 
zu denken (Hofm.), liegt nicht nur gar kein Grund vor, sondern eine 
‚so spezielle Aufforderung stände auch ganz isolirt in dieser Reihe. 
Die transitive Fassung des xoıwwreiv: mittheilen (Rück., Frtzsch. nach 
Aelteren) ist mindestens dem NT ganz fremd. Dass man die Her- 
bergsbedürftigen nicht bloss aufnimmt, sondern auch aufsucht, gehört 
unter Umständen zur Erfüllung dieser Pflicht, ist aber durch δεώ- 
κοντες (vgl. 930) nicht ausgedrückt (gegen Orig., Beng., God.). 

**) Ob den Apostel das δεώχειν auf die διωχοντες, oder der Ge- 
danke an die vertriebenen Christen auf die Verfolger (Goeb., Sand.), 
oder die Liebesübung gegen Fremde zu der gegen Feindlichgesinnte 
«(Hofm.) geführt hat, muss dahin gestellt bleiben. WH. streicht das 
vung nach B, und es ward allerdings leichter zur Erläuterung zuge- 
setzt, als aus Versehen nach — τὰς weggelassen. Dass hier (Otto) 
oder V. 16 (Beck) der Apostel zu dem τέλειον V.2 tübergehe, ist gleich 
willkürlich. In V. 15 ist das x&s der Rept. (AELP. WH. a. R.) wohl 
vor χλαι — aus Versehen ausgefallen. Wie Otto, um überall künstlich 
Zusammenhang herzustellen, bestreitet, dass die δεώχοντες Nicht- 
christen sind (doch vgl. auch Lips.), so bezieht umgekehrt Böhmer 
auch V. 16 auf das Verhalten gegen Nichtchristen. 





524 Röm 1215. 16. 


σφόδρα δεῖται ψυχῆς, ὥστε τῷ εὐδοκιμοῦντι μὴ μόνον um 

ϑονεῖν ἀλλὰ καὶ συνήδεσϑαι. ---- V.16. τὸ αὐτὸ εἰς ΠΛ: 

ους φρονοῦντες) charakterisirt die liebevolle Eintracht, da 
Jeder in Absicht auf den Nächsten ein und dasselbe Dichten 
und Trachten, also Jeder nur das Beste des Ganzen und 
damit jedes Einzelnen im Auge hat*). Vgl. IIlKor 13ı. 
Phl 22. 42. Eine Grundbedingung dafür ist die Enthaltung 
von allem Hochmuth, der immer auf das Hohe hinaus will 
und darnach trachtet (τὰ ὑψηλὰ φρονοῦντες, vgl. 1150). 
Die subjektive Negation zeigt, wie diese Charakteristik der 
Christen doch immer nicht sowohl im Auge hat, was sie sind, 
als was sie sein sollen. Im Gegensatz zu τὰ ὑψηλά kann 
mit τοῖς ταπεινοῖς, das mit Recht gewöhnlich neutrisch 
gefasst wird, nur das, was niedrig ist, gemeint sein, also die 
Ansprüche und Aufgaben, welche von den niederen Lebens- 
verhältnissen an uns ergehen, die unteren Schichten und 
Sphären des Lebens, die uns in Anspruch nehmen. Diese 
torceıya sollen nicht gerade für den Christen eine Anziehungs- 
kraft haben (Meyer), aber er soll sich ihnen nicht entziehen, 
sondern sich der Gemeinschaft mit ihnen hingeben, wo es das 
Interesse der Brüder fordert, sich von ihnen mit fortziehen 
lassen (συναπαγόμενοι, vgl. Ex 146. Gal 212. IIPt 31). 
So verkehrt der Christ theilnehmend und wirksam in den 
niederen Kreisen, mit Armen, Kranken, Verfolgten u. s. w.; 
so hat sich Paulus selbst gedrungen gefühlt, in niedrige 
Situationen einzugehen, als Handwerker zu arbeiten, Noth 
und Blösse zu leiden, mit den Schwachen schwach zu sein 
u. s.w.**. Direkt als Citat aus Prv 37 giebt sich der wieder 


u — 


*) Der Verbindung der Partieipia mit dem un γένεσϑε φρόνιμοι 
widerstrebt der Gedanke, der garnichts damit zu thun hat. Die Er- 
gänzung eines ἔσεσϑε (Meyer u. d. M.) ist bier so unnatürlich, wie 
vorber. Fern liegt der Gedanke, dass man für das zeitliche und 
geistige Wohl der Brüder dieselbe Sorge hat, wie für das eigene 
(God.), oder der Gegensatz gegen Parteilichkeit (Beck). Nach Frtzsch. 
geht ro αὐτό auf das Folgende, so dass die Bescheidenheit gemeint 
sei als das Nämliche, worauf der Sinn gegenseitig gerichtet sein soll. 
So wäre dieses Glied der Rede kein selbständiges, was gegen die 
Analogie der übrigen ist. Hofm. u. A. vergleichen Mt 712. Otto 
denkt an gleiche Gesinnung gegen Freunde und Gegner, was doch 
mindestens εἰς πάντας hiesse! 

**) Von Anderen wird τοῖς raneır. ale Mascul. gefasst, und zwar 
indem man razeıros theils von niederem Stande, theils von demüthigem 
Sinne verstand, theils beides verschmolz, mit sebr verschiedenen 
Sinnbestimmungen des Ganzen. So Chrye.: eis τὴν ἐχείνων εὐτέλειαν 
χατάβηϑι, σιμπεριφέρου, μὴ ἁπλῶς τῷ φρονήματι συνταπεινοῦ, alla χαὶ 
βοήϑει χαὶ χεῖρα ὀρέγου οἷο,.: ähnlich Erasm., Luther, Estius u. M.; 
Grot. (vgl. Ew.): >»modestissimorum exempla sectantes<; Rück. (vgl 


Röm 1216 —.1s. 625 


eintretende Imperativ un γίνεσϑε φρόνιμοι, hier wie dort 
verbunden mit zzae ἑαυτοῖς. Man soll nicht klug sein 
nach eigenem Urtheil, nicht der dünkelhaften Selbstgenüg- 
samkeit eigener Einsicht verfallen, wobei man die brüderliche 
Beachtung der Einsicht Anderer ausschliessen würde. Die 
Mahnung hat also mit 1125 garnichts zu thun. 

V. 17. Auch die folgenden Participia lassen sich nicht 
mit un yiveode φρόν. παρ᾽ &avr. verbinden. Christen sind 
Menschen, die Niemanden Böses mit Bösem vergelten (vgl. 
IPt 89), er sei Christ oder Nichtchrist. Den Gegensatz dazu 
bildet, dass man Vorsorge trifft für Gutes (προνοούμενοι 
χαλα, vgl. Prv 3 «. IlKor 8:21), das in den Augen aller 
Menschen, also in ihrem Urtheil, schön und trefflich ist. Das 
πάντων Avdowrewv schliesst auch die Feinde ein. Die Verba 
des Sorgens stehen auch im Klassischen sowohl mit Genit. 
ITim 5s), als Akkus. (Bernhardy p. 176). Paulus ermahnt 

it nicht, πρὸς χενοδοξίαν zu leben, sondern ἵνα un σεαρέ- 
χωμεν nad ἡμῶν ἀφορμὰς τοῖς βουλομένοις, er empfiehlt das 
αἀσχανδάλιστον x. ἀτερόσχοτον (Theoph.)., — V.18. εἰ δυνα- 
τόν) vgl. Mt 24%, macht fühlbar, dass es Fälle geben kann, 
wo das Friedehalten objektiv unmöglich ist; aber unbedingt 
sit dass, so viel an Ihnen liegt, sie mit allen Menschen 

iede halten sollen (εἰρηνεύοντες, vgl. IReg 224. JSir 66. 
IlKor 131). Das τὸ δ ὑμῶν (adverbiell: was das Euer- 
seitige, das von Euch Ausgehende, anbetrifft; 8. überh. z. 116 
und Eillendt, Lex. Soph. 11, p. 225) enthält nicht eine sub- 
jektive Beschränkung (Reiche), da wir von unserer Seite immer 
und in jedem Falle friedlich gesinnt sein sollen, so dass nur 
die entgegengesetzte Gesinnung und Handlungsweise des 
Feindes unser subjektives Friedlichsein vereiteln kann *). — 


v. Heng.): »lasset Euch gefallen, in Gemeinschaft mit dem Niedrigen 
zu bleiben«; Hofm.: »sich in die Schaar derer, die niedrigen Stand 
einnehmen und auch nichts Anderes begehren, hineinziehen und als 
ihres Gleichen, verschwindend zwischen ihnen, des Weges, den sie 
ehen, mit fortziehen lassen«; Volkm.: »zu den Niedrigen hingezogen«. 
ilg.: »mit den Demüthigen fortgetrieben durch den heiligen Geist«. 
Vgl. God., Goeb. Ganz verkehrt dachte Oleh. an den Verkehr mit 
Zöllnern und Sündern, die man für das Reich Christi gewinnen will, 
obwohl doch im Zusammenhange mit V.15 sicher vom Verhalten der 
Christen zu einander die Rede ist, Otto an die ταπεερά, die dem 
Christen nachgesagt werden, die Demüthigungen, durch die er ge- 
kränkt wird, und die helfen sollen, ihn von dem hohen Gedanken ab- 
zuziehen | 
*) Das τὸ ἐξ ὑμῶν gehört also nicht zu εἰ. δυνατόν (Glöckl.), ist 
auch nicht Apposition dazu (Hofm., Goeb.), aber man darf das εἰ 
δυνατόν auch nicht mit dem Vorigen verbinden (Ersm., Beng.). 





526 Röm 1919. 90. 


V. 19. Zu dem schweren μὴ ἑαυτοὺς ἐχδιχοῦντες (vgl. 
Lk 18s), welches alle Selbstrache verbietet, tritt das inständige 
und gewinnende ἀγασεητοί (IlKor 7ı. 121), und nun geht 
im Gegensatz die S ur zur direkten Bezeichnung der 
Pflicht über (Vgl. Win. $ 63, II, 1 und besonders Viger. ed. 
Herm. p. 46 b was wieder citatartig aussieht (vgl. V. 16). 
Alle Selbstrache greift dem göttlichen Zorn vor, den man ge- 
währen lassen soll (δότε τόπτον, vgl. JSir 1321. 1917. 3812. 
Eph 4:7: gebt ihm Spielraum). Dass τῇ ὀργῇ auf den gött- 
lichen Zorn geht (vgl. 53. ITh 3.16), wie das absolute ἡ χάρες 
die göttliche Huld und Gnade ist (vgl. 5s. ITh 110. 216), wird 
mit Recht von den Meisten seit Chrys. angenommen *). — 
γέγραπται γαρ) Dtn 323 frei nach dem Hebräischen, doch 
mit Benutzung der Worte der vom Grundtexte abweichenden 
LXX (ἐν ἡμέρᾳ ἐκδικήσεως ἀνταττοδώσω), und mit Zusetzung 
von λέγει χύριος : »mir gehört Rache, ich will vergelten« **). — 
V. 20. ἀλλά) Dies zweite ἀλλά ist doch nicht ganz dem 


Richtig Grot.: »omnium amici este, si fieri potest; si non potest 
utrimque, certe ex vestra parte amici este«. 

Ἢ Ganz analog dem Sinne und der Gedankenfolge unseres 
Verses ist Synops. Sohar. p. 95: »Homo non debet properare, ut vin- 
dietam sumat (vgl. un ἑαυτοὺς ἐχδιχοῦντες); melius est, si vindictam 
committit aliie (Deo). Ganz verkehrt dachten de Dieu, Semler, 
Cramer, Reiche an den eigenen Zorn, den man ausbrechen lassen soll, 
um ihm Zeit zu geben, sich zu besänftigen, nach dem lat. Gebrauch 
von irae spatium dare (Liv. 2, 56. 8, 82. Senec. de ira 3, 39. Lactant. 
de ira 18), anders Zyro in d. StKr 1845. p.891f.: »Machet Platz dem 
Zorne, wenn er kommt und sich in Eurem Gemüthe setzen will, und 
gebet davon (kehret ihm den Rücken)«, was ee ganz un- 
zutreffend wäre, da der Zorn ein Affekt im Menschen ist, der von 
aussen zwar rege gemacht wird. aber nicht kommt. Wieder Andere 
dachten an den Zorn des Feindes, dem man aus dem Wege gehen 
(Schöttgen, Morus, Ammen, vgl. Lk 149. Jud 2086. Soph. Ant. 718 
u. das Homerische elxeıv ϑυμῷ), den man austoben lassen soll (Ew.), 
was doch eine blosse Klugheitsmaassregel wäre. Nach Lips. weist 
das dringliche ἀγαπητοί auf besondere Vorkommnisse hin. 

**) Die mit u. St. ganz gleiche Gestalt dieses Citatse, welche sich 
Hbr 1030 findet, kann nicht zufällig sein, zumal das charakteristische 
ἐγὼ ayranod. auch in der Paraphrase des Onkelos wiederkebrt. Zur 
Annahme einer Benutzung des Onkelos von Seiten des Paulus, oder 
des Paulus von Seiten des Verfassere des Hebräerbriefs (Bleek, De- 
litzsch), fehlt jeder Anhalt. Daher nehmen Meyer u. A. an, dass die 
Form des Spruches, wie sie bei Paulus und Hbr 1080 sich findet, 
nach Art eines altheiligen sprichwörtlich gewordenen Warnungsrufes 
damals solenn war und auch die Wiedergabe in der Paraphrase des 
Onkelos beeinflusst hat. Das λέγει κύριος aber hat nur Paulus zu- 

esetzt, wie solches öfter (vgl. 1411) bei Gottessprüchen geschah; 
Hbr 1080 sind diese Worte unächt. 


Röm 122%. 21. 527 


ersten in V. 19 parallel (Böhmer u. A.); es besagt vielmehr, 
korrigirend, dass es nicht genüge, durch das Aufgeben aller 
Selbstrache der Rache Gottes Raum zu machen, dass vielmehr 
an die Stelle derselben die Liebesübung gegen die Feinde 
treten soll, wie sie nun nach Prv 25aıf. (genau nach ἃ. LXX) 
beschrieben wird: »wenn Dein Feind hungert, so speise ihn 
(vgl. IlSam 136. Sap 1620), dürstet ihn, so tränke ihn; denn 
wenn Du dieses thust, wirst Du Feuerkohlen häufen auf sein 
Haupt«e. Glühende Kohlen sind Bild des durchdringenden,, 
anhaltenden Schmerzes, hier der schmerzlichen Beschämung 
und Reue, welche so grossmüthiges Wohlthun, gegen das der 
Feind nicht unempfindlich bleiben kann, nothwendig wirken 
muss. So mit Recht, schon weil allein der folgenden Zu- 
sammenfassung in V. 21 entsprechend, die Meisten. 8. die 
arab. Parallelen b. Gesen. in nm. Bepert. I, p. 140 und 
überh. Thol. 2. St. Gesen. Thes. I, p. 280*. — V.21 μὴ 
νιχὼ ὑπὸ τοῦ καχοῦ) Werde nicht überwunden (zur Rache: 
und Wiedervergeltung hingerissen, vgl. V. 19) vom Bösen 
(welches wider Dich begangen wird), sondern überwinde durch 
das Gute (welches Du dem Feinde erweisest, vgl. V. 20) das. 
Böse, indem Du es dahin bringst, dass der Feind, beschämt 
durch Deinen Edelmuth, ablässt, böslich gegen Dich zu handeln, 
und Dir zum Freunde wird. »Vincit malos pertinax bonitas«, 
Senec. de benef. 7sı. Vgl. de ira 2, 32. Valer. Max. 4, 2, 4. 
Treffend übrigens bemerkt Erasm. zur Ausdrucksweise des 
ganzen Kapitels: »Comparibus membris et incisis, similiter 
cadentibus ac desinentibus sic totus sermo modulatus est, ut 
nulla cantio possit esse jucundior«. 








ἢ Glöckl. dachte nach Aelteren an ein Erweichen des Feindes. 
(von der Sitte, harte Speisen durch Auflegung von Kohlen auf das 
Gefäss zu erweichen), cal. u.A. an ein Entflammen der Liebe, Umbr., 
v. Heng. nach Aelteren gar an Erregung der Schamröthe. Eine 
ganz andere Fassung war schon zu Hieron. Zeit herrschend und ist 
von Chrys., Theodoret.. Oecum., Theophyl., Photius, Beza, Camerar,, 
Est., Grot., Wttst. u. M., auch Koppe, Böhme, Hengst. (Authent. d. 
Pentat. II, p.406f., vgl. noch Beck, der beide Auslegungen verbindet) 
rote nämlich: Du wirst ihm schwere göttliche Strafe (vgl. 
IV Esr 1654) zuziehen, wobei man willkürlich ein nisi resipiscat hinzu-- 
denkt und trotz aller aus der Luft gegriffenen Kautelen ein höchst 
unchristliches Motiv der Wohlthätigkeit unterlegt. Vgl. dagegen 
schon Augustin. propos. 71. — Das wiederholte «Ala« erschien an- 
stössig und ward entweder weggelassen (DFG. it. Meyer) oder in car 
ovy verwandelt (EL). 


528 Röm 181. 


Kap. XIII 


Wie die Ermahnungen des Kap. 12 sich um die Tugenden 
der Bescheidenheit (Demuth) und der Liebe drehen, welche 
für alles Gemeinschaftsleben so grundlegender Art und für 
alles christlich-sittliche Leben so charakteristisch sind, dass 
jede christliche Paränese, welche das Gemeinschaftsleben be- 
rührt, auf sie eingehen muss, ebenso allgemeiner und grund- 
legender Art εἰηά die Ermahnungen des Kap. 13, sodass 
beide sicher nicht durch besondere Verhältnisse der Römer- 
Bene veranlasst sind (Vgl. Näheres in d. Anm. zu V. 6). 

er unterscheidende Gesichtspunkt für dieselben ist, wie schon 
das zz&oa ψυχή V.1 andeutet, die Gestaltung des Einzel- 
lebens. Hier wird zuerst das Verhältniss des Einzelnen zur 
Obrigkeit ins Auge gefasst (V. 1—6), dann aber die Be- 
trachtung auf alle anderen Pflichtverhältnisse, in denen er 
steht, ausgedehnt (V. 7—10), und endlich die Reinigung und 
Heiligung des persönlichen Lebens gefordert (V. 11—14). 
Eine Verbindung mit dem Vorigen zu suchen, ist ganz ver- 
geblich, da Paulus selbst keine andeutet *). 

V. 1-6**. Ermahnung zur christlichen Unter- 
thänigkeit. — V. 1. πᾶσα ψυχή) vgl. 29, deutet an, da 


Ἢ So ist z.B. nicht zu sagen, die Rede von Privat-Beleidigungen 
leite ihn auf das Verhalten gegen die heidnische Obrigkeit (Tbhol. u. 
Aeltere), während dieselbe doch gar nicht als feindliche dargestellt 
ist; oder die Rede gehe von der Unterordnung unter Gott, dess die 
Rache sei, über zur Unterordnung unter die Vollstreckerin der gött- 
lichen ἐχϑδέκησις (Theod. Schott, vgl. Borger, Sand.), da doch das 
Exdıxos V. 4 mit der ἐχϑδίχησις 1219 gar nichts zu thun hat. Nach 
Hofm. geht Paulus vom allgemein menschlichen Zusammenleben auf 
das Verhalten in der staatlichen Ordnung über, welches auch zu dem 
Guten gehöre, womit man das Böse überwinden soll (ale ob die 
Christen die Staatsordnung einzusetzen hatten!,, nach God. vom 
Selbstopfer im geistlichen Leben zu dem im bürgerlichen, nach Otto 
vom Leben in der Gemeinde zum Leben im xoauos. Vor Allem ist 
festzuhalten. dass der Apostel keine Belehrungen über das Wesen des 
Staates oder der Obrigkeit geben, sondern von der Christenpflicht 
handeln will (vgl. Luth.). 

**, Ueber das Verhältniss dieses Abschnitts zu IPt 2ısf., das 
freilich nur nach einer umfassenden Vergleichung von Rom 12 u. 13 
mit dem Petrusbrief beurtheilt werden kann, vgl. Weiss, Petr. Lehrb. 
p. 416 ff. u. in StKr 1865, 4, und dagegen Möller, deutsche Ztschr. f. 
christl. Wiss. u. christl. Leben 1856. p. 309ff. Nach Meyer ist die 
Macht der Predigt des Apostels auf die Ausprägung der ältesten 
Kirchensprache, namentlich bei einem so absonderlichen Gegenstande, 
einflussreich genug gewesen, um auch einem Petrus unwillkürlich 


Röm 13:1. 2. 5239 


die ψυχή der Sitz der Individualität ist, dass die Paränese 
von den Gemeinschaftspflichten zu den Pflichten des Einzel- 
lebens übergeht (vgl. Sand.), und hebt hervor, wie jeder 
Einzelne als solcher nicht autonom, sondern nach göttlicher 
Ordnung über ihm stehenden Gewalten untergeben ist. In 
ἐξουσίαις wird der Begriff der Vollmacht und Befugniss, 
die einer über den Anderen hat (921), nach gut griechischer 
Metonymie (Dion. Hal. 8, 44. Ilse. Herodian 3, 3. 12. Lk 
1211) zum Ausdruck für die Träger solcher Vollmacht, und 
das ὑπερεχούσαις (Sap 66. IPt 21, vgl. IIMak 31: ἐν 
ὑπεροχῇ Ἀειμένος) deutet an, wie diese Vollmacht der that- 
sächlichen Stellung der Obrigkeit entspricht (vgl. unser: hohe 
Obrigkeiten). Ihre thatsächliche Ueberordnung ist es, welche 
Seitens jedes Einzelnen die entsprechende Unterordnung 
(ὑποτασσέσϑω, vgl. 87) fordert. — οὐ γάρ ἐστιν) motivirt 
die Forderung dieser Unterordnung zunächst dadurch, dass es 
Obrigkeit überhaupt nicht giebt, wenn sie nicht von Gott 
en ist (zur Sache vgl. Joh 1911), sodann aber hinsicht- 
ich der in concreto bestehenden, der thatsächlich vorhandenen 
(αἱ δὲ οὐσαι), durch Berufung auf ihre göttliche Einsetzung 
(ὑπὸ ϑεοῦ τεταγμέναι eiciv, vgl. ISam 227. IlSam u 
So schon Hom. ID. β, 204ff. ει, 38, 98. Soph. Phil. 140 al. 
Xen. Rep. Lac. 15, 2 ἢ. — V.2. ὥστε) vgl. 1... Aus 
dem über den Ursprung der Obrigkeit überhaupt und der 





Paulinische Anklänge zuzuführen. Nach God. haben beide Apostel 
in Rom über einen für die Leitung der Kirche so wichtigen Gegen- 
stand sich besprochen und die Ausdrücke des Paulus sich dem Geiste 
des Petrus eingeprägt. 

Ἢ Keinesfalls ist nur das obrigkeitliche Amt als von Gott ein- 
gesetzt gedacht (Chrys., Oecum. u. M.), sondern die Obrigkeit nach 
ihren konkreten Personen und Gliedern als den Trägern des gott- 
geordneten Amtes, die im Gesichtskreise des Apostels heidnische 
waren. Aber damit ist allerdings das göttlicha Recht der Obrigkeit 
ausgesprochen, was insbesondere christliche Fürsten durch »von Gottes 
Gnaden« (seit Ludwig dem Frommen) bezeichnen. Kasualfragen, wie 
sich der Christ in politischen Katastrophen zu verhalten, welche 
Obrigkeit er in solchen Zeiten für die οὖσα ἐξουσία anzusehen habe; 
desgleichen wie er, wenn das Gebot der Obrigkeit wider Gottes Gebot 
ist, jedenfalls Gott mehr gehorchen solle als den Menschen (Act 53) 
u. 8. w., lässt Paulus hier unberücksichtigt. — Das πᾶσα ψυχή geht 
also auch hier nicht auf das Seelenwesen als Sitz der bewussten 
Empfindung von Lust und Unlust und der entsprechenden Triebe 
(Meyer), ἘΣ ΗΕ gar darauf, dass die Unterordnung von Herzen ge- 
schehen soll (Volkm.: mit Ueberwindung des religiösen Hasses), auch 
nicht bloss darauf, dass sich keiner dieser Pflicht überboben dünken 
soll (Hofm., Böhmer), oder dass sie in dem gemeinmenschlichen Wesen 
wurzle (God., Otto). Damit, dass man den Ausdruck als hebraisirend 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 34 


580: Röm 13. 3. 


thatsächlich bestehenden insbesondere Gesagten folgt, dass der 
Widerstand gegen die Obrigkeit, das Verhalten des ὁ avrı- 
τασσόμενος (Est 34), als Gegensatz des ὑποτάσσεσϑαι, 
Widerstand gegen die Ordnung Gottes, die δεαταγή (Esr 4ıı. 
Act 7se), die durch das zerayu. εἰσ. V.1 zu Stande gekommen, 
ist. — ἑαυτοῖς) Dativ. incomm., wie 25, hebt hervor, wie die 
Widerstand Leistenden (οἱ ἀνθεστηκότας) es sich selbst, 
d. h. ihrem gottwidrigen Thun zuzuschreiben haben werden, 
wenn sie ein Urtheil, natürlich, wie 2af. 38, ein Strafurtheil, 
empfangen. Während jeder Widerstand gegen die Obrigkeit 
doch davon auszugehen pflegt, dass man sich durch sie (ins- 
besondere ihr Urtheil) geschädigt glaubt oder geschädigt zu 
werden fürchtet, fügt de Einzelne in Wahrheit durch die 
Pflichtverletzung, die in jenem Widerstand liegt, nur sich 
selber Schaden zu. Daraus, dass dieser Widerstand als Wider- 
stand gegen die Ordnung Gottes bezeichnet ist, erhellt, dass 
sie von diesem das χρίμα empfangen werden, aber durch die 
ἄρχοντες (V.3), sodass nicht an ewige (Reiche u. M.), sondern 
an zeitliche Strafe gedacht ist, welche Gott durch die Obrig- 
keiten verhängen lässt, Zu λήψονται vgl. Mk 120. J 

83: ἢ. — V. 3f. begründet, dass der Widerstand gegen diese 
göttliche Ordnung lediglich sich selbst schädigt, sofern die 
Obrigkeit erst dann ein Gegenstand der Furcht wird, wenn 
man durch Bösethun (wie es jene Widersetzlichkeit involvirt) 
ihre Strafe statt ihre Belobung provozirt. — οἱ γὰρ ἄρχον- 
τες) vgl. Ex 227. Din 171. Act 31. 46. Die Herrscher 
sind ein Gegenstand der Furcht, ein Schreckniss (φόβος 
metonymisch, wie Jes 812. Job 8:19, vgl. Lobeck, Paralip, 
p. 513) nicht für das gute Werk (τῴ ἀγαϑῷ ἔργῳ, 


bezeichnet (Lips.), ist die Wahl desselben natürlich nicht erklärt. 
Die ungewohnte Verbindung des εἶναι mit ὑπό (vgl. Bar 437), wie die 
scheinbare Tautologie veranlasste die Verwandlung desselben in «zo 
(Rept. nach DEFG, Meyer), auch das sfovaı nach ovoaı und der 
Art. vor dem zweiten ϑέου (Rcpt.) sind nach entscheidender Be- 
zeugung zu streichen. 

Ὁ Ganz willkürlich will Hofm. (welcher im Schriftbew. II, 2. 
p. 443 gar einen Gegensatz zu τῷ χυρίῳ, wie 14ef., eintrug) eine Be- 
deutung des ἑαυτοῖς dadurch gewinnen, dass er den Gedanken ein- 
trägt, die zu erleidende Strafe sei ein Gericht, welches die Thäter 
ersönlich betreffe und nicht auf Rechnung ihres Christenstandes 
omme. Otto, Böhmer suchen einen Gegensatz zwischen ihrem Ur- 
theil (?) über die Obrigkeit und dem, welches sie sich zuziehen. 
Rück., Phil, God. wollen das xgiu« nicht näher bestimmt haben, 
während doch die Begründung in V. 8, die nicht auf V. 1 bezogen 
werden kann, wie auch Reiche will, schlechthin fordert, dass an das 
Urtheil gedacht wird, das die Obrigkeit im Namen Gottes fällt. 


Röm 133. 4. 581. 


kollektivisch, wie 27), sondern für das böse. — ϑέλεις 
δέ) Das einfache μεταβατιχόν leitet einen Vordersatz in kate- 
gorischer Form ein (s. z. IKor Tır und Pfliugk ad Eur. Med. 
386), was dein ruhigen Gange der Erörterung allein entspricht: 
Du willst aber die Obrigkeit nicht fürchten. So thue das 
Gute, und Du wirst Lob von ihr haben ἢ. Richtig übrigens 
Grot.: »Cum haec scriberet Paulus, non saeviebatur Romae in 
Christianos«.. Es war noch die bessere Zeit des Neronischen 
Regiments. Doch hat der Satz allgemeine Gültigkeit, welche 
in der gottgeordneten Stellung der Obrigkeit beruht und durch 
deren empirische Ungerechtigkeiten, die Paulus selbst so 
reichlich erfahren hatte, nicht aufgehoben wird. Vgl. IPt 2u. 
— V.4. 9800 γὰρ dıaxovos) Femin., wie Dem. 762, 4 u. 
öfter. Als Gottes Dienerin ist die Obrigkeit Dir zu Gute 
(σοὶ εἰς ἀγαϑόν, vgl. 8%) da; Du hast sie also nicht zu 
fürchten, sondern von Ihr nur das Lob zu erwarten, dass sie 
berufsmässig Deinem Gutesthun ertheilen wird. — ἐὰν δέ 
xrA.) wenn Du aber das Böse thust, so fürchte Dich; denn 
nicht ohne entsprechenden Grund (εἰ κῇ, wie Kol 2:18 und oft 
bei Griechen), sondern, um es erforderlichen Falls auch wirk- 
lich zu brauchen, trägt sie das Schwert. Auch bei Griechen 
wird das Tragen des Schwertes (Philostr. vit. Ap. 7, 16) von 
den Obrigkeiten zur Darstellung der Strafgewalt ausgesagt, 


*) Künstlicher und nicht unbedenklich fasst Meyer den Zu- 
sammenhang auf: »Denn wenn der Widerstand gegen die ἐξουσέα die 
göttliche Strafe nicht nach sich ziehen sollte, so müsste es sich mit 
der Stellung der Oberen gegen die Unterthanen so verhalten, dass 
man sich beim Guthandeln vor ihnen zu fürchten hätte (was ja die 
göttliche Ordnung aufhöbe). Wären die Träger der obrigkeitlichen 
(rewalt ein Schrecken der guten Werke, so träte die Maxime des 
Widerstandes (Gott mehr gehorchen als den Menschen) in ihr Recht, 
und ınan ınüsste mit Neoptolemus Ὁ. Soph. Philoct. 1235 (1251) sagen: 
ξὺν τῷ διχαίῳ τὸν σὸν οὐ ταρβὼ yoßor«. Vgl. auch God., der sich 
darauf beruft, dass die Obrigkeit, selbst wenn sie fehlt, doch immer 
das Gute nicht als Gutes bestraft (vgl. Otto), und durch ihre »sitt- 
liche Mission«< begründet, dass die Empörung ein Verbrechen sei. 
Aber zu dieser Fassung der Begründung schickt sich schon das 
Vorantreten des negativen Gliedes nicht. Die Reflexion beider darauf, 
dass die Befugniss der Obrigkeit nicht über das Wort hinaus in die 
(Gesinnung hineinreicht, liegt hier ganz fern. Fern liegt auch dem 
Apostel die Reflexion, dass ohne Äufrechterhaltung der sittlichen 
Ordnung selbst ein heidnisches Staatswesen nicht bestehen kann 
(Lips). Das ϑέλεις fragend zu fassen (Beza. Calv. u. A., vgl. noch 
Ew., Hofm., Tisch., Lips., Sand.), ist unnöthig und zerstückelt die 
Rede. So wenig wie 239. IKor 45 heisst ἔπαιρος: Lohn (Calv. u.M.). 
— Die Rcpt. hat των αγαϑὼν ἔργων alla raw χαχων (EL) statt des 
Dat. Sing. 


34 * 


5323 Röm 1384. 5. 


insbesondere des jus vitae et necis. Sie trugen es selbst, und 
bei feierlichen Aufzügen ward es ihnen vor a Ueber 
den Unterschied von φορέω (die Beständigkeit des Tragens 
als eines spezifischen Attributs, vgl. IKor 15s. Mt 118. 
Jak 28) und φέρω s. Lobeck, ad Phryn. p. 585; zu μάχαιρα 
vgl. 85. Als Begründung der Versicherung οὐχ δἰχῆ τ. u. @ 
wird der schon vorher ausgesprochene Satz (ϑεοῦ γὰρ dıa- 
x0v0g ἐστιν) noch einmal mit Nachdruck wiederholt, aber 
ihm nun seine strafende Beziehung beigegeben. — Exdıxos 
εἰς ὀργήν) als Rächerin (Sap 1212. JSir 306. Herodian. 
7,4. 10. Aristaenet. 1, 27) behufs Zornes (zu Zornvollziehung) 
für den, welcher das Böse treibt (zeaooovrı, vgl. 1.2). Der 
Dativ gehört zu ἔχδικος eis ὀργήν, und letzteres ist eben darum 
keineswegs »überflüssig und lästige (de W.), sondern den 
Gedanken verstärkend, gleichsam den »Rächer von Amts- 
wegen« (God.) bezeichnend. Die ὀργή schlechthin ist natürlich 
auch hier, wie 1219, der göttliche Zorn ἢ). 

V.5f. διό) vgl. 21; darum, weil sie als Gottes Dienerin 
das Gute belobt und das Böse bestraft, ist es nothwendig 
(ἀνάγκη sc. ἐστίν, vgl. Mt 187. Hbr9ıe. 23), sich (der Obrig- 
keit) unterzuordnen (V. 1), nicht nur um des Zornes willen, 
dessen Vollstreckerin sie nach V. 4 ist, sondern um des Ge- 
wissens willen (dı@ τὴν συνείδησιν, vgl. 216. 91), d.h. 
weil sonst das Gewissen uns verklagen, uns einer Sünde wider 
Gott zeihen würde ἢ. Treffend Melanth.: »Nulla potentia 
humana, nulli exercitus magis muniunt imperia, quam, haec 
severissima lex Dei: necesse est obedire propter conscientiam«. 


*) Das εἰς τὸ ἀγαϑόὸν (in B fehlt der Art.) nimmt Goeb. fälschlich 
vom sittlich Guten, Lips. von der Aufrechterhaltung von Recht und 
Ordnung. Das τῷ χαχὸν πράσσοντι ist weder von ἐστίν abhängig 
(Hofm.), noch von ὀργήν (Flatt). Otto nimmt ἔχδεκος in umfassenderem 
Sinne von dem, der das Recht wahrnimmt. Meyer sagt: »Uebrigens 
beweist d. St. (vgl. Act 2811), dass die Aufhebung des Rechtes der 
Todesstrafe der Obrigkeit eine Gewalt entzieht, die ihr nicht bloss 
im AT gegeben, sondern auch neutestamentlich entschieden enge 
ist, und die sie (darin liegt die heilige Schranke und Verantwortlich- 
keit dieser Gewalt) als Gottes Dienerin besitzt, weshalb aber auch 
ihre Anwendung nur für solche Rechtslagen, in denen es die that- 
sächliche Sühne der göttlichen Nemesis schlechthin fordert, prinzipiell 
festzustellen, und dabei für alle konkreten Fälle noch das Be- 
gnadigungsrecht offen zu erhalten ist. Das Merkmal des Unchrist- 
ichen, der Barbarei u. s. w. haftet nicht an dem Rechte selbst, 
sondern an dessen Missbrauch in Gesetzgebung und Praxis«. 

**) Das διό weist also nicht auf alles bisher Gesagte zurück 
(Meyer, Böhmer), sondern auf V. 3f. Die beiden διά hängen nicht 
von ὑποτάσσεσϑαι (Phil.), sondern von ἀνάγχη ἐστίν ab. 


Röm 13e. 588 


— V. 6. διὰ τοῦτο γάρ) kann nur auf die V. 5 erwiesene 
moralische Nothwendigkeit des Unterthangehorsams gehen, 
welche sich auch (καί, etiam) in der Steuerzahlung aus- 
spreche. Auch diese leisten die Christen nicht bloss, weil sie 
dıe Strafe der Steuerverweigerer fürchten, sondern weil ihr 
Gewissen es ihnen als Sünde anrechnen würde, wenn sie die 
Steuern nicht zahlten. Sie bezeugen damit also selbst, dass 
sie die Unterordnung unter die Obrigkeit für eine Gewissens- 
flicht halten. Zu φόρους vgl. Esr4mw. Nehd5«. IMak 8«. 
Ik 202; zu reisire Plat. Alc. I. p. 123A. Mt 1752. ἢ. — 
λειτουργοὶ γὰρ ϑεοῦ εἰσίν) Eben weil das Steuerzahlen 
der Christen auf dieser Qualität der obrigkeitlichen Personen 
beruht, geschieht dasselbe nicht nur δεὰ τὴν ὀργήν, sondern 
διὰ τὴν συνείδησιν V. Ὁ. Und zwar wird der anke, dass 
die Obrigkeit ϑεοῦ διάκονος sei (V. 4), hier klimaktisch durch 
λειτουργοί (welches deshalb auch mit Nachdruck vorangestellt 
ist) näher bestimmt, um die Dienstleistung, welche der Obrig- 
keit im Dienste Gottes obliegt, zugleich als öffentlichen Dienst 
zu bezeithnen, der dem Gemeinwohl zu Gute kommt (vgl. 
Luth.). Natürlich ist Aeır. 9. Prädikat. und das Subjekt ver- 
steht sich aus dem Kontexte von selbst: sie, nämlich die 
obrigkeitlichen Personen (ns ἄρχοντες), welche noch ausdrück- 
lich näher bezeichnet werden als solche, die für eben diesen 
Zweck (eig αὐτὸ τοῖτο, wie 9ır), nämlich für das Dienen 
am Gemeinwohl, beharrlich thätig sind. Vgl. zum absoluten 
σεροσχαρτερεῖν Num 13%. Xen. Hell. 7, 5, 14 *). 


*) Unmöglich kann dies διὰ τοῦτο γάρ mit a ende von 
V, 5 auf V. 4 zurückweisen, wie nach Calv., Frtzsch., Thol.,, de W., 
noch Borger, Goeb., Otto, Zimmer wollen; auch sachlich aber ist es 
ganz unpassend, dass die Steuerpflicht gerade auf die sittlichen 
Funktionen der Obrigkeit zurückgeführt sein sollte. Schon das διὰ 
τοῦτο weist offenbar auf das doppelte διά in V. 5 zurück. God. will 
das xaf auf die ganze Entwickelung von V.2 an beziehen (vgl. Lips.), 
Hofm. legt speziell hinein: >auch diese äusserliche Leistung der 
Unterthänigkeit», was der Text nicht darbietet. Ganz unmöglich ist 
die imperativische Fassung des releire (Mor., Thol., Klee, Reiche, 
Kölln., Hofm.), die ja dem Folgenden (V. 7) vorgriffe. 

**) Obwohl in den LXX Asırovoyös allerdings reines Synonymon 
von διάχονος ist (Jes 11. IBeg 105. Jes61s. Ps 10221. Neh 1040. 
IIChr 94) in den mannigfaltigsten Beziehungen, so kann es hier doch 
nicht so genommen werden (Otto), weil sonst der Wechsel des Aus- 
drucks unbegreiflich bliebe. Ganz unmotivirt ist es aber, darin die 
Andeutung eines priesterlichen Dienstes (Meyer, Volkm., God., Goeb., 
Zimmer, Böhmer), insbesondere des Einsammelns der Opfergaben, 
womit sie einen Opferdienst Gottes vollbringen (Lips.), oder mit Hofm. 
ihr Thun als Erfüllung einer ihnen auferlegten Verpflichtung be- 
zeichnet zu finden, während die oben angenommene Bedeutung echt 


534 Röm 186. 


Anmerkung. Vergeblich hat man nach einem besonderen An- 
lass dieser Ermahnungen in den Verhältnissen der Römischen Ge- 
meinde gesucht. Eine Bestreitung des ebjonitischen Dualismus (Baur 
I. p. 384f. und noch Volkm.), nach welchem die weltliche Obrigkeit 
ungöttlichen, teuflischen Ursprungs war, würde eine ganze andere 
prinzipielle Polemik erfordert haben. Wenn man aber zu Gunsten 
der Annahme judenchristlicher Leser geltend macht, dass nur solche 
geneigt sein konnten, auf Grund von Dtn 1715 die Berechtigung der 
Römischen Obrigkeit zu bestreiten und ihr den Gehorsam zu ver- 
weigern (vgl. wieder Mang. p. 226—237), so übersieht man doch, 
dass wohl die Juden im heiligen Lande (an die Böhmer wirklich 
denkt!) und in der Theokratie Israels jedem Anderen als Jehova das 
Recht zur Herrschaft abstreiten konnten, und auch da doch nur, 80 
lange sie nicht erkannten, dass Gott selbst das ungehorsame Volk 
in die Hände der Feinde dahin gegeben habe, dass sie aber auch 
nicht den leisesten Schein eines religiösen oder nationalen Rechtes 
hatten, in Rom oder anderswo in der Diaspora das Regiment des 
Römischen Kaisers zu bestreiten, dem auch sie, solange sie dort frei- 
willig wohnten oder wohnen mussten, unterworfen waren (vgl. Pfleid. 
a. a. Ο. p. 491). Vergeblich beruft sich Hilg. (a. a. O. 86, 4. p. 412) 
auf die jüdischen Apokalypsen, die doch nur für die Messianische 
Vollendungszeit die Weltherrschaft für ihr Volk erwarten. Wenn 
Lips. an den unruhigen, zu Tumulten geneigten Geist der Römischen 
Judenschaft erinnert (vgl. auch Sand.), so beweist dafür Suet. Claud. 25 
nach seiner eignen Deutung (Einl. p. 77) garnichts, und Cass. Dio 60, 6 
obnehin nichts. Selbst Mang. spricht nur die völlig vage Vermuthung 
aus, dass die vielfachen Bedrängnisse der Juden in der Diaspora 
doch auch durch Ausschreitungen dieser hervorgerufen sein werden 
(p. 337 f.). Gegen die Behauptung, dass Paulus die Römischen Christen 
heidnischer Abkunft ohne besonderen Anlass nicht könne zum Ge- 





griechisch ist. Das eis αὐτὸ τοῦτο hängt natürlich von προσχαρτ., 
nicht von λειτουργοί (Hofm., God.) ab und geht weder auf φόρους rel. 
(Olsh., Phil., Luth. nach Aelteren), dem man dann immer die Ver- 
waltung der entrichteten Steuern unterschieben muss, noch auf die 
V. 4 bezeichnete Bestimmung der Obrigkeit (Hofm., Volkm. p- 103, 
Beck, God., welcher darin angedeutet findet, dass die Obrigkeit ihre 
ἔλατο Zeit diesem Zweck widmet und darum nicht selbst für ihren 

nterhalt sorgen kann, von dem doch gar nicht die Rede, und der 
doch keineswegs der einzige oder auch nur der Hauptzweck der 
Steuerzahlung ist, (Goeb., Zimmer, Otto). Statt eis αὐτὸ τοῦτο hätte 
Paulus auch αὐτῷ τούτῳ (1213) sagen können; er hat aber προσχαρτ. 
absolut gedacht und mit εἰς dessen Zweckbestimmung gegeben. Ganz 
wunderlich nehmen Reiche, Kölln., Olsb. προσχαρτεροῦντες als Subjekt, 
und Böhmer gar Asırovpyul ϑεοῦ, womit die Christen gemeint seien, 
welche die Steuerpflicht zu erfüllen immer besonders beflissen seien. 


Röm 186. 1. 6535 


horsam gegen die Obrigkeit ermahnt haben, spricht unwiderleglich 
IPt 2ısff., wenn man diesen Brief, wie gewöhnlich, an Heidenchristen 
gerichtet sein lässt; denn 215 erscheint durchaus nicht als die »Ver- 
anlassung« dieser Ermahnungen (Hilg. a. a. O. 8. 414), sondern als 
der Grund, weshalb man nach Gottes Willen durch Gehorsam gegen 
die εἰς Enaıvov ἀγαϑοποιὼν gesandte Obrigkeit sich dieses Lob erwerben 
soll, das doch in den Zeiten einer allgemeinen Christenverfolgung, in 
welche Hilg. den Brief versetzt, ohnehin für Christen nicht mehr zu 
erwarten war. Freilich setzen diese Ermahnungen auch bei den 
Heidenchristen keineswegs »verkehrte Freiheitsgedanken und Eman- 
zipationsgelüste« (Th. Schott, vgl. Meyer mit Berufung auf IKor 6ıff., 
theilweise auch Otto), eine prinzipielle Entfremdung der Christen als 
Glieder der Gemeinde Gottes und Christi von dem staatlichen Gemein- 
wesen, wie sie Hofm. aus davrois V. 2 herauskünstelt, oder eine Ge- 
ringschätzung der bestehenden Gesellschaftsordnung aus chiliastisch- 
eschatologischen Motiven (Weize., Pfleid. p. 492) voraus, da jede Ein- 
schärfung der Unterthanenpflicht in einem Zusammenhange, in welchem 
sich die Paränese auf rein religiöse Motive gründet, nothwendig die 
göttliche Einsetzung der Obrigkeit betonen musste, auch ganz abge- 
sehen davon, ob dieselbe irgendwo und -wie bezweifelt oder bestritten 
war. Vgl. auch God. 


V. 7—10. Ermahnung zu allseitiger Pflicht- 
erfüllung. — Nur daraus, dass hier die Liebe nicht unter 
den Gesichtspunkt der Bedürfnisse des Gremeinschaftslebens, 
sondern unter den der Pflichterfüllung (vgl. God.), die der 
Einzelne schuldet, gestellt ist, erklärt sich die auflallende 
Rückkehr zu der Kap. 12 so ausführlich besprochenen ayazıy. 
— . 1. ἀπόδοτε πᾶσιν ὀφειλάς) vgl. IKor 78: Teiste t 
Allen, was Ihr ihnen schuldig seid, erfüllt Eure Verpflichtungen 

egen sie. Da der Vers asyndetisch anhebt, kann er uicht 
je ermahnende Anwendung von V. δ. bringen, und schon 
darum sich nicht bloss auf alle obrigkeitlichen Personen be- 
ziehen (so Meyer, Hofm., God. Luth., Otto, Sand. u. d. M.), 
welche in Steuer-, Zoll-, Justiz- und andere Beamte zu theilen 
doch ohnehin auffallend überflüssig wäre, sondern nur auf alle 
Menschen überhaupt (Estius, Reiche, Glöckl, vgl. auch Ἐν. 
Beck, Goeb., Böhmer, Lips). Dagegen spricht keineswegs 
die folgende Spezifikation, die ganz naturgemäss zunächst an 
das V. 6 Besprochene anknüpft, aber im Folgenden ent- 
schieden darüber hinausgeht. Die Bedekürze ın τῷ τὸν 
φόρον τὸν Dee lässt sich streng grammatisch nicht recht- 
fertigen. Aus dem Begriff der ὀφειλή entnimmt Paulus die 
Vorstellung eines, der etwas zu fordern hat, und eines, der das 
Geforderte leistet, was wir allerdings nur durch die Ergänzung 


586 Röm 181. 8. 


eines ἀποδιδόναι χδλδύοντι oder ἀπαιτοῦνει wiedergeben 
können (Win. ὃ 64, 4. Buttm. p. 338. Von den Steuern, 
welche von Personen und Grundstücken erhoben werden 
(φόρος, vgl. V. 6), unterscheidet er den Zoll auf Waaren 
(τέλος, vgl. IMak 10sı. 1186. Mt 17%). Das τὸν φόβον 
kann aber neben dem 121 für Alle ohne Ausnahme ge- 
forderten τὴν τιμήν nur die Furcht bezeichnen, welche in 
jeder Art von Unterordnungsverhältnissen sich dem Höher- 
gestellten gegenüber geziemt, dessen Würde und Gebot man 
zu verletzen, und dessen Zorn man zu erregen fürchten soll *). 
— V.8. undevi μηδὲν etc.) negativ dasselbe, was V. 7 
Ber gesagt war, weshalb auch dieses nur auf das Ver- 
ältniss zu Jedermann bezogen werden kann. Schon durch 
diese Parallele, entscheidend aber durch die subjektiven Ne- 
gationen (vgl. dagegen Diog. Laert. 3, 43: ὀφείλω δ᾽ οὐδενὶ 
οὐδὲν) ist ὀφείλετε (Prv 140. Jes 242. IKor 117. ıo. IIKor 
1214) als Imperativ bestimmt: »Lasset bei Keinem irgend eine 
Schuldigkeit unerfüllt, das wechselseitige Lieben ausgenommen« 
worin Ihr Eure Schuldigkeit nie völlig abthun weder könnt 
noch sollt. Die Unerschöpflichkeit der Liebespflicht, deren 
Ansprüche mit der Erfüllung sich nicht erledigen, sondern 
erneuern und häufen, ist ausgesprochen. Das Akumen liegt 
darin, dass ögeilere auf die äusseren Leistungen geht, zu 
denen man verbunden ist (»obligatio civilis«, Melanthı), und 
die ihrer Natur nach begrenzt sind, während das nach & μῇ 
zu ergänzende ὀφείλετε natürlich nicht objektiv (bleibt Euch 
die Liebe schuldig!), sondern subjektiv zu nehmen ist, nämlich 
von dem Bewusstsein der Unabtragbarkeit der Liebesschuld, 
des debitum immortale (Beng.), bei welchem sich mit dem 
uotidie solvere das semper debere verbindet (Orig.). — ὁ γὰρ 
γαπῶν τὸν ἕτερον) begründet diese Unabzahlbarkeit der 





Ἢ Das οὖν der Rcpt. ist nach NABD als Verbindungszusatz zu 
streichen und auch sachlich unpassend. Hofm. will bei dem τῷ τὸν 
φόρον os ergänzt wissen, Beck nach Beza ὀφειλομένῳ. Die 
gewöhnliche Umsetzung des τῷ in ᾧ scil. ὀφείλετε ist unmöglich, noch 
unmöglicher freilich die Ergänzung von Otto: τῷ τὸν φόρ. ὀφείλοντι 
λέγω" ἀπόδοτε οἷο. Bei φόρος denkt Sand. speziell an den Tribut 
einer unterworfenen Nation, bei τέλος Heinrici (StKr 1881, p. 519 ff.) 
an den Einschuss in die Gemeindekassen. Das φόβον speziell auf 
Justizbeamte (de W., Phil., Hofm.) oder höhere Magistratspersonen 
(Meyer, God.) zu beziehen, ist reine Willkür; es scheitert eben an 
ihm, wie noch zweifelloser an dem τὴν τεμὴν die engere Fassung des 
πᾶσιν. Dass Paulus die Schuldigkeiten, zu deren Ableistung er auf- 
fordert, in sachliche und persönliche scheidet, erhellt durchaus nicht, 
da ja die zur Steuer- und Zollerhebung bestimmten Beamten ebenso 
wie alle anderen φόβος und τιμή verlangen können. 


Röm 18 8---10. 587 


Liebesschuld damit, dass das Lieben des Anderen, mit dem 
man es zu thun hat (21. 21),) als solches, und nicht eine 
einzelne Liebeserweisung es ist, womit es zu wirklicher Ge- 
setzeserfüllung gekommen, d.h. zur Erfüllung dessen, was wir 
dem Nächsten schuldig sind. Nur so erklärt sich das artikel- 
lose νόμον, das auch hier unmöglich das Alttestamentliche 
Gesetz (so gew.) bezeichnen kann, und das Perfectum zve- 
τλῆ Ὁ γεν (vgl. 8). So mit Recht Lutb., Goeb., Sand. 
u. A.*). 


V.9 begründet dies dadurch, dass das Gebot des Liebens 
nur die Zusammenfassung aller Verpflichtungen gegen den 
Nächsten ist. — τὸ γάρ) wie 8%, substantivirt die einzelnen 
folgenden dekalogischen Gebote Ex 20 18. 1.15. 17, die aber 
hier nicht als Gebote des Mosaischen Gesetzes, sondern nur 
als Gebote der Nächstenpflicht überhaupt in Betracht kommen, 
wie deutlich das xai 8? τις ἑτέρα ἐντολὴ zeigt, das ja 
nicht die anderen Gebote des Mosaischen Gesetzes, sondern 
jedes andere Gebot, das eine Pflicht gegen den Nächsten aus- 
drückt, einschliessen will. — ἀναχεφαλαιοῦται) συντόμως 
καὶ ἐν βραχεῖ τὸ πᾶν anagrilera τῶν ἐντολῶν τὸ ἔργον, 
Chrys. Es wird in dem Worte Lev 19:18 in einen Haupt- 
begriff, als in die Summe alles Einzelnen zusammengefasst 
.(vgl. das Simpl. Sir 32, 18 und Eph 1). Zur Sache vgl. 
Gal ὅμ. Mt 22»f. — V. 10. Da die Liebe dem Nächsten 
Böses überhaupt nicht anthut, also nichts, was irgend ein 





| mn 


*) Das Akumen der Stelle wird nur verwischt, wenn man mit 
Frtzsch. (vgl. B.-Crus., Krehl) das zu ergänzende ὀφεέλετε willkürlich 
in debere censete verwandelt. Die indikativische Fassung von Reiche 
(so auch Seml., Koppe, Rosenm., Böhme, Flatt; vorschlagsweise schon 
Erasm.): »Alle Eure Verbindlichkeiten kommen zurück auf die Liebe« 
— ist entschieden unrichtig. Hofm. verbindet ro» ἕτερον νόμον im 
Sinne von: das anderweitige, das übrige Gesetz. Aber der Sprach- 

ebrauch von ἕτερος und ἄλλος im Sinne von: sonstig (8. darüber 
rüger 2. Xen. Anab. 1, 4, 2. Nägelsb. 2. Ilias p. 250f.) ist hier 
ganz unanwendbar; den Singul. ὁ ἕτερος kollektiv zu denken (unter 
unpassender Berufung auf Rost ὃ 98B. 3, 5), ist unmöglich: ἕτερος 
νόμος könnte nur ein anderes (zweites) Wesetz sein (vgl. 728), also 
ὁ ἕτερος v. das bestimmte andere von zweien: Kühner 8465, 10. Von 
der Beziehung auf das mosaische Gesetz aus findet Lips. unverkennbar 
den Seitenblick auf solche, die noch eine andere (sesetzeserfüllung 
als die hier gemeinte forderten (rel. Hilg. a.a.0. 8. 415), aber gerade 
dann müsste es doch nothwendig heissen: das ganze Gesetz. Nach 
obiger Darstellung ist auch m. Ausführung in den Paul. Briefen 
. 109 zu berichtigen. Die Begründung liegt nicht bloss in der 
oben Würde und Bedeutsamkeit der Liebe (Meyer) oder in ihrem 
Charakter als Universalgebot (Otto). Die Rept. stellt das αλληλοὺυς 
hinter ἀγαπαν (L). 





.588 Röm 18 10. 11. 


Gebot (V.9) ihm zu thun verbietet, so erhellt auch von dieser 
‚Seite, dass sie Gesetzeserfüllung ist. Den Kommentar dazu 
‚giebt IKor 134:—r. ἐργαζεσϑαι mit τινί τι statt mit 
τινά τι findet sich auch, obwohl nicht oft, bei Griechen; vgl. 
IIMak 14%. Eur. Hec 1085 u. Kühner ὃ 411,5. Anm. 6*). 
Das πλήρωμα οὖν νόμου ἡ ἀγάπη kehrt nach dieser 
-doppelseitigen Begründung zu dem Schlusssatz des V. 8 
zurück. Auch hier kann die Meinung nicht sein, dass durch 
die Liebe das Mosaische Gesetz erfüllt werde, das ja noch 
viel Anderes verlangte, als dem Nächsten nichts Böses zu 
thun, und dessen Erfüllung ja, da es nach Kap. 7 für den 
Christen seine Geltung verloren hat, kein Motiv für die For- 
derung der Liebe sein könnte. Es handelt sich im Kontext 
ausschliesslich um die Erfüllung der Schuldigkeit gegen den 
Nächsten, welche die Gerechtigkeit fordert (vgl. God.), und 
wenn die Liebe diese in keiner Weise verletzt, so ist sie eben 
in ihrem Wesen Gesetzeserfüllung, d. h. das, wodurch jede 
Verpflichtung gegen den Nächsten (ὀφειλή) erfüllt ist **). 

. 11—14. Ermahnung zur christlichen Selbst- 
zucht. — «ai τοῦτο) vgl. IKor 66 8, unser: und das, d. i. 
und zwar, zumal da Ihr u. s. w. Es fügt etwas besonders 


*, Da auch Mk 1018. Lk 18». Jak 2ıı. Phil. de decal., Clem. 
Al. Strom. 6, 16 das 6. Gebot dem fünften vorangeht, wird diese 
Anordnung schwerlich darauf beruhen, dass Paulus gerade in seinen 
Handschriften der LXX (wie jetzt Cod. B) diese Ordnung vor- 
fand (Meyer), sondern auf einer damals traditionell gewordenen 
Reihenfolge (Otto). Willkärlich leitet Hofm. (vgl. God.) dieselbe 
daraus ab, dass das Verhältniss von Mann und Weib nach der 
-Schöpfungsordnung früber ist, als das von Mensch und Mensch u. 8. w., 
was Ja auch die Nachstellung des 4. Gebotes zur Folge haben müsste. 
Die Rept. vervollständigt die Aufzählung durch οὐ ψευδομαρτυρήσεις 
(NP), stellt das τουτω vor τω Aoyw ( ALP WH. a. R.) und hat gegen 
entscheidende Zeugen ws £aurov (Meyer). Das ἐν τω nach avaxey. 
feblt in BFG und wird von Trg., wH eingeklammert. In der That 
lag seine Hinzufügung viel näher als seine Weglassung wegen »seiner 
auffallenden Entbehrlichkeit«e (Meyer). Irrig findet Meyer in dem 
ἀναχεῴ., dass es die vorher aufgeführten Gebote rekapitulirt. Ganz 
seltsam zieht Böhmer dag ἐν τῷ Aöy. tour. zu εἴ τες ἑτέρα ἐντολή und 
bezieht es darauf, dass manche in dem mit οὐχ ἐπεϑυμήσεες einge- 
führten Worte zwei Gebote fanden (9 u. 10), während doch Paulus 
‚auf den Wortlaut des Mos. Gesetzes als solchen hier überhaupt nicht 
reflektirt. 

**) Bemerke, dass πλήρωμα nicht gleich πλήρωσες ist, nicht den 
Akt der Erfüllung bezeichnet, sondern id quo lex impletur. Andere 
Fassungen von πλήρωμα (»id quod in lege summum est«, Ch. Schmidt, 
Rosenm.; »plus enim continet quam lex, est everriculam omnis in- 
justitiae«, Grot.; der das Gesetz erfüllende Inhalt, das Wesen des 
Gesetzes, Otto) sind kontextwidrig. 


Röm 1311. 639 


Bemerkenswerthes, hier einen noch sonderlich zu beachtenden 
Bestimmungsgrund, dem Vorherigen zu. S. über diesen auch 
bei Klassikern (die jedoch häufiger χαὶ ταῦτα sagen) gang- 
baren Gebrauch Hartung I, p. 146. Bäuml, Partik. p. 147. 
Das τοῦτο weist auf die V. 8 ausgesprochene und V. 9f. er- 
läuterte Vorschrift zurück, an die, weil sie der Vorstellung 
des Schreibenden wieder gegenwärtig, sich das εἰδότες an- 
schliesst. Vgl. auch Beck, Lips. Gerade zur allseitigen Pflicht- 
erfüllung, die sich in der Liebe zusammenfasst, mahnt der 
nahende Tag des Heils, an dem ja nur die pflichttreuen Diener 
Christi Antheil empfangen können. Auf die Bekanntschaft 
der Christen (εἰ δότες, wie ds. 69) mit der gegenwärtigen 
Zeitlage (τὸν χαιρόν, wie de), welche die Nähe der End- 
entscheidung gewiss macht, verweist also der Apostel, um den 
ganzen Ernst der vorigen Ermahnung fühlbar zu machen: da 
Ihr den (gegenwärtigen) Zeitpunkt kennt, nämlich hinsichtlich 
seines erwecklichen Charakters ἢ. — ὅτε ὥρα) scil. ἐστίν, 
vgl. Joh 122. 17ı, Epexegese von eidor. τὸν καιρόν: dass es 
nämlich rechte Zeit ist, dass Ihr endlich (ohne länger damit 
zu warten, s. Klotz ad Devar. p. 600) vom Schlafe aufstehet. 
Das ἤδη gehört also nicht zu ὥρα, sondern zu ἐμᾶς ἐξ 
ὕπνου ἐγερϑῆναι (vgl. Mt12), und dieses bezeichnet nicht, 
was zu dieser Stunde schon geschehen sei (Beck), sondern 
was geschehen soll. Eben darum kann ὕσενος nur einen Zu- 
stand bezeichnen, in welchem die wahre sittliche Lebensthätig- 
keit noch von der Gewalt der Sünde gebunden und gehemmt 
ist, wie er im Vergleich mit der vollen Bethätigung christ- 
lichen Lebens, welche die Nähe der Parusie verlangt, mehr 


Ἢ Es ist unmotivirt, dass x. τοῦτο auf alles in Kap. 12. 13 Ge- 
sagte zurückzubeziehen (Beng., God., Böhmer, Sand... Einer Er- 
gänzung von ποιεῖτε \Beng. u. M.) oder ποιῶμεν (Thol., vgl. God.) 
bedarf es nicht. Unnatürlich ist die Verbindung des τοῦτο mit εἰδότες, 
so dass τὸν χαιρόν Apposition dazu wird (Luther) oder Acc. der 
näheren Bestimmung (Glöckl., Goeb.: hinsichtlich der Zeitlage). 
wodurch ausserdem das οὖν in V. 12 unnöthiger Weise anakoluthisch 
wird. Ganz gekünstelt Hofm., welcher τὸν xasp0v Objekt von τοῦτο 
εἰδότες sein lässt und als Sinn herausbringt: »und diese Kenntniss 
der Zeit habend, dass, oder: und die Zeit so kennend, dass u. 8. w.<; 
denn der Gebrauch von τοῦτο als absolutem Objekt gehört nicht 
hierher (8. Bernhardy p. 106. Kühner ἃ 410, Anm. 5), weil τοῦτο 
im Sinne von dermassen seinen näheren Inhalt aus dem Vorherigen 
entnehmen müsste. Grot. u. M. nehmen das εἰδότες fälschlich im 
Sinn von considerantes, und Otto will das Part. nicht kausal nehmen, 
sondern ale Bestimmung der Art und Weise ihrer Liebeserweisung 
(ohne Verunreinigung mit heidnischen Lustbarkeiten!), wodurch nur 
dem Folgenden vorgegriffen wird. 


540 Röm 1811. 12. 


oder weniger bei Allen stattfindet*). — νῦν» γάρ etc.) be- 
gründet, dass es jetzt, d.h. in der Gegenwart (11 300) wirklich 
endlich Zeit ist, vom Schlafe aufzustehen, da die Endentschei- 
dung so nahe gerückt ist. Wear sie immer schon als nahe 
bevorstehend verkündigt, so ist sie doch jetzt uns noch ent- 
schieden näher als damals, wo wir diese Verkündigung gläubig 
annahmen. Das zusammengehörige ἐγγύτερον ἡμῶν steht 
also von der Zeit, wie Mt 24sf., und der Gen. wie Hbr 813. 
Auch hier ist ἡ σωτηρία die definitive Errettung (vom Ver- 
derben), wie 816 bei der Parusie eintritt, und Paulus nennt 

de sie, weil sie eben von dem Urtheil des wiederkehrenden 
Ohristus über unsere Pflichterfüllung abhängt. — ἢ ὅτε 
ἐτπειστεύσαμεν) als, da wir gläubig wurden, vgl. IKor 3. 
152. Gal 21. Wie nahe Paulus die Parusie denkt, erhellt 
daraus, dass er die kurze Zeit von ihrer Bekehrung bis zur 
Gegenwart seines Schreibens so nachdrücklich in Rechnung 
hringt. Vgl. Weiss, bibl. Theol. $ 98, a. Richtig und klar 


Chrys.: ἐπὶ ϑίραις γάρ, iv, ὁ τῆς κρίσεως ἕστηχξ χαιρός. 
Je ΣΝ aber ds selige Ziel, desto wacher un _. 
sollen wir sein **). — V.12. ἡ νύξ) Dem Bilde vom Schlafe 
entsprechend, bezeichnet Paulus die Zeit vor der Parusie als 
Nacht, während mit der Parusie der helle Tag (der αἰὼν 
μέλλων) anbricht (vgl. schon Theodor. Mopsv.). Je mehr die 


*, Darum darf man die Ermahnung weder auf die beschränken, 
welche noch unbedacht dahinleben (Hofm.), noch das Bild auf den 
Zustand der Gottvergessenheit und Gottentfremdung beziehen, der ja 
für die Christen jedenfalls echon vorüber ist ((od.), oder gar gegen 
die Analogie von Eph δ14. ΤῊ deff. (vgl. auch IKor 1534) auf den 
Zustand des Christen, wo er die Seligkeit nur erst ahnt und hofft 
(Reiche). Das ἐγερϑῆναε wird man nach der Analogie des ἐγερϑ. ἐκ 
vexo. und nach der in V. 12 gezogenen Folgerung besser mit: auf- 
stehen (Otto, Luth., Zimmer), als mit: aufwachen (Meyer, Goeb,., 
Böhmer, Lips.) wiedergeben, da erst mit jenem die Lebensthätig- 
keit beginnt. Die Recpt. stellt das ndn vor ἐξ unr. (FGL) und bat 
gegen entscheidende Zeugen ἡμᾶς (Lehm., Treg. text. WH. a. R, 
Meyer), das offenbar dem folgenden nuwr konformirt ist. 

**) Ganz willkürlich, um dem Gedanken an die Nähe der Parusie 
zu entgehen, dachten Andere an die Rettung Jurch den Tod (Phot. 
u. M.), oder die für das Christenthum glückliche Zerstörung Jerusa- 
lems (nach Aelteren noch Michael.), oder die Predigt unter den Heiden 
(Melanth.), oder die innere σωτηρία, das geistige Heil des Christen- 
thums (Flac., Calov., Morus, Flatt, Benecke, Schrader, vgl. Glöckl.). 
Nach Hofm. soll Paulus hier gar sagen, dass ihnen damals, als sie 
gläubig wurden, eben damit, dass sie gläubig wurden, das Heil nahe 
getreten sei (?), dass es ihnen aber jetzt, nachdem sie gläubig sind (?), 
um so viel (?) näher stehe. Gewiss mag man mit God., Zimmer daran 
erinnern, dass das Ziel der Heidenbekehrung 1125 dem Apostel nach 


Röm 13 12. 541 


Nacht in ihrer Entwickelung Fortschritte gemacht hat (vgl. 
Gal 114. Lk 2), vorgerückt ist (zgo&xowe»v, vgl. Lucian. 
Soloec. 6. Joseph. Bell. 4, 4, 6), desto mehr hat sich der 
Morgen genähert (ἤγγικεν, vgl. Mt 32. 266. Hbr 10%), 
und der Tag ist nicht mehr fern. — ἀποϑώμεϑα οὖν) wie 
man beim Aufstehen das Nachtgewand ablegt. Das hier 
durch das Bild dargebotene Wort (vgl. Act 75. ISam 172) 
steht auch Jak 121. IPt 2ı. Hbr 121 vom Ablegen sünd- 
lichen Wesens, das hier charakterisirt wird durch τὰ ἔργα 
τοῦ σχότους, ἃ. ἢ. durch die Werke, welche der Zeit des 
αἰὼν οὗτος, die als Nachtzeit finster ist, ihrem Wesen nach 
angehören, aber wohl nicht mehr eigentlich als Kleider (vgl. 
bes. Goeb.) gedacht sind. Dem ἀποθώμεϑα entspricht das 
ἐνδυσώμεϑα (vgl. Mt 22u. Mk 69. Act 122), das hier 
aber vom Anlegen der Waffen (ὅσελα, wie 613) ausgesagt 
wird, welche zum Theil wie Kleider angezogen werden (vgl. 
Eph 611. ITh 58). Weil das Christenleben ein beständiger 

mpf ist, so sind im Gegensatz die christlichen Gesinnungen 
und Thätigkeiten nicht als Kleider, die man anzieht, sondern 
als Waffen, die man behufs solchen Kampfes anlegt, gedacht. 
Der Genit. τοῦ φωτός bezeichnet aber ausschliesslich im 
Gegensatz zu σχότους, dass sie dem Lichte, wie es mit dem 
Tage der Parusie anbricht, angehören. Gemeint sind Waffen, 
wie der wiederkehrende Christus sie an den Seinen zu finden 
verlangt *). 


18 schon sehr nahe gerückt erschien. Das Richtige hat sogar Otto. 
Von dem positiven Heile (Otto, Zimmer u. A.) steht aber σωτηρία 
nie. Das ἐπιστεύσαμεν übersetzt Luther unrichtig: »denn da wir's 
glaubten«e. Er scheint mit Erasm. an die Glaubensmeinung unter 
dem Gesetze, durch Werke das Heil zu erlangen, gedacht zu haben. 


*) Man darf in der Deutnng über das durch den Kontext ge- 
botene Bild nicht hinausgehen. Der Gegensatz zwischen beiden Welt- 
altern ist wie der Gegensatz von Tag und Nacht, ohne dass man 
denselben auf einzelne Momente (de W.: Reinheit, Vollkommenheit 
und Seligkeit; Meyer: Erkenntnisse, Gerechtigkeit und Herrlichkeit; 
Beck: Wahrheit mit ihrer Kraft und ihrem Wirken des Guten) be- 
ziehen darf. Ebensowenig ist bei σχότος an die Finsterniss zu denken, 
welche die Sünde liebt (God), oder an die geistliche Finsterniss (Er- 
kenntnisslosigkeit: Meyer; geistliche und sittliche Finsterniss: Goeb.). 
Ganz verkekrt denken Frtzsch., Hofm. bei ἔργα τ. ox. an das Ab- 
werfen von Schlafen, Träumen u. dgl. Willkürlich ist es bei ὅπλα an 
Arbeitskleider zu denken (Grot., Otto), oder ὅπλ. τ. φωτ. von glänzen- 
den Waffen zu verstehen (Grot., Wttst.). Aber auch die Deutung auf 
das geistliche Licht des Seins und Wesens in der göttlichen Heils- 
wahrheit (Meyer) liegt fern. — Statt des de nach evdvo. hat die Rept. 
nach FGL (Meyer) χαι, während δὲ (vgl, WH. i. Kl.) es auslässt. 





542 Röm 18 18. 14. 


Υ͂. 18. ὡς ἐν ἡμέρᾳ) wie man am Tage wandelt, so 
lasset üns wohlanständig (εὐσχημόνως, wie IKor 14%. 
ITh 412) wandeln (zegı zarnawuerv, vgl. 64). Hier giebt 
der Apostel also selbst ein tert. comp. an, durch das er dem 
Bilde vom Tage eine materielle Bedeutung abgewinnt. Am 
Tage meidet man von selbst alles Unanständige, weil es, im 
vollen Tageslicht gesehen, Schande bringt; darum soll der 
Christ sich so verhalten, dass der anbrechende Tag ihn in der 
dem hellen Tageslicht entsprechenden Verfassung vorfindet. — 
κώμοις etc) Die Dative erklären sich aus dem Begriffe der 
Art und Weise, wie das σεεριχεατεῖν, ἃ. i. die innere und 
äussere Lebensführung, nicht geschehen soll (Kühner $ 425, 11), 
nämlich nicht mit Schmausereien und Saufereien. Auch Gal 
521 wird χῶμοι (IIMak 64. Sap 14:2. IPt 43) mit μέϑαι 
verbunden, das nur die einzelnen Fälle der Trunkenbheit 
(Hag 16.. Ez 395. Lk 213) bezeichnen kann, wie sie bei 
solchen Gelagen vorkommen. — χοίΐίταις) heisst auch hier 
nicht: congressibus venereis (80 gew., auch Meyer, vgl. z. 9ıo), 
sondern dıe Wollustlager, auf denen die unzüchtigen Aus- 
schweifungen (@osAyelaıg, wie IPt 48, vgl. Sap 1426. Gal 
819) verübt werden. Streit (ἐρέδε, vgl. 129) und Eifersucht 
(ζήλῳ, vgl. 102. IIKor 112) erscheinen auch IKor 88. Gal 
520 verbunden und sind die natürliche Folge der Trinkgelage 
und des Wollusttreibens. Die drei aufgeführten Stücke stehen 
also im inneren Zusammenhange von Ursache und Folge *). — 
V. 14. ἐνδύσασϑε τὸν κύριον Ἰησοῦν Χριστόν) Ohne 
Bild: Vereinigt Euch zur innigsten Lebensgemeinschaft mit 
Christo, so dass Ihr ganz Christi Sinn und Leben in Eurem 
Thun und Lassen darstellt. Aber nicht nur um die Annahme 
seiner Sinne und Handlungsweise handelt es sich (gegen Otto), 
wovon auch bei Griechen ἐνδύεσϑαί τινα vorkommt, sondern 
um eine Vereinigung mit Christo, in der er selbst sie wirkt 


— 


*) Dieser Verse, welcher einst dem Augustin. beim Aufschlagen 
der Bibel in's Auge fiel und auf’s Herz, entschied ihn, den durch des 
Ambrosius Predigten Vorbereiteten, zur endlichen Bekehrung und zur 
Taufe. Confess. 8, 12, 28f. 8. Bindemann, d. heil. Augustinus I, 
p. 281f. — Treg. u. WH. haben a. R. epıcı χαὲ ζηλοὲς nach B sah 
Clem. statt des Sing. — Ganz willkürlich ist die spezielle Beziehung 
auf die somatische Bereitung für den am Tage zu empfangenden 
hohen Gast, die schon zur Nachtzeit beginnen muss, als wäre der Tag 
schon da (Otto). Die lokale Fassung der Dative (Phil.) entspricht 
nicht den genannten Stücken, die als dat. comm. (Frtzsch., vgl. 
v. Heng.) nicht dem bildlichen Zeitwort. Die Bedeutung: Neid für 
ζῆλος (Phot., Luther u. M.) entspricht dem Kontext nicht, und Zorn 
(Frtzsch., Phil. u. M.) oder gar Parteistreit (God.) heisst es nicht. 


Röm 13 1«. δ48. 


(vgl. Melanth.). Wohl geschah dies Angezogenhaben Christi 
schon bei der Taufe (Gal 3x); aber in der weiteren Ent- 
wickelung des Getauften soll jeder neue Fortschritt seines sitt- 
lichen Lebens (vgl. z. V. 11) ein neues Anziehen Christi sein,. 
daher es, wie das Anziehen des neuen Menschen, immer 
wieder geboten wird. Dem so geforderten Anziehen des. 
Herrn, dessen Gemeinschaft das neue göttliche Lebensprinzip 
des σεγρεῖμα mit sich bringt, tritt gegenüber die Fürsorge für 
das natürlich-menschliche Wesen, 1. auch im Wiederge- 
borenen bleibt. Daher steht τῆς σαρχός mit Nachdruck 
voran. Die Fürsorge für die σάρξ (σεσρόνοιαν, vgl. II Mak 4e. 
Act 248, von der göttlichen Fürsorge Sap 148. 17:) ist weder: 
geboten, noch verboten, sondern als selbstverständlich voraus- 
gesetzt und nur die verkehrte Art derselben bekämpft, durch 
welche die Begierden aufgeregt werden (μὴ ποιεῖσϑ ε) ἢ. 
Alle natürlich-menschlichen Triebe (der Ehrtrieb so gut, wie 
der Nahrungs- und Geschlechtstrieb) sind an sich nicht sünd- 
haft, können aber durch verkehrte Pflege, bei welcher sie 
nicht in den Dienst höherer sittlicher Zwecke gestellt werden,, 
sondern ihre Befriedigung zum Selbstzweck gemacht wird, zu 
sündhaften Begierden verkehrt werden (eis ἐσειϑυμίας), 
weshalb die σάρξ zur Verhütung der Aufregung der letzteren 
eine hiernach zu beschränkende, dem sittlichen Ziele unter- 
zuordnende Obsorge erfahren soll **). 


*) Man darf also nicht mit Luther un. V. (vgl. noch Zimmer) das 
un zu εἰς ἐπιϑυμίαν ziehen, als ob es hiesse τῆς σαρχ. πρόν. μὲν ποι- 
εἶσϑε, alla un Eis ἐπιϑ., weil dann μή jedenfalls hinter ποιεῖσϑε 
stehen müsste (8. 141): ebensowenig aber das zeor. ποιεῖσϑαι im 
Pan Sinne nehmen (God.: sich der Beschäftigung mit der σάρξ 

ingeben), oder σάρξ im Sinne von libidinosa caro (Frtzsch., Lipe.); 
denn dazu passt der Ausdruck πρόνοιαν ποιεῖσϑε gänzlich nicht. Das 
Fleisch, so gefasst, ist zu kreuzigen (Gal 534), die von ihm bestimmte 
Leiblichkeit auszuziehen (Kol 211), seine πράξεις sind zu tödten 
(Rom δ18), weil sein φρόνημα Feindschaft gegen Gott und todt- 
bringend ist (8ef.). Freilich ist die σάρξ auch hier nicht gleich 
σῶμα (wie man oft annimmt, 8. dagegen Calov. u. Reiche), aber auch 
nicht bloss: was den stofflichen Wesensbestand des Menschen aus- 
macht, ale Quell und Sitz der sinnlichen und sündlichen Begehrungen 
(Meyer, vgl. Hofm., Goeb.: die leibliche Natur), da ja zu den ἐπειϑυ- 
μέαι, die nicht erregt werden sollen, im Gegensatz zu V. 13 sicher 
auch Streit- und Eifersucht gehören, die Paulus auch Gal bısf. zu 
den Werken der σάρξ rechnet. Damit ist jede Beziehung auf die 
Leiblichkeit und Sinnlichkeit als solche ausgeschlossen. — WH. 
hat nach B. Clem. yonor. ına. ohne xvosor. 
"ἢ Uebrigens ist diese Vorschrift so sehr die zentrale für alle 
christlich-sittliche Selbstzucht, dass sie gewiss nicht bloss hinzu- 
gefügt ist, um den Uebergang zu Kap.14 zu bahnen. So Meyer, nach 











544 Röm 14:1. 


Kap. XIV. 


Der dritte paränetische Hauptabschnitt (141—151s) handelt 
von dem Verhalten zu den Adiaphoris, das wieder in 
einer über den vorliegenden Anlass weit hinausreichenden 
prinzipiellen Allgemeinheit erörtert wird, da diese Frage schon 
sonst aufgetaucht war (vgl. IKor 8—10) und in verschiedenen 
Formen immer wieder auftauchen konnte. Hier lag aber 
allerdings ein besonderer Anlass in der Römergemeinde vor, 
wo befangene Gemüther, die nach 15s wahrscheinlich (vgl. 
Beyschl., StKr 1867, p. 645), wenn auch vielleicht nicht aus- 
schliesslich, der judenchristlichen Minorität angehörten, kein 
Fleisch assen (V. 2) und keinen Wein tranken (V. 21) und 
noch auf die Beobachtung gewisser Fasttage hielten (V. 5), 
wobei sie zwar, wie es gewöhnlich bei separatistischer Be- 
fangenheit zu sein pflegt, über die Freieren richteten, dafür 
aber auch deren Verachtung ernteten. 


Anmerkung. Diese Askese gründete sich nicht (gegen Orig., 
Chrys., Theodoret., Hieron., Calov. u. V., auch Reiche, Kölln.) auf 
die Mosaischen Satzungen über Speise und Trank, da das Gesetz 
durchaus nicht alles Fleisch und den Wein garnicht verbietet, durch 
die Rabbinen aber nur das von den Gojim geschlachtete Fleisch und 
der Wein der Gojim verboten wird (s. Eisenm., entdecktes Juden- 
thum II, p. 616 ff. 620ff.), auch die Polemik des Apostels eine ganz 
andere sein würde, wenn es sich um eine Anbänglichkeit an das 
jüdische Gesetz handelte. Dachte man aber insbesondere (Clem. Al., 
Ambros., Augustin., Flatt, Neand., Reithm., Thol., Pbil.) an die 


| — 





welchem Paulus von der richtigen Beschränkung der Fleischespflege 
auf eine aus Glaubensschwäche fliessende (vgl. Thol., Phil., Grafe, 
Sand. u. A.), Otto, nach welchem er von der gebotenen zu der selbst- 
erwäblten Enthaltung übergeht (vgl. Zimmer), und selbst Hofm. sagt, 
der Leser solle unter dem Eindruck der Ermahnung, welche sich auf 
die Befriedigung des leiblichen Bedürfnisses bezieht, an diejenige 
kommen, welche sich auf die falsche Behandlung einer an sich gleich- 
gültigen Verschiedenheit der Leibespflege bezieht. Allein weder ist 
in unserem Verse von der Leibespflege im engeren Sinne die Rede, 
noch, wie Hofm. selbst erkennt, in Kap. 14, wo die Differenz in 
Betreff des Speisegenusses garnicht an sich behandelt wird, sondern 
nur, sofern sie Ursache unbrüderlichen Verhaltens wurde und daber 
Anlass giebt, das rechte Verhalten gegenüber solchen Verschieden- 
heiten christlicher Lebensweise zu entwickeln (vgl. Luth.. Ein 
a ὑναν zu dem neuen Gregenstande ist hier sowenig zu suchen, 
wie 181. 


Röm 141. 545 


Scheu vor heidnischem Opferfleisch (vgl. Act 15) und ÖOpferwein 
(Libationswein, 8. Mischn. Surenh. IV, p.369.84. Eisenm. 1.1. p. 621), 
8o steht entgegen, dass im ganzen Abschnitte kein Wort vom Opfer- 
Charakter des Fleisches und Weines enthalten ist, während wir doch 
aus IKor. Kap. 8. 10 schliessen müssen, dass Paulus diese wesent- 
liche Seite nicht unberührt und unbenutzt gelassen haben würde *). 
Vielmehr erscheint jene judenchristliche Enthaltsamkeit als eine 
übergesetzliche Aengstlichkeit, wie sie in jener Zeit unter dem Ein- 
flusse essäischer Grundsätze (s. Ritschl, altkath. K. p. 184. 187) im 
Judenthume nichts Seltenes war (Philo Ὁ. Euseb. praep. ev. 8 fin. 
Joseph. vit. 2, 3. Grot. 2. V. 2. Ritschl in den theol. Jahrb. 1866. 
p. 353, Lipe. u. A.)**. Baur I, p. 881ff. erklärt die Leute für 
ebionitische Christen (nach Epiph. Haer. 30, 15 enthielten sich die 
Ebioniten alles Fleischgenusses, weil das Fleisch aus Zeugung ent- 
standen sei, 8. Ritschl. p. 205). Aber abgesehen davon, dass von den 
Ebioniten die völlige Weinenthaltung nirgends ausdrücklich bezeugt 
ist, und dass dieselben überhaupt erst von der Zerstörung Jerusalems 
datiren (8. Uhlhorn, die Homil. u. Recogn. d. Clem. p. 387ff.), würde 
Paulus gegen eine dualistische Ansicht, die den Genuss des Fleisches 








Ἢ Noch weniger ergiebt der Text, was Chrys., Oecum. u. Theo- 
phyl. annehmen, dass jene Leute sich alles Fleisches enthielten, um 
nicht wegen ihrer Verschmähung des Schweinefleisches von den 
Andern getadelt zu werden, oder aus Verachtung gegen die Heiden 
(τενές Ὁ. Theodoret... Mit der Widerlegung der beiden im Text be- 
sprochenen Annahmen fällt auch ihre Kombination bei Erasm., Tolet. 
u. M., auch Rück., Borger, de W. Das Bedürfniss, eine strengere, 
wahrscheinlich Palästinensische judenchristliche Richtung, welche 
die jüdischen Festtage hielt, von einer freieren, wahrscheinlich 
hellenistischen, zu unterscheiden (Phil.), fällt mit der Auffassung des 
V. 5 von Fasttagen. Mang. unterscheidet jetzt eine kleine Asketen- 
partei in der Gemeinde, die auch er auf den Einfluss des Essenismus 
zurückführt, von der Majorität der Gemeinde, die in ihrer gesetz- 
lichen Korrektheit diesen übergesetzlichen Extravaganzen entgegen- 
treten zu müssen meinte (p. 241ff.). 


**) Dass unter den zahlreichen Römischen Juden, die als Kriegs- 
gefangene aus Palästina gekommen waren, auch manche Essener sich 
befunden hatten, die dann Christen wurden, kann keinem begründeten 
Zweifel unterliegen (vgl. Ritschl. p. 233f.), ist aber zur Erklärung 
dieser Erscheinung kaum nothwendig Auch vom ἌΡ. Matthäus be- 
richtet Chem. Al. paedag. 2, 1, p. 174. Pott., er habe nur (semüse, 
kein Fleisch, gegessen; und vom Jakobus, dem Bruder des Herrn, 
erzählt Augustin. ad Faust. 22, 3, er habe weder Fleisch noch Wein 
genossen. Vgl. schon Hegesipp. Ὁ. Eus. 2,23. Doch 8. Ritschl p. 224f. 
Auch der Petrus der Clementinen übt diese Abstinenz. Mit Recht 
erkennt auch Hilg. (a. a. Ο. 364, p. 419) hier eine Seitenzweigen 
Israels eigenthümliche Entbalteamkeit. ohne aber zu erklären, wie es 
kam, dass dieselbe in der Römischen Christenheit so verbreitet war. 


Meyor's kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 35 


546 Röm 14ı. 


als prinzipiell und schlechthin sündlich betrachtete, ganz anders als 
gegen einen fundamentalen Irrthum polemisirt haben. Obwohl Hilg. 
hiergegen polemisirt, giebt er doch zu, dass eine dualistische Welt- 
anschauung bei den Römischen Asketen nicht zu Grunde lag, was nur 
eben gegen Baur erwiesen werden sollte. Dies gilt auch gegen Eich- 
horn, der unsere Schwachen für frühere meist heidenchristliche An- 
hänger asketisch-philosophischer, vorzüglich neupythagoreischer Grund- 
sätze hielt. Allerdings war damals eine jener jüdischen ganz analoge 
Abstinenz durch die neupythagoreische Philosophie unter den Heiden 
verbreitet, wie aus Senec. ep. 108, Porphyr. de abstin. u. a. (8. Grot. 
2. V. 2 und Reiche II, p. 463f.) bekannt ist, aber daraus würde 
höchstens folgen, dass auch einzelne Heiden, ohne jene philosophische 
Begründung zu urgiren, sich jener Askese zuneigen konnten; !Idenn ὦ 
dass die Hauptvertreter derselben Juden waren, erbellt aus 108, und 
noch Orig. (c. Cels. 4) unterscheidet ausdrücklich jene neupytha- 
goreische Askese von der christlichen *). 


Υ. 1—12. Beurtheilung der Kontroverse. — Der 
Apostel geht zu dem neuen Gegenstande einfach mit einem 
metabatischen δέ über. — τὸν ἀσϑενοῦντα τῇ τείστει) 
Da πίστις auch hier das Heilsvertrauen auf Christum be- 
zeichnen muss, so kann seine Schwäche nur darin bestehen, 
dass man das Heil leicht zu verlieren fürchtet und darum 
Vieles ängstlich meidet oder peinlich thut, was doch in Bezug 
auf die Heledanning irrelevant, ein Adiaphoron ist, nur um 
das Heil nicht zu verscherzen. -— σροσλαμβαάνεσϑ ε) im 
AT meist von der gnädigen Annahme Gottes (Ps 2610. 64. 
124. ISam 122), aber auch von der Aufnahme in mensch- 
liche Gemeinschatt (Ex 124. IIMak 8ı. 1016), und so hier 
von der Aufnahme zu christbrüderlichem Gemeinschaftsverkehr. 
Sie sollen sich nicht von ihm um seiner Schwäche willen 
trennen und ihn nicht durch ihr Verhalten zur Separation 


*) Jede geschichtliche Erklärung verschmähen Th. Schott, Otto, 
welcbe die vorliegende Askese nur auf das allgemeine Interesse welt- 
verleugnender Heiligkeit oder leiblicher Abstinenz zur Pflege und 
Förderung geistlichen Sinnes bei Heiden und Juden zurückführen, 
nnd Hofm., der ihr die ganz willkürlich ersonnene Reflexion unter- 
legt, man sei bedenklich gewesen, ob es sich mit der Heiligkeit der 
(remeinde (sottes vertrage, solches zu geniessen, auf das der Mensch 
nicht von Anfang angewiesen sei, und das der Christ eben deshalb 
besser entbehren als Wohllebens halber geniessen werde. Auch God. 
denkt ohne geschichtlichen Nachweis an solche, welche zu der 
ältesten Lebensweise des Menschengeschlechts (Gen 79) zurückkehren 
wollten. Sand. bestreitet überhaupt das Vorhandensein einer be- 
stimmten asketischen Richtung in Rom und lässt die allgemeine 
Frage nur an von Paulus gewählten Beispielen diskutirt sein. 


Röm 14:1. 2. 547 


drängen ἢ. — μὴ εἰς διακρίσεις διαλογισμῶν) bringt 
eine negative nähere Bestimmung über das Resultat, zu welchem 
es bei der rechten Erfüllung des gebotenen zze00Aauß. nicht 
kommen soll (vgl. 1314). Die brüderliche Aufnahme soll nicht 
zu Beurtheilungen (διάχρισις. dijudicatio, vgl. Hbr ὅπ. IKor 
1210. Plat. Legg. 6. p. 765 A. 11. p. 937B. Lucian. Herm. 
67) von Gedanken führen (δεαλογισμοί, vgl. 1.21), die sich die 
Schwachen über dieses und jenes machten. Jene Leute machten 
sich Gewissensbedenken; solche Bedenken sollten von den 
Stärkeren geschont, nicht aber darüber urtheilfällende Kritiken 
angestellt werden, wodurch das τεροσλαμβάνεσϑαι werthlos ge- 
macht werden würde So mit Recht August., Chrys. und die 
meisten Neueren **). 

V. 2ff. führt näher den Gegenstand ein, um den es sich 


Ἢ Allerdings ist hier noch nicht gesagt, in welcher näheren Be- 
ziehung es sich um Glaubensschwäche handelt, aber deshalb sind doch 
obne Zweifel hier schon die Glaubensschwachen, von welchen der 
zanze Abschnitt handelt, gemeint (gegen Hofm.). God. will ohne 
Grund ἀσθενῶν von einem Schwach werden im Glauben nehmen und 
es auf den speziellen Fall beziehen. Böhmer von einem gegenwärtigen 
Zustand, der vorlibergehen kann, im Gegensatz zu dauernder Be- 
schaffenheit. Auch hier heisst πέστις nicht: sittliche Ueberzeugung 
und sittliches Gefühl (de W.: = συνείδησις 1Kor 87), geschweige 
denn: Erkenntniss (Grot., Seml. u. M.), oder: Glaubenslehre (Beza, 
Calv.): und wenn Meyer es von derjenigen ethischen Glaubenskraft 
(vgl. Beck) versteht, vermöge welcher man an seinem (rlauben (an 
Christum) das dem Wesen und Inhalte desselben entsprechende Re- 
gulativ der sittlichen Ueberzeugung und Gewissheit haben kann und 
soll, so ist dies nur ein Versuch, unvereinbare Bedeutungen zusammen- 
zufassen. Fördernde, hilfreiche Unterstützung bezeichnet προσλαμβ. 
τεῦς nicht (gegen Chrys., Olsh.), auch nicht Act 282. 

**, Reiche bezieht das Verbot kontextwidrig auf beide Parteien, 
da doch das ermahnte Subjekt die (semeinde allein ihren schwachen 
Mitgliedern gegenüber ist. Der Wortbedeutung von διαχρέσεις fremd 
ist die Erklärung von Zweifeln, welche in den Gedanken der Schwachen 
nicht erregt werden sollen (Luther, Beng., Cramer, Ernesti, Mo- 
rus, Böhme, Ammon, Flatt, Klee, Olsh., Ew., Phil.. Umbr.. Lipe.). 
Auch die Bedeutung: Streit (Vulg., Beza, Camerar., Er. Schmid. 
Tolet., Est., Glöckl. u. M.) ist zwar bei Griechen nicht selten (Plat. 
Legg. 6. p. 768A. Polyb. 18. 11, 3), aber dem NT freind und würde 
statt des blossen (renit. einen bestimmteren Ausdruck für den (regen- 
stand des Streites fordern. Den Genit. erklärt sehr frei auch God.: 
nicht um durch diese Aufnahme selbst in Debatten zu gerathen, 
welche schliesslich doch nur in leeren Verstandesgebilden beständen« 
ιν]. Beck). Einlegend und schon wegen des fehlenden Artikels un- 
möglich, nach der Bedeutung: Trennung (Job 8716. Plat. Phil. 
p. 32A.) Rück.: »aber hütet Euch, dass die Folge davon nicht etwa die 
sei, dass die Gedanken und Gesinnungen getrennt werden, schroffer 
auseinander gehen«. 


35 * 


548 Röm 142—ı. 


speziell in der Gemeinde handelte. — cc μέν) wie 921, aber 
ein: entsprechendes ὃς δέ, statt dessen gleich das bestimmte 
ὁ δὲ ἀσϑ. gesetzt ist: Der Eine (d. i. der Starke) glaubt 
u. 8. w., aber der Schwache u. s. w. Vgl. Kühner ad Xen. 
Anab. 2, 3, 15. Frtzsch. ad Marc. p. 507. — πεστεύδι 
φαγεῖν πανταὴ er hat das Vertrauen, die Glaubenszuversicht, 
Alles zu essen, sc. ohne Schaden davon zu befürchten, er traut 
sich’s zu; Win. $ 44, 3. Vgl. Dem. 866. 1 und überh. Krüger 
8 61, 6, 8. — Aaxava) wie Gen 98.Ὀ Prv 157 von essbarem 
Gemüse. Der Glaubensschwache isst Gemüse, es ist seine 
alleinige Speise. Damit ist aller Fleischgenuss ausgeschlossen, 
nicht bloss der von levitisch unreinen Thieren, oder vom 
Götzenopferfleisch, oder an Fest- und Fasttagen, dergleichen 
Beschränkungen die Meisten (vgl. die Anm. auf ὅδ. 548) hinein- 
tragen ἢ. — V. 3. ὁ ἐσϑίων) Es darf nicht zzavra ergänzt 
werden (de W.), da es sich auf den V. 2 erörterten konkreten 
Fall bezieht, in dem der Eine isst, der Andere nicht isst. Zu 
dem τὸν un ἐσϑίοντα vgl. Mt 1118. — μὴ ἐξουϑενείτω) 
vgl. ISam 2». Ez 228. Prv 17. Der Verachtung, mit welcher 
der Stärkere voll Selbstgefühl auf den Schwächeren herabsieht, 
liegt eine Beurtheilung der Gedanken, die sich der Andere 
macht (V.1), als Befangenheit oder Beschränktheit zu Grunde. 
Umgekehrt soll der Nichtessende den Essenden nicht richten 
(ρινέτω, wie 21), indem er ihm den rechten christlichen 
Charakter (Meyer), die rechte Gewissenhaftigkeit (de W.) ab- 
spricht. — ὁ ϑεὸς γὰρ etc.) Begründung des μὴ κρινέτω, so 
‘ αὐτόν auf τὸν ἐσθίοντα (ἃ. i. den Alles Essenden) zu 
beziehen ist. In der Voranstellung des Subjekts liegt das 
Gottwidrige und darum Unfromme angedeutet. Wen Gott an- 
genommen (προσελάβετο, vgl. V. 1), d. ἢ. in seine ἐχχλησία 
berufen hat, dem darf keiner eigenmächtig die Würdigkeit 
dazu seiner Speisesitte wegen absprechen **), — V. 4. σὺ τίς 


1 --- ἧ ὄ.--.-ςΞ.-.. 


5“) Die Ergänzung eines ὥστε nach πιστεύεει (v. Heng., Luth.) ist 
nicht nothwendig und führt zu willkürlichen Eintragungen (Hofm., 
Otto, God.: der Eine hat einen Glauben, der macht, oder der stark 
genug ist, dass er Alles isst). Thol., Borger u. Aeltere erklären: er 
ist überzeugt, Alles essen zu dürfen, so dass der Begriff ἐξεῖναε im 
Verhältniss des Verbalbegriffe zum Infin. liegt (Buttm., neut. Gramm. 
p. 2061). Aber dem entspricht weder der Begriff der πίστεις in V.1, 
noch der Gegensatz. 

**) Die Begründung geht nicht auf das Sen Verhalten 
(Calv., Reiche, Beck, Goeb., Zimmer), da auch V. 4 von dem xo/vem 
allein die Rede ist. Das προσελάβετο speziell auf die Annahme zum 
Knecht (Reiche, Hofm., Goeb., Böhmer) zu beziehen, greift dem Fol- 
Hoyer) vor. — Die Recpt. hat χαὲ ὁ un statt o de un nach ELP (vgl. 

eyer). 


Röm 144. 649 


el) vgl. 9». Es deckt mit steigendem Affekt in lebhaft er- 
regter Apostrophe die Anmasasslichkeit des richtenden Glaubens- 
schwachen dadurch auf, dass er einen richtet, der im Dienste 
eines Anderen steht. Das ἀλλότριον bereitet das folgende 
ἴδιος vor, vgl. Joh 105. Hbr 9%. Eigentlich ist οἰκέτης 
ein engerer Begriff als δοῦλος, ein Hausdiener, der der Familie 
näher verbunden ist, als andere Sklaven (Plat. Legg. 6. 

. 1684. 9. 853E.); aber schon im AT kommt es im weiteren 
Sinne vor (Ex 5ısf., vgl. Gen 9461), und so auch Lk 1618. 
IPt 21:8. Der, in dessen Dienst er steht, ist nach V. 6. 9 
Christus (God.), und nicht Gott (Hofm.), da Christus eben der 
von Gott über seine &xxAnoia gesetzte Herr ist. — τῷ idiw 
κυρὶί ᾧ) seinem eigenen Herrn. Der Dativ bezeichnet das dem 
Interesse des ἴδιος κύριος untergeordnete Verhältniss (Bern- 
hardy p. 85). Der eigene, kein anderer Herr ist dabei be- 
theiligt, ob er in seinem Dienstverhältniss steht oder fällt, 
woraus die Unzuständigkeit des xeivew, das irgend ein An- 
derer übt, erhellt. So steht ornxeı» stets bei Paulus von 
dem Verbleiben im wahren christlichen Glaubens- und Lebens- 
stand (IKor 161. Gal 5ı. IThs 38 IlThs 2. Phl 41), 
der sich hier näher bestimmt als der Stand des Dieners, in 
welchem einer nicht mehr steht, wenn er, wie die Glaubens- 
schwachen urtheilten, sich einer seiner Dienstpflicht wider- 
sprechenden Freiheit bedient. Zu dem Gegensatz des zir- 
τειν vgl. 1122 und besonders IKor 1012. Für die Richtigkeit 
dieser Fassung entscheidet auch das σταϑήσεται (vgl. 
Mt 12:f.), welches für den Fall, dass er wirklich durch den 
Gebrauch seiner Freiheit in Gefahr kommen sollte zu fallen, 
weil er es voraussetzlich mit gutem Gewissen thut, die be- 
stimmte Zuversicht ausspricht, dass er stehen bleiben, d. h. vor 
dem Fallen bewahrt werden wird. — dvvarei γάρ) vgl. 
IIKor 188. Clem. Hom. 1, 6. Nach seiner Macht wir 
Christus innere Kräftigung, dass auch der freier Denkende den 
Gefahren, denen er durch seine freieren Grundsätze ausgesetzt 
ist, nicht unterliegt, sondern im rechten Stande eines Dieners 
Christi beharrt *). 


Φ Das στήχειν — πέπτειν kann nicht vom Bestehen oder Nicht- 
bestehen im Urtheil des Herrn (Calv., Grot., Est., Wolf, Reiche, Kölln., 
Borger, Thol., Goeb., vgl. Otto: Dienstbelassung oder -entlassung) 
senommen werden, wozu schon der Dat. nicht passt und noch weniger 
das auf die Macht (nicht: Gnade) Gottes zurückgeführte σταθήσεται, 
weshalb Pbil. künstlich die Fassung mit der richtigen zu vereinigen 
sucht. Hält man an letzterer fest, so darf man aber σταϑήσεται 
nicht davon nehmen, dass er (in Folge jenes xo/ver) nicht von der 
(Gemeinschaft seines Herrn ausgeschlossen werden wird (Lips.), da 


550 Röm 145. 


V. 5f. kann unmöglich zu einem zweiten Kontroverspunkt 
übergehen (Meyer u. d. M.), da Paulus ja denselben sofort 
wieder verlässt (V. 6) und zu der Erörterung über das Essen 
zurückkehrt. Es muss also diese Tagewählerei damit in engster 
Beziehung gestanden, d. h. es muss sich nicht um Fest-, 
sondern um Fasttage gehandelt haben (vgl. v. Heng., Mang. 
p. 240, auch, als möglich, Lips). Paulus geht von den 
strengsten Asketen, die überhaupt nur Gemüse assen, zu denen 
über, die wenigstens an gewissen Tagen fasteten, weil er hier 
noch schlagender es darstellen zu können meint, wie die Diffe- 
renz des Urtheils in solchen Fragen, die zuletzt auf ein Urtheil 
über die Bedeutung von Tagen herauskommt, die religiöse 
Stellung des Christen zu seinem Herrn gamicht berührt. 
Daher der eigenthümliche Ausdruck, dass der Eine (ὃς μέν) 
einen Tag beurtheilt (χρένει) im Vergleich mit dem anderen 
wa ἡμέραν, vgl. 12), ἃ. ἢ. den einen Tag als einen, an 
em man essen, den anderen als einen, an dem man nicht 
essen darf, während die übrigen Christgläubigen jeden Tag in 
gleicher Weise beurtheilen, entweder als einen, an dem man 
alles essen darf, oder als einen, an dem man nur Gemüse 
essen darf (V. 2), also für ihr Verhalten einen Unterschied 
unter den Tagen überhaupt nicht machen (vgl. zu V.6). Nur 
dies kann mit dem χρένδι σετᾶσαν ἡμέραν gemeint sein *). 


dann seine Bedeutung doch nicht der des ornxeı entspricht. Wort- 
und sinnwidrig erklärt Volkm. das σταϑήσεται: Zum Stehen aber 
kommt er noch. Natürlich behaupten die Ausleger, welche das ὁ 
ϑεὸς γὰρ αὐτὸν προσελ. auf beide Parteien beziehen (8. d. vor. Anm.), 
dass in das χρέγει» auch das ἐξουϑενεῖν eingeschlossen sei, was doch 
ganz willkürlich ‚vgl. noch V. 10). Doch vgl. auch Otto. — Statt 
des δυνατεε hat die Bept. nach L.: δυγατος — ἐστεν und statt des ὁ 
xvosos nach DEFGL: o ϑέος (Meyer), das doch offenbar nach V. ὃ 
konformirt ist. 

*) Ew., Hofm., Luth., Goeb. (vgl. auch Sand.) bestreiten, dass 
Paulus überhaupt auf einen vorliegenden Differenzpunkt in Betreff 
der Tage anspiele, sofern er nur die Begründung seiner Vorschrift 
an diesem Beispiel erläutere, wobei es dann ganz gleichgültig ist, 
welcher Art die Unterscheidung war, die man zwischen den Tagen 
machte. Allein diese Annahme steht und fällt mit dem yap (NACP, 
Tisch., Lehm. u. WH. i. Kl.), das aber sicher nach BDEFG (Rept. 
Treg.) als Verbindungszusatz zu streichen ist. Auch kann das xzofver 
seine nähere Bestimmung nur aus dem Kontext erhalten, da es an 
sich weder höher, heiliger achten (Hilg., Lips.), noch: besondern 
(Hofm.. Luth.), noch: probare, eligere (Meyer u. d. M. mit Berufung 
auf Aesch. Aganı. 471. Suppl. 393. Plat. Rep. p. 399E. Xen. Hell. 
1, 7, 11) heisst. Vergeblich behauptet Hilg. a. a. O. 8. 421, dass 
eine Unterscheidung der Tage bei der Frage, ob das Fleisch an sich 
profan sei oder nicht, nicht in Betracht kommen könne, und dass 


Röm 145. 6. 561 


— ἕχαστος etc) Handelt es sich also hiernach nur um die 
Frage, wie man einen Tag beurtheilt, ob als Fasttag oder 
nicht, worüber selbst unter den Askese Uebenden die An- 
sichten noch getheilt sind, so ist es klar, dass die ganze 
Differenz nicht in dem πνεῦμα wurzelt, also das spezifisch- 
christliche Gebiet garnicht berührt, sondern nur in dem natür- 
lichen vovg (72), der ja auch im Wiedergeborenen bleibt und 
über dergleichen Fragen immer verschieden urtheilen wird. 
Es kann also nur darauf ankommen, dass jeder ἐν τῴ idiw 
νοΐ, ἃ. ἢ. in seiner eigenen Vernunft, die ıhn so oder so dar- 
über urtheilen lehrt, zur vollen Ueberzeugungsgewissheit ge- 
lange (πληροφορείσϑω, vgl. 421), weil er nur dadurch einen 
sicheren Maasstab für die Erkenntniss seiner Pflicht erlangen 
und so zu einem gewissenhaften, pflichtmässigen Handeln 
kommen kann. — V. 6 zeipt, wie vom religiüsem (Gtesichts- 
punkte aus die ganze Differenz eine re ist, weil 
thatsächlich jeder mit seiner Praxis dem Herrn dienen will. 
— ὁ φρονῶν τὴν ἡμέραν etc.) Die prakasehe Folge des 
χρίνειν ἡμέραν παρ ἡμέραν V. 5 ist das φρονεῖν τὴν nu., 
4. ἢ. dass man den Tag, von dem man urtheilt, dass er in 
besonderer Weise ausgezeichnet werden müsse, auch so aus- 
zuzeichnen bedacht ist, dass man auf ihn sein Interesse richtet 
(vgl. 85). Thatsächlich thut der Christ dies aber doch nur 


Paulus nicht unter den jeden Tag Gleichachtenden die strengsten As- 
keten mit den Freigesinnten zusammenfassen könnte. Denn Letzteres 
ist doch nur der Fall, wenn. was nach dem Kontext eben nicht ge- 
schieht, dies Tagewühlen als eine ganz andere Kategorie von Diffe- 
renzen innerhalb der Gemeinde behandelt wäre, und Ersteres nur, 
wenn eine »entwickelte« Theorie (die doch nur die von Hilg. selbst 
abgelehnte dualistische sein könnte) jener Askese zu Grunde läge, 
und nicht die Aengstlichkeit, durch jeden über das Nothwendige 
hinausgehenden Genuss die religiöse Geltung des Christen zu 

efährden. Von einem Feiern jüdischer Festtage, das doch Paulus 

al 410 so anders beurtheilt, kann hier schon darum nicht die Rede 
sein, da eine jüdische Festfeier im Zusammenhange mit der angeblich 
von den Judenchristen Roms noch festgehaltenen Bedeutung der Ge- 
setzeswerke durchaus nichts so Unverfängliches. für Paulus leicht zu 
Gestattendes war, wie Hilg. a. a. O. S. 424 es darstellt. Beck unter- 
scheidet zwar ein unverfängliches χρέρεερ von einem unberechtigten 
δογματίζειν; aber dieses liegt doch immer jenem zu Grunde. ἔπ. 
denkt ohne Grund an Jdie (damals noch nicht allgemein feststehende) 
Sonntagsfeier. Nicht hierher gehört (gegen Frtzsch., welcher in u. St. 
findet, die Leute hätten ausser dem Sabbat auch den zweiten und 
fünften Wochentag asketisch gefeiert) das klassische ἡμέρα map’ 
ἡμέραν in dem Sinne alternis diebus (Bernhardy p. 258. Lobeck ad 
Aj. 475), nach welchem auch Otto, Zimmer übersetzen: einen Tag um 
den anderen. Böbmer denkt daran, dass auch die Freiergesinnten 
gelegentlich einen Tag zum Fasttag auswählen. 





552 Röm 146. 


seinem Herrn zu Gut (xveiw, dat. comm.), weil er ihm durch 
das Fasten an diesem Tage zu dienen meint. Der Herr ist 
natürlich, wie V. 4, Christus. Bei dem Mangel des Artikels 
tritt nur noch stärker hervor, dass es nicht die Person Christi 
ist, auf die es dabei ankommt, sondern seine Herrenstellung, 
welche fordert, Alles, was man thut, in seinem Dienste zu 
thun. — ὁ ἐσϑίων) Dieser Uebergang zeigt ganz deutlich, 
dass es sich beim Beachten des Tages eben um die Frage 
handelt, ob man ihn nicht durch Fasten auszeichnen soll. 
Auch wer das nicht thut, isst dem Herrn zu Dienst. Es ist 
zu weit hergeholt, wenn man bei dem κυρέῳ ἐσ ϑίδι daran 
denkt, dass er seine Christenfreiheit im Dienste Christi be- 
thätigen will. Die Begründung durch das Tischgebet (evxa- 
ριστεῖ γὰρ τῷ ϑεῷ, vgl. IKor 10a. 11. Act 278) führt 
lediglich darauf, dass das Eisen dessen, wofür ich Gott danke, 
nur ein von Christo gewolltes und darum in seinem Dienste 
rn sein kann, da man ja nicht etwas wider den 

illen Christi Genossenes als von Gott empfangen betrachten 
und dafür danken kann. — καὶ ὁ un ἐσϑίων) So kommt 
Paulus schliesslich auf die, welche zwar nicht zwischen den 
Tagen unterscheiden, aber an jedem Tage sich der gewöhn- 
lichen Fleischnahrung enthalten und nur Gemüsse essen (V. 2), 
weil sie überzeugt sind, diese Enthaltung gehöre dazu, wenn 
man Christo recht dienen will. — xai εὐχαριστεῖ τῷ Fey) 
Was vorher als Grund (γάρ) gedacht war, ist hier als Folge 
(zal) gedacht: und so, ἃ. ἢ. in dem Bewusstsein, auch mit 
seiner Enthaltung Christo zu dienen, spricht er sein dankendes 
Tischgebet zu Gott, nämlich für die lediglich vegetabilischen 
Speisen, welche seine Mahlzeit ausmachen *). 


ἢ Die Worte xaı 0 un φρονων τὴν ἡμέραν χυρίω ov φρονέει (Bept. 
nach LP) sind ein dem Folgenden konformirter, ganz unpassender 
Zusatz, was Rück., Reiche, Tbol., de W., Frtzsch., Phil., God. ver- 
kennen, indem sie dieselben per hom. ausgefallen sein lassen. Auch 
Meyer will nicht zugeben, dass sie unpassend sind, weil er verkennt, 
dass eben der ἐσϑέων der ο un φρο». τὴν ἡμέραν ist, und der o un 
ἐσϑιων nur in anderer Weise πασὰν ἡμέραν xowe: (vgl. V. 5), und 
Hilg. a. a. Ο. 8.428 will gar aus der Weglassung dieses (segensatzes 
schliessen, das es sich um heilige Tage des Gesetzes und nicht um 
beliebige Fasttage handelte. Aber sobald man die Haltung von Fast- 
tagen auf die Autorität des Gesetzes stützte, war doch gerade die 
Zurückweisung derselben auf Grund von Kap. 7 eine vollberechtigte, 
mit der man dem Herrn, der uns vom Gesetze befreit hat, dienen zu 
können glaubte. Dass χυρέῳ nur auf Christus geben kann (Est., Rück., 
Kölln., Frtzsch., Phil. u. alle Neueren), und nicht auf Gott (so früher 
die Meisten), folgt schon aus dem davon ausdrücklich unterschiedenen 
τῷ 9:0; aber wegen des fehlenden Art. zu übersetzen: einem Herrn, 


Röm 147-9. 658- 


V. 1. οἰδεὶς γὰρ ἡμῶν) begründet das dreifache χυρίῳ 
V. 6, das so zuversichtlich voraussetzte, dass von jenen Kan 
schiedenen Richtungen innerhalb der Christenheit jeder mit. 
seiner Praxis Christo dient, dadurch, dass dies bei jedem 
Christen aus seiner ganzen subjektiven Lebensrichtung sich 
von selbst verstehe, sofern derselbe nicht glaubt, dass sein 
Leben ihm selbst angehöre, er seinem eigenen Interesse und 
Zwecke lebe (ἑαυτῷ ζῇ, vgl. IIKor 51). Im ethisch te- 
lischen Sinn ist also der Dativ zu fassen. Ebenso besagt das. 
ἑαυτῷ ἀποϑνήσκει, dass auch sein Sterben nicht bei ihm 
stehe, dass er also weder eigenwillig es beschleunigen, noch, 
wenn es Christus ın seinem Dienste fordert, ihm entfliehen 
dürfe. — V. 8 enthält das den negativen Inhalt von V. 7 
beweisende positive Gegentheil und ist ebenfalls als subjektives- 
Verhältniss zu fassen. Zu τὲ γὰρ — τέ, denn sowohl — 
als auch 8. Hartung, Partikell. 1, p. 88. 115. Baeuml., Part. 
P: 219. Wie unser Leben Christo und seinen Interessen ge- 
ört und dienen muss, so auch unser Sterben. Am klarsten 
zeigt sich das im Märtyrer-Tode; aber auch sonst ist der 
Christ sich bewusst, dass, wenn er stirbt, es nur nach dem 
Willen Christi geschieht, dessen Zwecken sein Abschied von 
der Erde dient, oder die Vereinigung mit ihm, welche der 
Christ nach dem Tode erwartet (Phl 18). — τοῦ κυρίου 
ἐσμέν) des Herrn Eigenthum sind wir. Dies zieht nun die 
Summe des ganzen spezifisch christlichen Bewusstseins aus. 
dessen vorher aufgeführten Faktoren, sofern, wenn unser Leben 
und Sterben ihm dient, sich erst unser Angehörigkeitsverhältniss- 
an Christum ganz realisirt, denn was einer als Eigenthum be- 
sitzt, muss ἢ ganz und unter allen Umständen seinen 
Zwecken dienen. In dem dreimaligen nachdrucksvollen τῷ 
κυρίῳ (τοῦ χυρίου) bemerke die »divina Christi majestas et 
potestas« (Beng.), in welche sich der Christ ganz hingegeben 
weiss ἢ). — V. 9. sig τοῦτο γάρ) vgl. IIKor 29, weist auf 


der dann erst V. 8 als Christus bestimmt werde (Böhmer), ist ganz 
ungeschickt. Den Dat. comm. das erste Mal zu nehmen: Christo zu 
Liebe, und nachher: Christo zu Ehren (Otto), ist natürlich ganz un- 
möglich, die nähere Beziehung des Dat. ergiebt sich überall aus dem 
Begriff des χύριος. Ob das Tischgebet vor (Meyer) oder nach der 
Mahlzeit (Hofm.) gesprochen wird, darüber sagt der Ausdruck natür- 
lich nichts aus (Böhmer). Das x« vor ὁ ἐσϑέεων feblt nur in Min. 
Rept.). 

*) Das zweimalige ano9rnoxouer nach ἐαν (Lehm. nach ADEFGP) 
kann nur Schreibversehen sein. da Paulus nie e«v c. Ind. Praes. hat. 
Die objektive Abhängigkeit von Christo besagt weder das τῷ xuplo 
(Rück., Reiche), da ja sonst V. 7f. nicht das V. 6 Gesagte, sondern. 


354 Röm 149. 10. 


den Satz mit ἵνα voraus; denn zu diesem Zwecke starb 
Christus und ward lebendig. Das ἔζησεν ist natürlich von 
Auferstehungsleben zu verstehen (vgl. Apk 28. 204). Der 
Aor. bezeichnet den Eintritt des Zustandes, wie 1311; Kühner 
ad Xen. Mem. 1, 1, 18. — ἵνα) Bestimmung im göttlichen 
Rathschluss, da Paulus überall, wie den Tod, so die Aufer- 
weckung Christi, durch die es zum ἔζησεν kam, als ein Werk 
Gottes ansieht (424. 64. Su al). Diese ging beim Sterben 
und Auferstehen Christi auf die Herstellung seines muneris 
regüi, und zwar über Todte (im Scheol, Phl 210) und Lebende; 
denn erst für ihn, den durch den Tod sieghaft Hindurchge- 
gangenen, ist der Gegensatz zwischen Leben und Tod aufge- 
hoben, so dass auch der Todeszustand derer, die ihm bei Leb- 
zeiten gehörten, von seiner Herrschaft nicht ausschliesst (vgl. 
Hofm., God.) ἢ). 

V. 10. σὺ δὲ τί χρίνει ς;) nimmt im Gegensatz zu der 
Christo allein gehörigen χυρειότης V.9 in der Sache die Frage 
des V. 4 noch einmal auf, nur dass hier die verwunderte 


nur die Verpflichtung dazu begründen würde, noch das τοῦ χυρέου 
(Hofm.), da ja dasselbe als die Folge unseres ζῆν und ἀποϑν. dar- 
gestellt wird, und die objektive Begründung davon erst V. 9 folgt. 
Vom geistlichen Absterben ist natürlich das ἀποϑνήσχειν nicht zu 
verstehen (gegen Böbmer, der diese Bedeutung sogar in das ἀπέϑανεν 
u. vexowv V. 9 hineinkünstelt). 

*, Das xaı nach Χριστὸς (Rept. nach L) ist zu streichen. Nach 
ansdarey lieg xas ἔζησεν (NABC cop. arm. aeth.), das durch xaı avsorn 
(FG) glossirt ward (vgl. IThs 414), worauf man das xa« ἔζησεν theils 
selbst (LP), theils in x areönoev konformirt (Rept. nach Min.) an- 
fügte, oder gar vor «anesaver einschaltete (DE it. Ganz verkehrt 
naahm Olsh. das ἔζησεν vom irdischen Leben Jesu. Dadurch wird die 
Wechselbeziehung der beiden Momente im Vorder- und Nachsatz zu 
einer nur formellen, und es wird übersehen, dass nicht Jesu Leben 
und Tod, sondern vielniehr sein Durchgang durch den Tod zum Auf- 
erstehungsleben es war, was ihn zur himmlischen xugörns gelangen 
liess. Vgl. 854. 69.10.0 Auch Frtzsch., obwohl ἔζησε richtig vom Auf- 
erstehungsleben fassend, urgirt die Wechselbeziehung von anesare 
und νεχρῶν, und von ἔζησε und ζώντων; durch den Tod Jesu habe 
Gott kund geben wollen, dass er über Todte, und durch das neue 
Leben Christi, dass er über Lebendige Herr sei. Aber diese bloss 
deklarative Fassung ist ganz willkürlich; auch wäre ja die ζωή in 
ἔζησε eine ganz andere als die ζωή der ζώνσων. Fälschlich findet 
Hofm. durch !r« die Absicht Christi bezeichnet. Warum diese ernst- 
liche Ausführung nur einen Sinn haben soll, wenn sie eich auf die 
judenchristliche Ansicht von der Heiligkeit einzelner Gottgeweihter 
Mage bezieht (Hilg. a. a. Ὁ. 8. 423), verstehe ich nicht; sie hat ja 

arkeine polemische Spitze, sondern führt nur aus, woher Paul. von 
Jeder Richtung, wenn sie sich ala christliche gebe, voraussetzen müsse, 
dass sie dem Herrn zu dienen trachte. 


Röm 14:10. ıı. 556 


Frage, warum er doch richte (τί, cur, vgl. 37), das Verkehrte 
solches Richtens dadurch markirt, dass er (Bem. das stark be- 
tonte σὺ δέ) es seinem Bruder (τὸν ἀδελφόν oor) ae 
übt, der ihm doch völlig gleichsteht, ja durch die Liebe mit 
ihm verbunden ist, die ohnehin alles Richten ausschliessen 
sollte. Dass hier nun ausdrücklich wieder mit ἢ καὶ σὺ τί 
ἐξουϑενεῖς; auch der Glaubensstarke angeredet wird, zeigt 
auf’s Deutlichste, dass in dem χρίνειν V. 4 nicht dieses Ver- 
achten mit eingeschlossen war, welches das τὸν ἀδελφόν 
σοῦυ als die gleiche Versündigung gegen die brüderliche Liebe 
erscheinen lässt. — τεάντες yae) rechtfertigt die Warnung 
vor solcher Vermessenheit durch die Erinnerung an das letzte 
Gericht, das Allen bevorsteht, den durch ihr Richten, wie den 
durch ihr Verachten sich Versündigenden. — παραστησό - 
μεϑα) vgl. Gen 472. Act 238. 272: wir werden hingestellt 
werden vor den Richterstuhl (τῷ βήματι, vgl. Mt 271. 
Joh 1913) Gottes. Vgl. Grot.: stare solent, quorum causa 
tractatur. Absichtlich nennt Paulus den Richterstuhl Gottes. 
um an den höchsten Richter zu erinnern, vor dem sie sich 
werden zu verantworten haben ἢ). — V. 11. Dass einst Alle 
vor seinen Richterstuhl treten werden, begründet Paulus durch 
Verweisung auf alttestamentliche Stellen, wonach einst Gott 
Alle anbetend huldigen werden, weil dies sich erst ganz ver- 
wirklicht, wenn Alle ihn im Eindgericht als ihren Richter 
werden anerkennen müssen. Das Citat ist Jes 4523 und wird 
sehr frei, mit theils gedächtnissmässiger, theils bewusster Ab- 
weichung von den LXX und abkürzend wiedergegeben. — 
Co ἐγώ) statt χατ ἐμαυτοῦ ὀμνύω, wie die LXX nach dem 
Hebräischen haben, setzt Paulus in ınemorieller Abweichung 
eine oft vorkommende wörtliche Formel des göttlichen Schwurs 
(Num 142.2». Din 32» al. Dan 127. Rt 31. Jdt 22). 
— λέγει κύριος) ist von Paulus nach sonst geläufiger alt- 
testamentlicher Formel hinzugefügt. Vgl. 1219. — örı) dass, 
weil in ζῶ &yw die eidliche Versicherung liegt, dass u. 8. w. 
Vgl. IIChr 181. ISam 144. Jdt 117. Doch werden die 
folgenden Worte auch bei Jesajas (LXX) mit ὅτι (freilich 
dem kausalen) eingeleitet: dass mir sich beugen wird jedes 
Knie, und jede Zunge Gott preisen (ἐξομολογήσεται τῷ 
ϑεῷ, vgl. IISam 22%. Ps 305. 106#. JSir 5lı.ı. Mt 


Ὁ Die Rept. liest τον Χριστου (LP) statt του #eov nach Υ. 9 
oder in Reminiscenz an [1 ΚΟΥ ὅ10, aus welcher Stelle übrigens keines- 
wegs folgt, dass auch hier der Richterstuhl Christi gemeint ist 
und nur als Richterstuhl Gottes bezeichnet (Meyer, God., Otto, 
Goeb.), um die Verantwortlichkeit zu verschärfen. 





556 Röm 1412. 18. 


11:5) ἢ. — V. 12. ἄρα) allein, folgernd, wie 721. 101. — 
Den Nachdruck hat das deshalb an die Spitze gestellte 
ἕχαστος ἡμῶν, welches dem nachdrücklichen sravres, πᾶν, 
»e&o@a V.10. 11 entsprechend ist. Jeder von uns, Keiner aus- 
genommen, wird über sich selbst Rechenschaft ablegen (λόγον 
ἀποδώσει, vgl. Mt 128. Lk 162. Act 196). Wie wider- 
sprechend ist’s hiernach, zu richten oder zu verachten, als ob 
man dieser allgemeinen Verpflichtung zur Rechenschaftsab- 
legung nicht unterworfen wäre, oder für den Anderen Rechen- 
schäft ablegen und ihn daher auf andere Wege bringen müsste, 
während man doch auch für sein eigenes xeiveır und ἐξου- 
ϑενεῖν zur Rechenschaft gezogen werden wird **). 

Υ. 13—23. Warnung vor Anstossgeben. — μη- 
χέτι οὖν etc.) Hier erst, wo beiden Parteien die Verant- 
wortung im letzten Gericht vorgehalten war (V. 10), folgert 
der Apostel daraus die Warnung Aller vor gegenseitigem 
Richten, betrachtet also auch das ἐξουϑενεῖν der Starken ge- 
wissermassen als ein χρίνειν. Allein, dass er sich selbst ein- 
schliesst («eivwue»), zeigt, dass er überhaupt nicht mehr auf 
thatsächliche Vorkommnisse anspielt, also auch nicht etwa das 
αλλήλους auf die Parteien untereinander bezieht. Es 


*) Lehm., Treg. txt. stellen nach BDEFG das efouol. vor naoe: 
y4., was vielleicht Konformation nach dem Parallelglied ist, wenn 
nicht in der Rcpt. das Verb. durch die Nachstellung mit dem Dat. 
verbunden werden sollte. In den LXX hat Cod. B nach dem Hebr. 
ομειταε na0a γλωσσα, während Cod. A u. Sin. a. R. wie Paulus lesen. 
Nach Meyer ist diese Lesart aus dem NTlichen Citat eingetragen 
(gegen Frtzsch.).. Falsch übersetzen Er. Schmidt, Reiche, Kölln. nach 
Chrys., Oecun., Theophyl.: die Sünden bekennen, was nur dann zu- 
lässig wäre, wenn der Parallelismus die Ergänzung von τὰς auaprias 
an die Hand gäbe. Im Sinne von: bekennen regiert efouol. immer 
den Accus. Bei der Lesart τῷ Pnwers τοῦ Χριστοῖ V. 10 haben 
Theod. Mopsv., Theod., Oecum., Luther, Calv. u. V., auch Phil., God., 
Beck in τῷ ϑεῷ einen Beweis für die Gottheit Christi gefunden. 

**, Auch hier ist nicht abzusehen, warum der Ernst dieses 
Schlusses auf den Unterschied eines en heiligen Tagen festhaltenden 
Judenchristenthums und des Heidenchristentbums führen soll (gegen 
Hilg. a. a. Ὁ. 5. 424), da ja jener Ernst nur dazu dient, jeden auf die . 
ihm bevorstehende Verantwortung hinzuweisen, wofür doch der Gegen- 
stand der Differenzen ganz gleichgültig ist. In BFG fehlt mit Recht 
das ovv nach ap« (vgl. auch bp) und das τ ϑέω am Schlusse; dagegen 
ist die Praep. von dem Comp. «nrodwası (vgl. auch D) wohl aus Ver- 
sehen ubgefallen (gegen Lchm., Trg. txt.). Lchm., Treg. lassen das 
ουν fort, das WH. einklammert. Lchm., WH. haben τσ. 9ew i. Kl., 
Tisch. folgt der Rept. Es hat weder περὶ ἑαυτοῦ (so gew.) noch τῷ 
ϑεῷ (Phil.) den Nachdruck; auch theilt ihn das ἔχαστος ἡμῶν 
nicht mit beiden (Hofm., der wunderlicher Weise hier schon die neue 
Wendung der Erörterung eintreten lässt). 


Röm 1418. 14. 557 
kommt ihm nur darauf an, die gangbare Form der hoch- 
müthigen Selbstüberhebung zu bien, um im Gegensatz 
dazu. (ἀλλὰ τοῦτο — μᾶλλον, im Sinne von potius, vgl. 834) 
die rücksichtsvolle Herablassung zur Schwachheit des Nächsten 
zu verlangen. — xoivare) Antanaclasis: dasselbe Wort ist, 
um den (regensatz frappant zu machen (denn dem pflicht- 
widrigen xeivew wi ἫΝ flichtmässige entgegengestellt), 
wiederholt, aber mit der Modifikation der Beziehung und des 
Sinnes, dass es die freieren Christen anredet (denn diese waren 
die Anstoss Gebenden und konnten doch, weil ihnen die Sache 
ein Adiaphoron war, allein das ihrer Ueberzeugung ent- 
sprechende Handeln, welches Anstoss gab, aufgeben) und im 
Allgemeinen heisst: das sei Euer Urtheil, Eure sittliche Maxime 
in diesem Punkte (IKor 22. 7x). Zu dem Infin. mit Artikel 
nach einem vorbereitenden Demonstrativ vgl. IIKor 2ı. Xen. 
de rep. Lac. 9, 1 u. s. Breitenbach ad Xen. Oec. 14, 10. 
Das Verbin τιϑέναι bezieht sich auf den ursprünglichen 
Sinn von oxavdako» (vgl. θέ, Jdt δι, vgl. Lev 191), 
wonach es (anders als 11s) ein Hinderniss im Wege bedeutet, 
über das man fällt, also ohne Bild etwas, wodurch man zum 
Sündigen veranlasst wird (vgl. Mt 134. 16%. IKor 12). 
Das τῷ ἀδελφῷ macht bereits fühlbar, wie in der Nicht- 
befolgung dieser Vorschrift eine Verletzung der brüderlichen 
Liebe läge *). 

V. 14 spricht den Grundsatz aus, von welchem aus das 
Essen des Preisesinnien zwar an sich durchaus erlaubt ist, 
aber dem Schwachen leicht zum Anstoss werden kann. Indem 
Paulus denselben als seine Ueberzeugung hinstellt, stellt er 
sich auf die Seite der Freigesinnten. Wie sehr es ihm darauf 
ankommt, dass durch die Vorschrift V. 13 nicht die Praxis 
der Freigesinnten an sich als eine bedenkliche erscheine, zeigt 
die nachdrückliche Verstärkung des old« (718) durch καὶ 
σεέσεξισμαι (88). Sein Wissen aber, wie seine Ueberzeugung 
ist nicht in ihm selbst begründet, sondern ἐν κιρίῳ ’Inooi. 
Da der Name Jesus ausdrücklich auf die historische Person 
hinweist, die freilich durch ihre Erhöhung zum göttlichen 


Ἢ Das rpooxouue kann, da auch das davon getrennte ἡ fehlt 
(B arm. WH. a. R.), nicht nachlässiger Weise ausgefallen sein; und 
da ein Grund zur Weglassung nicht ersichtlich, so muss es nach 
V.20f. zugesetzt sein. Meyer findet in der doppelten Bezeichnung nur 
eine angelegentliche Erschöpfung des Begrifis, God. hält die zweite 
für die stärkere (vgl. de W., Beck., Volkm.), Otto will sogar das 
AOCROhnE von den Schwachen, das oxa«vdalov von den Starken aus- 
gehen lassen, indem er auch das xp/vare auf beide Parteien bezieht, 
im offenbarsten Gegensatz zu der ganzen folgenden Erörterung. 





558 Röm 14:14. 16. 


4 


Herrn geworden, so liegt die Vermuthung nahe, dass der 
Te an überlieferte Aussprüche Jesu denkt, wie Mk 7ıs. 

t 1511 (Otto, Böhmer). Der Grundsatz lautet, dass nichts, 
d.h. nach dem Zusammenhange keine Speise, profan (40: vo», 
vgl. IMak 1“. oe. Hbr 10», in Act 101.2. 1] 8 Synonymon 
von ἀχαϑαρτον), ἃ. ἢ. der Heiligkeit des Christenstandes ent- 
egengesetzt (und darum befleckend) sei an sich selbst (δι 
ἑαυτοῦ), d. 1. seiner Natur nach. Es wird dadurch also die 
objektiv vorhandene Unreinheit negirt im Gegensatz gegen 
eine nur subjektiv angenommene ἢ). — δὲ un) nisi, welches, 
ohne di ἑαυτοῦ mit zu berücksichtigen, bloss auf οὐδὲν χοινὸν 
geht. Vgl. z. Mt 124. Gal 21. — τῷ λογιζομένῳ) vgl. 
28. 3. Dem, der des Urtheils ist (erachtet), dass etwas 
χρινόν, dem (ἐχείνῳ, mit Nachdruck wie ΚΟΥ [0 18. 
Mk 730 und sehr oft bei .‚Joh.) ist es χοεγόν. Die Unreinheit 
ist solchen Falles subjektiv, für den Einzelnen durch Ge- 
bundenheit des eigenen Gewissens eintretend und vorhanden. 
— V. 15. γαρ) kann, da V. 14 lediglich zur Erläuterung des 
V. 13 Gesagten dient, sehr wohl an diese Ermahnung an- 
knüpfen (Böhmer) **). Es begründet, warum das an sich völlig 


*) Meyer hält das δὲ ἑαυτου (Tisch.. WH., Rept. nach NBC) für 
reflexive Näherbestimmung; aber das δὲ αὐτου (Lehm., Treg. nach 
ADEFGLP) ist schwerlich in gleichem Sinne gemeint, wie er es 
nimmt, sondern wegen des ἐν χυρίῳ Ἰησοῦ in dem auch von ihm ver- 
worfenen Sinn von: durch ihn (vgl. Tbeodor.), und daher Emendation. 
Uebrigens geht das ἐν χυρίῳ wegen des hinzugefügten Ἰησοῦ so wenig 
auf die Lebensgemeinschaft mit Christo (Meyer, Lips., Sand.). wie auf 
die Erlösung durch ihn (God.). Es ist nicht ganz richtig, dass der 
zweite, den ersten einschränkende Satz den Ton hat (Goeb.); es kommt 
dem Apostel ebenso darauf an, die Anschauung der Freigesinnten ala 
die prinzipiell richtige gegen jede falsche Konsequenz aus seiner Vor- 
schrift zu verwahren (vgl. Hofm.). Nach Otto soll der ganze Vers 
gegen die Schwachen und ihr χρένεεν gerichtet sein! Wegen der 
Speisegesetze des AT’s meint Olsh., der apostolische Gedanke solle 
aussagen: »durch Christum und seinen heiligenden Einfluss ist die 
Schöpfung wieder rein und heilig geworden« (vgl. Bisp.). Aber abge- 
sehen davon, dass die Enthaltung der Römischen Asketen keineswegs 
auf's Gesetz sich gründete, welches ja nicht den Fleischgenuss über- 
haupt verbot, sondern fibergesetzlicher essäischer Natur war, waren 
doch die alttestamentlichen Speisegesetze mit der Entbindung der 
Christen vom Gesetz (71--- 6) von Gott selbst aufgehoben. 

ἘΦ Wenn dadurch V. 14 logisch zu einer Parenthese wird, so 
verliert derselbe damit nichts an Gewicht (gegen Luth... Nach 
Meyer (vgl. Thol., Hofm., Luth., auch Goeb.) giebt der Apostel den 
Grund an, weshalb er die Ausnahme εἰ un τῷ λογιζ. etc. ausdrücklich 
hinzugefügt habe, wobei das dem Hauptsatze angehörende γάρ nach 
sehr gangbarem Gebrauche (s. Bäuml. Partik. p. 85) in den vorange- 
stellten Nebensatz aufgenommen sei. Aber nicht, weil »es lieblos ist, 


Röm 1415. 559 


erlaubte Essen dem, der das Gegessene für ein χοιρών hält, 
einen Anstoss geben und darum verwerflich sein kann, weil 
es in einem solchen Falle (ei) der Liebe zuwider ist. — dıa 
Bowu.a) Speise halber, d. 1. wegen einer Speise, die er für 
unrein hält und Dich essen sieht. — λυπεῖται) vgl. IIKor 
22.4, muss des Zusammenhangs mit V. 13 wegen durchaus. 
von einer Betrübniss gefasst werden, welche dadurch entsteht, 
dass dem Schwachen ein σχαγδαλον, ἃ. ἢ. ein Anlass zu 
sündigem (für ihn gewissenswidrigem) Handeln gegeben ist, 
also zum Essen dessen, was er für gemein achtet, und das 
darum für ihn gemein ist. Dabei wird es aber nicht ohne 
innere Kämpfe, die ihn in tiefe Betrübniss stürzen, abgehen, 
und es ist gerade diese Seite hervorgehoben, um die Lieb- 
losigkeit dessen, der solche Betrübniss veranlasst, recht fühlbar 
zu machen (vgl. Goeb., Lips., Sand... — οὐχέτι κατὰ αγά- 
σὴν περιπατεῖς) ἃ. i. so hast Du aufgehört, liebegemäss 
Dich zu verhalten. Dies ist der thatsächliche Zustand, welcher 
vorhanden ist, wenn das im Vordersatz Gresagte geschieht; 
denn das λυπεῖται ist als von dem angeredeten Subjekte ver- 
schuldet gedacht. Zu εἰ — οὐχέτι vgl. 150. 116. Gal 318*). 


wenn der Stärkere dieses Verhältniss nicht berücksichtigt«, hat Paulus 
hervorgehoben, dass die Speise für den Schwachen durch seine Ueber-- 
zeugung zur profanen werde, sondern weil nur darum von einem (zu 
vermeidenden) Anstossgeben geredet werden kann. Dass eine aus 
V.14 sich ergebende Mahnung begründet werde (Volkm , Lips.. Sand.), 
ist ganz unmöglich, weil eine solche darin noch in keiner Weise an- 
sedeutet. Otto lässt auch diesen Vers an die Schwachen gerichtet 
sein, die den Starken für dem Verderben verfallen erklären! Die 
meisten Exegeten (Reiche, Rück., de W., Phil., God.) erklären das 
γάρ des Sinnes halber für schlechthin unhaltbar, obwohl es doch eben 
wegen seiner Schwierigkeit unmöglich eingebracht sein kann, vielmehr 
in de (Rept. gegen alle Mjsc.) verwandelt ist. 

*) Es ist also nicht bloss gemeint, dass das schonungs- und lieb- 
lose Benehmen des Stärkeren ihm Gewissensbetrübniss verursacht 
(Meyer), auch nicht bloss, «dass sein Verhalten den Schwachen um 
seinetwillen betrübt, weil derselbe ihn auf falschen Wegen glaubt 
(vgl. Hofm., God.), dass er traurig wird, weil das Band der Gemein- 
schaft sich löst (Böhmer), oder er an der christlichen Sache überhaupt 
irre wird (Luth.. Zimmer bezieht gar den Satz auf die Starken und 
Schwachen in verschiedenem Sinne. Die Fassung vom Vorwürfe- 
machen wegen Beschränktbeit (Grot., Rosenm., Ew.) trägt das Wesent- 
liche des Gedankens ein und entspricht dem Zusammenhange nicht 
(V. 13f. 20f.). Gegen den neutestamentlichen Gebrauch nimmt es 
Phil. von einer Beschädigung, die in dem ἀπόλλυσθαι bestehe. Die 
fragende Fassung des Nachsatzes (Hofm.) ist bei Beachtung jener 
völlig kontextmässigen Bestimmtheit des mittelst gegebenen Aerger- 
nisses geschehenen λυπεῖται ganz unmotivirt und fügt sich nicht in 
die Worte. Nach Hofm. soll nämlich οὐχέτε οἷο. dem Angeredeten 


H60 Röm 1416. 16. 


— un τῷ βρώματὶί σου) nimmt das διὰ βρῶμα noch ein- 
mal mit grossem Nachdruck auf, um zu betonen, wie gering- 
fügig das ist, um deswillen ein so ungeheurer Frevel begangen 
wird, wie er jetzt als ein mit dem λυπεῖσθαι (dessen allein 
richtige Fassung dadurch bestätigt wird) gegebenes arzoAAveır 
(vgl. 212) bezeichnet wird. Ins Verderben gebracht wird der 
Bruder nämlich, wenn das Ende der ihm solche Betrübniss 
bereitenden inneren Kämpfe ist, dass er durch Dein Beispiel 
verführt wird, sich über sein Gewissen hinwegzusetzen , was, 
da alles religiös-sittliche Leben auf der Gewissenhaftigkeit 
ruht, zu einer völligen Korruption desselben und somit schliess- 
lich zum ewigen Verderben führen muss. — ὑπεὲρ οὗ Χρι- 
στὸς ἀπέϑανε) Während das λυπεῖσϑαι des Bruders fühl- 
bar machte, wie lieblos ein rücksichtsloses Verhalten des Frei- 
gesinnten wäre, wird durch diese nähere Charakteristik des 
in's Verderben Gestürzten betont, dass dies αεολλύναι ein 
Frevel gegen Christus selbst ist. Denn wenn dieser ihm zu 
Gut, d. h. um ihn vom ewigen Verderben zu retten, sein 
Leben hingab, so bringt man dadurch Christum selbst um den 
Erfolg seines Todesopfers. Vgl IKor 81:1. »Ne pluris feceris 
tuum cibum, quam Christus vitam suam«, Beng. 

V. 16f. un BAaopmusio9w) vgl. 3s, nämlich durch 
Euer Verschulden. Der starke Ausdruck macht es unzweifel- 
haft, dass dabei an die Nichtchristen gedacht ist, welche zum 
Lästern veranlasst wurden, wenn sie sahen, dass um Essens 
und Trinkens willen die Christen einander verachteten und 
verurtheilten, oder mit einander haderten und sich von ein- 
‚ander trennten, als ob es sich »in Wahrheit trotz aller hohen 
Worte bei ihnen um solche Aeusserlichkeiten handele (Hofm.). 
— ὑμῶν) steht mit Nachdruck voran (vgl. Phl 3%), um an- 
zudeuten, wie es ihre Sache sei, das ihnen als Christen ge- 
hörende Gut (τὸ ἀγαϑόν, vgl. 57) vor solcher Lästerung zu 
schützen. Bei diesem Gut denkt man am Besten an den 
Heilsbesitz des Christen (Hofm., Luth., Lips. nach Reiche, 
Rück., Krehl), ohne denselben näher zu bestimmen ἢ). — V. 17 


nur die Frage vorlegen, ob er sich durch die Schwachheit seines 
Mitchristen, einer Speise wegen in Bektimmerniss zu gerathen, wirk- 
lich bestimmen lasse, seinen Wandel dahin zu ändern, dass er sich 
lieblos beträgt. 

ἢ Es können als die Lästernden nicht die Schwachgläubigen 
gemeint sein (Frtzsch., God., Otto u; A.), auch nicht zusammen mit 
den Ungläubigen (Goeb.). Entschieden falsch, weil die falsche Fassung 
des Alaoynu. voraussetzend. denken Orig., Pelag., Beza, Calvin, Grot., 
Beng. u. V., auch Flatt, Borger, Frtzsch., Thol., Nielsen, B.-Crus.. 
Reitbm., Maier, Bisep., God., Beck, Otto, Sand. bei τὸ ἐγαϑόν unter 


Röm 1411. 56] 


begründet diese Ermahnung dadurch, dass in diesen Dingen 
wirklich nicht das Wesen des Christenthums besteht. — 7 
βασιλεία τοῦ Jeor) ist bei Paulus gewöhnlich das vollendete 
Gottesreich, dessen Errichtung mit der Parusie im αἰὼν μέλλων 
eintritt (IKor 6sf. 15%. ». Gal 521), und nie das schon auf 
Erden (in der Gemeinde) sich verwirklichende Reich Gottes 
(Reiche, de W., Phil, Hofm., Otto, Goeb. nach Aelteren). 
Aber hier (vgl. auch IKor 4:0) ist doch nicht von dem Gottes- 
reich in seiner jenseitigen Verwirklichung die Rede (gegen 
Meyer), sondern von dem Wesen des Gottesreiches an sich 
(vgl. God., Beck, Luth., Lips., Sand.), welches nicht ein solches 
ist, dass es für seine Erlangung auf Essen und Trinken an- 
kommt, ἃ. ἢ. darauf, dass man dies oder jenes oder Alles ohne 
Unterschied esse und trinke. — ϑρῶσις) vgl. IKor 84. Kol 
2:6. Plat. Rep. 10, p. 619C., bezeichnet im Unterschiede von 
οῶμα (V. 15) das Essen, d. i. den actus edendi (vgl. Tittm. 
Synon. p. 159), und ebenso σεόσις (Dan 11) das Trinken 
selbst in Unterschiede von πόμα (IKor 104). — ἀλλα) Im 
Gegensatz dazu können nur die höchsten Güter genannt sein, 
die schon hier erlangt werden, und von deren Erlangung daher 
allein die Verwirklichung des Gottesreiches abhängt. Dass 
Paulus bei δικαιοσύνη an die aus Glauben erlangte Ge- 
rechtigkeit denkt, zeigt unzweifelhaft das damit verbundene 
καὶ εἰρήνη (vgl. 5ı), das also nur von dem Frieden der Ver- 
söhnung mit Gott genommen werden kann (Calv., Cal. u. V., 
auch Rück., Thol., Phil. Goeb., Luth., Böhmer). Auch die 
damit verbundene χαρὰ ἐν πνεύματι ἁγίῳ (vgl. IThs 1e. 
Gal 52) ist bei Paulus keine Tugend, sondern stets die im 
heiligen Geiste beruhende oder von ihm gewirkte freudige Ge- 
müthsstimmung, welche sich als Folge der geschenkten Ge- 
rechtigkeit und des dadurch erlangten Friedens einstellt *). — 


unpassender Berufung auf IKor 1080 an die christliche Freiheit; und 
ganz wunderlich v. Heng.: quod in vobis Romanis bonum est. Andere 
bestimmen das höchste Gut näher als das Reich Gottes (Ew., Umbr., 
Meyer, Goeb.. Zimmer, vgl. auch Böhmer nach V. 17), die Gemein- 
schaft mit Christo (Volkm.), am wenigsten passend als den Glauben 
(de W. nach Vätern bei Suicer. Thes. I, p. 14, vgl. Theodoret, Phot.), 
die christliche Lehre (Luther, Calov. u. M.) oder das Evangelium 
(Phil... Daraus, dass jedenfalle das spezifische Christengut bezeichnet 
ist, folgt nicht, dass die Rede sich hier an Alle wendet (Meyer, vgl. 
dagegen Hofm.). Der Gedanke, dass die Freigesinnten ihre Glaubens- 
genossen des höchsten Heils berauben (Lipe.', lag doch wohl »Un- 
gläubigen« fern. 

*) Natürlich darf man den Begriff des βασ. τ. 3. nicht entleeren, 
indem man ihn in den der res christiana (B.-Crus.) oder drgl. um- 
setzt, und in die einfache Verbindung des Subjekts mit einem Wesens- 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 56 





562 Röm 1418. 19. 


V. 18. ὁ γὰρ ἐντούτῳ δουλεύων τῷ Χριστῷ) begründet, 
warum in dem V. 17 Genannten das Wesen des Gottesreiches 
besteht. Es soll ja nicht gesagt werden, dass in den drei dort 
genannten Stücken (das wäre ἐν τούτοις und schlösse nach 
V. 6 das Essen und Trinken keineswegs aus) der Dienst, 
welchen der Christ als solcher Christo als seinem Herrm 
leistet (V. 7ff.), besteht, wie man es gewöhnlich fasst (vgl. noch 
Lips.), sondern dass davon, ob dieser Dienst Christo geleistet 
wird auf Grund dessen, was das Wesen des Gottesreiches aus- 
macht, also von dem Lebensstande des Gerechtfertigten aus, 
wie er V. 17 als Friede und Freude charakterisirt war, es 
abhängt, ob man Gott wohlgefällig (evaesorog τῷ Jen, 
vgl. 121) ist. Denn eben weil nicht Essen und Trinken, 
auch wenn man damit Christo zu dienen sucht, sondern nur 
jener Lebensstand vor Gott wohlgefällig macht, kann das 
Wesen des Gottesreiches nur in den V. 17 genannten Stücken 
bestehen. Dass noch hinzugefügt wird, ein solcher sei auch 
den Menschen bewährt, probehaltig (doxıuoc, ursprünglich 
von Metallen Gen 231. IReg 101. IChr 29, dann über- 
tragen auf Menschen Jak 11:5. IKor 11. ον 101), ge- 
schieht mit Rücksicht auf V. 16, wonach die Christen die 
Lästerung ihres Christenstandes selbst verschulden, wenn sie 
denselben nicht in einem Gott und Menschen wohlgetälligen 
Leben bewähren ἢ. »Paulus hic de sincero judicio loquitur«, 
Calvin. — V. 19. ἄρα ov») vgl. 5ıs. 78, folgert aus dem in 


merkmal nicht willkürlich eintragen: das Reich Gottes wird nicht 
erlangt durch u. 8. w. (So nach den griech. Vätern Grot. u. A.). 
Meyer, Hofm., Lipe., Sand. nebmen nach Vätern, Grot., Reiche, Frtzsch. 
u. A. dıx. x. εἶρ. im sittlichen Sinne von ethischer Rechtschaffenheit 
und von der Eintracht mit den Brüdern, de W., Beck vermengen 
Beides, und Otto beziebt es gar noch spezieller darauf, dass man 
seinen Mitmenschen zugesteht, was ihnen zukommt, und nicht mit 
ihnen zankt. Aber unter den Hauptmomenten des sittlichen Christen- 
lebens würde die Liebe nicht fehlen, und garnicht dahin gehört die 
χαρά. Die transitive Deutung von der Freude, welche der Christ auf 
Andere verbreitet (Grot., Koppe, Reiche, Otto u. M. im Gegensatz zu 
dem λυπεῖσϑαε V. 15, den theilweise auch Hofm. hereinzieht), ist 
weder Jurch das einfache Wort noch durch sonstigen Neutestament- 
lichen Gebrauch begründet. 

4) Das ev τουτοις (Rcpt. nach EL), das Meyer und andere Ex- 
egeten vorziehen, entstand aus der Reflexion auf die drei Stücke in V. 17 
und ist aus exegetischen Gründen so unhaltbar, wie aus textkritischen. 
Die Beziehung des rovrw auf πρνευματε ayın (Rück., Beck) lag den 
Abschreibern sicher fern. Lehm. streicht nach ADFG ro vor χριστω 
(Trg, i. Kl.).. Das doxsuos (BG), das Buttmann StKr 1860, p. 398 
vertheidigt, ist offenbarer Schreibfehler. Werthgeschätzt, angesehen 
(vgl. noch Zimmer) heisst δόχεμος nicht. 


Röm 1419. 20. 563 


V. 18 begründeten V. 17. Da das Reich Gottes nicht in 
Essen und Trinken besteht, und es also nicht nöthig ist, um 
dieser Dinge willen sich in Streit zu verwickeln, so findet hier 
die 1218 als Bedingung gesetzte Möglichkeit der Friedfertigkeit 
statt. — τὰ τῆς εἰρήνης) was zum Frieden gehört, das 
Wesen der Eintracht ausmacht, sachlich nicht verschieden von 
τὴν εἰρήνην. 8. Bernh. p. 325f. Kühner 8 403, b. — δεώ- 
xouev) Der Ind. drückt aus, was die Christen ordentlicher 
Weise thun (vgl. V. 7), und was daher auch Paulus mit diesen 
Ermahnungen beabsichtigt. — τῆς οἰκοδομῆς) bildliche Be- 
zeichnung der Vervollkommnung (hier aktiv) im christlichen 
Leben, das als ein Bauwerk Gottes gedacht ist. Vgl. IIKor 
108. 1310. IKor 144. — eig ἀλλήλους) vgl. οἰκοδομεῖτε εἷς 
τὸν ἕνα, 1 Ths ὅ1τη᾽΄. Es wird also auch bei der Frage, ob man 
etwas essen darf oder nicht, worauf an sich für das Gottes- 
reich garnichts ankommt, der Christ beständig fragen, ob seine 
Praxis zur Förderung des Anderen dient oder nicht *). 

V. 208. ἕνεκεν βρώματος) hebt die Geringfügigkeit 
dessen hervor, um κῶν τἶον der Christ eine solche Sünde be- 
geht. Vgl. διὰ βρῶμα V. 15. Zu ἕνεχεν vgl. 886 aus Ps 242. 
Aus der Pflicht, an der Erbauung des Anderen mitzuarbeiten, 
ergiebt sich unmittelbar, dass man nicht niederreissen darf 
(χατάλυε, vgl. Esr 812. Mt 2661. Gal 2:8), was Gott ge- . 
baut hat. In diesem Zusammenhange kann τὸ ἔργον τοῦ 
$env nur das von Gott im Christen gepflanzte christliche 
Leben sein (vgl. IKor 89. 151). So de W., God., Beck, 
Goeb. Was V. 15 als Frevel gegen das, was Christus am 
Nächsten gethan, dargestellt war, erscheint hier als Frevel 
gegen das Werk Gottes selbst in ihm **). Vgl. Calov.: »Non 


*) Daraus, dass hier εἰρήνη von der Eintracht steht, folgt nicht, 
dass es auch V.17 so genommen werden muss. da das Folgende zeigt, 
dass eine Anspielung auf die dort genannten Stücke keineswegs statt- 
findet. Meyer u. A. (vgl. noch Zimmer, Luth., Lips.) vertheidigen die 
Rept. διωχωμὲν (CDE it., vgl. Treg. txt., WH. txt.), die aber durch 
das Bedürfniss der Applikation (vgl. 5ı) so nabe gelegt war, dass die 
Möglichkeit eines alten Schreibfehlers dagegen kaum in’s Gewicht 
fällt, zumal DE it. (mit FG) auch durch die Hinzufügung von φυλα- 
ξωμεν am Schlusse die Hand des Emendators zeigen. 

*“*) Weniger passend findet Hofm. dort vor der eigenen Ver- 
sündigung gewarnt, hier vor der Schädigung des Schwachen, God. 
dort vor der Schädigung des Bruders, hier vor der des Werkes Gottes 
an sich. Das ἔργον τ. 9. ist also nicht das V. 17 Genannte (die 
διχαιοσύνη οἷο, so Frtzsch., B.-Crus.) oder alles durch Christum ge- 
währte Gute (Kölln., vgl. Borger), auch nicht der Glaube des Mit- 
christen, vgl. Theod , Reiche), sein ewiges Heil (Chrye., Oec., Theoph.), 
oder der Christ als solcher (Meyer, Phil., Hofm., Luth. mit Verweisung 


36* 


564 Röm 1490 .2ı. 


levis est culpa, sed horribilis ϑεομαχία, opus Dei destruere«. 
— πάντα μὲν χαϑαρα), vgl. Lk llaı, gleich οὐ κοινόν 
V. 14. Alles (alle Speise) zwar ist rein, und also, sie zu ge- 
niessen, an und für sich nicht unsittlich oder mit Schuld be- 
fleckend. Derselbe Gedanke, wie V. 14, nur positiv gewendet, 
um zu zeigen, wie trotz jenes Grundsatzes man durch sein 
Verleiten Anderer zum Essen ein Werk Gottes zerstören 
kann. — ἀλλα) nach μέν, s. Viger. ed. Herm. p. 536. Hartung 
Partikell. II, p. 403 Baeuml. p. 170. — κακόν») wie 134, 
schlecht im sittlichen Sinne, sündlich. Als Subjekt dazu kann 
nur aus dem πάντα ein πᾶν ergänzt werden (Reiche, Luth.), 
was darum ganz natürlich ist, weil ja bei der Aussage, dass 
alle Speisen rein seien, der Gedanke im Hintergrunde lag, 
dass alles Essen an sich sündlos, erlaubt sei. Sündhaft aber 
ist es für den, welcher unter (dıa, wie 227) Anstoss isst, d. ἢ. 
trotzdem dass er Anstoss daran nimmt. Das πρόσχομμα 
(θεῖ. IKor 85) besteht darin, dass er es wider seine Ueber- 
zeugung nur den freieren Christen nachthun will und so zu 
einem gewissenswidrigen Handeln veranlasst wird. Diese Be- 
zehung des ethischen Dativ auf den Glaubensschwachen 
(Chrys., Luther, Beza, Carpz., Seml. u. M., Rück., Kölln,, 
Phil., Thol., Hofm., God., Beck, Luth., Goeb., Zimmer, Lips. 
wird durch die Parallele V. 14 bestätigt und passt allein in 
den Zusammenhang, wonach eben gezeigt werden muss, wie 
man fvexev βρώματος das Werk Gottes zerstören kann *). — 
V. 21 bringt nun die Maxime, die sich aus dem eben Ge- 


auf IIKor 5ızr. Eph 2:10. Vgl. Est.: »fratrem quem Deus fecit fidelem«), 
oder die Gemeinde als eine Gottesstiftung (Otto, Böhmer), so dass 
die Ermahnung wieder sowohl an die Schwachen als an die Starken 
ginge. Auch Lips., Sand. denken an das christliche (remeindeleben 
wegen des τῆς olxodouns in V. 19, wobei sie aber das εἰς αλλήλους 
übersehen, das auf die Förderung des Einzelnen deutet. 

ἢ Die Erklärung (Pelag., Grot., Beng. u. M., auch Reiche, de W.., 
Nielsen, B.-Crus.. Frtzsch., Reithm., Krehl., Umbr., v. Heng., Otto, 
Böhmer, Sand.) vom Glaubensstarken, welcher unrecht handle, wenn 
er esse unter gegebenem Anstosse, d. i. obgleich zum Anstosse des 
Schwachen, trägt die Vorstellung des gegebenen Anstosses willkürlich 
ein und passt nicht zu dem dı«. Fälschlich ergänzt man als Subjekt 
τὸ χαϑαρόν (Meyer), τὸ ἐσϑέεεν (Reiche, Lips.), τὸ πάντα φαγεῖν 
(Frtzsch., Hofm.), πάντα (Otto) oder jede Speise (Grot., Goeb.), da 
dann nicht abzusehen ist, warum der Sing. eintritt. God. will gar 
χαχόν selbst zum Bubjekt machen, was der fehlende Art. nicht erlaubt. 
Gegen den gangbaren Sprachgebrauch (134) ist es, x«x0” im Sinne 
von schädlich, schlimm, verderblich zu nehmen (Rück., Hofm., Beck., 
Otto); aber es ist auch nicht der Gegensatz von χαϑαρά (Meyer), 
da auch dann gar kein Grund abzuseben wäre, warum nicht χαχά 
gesetzt ist. 


Röm 14sı. 565 


sagten für den Glaubensstarken ergiebt. — καλόν etc.) 
trefflich, in sittlicher Beziehung (IKor 7ı), ist. es, wenn man 
nicht Fleisch isst (vgl. IKor 8:18), noch auch Wein trinkt. 
Im Ausdruck dieses Bedingungssatzes durch den artikulirten 
Inf. steht natürlich die subjektive Negation (μή). Daraus, dass 
die Enthaltung von Wein erst hier gelegentlich erwähnt wird, 
folgt nicht, dass sie nur problematisch gemeint ist. Es wird, 
wie nach V. 2 die Enthaltung von allem Fleisch, auch die 
Enthaltung von allem Wein Grundsatz der Schwachen ge- 
wesen sein. — Bei dem zweiten μηδέ ist einfach aus dem 
ar und zsısivy zeugmatisch der allgemeinere Begriff des 

eniessens zu ergänzen (vgl. Böhmer, Zimmer). Der Gedanke 
wird dadurch verallgemeinert, weil es ja auch solche gab, die 
zwar am Fleischessen und Weintrinken an sich keinen An- 
stoss nahmen, wohl aber am Essen von Öpferfleisch und 
Trinken von Libationswein. Das ἐν ᾧ steht statt des blossen 
Dativ, womit sonst naturgemäss zsg00x07rreı sich verbindet 
(9. IPt 28, Mt 7x; doch vgl. JSir 3018), weil es zugleich 
zu den beiden folgenden Ausdrücken gehört, und also im 
allgemeineren Sinne den Punkt bezeichnen soll, in welchem 
einer Anstoss nimmt. Wie dieses auf das V. 20 dagewesene 
πρόσχομμα zurückblickt, so ἢ σκανδαλίζεται (Mt 5af. 
1Kor 818) auf den Ausgang der Erörterung (V. 13), wonach 
er zum Fallen über das Hinderniss, d. h. zum Sündigen ver- 
anlasst wird. Zu beiden wesentlich synonymen Ausdrücken 
tritt noch das ἢ ἀσϑενεῖ (vgl. 88: ἐν ᾧ ἠσϑένει), um anzu- 
deuten, dass es sich auch um solche Punkte handelt, in 
welchen der Nächste schwach ist (V. 1), ganz abgesehen davon, 
ob unmittelbar die Gefahr eines gewissenswidrigen Handelns 
vorliegt ἢ). 


*) Fälschlich nimmt Hofm. das χαλόν nur im Sinne der Er- 
spriesslichkeit, Rück., Kölln. (nach Luther, Grot., Flatt) kompara- 
tivisch, als ob ein 7 folgte (vgl. Μι 188). Nach dem zweiten μηδέ ein 
ποιεῖν zu ergänzen (Meyer, Luth., Lips. nach Win. δ 64, I,1. Buttm. 
p. 836), ist ebenso unnöthig, wie mit Hofm., Goeb. μηδὲ ἕν zu lesen, 
was ohnehin unpassend wäre, da es nicht »irgend etwas«, sondern 
ne unum quidem (Joh 13) hiesse. Otto will nichts ergänzen und er- 
klärt: und zwar nicht in solcher Weise, an welcher der Bruder sich 
ärgert, was dem Glaubensschwachen gesagt sein soll! Mit Unrecht 
lassen Tisch., WH. und die neuesten Ausleger ἢ σχανδαλιζεται ἡ 
andere: fort nach AC Orig. (Treg. a. R. 1. Kl.); denn N, der nach 
V. 15 bloss Avzeırs hat, kommt hier nicht in Betracht. Wenn auch 
ἢ oxavd. nach V. 13 zugesetzt sein könnte, so sieht doch ἡ ασϑεένεει 
sicher nicht nach einem Glossem aus, und viel näher lag, um die 
Beziehung zu δία nooox. V. 21 schärfer hervortreten zu lassen, die 
Streichung der scheinbar überflüssigen Synonyma. Auch bier machen 








566 Röm 1422. 28. 


V. 22f. σὺ πίστιν ἔχεις) ist wohl besser konzessiv 
(Luth., Beza u. V., auch Scholz, Tisch., Frtzsch., Thol., Hofm., 
God.) zu nehmen, als fragend (Calv., Grot., Calov. und die 
meisten Neueren, auch Meyer, Lips., vgl. schon bei Oecum.). 
Gegenüber der V. 21 gestellten Forderung konnte sich der 
Glaubensstarke mit scheinbarem Recht auf seine Glaubens- 
zuversicht berufen, die ihm alles zu essen gestattet; und da 
der Apostel ihm das zugesteht, so setzt er in kategorischer 
Form dies als gegeben voraus, um nun mit Bezug darauf seine 
Vorschrift zu geben, ganz wie 133. — κατὰ σεαυτὸν Eye) 
Für Dich allein habe ihn, s. Kühner $ 483, I, 3, d. Vgl. 
Heliodor. 716: κατὰ σαυτὸν ἐχε καὶ μηδενὶ φραζε, auch das 
klassische αὐτὸς ἐχε: behalt’s für Dich. Der Nachdruck liegt 
eben darauf, wie er ihn haben soll. Paulus macht geltend, 
dass ja jener werthvolle Glaube nicht an Werth verliert, wenn 
er sich damit begnügt, ihn für sich selbst zu haben (agxaizw 
σου τὸ συνειδίς, Chrys) vor Gott, dem Herzenskündiger 
(ἐνώτειον τοῦ ϑεοῦ), auf dessen Wissen darum es doch 
allein ankommt, und ihn nicht vor Menschen zum Aergerniss 
der Schwachen zur Schau zu tragen. »Fundamentum verae 
prudentiae et dissimulationise, Beng. — uaxaeıos) vgl. 47. 8, 
preist ihn schon gegenwärtig selig wegen seiner Glaubens- 
zuversicht, und erkennt daher den hohen Vorzug derselben 
an, mit dem sich der Starke genügen lassen soll; denn sie 
eben macht, dass er gar nicht erst über sich selbst Gericht 
hält bei seiner Entscheidung für dieses oder jenes, sondern dessen 
von vorn herein gewiss ist, dass, wenn er seiner Ueberzeugung 
folgt, dies keine Sünde ist und seinen Heilsstand nicht stören 
kann. Das ὃ un κρίνων ξαυτόν verbindet sich mit ἐν ᾧ, 
wie 2ı, um den Punkt zu bezeichnen, in dem ein solches 
Selbstgericht eintreten würde, wenn er jene Glaubenszuversicht 
nicht hätte. Hier steht also das doxıualeı, abweichend von 
218, 122, von dem Resultat der angestellten Prüfung, wie 
ITh 24. Ποῖ 82: bei dem, was er billigt, ἃ. 1. »agendum 
eligit« (Est). Treffend Luth.: in dem, das er annimmt. Vgl. 
IIMak 43. Dem. 1381. 6. Plat. Legg. p. 579C. Diod. Sic. 
4, 1). — V. 23 bringt nun die entgegengesetzte Erwägung, 
welche zeigt, wie gross die Gefahr für den Schwachen ist, 


God., Beck u. A. Unterschiede zwischen προσχόπτειν und oxavdal., zu 
denen aber der biblische Sprachgebrauch keine Berechtigung giebt. 
Ἢ Das ν vor eyeıs, das alle neueren Editoren aufnehmen, ist 
trotz der Bezeugung durch NABC ein alter Schreibfehler, vielleicht 
durch Doppelschreibung von zuaTI/IN entstanden (Meyer), weil es 
durchaus den Art. vor zıorıw erfordern würde (Hofm.). Das uaxapıos 


Röm 1428. 567 


wenn er durch den Starken zu einem gewissenswidrigen Ge- 
nuss verführt wird. — ὁ δὲ διαχρινόμενος) vgl. 4; wer 
aber, wenn er gegessen haben wird (ἐὰν φάγῃ), zweifelt, qui 
dubius haeret, ob nämlich das Essen wirklich erlaubt war 
oder nicht. — κέχρεται) er ist verurtheilt, eo ipso (vgl. 2. 
188. Joh 818) dem göttlichen Strafurtheile verfallen. — ὅτι 
οὐκ ἐκ πίστεως) 586. ἔφαγε. — πᾶν δὲ etc.) kann noch 
mit özı zusammenhängen: weil er nicht aus Glauben ass, 
Alles aber, was nicht aus Glauben kommt, Sünde ist (Goeb.). 
Die selbständige Fassung jedoch ist nachdrücklicher (Lips.). 
Das näher bestimmende δέ sagt, in wiefern einer, dessen 
Essen nicht aus Glaubenszuversicht hervorging, eo ipso ver- 
urtheilt ist Alles, was nicht aus der (Glaubenszuversicht 
hervorgeht, dass unser Heilsstand dabei unerschüttert bleibt, 
ist Sünde, sofern ja jedes solches Thun zeigt, dass man bei 
demselben nicht fragt, ob es unseren Heilsstand erschüttert, 
oder, trotzdem dass man zweifelt, ob das nicht geschieht, sich 
dasselbe doch erlaubt. In jedem Falle liegt darin eine Gleich- 
gültigkeit gegen die Bewahrung des Heilsstandes, welche an 
sich sündhaft ist *). 


darf nicht auf die Gewissheit der ewigen Seligkeit bezogen werden 
(Meyer), wodurch es seine pragmatische Bedeutung im Zusammen- 
hange verliert. Das χρέγων ist nicht gleich χαγαχρίνων (Chrys. u. d. 
Meisten, vgl. noch Beck, Böhmer, Otto, Zimmer), zumal ja gleich 
in V. 23 χαταχέχριτιε folgt. Mit Recht erklärt Hofm. gegen Phil., 
dass diese Seligpreisung nicht (nach V. 5) mit auf den Glaubens- 
schwachen bezogen werden kann, da das Nichtessen nicht ein Thun 
ist, das er billigt, sondern Enthaltung von einem Thun, das er ver- 
wirft. Trotzdem bezieht es auch Otto auf beide, indem er den Sinn 
herausbringt: Selig, wer sich nicht (natürlich ohne es zu wollen) 
A richtet mit dem, was er als Maasstab an einen Anderen 
anlegt! 

*) Das χέχριται von faktischer Selbstverurtbeilung zu nehmen 
(Chrys., Theod., Grot. u. M., auch Hofm., Luth.), ist ohne nähere Be- 
stimmung unberechtigt. Trotzdem nimmt es auch Otto so, der das 
diexovouevos auf den /wiespalt zwischen Gesinnung und Handlungs- 
weise bezieht. Auch hier fasst Meyer die πέστες von dem Glauben 
nach seiner sittlichen Bestimmtheit (eonscientiam informans et con- 
formans, Beng., Luth.), die Meisten im abstrakten Sinne der Wabr- 
heitsüberzeugung (vgl. noch Beck, Lips., Sand... Der Grundsatz, den 
Paulus ausspricht, gilt natürlich für das Verhalten des Christen und 
lässt sich nicht über die christliche Lebenssphäre hinaus ausdehnen, 
so dass die Werke, auch die Tugenden der Ungläubigen sämmtlich 
Sünden seien (Augustin. c. Julian. 4, 8 al., Luther, Form. conc. p. 700, 
Calov. u. M.). Ebensowenig lüssat sich derselbe natürlich umkehren, 
als ob Alles, was 2x πέστεως hervorgeht, berechtigt sei, da die πέστις 
sich oft genug mit getrübten sittlichen Bewusstsein verbindet (vgl. 
Böhner). Ueber die Einschaltung der Doxologie 16s5ff. am Schlusse 
des Kapitels vgl. Einl. 8 4, 4. 





568 Röm 15ı. 


Kap. XV. 


V. 1—13. Ermahnung zur Duldsamkeit. — V. 1. 
ὀφείλομεν de) Der Gefahr, welche die Schwachen laufen 
würden, wenn sie aus Akkomodation an die Starken auf ihre 
Praxis eingingen (142), stellt Paulus die Verpflichtung gegen- 
über, welche daraus für die Starken sich ergiebt. — nueig 
οἱ δυνατοί) in anderem Sinne ISam 9ı. Rt 2ı. IKor 
126, bezeichnet hier die Starken des Kap. 14, zu denen 
sich Paulus mitzählt, da er 1414. 2) die Anschauungen der- 
selben billigt. — τὰ ἀσϑενήματα) ἅτπελ., die thatsächlichen 
Erscheinungen, welche als Ergebnisse des ἀσϑενεῖν τῇ πίστει 
(141) bei den ἀδένατοι (Job 8:16. 24:2. 2916, vgl. Act 14e) 
hervortreten. Je unbestimmter der Ausdruck an sich ist, 
desto nothwendiger ist es, ihn aus dem Zusammenhange mit 
Kap. 14 zu bestimmen. Es ist schon an sich eine Last, die 
den Starken auferlegt wird, solche Schwachheiten mit Nach- 
sicht und Geduld zu tragen (βασταζειν, wie Gal 632, vgl. 
Mt 2012), insbesondere aber, wenn die Starken sich eine ihnen 
lästige Praxis in mancherlei Enthaltungen auferlegen müssen, 
um den Schwachen keinen Anstoss zu geben ἢ. — un Ear- 
τοῖς ἀρέσχειν) vgl. Lev 10». Din 2316. Prv 12aı. Est 24. 
Mt 146. Die Selbstgefälligkeit hält sich selbst für so hoch, 
dass es als ein unerträglicher Anspruch erscheint, um Anderer 





Ἢ Vergeblich bemüht sich Hofm., einen Zusammenhang dieser 
Aussage mit 1635-27 herzustellen, welche Verse er nach 1423 stehend 
denkt und als Einleitung zu der folgenden Ermahnung fasst, die 
aber mit ihnen schlechterdings nichts zu thun hat. Ja, er will sogar 
das γάρ in V. 4 zu der Bezeichnung Gottes in der Doxologie in Be- 
ziehung setzen! Dagegen muss er nun jeden Zusammenhang der 
folgenden Ermahnung mit Kap. 14 leugnen und deshalb das δυνατοί 
auf die in der gesunden Kräftigkeit eines richtigen Christenlebens 
Stehenden bezieben, bei den ἀδύνατοι an Alle denken, die an Ge- 
brechen ihres geistigen Lebens leiden, und denen jene helfen sollen, 
sich derselben zu entledigen, was natürlich ganz wortwidrig ist. 
Dasselbe thut Otto, der sich mit Unrecht auf Manz: beruft, da der- 
selbe jetzt den Zusammenhang mit dem Vorigen anerkannt hat (p.82). 
Auch er setzt die Doxologie an den Schluss von Kap. 14 und weist 
den Abschnitt 151—1ı3, in dem er »die Judenfrage« behandelt findet, 
dem Epilog zu. Allein für diese Zerreissung des Zusammenhanges 
liegt nıcht der mindeste Grund vor. Man kann nicht einmal sagen, 
die Ermahnung verallgemeinere sich (Goeb., Zimmer, Lips.), und in 
die ἀδύνατοι seien alle mehr oder weniger gesetzlichen Judenchristen 
ED DERZIDER. — Das yap nach ex«oros (Rept) V. 2 hat nur Min. 
für sich. 


Röm 15s—.ı. 569 


willen, die nicht auf derselben Höhe stehen, sich irgend eine 
Last aufzuerlegen. — V.2 ἕχαστος nuwr) vgl. 1412. Hier 
erst verallgemeinert sich die Ermahnung, indem der Selbst- 
gefälligkeit die Pflicht entgegengestellt wird, dem Nächsten 
(τῷ πλησίον, vgl. 189) zu gefallen. Das apeoxerw ist 
natürlich nicht von der falschen Menschenpet älligkeit (Gal 1 10) 
zu verstehen, welche im tiefsten Grunde selbstsüchtig ist (vgl. 
God., Beck), sondern von der wahren (IKor 1083), welche nicht 
nur das zu seelengetährlichem Anstoss führende Misfallen 
Anderer meidet, sondern welche ihm durch Nachsicht, gutes 
Beispiel, nöthigenfalls auch durch Verzichtleistung auf sein 
ἔπε: Recht zum Besten (eig τὸ αγαϑόν, wie 8.28, vgl. 

Kor 10s: τὸ σύμφορον») verhilft, was durch σερὸς οἶχο- 
δομήν näher bestimmt wird: Behufs Erbauung, d. ἢ. um 
christliche Vervollkommnung (an ihm) zu bewirken. 8. z. 141. 
Zum Wechsel von εἰς und σερός vgl. 3xf.). 

V. 3f. «ai yae) vgl. 11ı, begründet diese Pflicht durch 
das Vorbild Christi; denn auch er gefiel nicht sich selbst, 
sondern er liess alle Schmach der Gottesfeinde über sich er- 
gehen, was er nicht gethan hätte, wenn dieselbe seine Selbst- 
en so schwer verletzt hätte, dass er sich auf jede 

eise derselben entziehen zu müssen glaubte. Statt nun zu 
sagen, was Christus that, lässt der Apostel statt seiner mit 
grossem Nachdruck die Schrift selber reden (χαϑὼς ye- 
yoazıraı, vgl. 117), wie IKor 1sı (Win. $ 63, 2, d), indem 
er aus Ps 691 (wörtlich nach den LXX) anführt, wie der 
vom Propheten reden gehörte Messias (vgl. 119) von sich sagt: 
die Schmähungen derer, die Dich schmähen, fielen auf mich *). 
— V.4. Goa γαρ) begründet die Anwendung dieses Schrift- 


Ἢ Man zerstört nur die Kraft und Lebendigkeit des Ausdrucks, 
wenn man irgend etwas ergänzt (Erasm.: sibi Jisplicuit, Grot., God. 
u.M.: feeit, Borger: ἐγένετο), was ohnehin immer einen Schriftspruch 
voraussetzen würde, in dem etwas von dem Messias ausgesagt wird, 
in dem er aber nicht etwas von sich aussagt. Das im Psalm redende 
Subjekt ist weder als David (Hofm.), noch ale Typus des Messias 
{Meyer, God.) gedacht. Vgl. dagegen Mang. p. 84. Aber auch die 
Beziehung des σὲ auf Andere als Gott (Lips., Sand.) liegt fern. Dass 
Christus trotz der Schmähungen seine Berufsthätigkeit zur Erlösung 
der Menschen fortführte (Meyer, God.), ist so wenig angedeutet, wie 
dass er die Schmach in selbstverleugnender Hingebung an die Sache 
Gottes trug (Calv. u. M.: »ita se Domino devorisse, ut descinderetur 
animo, quoties sacrum ejus nomen patere impiorum maledicentiae 
videret«, vgl. de W., Phil.. Beck), obwohl Ersteres indirekt im Zu- 
sammenhange mit V. 2 liegt. Eine Anspielung auf die Schmähungen, 
welche sich Heiden- und Judenchristen von ihren Volksgenossen zu- 
zogen, wenn sie in einander aufgingen (Goeb.), liegt in dem Citat 





570 Röm 154. 


wortes zur Unterstützung seiner Ermahnung, weil er auf das 
Beispiel Christi nicht als solches, sondern als auf ein ın der 
Schnft uns vorgehaltenes verwiesen hatte, wodurch dasselbe 
nur desto einladender und verbindlicher zur Nachfolge erschien. 
Denn, wieviel auch (vgl. 819) zuvor, d. h. vor unserer Zeit, 
geschrieben ist, das ist zu unserer Belehrung geschrieben (vgl. 
421). Das σερο- in ζσεροεγράφη (IllEsr 62. Jud 4) erhält 
seine Bestimmung durch das im zweiten Gliede mit Nach- 
druck vorangesetzte ἡμετέραν; gemeint ist der sämmtliche 
Inhalt des AT’s. Zu διδασκαλίαν vgl. IlTim 8:16. Also 
ist auch das von den Leiden des Messias Geschriebene zu 
unserer Belehrung geschrieben. — ἕνα) Es entspricht der 
freien Gedankenbewegung des Apostels, dass er hier, wo er 
den Zweck solcher Belehrung durch die Schrift angiebt, weil 
die citirte Schriftstelle von Leiden redet, die Beziehung auf 
den speziellen Punkt, um deswillen er dieselbe anzog (V. 1f.), 
BR fallen lässt und von dem Verhalten des Christen im 

iden überhaupt redet. Vgl. Mang. p. 86f. — διὰ τῆς 
ὑτεομονῆς) vgl. def. 825. Mit der Ausdauer in der Trübsal 
kann dennoch die Fortdauer des Schmerzes über dieselbe ver- 
bunden sein, welche immer wieder die Freudigkeit unserer 
Hoffnung gefährdet. Darum tritt hinzu die uns widerfahrende 
Tröstung in derselben (zaı dıa τῆς τεαραχλήσεως, vgl. 
IIKor 13—). Der Genit. στῶν γραφῶν (12) gehört noth- 
wendig zu beiden Substantiven, da sonst διὰ τῆς ὑπομονῆς 
ganz abgelöst vom Zusammenhange dastände, der erst dadurch 
hergestellt wird, dass beides von den Schriften, in welchen 
solches zurorgeschrieben, gewirkt wird. Indem dieselben durch 
ihre Belehrung Geduld und Tröstung wirken, beabsichtigen 
sie, dass wir mittelst derselben die Christenhoffnung haben, 
welche auch nach 54 durch die Geduld und nach dem Oben- 
gesagten ebenso durch die Tröstung in uns nicht nur erhalten, 
sondern mehr und mehr gesteigert wird ἢ). 


kaum, das nur zeigt, wie Paulus zur Zeichnung des Bildes Christi 
nach der Weissagung greifen muss, weil ihm dasselbe nicht in 
lebendiger Anschaulichkeit vorschwebt. Doch vgl. noch zu V. 4. 

*, Das zweite zooeyp«g.n (Rept. nach ALP) ist dem ersten kon- 
formirt, wie umgekehrt an erster Stelle B. Vers. eypay.n haben, das 
ebensowenig aufzunehmen sein wird, wie das παντὶ nach ἐγράφη und 
das παραχλησεως nach ἐχωμὲν (B. Clem. ΜΉ. a. R.\. Dem Compos. 
folgt das Simplex, ein auch im Klassischen häufiger Wechsel; 3. Stallb. 
ad Plat. Phaed. p. 59B. Verfehlt aber beziehen Reiche, Hofm. das 
Gompus. auf die vor ihrer Erfüllung geschriebenen Messianischen 
Orakel. In der Rcpt. (Meyer) ist «das zweite Jı« fortgelassen nach 
DEFGP. Die Geduld ist nicht die gegen die Schwachen geübte 


Röm 155. e. 57 


V.5f. lenkt mit dem Wunsche, dass Gott ihnen Eintracht 
verleihe, zu der Ermahnung V.1f. zurück, da ein einträchtiges 
Streben zugleich die selbstlose Richtung auf das Wohl der 
Anderen mit sich bringt. — ὁ δὲ ϑεὸς etc.) Diese charak- 
teristische Bezeichnung Gottes als dessen, der allein Geduld 
und Tröstung zu wirken vermag und sie eben durch das: 
Wort der heiligen Schriften wirkt, knüpft an V. 4 an und 
beweist aufs Neue, dass τῶν γραφῶν dort auf τῆς ὑπομονῆς 
καὶ τῆς παραχλήσεως geht. — Zur Form δῴη statt der: 
älteren Attischen don 5. Lobeck ad Phryn. p. 346. Kühner 
ὃ 282, d. Anm. 2. Wird nach V.4 durch diese (xottes- 
wirkung die gemeinsame Hoffnung erhalten und gefestigt, 80. 
richtet sich von selbst das Dichten und Trachten auf dasselbe 
Ziel, nämlich auf die gehoffte Endvollendung. Das τὸ αὐτὸ 
zeopar: ist also nicht ganz dasselbe, wie 1216, wo εἰς αλλή- 

ovg dabei steht (gegen Lips.), während das ἐν αλλήλοις 
(1 12) nur sagt, dass sie in ihrer wechselseitigen Gemeinschaft, 
d. h. jeder für sich, wie für alle Anderen, nach diesem Ziele 
trachten sollen, also sich und alle Anderen in der Erreichung 
dieses Zieles zu fördern streben (vgl. das τερὸς oixodounv 
V. 2) nach Christi Willen (κατὰ Χριστὸν Ἰησοῦν, wie 
χατὰ ϑεόν 8:1) ἢ). — V.6. ἕνα ὁμοϑυμαδόν) vgl. Num 
272. Job 1610, bes. häufig in den Actis. Ist Aller Streben. 








(Olsh.); aber eben darum findet auch eine Beziehung auf das V. 1f. 
in spezieller Beziehung geforderte οὐχ ἑαυτῷ ἀρέσχειν nicht mehr statt 
(gegen Meyer, Lips., der ὑπομονή von der Beharrlichkeit im Glauben 
überhaupt und παράχλησις von der Ermunterung (im Glauben) im 
Allgemeinen fassen will). Der Gen. τῶν γραφῶν kann nicht bloss zu 
τῆς παραχλ. gehören (Melanth.. Grot.. Flatt, v. Heng. u. M.), aber 
ebenso unmöglich kann das Verhältniss desselben zu beiden Worten 
ein verschiedenes sein, wie Hofm. will, der ausserdem der now. einen. 
auch durch IITh 35 nicht erweislichen Sinn unterschiebt: das. 
Harren auf das geschriebene Wort (ἃ. bh. auf seine Erfüllung) und 
die tröstliche Ermunterung, die es bietet. Unter der ἐλπίς kann 
nicht die Hoffnung auf die Bekehrung der Völkerwelt (Hofm.) oder 
auf die Erbauung «der Gemeinde (Luth.) verstanden werden, da es. 
stets, wo es für sich steht, die Hoffnung auf die Endvollendung ist 
(82). Auch heisst weder ἔχωμεν» tencamus (Beza u. M.), noch ist 
ἐλπ. mit Reiche u. M. vom Gegenstande «er Hoffnung zu fassen, da 
ἐλπίέϑα ἔχειν nie etwas Anderes als das subjektive spem habere be- 
zeichnet. Act 24 15. IIKor 1015. Sap 318. Xen. Menı. 4, 2, 28. 
Polyb. 1, 59, 2. Vgl. Lobeck Aglaoph. I, p. 70. 

Ἢ Vgl. Mang. p. 92. Böhmer. Christus kann nicht als Norm 
ihrer Gesinnung (Meyer, Goeb., Zimmer, Sand.; vgl. Luth. mit Ver- 
weisung auf V. 3) gedacht sein, was zu der genauen Fassung des τὸ 
αὐτὸ offenbar nicht passt; Otto, Lips. wollen es gar nehmen: ent- 
sprechend Eurer Gemeinschaft mit Christo. Treg, WH. a. ΒΕ. lesen 
nach NACFP xar« ınauvr χριστον. 





572 Röm 156. 1. 


auf das eine Hoffnungsziel gerichtet, so werden sie auch ein- 
müthig Gott preisen, der es ihnen vorgesteckt hat und ihnen 
dazu verhilft. Wo dies einmüthig geschieht, da geschieht es 
auch mit einem Munde (ἐν äri orouarı, vgl. das klassische 
ἐξ ἑνός orcu. Plat. Legg. I, p. 634. E. Anthol. 11, 159). 
Wenn Gott so gepriesen wird (δοξάζητε, vgl. 121), dass 
jeden die gleiche Gesinnung zur gleichen Preisäusserung treibt, 
dann hört aller Streit und Hader über solche Aeusserlich- 
keiten, wie Essen und Trinken, auf, und die Einhelligkeit der 
Gemeinschaft hat ihren heiligsten Ausdruck gefunden. — τοῦ 
κυρίου gehört bloss zu “στατέρα und xai fügt epexegetisch 
die spezifische Näherbestimmung hinzu. So überall bei dieser 
den Aposteln sollennen Charakteristik Gottes, wie IlKor 13. 
1198... Eph 18. Kol 18. IPt 13*. Den Gott, der auch 
der Vater unseres Herrn Jesu Christi ist, sollen sie preisen, 
weil er als solcher (und damit durch Christum) ihnen das 
Heil bereitet hat, das sie dem Vollendungsziel zuführt. 

V. ΤΠ dio) vgl. 136. Damit es bei Euch zu solcher 
einmüthigen Lobpreisung komme, und dieselbe nicht durch 
Streit und Spaltung gehindert werde, nehmet einander auf zu 
brüderlicher Gemeinschaft, die Starken die Schwachen, wie 
. 141, aber auch umgekehrt. Dass die Ermahnung (προσλαμ- 
βάνεσϑε) an beide Parteien, also die sämmtlichen Leser 
geht, folgt aus ἀλλήλους, sowie aus dem doch der ganzen Ge- 
meinde geltenden Wunsche V.5f.; denn auch die Schwachen 
konnten die brüderliche Gemeinschaft mit den Starken, an 
deren Christenthum sie irre geworden, aufgeben. Begründet 
wird sie durch das χαϑὼς καί (11), ἃ. ἢ. durch den Vor- 
gang Christi (προσελάβετο μας vgl. 143), in welchem für 
sie der Antrieb zu gleichem σπεροσλαμβάνεσϑαι liegt. Vgl. 
143. — εἰς δέξαν ϑεοῦ) gehört zu προσελαβ. ὑμᾶς, wobei 
es steht, und wozu es kontextmässig allein passt. Wie ihr 


*) Dies erhellt aus den Stellen, in welchen bei zer. der Genit. 
Ἰησοῦ Xo.) nicht hinzugefügt ist, wie IKor 1534. Eph be. Kol 8:11. 
ak 137. 39. 8. z. IKor 15%. IIKor Ilsı. Eph 13. Man hätte nicht 
einwenden sollen, dass es entweder τὸν ϑεὸν ἡμῶν x. πατέρα I. Xo. 
oder τὸν ϑεὸν τὸν net. I. Xo. hätte heissen müssen. Beides wäre 
der Ausdruck einer anderen Vorstellung. Wie aber Paulus ge- 
schrieben, bindet τόν die Vorstellungen Gott und »Vater Christi« zur 
Einheit. Vgl. Dissen ad Dem. de cor. p.373f. Kübner ad Xen. Mem. 
1, 1, 19 ad Anab. 2, 2, 8. Richtig Theodoret.: ἡμῶν ϑεὸν ἐχάλεσα 
τὸν ϑεόν, τοῦ δὲ xvolov nareon. Dagegen ziehen Grot., Beng. u. M., 
auch Rück., Reiche, Frtzsch., Hofm., God., Otto, Zimmer, Böhmer 
(nicht Luth.) den Gen. auch zu 3eor. Das ἐν Er} orouarı soll natür- 
lich nicht Erklärung des ὁμοϑυμαδόν sein (Reiche), was es ja auch 

gar nicht wäre. 


Röm 15. 8. 675 


σεροσλαμβάνεσϑαι zum einmüthigen δοξάζειν Gottes führen 
soll, so hat das σεροσλαμβ. Christi thatsächlich bereits zur 
Verherrlichung Gottes (vgl. Phl 21. Eph 112) geführt (vgl. 
Goeb., Lips., Sand.) ἢ. Denn im Folgenden wird ausdrücklich 
nachgewiesen, wie die Annahme der Christen aus der Be- 
schneidung (auf Grund der Verheissungen) zum Preise der 
Wahrhaftigkeit (V. 8), die der Heidenchristen zum Preise der 
Barmherzigkeit Gottes gereicht habe (V. 9) **). -— V.8. λέγω 
γάρ), wie IKor 122. Gal 4ı. dis: ich meine nämlich, um 
mich über das προσελάβετο ὑμᾶς etc. näher zu erklären. Oft 
so bei Griechen. Das voranstehende δεάχονον (134) hebt 


ne nn non 


*) Unrichtig erläutert Hofm. das διό (nach seiner unrichtigen 
Beziehung von V.1ff. auf 16285—27): »um der Hoffnung willen«, welche 
sie aus der Schrift lernen können, und zu deren Verwirklichung ibnen 
das Noth thut, was ihnen der Apostel wünscht. Er bezieht nämlich 
die Ermahnung auf die Starken allein (Luth.), wie schon Rück., 
Reiche wenigstens vornehmlich, während sie Mang. p. 92 gar vorzugs- 
weise auf die Schwachen bezieht (vgl. Hilg., nach dem die Gläubigen 
des alten Gottesvolks aufgefordert werden, den Zuwachs aus der 
Heidenwelt als gleichberechtigt anzunehmen, was doch dem ἀλλήλους 
direkt widerspricht). Das es δόξαν ϑεοῦ gehört nicht zu προσλαμ- 
βάγτεσϑε ἀλλήλους (Chrys., Oec., Erasm. u. M., auch God.), auch nicht 
zum Hauptsatz und Nebensatz (Hofm., Otto). Auch kann es wegen 
der Beziehung des εἰς δόξαν auf das δοξάζειν V. 6 nicht heissen: ut 
aliquando divinae gloriae cum ipso simus (sitis) participes (Grot., 
Beza, Calov., Glöckl. u. 4... Die Rept. nuas (BDP Treg. a. R.. WH. 
txt.) ist sicher (gegen Meyer) beizubehalten, da vuas (Lehm., Tisch.) 
offenbar nach V.5 und der Anrede in προσλαμβάγνεσϑε konformirt ist. 

**) Darin zeigt sich nicht eine judenchristliche Befangenheit des 
Verfassers, die auf die Unechtheit dieses ganzen Abschnitts hinweist 
(Baur, Lucht, Volkm. u. A.), sondern ganz im Einklang mit 116. 1128ff. 
wird dieser Unterschied gemacht, um die starkgläubigen Heiden- 
christen zu grösserer Achtung der schwächeren jüdischen Brüder und 
zur Demuth zu weisen. Hilg. schliesst wenigstens aus diesem starken 
Entgegenkommen des Apostels, dass der Stamm der Römischen Christen- 
heit judenchristlich war (a. a. O. S. 427), während selbst Lips. hier 
nichts findet, was über die sonstigen Ausführungen des Apostels 
hinausgeht. Der allein naturgemässen Annahme, dass aus diesem 
Uebergange von den Starken und Schwachen zu den Heiden und 
Juden die wesentliche Identität beider Gegensätze folge, und damit 
die Majorität der Wemeinde als heidenchristlich erwiesen sei, entgeht 
Mang. p. 96f. dadurch, dass er den Apostel von dem ersten Gegen- 
satze zu dem noch viel tiefer greifenden zweiten übergehen 
lässt. Aber dass hier die Juden voranstehen, erklärt sich daraus, 
dass die ganze Ermahnung von V. 1 an das Verbalten gegen die 
Schwachen zunächst ins Auge fasste, und nach 116 in dieser Er- 
örterung die Juden unter allen Umständen den Vortritt hatten; und 
dass er nur die Annahme der Heiden noch durch Schriftworte recht- 
fertigt, daraus, dass die der Juden ja durch die ἐπαγγελίαε tar 
πατέρων von Selbst gerechtfertigt war. 








574 Röm 15e. 9. 


mit Nachdruck hervor, wie es auf Grund der göttlichen Ver- 
heissungen die spezifische Amtspflicht Christi als des Messias 
war, den Beschnittenen (τῆς τεεριτομῆς, vgl. 3m. 49) zu 
‚dienen, und zwar um göttlicher Wahrhaftigkeit willen (ὑσε ὲρ 
ἀληϑείας ϑεοῦ, vgl. 37). Wie dies zu verstehen, sagt das 
εἰς τὸ βεβαιῶσαι τὰς ἐπαγγελίας τῶν τεατέρων. Die 
den Vätern gegebenen Verheissungen sollten fest und un- 
verbrüchlich (4:16) gemacht, und so Gott, der sie gegeben, 
in seiner Wahrhaftigkeit erwiesen werden. Das beabsichtigte 
:der Dienst, den Christus der Beschneidung leistete, indem er 
an ihr das verheissene Heil zu verwirklichen begann ἢ). — 
Υ͂. 9. ὑπὲρ ἐλέους) Gegensatz von ὑσεὲρ ἀληϑ. ϑεοῦ V. 8: 
Barmherzigkeitshalber, d. ἢ. für Barmherzigkeit, die ihnen 
Gott dadurch erwiesen, dass er sie der Erlösung mit theil- 
haftig gemacht hat (vgl. 11sof.), ohne dass er sich gegen sie 
irgend dazu verpflichtet hatte, was auch in der Weissagung 
von ihrer Theilnahme am Heil nicht geschehen, die ja nicht 
‚den Heiden gegeben war. Vgl. Weiss, 010]. Theol. $ 90, b. 
Die Beziehungen der beiden ür&o sind also nicht gleich. — 
δοξάσαι) von λέγω abhängig, nimmt man wohl am besten: 
gepriesen haben (nämlich bei ihrer Aufnahme), was dem 

arallelen γενέσθαι entspricht. Vgl. Reiche, Rück., de W., 

isp., Mang. p. 94, Luth., Goeb., Böhmer **). 


Ἢ Das γάρ ist also erläuternd und nicht die vorige Ermahnung 
in ihrer näheren Bestimmtheit begründend (Hofm.). Die Rept. hat 
nur nach L de statt yap, und ınnovv χριστον (DEFG) statt des ein- 
fachben χρίστον. Tisch. liest nach NAELP mit der Rept. yeyernosas, 
und Meyer vertheidigt dies, weil das eine der beiden ye leicht abfiel. 
Aber die Einführung des Perf. ist eine häufige Verfeinerung. Lies 
mit Lehm., Treg. txt, WH.a.R. yevensa: (BCDFG). Sand. behauptet, 
dass περιτομή hier nicht‘ auf die Beschnittenen, sondern auf den 
durch die Beschneidung versiegelten Bund gehe, wodurch der ganze 
Gegensatz aufgehoben wird. Von der christlichen Wahrheit (Beck) 
jet natürlich bei «An$. nicht die Rede. 

**) Dagegen ist die Fassung: zu preisen haben (Thol., Phil. u. d. 
Meisten, auch wohl God.) kontextwidrig, da von einer Pflicht nach 
dem Parallelismus beider Verse keine Rede ist, und sprachwidrig, da 
λέγω γάρ bier nicht den Sinn des Gebietens hat (s. 2. 128. 232). Die 
Fassung als zeitloser Infinit. (ich sage, dass die Heiden preisen; vgl. 
Win. 8 44, 7 und Frtzsch., Otto, Zimmer, Lips. nach Vulg., Luther 
u. M.) hätte den Infin. Praes. erfordert, weil λέγω bier nicht den 
Begriff des Wollens, Hoffens u. dergl. (8. Lobeck ad Phryn. p. 749), 
sondern einfach den der Aussage mit Angabe des Objekts ausdrückt. 
Meyer, der yeyevjad«ı liest, fasst das δοξάσαε den vorherigen βε- 
‚Bawoeı parallel, mithin garnicht von λέγω abhängig, sondern von 
εἰς ro, so dass dieser Preis (Grottes durch die Heiden die entferntere 
Absicht war, welche durch Christi Dienst an den Juden erreicht 
werden sollte (vgl. Beza, Beng., v. Heng., Sand.), was doch sehr 


Röm 159-112. 575 


a9 wg γέγρατεται) Dieses Preisen der Heiden geschieht 
in Gemässheit (als Erfüllung) von Ps 185, welche Stelle 
nach den LXX angeführt ist. Der Prophet hört (nach der 
Messianischen Deutung des Psalms) den Messias sagen: »Darum 
will ich Dich preisen unter den Heiden und Deinem Namen 
lobsingen«e. Er kann dies aber nur thun, indem er die Heiden, 
die er angenommen (V. 7), zum Preise seines Namens er- 
weckt *). — V. 10. «ai παλιν) und wiederum, nämlich an 
einer anderen. das Nämliche enthaltenden Stelle (vgl. IKor 
320) sagt die Schrift. Das zu λέγει zu ergänzende ἡ year, 
ist aus γέγρατεται V. 9 zu entnehmen. — Die Stelle ist Dtn 
324, genau nach d. LXX, welche aber, wahrscheinlich einer 
anderen Lesart folgend, vom Hebräischen abweichen. Sie 
fordert die Heiden auf, ganz wie V. 6: »Frohlocket, Ihr 
Heiden, mit seinem Volk«. Da der Apostel auf den Grund- 
text nicht reflektirt, gehört der Streit über seinen Sinn nicht 
her. — V. 11. χαὶ scakıv) und wiederum, scil. sagt die 
Schrift Ps 117ı (genau nach den LXX): »Rühmet den Herrn, 
alle Heiden, und es sollen ihn loben alle Völker« **. — 
V. 12 bringt endlich Jes 1110, mit Auslassung von & τῇ 


künstlich ist. Unrichtig Hofm.: δοξάσαες sei Optativ, Paulus wünsche, 
dass die Heiden u. 8. w. So wäre das εἰς δόξαν ϑεοῦ V. 1 etwas, 
was erst noch eintreten sollte, obgleich es doch schon längst ein- 
getreten war (vgl. I24f. u. 8. 1516— 24). Olsh., Frtzsch., leugnen, dass 
das ὑπὲρ ἐλέους sich speziell auf die Heiden, das ὑπὲρ ἀληϑείας auf 
die Juden beziehe, da auch diesen Barmherzigkeit widerfuhr, und 
auch jenen das Heil verheissen war. 

Ἢ Das historische Subjekt d. St. ist David; nach der Deutung 
des Apostels aber weder der Heidenchrist (Frtzsch., Lips., vgl. Goeb.: 
die sympathisch an dem Lobe Israels sich betheiligenden Heiden). 
noch der Heidenapostel als Organ Christi (Hofm., vgl. Reiche), noch 
irgend ein Heilsbote überhaupt an die Heidenwelt (Pbil.), oder gar 
ein unbestimmtes Subjekt (Luth.). Auch ist nicht David als Typus 
des Messias gedacht (Meyer, Otto). Der Messias soll aber nicht bloss 
mit den Heiden zusammen Gott preisen (gegen Sand.), oder so dass 
als sein Preisen dargestellt wird, was in seinem Namen geschieht, 
was Meyer dann freilich mit dem Richtigen (August., Beng., vgl. 
God., Böhmer) identifizirt. Das διὰ τοῦτο ist ohne Bedeutung, aus 
der eitirten Stelle mit aufgenommen und geht weder nach dem Zu- 
sammenhange des (Messianisch gedeuteten) Psalms auf den Sieg des 
Evangeliums (Hofm.), noch auf das ὑπὲρ ἐλέους (Böhmer). 

ἘΦ) Die Vollziehung der Aufforderung in den beiden letzten Stellen 
erkennt Paulus in der Lobpreisung Gottes von Seiten der zu Christo 
bekehrten Heiden aus allen Nationen. Diese Erfüllung sieht er schon 
als gegenwärtig begonnen, nicht erst als Thatsache der Zukunft, »wo 
das Völkerthum als einheitliches Ganzes« Gott lobpreist (Hofm., Luth.). 
Das zweite Aeyecı nach παλὲν (Lehm., Treg. i. Kl. a. R. nach BDEFG) 
ist der Konformation nach V. 10 dringend verdächtig, gewiss aber ist 


576 Röm 18:19. 13. 


ἡμέρᾳ ἐκείνῃ hinter ἔσται wörtlich nach d. LXX, welche 
aber den Ürtext ungenau übersetzen: »Dasein wird der 
Wurzelspross Isai’s, (d. h. der Messias), und (d. i. und zwar, 
erklärend) der da aufsteht (sich erhebt), zu herrschen über 
Heiden; auf ihn werden Heiden hoffen«. Mit diesem letzten 
Citat ist gesagt, dass die Betheiligung der Heiden an der 
Messianischen Hoffnung Israels der Grund ihres Preisens ist *). 

V.13. Wie V. 1—4 in einen Segenswunsch überging 
(V. 5—6), so geht auch jetzt die mit V. 7 neu angehobene 
Ermahnungsrede in einen solchen über (δέ), welcher zugleich 
den Schluss des ganzen Abschnittes (von Kap. 14 an) bildet. 
— ὁ ϑεὸς τῆς ἐλπίδος) Auch diese Charakteristik Gottes 
(vgl. z. V. 5) als dessen, der allein die Hoffnung zu wirken 
vermag, schliesst formell an ἐλτεεοῦσιν V.12 an**). Er wünscht 
ihnen, dass Gott sie erfülle (πληρῶσαι ἡμᾶς, vgl. 129. 
Act 5%) mit aller möglichen, ἃ. ἢ. mit der höchsten (σε σης, 
vgl. Theile ad Jac. p. 8 Wunder ad Soph. Phil. 141 ἢ) 
Freude und mit Friede. Dass auch hier χαρά und εἰρήνη, 
wie 1417, die Freude an dem in der Rechtfertigung em- 
pfangenen Heil und den Frieden, welcher in Folge dessen 
die Seele erfüllt, bezeichnet, erhellt daraus, dass Beide im 
Glauben (ἐν τῷ mıoreveıv) begründet gedacht sind. Da 
aber der Gott der Hoffnung dies wirkt, so ist damit beab- 
sichtigt, dass sie überreich seien (eig τὸ περισσείειν ὑ μᾶς, 
vgl. 37. 516) an der Hoffnung. Zu dem ἐν vgl. IKor 18 δ8. 
Phl 19. Ganz anders ist das zweite ἐν, welches bezeichnet, 
dass dieses nur geschehen kann auf Grund (vermöge) der in 
ihnen wirkenden Kraft des heiligen Geistes (δυνάμει πενεύ- 
ματος aylov, vgl. Lk 41. Act 18) ***). 


das ἐπαινέσατε (Rept. nach FGLP) statt -verwoav dem wmwsıre kon- 
formirt, wie schon in den LXX. Das τον χυριον setzt die Rcpt. nach 
den LXX vor zayra τα εϑνὴ (CFGL). 

*, Messianisch ist diese St. und ihr ganzer Zusammenhang, und 
zwar auch in so weit, als die Idee darin ausgesprochen ist, dass der 
verheissene Davidide auch über Heiden sein Reich ausbreiten, und 
der Gegenstand ihres Verlangens (nach ἃ. LXX und Paulüs: ihres 
gläubigen Hoffens) sein werde. Auch diese Weissagung sieht Paulus 
erfüllt durch der bereits bekehrten Heiden Lobpreisung des gött- 
lichen Erbarmens (V. 7. 9). Beachte die Artikellosigkeit von ἐϑνὼν 
und ἔϑνη, welche daher nicht »die Völkerwelt« (Hofm.) bezeichnen. 

**) Natürlich haben auch die Judenchristen V. 8 an dieser Hoff- 
nung Antheil; aber unmöglich würde Paulus an das von der Hoffnung 
der Heiden Gesagte seinen Segenswunsch anknüpfen, wenn die Ma- 
jorität der Gemeinde judenchristlich wäre (gegen Mang.). Vgl. 


auch God. 
***) Auch hier kann also χαρὰ und εἰρήνη nicht von Freudigkeit 


Röm 1518. 14. 577 


Der Epilog (V. 14—33), welcher im Wesentlichen dem 
Eingange 1s—ıs entspricht und keineswegs nur dem Ab- 
schnitte von den Glaubensschwachen (Melanth., Grot.), sondern 
dem ganzen Briefe gilt, enthält zuerst eine Rechtfertigung 
seines Schreibens (V. 14—21) und dann Mittheilungen über 
seinen Reiseplan (V. 22—33). 

V. 14—21. Die Rechtfertigung seines Schrei- 
bens. — srezreıauaı δέ), vgl. 888. 1414: ich bin aber der 
Ueberzeugung. Das de ist das einfache ueraßarıxov (Meyer), 
das aber doch einen gewissen (fegensatz gegen die Er- 
mahnungen des praktischen Theiles bildet (de W., Otto). 
Die erneute Anrede (@deAgoL) markirt, wie 121, den Ueber- 
gang zum Epilog und ist durch das hinzugefügte μου (vgl. 
74) um einen Ton wärmer als die gewöhnliche (vgl. Böhmer). 
Es liegt dem Apostel etwas daran hervorzuheben, dass er nicht 
erst von Anderen her Rühmendes über sie und ihren Glauben 
zu hören brauchte (vgl. 1 8), dass auch er selbst (xal αὐτὸς 
ἐγώ, et ipse ego, vgl. 72) für seine eigene Person der Ueber- 
zeugung in Betreff ihrer (πδρὲ ὑμῶν, vgl. 13.8) war, dass 
sie schon ihrerseits (ohne sein Ermahnen) das Rechte finden 
und thun werden. Woher diese seine Ueberzeugung stammte, 
wissen wir nicht, aber er kann leicht Einzelne, vielleicht Ein- 
flussreiche aus der Gemeinde kennen gelernt und von ihnen 
aus mit fester Zuversicht auf die ganze (4emeinde geschlossen 
haben, was er dann mit vertrauensvoller Lehrweisheit aus- 
spricht. Das «ai αὐτοί entspricht absichtsvoll dem χαὶ 
αὐτὸς ἐγώ in ganz gleicher Bedeutung. So näch Meyer mit 
Recht Luth., Goeb., Otto, Böhmer. Er hebt zunächst ganz 
allgemein hervor, dass sie voll sind von Bravheit. Wie schon 
das μεστοί (vgl. 129) ἐστε zeigt, geht ayadwovvng auf 
die Trefflichkeit der Gesinnung (vgl. Jud 8%. IIChr 24:6. 


und Eintracht im sittlichen Sinne stehen (Meyer, Lips., Hofm., der 
daher Beziehungen auf die vorigen Ermahnungen einträgt, vgl. Mang.). 
Otto denkt sogar bei ἐν τῷ πεστεύεεν an das gegenseitige Vertrauen! 
Ganz unmöglich nimmt Böhmer das ἐν τῇ δυνάμεε von dem, womit 
sie erfüllt werden durch ihre Hoffnung, Lips. das περισσεύειν von 
ihrer reichlichen Erweisung in der Hoffnung. Wahrscheinlich echt 
ist übrigens die Lesart von B: πληροῴορησαι (FG) vuas εν (fehlt in 
FG) πασὴ χαρὰ xaı eıpnvn, während das &s ro negı00eveır nur p. hom. 
nach zuoreve:ıv ausgefallen ist. Der Segenswunsch knüpft dann noch 
enger an den Grundgedanken von Kap. 14 an, wonach Gott sie zur 
vollen Ueberzeugungsgewissheit führen soll im Sinne von 145, in aller 
Freude und Frieden, so dass diese schönste Frucht des Glaubens durch 
keine Differenz in ihren Ueberzeugungen mehr beeinträchtigt wird. 
Auch entspricht nun das doppelte ἐν genau dem doppelten ἐν nach 
περισσεύειν. 


Meyer’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 37 





578 Röm 1614. 16. 


Gal 5:2) kraft derer sie das Rechte schon von selbst thun 
werden. Wie 129 wechselt μεστοί mit στ δι ληρωμένοι, das 
aber, wie V. 13, mit dem Gen. πάσης τῆς γνώσξδως ver- 
bunden wird ἢ. Obwohl daraus zunächst, dem Kontexte ent- 
sprechend, abgeleitet wird, dass sie im Stande sind (dvva- 
μενοι, vgl. 87.8), auch (sogar) einander zu ermahnen (vov- 
$sreiv, vgl. Job 48. ISam 31. Sap 11:10. 122. IKor 4u), 
so kann doch das σεᾶσα ἣ γνῶσις nur auf den ganzen Um- 
fang ihrer christlichen Erkenntniss gehen (vgl. Luth., Böhmer), 
und er hielt es für nothwendig, dies zu betonen, weil wirklich 
ein so ausführlicher Lehrbrief den Schein erwecken konnte, 
als hielte er sie dessen sonderlich bedürftig, wie die neuere 
Kritik hinlänglich gezeigt hat. Vgl. Einl. $ 3. 

Υ. 15f. rechtfertigt solchem Lobe gegenüber die Art, 
wie er, Mer theilweise, geschrieben. — roAungor&ows) 
adverbial, Thuc. 4, 126,3. Polyb. 1, 17,7. Tnsian Tesrom 10. 
Der Komparativsinn darf nicht verwischt werden (vgl. Win. 
$ 35, 4): Kühnlicher, als es ein so gutes Zutrauen mit sich 
zu bringen scheint. »Quasi dicat: σπσεδύδοντα καὶ αὐτὸν ὀτρύνωςε, 
Grot. — ἀπὸ μέρους) vgl. 112, beschränkt das τολμ. ἔγραψα 
dahin, dass er zwar nicht den ganzen Brief, aber doch stellen- 
weise kühnlicher geschrieben habe ἢ. Meyer denkt an Stellen 


4) Wäre bei dem χαὶ αὐτὸς ἐγώ gedacht: »auch ich, der ich Euch 
bisher so rückhaltlos ermahnt habe« (Phil., vgl. de W., Frtzsch., God. 
u. Aeltere), oder der Gegensatz gegen das (nur fein angedeutete) Ur- 
theil Anderer die Hauptsache (Beng.: non modo alii hoc de vobis 
existimant, vgl. Olsh., Hofm., Lips.), so hätte ἐγώ den Nachdruck 
wel. κἀγὼ αὐτός Act 1026). Beck nimmt ἀγαθωσύνη von dem Guten, 

as Gott in Christo mittheilt, Otto erfindet gar die Bedeutung: 
Bereitwilligkeit, Gutes zu wirken (die Gemeinde zu fördern), um den 
Abschnitt eng an V. 1—13 anzuknüpfen, auf den allein sich das Ge- 
sagte beziehen soll. Es geht auch nicht speziell auf die Güte, wie 
Neh 926. 86, oder gute brüderliche Gesinnung (Lips.., Sand). Die ge- 
meinte γνῶσις beschränkt ‘Mang. B 2 103 auf die 14ı bis 1518 er- 
örterten Prinzipien, weil er den Brief an eine judenchristliche Ge- 
meinde geschrieben sein lässt, die erst zur vollen Erkenntniss der 
christlichen Heilswahrheit erhoben werden soll und sie daher aller- 
dings noch nicht besitzen kann, Lipe. gar auf die volle praktische 
Einsicht in die Nothwendigkeit brüderlicher Eintracht, was doch 
dem πᾶσα gegenüber ganz unmöglich ist. Konsequenter fand Lucht 
(vgl. Volkm. Baur) von der gleichen Voraussetzung aus hier eine un- 
wahre captatio benevolentiae (vgl. schon Reiche), die erst ein 
Späterer, um den üblen Eindruck des Briefes zu verwischen und der 
von Petrus gestifteten Gemeinde die Hochachtung zu beweisen, die 
das nachapostolische Zeitalter dem wachsenden Ansehen Roms zollte, 
dem Apostel in den Mund legte. — In der Rept. ist das της (δὲ ΒΡ) 
vor yrwoeox ausgefallen, das Lchw. streicht, Treg. a. R. einklammert. 
**) Treg. txt, WH. schreiben wohl mit Recht roAunporegax (AB) 


Röm 1515. 579 


wie 6ıaff. ıs. 80. 11lırfl. 128. 13 ff. ısf. 14af. 10. 18. 16. 20. 1dıal. 
— ὡς ἐπαναμιμνήσκων ὑμᾶς) vgl. Plat. Legg. 3. p. 688 A. 
Dem. 74, 7: als Euch wieder erinnernd, d. i. in der Art und 
Weise eines, welcher Euch wieder in’s Gedächtniss ruft, was 
Ihr wohl wisst, aber vergessen haben könntet. S. Bernhard 
. 476. Buttm., neut. Gr. p. 263. Kühner II, 2. p. 6491. 
Th 24. Hbr 131. Gerade darin liegt die als ein Wider- 
spruch mit V. 14 erscheinende Kühnheit, dass er thut, als 
könnten sie trotz ihrer ἀγαθϑωσύνη das ihnen wohl Bekannte 
vergessen heben *.. Daher schliesst sich auch unmittelbar an 


statt -0oov. Das «deApos der Bept., das Meyer vertheidigt und aus 
der Inständigkeit der Stimmung erklärt, ist nach NABC cop. aeth. 
zu streichen, und statt ὑπο τ. ϑεου (Rept. Lchm.) απο (NBF) zu lesen. 
Hofm. erklärt den Comp. aus dem geringeren Rechte des Apostels, 
an eine nicht von ihm gestiftete Gemeinde zu schreiben (vgl. auch 
Beng., welcher noch ein »cum potius ipse venire deberem« einträgt), 
und Luth. will dieses Motiv mit aufnehmen (vgl. Meyer, Lips.), während 
Hilg. gar ihn nur daraus verstehen will, dass Paulus an eine juden- 
christliche Gemeinde schreibt, obwohl jede Andeutung dafür im 
Kontext fehlt. Das ἀπὸ μέρους gehört schon der Wortstellung nach 
weder bloss zu rolune. (Grot. nach Pesch.: paulo liberius), noch gar 
zu ἐπαναμιμν. (God., vgl. Zimmer), wo es auch nicht besagen könnte, 
dass ihnen die Dinge bis zu einem gewissen Grade bekannt waren. 
Hofm. (vgl. auch Th. Schott) bezieht es auf die stückweise (im Gegen- 
satze zu einer vollständigen) Darlegung der christlichen Wahrheit 
in unserem Briefe, ale ob 2x μέρους (IKor 1310) stände, und seltsam 
genug für diesen Brief, der umfassender als irgend ein anderer die 
evangelische Heilswahrheit darlegt. 

*) Allerdings geht das ἐπαναμιμνήσχων zunächst auf das, was 
er zur Begründung seiner Ermahnungen gesagt (vgl. God.), wenn 
auch keineswegs bloss der Ermahnungen zur Eintracht (Lips.), da 
auch vielerlei andere Ermahnungen in dem Briefe vorkommen; aber 
eben darum ist auch nichts ausgeschlossen von dem, was er zur Ent- 
faltung seiner Heilsbotschaft (lısf.) gesagt hat, auf die seine Er- 
mahnungen überall zurückgehen. Dies entspricht auch allein dem 
umfassenden πάσης τῆς γνώσεως V. 14, wie der Berufung auf sein 
Apostelamt, das es nach V. 16 ausdrücklich mit dem Evangelium als 
solchem zu tbun hat. Mang. bezieht in Folge seiner Annahme des 
judenchristlichen Charaktere der Gemeinde das ἀπὸ μέρους willkürlich 
auf diejenigen Brieftheile (besonders Kap. 2. 9. 10), in welchen im 
Interesse des heidenchristlichen Apostolatse judenchristliche Präten- 
sionen bekämpft seien ip. 107f.), und trägt den Gedanken ein, dass 
er nur um der Heidenmission willen mit der judenchristlichen Ge- 
meinde in Rom in diesem Briefe Fühlung suche und im energischen 
Eintreten für seine ἔϑνη ihre noch gehegten Prätensionen rückhaltlos 
niederschlage (Mang. p. 109). Dadurch will er dem in V. 16 klar 
vorliegenden Beweise entgehen, dass die Leser, denen er er 
sich für sein Schreiben auf sein Heidenapostolat beruft, Heiden sind. 
Die Behauptung Hilg.’s (a. a. O. 8. 429), dass Paulus eich nur allge- 
mein auf die ihm gegebene Gnade berufe, ist doch Angesichts des 


81" 


580 Röm 1816. 16. 


den Partizipialsatz das διὰ τὴν χάριν etc. (128) an, das 
dies ἐπαναμιμν. und damit zugleich das rolu. ἔγραψα recht- 
fertigt. Die ihm speziell verliehene Gnade ist nach 16. 128 
das Apostelamt, um deswillen er that, wie er thun durfte und 
musste. — V. 16. εἰς τὸ εἶναι etc) In dem Zweck, zu 
welchem ihm solche Gnade zu Theil geworden, liegt insbe- 
sondere seine Rechtfertigung dieses Schreibens. — Asırovp- 
y0») empfängt, abweichend von 13e, durch das Folgende die 
Beziehung auf priesterlichen Opferdienst, den ihm Gott mit 
der Ausrüstung dazu verliehen (V. 15), den er aber, wie der 
Gen. Χριστοῦ Ἰησοῦ sagt, Christo zu leisten hat, sofern er 
als sein Apostel in der Verkündigung des Evangeliums von 
Christo seine priesterliche Wirksamkeit zu üben hat, und zwar 
in Bezug auf die Heiden. Das eig za ἔϑνη gehört also zu 
λειτοιργόν; die Heiden sollen als vom Apostel Bekehrte das 
darzubringende Opfer sein. Seine Thätigkeit als λειτοιργός 
bezeichnet näher das sakrifizielle ἑερουργοῦντα (vgl. Herodian 
5, 3, 16. Joseph. Antt. 6, 6, 2. IIMak 7s, und zu ἑερουργία 
3%». Pollux 1». Plat. Legg. p. 774E.); priesterlich waltend 
des Evangeliums Gottes. Ἦν ist also τὸ εὐαγγέλιον τοῦ 
ϑεοῦ (vgl. 11) als das Mittel gedacht, dessen er sich bedient, 
um als Priester sein Opfer darzubringen, und kann sehr wohl 
eigentlicher Objektsakkusativ zu tegovey. sein (gegen Otto), da 
die hier gemeinte (bildliche) Opferung nur zu Stande kommt, 
indem die von Gott stammende Heilsbotschaft (durch ihre 
gottgewollte Verkündigung) in der dieser heiligen Handlung 
entsprechenden Weise verwaltet wird. — ἕνα γένηται etc.) 
nähere Erklärung von εἰς za ἔϑνη. — ἡ προσφορὰ τῶν 
ἐθνῶν) vgl. Hbr 1010: die Opferdarbringung der Heiden. 
Die bekehrten und durch den Geist zu Gottes Eigenthum 
eweihten Heiden sind das Opfer, welches Paulus als Priester 
j esu Christi Gotte dargebracht hat, indem er durch die Ver- 
kündigung des Evangeliums in ihnen den Glauben wirkte. — 
εὐπρόσδεκτος) vgl. Plut. Mor. p. 801 C. IPt 25. Der 
Zweck seines priesterlichen Waltens ist, dass diese Opfer- 
darbringung Gott wohlgefällig werde, sofern sie mehr und 
mehr eine geheiligte (mrraonern) wird auf Grund heiligen 


Geistes (ἐν πνεύματι ayiw). Daraufeben hat er ja durch 


V. 16, der den Zweck derselben angiebt und dadurch sie direkt von 
seinem Heidenapostolat erklärt, mebr wie seltsam; und ebenso, wenn 
Lips. die Erinnerung an seinen heidenapostolischen Beruf nur darauf 
bezieht, dass er ale Heidenapostel verpflichtet ist, die Heidenchristen 
(deren sich ja »eine grössere oder geringere Zahl«e auch in Rom be- 
fand!) zur Eintracht mit den Judenchristen zu mahnen. 


Röm 18 16. 11. 581 


seine evangelische Verkündigung in diesem Briefe (116), die 
hier allerdings nur an ihnen bekannte Wahrheiten erinnern 
wollte (V. 15), und durch die darauf gegründeten Ermahnun- 

n hinwirken wollen*. — V.17. ἔχω οὖν) Steht es so mit 

em ihm anvertrauten Amte, wie er V. 16 dargelegt, so hat er 
das Rühmen (τὴν «auxynoıv, vgl. 3x7), das man ihm vorwerfen 
konnte, wenn er sein etwas kühnes Schreiben durch Berufung 
auf die ihm speziell verliehene Gnade (V. 15) rechtfertigte, 
sich nicht selbst angemasst, sondern er besitzt es auf Grund 
Jesu Christi (ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ), der ihn in seinen Dienst 
genommen hat als seinen Asızovgyos, in Bezug auf das, was 
seine Stellung zu Gott (za πρὸς τὸν ϑεόν, vgl. Hbr 2: 
51), d. h. seine priesterliche Aufgabe mit sich bringt. Erst 
in dieser Rechtfertigung seiner Berufung auf sein Amt als 
Heidenapostel tritt hervor, dass er an eine heidenchristliche 
Gemeinde schreibt, mit der er noch in keine nähere Be- 
ziehung getreten **). 


*) Εν. (»Volksschaffner«), God. (»öffentlicher Beamter«) wollen 
λειτουργός im Sinne von 186 nehmen, ganz allgemein vom Diener 
Christi Hofm., Luth., Otto. Ganz wunderlich meinen Lucht, Volkm., 
der Verf. habe den Paulus seiner bestrittenen Stellung wegen nicht 
ἀπόστολος zu nennen gewagt, wie nach Böhmer Paulus sich selbst 
nicht (vgl. dagegen Mang. p. 110f.).. Der Gen. Χριστοῦ Ἰησοῦ (Rept. 
nach DEL: ın0. xo.) bezeichnet Jesum weder als Herrn der Kirche 
(Meyer), noch als Hohenpriester (Beng., Rück., Otto), geschweige denn 
als den, welchem das Opfer gebracht wird (Reiche). Das eis τὰ ἔϑνη 
gehört nicht zu Zegovey. (Th. Schott, Hofm.), weil es durch die Voran- 
stellung einen ganz unmotivirten Nachdruck erhielte. Ein leerer 
Wortstreit ist es, wenn Hofm. bestreitet, dass Zegovey. den priester- 
lichen Dienst ausdrücke, da ein heiliger Dienst, den einer bei der 
Opferdarbringung leistet, nur ein priesterlicher sein kann. Natürlich 
ist nicht das Evangelium selbst das Opfer, welches gebracht wird 
(Luther u. M.), aber auch nicht das göttliche Institut, welches durch 
die Opferdarbringung priesterlich bedient wird (Meyer), da seine 
Verkündigung ja erst die Opferdarbringung bewirkt; auch ist es un- 
nöthig, τὸ evayy. im Sinne von τὸ εὐαγγελέζεσϑαι zu nehmen (God., 
Mang. p. 109). Das ἵνα γένηται iet nicht gleich: damit sei (Lips.); 
aber auch nicht: damit von Statten gehe (Meyer mit Berufung auf 
Xen. Anab. 6, 4, 9), da ja εὐπρόσδεχτος das Prädikat dazu ist. Ein 
Gegensatz gegen die ceremonielle Weihe der levitischen Opfer (Meyer, 
Luth., Sand.) liegt in ἡγιασμένη schwerlich. 

ἘΦ Man braucht also nicht den Anlass zu dieser Geltendmachung 
seines Amtes V. 17—21 in den damaligen Korinthischen Verhältnissen 
und Erfahrungen zu suchen (so bes. Rück., vgl. auch Thol., Phil., Lips.). 
Warum sie einer heidenchristlichen Gemeinde gegenüber überflüissi 
sein soll (Mang. p.106f.), ist doch nicht abzusehen, wenn er auf Grun 
seines heidenapostolischen Amtsbewusstseins an eine von ihm nicht 
gestiftete Gemeinde τολμεροτέρως geschrieben hat. Die Rcpt. hat nach 
NALP (vgl. WH.i. Kl.) den unverstandenen Art. vor χαυχησὲν weg- 





582 Röm 18 18. 19. 


V. 1884: begründet die in V. 17 enthaltene Ablehnung 
jedes anmaasslichen Rühmens und somit das ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ. 
— οὐ γάρ etc.) denn ich werde mich nicht (in keinem ge- 
gebenen Fall) erkühnen (τολμήσω, wie ἐν ‚ irgend etwas 
von dem (ὧν attrah. statt τούτων ἃ) im Munde zu führen 
(mich mit etwas aus dem Bereiche desjenigen zu rühmen), 
was nicht Christus wirklich zu Stande sh t hat (xareıp- 
γάσατο, vgl. 71. ı7f. 0) durch mich, um sich Heiden gehorsam 
zu machen (sig ὑπακοὴν ἐϑνῶν, vgl. 16) scil. durch gläu- 
bige Annahme des Evangeliums, mittelst Wortes und Werkes 
(λόγῳ καὶ ἔργω, vgl. IIKor 10u. Act 72. Lk 241). 
Wenn er sich aber dessen rühmt, was Christus durch ihn 
wirklich zu Stande gebracht hat, und nicht etwa erdichteter 
Erfolge, so beruht sein Rühmen in Christo Jesu ἢ). — V. 19. 
ἐν δυνάμει σημείων x. τεράτων») bezieht sich auf ἔργῳ 


elassen, wie nur nach Min. das ro» vor ϑέον. Der Nachdruck des Satzes 

iegt nicht auf dem ἔχω (Meyer, Böhmer), dessen Stellung ja nur die 
naturgemässe ist (vgl. Otto), sondern auf ἔν Xo. 'Ino., das schon darum 
nicht mit τὴν χαύχησ. verbunden werden kann (Reiche, Ew.), und das 
nicht auf die Lebensgemeinschaft mit Christo (so gew., auch Meyer, 
Lips.) und die Kraft, die ihm Christus in derselben verleiht (Mang. 
p. 118, Goeb.), sondern darauf geht, dass Christus ihm Anlass zu 
solchem Sichrühmen verliehen. Das τὰ πρὸς τ. ϑεόν darf man nicht 
übersetzen: in Gottes Sache (Otto, vgl. Goeb., Zimmer), was τὰ τοῦ 
ϑεοῦ hiesse, geschweige denn: wenigstens vor Gott (Seml., Rück., 
Lips.), was πρὸς τὸν ϑεόν hiesse. 

*) Ganz spitzfindige Bedenken erhebt Hofm. gegen diese ein- 
fache Gedankenverbindung, indem er hier die Begründung davon 
sieht, dass Paulus das Rühmen auf Grund seines Briefes besitzt, und 
den Sinn herausbringt, dass der Apostel alles Eigene bei Seite lassen 
wolle, was nicht ausgerichtetes Werk Christi durch ihn zum Zwecke 
der Heidenbekehrung sei, als ob Χριστός betont voranstände, worauf 
auch Theod. u. M., Calov., Olsh., Frtzsch., Thol., Goeb. den Nach- 
druck legen. Wortwidrig God.: denn ich wagte nichts zu nennen, 
was Christus nicht durch mich gethan hätte, als ob hier gerade der 
»Paroxysmus der xauynoss« vorläge; Beck: ich werde nie ein Wort 
wagen, das nicht aus der Wirksamkeit Christi hervorgeht, so dass 
ich nur sein Organ bin; Otto: ich werde mich büten, etwas zu ver- 
schweigen von dem, was Christus durch mich gewirkt hat. Warum 
diese Ablehnung Heidenchristen gegenüber unverständlich sein soll 
Mang. p. 114), ist doch nicht abzusehen, da die Leser leicht auf den 

edanken kommen konnten, er wolle durch diesen Brief sich ein 
Recht erwerben, sie fortan als seine Pflanzung in Anspruch zu 
nehmen, wozu er übrigens ein gewisses Recht gehabt hätte, wenn er 
durch ihn eine judenchristliche Gemeinde erst zur vollen Höhe der 
Heilserkenntniss erhoben hätte. Vgl. die Einl. 8 8. — Treg. u. WH. 
a. R. lesen statt rolungo nach B Patr. roluw, das dem eyw konfor- 
Be τὴς Die Ropt. setzt das τε hinter Aalcır (L), um es mit ὡν zu 
verbinden. 


Röm 1619. 685 


zurück und sagt, vermöge welcher Kraft ihm Christus mittelst 
Werkes zu wirken gegeben hat. Der Genit. bezeichnet die 
Kraft, welche von Zeichen und Wundern (die Paulus als 
Werkzeug Christi verrichtet hat) ausging auf die Gemüther 
der Menschen. Diese Zeichen und Wunder (vgl. Ex 7s. Din 
45. Dan 62. Mt 24%) sind natürlich nicht Geisteswunder 
wa womit ja die ganze Unterscheidung von Wort und 

erk hinfällig würde, sondern wunderbare Machtthaten, 
‚durch welche Gott ihn, seine Predigt und seinen Beruf be- 
glaubigte (IlKor 1212: σημεῖα τοῦ αἀπτοστόλου). Daher steht 
auch der Ausdruck, der diese Thaten als Zeichen charak- 
terisirt, voran, während der zweite sie mehr nach ihrer 
staunenerregenden Seite bezeichnet, als nach ihrer höheren 
Bedeutsamkeit. — Das ἐν δυνάμει πινεύματος (vgl. V.13) 
entspricht dem λόγῳ und bezeichnet die Machtwirkung, welche 
von dem in seiner Verkündigung wirksamen Gottesgeiste aus- 
ging und die Gemüther zum Glauben erweckte*). — ὥστε 
etc.) vgl. 76. Erfolg, welchen dieses Wirken Christi durch 
Paulus in Bezug auf die Ausbreitung des Christenthums ge- 
habt hat. Allerdings war, streng genommen, V. 18 nicht von 
dem die Rede, was Christus gewirkt hat, sondern davon, dass 
er nichts von sich aussage, was Christus nicht gewirkt hat. 
Allein die ganze Ausführung sollte ja nur dazu dienen, zu 
begründen, dass, wenn er sich seiner hohen und umfassenden 
Aufgabe (V. 16) rühme, er dies auf Grund dessen thue, was 
Christus thatsächlich durch ihn gewirkt hat; wenn auch die 
Ablehnung jeder Anmasasslichkeit seines Rühmens nur durch 
jene negative Wendung geschehen konnte. — ἀπὸ Isgov- 
σαλήμ) Von hier aus, von wo überhaupt die evangelische 
Verkündigung ausgegangen ist, und wo auch er in seiner 
Anfangszeit predigt hat (vgl. Act 9zff.), bestimmt Paulus 
den Terminus a quo, weil er die grösste räumliche Aus- 
dehnung seines Wirkens (von Südost nach Nordwest) anführen 


*) (od., Otto nehmen den Gen. als Bezeichnung der in Zeichen 
und Wundern sich äussernden göttlichen Macht, was zu dem parallelen 
ἐν δυνάμει πν. nicht passt. Ganz unnatürlich bezieht Beck das erste 
ἐν δυνάμει auf λόγῳ χαὶ ἔργω; Beza, Glöckl. fassen das ἐν δυνάμει nv. 
dem vorigen subordinirt (vgl. Luth... Sowohl das ϑεου (Tisch. nach 
NLP u. bes, griech. Vätern), wie das ayıov (Lehm., Treg., WH. i. Kl. 
nach ACDEFG Vers. u. Lateinern) nach πρευματος sind offenbar 
Glossen. Mit Recht hat auch Meyer das einfache nveuuarog (B). 
Hofm. will Alles von ἀλόγῳ χαὶ ἔργῳ an durch ein Hyperbaton mit 
ὥστε etc. verbinden, was abgesehen von der sprachlichen Ungeheuer- 
lichkeit dieser Konstruktion schon sachlich nicht passt, da ein Predigen 
durch Thaten eine ganz moderne Vorstellung ist. 


584 Röm 1519. 


will. — xai κύκλῳ) vgl. Gen 355. 41a. IChr 118. Jdt 15. 
Mk 66, hängt natürlich nicht mit von arrd ab, sondern fügt 
dem Ausgangspunkt seines Wirkens noch diejenige Sphäre 
hinzu, welche von dort aus zunächst der Schauplatz seines 
Wirkens wurde: von Jerusalem und im Umkreise. Damit 
kann aber nur Judaea h.) und das ganze Syrien (ins- 
besondere Damaskus; vgl. Act 9ısf.) gemeint sein, weil Paulus 
in Arabien nicht gepredigt hat (gegen Meyer, God. Beck, 
vgl. Einl. $ 1, 2). — μέχρι τοῦ Ἰλλυρικοῦ) setzt noth- 
wendig, wenn hier nicht wirklich eine an leere Prahlerei 
grenzende Zweideutigkeit vorliegen soll, voraus, dass Paulus 
in Illyrien gepredigt hat, obwohl die Apostelgesch. von einer 
Missionsreise dahin nichts weiss, die aber sehr wohl in seinen 
Aufenthalt in Achaja (Act 20 8) gefallen sein kann*. — 
σεεπεληρωχέναι) kann nur bezeichnen, dass er die ihm auf- 
getragene Thätigkeit im Dienste Christi zur Vollendung ge- 
racht habe. Dann aber ist τὸ δὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ 
die ihm aufgetragene Verkündigung von Christo, τὸ εὐαγγελί- 
ἕεσϑαι (wie 119. Vgl. Th. Schott, Mang., God. **). 


ἢ Die Kritik, welche behauptet, dass Act 919. seff. mit dem 
Galaterbrief im Widerspruch stehe, kann allerdings nur diese Stelle 
für unecht halten (Lucht, vgl. Lips., der deshalb V. 19 für unecht 
erklärt), was Mang. p. 120f. vergeblich abzuwehren sucht; denn an 
die Zeit nach Gal 2 (Böhmer) ist sicher nicht zu denken. Calor., 
Paul., Glöckl., Sand. beziehen nach Chrys., Theod. u. M. χύχλῳ auf 
den Kreisbogen, welchen Paulus von Jerusalem aus über Syrien, 
Asien, Troas, Macedonien und Griechenland bis nach Illyrien gemacht 
habe, so dass es die Richtung angebe, in welcher er von Jerusalem 
aus weiter gelangt ist (vgl. Hofm.: die weite Runde durch alle 
dazwischen liegenden Länder machend). Aber χύχλῳ ist niemals bloss 
Gegentheil von: gerade aus, sondern immer circumeirca und müsste 
ohne xa/ angeschlossen sein; auch wäre der ganze Zusatz (von Jeru- 
salem aus in Kreisform bis nach Illyrien) sehr entbehrlich, und klänge 
fast wie ein leerer Prunk. Dass Paulus nur auf einer macedonischen 
Nebenreise bis an die Grenze Illyriens gekommen sei, was noch Goeb., 
Luth., Sand. für möglich halten, widerspricht offenbar dem ganzen 
Sinn der Ausführung. 

“Ὁ Nimmt man τὸ εὐαγγέλιον im gewöhnlichen Sinne der (ver- 
kündigten) Heilsbotschaft, so muss man das πληροῦν immer durch 
die künstliche Reflexion vermitteln, dass dieselbe erst durch die be- 
stimmungsmässige Ausbreitung und Verkündigung (Meyer, Hofm., 
Otto) oder gar durch ihre Annahme im Glauben (Phil., Goeb.) ganz 
werde, was sie ist und heisst, oder man muss den Gedanken an die 
Verheissung oder den Auftrag Jesu einschieben (Böhmer). Natürlich 
darf man nicht mit Beza, Grot., Beng., de W., Rück., im Wesent- 
lichen auch Kölln., Thol., v. Heng. und zulassungsweise Beiche, 
ecayy. für munus praedicandi evangelii nehmen, was es nicht heisst 
(ähnlich Ew.: der vollzogene Auftrag der Verkündigung). Wortwidrig, 


Röm 15». 31. 585 


V. 20f. οὕτως δὲ φιλοτιμοῦμαι) vgl. IIKor 89. 
IThs 4ı, führt die nähere Bestimmung der Art ein, wie 
Paulus die Verkündigung des Evangeliums zu betreiben sich 
zur Ehrensache macht, weil daraus erst erhellt, wie er von 
einem 7εεζεληρωχέναι τὸ evayy. reden konnte, da er ohne sie 
im Morgenlande noch genug zu thun gefunden hätte. — οὐχ 
ὅπου ὠνομάσϑη Χριστός) giebt zuerst negativ den Grund- 
satz seines Wirkens an, der darin besteht, das Evangelium 
nicht zu predigen, wo bereits Christus genannt worden ist als 
das, was er ist, wo er also von Verkündigern und Gläubigen 
als Χριστός bekannt wird. Er betolgt diesen Grundsatz, um 
nicht (ἕνα μή) auf einen fremden Grund zu bauen. Das 
ἀλλότριον (vgl. 144) ϑεμέλιον geht auf ein einem Anderen 
gehöriges, weil von ihm gelegtes Fundament (vgl. IKor 8:0). 

er Grund, weshalb Paulus auf ein solches nicht bauen 
nz oueiv), ἃ. ἢ. nicht dort seine die Gemeinde fördernde 
hätigkeit üben wollte (vgl. 141». IKor 144), lag darin, dass 
er das Grundlegen gerade für die spezifische Aufgabe des 
Apostels hielt und in neuen Gemeindegründungen den Beweis 
seines Apostelberufs (IKor 95.) fand”). — V. 21. ἀλλα) 


‘obwohl von Baur wiederholt, Luther, Flacius u. M.: »dass ich Allee 
mit dem Evangelium erfüllt habe«; und kontextwidrig Theophyl., 
Erasm. u. M., auch Reiche, Olsh., Beck: πληρ. τὸ εὐαγγ. heisse: je 
Evangelium vollständig verkündigen. Andere willkürlich noch 
‚anders, 2. B. Calv.: praedicationem evangelii quasi supplendo diffun- 
dere: coeperunt enim alii priores, sed ipse longius sparsit«. Die 
ganze Bemerkung V.19f. verbunden mit V.24 soll nach Baur I, p. 307 
nur aus der Absicht (des spätern Verf.) zu erklären sein, hier gleich- 
sam eine geographische Linie zwischen zwei apostolischen Gebieten 
zu ziehen, von denen das eine dem Petrus bleiben müsse (vgl. Lucht 
und dagegen Mang. p. 121ff.). 

*, Tisch., ΜΗ, Meyer lesen mit der ορί. φελοτεμουμένον 
(NACEL), wodurch aber offenbar eine Verbindung mit dem Vorigen. 
hergestellt werden sollte. Nach der Meyer’schen Analyse gehört das 
οὕτως weder zu εὐαγγ. (Goeb., Böhmer), was gegen die Wortstellung 
ist, noch zu wulor. allein (Otto), was gegen den Zusammenhang, 
sondern zu beiden. Der Einwand Baur’s II, p. 399, dass ja, wenn 
das wirklich der Grundsatz des Paulus gewesen wäre, der Römerbrief 
selbst in Widerspruch damit stehen würde (vgl. Lips., der deshalb 
οὐχ-ἀλλά für unecht erklärt), ist ungültig, da sich jener Grundsatz 
nur auf sein missionarisches Wirken bezog und nicht auf den brief- 
lichen Verkehr oder auf eine auf der Durchreise (V. 24) beabsichti 
Wirksamkeit. Jenen Grundsatz selbst aber motivirt Reiche fälschlich 
dadurch, dass er wegen seines freieren Lehrbegriffs polemische 
Widerwärtigkeiten zu vermeiden gesucht habe (vgl. auch Böhmer). 
Mang., der die Römische Gemeinde für eine judenchristliche hält, 
sucht vergebens unter Vertheidigung der Lesart φιλοτιμούμενον zu 
beweisen, dass Paulus diesen Grundsatz nicht als einen dauernden 








686 RBöm 1δ8:---2. 


Statt nun mit eigenen Worten zu sagen, in welcher Weise es 
ihm eine Ehrensache sei, das Evangelium zu verkündigen, 
führt er mit καϑὼς γέγρατεται eine Schriftstelle an, welche 
nach seiner Deutung eben das verheisst, was er dadurch be- 
absichtigt (vgl. V. ἘΣ Die Stelle ist Jes 5215 und lautet 
wörtlich nach den LXX: »Sehen werden solche, denen nicht 
verkündigt ist von ihm (d. h. im Sinne des Apostels: von 
dem Messias), scil. das Verkündigte (und zwar geistig: in Er- 
kenntniss und Glauben); die (die Kunde) nicht gehört haben, 
werden (sie) verstehen *). 

V. 22—33. Mittheilung seines Reiseplans. — dıo 
καί) vgl. 12. 42, knüpft an V. 20f. an: weil mich nämlich 
meine eben geschilderte apostolische Wirkungsweise noch nicht 
aus dem genannten Länderstriche abkommen liess, in dem es 
immer noch Grund zu legen gab. Das ἐνεχοπτόμην (LPt 37. 
IThs 2186. Gal 57) kann also kontextgemäss nur auf solche 
Behinderungen gehen, welche ihm aus seinen berufsmässigen 
Verpflichtungen erwuchsen. Freilich wird die Aussage ein- 
geschränkt durch za σεολλά, das mehr ist als πολλάκες 118 
(πιολλα)ὴ: in den meisten Fällen (πλεῖστα, Plat. Hipp. ma). 
p. 281 B), in der Regel. Richtig Vulg.: plerumque. S. Schaef. 
ad Bos. Ell. p. 427. Ast ad Plat. Legg. p. 62f. Paulus hat 
also auch andere Behinderungen gehabt, meistens aber solche, 
die in jenem maassgebenden Grundsatze seines Wirkens be- 
ruhten. — τοῦ ἐλϑεῖν) Genit. vom Verbum des Hinderns 
abhängig. 8. Bornem. ad Xen. Anab. 1, 7, 20. Frtzsch. ad 
Matth. p. 845 **). -- V. 23. vuvi δέ) vgl. 31. Der folgende 


ausspreche, sondern nur als einen, der für seine Wirksamkeit im 
Orient gegolten habe (p. 126ff.).. Lips. behauptet ganz grundlos, dass 
das ὅπου οὐκ ὠνομάσϑη Χριστός auf Rom ziele und nur eingefügt sei, 
um dasselbe als ein anderes (vielleicht petrinisches) Missionsgebiet zu 
kennzeichnen, während doch V. 20f. offenbar die Erklärung V. 22ff. 
vorbereitet. 

*) Nach Meyer gestattete die Thatsache, dass mit den Königen 
(von welchen im Zusammenhange die Rede ist) auch ihre Völker die 
Herrlichkeit des Gottesknechtes sehen müssen, dem Apostel, hier die 
Heidenvölker als das Subjekt zu setzen, aber Paulus reflektirt ja nie 
auf den kontextlichen Zusammenhang und die geschichtliche Beziehung 
alttestamentlicher Stellen, sondern lediglich auf ihren Wortlaut, in dem 
übrigens im Urtext das περὶ αὐτοῦ fehlt. Treg. a.R., ΝΗ. txt. haben 
nach B cop. das owoyras vor 045 Οὐχ aynyy., was als Abweichung von 
den LXX offenbar das Wahrscheinlichere ist. 

**) Das nollaxıs (Lehm., Treg. a. R. nach BDEFG) ist der Kon- 
formation nach 1158 dringend verdächtig. Das dio kann natürlich 
nicht an V. 19 anknüpfen (God.), und die Behinderung nicht darin 
gefunden werden, dass in Rom schon von Anderen der Grund gelegt 
war (Beng., Reiche), oder gar, dass sie nicht zu den Heidengemeinden 


Röm 1528. 2. 687 


Partizipialsatz erläutert zunächst, wiefern nach seiner Ansicht 
jetzt diese Behinderung fortgefallen; daher das subjektive 
μηκέτι (66). Eben weil er die evangelische Verkündigung,. 
wie er sie als seine spezielle Aufgabe erfasst, von Jerusalem 
bis Illyrien völlig absolvirt zu haben meint (V. 19ff.), hat er 
keinen Spielraum mehr (τόσον ἔχων, vgl. zu 12:19. Kypke IL, 
p. 190) in diesen Gegenden (ἐν τοῖς κλίμασιν τούτοις, 
vgl. Gal 12. IIKor 1110. Paulus hatte in allen dahin ge- 
hörenden Ländern Gemeinden gestiftet, von welchen aus sich 
nun das Christenthum durch andere Lehrer, und besonders 
durch seine eigenen Schüler über das Ganze verbreitete, und 
somit konnten keine neuen Anforderungen seines apostolischen . 
(kirchengründenden, V. 20) Berufes ihn hindern, wohl aber 
(de) trieb ihn seine jahrelange Sehnsucht, zu ihnen zu kommen. 
Das ἐπιποϑίαν ἔχων (ἅπελ., vgl. IlKor 77: ἐπιπόϑησιν) 
ist Umschreibung des ἐπισεοϑεῖν lı und der von Esrırod. 
abhängige Genit. τοῦ ἐλϑεῖν πρὸς ὑμᾶς (V. 22) sagt, wo- 
nach er sich seit vielen Jahren gesehnt hat. Zu aro vgl. 
1%, zu ixavo» Act 92. 18:18. — V. 24. ὡς ἄν) simulatque. 
Vgl. IKor 118. Phl 223: sobald ich nach Spanien reisen 
werde (σεσορεύωμαι sig, vgl. Num 826. Deut 12». Lk 1m). 
Hiermit beginnt der Hauptsatz, der aber unvollendet bleibt, 
und zwar, weil, genau wie dısf., der selbständige Begründungs- 
satz, der dazwischentritt, den Apostel von der Vollendung 
desselben abgebracht hat. Er konnte ihn aber um so eher 
anakoluthisch fallen lassen, als in dem Begründungssatz der 
Sache nach enthalten war, was er zur Vollendung des Haupt- 
satzes noch zu sagen hatte (nämlich, dass τ nk endlich wirk- 


lich kommen werde) ἢ. — ἐλπίζω γάρ) will erläutern, warum 


zählten (Volkm.), auch nicht in äusseren Behinderungen, so dass Paulus: 
meine, dass er, auch wenn er wollte, nicht anders als in Verfolgung 
jenes Grundsatzes nach Rom (wohin ihn jener Grundsatz gerade nicht 
führte) kommen konnte. Dem allen widerstreitet das folgende νυνὶ δὲ 
etc., welches in μηχέτε τόπον ἔχων ἐν τ. x). τ. den nunmehrigen 
Wegfall der mit &vexonz. gemeinten Behinderung ausdrückt. 

*, V. 28 haben BC (Treg. txt., WH.) das bei Paulus in diesem 
Sinne seltene ıxavam statt πολλων, das daher wohl ursprünglich ist. 
Dass die Worte eisvoouas προς veas (Rept. nach L Min.) unecht sind, 
leidet keinen Zweifel. Dass aber das yae hinter eAnılw, dass nur in 
FG Verss. fehlt, eine Folge dieses Zusatzes sei (Meyer), ist ganz un- 
denkbar, da die Schwierigkeit desselben eben offenbar jenen Zusatz. 
hervorgerufen hat; Lehm., Tisch., Treg., WH. haben es mit Recht. 
beibehalten. Das «ap ὑμων (Lehm. nach DEFG, vgl. B, Treg. a. R.: 
απο vum) hat Meyer mit Recht der von Tisch., WH. geschützten 
Rept. vorgezogen, da vp vumv wegen des Passive so leicht einkam. 
Ganz unmöglich ist es, ἐλπέζω — ἐμπλησϑῶ zu parenthesiren, so dass 





988 Röm 154. 


er sein jetzt bevorstehendes Kommen an die Reise nach 
Spanien knüpft, da er dem V. 20f. ausgesprochenen Grund- 
satze gemäss Rom nur gelegentlich der Reise nach einem 
neuen Missionsgebiet besuchen konnte. Nur auf der Durch- 
reise (dıaszogsvöuevog, vgl. Lk 132. Act 164) dorthin 
hofft er sie zu sehen (ϑεάσασϑαι, vgl. IIChr 226. IlMak 2« 
Mt 117. 2211), was mit lısff. keineswegs in Widerspruch steht 
(gegen Lips.), und, zum Zeichen, dass er an eine bleibende 

irksamkeit unter ihnen nicht denkt, von ihnen aus (ap 
ὑμῶν vgl. 181) das Geleit zu empfangen zur Weiterreise. — 
προπεδμφϑῆναι) vgl. IKor 166. IlKor lıs u z. Act 1558. 
Wie er’s gewohnt war auf seinen apostolischen Reisen, so 
hoffte Paulus (»quasi pro jure suo«, Bene), auch von Rom 
durch Einige aus der Gemeinde das Geleite zu empfangen 
nach Spanien, wohin Paulus ohne Zweifel den Seeweg als den 
kürzesten und schnellsten einschlagen wollte. Das ἐκεῖ steht 
im Sinne von ἐχεῖσε nach bekannter Attraktion. 8. z. Mt 22. 
— 2a») nicht Zeit-, sondern Bedingungspartikel, weil er sie 
nur verlassen will, wenn sein so lange gehegter Wunsch in 
Erfüllung gegangen sein sollte. An ihnen (bem. das nach- 
drücklich voranstehende ὑμῶν») muss er sich zuerst ersättigt 
haben, ehe er weiter reisen kann (zewrov, wie Mt θῶ. 76. 
821); aber fein und verbindlich fügt er ein ἀπὸ μέρους 
{V. 15) hinzu, da ein Besuch auf der Durchreise immer nur 
ein kurzes Verweilen und einen keineswegs allen seinen 
Wünschen entsprechenden Genuss gestattete. »Non quantum 
vellem, sed quantum licebit«, Grot. — ἐμπλησ 30) von der 
geistigen Sättigung durch den Genuss des ersehnten persön- 





das νυνὶ δέ V. 25 das νυνὶ δέ Υ. 28 aufnimmt (Lehm., Buttm., Gramm. 
p. 252), da der Inhalt von V. 25 ein ganz anderer ist, als der bei dem 
ψυνὶ δέ V. 28 intendirte, obwohl Hofm., Böhmer, die auch ὡς ἄν an 
ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς anschliessen (als ob Paulus schon seit Jahren sich 
gesehnt, sie bei der spanischen Reise zu sehen, die doch überhaupt 
erst nach Vollendung seines Werkes im Orient geplant werden konnte), 
die Partic. in V. 28 mit »obschon« auflösen und schon dort gesagt 
finden, unter welchen Umständen er die Reise nach Jerus. antritt. 
Ew. will gar die Parenthese bis zum Ende von V. 27 ausdehnen, wo- 
durch man nicht einmal über das Anakoluth hinwegkommt. Der ge- 
wöhnliche griechische Name für Spanien ist Ἰβηρία (Herod. 1, 168. 
Strabo 8, 4, 17. p. 166), doch war wohl auch Zravia (obwohl sich in 
den Stellen bei Athen. und Diod. Sic. die Variante “Jonavt« findet) 
nicht selten, und zwar als griechische Form (Casaub. ad Athen. 
p. 574). Römische Form war '/onavla« ([Mak 83). Es ist die ganze 
Pyrenäische Halbinsel. Den spanischen Reiseplan mit Baur, Lucht, 
Lips. (der deshalb V. 28. 24 streicht) für eine spätere Fiktion zu halten, 

eht schon darum nicht an, weil jede Ueberliefeıung über seine Aus- 
ührung fehlt (Vgl. Mang., God.). 





Röm 154—37. 589: 


lichen Verkehrs (ὑμῶν). Dass er in Widerspruch mit 1.18 nur 
der Emptangende sein will (Lips.), liegt darin sowenig wie 
in dem ϑεάσασϑαι ὑμῶν. Vgl. Ex 169. Hom. II. 11, 452. 
Kypke II, p. 191. Den Kommentar giebt 112. 

Υ. 25fl. νυνὶ δὲ) nimmt also nicht das νυνὶ δέ V. 23. 
auf (s. ἃ. Anm. auf δ. 587. 88), sondern stellt dem nun endlich 
beabsichtigten Besuch auf der Durchreise nach Spanien (der 
ja der Sache nach in dem ἐλπείζω — ϑεάσασϑαι ὑμᾶς aus- 
gesprochen war) gegenüber, was er für den Augenblick noch 
vor hat. Er steht nämlich im Begriff, eine Reise nach Je-- 
rusalem auzutreten (πορεύομαι εἰς, vgl. V. 24), die schon 
an sich durch das Partic. Praes. (anders Act 2417, vgl. Bor- 
nem. ad. Xen. Anab. 7, 7, 17. Matthiae ad Eur. Suppl. 154.. 
Heind. ad Phaed. p. 249.) als ein Theil des Dienstes (dı a- 
χονῶν, wie IIlKor 8ısf.) betrachtet wird, den er den dortigen 
Christen leistet. Das τοῖς ἁγίοις bezeichnet natürlich nicht 
an sich (vgl. 1218), sondern in der näheren Bestimmung, die 
es durch eig ’Isgoro. erhält, die Christen in Jerusalem, und 
zwar, um hervorzuheben, dass auch dieser Aufschub der 
römisch -spanischen Reise nicht im eigenen Interesse erfolgt, 
sondern im Interesse solcher, die dieses Dienstes werth sind. 
— V. 26 erklärt näher, wie es sich bei diesem Dienste um 
die Kollekte in Jerusalem handelt, die er, obwohl er sie selbst 
angeregt, als eine von den Gemeinden in Macedonien und 
Achaja beschlossene (ηὐδόκησαν, vgl. IMak 62. 1129. 1447. 
Lk 1232. Gal 1:16. [Kor 121) bezeichnet (um anzudeuten, 
dass er auch zu dieser Reise gewissermassen von aussen her 
den Anstoss erhielt), und durch xoıvwvi αν-ποιήσασϑαι 
metonymisch als eine Bethätigung der Gemeinschelt, wie sie 
unter christlichen Brüdern statthat (vgl. IIKor 9:8. Hbr 131e). 
Vgl. 1218. Das zugesetzte zıva, irgendwelche, entspricht der 
Zwanglosigkeit (Hofm., Luth.) und somit der Unbestimmtheit. 
des zu erzielenden Betrags (Meyer, vgl. God.), soll aber viel- 
leicht nur ausdrücken, dass der Apostel auf das Nähere in 
Betreff derselben nicht eingehen will. Ueber die Kollekte 
selbst s. IKor 16ıff. IIKor 89. Act 2417. Sie veranstalteten 
dieselbe für die Armen (εοὺς πτωχούς, vgl. Gal 210) unter 
den Heiligen in Jerusalem. Das τῶν ἁγίων ist also Genit. 
partit. (vgl. Kühner $ 414, 5. b), so dass die jerusalemischen 
Christen nicht sämmtlich arm waren, und das hier hinzutretende- 
ἐν ᾿Ιερουσαλήμ schliesst definitiv die Vorstellung aus, als 
ob die dortigen Christen irgend wie κατ᾽ ἐξοχήν Heilige ge- 
nannt würden (vgl. noch Luth) ἢ. — V. 27. ηὐδόχησαν 


*) Hofm. fordert für unsere Fassung des νυνὶ δέ V. 25 ein »zuvor- 





890 Röm 15». 


ἦν »Est egregia ἀναφορά simul cum ἐπανορϑώσεις, Θτοί. 
icht jeder willkürliche Beschluss der Gemeinden wäre ja für 
Paulus ein Anlass zu der Reise gewesen, die seine V. 24 ent- 
wickelten Pläne hinausschob; darum fügt er hinzu, dass sie 


damit nur einer Verpflichtung nachgekommen sind: und in der 


That sind sie Schuldner (ὀφεελέται, wie 812) ihnen gegen- 
über, sofern sie damit ihnen nur vergelten, was sie von ihnen 
(den jerusalemischen Christen: αὐτῶν) empfangen haben. — 
τοῖς πνδυματικοῖς) denn die Güter des Christenthums 
(Glaube, Rechtfertigung, Friede, Liebe, Hoffnung u. s. w.) 
rühren vom heil. Geiste her, sind τὰ τοῦ πενδύματος δῶρα; 
vgl. 111. — ἐκοινώνησαν τὰ ἔϑνη) Die Heiden haben An- 
theil erhalten an dem geistigen Besitze der jerusalemischen 
Christen, insofern in Jerusalem die Mutterkirche des Christen- 
thums war, so dass also die geistlichen Güter des Christen- 
thums, welche zunächst den Juden bestimmt und mitgetheilt 
waren, von dort aus auf die Heiden übergingen. Zu xoırwveiv 
τινι vgl. 12:15. Ist dem so, so sind sie verpflichtet (ogel- 
λουσιν, vgl. V. 1), ihnen auch ihrerseits im Gebiet (ἐν) der 
irdischen Güter, eigentlich der das sinnlich leibliche Leben 
betreffenden (τοῖς σαρχιεχοῖς, vgl. IKor 911), als dem viel 
Geringeren (vgl. Chrys.) zu dienen. Durch λδετουργῆῇσαι 
stellt Paulus auch hier (wie 136) die Liebesspende keineswegs 
unter den Gesichtspunkt eines heiligen Opferdienstes (Meyer, 
Goeb., Lips.), da ja von einer Verpflichtung gegen Gott nicht 
die Rede ist, sondern unter den eines öffentlichen Dienstes, 
der dem Gemeinwohl geleistet wird. Vgl. IIKor 912"). 


aber«, womit jedoch die Reise nach Jerusalem, die er jetzt eben an- 
zutreten im Begriff steht, in unbestimmte Zukunft gesetzt und damit 
sein Besuch noch weiter hbinausgeschoben würde. Willkärlich und 
gegen den Spraeboenrauen übersetzt Zimmer das ηὐδόχησαν.: sie haben 

en guten Willen gezeigt. Otto findet in χοενωνέα etwas Gemein- 
schaftliches, das man veranstaltet; Lips. eine Theilnahme un ihren 
Bedürfnissen im Sinne von 1218. Phil. meint, τοὺς πτωχοὺς τῶν ἁγέων 
seien die armen Heiligen überhaupt, was doch mindestens ein τοὺς ἐν 
“Ieo. erfordern würde. 

*) Dass, wie Chrys., Calv., Grot. u. V. (vgl. Rück., Olsh.) an- 
nehmen, Paulus den Römern »höflich und säuberlich« (Luther) habe 
andeuten wollen, ebenfalls den Jerusalemern zu spenden, finden Meyer, 
Phil. sehr unwahrscheinlich, da kein Grund ersichtlich sei, weshalb 
er eine direkte Aufforderung nicht gewagt haben sollte, und da er 
überdies das Kollektenwerk als geschlossen ansab, V. 26. Allein, da 
die Erwähnung dieses Motive der Kollekte auch nach Meyer nicht 
beabsichtigen kann, das richtige Verhältniss der Heidenchristen zu 
den Judenchristen festzustellen (Tb. Schott), so bleibt der natürlichste 
Grund derselben immer, dass er andeuten wollte, wie sich für die 
heidnische Christenheit überhaupt zieme, was Macedonien und Achaja 


Röm 1528. 29. 591 


V. 28f. τοῦτο οὖν) resumirend: wenn ich nun die 
V. 25ff. besprochene Kollektenreise werde vollendet haben 
(ἐπιτελέσας, vgl. ISam 812. Zeh 49. Est81. IlKor 81). 
— x. σφραγισάμενος αὑτοῖς) Da das Siegel dazu dient, 
eine Urkunde zu beglaubigen (vgl. Est 88), heisst das Verb. 
geradezu soviel, als: bestätigen (vgl. Joh 888, 6x. IIKor 12. 
Aehnlich vielleicht schon IIReg 224. Dies kann aber 
schwerlich bloss durch die Ueberantwortung der gesammelten 
Gelder geschehen sein (Meyer, Luth., Otto, Lips. u. M. nach 
T'heod. Mops.), da das bildliche τὸν xagmov τοῦτον (lı. 
6a1f.) die Kollekte als eine Frucht der von den Heiden em- 
pfangenen σενευματικά (V. 27) und der daraus ihnen er- 
wachsenen Verpflichtung bezeichnet, sondern nur dadurch, dass 
Paulus ihnen durch persönliches Zeugniss bekräftigt, wie die 
Liebe zur Drsonainde, welche ihr Eintritt in den Christenge- 
meinden erzeugt hat, diese Liebesgabe an sie gewirkt hat 
(Goeb., Sand.) ἢ. Wenn dies also geschehen, wird er fortgehen 
nach Spanien (ἀπελεύσομαι eig, vgl. Mt 81. Mk 185. 
Joh 48), und zwar de’ ὑμῶν, d.h. sodass ihn sein Weg durch 
(üher) Rom führt (vgl. Mt 212. 129. Joh 44. — V. 29. 
οἶδα δέ) vgl. 144. Zu der Verbindung des ἐρχόμϑδνος 
mit demselben Verbum (ἐλεύσομαι) vgl. [ον 2ı. Kühner 
8 490, 3 und ad Xen. Mem. 4, 2, 21. — ἐν πληρώματι) 
wohl nicht: versehen mit (Meyer mit Berufung auf Bern- 
hardy p. 209 und IKor 42), sondern: auf Grund einer 


gethan (Hofm., God., Otto, Luth.). Es liegt doch sehr nahe, dass er 
eine nicht von ihm ie Gemeinde nicht direkt zur Spende auf- 
fordern wollte (vgl. V.15), und V.25 bezieht sich bloss auf das direkt 
von ihm betriebene Kollektenwerk. 

8) Seiner Deutung entsprechend muss Meyer unter χαρπόν den Er- 
trag der χοεινωνία V. 26 verstehen (vgl. Lips.), was dem Bilde durchaus 
nicht entspricht. Wortwidrig ist die Erklärung: wenn ich ihnen das 
Geld versiegelt überbracht (Erasm., Corn. a. Lap., Est.) oder sicher 
eingehändigt habe (de W.), sowie die Beziehung auf Rechenschafts- 
ablegung und andere Formalitäten bei der Uebergabe (Frtzsch., vgl. 
God.). Reithm. bringt gar ein Deponiren für die Spender in Gottes 
Schatzkammer heraus. Auf die Spender beziehen das αὐτοῖς kontext- 
widrig (weil gegen die Beziehung des αὐτῶν — αὐτοῖς in V. 27) auch 
Theod., Glöckl., welche daran denken, dass Paulus ihnen die richti 
Ablieferung ihrer Gabe oder die Frucht, die sie von derselben gehoft 
haben (Böhmer), sicherstellt. Ohne allen Grund im Texte zieht Hofm. 
die gemeindeseitig bestellten Ueberbringer herein, welche der Apostel 
selbst nach Jerusalem führe, hierdurch die Gabe den Empfängern als 
eine mit seinem Wissen und Willen ihnen zugedachte bezeichnend. 
— Der Art. vor Σπαν. (Ropt. nach CL) ist aus V. 24 und zu streichen. 
Lips.: muss natürlich das απελευσομαε de ὑμων εἰς onavıav verdächtigen 
᾿ als eingeschaltet statt des einfachen eAewouas προς υμας. 


Φ 


502 Röm 158—1ı. 


Fülle (vgl. 1125) des Segens Christ. Paulus ist überzeugt, 
seine Hinkunft zu den Römern werde nicht ohne reichen Segen 
sein, den Christus durch ihn wirkt, vgl. lu. Zu εὐλογέα vgl. 
Gen 331. {πᾶ 116. ISam 25x. Hbr 67*). 

V. 30f. vapgaxaiw de) Mit dem metabatischen δέ geht 
der Apostel endlich dazu über, die Gemeinde zur Fürbitte 
aufzufordern, indem er mit der erneuten Anrede (adeAgoi) 
an ihre Brudergemeinschaft mit ihm apellir. Ganz wie 121. 
wird aber mittelst δὲ ein doppeltes Motiv angegeben, dessen 
er sich bei seinem Ermahnen bedient, indem τοῦ κυρίου 
ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ darauf hinweist, dass, wie er mit 
seiner Reise im Dienste des Herrn steht (vgl. Böhmer), auch 
sie als Diener desselben Herrn verpflichtet sind, ihm mit ihrer 
Fürbitte bei derselben förderlich zu sein, und τῆς ἀγάπης 
τοῦ πνεύματος auf die vom heil. Geiste gewirkte Lie 
(Gal 52), welche willig und freudig diese Pflicht erfüllen wird. 
— συναγωνίσασϑαι) ürch., weist auf den Kampf gegen 
feindliche und getährliche Gewalten hin, in dem sich der 
Apostel befindet, und in dem sie ihm (μοι) zur Seite stehen 
sollen in ihren Gebeten. Das unbestimmte ἐν ταῖς τεροσ- 
ευχαῖς (vgl. 110), das als Verbalsubstantiv sehr wohl ohne 
Art. mit Präpositionen verbunden werden (vgl. προσεύχ. ἱπτέρ, 
Mt 54) und einer näheren Begrifisbestimmung garnicht 
entbehren kann, empfängt dieselbe durch das ὑπὲρ ἐμοῦ, 
woraus erhellt, dass ihre Gebete für den Apostel gemeint sind. 
Das an sich bei προσευχαῖς überflüssige πρὸς τὸν ϑεόν 
kann nur hervorheben sollen, wiefern ihre (sebete ihm ein 
mächtiger Beistand in seinen Kämpfen sind, da sie ihm nichts 
Geringeres als die Hülfe Gottes selbst verschaffen helfen **). 
— V. 31. ἕνα δυσϑῦὦ etc.) vgl. 724. Zweck des Mitkämpfens: 
damit ich gerettet werde hinweg von (ἀπεό, wie Mt 613), ἃ. ἢ. 





*) Gekünstelt Zimmer: in Erfüllung des Segens Christi, d, ἢ. um 
Euch den Schatz der Gnade ganz aufzuschliessen. Böhmer denkt an 
sein von Liebe erfülltes Herz und die Brudergrüsse, die er mitbringt. 
Ganz wider die Worte Chrys., Oecum., Calv. u. M.: »Scio me — — 
vos inventurum repletos omnibus donis spiritualibus«, Estius. Dennoch 
bringt auch Otto heraus, Paulus werde einziehen, von der Fülle herz- 
lichster Bruderliebe eingeholt! Das του evayyelıov vor χριστου (Rept. 
nach L) ist offenbar Glossem. 

85) Der Geist ist auch hier nicht der christliche Gemeindegeist, 
wie Otto rationalisirt. Dass das Kämpfen ein Kämpfen wider Fleisch 
und Blut sei (Phil., Beck), wird durch den folgenden Absichtssatz 
ausgeschlossen. God. verbindet die Präpositionen mit συναγωνίσασϑαι, 
aber das ὑπέρ ist zur Bestimmung von προσευχ. unentbehrlich und 
das πρός keineswegs überflüssig. Das adelyoı, das in B fehlt, hat 
WH. i. Kl., und es kann leicht nach analogen Stellen zugesetzt sein. 


Röm 1581. 32. 88 


vor den Ungläubigen. Paulus ahnte, dass ihm in Judäa 
Drangsale seitens der Juden bevorständen, die dem Renegaten 
nach dem Leben trachten würden (vgl. Act 20af. 211ofl.). 
Sie heissen asreı Fovvrsg, weil sie die vrraxon χείστδως ver- 
weigern (1021. 11] 90), also thatsächlich ungläubig geblieben 
sind. — ἡ δωροφορία) vgl. Alciphr. 16: meine Geschenk- 
darbringung in Jerusalem. Wenn er wünscht, dass diese den 
Heiligen, d. h. den Christen daselbst wohlgefällig werde 
(V. 16), so liegt darin die Befürchtung, dass er, der angeblich 
volks- und gesetzesfeindliche Apostel (vgl. Act 2121), mit seiner 
Kollekte aus den Heidenländern keine günstige Aufnahme in 
Jerusalem finden werde *). — V. 32. ἕνα) Zweck von V. 31, 
also Endzweck von owaywrioaosaı etc. V. 30. Vgl. Gal 4. 
— ἐν χαρᾷ EAIw) bezeichnet die Stimmung ungetrübter 
Freude, in der er zu ihnen kommt, wenn er nicht nur aus 
der Hand seiner Feinde errettet, sondern auch sein Geschäft 
in Jerusalem nach Wunsch erledigt ist. Das dıa ϑελήματος 
κυρίου 'Inooü schliesst erst den Gedanken ab, indem derselbe 
Herr, in dessen Dienst er die Reise antritt, und auf den er 
darum hinwies als auf den, der sie zur Fürbitte verpflichtet 
(V. 30), es auch ist, von dessen Willen allein seine Rückkehr 
und die Art derselben abhängt. Ist auch ihr Gebet an Gott 
gerichtet, so ist Gott es doch, dessen Willen Christus allein 
ausrichten will in der Art, wie er seinen Diener führt. — 
al ovvavarravuowuaı ὑμῖν) ἅπελ.: mich mit Euch erquicke, 
durch gegenseitige Mittheilung des Glaubens, der inneren Er- 
fahrungen, der Liebe, des Hoffens u. 8. w. Vgl. das avusrapa- 
κληϑῆναι 112**). 


Ὁ Gar kein Grund ist, mit Lips. das !vya vom Objekt der Fürbitte 
zu nehmen. Verfehlt Otto: er fürchtet, dass das Erscheinen des 
Apostels in Jerusalem den dortigen Christen wegen ihrer Beziehungen 
zu den Volksgenossen unbequem sein werde, wofür er das ἡ εἰς “Ieo. 
presst. Allein diese Lesart der Rept. (NACE, Tisch., Treg. txt., WH., 
Meyer) bängt mit der Aenderung des ungewöhnlichen δωροφορια 
(Lehm., Treg. a. R. nach BDFG) in διαχορα (Rept.) zusammen, die 
durch IIKor 84. 91 so nahe gelegt war. Warum Meyer an diesem 
Ausdruck »Zartheit« vermisst, ist doch nieht abzusehen; und dass 
das ἐν mit der Weglassung des Art. in LP zusammenbängt, ist eine 
ganz haltlose Vermuthung. Die Wiederholung des sva nach xas (Ropt. 
nach EL) ist zu streichen. 

**) Das ελϑὼων (Tisch., Lehm., Treg. a. R., ΝΗ. txt. nach NAC 
cop. arm.) ist offenbar stilistische Verfeinerung statt εϑω — zus. Aber 
auch bei dieser Lesart, die Hofm. befolgt, gehört ev χαρὰ zu diesem 
Worte, wobei es steht, nicht zu awsavan. (vgl. dagegen God.), wobei 
Hofm. den ganz fernliegenden Gedanken einträgt, dass, wenn er früher 
schon eigenwillig seinen Wunsch, nach Rom zu kommen, befriedigt 
hätte, das Bewusstsein dieser Eigenwilligkeit den erhofiten Genuss 


Meyer's Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 38 


594 Röm 15ss. 161. 


V. 33. ὁ ϑεὸς τῆς εἰρήνης) Die Bezeichnung Gottes 
als dessen, der den Frieden a. h. das von aller Sorge und 
Gefahr entledigte Wohlsein) wirkt, war um so ungesuchter 
nahe gelegt, als der Apostel noch eben von den ihm drohenden 
Gefahren gesprochen hatte, Wo dieser Gott des Friedens mit 
ihnen ist, ihnen allezeit hilfreich zur Seite steht, da sind und 
bleiben auch sie aller Gefahr und Noth entledigt. Das wünscht 
er aber ihnen allen (μετὰ zayzwv ὑμῶν), wie sie es für 
ihn erflehen sollen ἢ). 


Kap. XVL 


Das (muthmassliche) Empfehlungsschreiben für die Phöbe 
nach Ephesus V. 1—20 (vgl. Einl. ὃ 4, 3) enthält eine Em- 
pfehlung derselben (V. 1f.), die allerdings Viele von denen, 
welche das Folgende aus dem Römerbrief ausscheiden, noch 
zu ihm rechnen (vgl. Volkm., Mang. p. 137), dann eine lange 
Reihe von Grüssen (V. 3—16) und endlich eine Warnung vor 
Irrlehrern (V. 17—20). 

V. 1. Empfehlung der Phöbe — ovviornuı) 
vgl. IMak 12. Mak 44. Sap 71:4. I1lKor 5 al 8. 
Jacobs ad Anthol. IX, p. 438. Bornem. ad Xen. Symp. 4, 
63. p. 154. Die Phöbe, welche gew. für die Ueberbringerin 
des Römerbriefes gehalten wird, empfiehlt Paulus theils durch 
ein allgemeineres Motiv als τὴν αδελφὴν ἡμῶν (unsere, 
d. i. meine und Eure christliche Schwester), theils durch ein 
spezielleres wegen ihrer Dienststellung in der Gemeinde. Zu 
dem femininischen dıaxovov vgl. Dem. 762. 4. Die Be- 
nennung mit dem bei Griechen nicht gebräuchlichen Worte 
διαχόνισσα findet sich erst später, wie häufig in ἃ. Constitutt. 


m nn u 


verbittert haben würde. — Die Stellung des ev χαρα nach ελϑ. (N) hat 
nur Tisch. aufgenommen. Unzweifelhaft echt ist das xvesov Inoov (Lichm., 
Treg. a.R. nach B), wofür noch δὲ (sn. xosorov) und DEFG (year. ına.) 
zeugen, da das δια ϑέλημ. Feov eben nach den Stellen konformirt ist, 
die man zur Begründung desselben anführt, während die Beziehung 
der richtigen Lesart viel zu undurchsichtig ist, um von den Ab- 
schreibern eingebracht zu werden. Dass das συναγαπαυσ. auf die Ruhe 
nach den überstandenen Gefahren (de W.) oder der überstandenen 
Unruhe des συναγωνισασϑαιε (Otto) gehe, ist gesucht. 

*) Man hat daher weder eine Beziehung auf die Differenzen 
1418. (Grot. u. M., vgl. Zimmer, Lips.: Gemeindefrieden) anzunehmen, 
noch εἰρήνη vom Frieden der ysohnunz 51 (Phil.), oder in dem 
weiten Sinne: salus (Frtzsch.) zu fassen. Das αμην, das in AFG fehlt, 
bat Lehm. 1. Kl. 


Röm 161. 3. 595 


apost. S. über diese ministrae, wie sie Ὁ. Plin. ep. 10, 97 
heissen, die Armen-, Kranken- und Fremdenpflegerinnen der 
Gemeinde, Bingham Orig. I, p. 341—366. Herzog’s Real- 
Encykl. Art. Diakonissa. — Keyxeeai) östliche enstadt 
Korinth’s am Saronischen Busen. Vgl. z. Act 18:8 ἢ. — 
V. 2. ἕνα etc.) Zweck der Empfehlung ist, dass sie dieselbe 
aufnehmen (προσδέξησϑε, vgl. IChr 121. Eur. Phoen. 
1733. Thucyd. 4, 106d.). Es soll aber keine bloss äusser- 
liche, auch nicht bloss menschlich liebenswürdige Gastfreund- 
schaft sein, sondern dieselbe soll in der Lebensgemeinschaft 
mit Christo geübt werden, d. h. so, dass für all ihr Verhalten 
zu derselben der Sinn, der sie kraft ihres Seins in Christo 
beseelt, massgebend ist. Dann aber liegt es nahe, dass das 
ἀξίως (Sap 116. IIIJoh 6. IThs 22) τῶν ἁγίων sich von 
der anderen Seite auf eine Aufnahme bezieht, wie sie der 
Gottangehörigen würdig ist (8. 121. 1525). Vgl. Chrys,., 
Grot.: »sicut sanctos excipi oportet«, vgl. Goeb. — καὶ παρα- 
στῆτε avrn) vgl. Jer 1511: und stehet ihr bei, in welchem 
Geschäfte (πράγματι, vgl. Koh 31. Mt 181. IThs 46) 
irgend sie Eurer bedarf (χρήζη, vgl. Jud 117. Mt θῶ. 
Luk 118). — καὶ γὰρ αὐτῇ) nam et ipsa, denn auch sie 
ihres Theiles ist eine Helferin für Viele geworden (d. i. se 
praestitit, Kühner ad Xen. Anab. 1, 7, 4), so dass man ihr 
nur thut, wie sie Anderen gethan hat. Zu προστάτις pa- 
trona, eine Vorsteherin, Beschützerin, vgl. Lucian. bis accus. 
29. Dio Cass. 42, 39. Dind. Soph. O. C. 459. Lobeck, Paralip. 
. 271. Paulus wählt statt παραστάτις (Xen. Mem. 2, 1, 32. 
oph. Trach. 891. Oed. C. 559) das ihrer amtlichen Stellung 
gemässe, ehrenvollere Wort. — καὶ αὐτοῦ ἐμοῦ) und meiner 
selbst, meiner eigenen Person (8. z. 725). Wo und wann, 
wissen wir nicht. Vielleicht war Paulus bei einem Aufenthalt 
in der Gemeinde von Kenchreae einmal krank gewesen **). 


*) Das xas nach ουὐσαν (WH. i. Kl. nach BC) fiel leicht wegen 
seiner scheinbaren Bedeutungslosigkeit aus, während es stärker markirt, 
dass ihre Diakonissenthätigkeit ein zweites Motiv für ihre Empfehlung 
ist. Auch erklärt sich daraus eigentlich erst die Anknüpfung mit 
οὖσαν, das Zimmer, Böhmer willkürlich erklären: jetzige, derzeitige 
Diakonissin. 

**) Tisch., WH. a. R. haben nach NALP mit Recht das αὐτὴν 
‘vor προσδεξ., (Rcpt.), da die Nachstellung Konformation nach dem 
folgenden zapeornte αὐτὴ ist. Ohne jeden Grund nimmt Lips. auch 
hier das ἵνα als Umschreibung des Objektssatzes. Das ἐν Χριστῷ ganz 
allgemein von christlicher Aufnahme zu nehmen (Otto, Lips.), ist hier 
wenigstens kein Grund. Das ἀξίως τῶν aylav nimmt man gew. (auch 
Frtzsch., Phil., Meyer, Lips.) mit Bezug auf die Aufnelhmenden, wo- 
durch aber neben dem ἐν Xe. eine gewisse Tautologie entsteht; 


288 


896 Röm 163. 4. 


V. 3—16. Grüsse des Apostels.. — ἀσσπεάσ ασϑε) 
Nur hier beauftragt der Apostel die ganze Gemeinde, einzelne 
ihrer Mitglieder zu grüssen. Da, wenn dieser Auftrag an 
Alle gelangen sollte, der Brief in der Gemeindeversammlung 
vorgelesen werden musste (vgl. IThs 52), so kann dies nur 
den Zweck haben, alle Mitglieder aufzufordern, dass sie sich 
dem in solchem Grusse enthaltenen Segenswunsch (Mt δε) an 
die Einzelnen anschliessen sollen. — IIeioxa) ist nicht ver- 
schieden von Πρίσχιλλα; vgl. zu Act 182. Dass sie hier, wie 
IITim 4:19, vor ıhrem Gatten genannt wird, scheint auf eine 
überwiegende Thätigkeit und Bedeutung für das Christenthum 
auf ihrer Seite hinzudeuten, wozu IKor 161s, wo beide grüssen, 
keine Veranlassung war. Hier werden beide Eheleute aus- 
drücklich als seine Mitarbeiter (τοὺς συνέργους μου, vgl. 
Phl 225. 43) bezeichnet, weil sie von Anfang an seine persön- 
liche Wirksamkeit in Ephesus unterstützt hatten, und zwar 
ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (vgl. V. 2), so dass also ihre Lebensge- 
meinschaft mit Christo massgebend war für ihre Mitarbeit mit 
ihm, es sich also ausschliesslich um eine Wirksamkeit für die 
Sache Christi handelte *). — V. 4. oirıyec) quippe qui, vgl. 
125. 88, motivirt noch ausdrücklicher den Allen vorangestellten 
Gruss an sie durch die Verdienste, die sie sich um ihn er- 
worben haben, indem sie ihr Leben für ihn, genauer: für seine 
Seele einsetzten, nach der die Feinde trachteten (115), um 
ihn zu tödten. Auch hier ist also in ὑσεὲρ τῆς ψυχῆς μου 
die Seele als Trägerin des leiblichen Lebens gedacht. — τὸν 
ἑαυτῶν τράχηλον ὑπέϑηχαν) Dass es im buchstäblichen 
Sinne gemeint sein sollte, sie hätten ihren eigenen Hals unter 
das Richtbeil gelegt, hätten also wirklich hingerichtet werden 
sollen, seien aber irgendwie noch gerettet worden, ist doch 
äusserst unwahrscheinlich. mit Recht denken die Meisten an 
die Uebernahme einer äussersten Lebensgefahr. Wann und 


Böhmer bezieht es gar auf beide, die Aufnehmenden und die Aufzu- 
nehmenden, und denkt bei [,etzteren mit an die, aus deren Mitte sie kam. 
4) Das ἀσπάσασϑε zeigt,. dass weder die Gemeinde in lauter 
kleinere Theilgemeinden zerfiel, noch dass die nachher genannten 
Personen die einzigen treu Gebliebenen daselbst waren (gegen Weiz- 
säcker, das apostol. Zeitalter p. 351. 58). Die Rcpt. πρισχελλαν hat 
nur Min. für sich. Böhmer erklärt das Voranstehen der Priska daraus, 
dass die Diakonissin zunächst der Diakonissin empfohlen wird; aber 
von dieser Empfehlung ist hier nicht mehr die Rede. Die Vermuthung, 
dass sie dem Apostel aus Ephesus nach Rom vorausgegangen waren, 
um ihm dort die Stätte zu bereiten (Hofm., vgl. God. Goeb.), ist 
nz aus der Luft gegriffen. Ungenau erklärt Meyer das ἐν Xo. 'Ino. 
davon. dass sich ihre Arbeit in Christo als ihrem Element bewegte, 
Otto: im Werke Christi. 


Röm 164. 5. 597 


wo dies geschah, bleibt gänzlich ungewiss. Dass nicht nur 
er ihnen dafür dankt, sondern auch alle Gemeinden der 
Heiden, soll nur noch einmal die Bedeutung ihrer Aufopferung 
hervorheben und damit den Gruss an sie motiviren. Dass 
πᾶσαι al ἐκκλησίαι τῶν ἐθνῶν genannt werden, hat 
seinen Grund darın, dass die Errettung des Heidenapostels 
durch ihre Aufopferung ihnen allen zu Gute kommt ἢ). — 
V.5. καὶ τὴν κατ᾽ οἶκον αὐτῶν ἐκκλησίαν) und die 
in ihrem Hause befindliche Gemeinde. Es begreift sich bei 
en Gremeinden leicht, dass neben der Vollversammlung 
er gesammten Gemeinde sich auch noch besondere Theilver- 
sammlungen bildeten, welche in Häusern hervorragender Ge- 
meindeglieder zusammenzukommen pflegten (Kol 41). Dass 
in Ephesus das des Aquila und der Priskilla ein solches Haus 
war, wissen wir aus I Kor 1619) **). — Ἐπαίνετον) unbekannt, 
wie alle Folgenden bis V.15. Auch hier motivirt der Apostel 
den an ihn gerichteten Gruss dadurch, dass er ihn in sonder- 
licher Weise seinen Geliebten nennt (αγατεητόν, vgl. 1219). 
Dass er ihn aber gleich hinter Aquila und Priskilla nennt, 
mit denen er nach V. 3 sein Missionswerk in Ephesus begann, 
erklärt er dadurch, dass Epaenetus der dort zuerst Bekehrte 
war. Er nennt ihn asaexz (vgl. 82), d. ἢ. den Erstling 
Asiens (Genit. partit.) in Bezug auf Christum, d. ἢ. denjenigen 
von den Asiaten, welcher zuerst zu Christo bekehrt worden 
ist. Mit Recht schliessen Hofm., Luth., God., Goeb., Böhmer 
daraus, dass er kein Jude (so gew., auch Meyer) war, da nur, 


ἢ Wenn God. aus diesem Verse folgert, dass derselbe nicht nach 
Ephesus gerichtet sein könne, weil er den Lesern diese Thatsache als 
etwas Neues mittheile, so steht ja keineswegs fest, dass sich das hier 
gemeinte Ereigniss in Ephesus zutrug, da Paulus auch in Korinth 
lange mit den Eheleuten zusammen war; aber er setzt vielmehr die 
Thatsache selbst, die er nur andeutet, als ihnen bekannt voraus. Auch 
folgt aus πᾶσαε al ἐχχλ. τ. ἐϑν. keineswegs, dass die Gemeinde, an die 
er schreibt, ebenfalls eine rein heidenchristliche Gemeinde war, da 
dann ein ὑμεῖς χαί schwerlich fehlen würde. Wttst., Semi. u. A. denken 
nach klassischem Sprachgebrauch an Bürgschaft (ὑπέϑηχαν: sie ver- 

fändeten, 8. Lobeck ad Phryn. p. 468); doch liegt nach Meyer den 
orten die Vorstellung des τραχηλοχοπεῖν (Plut. Mor. p. 398D) am 
nächsten. 

**) Die Beziehung auf die Hausgenossenschaft (Orig., Chrys., 
Theophyl. u. M., auch Koppe, Flatt, Klee, Glöckl.) ergäbe eine bei- 
spiellose Hyperbel im Gebrauche von ἐχχλησέία. Dass alle folgenden 
Begrüssten bis V. 18 Mitglieder der Hausgemeinde des Aquila und der 
Priskilla gewesen (Hofm.), oder doch ein Theil derselben (Böhmer), 
ist eine willkürliche Annahme, die durch das immer wieder anhebende 
ἀσπάσασϑε sehr unwahrscheinlich wird. Otto denkt an die ganze 
judenchristliche Gemeinde in Rom. 














598 Röm 166—:. 


wenn er ein geborener Grieche, mit ihm die Gewinnung 
Asiens (d. ἢ. des westlichen Vorderasiens, wie Act 29θ. IKor 
161. Kor 18) für Christum begann. Meyer behauptet 
zwar, dass dies ein ässapyn τ. 39. erfordern würde, aber 
Asien war doch eben Heidenland *). 

V. 6 nennt eine Maria, ihrem Namen nach unzweifelhaft 
eine Jüdin, bei der als Motiv (ἥτες) hervorgehoben wird, dass 
sie sich einst viel (σσολλά, wie IKor 1612. 19) für sie gemüht 
hat. Der Aorist ἐκοπίασεν (IKor 412. 1616) zeigt, 68 
sich um bestimmte Thatsachen der Vergangenheit handelt. 
Nach IKor 14sf. kann es sich nicht um Lehrthätigkeit 
handelt haben (Reiche), sondern um mühevolle Arbeit, wahr- 
scheinlich im Liebesdienst der Armen- oder Krankenpflege **). 
Zu sis ὑμᾶς vgl. Gal Au. — V.T. Ἰουνίαν) wird von 
Chrys., Grot. u. M., auch Reiche weiblich genommen (Junia, 
welche dann wohl als Gattin oder Schwester des Andronicus 
zu betrachten wäre); von den meisten Neueren aber mit Recht 
als männlicher Name Junias, gleich Junianus (nach Meyer 
᾿Ιουνιᾶς zu accentuiren), was jedenfalls die folgende Charak- 
teristik (gegen Frtzsch.) empfiehlt. Genau wie bei Epaenetus 
Υ. 5, wird zuerst gesagt, wodurch ihm persönlich Andronicus 
und Junias besonders nahe stehen, und dann erst näher 
motivirt, weshalb er sie eines besonderen Grusses würdigt, ob- 
wohl sie nicht, wie die bisher Genannten, eine besondere Be- 
deutung für die Gemeinde haben. Sie sind nämlich theils seine 
συγγενεῖς, d. h. wie die meisten Neueren mit Recht erklären, 
seine Volksgenossen (vgl. 98), und sie haben irgendwo und 
-wann seine Gefangensc mit ihm getheilt (συναιχμαλώ- 


*) Die Sagen der Väter machen ihn, wie die Meisten zu Bischöfen 
und Märtyrern (s. Justiniani Comm. u. Braun Sel. sacr. 1, 2, 29#.), 
und die Synopse des Doroth. versetzt sie meist unter die 70 Jünger. 
Dass Epaenetus mit Aquila u. Priskilla nach Rom gekommen sei 
(Hofm., God., vgl. Hilg.), wird dadurch, dass er gleich hinter jenen 
Eheleuten genannt ist, sehr schwach begründet. Ebenso willkürlich 
schliesst Wers. p. 846 aus dem τ ἀγαπητὸν μου, dass Paulus ihn selbst 
bekehrt habe. Wollte er das sagen, so würde er ihn eben sein zexvor 
nennen. Die Rept. αχαιας (LP) ist trotz aller Künsteleien, mit denen 
man dies bestritten hat, mit [ον 1615 unvereinbar und vielleicht aus 
einer gedankenlosen Reminiszenz an jene Stelle oder aus der Reflexion 
darauf, dass Paulus in Achaja schrieb, entstanden. 

Ὁ Nach Meyer war es bei Gelegenheit einer besonderen, jetzt 
vergangenen Nothzeit der Gemeinde, nach v. Heng. ist ihre Liebes- 
tbätigkeit auswärts geübt, nach Böhmer war sie die Vorgängerin der 
Priska im Diakonissenamt. — Lchm., Treg., WH, haben nach ABCP 
die Form uagar statt μ (Bopt.).. Das &s ημας (Ropt. nach L) ist 
dem vorbergehenden und nachfolgenden μου konformirt. 


Röm 167. 8. 599 


τους μοῦ, vgl. Kol 4w. Phm 235 ἢ. — ἐπίσημοι), wie 
insignis eine vox media (vgl. IIMak 15a. Mt 2710), hier in 

tem Sinne: ausgezeichnet, d.i. rühmlichst bekannt im Kreise 
de Apostel, mit denen sie also in näherer .Beziehung ge- 
standen haben müssen. Vgl. Eur. Hec. 379: ἐπ σημος ἂν 
βροτοῖς, Hippol. 103. Polyb. 10, 3, 3. 15, 84, 8. [πιοΐδῃ. 
merc. cond. 28. So mit Recht Beza, Grot. u. M., auch 
Reiche, de W., Frtzsch., Phil., v. Heng., Hofm., Luth., Böhmer, 
Otto. Hiermit stimmt auch, was der Apostel noch als ein 
besonderes Moment, das ihm diese Männer so hochachtenswerth 
macht (καΐ), hinzufügt, dass sie schon vor ihm zu dem ἐν 
Χριστῷ εἶναι gelangt, also Christen geworden, in die Ge- 
meinschaft Christi gekommen sind. Sie waren also ἀρχαῖοι 
μαϑηταὶ (Act 2116), ohne dass sie gerade am Pfingstfeste be- 
kehrt sein müssen (Grot., Koppe). »Venerabilis facit aetas, in 
Christo maxime«, Beng. Zu yiveodaı ἐν 8. Nägelsb. z. Ilias 
p. 295, ed. 3; vgl. zu Phil. 27 "ἢ. — V. 8. ἐν κυρίῳ) hebt, 





*) Meyer will an Verwandte denken, weil das Wort nur in 
diesem Sinne eine nähere empfehlende Bedeutsamkeit habe, und weil 
es unzart wäre, wenn er Heidenchristen gegenüber angedeutet hätte, 
dass seine Volksgenossen ihm näher stünden als Andere. Vgl. da- 
gegen 91. 101. 1114. Allerdings ist bei Aquila, Priska und Maria 
dies Moment nicht hervorgehoben, aber wohl nur, weil jeder Leser 
wusste, dass das Juden waren. Der Ausdruck ovvasyu. stellt das Ver- 
hältniss der Gefangenschaft unter die bildliche Vorstellung der Kriegs- 

efangenschaft (728. IlKor 105. Eph 48). Vgl. Lucian. Asin. 27. 
hot. Bibl. p. 133, 8. Willkürliche Umgehung des Wortsinns bei 
Hofm.: die, welche Christus ebenso wie den Apostel selbst der Welt 
abgewonnen und sich zu eigen gemacht hat. Vgl. auch Ew., der 
beide nur gleichzeitig mit Paulus (aber am anderen Ort) gefangen 
sein lässt, während sie Goeb. gar nur überhaupt, wie den Apostel, ge- 
fangen gewesen sein lässt (vgl. Sand... Auch Volkm., der hier die 
beiden ersten Palästinenser entdeckt hat, die das Christenthum nach 
Rom gebracht (vgl. schon Wolf, Otto), bezieht es nur allgemein auf 
ihr Martyrium, Otto denkt an ihre Miteinschliessung in Damaskus 
Act 938). Lucht sieht hier nur den Anachronismus eines Falsarius. 
gl. dagegen Mang. p. 153f., der aber nach der irrigen Voraussetzung, 
dass der Epheserbrief, dessen Fragment wir hier haben, in Rom ge- 
schrieben sei, an die Römische Gefangenschaft denkt. Berichtet doch 
Klemens (IKor 5), dass Paulus siebenmal Bande getragen habe, 
während wir nur vier Gefangenschaften kennen, von denen die in 
Jerusalem, Caesarea und Rom eigentlich nur eine bilden. 

88) Orig., Chrys., Lutber, Caiv., Estius, Wolf u. V., auch Thol., 
Kölln., Rück. Reithm., Ew., Volkm., God., Sand., Hilg., Lips. (mit Be- 
rufung auf das xa/nach ol!) erklären: ausgezeichnet unter den Aposteln 
(d. i. ausgezeichnete Apostel), aber in diesem Umfange, nach welchem 
zwei so gänzlich unbekannte Männer mit eingeschlossen sein könnten, 
gebraucht Paulus den Apostelnamen nie, und von Abgeordneten der 
Gemeinden (Böhmer) ist natürlich nicht die Rede. Lucht missdeutet 





600 Röm 16s—ıı. 


wie V. 2, hervor, dass Ampliatus ihm nicht, wie Epaenetus 
V. 5 und Stachys V. 9, in irgend welchen persönlichen Be- 
ziehungen lieb geworden war, sondern lediglich in christlicher. 
— V.9. Wenn er den Urbanus τὸν συνεργὸν ἡμῶν ἐν 
Χριστῷ nennt, so kann das nur darauf gehen, dass er mit 
Aquila und Priska V. 3 (τοὺς συνεργούς μου) ihn unterstützt 
hatte*). Vgl. Böhmer. 

V. 10. Wenn die Bewährtheit (doxıuov, vgl. 1418) des 
Apelles durch ἐν Χριστῷ näher bestimmt wird, so kann dies 
nach V.7 nur heissen, dass er in dem Verhältniss, kraft dessen 
er in der Lebensgemeinschaft mit Christo steht, also in seinem 
Christenthum erprobt ist. — τοὺς ἐκ τῶν „Aeıoroßovkov) 
die von den Leuten (vielleicht: Sklaven) des Aristobulus, vgl. 
IKor lı. Dass Paulus die Christen unter denselben meine, 
verstand sich von selbst; wenn er aber bei dem ganz gleichen 
Ausdruck V. 11 τοὺς ὄντας ἐν κυρίῳ zusetzt, so folgt 
daraus, dass es andere Leute des Narcıss im Gesichtskreise 
der Leser gab, die noch nicht Christen waren; dagegen können 
von den Leuten des Aristobul nur die Gegrüssten in der Ge- 
meinde anwesend gewesen sein. Herodion wird wieder als 
sein Volksgenosse bezeichnet (vgl. V. 7), obwohl es Apelles 
(vgl. Hor. Sat. 1, 5, 100) ebenso gut gewesen sein könnte. 
Ob Aristobul und Narciss selbst bereits todt (Grot.) waren, 
lässt sich natürlich nicht ausmachen **). — V. 12 nennt drei 


den Ausdruck of anoor. von den Uraposteln im Gegensatz gegen 
Paulus und schliesst daraus auf die Unechtheit dieses Einschubs. Vgl. 
dagegen Mang. p. 154f. Uebrigens erklärt das ofreves nicht, weshalb 
sie συναιχμαλ. sind (Otto), sondern, warum er sie besonders grüsst. 
Zu V. 8 bem. noch, dass die Rept. statt aunAsarov das abgekürzte 
αμπλιαν hat gegen entscheidende Zeugen. 

*, Ganz undenkbar ist, dass das ἡμῶν alle V. 3-8 Genannten 
(Reiche), die ja keineswegs alle seine Mitarbeiter waren, oder gar 
alle Leser (Meyer, nach dem Urbanus ein Fremder war, der jetzt bei 
den Lesern und mit ihnen für die Ausbreitung des Evangeliums wirkte) 
oder alle Arbeiter am Evangelium (God., Otto, Goeb., Sand.) umfasst. 

**) ])ass das τοὺς ὄντας ἔν Χριστῷ »zum Ueberfluss zugesetzt« 
(eye) oder bei den Aristobulischen weggelassen sei, weil bei ihnen 

eischlicher Wandel zu rügen war (Böhmer), ist natürlich gleich un- 
möglich. Dass die vor den Leuten des Aristobul und des Narcise 
jedesmal genannten einzelnen Männer die waren, welche in den be- 
treffenden Häusern das Missionswerk begonnen haben (Wzs. p. 848, 
Lips.), ist äusserst unwahrscheinlich, da das immer wiederholte 
ἐσπάσασϑε jede Andeutung einer solchen Beziehung ausschliesst. Sand. 
hält den Aristobul für den Enkel Herodes des Gr., der zu Rom im 
Privatstande lebte. Wie Orig., Theod. Mopsv., Grot. u. A. den Apelles 
mit dem bekannten Apollos (Act 1826) verwechseln, so halten Grot., 
Neander, Sand., Hilg. u. A. den Narciss für den mächtigen Freige- 


Röm 1613 —1. 601 


Frauen, die das Gemeinsame haben, dass, wie bei der Maria 
V. 6, ihre Mühwaltung gerühmt wird, obwohl mit dem aus- 
drücklichen Zusatz, dass dieselbe ἐν χυρίῳ geschehen sei, dass 
es sich also um Dienste handelte, die sie in ihrem Christen- 
stande als solchem erwiesen. Daher denkt man meist an 
Diakonissenthätigkeit. Während aber die Tryphaena und 
Tryphosa, die Weizs. p. 349 für Freigelassene hält, noch 
egenwärtig in Thätigkeit stehen («orrıwoas), gehört die der 
Persis bereits der Versanenhäit an (ἐκουεία σεν»), weshalb 
sie Böhmer als »emeritirt« bezeichnet. Sie hat sich dadurch 
die besondere Liebe des Apostels erworben, doch merken 
Meyer, Luth. es als eine besondere Zartheit an, dass er nicht, 
wie bei den Mannsnamen V. 8. 9 μου zu τὴν ἀγαπητήν 
hinzusetzt. — V. 13. Wenn Paulus den Rufus als τὸν 
ἐκλεχτὸν ἐν κυρίῳ bezeichnet, so kann das nur sagen sollen, 
dass er in der Gemeinschaft des Herrn, d. h. in seinem 
Christenstande sich ausgezeichnet hatte, ein auserlesener Christ 
war (excellens, exquisitus, wie Bar 3»0. Sap 34. Mt 24sı. 
IPt 24). Seine Mutter hatte auch dem Apostel selbst ihre 
mütterliche Pflege angedeihen lassen (χαὲ ἐμοῦ, vgl. V. 2)*). 
— V. 14f. folgen noch zwei Gruppen von Gemeindemit- 
gliedern, die Paulus nur als solche, und ohne dass die aus 
ihnen genannten Einzelnen irgend wie besonders ausgezeichnet 
werden, grüst. Am einfachsten hält man sie für ἐχχλησίαι 
κατ᾽ οἶχον V. ὃ (Hofm., Beck, God., Goeb., Luth., Sand., 
Lips., der nur wunderlicher Weise an je 5 und 3 denkt), deren 
ihm näher bekannte Mitglieder Paulus aufzählt. Dass er die 
übrigen einmal durch τοὺς σὺν αὐτοῖς ἀδελφούς, einmal 
durch ayilovg charakterisirt, ist lediglich Variation des Aus- 





lassenen des Claudius (Suet. Claud. 28. Tac. Ann. 1I1s9ff. 1257), was 
auch Meyer für möglich hält, obwohl Narcissus nach Tac. Ann. 13ı 
bereits todt war (s. Wieseler. Chronol. p. 871ff.), was Sand. auch von 
Aristobul annimmt. Jedenfalls ist bei der Häufigkeit des Namens 
der Verdacht eines Anachronismus (Lucht) grundlos. Aber selbst 
wenn jener bekannte Römer gemeint sein sollte, so ist doch ' sehr 
möglich, dass seine Familie nach seiner Hinrichtung sich in Ephesus 
angesiedelt hatte. 

*, Das ἐχλεχτός kann also weder die Erwählung zur Seligkeit 
bezeichnen (Reiche), was ja kein besonders auszeichnendes Moment 
wäre, noch, dass er ibm ein erlesener christlicher Bruder war (Hofm.), 
da kein μου dabei steht. Gewöhnlich denkt man an den Sohn Simon’s 
von Cyrene Mk 531, was aber nur nahe liegt. wenn dieser Rufus in 
Rom lebte, wo Markus sein Evangelium schrieb. Doch weist die 
Liebe und Fürsorge, die er von seiner Mutter erfahren, jedenfalls 
nicht dorthin; ob auf Jerusalem (Hofm., God.) oder Antiochien 
(Böhmer) oder auf Ephesus, muss ganz dahingestellt bleiben. 


602 Röm 1616. 16. 


drucks, nur das σεάντας deutet an, dass die zweite Gruppe 
die zahlreichere war. Aus der ersten werden fünf Männer 
genannt, in der zweiten wird die Julia die Frau des Philologus 
gewesen sein, wie neben Nereus seine Schwester genannt wird *). 
V. 16. ἀσπάσασϑε ἀλλήλους) fordert dazu auf, dass 
sich die Leser (nach der Vorlesung des Briefes) auch unter 
einander wechselseitig begrüssen sollen, und zwar wirklich mit 
dem Liebeszeichen des heiligen Kusses. Vgl. IKor 16». 
IIKor 131. Die alte Weise, besonders des Orients und 
namentlich der Juden, Gruss mit Kuss zu verbinden, erzeugte 
die christliche Sitte des ἅγεον φίλημα (IPt διε: φίλημα 
ἀγάπης, Const. ap. 2, 57, 12. 8, 5, 5: τὸ ἐν κυρίῳ φίλημα, 
ertull. de orat. 14: osculum pacis), so genannt, weil er kein 
profaner war, sondern die christliche Weihe hatte, die heilige 
christliche Liebesgemeinschaft ausdrückend. — πᾶσαι) Von 
vielen Gemeinden waren dem Apostel ohne Zweifel wirklich 
(rüsse aufgetragen worden: von den übrigen gilt, was schon 
Erasm. sagt: »Quoniam cognovit omnium erga KRomanos. 
studium, omnium nomine salutat«, mut. mut. auch, wenn das. 
Schreiben nach Ephesus gerichtet war **). 


*, In der Ropt. (LP) ist die Stellung von sgun® und eguav ver- 
tauscht, Ersteres muss voranstehen. Den hier genannten Hermas hielt 
Orig. für den Verf. des ὁ ποιμήν (vgl. Hilg.), der nach dem murs- 
torischen Fragment von einem Bruder des Römischen Bischof Pius I. 
verfasst sein soll und sicher dem 2. Jahrh. angehört. Sonderbarer 
Weise hält Böhmer die erste Gruppe für gesetzliche Juden, die noch 
die Speisegesetze halten, die letzte für die Schwachen aus Kap. 14, 
Hilg. beide für juderchristliche Vereine. Hausgenossenschaften können 
es nicht gewesen sein (gegen Zimmer), da sie sonst wohl ähnlich wie 
die V. 10f. genannten bezeichnet wären, und da das zu aylous ge- 
hörige πάντας nicht andeuten kann, dass alle Glieder derselben be- 
reits bekehrt waren. Vereine für kirchliche Zwecke (Otto), wie 
Missionsgesellschaften (Reiche), hätte Paulus obne Zweifel irgendwie 
näher als solche charakterisirt; Gemeinschaften des Handels und Ge-- 
werbes (Frtzsch., Phil.), die schwerlich schon aus lauter Christen be- 
standen, hätte Paulus sicher nicht als solche gemeinsam gegrüsst. 

**) Die universelle Fassung berechtigt keineswegs, diesen Gruss 
dem Apostel abzusprechen und aus [ον 1619. herzuleiten (Lucht, 
Hilg., der deshalb diese Vershälfte für späteren Zusatz hält, vgl. da- 
gegen Mang. 157), entspricht vielmehr ganz dem innigen und lebens- 
vollen Gemeinschaftsbewusstsein, in welchem er seinem summarischen 
Ausdrucke nicht erst nachzurechnen sich bewogen sab. Willkürlich 
beschränken Andere πᾶσαι auf die griechischen Gemeinden (τοί... 
Lipe.), oder gar nur auf die Gemeinden in Korintb und den Hafenstädten 
(Mich., Olsh. u. M., vgl. auch Beck), oder wenigstens auf diejenigen, 
in welchen Paulus gewesen sei (Beng.). Völlig willkürlich wollen 
Calv., Phil. das φίλ. &y. rein geistig verstehen, Beng., Koppe, God. ein 
meo nomine ergänzen. Dass die Auflorderung in Beziehung steht auf 


Böm 16:11. 608. 


V. 17—-20*. Warnung vor Irrlehrern. — zaga- 
χαλῶ δὲ ὑμᾶς), wie 15x, auch mit der ausdrücklichen An- 
rede (ἀδελφοί). Den nur das Beste von Allen rühmenden 
Grüssen tritt gegenüber die Mahnung, scharf ins Auge zu 
fassen die, welche den Frieden der Gemeinde stören können. 
Das σχοπεῖν (IIMak 46. ΠΟΥ 4ıs) erhält erst aus dem 
Zusammenhange die Bedeutung: etwas im Auge behalten, um 
sich davor zu hüten (Luk 1185. Gal 61). Hier sind es die, 
welche die den Lesern bekannten (Bem. den Art.), damals so 
vielerwärts in Paulinischen Gemeinden erregten und leicht. 
auch die Leser bedrohenden antipaulinischen Spaltungen (τὰς 
διχοστασίας, vgl. IMak 32. Gal 5». Dem. 423, 4. Plat. 
Legg. I, p. 630A. Dion. Hal. 8, 72) und Anstösse (oxar- 
δαλα, vgl. Mt 1341. 187) d. 1. Verführungen zur Abweichung 
von der rechten christlichen Lehre herbeiführen. Das παρὰ 
εν ἃ διδαχήν weist auf das hin, was der Lehre, die sie 
(Bem. das betonte ὑμεῖς im Gegensatz zu dem, was diese 
Agitatoren von ihren Leitern gelernt haben) gelernt haben 
(ἐμάϑετε, vgl. Dtn 51. Jes Ir. Prv 22%. Mt 9:8. 112), 
zuwider ist (vgl. 126). — dxxAivere ἀπε αὐτῶν) weichet aus 
von ihnen weg, meidet sie, gehet ihnen aus dem Wege. Vgl. 


-«- - - - -- --ὄ.ὥὄὈὄ.όο:.0.ὄ... 


vorhandene Spaltungen (Böhmer), ist durch nichts indizirt. Das πᾶσαι 
‘fehlt nur in Min., Rept. 

δ᾽) Schon diese nachträgliche Stellung, desgleichen die in den 
Gegenstand selbst fast garnicht eingehende Kürze (vgl. dagegen die 
Ausführlichkeit in Kap. 14. 15 über einen minder wichtigen Gegensatz) 
zeugt dafür, dass Paulus hier nicht, wie Wieseler nach Aelteren will 
(vgl. noch Zimmer u. Böhmer, der wegen Kap. 13 an die aufrührerische 
Judenschaft denkt!), gegen solche redet, welche bereits wirklich in 
Rom Spaltungen machten. Vgl. Lips. Aber selbst wenn man mit 
Meyer, God., Goeb., Luth. u. A. (vgl. in seiner Art auch Otto) an- 
nimmt, dass Paulus nach vielfach gemachten Erfahrungen besorgte, 
dass, wie anderwärts (vgl. Gal 3e. ııff. Kol 2sff. Phl 3sff. ısf. IIKor 
ll1sff.), auch in Rom jüdische Gesetzeseiferer (Aeltere, wie Hamm., 
Cleric., dachten gar an philosophische, Hofm. wenigstens zugleich an 
zuchtlose Heidenchristen) auftreten und im Widerstreit gegen das 
Paulinische Christentbum Spaltungen verursachen möchten, muss die 
Kürze dieser Warnung und ihre isolirte Schlussstellung auffallen. Ver- 
geblich verweist Meyer auf den beidenchristlichen Charakter der Ge- 
meinde, die im Allgemeinen so fest im Paulinischen Evangelium war 
(V. 191. 6. 17), dass ein nachhaltiges judaistisches Einwirken für jetzt 
nocht nicht zu besorgen stand. Denn wenn er doch einmal eine solche 
vorbauende Warnung für notbwendig hielt (vgl. auch Sand.), so wäre 
immer nicht zu begreifen, warum er eine solche nicht im Kontext des 
Briefes anbrachte, wo er die Lehren, deren Bedrobung er fürchtete, 
vortrug. Vgl. Einl. ὃ 4, 8. Dagegen liegt gar kein Grund vor, mit 
Hilg. a. a. Ὁ. 8. 4821. an eine Einschaltung aus gnostischer Zeit zu 
denken (Vgl. dagegen Lips.). 


604 Röm 16 17—19. 


Ps 119 ım. Prv 4. JSir 22 u. Thuc. 5, 73, 3; gewöhn- 
licher mit dem Accus. Die Störer, vor denen gewarnt wird, 
sind nicht als Gemeindeglieder, sondern als Eindringlinge von 
aussen gedacht. Vgl. Act 151. Gal 24. Bem. den Ueber- 
gang aus dem Infin. in die direkte Aufforderung. — V. 18. 
οἱ γὰρ τοιοῦτοι) vgl. IKor ὅδ. ıı. 728, begründet die 
Warnung dadurch, dass die derartigen Leute, Leute, die 
solches anrichten, unserem Herm, dem wir zu ausschliesslichem 
Dienste verpflichtet sind, nämlich Christo, nicht dienen (dov- 
λεύουσιν, vgl. 121. 1418. Bem. das nachdrückliche Voran- 
stehen des Dat. überhaupt und des Attributs τῷ κυρίῳ 
ἡμῶν insbesondere), sondern ihrem eigenen Bauche (τῇ 
ἑαυτῶν κοιλίᾳ, vgl. IKor 618. Phl 31. Jacobs ad Anthol. 
IX, p. 416 und Seneca de benef. 7, 26: abdomini servire), 
d. h. ihrer nur auf Wohlleben in Essen und Trinken bedachten 
Selbstsucht. Dazu suchten die Sektirer den Einfluss und An- 
hang zu nützen, welchen sie sich verschafften, wie Paulus 
Aehnliches nach IlKor 11» schon erfahren hatte, ohne dass 
deshalb ihre Lehre epikureischer Natur war (Heum.). Vgl. 
Lucian, de morte Peregr. 11fl. Die Mittel, deren sich diese 
Irrlehrer bedienen, charakterisirt der Apostel durch dıa τῆς 
χρηστολογίας (vgl. Jul. Capitol. vit. Pertin. 13. Eustath. 
p. 1437, 53), welches auf liebreiche, wohlgemeint klingende 
und dadurch sich einschmeichelnde Rede geht, während 
εὐλογίας (Plat. Rep. p. 400D. Lucian. Lexiph. 1. Aesop. 
229) mehr auf die Form geht und wohlgesetzte Rede, Schön- 
rednerei, bestechendes Phrasenthum bezeichnet, womit sie be- 
trügen (ἐξαπατῶσιν, vgl. Tıı) die Herzen der Arglosen 
(ὧν ἀκάκων, vgl. Job 23. 8%. Hbr 72; doch auch im 
schlimmen Sinne Prv 14.2. 85. 1416), die selbst nichts Böses 
im Sinne haben und auf nichts Böses gefasst sind *). 

ν. 198 ἡ γὰρ ὑμῶν Unaxon) vgl. 616, begründet, wie 
das nachdrücklich voranstehende ὑμῶν zeigt, warum er diese 
Verführer V.17f. gänzlich von ihnen scheidet und nur warnt, 
vor ihnen auf der Hut zu sein**. Zu dem εἰς πάντας 


Ἢ Willkürlich will Beck das Jovi. τ. xoıl. verallgemeinern, so 
‚dass alles selbstsüchtige Treiben darunter verstanden werden kann. 
Das εὐλογέα bezieht Phil. auf ein Rühmen in schmeichlerischen Reden, 
God. auf Segenssprüche. Vgl. Luther: prächtige Rede. Die Be- 
hauptung, dass Paulus in der Beschuldigung seiner Gegner allzu hart 
erscheine (Rück.), ist nicht zu begründen. Er schreibt aus langer und 
reicher Erfahrung. 

**) Meyer fasst das ὑμῶν im Gegensatz zu ἀχάχων: nicht obne 
Grund sage ich: die Herzen der Arglosen; denn Euch werden sie 
nicht verführen (vgl. v. Heng., Mang. p. 161, Otto, Goeb.). Aber 


Böm 1619. 290. 05 


ἀφίκετο (er, nämlich die Kunde von ihm ist zu Allen ge- 
langt) vgl. Gen 281. 479. Job 13x. 16». JSir 471. — 
ἐφ᾽ ὑμῖν οὖν) steht ebenso nachdrücklich voran: »über Euch 
a freue ich mich (χαέρω mit &rzi, wie IKor 13e. 1617), 
wünsche jedoch (ϑέλω, vgl. 1.18), dass Ihr weise und lauter 
seid«, — eine feine Verbindung der Warnung mit dem Aus- 
drucke des festen Vertrauens. Zu der wahren Weisheit in 
Bezug auf das Gute (sig τὸ αγαϑόν, vgl. 210) gehört nicht 
nur, dass man weiss, was man zu thun hat, sondern auch, 
dass man weiss, was man zu meiden hat, um nicht vom 
Wege des Guten abgebracht zu werden. — ἀκεραίους sic 
τὸ κακόν) lauter in Bezug auf das Böse, so dass Ihr Euch 
unvermischt damit, frei davon, bewahrt. Vgl. Phil 21. Mt 
1016, u. 8. über ἀκέραιος überh. Ruhnk. ad Tim. p. 18*). — 
V.20. Ermuthigende Verheissung. — ὁ ϑεὸς τῆς εἰρήνης) 
wie 1885, aber hier im Gegensatz gegen die, welche Spaltungen 
erregen (V. 17). — ovvyreiweı) vgl. Gen 199. Ex 9. 
Num 92. Ps 741. IMak 32. 4w. Paulus betrachtet die 
Sektirer, weil sie nicht Christi, sondern des Bauches Diener 
sind (V. 18), als Organe des Satan (vgl. IIKor 1115); daher 
sein auf Gen 315 gegründeter bildlicher Ausdruck des Ge- 
dankens: »Der Friedensgott wird Euch (wenn die Spaltungs- 
stifter unter Euch auftreten) in Kürze den völligen Sieg über 
sie verleihen«e.. In seiner Kraft werdet Ihr den Satan zer- 
malmend unter die Füsse treten, und zwar nach kurzem 
Kampfe (God.). Zu ἐν τάχει vgl. ΕΖ 296. Din 28%. Jos 
8:9. JSir 27. — ἡ χάρις etc.) Die Gnade unseres Herrn 


—— — --. .... --.-- 


»warum warnt sie denn der Apostel?« (Luth.). Vgl. das Richtige bei 
Zimmer, Böhmer. Der Vers braucht aber nicht eine zweite Be- 
gründung der Warnung V. 17 zu sein (Thol., de W., Phil.), da der 
Gebrauch eines zweiten koordinirten γάρ im NT nicht nachzuweisen 
ist. Auch ist nicht mit Frtzsch. zu erklären: »nam vos innocentibus 
qui facile decipiuntur hominibus annumerandos esse, ex eo intelligitur, 
quod vos Christo obedientes esse nemo ignorat«; denn Letzteres ist 
gerade das Gegentheil der leichten Verführbarkeit. Auch nicht mit 
Rück.: denn die allgemeine Verbreitung der Kunde, dass Ihr so gute 
Christen seid, wird jene Menschen bald nach Rom führen, um ihr 
Unkraut auszusäen (vgl. God.); das steht nicht da. Auch nicht mit 
Calv. u. M., Reiche, Kölln.: denn Ihr seid zwar gute Christen, worüber 
ich mich freue, aber ich will u. 5. w. (vgl. der Sache nach auch 
Hofm.), wogegen der Ausdruck, besonders das mangelnde μέν und 
das dastehende οὖν, entscheidet. 

*) Sowohl die Voranstellung des χαέρὼω οὐν (DFG) vor & vu 
als das ro vor diesem (Rcpt. nach E it. vg.) ist Nachbesserung. Das 
μὲν nach σοῴους (Rept. nach NACP) hat WH. i. Kl., und es ist wohl 
zu streichen. 





596 Röm 168. «. 


V. 3—16. Grüsse des Apostels. — aordoaose) 
Nur hier beauftragt der Apostel die ganze Gemeinde, einzelne 
ihrer Mitglieder zu grüssen. Da, wenn dieser Auftrag an 
Alle gelangen sollte, der Brief in der Gemeindeversammlung 
vorgelesen werden musste (vgl. IThs 52), so kann dies nur 
den Zweck haben, alle Mitglieder aufzufordern, dass sie sich 
dem in solchem Grusse enthaltenen Segenswunsch (Mt 847) an 
die Einzelnen anschliessen sollen. — IIgioxa) ist nicht ver- 
schieden von Πρίσχελλα; vgl. zu Act 182. Dass sie hier, wie 
IITim 4ıs, vor ihrem Gatten genannt wird, scheint auf eine 
überwiegende Thätigkeit und eutung für das Christenthum 
auf ihrer Seite hinzudeuten, wozu IKor 10:19, wo beide grüssen, 
keine Veranlassung war. Hier werden beide Eheleute aus- 
drücklich als seine Mitarbeiter (τοὺς συνέργους μου, vgl. 
Phl 22. 4s) bezeichnet, weil sie von Anfang an seine persön- 
liche Wirksamkeit in Ephesus unterstützt hatten, und zwar 
ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (vgl. V. 2), so dass also ihre Lebensge- 
meinschaft mit Christo massgebend war für ihre Mitarbeit mit 
ihm, es sich also ausschliesslich um eine Wirksamkeit für die 
Sache Christi handelte *). — V. 4. οἵτινες) quippe qui, vgl. 
126. 82, motivirt noch ausdrücklicher den Allen vorangestellten 
Gruss an sie durch die Verdienste, die sie sich um ihn er- 
worben haben, indem sie ihr Leben für ihn, genauer: für seine 
Seele einsetzten, nach der die Feinde trachteten (118), um 
ihn zu tödten. Auch hier ist also in ὑπεὲρ τῆς ψυχῆς μου 
die Seele als Trägerin des leiblichen Lebens gedacht. — τὸν 
ἑαυτῶν τράχηλον ὑπέϑηχαν) Dass es im buchstäblichen 
Sinne gemeint sein sollte, ae hätten ihren eigenen Hals unter 
das Richtbeil gelegt, hätten also wirklich hingerichtet werden 
sollen, seien aber irgendwie noch gerettet worden, ist doch 
äusserst enwährecheinbich" mit Recht denken die Meisten an 
die Uebernahme einer äussersten Lebensgefahr. Wann und 


Böbmer bezieht es gar auf beide, die Aufnehmenden und die Aufzu- 
nehmenden, und denkt bei l,etzteren mit an die, aus deren Mitte sie kam. 
*) Das ἀσπάσασϑε zeigt,. dass weder die Gemeinde in lauter 
kleinere Tbeilgemeinden zerfiel, noch dass die nachher genannten 
Personen die einzigen treu Gebliebenen daselbst waren (gegen Weiz- 
säcker, das apostol. Zeitalter p. 851. 58). Die Rcpt. πρισχελλαν hat 
nur Min. für sich. Böhmer erklärt das Voranstehen der Priska daraus, 
dass die Diakonissin zunächst der Diakonissin empfohlen wird; aber 
von dieser Empfehlung ist hier nicht mehr die Rede, Die Vermuthung, 
dass sie dem Apostel aus Epbesus nach Rom Torsuegegangen waren, 
um ihm dort die Stätte zu bereiten (Hofm., vgl. God., Goeb.), ist 
nz aus der Luft gegriffen. Ungenau erklärt Meyer das ἐν Xo. 'Ino. 
dascn; dass sich ihre Arbeit in Christo als ihrem Element bewegte, 
Otto: im Werke Christi. 


Röm 164. 5. 6597 


wo dies geschah, bleibt gänzlich ungewiss. Dass nicht nur 
er ihnen dafür dankt, sondern auch alle Gemeinden der 
Heiden, soll nur noch einmal die Bedeutung ihrer Aufopferung 
hervorheben und damit den Gruss an sie motiviren. Dass 
πᾶσαι al ἐκκλησίαι τῶν ἐθνῶν genannt werden, hat 
seinen Grund darın, dass die Errettung des Heidenapostels 
durch ihre Aufopferung ihnen allen zu Gute kommt ἢ). — 
V.5. καὶ τὴν κατ᾽ οἶκον αὐτῶν ἐκκλησίαν) und die 


in ihrem Hause befindliche Gemeinde. Es begreift sich bei 


en Gremeinden leicht, dass neben der Vollversammlung 
er gesammten Gemeinde sich auch noch besondere Theilver- 
sammlungen bildeten, welche in Häusern hervorragender Ge- 
meindeglieder zusammenzukommen pflegten (Kol 41). Dass 
in Ephesus das des Aquila und der Pris illa ein solches Haus 
war, wissen wir aus I Kor 16 10) ἢ). — Ἐπαίνετον) unbekannt, 
wie alle Folgenden bis V. 15. Auch hier motivirt der Apostel 
den an ihn gerichteten Gruss dadurch, dass er ihn in sonder- 
licher Weise seinen Geliebten nennt (@yazınzdv, vgl. 1219). 
Dass er ihn aber gleich hinter Aquila und Priskilla nennt, 
mit denen er nach vv. 3 sein Missionswerk in Ephesus begann, 
erklärt er dadurch, dass Epaenetus der dort zuerst Bekehrte 
war. Er nennt ihn aszsaexn (vgl. 82), d. ἢ. den Erstling 
Asiens (Genit. partit.) in Bezug auf Christum, d. h. denjenigen 
von den Asiaten, welcher zuerst zu Christo bekehrt worden 
ist. Mit Recht schliessen Hofm., Luth., God., Goeb., Böhmer 
daraus, dass er kein Jude (so gew., auch Meyer) war, da nur, 


— - 


ἢ Wenn God. aus diesem Verse folgert, dass derselbe nicht nach 
Ephesus gerichtet sein könne, weil er den Lesern diese Thatsache als 
etwas Neues mittheile, so steht ja keineswegs fest, dass sich das hier 
gemeinte Ereigniss in Ephesus zutrug, da Paulus auch in Korinth 
lange mit den Eheleuten zusammen war; aber er setzt vielmehr die 
Thatsache selbst, die er nur andeutet, als ihnen bekannt voraus. Auch 
folgt aus πᾶσαι αἱ ἐχχλ. τ. 29%. keineswegs, dass die Gemeinde, an die 
er schreibt, ebenfalls eine rein heidenchristliche Gemeinde war, da 
dann ein ὑμεῖς χαί schwerlich fehlen würde. Wittst.. Seml. u. A. denken 
nach klassischem Sprachgebrauch an Bürgschaft (ὑπέϑηχαν: sie ver- 
B uueen: 8. Lobeck ad Phryn. p. 468); doch en nach Meyer den 

orten die Vorstellung des τραχηλοχοπεῖν (Plut. Mor. p. 398D) am 
nächsten. 

**) Die Beziehung auf die Hausgenossenschaft (Orig., Chrys., 
Theophyl. u. M., auch Koppe: Flatt, Klee, Glöckl.) ergäbe eine bei- 
spiellose Hyperbel im Gebrauche von ἐχχλησία. Dass alle folgenden 
Begrüssten bis V. 13 Mitglieder der Hausgemeinde des Aquila und der 
Priskilla gewesen (Hofm.), oder doch ein Theil derselben (Böhmer), 
ist eine willkürliche Annahme, die durch das immer wieder anhebende 
ἀσπάσασϑθε schr unwahrscheinlich wird. Otto denkt an die ganze 
judenchristliche Gemeinde in Rom. 


598 Röm 166—:. 


wenn er ein geborener Grieche, mit ihm die Gewinnung 
Asiens ie ἢ. des westlichen Vorderasiens, wie Act 29. IKor 
16. ΠΕΡ 18) für Christum begann. Meyer behauptet 
zwar, dass dies ein ἀχεαρχὴ τ. 89». erfordern würde, aber 
Asien war doch eben Heidenland *). 

V. 6 nennt eine Maria, ihrem Namen nach unzweifelhaft 
eine Jüdin, bei der als Motiv (77.5) hervorgehoben wird, dass 
sie sich einst viel (πτολλα, wie IKor 16:2. 19) für sie gemüht 
hat. Der Aorist &xomiaos» (IKor 4ı. 1616) zeigt, dass es 
sich um bestimmte Thatsachen der Vergangenheit handelt. 
Nach IKor 14sf. kann es sich nicht um Lehrthätigkeit ge- 
handelt haben (Reiche), sondern um mühevolle Arbeit, wahr- 
scheinlich im Liebesdienst der Armen- oder Krankenpflege **). 
Zu εἰς ὑμᾶς vgl. Gal Au. — V.T. Ἰουνίαν) wird von 
Chrys., Grot. u. M., auch Reiche weiblich genommen (Junia, 
welche dann wohl als Gattin oder Schwester des Andronicus 
zu betrachten wäre); von den meisten Neueren aber mit Recht 
als männlicher Name Junias, gleich Junianus (nach Meyer 
᾿Ιουνιᾶς zu accentuiren), was jedenfalls die folgende Charak- 
teristik (gegen Frtzsch.) empfiehlt. Genau wie bei Epaenetus 
V. 5, wird zuerst gesagt, wodurch ihm persönlich Andronicus 
und Junias besonders nahe stehen, und dann erst näher 
motivirt, weshalb er sie eines besonderen Grusses würdigt, ob- 
wohl sie nicht, wie die bisher Genannten, eine besondere Be- 
deutung für die Gemeinde haben. Sie sind nämlich theils seine 
ovyyeveis, d.h. wie die meisten Neueren mit Recht erklären, 
seine Volksgenossen (vgl. 98), und sie haben irgendwo und 
-wann seine Gefangenschaft mit ihm getheilt (συναεχμαλώ- 


*) Die Sagen der Väter machen ihn, wie die Meisten zu Bischöfen 
und Märtyrern (8. Justiniani Comm. u. Braun Sel. sacr. 1, 2, 29ff.), 
und die Synopse des Doroth. versetzt sie meist unter die 70 Jünger. 
Dass Epaenetus mit Aquila u. Priskilla nach Rom gekommen sei 
(Hofm., God., vgl. Hilg.), wird dadurch, dass er gleich hinter jenen 
Eheleuten genannt ist, sehr schwach begründet. Ebenso willkürlich 
schliesst Wzs. p. 846 aus dem r. ἀγαπητὸν μου, dass Paulus ihn selbst 
bekehrt habe. Wollte er das sagen, so würde er ihn eben sein rexvov 
nennen. Die Ropt. αχαιας (LP) iet trotz aller Künsteleien, mit denen 
man dies bestritten hat, mit IKor 1615 unvereinbar und vielleicht aus 
einer gedankenlosen Reminiszenz an jene Stelle oder aus der Reflexion 
darauf, dass Paulus in Achaja schrieb, entstanden. 

**) Nach Meyer war es bei Gelegenheit einer besonderen, jetzt 
vergangenen Nothzeit der Gemeinde, nach v. Heng. ist ihre Liebes- 
thätigkeit auswärts geübt, nach Böhmer war sie die Vorgängerin der 
Priska im Diakonissenamt. — Lchm., Treg., WH, haben nach ABCP 
die Form uagerv statt # (Ropt.).. Das &6 ημας (Rept. nach L) ist 
dem vorhergehenden und nachfolgenden μου konformirt. 


Röm 167. 8. 599 


τους μου, vgl. Kol 4w. Phm 28. — ἐπίσημοι), wie 
insignis eine vox media (vgl. IIMak 153. Mt 2716), hier in 
gutem Sinne: ausgezeichnet, d.i. rühmlichst bekannt im Kreise 
der Apostel, mit denen sie also in näherer „Beziehung ge- 
standen haben müssen. Vel. Eur. Hec. 379: ἐπίσημος ἐν 
βοοτοῖς, Hippol. 103. Polyb. 10, 3, 3. 15, 34, 3. Lucian. 
merc. cond. 28. So mit Recht Beza, Grot. u. M., auch 
Reiche, de W., Frtzsch., Phil., v. Heng., Hofm., Luth., Böhmer, 
Otto. Hiermit stimmt auch, was der Apostel noch als ein 
besonderes Moment, das ihm diese Männer so hochachtenswerth 
macht (καί), hinzufügt, dass sie schon vor ihm zu dem ἐν 
Χριστῷ εἶναι gelangt, also Christen geworden, in die Ge- 
meinschaft Christi gekommen sind. Sie waren also ἀρχαῖοι 
μαϑηταὶ (Act 2116), ohne dass sie gerade am Pfingstfeste be- 
kehrt sein müssen (Grot., Koppe). »Venerabilis facit aetas, in 
Christo maxime«, Beng. Zu γίνεσθαι ἐν 8. Nägelsb. 2. Ilias 
p. 295, ed. 3; vgl. zu Phil. 27 **). — V. 8. ἐν χυρέῳ) hebt, 





*, Meyer will an Verwandte denken, weil das Wort nur in 
diesem Sinne eine nähere empfehlende Bedeutsamkeit habe, und weil 
es unzart wäre, wenn er Heidenchristen gegenüber angedeutet hätte, 
dass seine Volksgenossen ihm näher stünden als Andere. Vgl. da- 
gegen Yıff. 101. 11:4. Allerdings ist bei Aquila, Priska und Maria 
ies Moment nicht hervorgehoben, aber wohl nur, weil jeder Leser 
wusste, dass das Juden waren. Der Ausdruck owvaryu. stellt das Ver- 
hältniss der Gefangenschaft unter die bildliche Vorstellung der Kriegs- 
efangenschaft (728. IIKor 105. Eph 48). Vgl. Lucian. Asin. 27. 

hot. Bibl. p. 1838, 8 Willkürliche Umgehung des Wortsinns bei 
Hofm.: die, welche Christus ebenso wie den Apostel selbst der Welt 
abgewonnen und sich zu eigen gemacht hat. Vgl. auch Ew., der 
beide nur gleichzeitig mit Paulus (aber am anderen Ort) gefangen 
sein lässt, während sie Goeb. gar nur überhaupt, wie den Apostel, ge- 
fängen gewesen sein lässt (vgl. Sand... Auch Volkm. der hier die 
beiden ersten Palästinenser entdeckt hat, die das Christenthum nach 
Rom gebracht (vgl. schon Wolf, Otto), bezieht es nur allgemein auf 
ihr Martyrium, Otto denkt an ihre Miteinschliessung in Damaskus 
Act 9238). Lucht sieht hier nur den Anachronismus eines Falsarius. 
gl. dagegen Mang. p. 153f., der aber nach der irrigen Voraussetzung, 
dass der Epheserbrief, dessen Fragment wir hier haben, in Rom ge- 
schrieben sei, an die Römische Gefangenschaft denkt. Berichtet doch 
Klemens (IKor 5), dass Paulus siebenmal Bande getragen habe, 
während wir nur vier Gefangenschaften kennen, von denen die in 
Jerusalem, Caesarea und Rom eigentlich nur eine bilden. 

**) Orig., Chrys., Luther, Calv., Estius, Wolf u. V., auch Thol., 
Kölln., Rück., Reithm., Ew., Volkm., God., Sand., Hilg., Lips. (mit Be- 
rufung auf dasx«/nach οὗ) erklären: ausgezeichnet unter den Aposteln 
(d. i. ausgezeichnete Apostel), aber in diesem Umfange, nach welchem 
zwei so gänzlich unbekannte Männer mit eingeschlossen sein könnten, 
gebraucht Paulus den Apostelnamen nie, und von Abgeordneten der 
Gemeinden (Böhmer) ist natürlich nicht die Rede. Lucht missdeutet 








600 Röm 168--11. 


wie V. 2, hervor, dass Ampliatus ihm nicht, wie Epaenetus 
V. 5 und Stachys V. 9, in irgend welchen persönlichen Be- 
ziehungen lieb geworden war, sondern lediglich in christlicher. 
— V.9. Wenn er den Urbanus τὸν συνεργὸν ἡμῶν ἐν 
Χριστῷ nennt, so kann das nur darauf gehen, dass er mit 
Aquila und Priska V. 3 (τοὺς συνεργούς μου) ihn unterstützt 
hatte ἢ. Vgl. Böhmer. 

V. 10. Wenn die Bewährtheit (δόχεμον, vgl. 1418) des 
Apelles durch ἐν Χριστῷ näher bestimmt wird, so kann dies 
nach V.7 nur heissen, dass er in dem Verhältniss, kraft dessen 
er in der Lebensgemeinschaft mit Christo steht, also in seinem 
Christenthum erprobt ist. — τοὺς ἐκ τῶν ᾿Τριστοβούλου) 
die von den Leuten (vielleicht: Sklaven) des Aristobulus, vgl 
IKor l1ıı. Dass Paulus die Christen unter denselben meine, 
verstand sich von selbst; wenn er aber bei dem ganz gleichen 
Ausdruck V. 11 τοὺς ὄντας ἐν κυρίῳ zusetzt, so folgt 
daraus, dass es andere Leute des Narciss im Gesichtskreise 
der Leser gab, die noch nicht Christen waren; dagegen können 
von den Leuten des Aristobul nur die Gegrüssten in der Ge- 
meinde anwesend gewesen sein. Herodion wird wieder als 
sein Volksgenosse bezeichnet (vgl. V. 7), obwohl es Apelles 
(vgl. Hor. Sat. 1, 5, 100) ebenso gut gewesen sein könnte. 
Ob Aristobul und Narciss selbst bereits todt (Grot.) waren, 
lässt sich natürlich nicht ausmachen **). — V. 12 nennt drei 


- - 


den Ausdruck of ἀπόστ. von den Uraposteln im Gegensatz gegen 
Paulus und schliesst daraus auf die Unechtbheit dieses Einschubs. Vgl. 
dagegen Mang. p. 154f. Uebrigens erklärt das ofrıves nicht, weshalb 
sie συναιχμαλ. sind (Otto), sondern, warum er sie besonders grüsst. 
Zu V. 8 bem. noch, dass die Rept. statt aundlıerov das abgekürzte 
ἀαμπλιαν hat gegen entscheidende Zeugen. 

*, Ganz undenkbar ist, dass das ἡμῶν alle V. 3-8 Genannten 
(Reiche), die ja keineswegs alle seine Mitarbeiter waren, oder gar 
alle Leser (Meyer, nach dem Urbanus ein Fremder war, der jetzt bei 
den Lesern und mit ihnen für die Ausbreitung des Evangeliums wirkte) 
oder alle Arbeiter am Evangelium (God., Otto, Goeb., Sand.) umfasst. 

**) [ass das τοὺς ὄντας ἐν Χριστῷ »zum Ueberfluss zugesetzt« 
(Meyer) oder bei den Aristobulischen weggelassen sei, weil bei ihnen 
fleischlicher Wandel zu rügen war (Böhmer), ist natürlich gleich un- 
möglich. Dass die vor den Leuten des Aristobul und des Narciss 
jedesmal genannten einzelnen Männer die waren, welche in den be- 
treffenden Häusern das Missionswerk begonnen haben (Wzs. p. 848, 
Lips.), ist äusserst unwahrscheinlich, da das immer wiederholte 
ἀσπάσασϑε jede Andeutung einer solchen Beziehung ausschliesst. Sand. 
hält den Aristobul für den Enkel Herodes des Gr., der zu Rom im 
Privatstande lebte. Wie Orig., Theod. Mopsv., Grot. u. A. den Apelles 
mit dem bekannten Apollos (Act 1836) verwechseln, so halten Grot., 
Neander, Sand., Hilg. u. A. den Narciss für den mächtigen Freige- 


Röm 1612 —1«. 601 


Frauen, die das Gemeinsame haben, dass, wie bei der Maria 
V. 6, ihre Mühwaltung gerühmt wird, obwohl mit dem aus- 
drücklichen Zusatz, dass dieselbe ἐν χυρίῳ geschehen sei, dass 
es sich also um Dienste handelte, die sie in ihrem Christen- 
stande als solchem erwiesen. Daher denkt man meist an 
Diakonissenthätigket. Während aber die Tryphaena und 
Tryphosa, die Weizs. p. 349 für Freigelassene hält, noch 
egenwärtig in Thätigkeit stehen (κοτε ώσ ας), gehört die der 
ersis bereits der Vergangenheit an (&xo,riacev), weshalb 
sie Böhmer als »emeritirt« bezeichnet. Sie hat sich dadurch 
die besondere Liebe des Apostels erworben, doch merken 
Meyer, Luth. es als eine besondere Zartheit an, dass er nicht, 
wie bei den Mannsnamen_ V. 8. 9 uov zu τὴν ἀγαπητήν 
hinzusetzt. — V. 13. Wenn Paulus den Rufus als ro» 
ἐκλεχτὸν ἐν χυρίῳ bezeichnet, so kann das nur sagen sollen, 
dass er in der Gremeinschaft des Herrn, d. h. in seinem 
Christenstande sich ausgezeichnet hatte, ein auserlesener Christ 
war (excellens, exquisitus, wie Bar 3». Sap 84. Mt 24sı. 
IPt 24). Seine Mutter hatte auch dem Apostel selbst ihre 
mütterliche Pflege angedeihen lassen (χαὲ ἐμοῦ, vgl. V. 2) ἢ. 
— V. 14f. folgen noch zwei Gruppen von Gemeindemit- 
gliedern, die Paulus nur als solche, und ohne dass die aus 
ihnen genannten Einzelnen irgend wie besonders ausgezeichnet 
werden, grüsst. Am einfachsten hält man sie für ἐχχλησίαι 
κατ᾽ οἶχον V. 5 (Hofm., Beck, God., Goeb., Luth., Sand., 
Lips., der nur wunderlicher Weise an je 5 und 3 denkt), deren 
ihm näher bekannte Mitglieder Paulus aufzählt. Dass er die 
übrigen einmal durch τοὺς σὺν αὑτοῖς ἀδελφούς, einmal 
durch ἁγίους charakterisirt, ist lediglich Variation des Aus- 


lassenen des Claudius (Suet. Claud. 28. Tac. Ann. 11329ff. 1257), was 
auch Meyer für möglich hält, obwohl Narcissus nach Tac. Ann. 181 
bereits todt wer (8. Wieseler, Chrono]. p. 371ff.), was Sand. auch von 
Aristobul annimmt. Jedenfalls ist bei der Häufigkeit des Namens 
der Verdacht eines Anachronismus (Lucht) grundlos. Aber selbst 
wenn jener bekannte Römer gemeint sein sollte, so ist doch ' sehr 
möglich, dass seine Familie nach seiner Hinrichtung sich in Ephesus 
angesiedelt hatte. 

*) Das ἐχλεχτός kann also weder die Erwählung zur Seligkeit 
bezeichnen (Reiche), was ja kein besonders auszeichnendes Moment 
wäre, noch, dass er ihm ein erlesener christlicher Bruder war (Hofm.), 
da kein μου dabei steht. Gewöhnlich denkt man an den Sohn Simon’s 
von Cyrene Mk 53ı, was aber nur nahe liegt. wenn dieser Rufus in 
Rom lebte, wo Markus sein Evangelium schrieb. Doch weist die 
Liebe und Fürsorge, die er von seiner Mutter erfahren, jedenfalls 
nicht dorthin; ob auf Jerusalem (Hofm., God.) oder Antiochien 
(Böhmer) oder auf Ephesus, muss ganz dahingestellt bleiben. 








602 Röm 1618. 16. 


drucks, nur das σεάντας deutet an, dass die zweite Gruppe 
die zahlreichere war. Aus der ersten werden fünf Männer 
genannt, in der zweiten wird die Julia die Frau des Philologus 
gewesen sein, wie neben Nereus seine Schwester genannt wird *). 

V. 16. ἀσπάσασϑε ἀλλήλους) fordert dazu auf, dass 
sich die Leser (nach der Vorlesung des Briefes) auch unter 
einander wechselseitig begrüssen sollen, und zwar wirklich mit 
dem Liebeszeichen des heiligen Kusses. Vgl. IKor 16». 
IIKor 132. Die alte Weise, besonders des Orients und 
namentlich der Juden, Gruss mit Kuss zu verbinden, erzeugte 
die christliche Sitte des ayıov φίλημα (IPt du: φίλημα 
ἀγάπης, Const. ap. 2, 57, 12. 8, 5, 5: τὸ ἐν κυρίῳ φίλημα, 
Tertull. de orat. 14: osculum pacis), so genannt, weil er kein 
profaner war, sondern die christliche Weihe hatte, die heilige 
christliche Liebesgemeinschaft ausdrückend. — πᾶσαι) Von 
vielen Gemeinden waren dem Apostel ohne Zweifel wirklich 
(srüsse aufgetragen worden: von den übrigen gilt, was schon 
Erasm. sagt: »Quoniam cognovit omnium erga Romanos 
studium, omnium nomine salutat«, mut. mut. auch, wenn das. 
Schreiben nach Ephesus gerichtet war **). 


Ἢ In der Ropt. (LP) ist die Stellung von ἐρμὴν und sgua» ver- 
tauscht, Ersteres muss voranstehen. Den hier genannten Hermas hielt 
Orig. für den Verf. des ὁ ποιμήν (vgl. Hilg.), der nach dem murse- 
torischen Fragment von einem Bruder des Römischen Bischof Pius I. 
verfasst sein soll und sicher dem 2. Jahrh. angehört. Sonderbarer 
Weise hält Böhmer die erste Gruppe für gesetzliche Juden, die noch 
die Speisegesetze halten, die letzte für die Schwachen aus Kap. 14, 
Hilg. beide für judezchristliche Vereine. Hausgenossenschaften können 
es nicht gewesen sein (gegen Zimmer), da sie sonst wohl ähnlich wie 
die V. 10f. genannten bezeichnet wären, und da das zu ayloıs ge- 
hörige πάντας nicht andeuten kann, dass alle Glieder derselben be- 
reits bekehrt waren. Vereine für kirchliche Zwecke (Otto), wie 
Missionsgesellschaften (Reiche), hätte Paulus ohne Zweifel irgendwie 
näher als solche charakterisirt; Gemeinschaften des Handels und Ge-- 
werbes (Frtzech., Phil.), die schwerlich schon aus lauter Christen be- 
standen, hätte Paulus sicher nicht als solche gemeinsam gegrüsst. 

*) Die universelle Fassung berechtigt keineswegs, diesen Gruss 
dem Apostel abzusprechen und aus IKor 1619f. herzuleiten (Lucht, 
Hilg., der deshalb diese Vershälfte für späteren Zusatz hält, vgl. da- 
gegen Mang. 157), entspricht vielmehr ganz dem innigen und lebens- 
vollen Gemeinschaftsbewusstsein, in welchem er seinem summarischen 
Ausdrucke nicht erst nachzurechnen sich bewogen sah. Willkürlich 
beschränken Andere πᾶσαι auf die griechischen Gemeinden (Grot., 
Lipe.), oder gar nur auf die Gemeinden in Korinth und den Hafenstädten 
(Mich., Olsh. u. M., vgl. auch Beck), oder wenigstens auf diejenigen,. 
in welchen Paulus gewesen sei (Beng.). Völlig willkürlich wollen 
Calv., Phil. das φίλ. &y. rein geistig verstehen, Beng., Koppe, God. ein 
meo nomine ergänzen. Dass die Aufiorderung in Beziehung steht auf 


Röm 1611. 608. 


Υ. 11--.20 ἢ. Warnung vor Irrlehrern. — π αρα- 
καλῶ δὲ ὑμᾶς), wie 1Ὅὅ80, auch mit der ausdrücklichen An- 
rede (ἀδελφοί). Den nur das Beste von Allen rühmenden 
Grüssen tritt gegenüber die Mahnung, scharf ins Auge zu 
fassen die, welche den Frieden der Gemeinde stören können. 
Das σκοτεεῖν (IlMak 46. IlKor 418) erhält erst aus dem 
Zusammenhange die Bedeutung: etwas im Auge behalten, um 
sich davor zu hüten (Luk 11s. Gal 61). Hier sind es die, 
welche die den Lesern bekannten (Bem. den Art.), damals so 
vielerwärts in Paulinischen Gemeinden erregten und leicht. 
auch die Leser bedrohenden antipaulinischen Spaltungen (τὰς 
διχοστασίας, vgl. IMak 32%. 5». Dem. 423, 4. Plat. 
Lege. I, p. 630 A. Dion. Hal. 8, 72) und Anstösse (σχ άν- 
δαλα, vgl. Mt 13.1. 187) d. 1. Verführungen zur Abweichung 
von der rechten christlichen Lehre herbeiführen. Das παρα 
τὴν διδαχήν weist auf das hin, was der Lehre, die sie 
(Bem. das betonte ὑμεῖς im Gegensatz zu dem, was diese 
Agitatoren von ihren Leitern gelernt haben) gelernt haben 
(£Zua$ere, vgl. Dtn 5ı. Jes 1ır. Prv 228. Mt 9ıs. 112), 
zuwider ist (vgl. 126). — &xxAivers ar αὐτῶν) weichet aus 
von ihnen weg, meidet sie, gehet ihnen aus dem Wege. Vgl. 


vorhandene Spaltungen (Böhmer), ist durch nichts indizirt. Das πᾶσαν 
‘fehlt nur in Min., Βορί. 

4 Schon diese nachträgliche Stellung, desgleichen die in den 
Gegenstand selbst fast garnicht eingehende Kürze (vgl. dagegen die 
Ausführlichkeit in Kap. 14. 15 über einen minder wichtigen Gegensatz) 
zeugt dafür, dass Paulus hier nicht, wie Wieseler nach Aelteren will 
(vgl. noch Zimmer u. Böhmer, der wegen Kap. 18 an die aufrührerische 
Judenschaft denkt!), gegen solche redet, welche bereits wirklich in 
Rom Spaltungen machten. Vgl. Lips. Aber selbst wenn man mit 
Meyer, God., Goeb., Luth. u. A. (vgl. in seiner Art auch Otto) an- 
nimmt, dass Paulus nach vielfach gemachten Erfahrungen besorgte, 
dass, wie anderwärts (vgl. Gal 3e. ııff. Kol 2sff. Phi 82} ısf. IlKor 
llısff.), auch in Rom jüdische Gesetzeseiferer (Aeltere, wie Hamm., 
Cleric., dachten gar an philosophische, Hofm. wenigstens zugleich an 
zuchtlose Heidenchristen) auftreten und im Widerstreit gegen das 
Paulinische Christenthum Spaltungen verursachen möchten, muss die 
Kürze dieser Warnung und ihre isolirte Schlussstellung auffallen. Ver- 
geblich verweist Meyer auf den heidenchristlichen Charakter der Ge- 
meinde, die im Allgemeinen so fest im Paulinischen Evangelium war 
(V. 191. 6. 17), dass ein nachhaltiges judaistisches Einwirken für jetzt 
nocht nicht zu besorgen stand. Denn wenn er doch einmal eine solche 
vorbauende Warnung für nothwendig hielt (vgl. auch Sand.), so wäre 
immer nicht zu begreifen, warum er eine solche nicht im Kontext des 
Briefes anbrachte, wo er die Lehren, deren Bedrohung er fürchtete, 
vortrug. Vgl. Kinl. ὃ 4, 3. Dagegen liegt gar kein Grund vor, mit 
Hilg. a. a. Ὁ. 5. 4821. an eine Einschaltung aus gnostischer Zeit zu 
denken (Vgl. dagegen Lips.). 


604 Röm 16 17—19. 


Ps 119 ı@. Prv 41. JSir 22 5. Thuc. 5, 73, 3; gewöhn- 
licher mit dem Accus. Die Störer, vor denen gewarnt wird, 
sind nicht als Gemeindeglieder, sondern als Eindringlinge von 
aussen gedacht. Vgl. Act 151. Gal 24. Bem. den ÜUeber- 
gang aus dem Infin. in die direkte Aufforderung. — V. 18. 
οἱ γὰρ τοιοῦτοι) vgl. IKor ὅδ. ıı. 72, begründet die 
Warnung dadurch, dass die derartigen Leute, Leute, die 
solches anrichten, unserem Herrn, dem wir zu ausschliesslichem 
Dienste verpflichtet sind, nämlich Christo, nicht dienen (dov- 
λεύουσιν, vgl. 1211. 1418. Bem. das nachdrückliche Voran- 
stehen des Dat. überhaupt und des Attributs τῷ κυρίῳ 
ἡμῶ v insbesondere), sondern ihrem eigenen Bauche (τῇ 
ἑαυτῶν κοιλίᾳ, vgl. IKor 613. Phl 8:19. Jacobs ad Anthol. 
IX, p. 416 und Seneca de benef. 7, 26: abdomini servire), 
d. h. ihrer nur auf Wohlleben in Essen und Trinken bedachten 
Selbstsucht. Dazu suchten die Sektirer den Einfluss und An- 
hang zu nützen, welchen sie sich verschafften, wie Paulus 
Aehnliches nach IIKor 11» schon erfahren hatte, ohne dass 
deshalb ihre Lehre epikureischer Natur war (Heum.). Vgl. 
Lucian, de morte Peregr. 11fl. Die Mittel, deren sich diese 
Irrlehrer bedienen, charakterisirt der Apostel durch δεὰ τῆς 
χρηστολογίας (vgl. Jul. Capitol. vit. Pertin. 13. Eustath. 
p. 1437, 53), welches auf liebreiche, wohlgemeint klingende 
und dadurch sich einschmeichelnde Rede geht, während 
εὐλογίας (Plat. Rep. p. 400D. Lucian. Lexiph. 1. Aesop. 
229) mehr auf die Form geht und wohlgesetzte Rede, Schön- 
rednerei, bestechendes Phrasenthum bezeichnet, womit sie be- 
trügen (£farzarwaoıv, vgl. 11) die Herzen der Arglosen 
(ὧν ἀκάκων, vgl. Job 23. 8». Hbr 72; doch auch im 
schlimmen Sinne Prv 14.22. 85. 1415), die selbst nichts Böses 
im Sinne haben und auf nichts Böses gefasst sind *). 

V. 19f. ἡ γὰρ ὑμῶν ὕτεα κοήλ) vgl. 616, begründet, wie 
das nachdrücklich voranstehende ὑμῶν zeigt, warum er diese 
Verführer V. 17f. gänzlich von ihnen scheidet und nur warnt, 
vor ihnen auf der Hut zu sein *). Zu dem eig πάντας 


Ἢ Willkürlich will Beck das Jovi. τ. xoıl. verallgemeinern, so 
dass alles selbstsüchtige Treiben darunter verstanden werden kann. 
Das εὐλογέα bezieht Phil. auf ein Rühmen in schmeichlerischen Reden, 
God. auf Segenssprüche. Vgl. Luther: prächtige Rede. Die Be- 
hauptung. dass Paulus in der Beschuldigung seiner Gegner allzu bart 
erscheine (Rück.), ist nicht zu begründen. Er schreibt aus langer und 
reicher Erfahrung. 

**) Meyer fasst das ὑμῶν im Gegensatz zu ἀχάχων: nicht ohne 
Grund sage ich: die Herzen der Arglosen; denn Euch werden sie 
nicht verführen (vgl. v. Heng., Mang. p. 161, Otto, Goeb.). Aber 


Böm 1619. 20. 5 


ἀφίκετο (er, nämlich die Kunde von ihm ist zu Allen ge- 
langt) vgl._Gen 2812. 419. Job 13. 16». JSir 471. — 
ἐφ᾽ ὑμῖν οὖν) steht ebenso nachdrücklich voran: »über Euch 
ΤῊ freue ich mich (χαΐέρω mit ἐπί, wie IKor 13e. 1617), 
wünsche jedoch (ϑέλω, vgl. lıs), dass Ihr weise und lauter 
seid«, — eine feine Verbindung der Warnung mit dem Aus- 
drucke des festen Vertrauens. Zu der wahren Weisheit in 
Bezug auf das Gute (eig τὸ αγαϑόν, vgl. 210) gehört nicht 
nur, dass man weiss, was man zu thun hat, sondern auch, 
dass man weiss, was man zu meiden hat, um nicht vom 
Wege des Guten abgebracht zu werden. — ἀχεραίους eig 
τὸ κακόν) lauter in Bezug auf das Böse, so dass Ihr Euch 
unvermischt damit, frei davon, bewahrt. Vgl. Phl 21. Mt 
1016, u. 8. über ἀκέραιος überh. Ruhnk. ad Tim. p. 18 ἢ. — 
V.20. Ermuthigende Verheissung. — ὁ ϑεὸς τῆς εἰρήνης) 
wie 1985, aber hier im Gegensatz gegen die, welche Spaltungen 
erregen (V. "ἢ — συντρίψει) vgl. Gen 199. Ex 9 36. 
Num 912. Ps 741. IMak 32. 4w. Paulus betrachtet die 
Sektirer, weil sie nicht Christi, sondern des Bauches Diener 
sind (V. 18), als Organe des Satan (vgl. IIKor 111); daher 
sein auf Gen 315 gegründeter bildlicher Ausdruck des Ge- 
dankens: »Der Friedensgott wird Euch (wenn die Spaltungs- 
stifter unter Euch auftreten) in Kürze den völligen Sieg über: 
sie verleihene. In seiner Kraft werdet Ihr den Satan zer- 
malmend unter die Füsse treten, und zwar nach kurzem 
Kampfe (God... Zu ἐν τάχει vgl. Ez 296. Din 28%. Jos 
819. Οὐδὲν 273. — ἡ χάρις etc.) Die Gnade unseres Herrn 


»warum warnt sie denn der Apostel?« (Luth.). Vgl. das Richtige bei 
Zimmer, Böhmer. Der Vers braucht aber nicht eine zweite Be- 
gründung der Warnung V. 17 zu sein (Thol., de W., Phil.), da der 
Gebrauch eines zweiten koordinirten γάρ im NT nicht nachzuweisen 
ist. Auch ist nicht mit Frtzsch. zu erklären: »nam vos innocentibus 
qui facile deeipiuntur hominibus annumerandos esse, ex eo intelligitur, 
quod vos Christo obedientes esse nemo ignorat«; denn Letzteres ist 
gerade das Gegentheil der leichten Verführbarkeit. Auch nicht mit 
Rück.: denn die allgemeine Verbreitung der Kunde, dass Ihr so gute 
Christen seid, wird jene Menschen bald nach Rom führen, um ihr 
Unkraut auszusäen (vgl. God.); das steht nicht da. Auch nicht mit 
Calv. u. M., Reiche, Kölln.: denn Ihr seid zwar gute Christen, worüber 
ich mich freue, aber ich will u. 5. w. (vgl. der Sache nach auch 
Hofm.), wogegen der Ausdruck, besonders das mangelnde μέν und 
das dastehende οὖν, entscheidet. 

*) Sowohl die Voranstellung des χαίρω ουὐν (DFG) vor ey. 
als das τὸ vor diesem (Rept. nach E it. vg.) ist Nachbesserung. Das 
μὲν nach σοῴους (Rept. nach NACP) hat WH. i. Kl., und es ist wohl 
zu streichen. 


606 Böm 160— 2. 


Jesu sei mit Euch. Dass auf diesen gewöhnlichen Schluss- 
segenswunsch seiner Briefe noch die Grrussbestellungen V.21—23 
folgen, die naturgemäss und nach der sonstigen Weise des 
Apostels hinter V. 16 stehen würden, spricht doch augenfällig 
dafür, dass V.1—20 ursprünglich ein selbständiges Schreiben 
war. Vgl. Einl. ὃ 4, 8 ἢ. 
V. 21—23. Grussbestellungen. — Von Timotheus 
nn Paulus als von seinem Mitarbeiter (vgl. V. 5. 9), von 
i Anderen als von seinen Volksgenossen (vgl. V. 7. 11). 
Keiner derselben ist uns sicher bekannt; denn ob Lucius der 
Act 13ı genannte, Jason der Act 175 vorkommende, und ob 
‚Sosipatros mit Sopatros Act 204 identisch ist (vgl. noch Sand.) 
— beide Namen kommen bei Griechen häufig vor —, wissen 
wir eben nicht **). — V. 22. Tertius, wahrscheinlich ein den 
Lesern bekannter Italiener, war damals bei Paulus in Korinth 
und schrieb den Brief, welchen ihm der Apostel diktirte. Da 
er offenbar dem Apostel bemerklich machte, dass nun auch 
‘er selbst grüssen wolle, diktirt dieser ihm natürlich nicht den 
eigenen (Gruss, sondern überlässt ihm selbst, denselben auszu- 
drücken. Das ἐν xveiw gehört natürlich zu ἀσπάζομαι (vgl. 
IKor 16:19) und bezeichnet, dass der Gruss aus dem Bewusst- 








ἢ Flatt fasst das Fut. optativisch, wie A (Theodoret, Oecum., 
Hier., Ambr., Ruf.) es in συντρέψαι verwandelten. Das yosorov nach 
inoov (Lcehm., Rcept. nach ACLP) hat Treg. 1. Kl, WH. a.R. Das 
ἀμὴν am Schlusse ist von allen Zeugen verlassen. Vergeblich bemüht 
man sich die Stellung des Segenswunsches vor den Grussbestellungen 
zu rechtfertigen (vgl. noch Otto). Dass ihm dieselben erst jetzt auf- 
getragen werden, oder dass er erst jetzt bemerkt, wie er sie im Vor- 
herigen noch nicht bestellt habe (Meyer), ist gleich unwahrscheinlich, 
und dass der in seiner Eigenschaft als Heidenapostel geschriebene 
offizielle Brief erst geschlossen sein musste, ehe diese Mittheilungen 
privaten Charakters kommen konnten (God., vgl. Böhmer), würde den 
80 warmen persönlichen Grüssen V. 3—16 einen offiziellen Charakter 
geben, der ihnen einen Theil ibres Werthes raubte. 

**, Dass Timoth. nicht an der Spitze des Briefes (wie IIKor 11. 
Phl 11. Kol lı. 1IThlı. IITh 11) mitgenannt ist, liegt sicher nicht 
‚deren, dass er, als Paulus den Brief zu verfassen anfıng, gerade ab- 
wesend war, oder dass Paulus gerade vor der Römischen Gemeinde, 
der er noch 80 fern stand, in seiner ganzen alleinigen und unge- 
theilten apostolischen Auktorität mit seinem Briefe zu erscheinen für 
angemessen fand (Meyer, vgl. God.), sondern einfach daran, dass 
Timotheus der Römischen Gemeinde persönlich fern stand. — Das 
ασπαζονταιε der Rcpt. (EL) ist offenbar Nachbesserung, weil mehrere 
Subjekte folgen. Das μου nach συνέργος, das in B fehlt, hat WA. in 
Kl. Sicher ist Lucius nicht identisch mit Lukas, wie Orig., Seml. 
u. A. wollen (vgl. auch Thiele, StKr 1858, p. 753ff.), die Constit. 
apost. 7, 46, 2 machen ihn zu dem von Paulus eingesetzten Bischof 
von Kenchreae. 


Röm 1622. 423. 607 


sein der gemeinsamen Lebensgemeinschaft mit Christo fliesst. 
Mit V. 23 fährt Paulus wieder fort zu diktiren *). 

V. 23. Gewiss lässt es sich nicht mit voller Sicherheit 
beweisen, dass Cajus der IKor 114 genannte ist; aber die 
Kombination ergiebt sich doch aufs Natürlichste daraus, dass 
er hier sein Gastfreund genannt wird, bei dem er in Korinth 
wohnte. Auch bei Griechen ist ξένος nicht bloss der Be- 
wirthete, sondern wie hier, der Bewirthende (s. Sturz, Lex. 
Xen. III, p. 218. Duncan ed. Rost. p. 729). Wenn er zu- 
gleich der Gastfreund der ganzen Gemeinde genannt wird, 
so denkt man am natürlichsten daran, dass mit der Be- 
herbergung des Apostels zugleich sehr zahlreiche Besuche der 
der Korinthischen Gemeinde Angehörigen, welche Cajus gast- 
frei aufnahm, verknüpft waren; vgl. V. 13 τὴν μητέρα αὑτοῦ 
καὶ ἐμοῦ **). — Erastus ist wohl verschieden von dem Act 19 
und Il Tim 420 Genannten; denn der hier Grüssende war 
nicht wie Timotheus ein Apostelgehülfe, sondern Verwalter 
der Stadtkasse, Stadtkämmerer in Korinth (arcarius civitatis, 
8. Wttst); man müsste denn, wozu aber bei der Häufigkeit 
des Namens keine Nothwendigkeit vorliegt, annehmen, er 


Ὦ Ganz grundlos Olsh. (nach Eichhorn): Paulus habe nach V. 20 
on die Doxologie geschrieben, und zwar auf eine besondere kleine 
embrane, deren leere Rückseite der Schreiber Tertius benutzt habe, 
um in seinem Namen V. 21—24 darauf zu schreiben. Schon das 
ὁ συνεργός μου V. 21 deutet unabweislich auf Paulus selbst. Grot., 
Laurent lassen ohne Grund den Gruss des Tertius an den Rand ge- 
schrieben sein. Beza und Grot. liessen ihn nur die Reinschrift des 
apostolischen Konzeptes machen, und noch Böhmer hält dies für ebenso 
möglich, ale die gewöhnliche Annahme. Otto aber findet es mit der 
Stellung eines so hochbegnadigten und reichbegabten Mannes nicht 
wohl zu vereinigen, dass er einen Brief von dem Umfange und von 
der Wichtigkeit, wie der Römerbrief, einem Schreiber in die Feder 
sollte diktirt haben! 

**) Grot. u. noch Zimmer, Lips. denken daran, dass er sein Haus 
zu den Gemeindeversammlungen hergab. Wäre die Beherbergung der 
aus der Fremde Kommenden gemeint (Hofm., God., Luth. nach Erasm. 
u. M.), so müsste τῆς ἐχχλ. ὅλης von der gesammten Christenheit ver- 
standen werden, und der hyperbolische Ausdruck nähme sich mehr 
scherzhaft aus als sinnig. Vgl. vielmehr zu ἡ ἐχχλησέα ὅλη IKor 1438. 
Auch zur Römischen Gemeinde, sofern nämlich Paulus viele aus der- 
selben während der Vertreibung bekehrt habe (Märcker), passt der 
Ausdruck nicht, weil er zu unverhältnissmässig wäre. Otto bringt 
heraus, dass er Namens der Gemeinde den Apostel beherbergte. Ob 
Cajus der Act 204 genannte Derbaeer oder gar der Act 1939 vor- 
kommende war, ist bei der grossen Häufigkeit des Namens (s. auch 
III Joh 1. Constitt. ap. 7, 46, 1. Martyr. Polyc. 22) nicht zu be- 
stimmen. Orig.: »Fertur traditione majorum, quod hic Cajus fuit 
episcopus Thessalonicensis ecclesiae«. 


608 Röm 16233—2. 


habe seine bürgerliche Stelle aufgegeben, und sei hier nach 
seinem vormaligen Amte bezeichnet (Pelag., Est., Calov., Klee 
u. Μ., vgl. auch Reiche). Richtig übrigens schon Grot.: 
»Vides jam ab initio, quamquam paucos, aliquos tamen fuisse 
Christianos in dignitate positos«. Vgl. IKor 1asff. — Quartus 
wird natürlich nicht als leiblicher Bruder des Erastus (das 
hiesse nach V. 15 ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ), sondern nur als christ- 
licher Bruder bezeichnet, weil seine Verhältnisse dem Apostel 
kein näheres Prädikat darboten *). 
V.25—27. Die Schlussdoxologie. Vgl. Einl. $4,4. 
»In dieser inhaltsvollen tief bewegten Lobpreisung Gottes 
(vielleicht vom Apostel eigenhändig zugefügt) empfängt der 
leitende Ideengehalt des ganzen Briefes, wie er bereits im 
Eingang lı—5 seinen andeutenden Vorklang, in 11 ssff. aber 
schon seinen vorläufigen doxologischen Ausdruck gefunden 
hatte, nun noch im vollsten Akkord begeisterter Pietät seinen 
konzentrirten Ausklang zur letzten rechten Weihe des Ganzen« 
Meyer) ἢ. — V.25. στηρίξαι) vgl. lu. Die Charakteristik 
ottes entspricht dem ganzen Zwecke des Briefes, der seinen 


*) Die Rept. hat oAns nach τ. ἐχχλησ. (L). — Für die Unechtheit 
von V. 24 entscheiden NABC, vg. codd. cop. Die Vermuthung, dass 
er weggelassen oder transponirt (P. Verss. hinter V. 27) sei, weil ein 
Segenswunsch vor der Doxologie gegen die Paulinische Weise sei 
(Meyer), ist völlig haltlos, da Paulus eben sonst keine Doxologie am 
Briefschluss hat. Dagegen lag nichts näher, als nach dem Nachtrage, 
als der sich V. 21—23 nun einmal darstellte, den gewöhnlichen 
Schlusssegen zu wiederholen. Vgl. IITh 3ıe. ıs.. Ueberdem haben ja 
DEFG eben deshalb V. 20 weggelassen, und bei FGL bildet V. 24 
überhaupt den Briefschluss. 

**) Nur Hofm., welcher diesen drei Versen schon hinter 1433 ihre 
Stelle anweist, konnte es leugnen, dass sie überhaupt eine Doxologie 
sind, obwohl sie den ausgeprägtesten Charakter einer solchen (vgl. 
bes. Jud. V. 24f.) haben bis auf das ἀμήν (95. Ilse). Nach ihm soll 
τῷ δὲ δυναμένῳ etc. mit ὀφεέλομεν 151 susammenhängen und in diesem 
Verbum seine Rektion haben (also: dem, der da kann — — sind wir 
schuldig u. 8. w.), obwohl das mächtige Pathos d. St. als Grundlage 
der 151 folgenden Vorschrift ohne entsprechendes Motiv wäre, obwohl 
V.25 ὑμῶς, in der vermeintlichen Fortsetzung 151 aber nueis steht, 
und obwohl das δέ 151 unerbittlich im Wege steht. Dies δέ könnte 
nämlich nicht das gegensätzliche der Apodosis und nach Partizipien, 
besonders nach absoluten Partizipien, sein (Klotz ad Devar. p. 372ff. 
‘ Kühner $ 5633, 1 Anm. Bäuml. Partik. p. 92f. 94), sondern nur das 
wiederaufnehmende (Kühner $ 532,2. Bäuml. p. 97); aber dann müsste 
Paulus nicht ὀφείλομεν δέ, sondern entweder αὐτῷ δὲ ὀφείλομεν ge- 
schrieben haben, welches αὐτῷ das vorher charakterisirte Subjekt 
reassumiren würde, oder er hätte sein δέ schon V. 27 bei μόνῳ σοφῷ 
ϑεῷ setzen, also etwa: μόνῳ δὲ σοφῷ ϑεῷ — — ὀφείλομεν schreiben 
müssen. 





Röm 106 26. 608 


denselben Zweck intendirenden Besuch vorbereiten sollte. 
Was er auch mit diesem Briefe erreichen wollte, das kann 
zuletzt doch Gott allein wirken in Gemässheit seines Evan- 
geliums (κατὰ τὸ εὐαγγέλεόν μου, vgl. 2ıe), sofern dasselbe 
eine Gnade Gottes verkündet, welche ohne Werkverdienst den 
Menschen sicher zum Ziele führt. In ihm war also die Norm 
gegeben, nach welcher die zur Vollendung der Leser noth- 
wendige Festigung (im Glauben) erfolgt und allein erfolgen 
kann (vgl. Hofm., Luth)*). Paulus hat aber nicht nur die 
Leser festmachen wollen, sondern durch seine Darstellung von 
der Begründung seiner neuen Heilslehre in der Gottesoffen- 
barung des Alten Testaments dieselbe für alle Zukunft gegen 
alle Einwürfe dagegen sichern wollen. Zuletzt aber ist es 
doch auch hier Gott allein, der die Botschaft von Jesu Christo 
festmachen und gegen alle Befehdungen sichern kann. Es 
muss also καὶ τὸ χήρυγμα (vgl. IKor 12) Ἰησοῦ Χρι- 
στοῦ ein zweites dem ὑμᾶς paralleles Objekt zu στηρίξαι 
sein, und der Gen. kann nach IKor 12. 151. IIKor 119. 
46. 114 nur Gen. obj. sein und die Botschaft bezeichnen als 
eine Botschaft von Christo (Erasm., Luther, Calv., auch Kölln,, 
Reithm., Phil., God., Luth., Goeb.)**. Diese Verbindung 


*) Vgl. Lips.: >die Befestigung im Glauben soll also in Gemäss- 
heit des Paulinischen Evangeliums im Unterschiede von der juden- 
christlichen Lehre erfolgen, was nach dem sonstigen Sprachgebrauch 
des Apostels voraussetzen würde, dass die Römer Paulin. Christen 
waren«e. Nur soll das Folgende zeigen, dass der Ausdruck hier vor 
dem gemeinchristlichen Glauben steht! Unmöglich kann das xara 
dem Sinne nach soviel sein als dr τῷ ey: (Meyer, Goeb.), oder εἰς 
τὸ evayy. (Zimmer), oder: vermöge des Evang. (Mang., vgl. God.), 
geschweige denn, dass man ein in fide (Koppe, de W., v. Heng., vgl. 
Reiche: im religiös-sittlichen Leben) einschalten dürfte, oder ane- 
lysiren: »Euch so stärken, dass Ihr nun lebt und handelt nach meinem 
Evangelium«, Kölln., vgl. Chrys., Theodoret, Theophyl., Wolf, Koppe, 
Thol.). Beck verbindet es mit δυναμένῳ, indem er daran denkt, 
das Evangelium eben die überschwängliche Grösse der Gotteskraft in 
Christo verkündigt. 

42) Alle Versuche, τὸ εὐαγγ. μου καὶ τὸ χήρ. ἴησ. Xo. als zwei 
verbundene von χατά abhängige Akkusative zu fassen, scheitern daran, 
dass der Inhalt beider Begriffe derselbe ist. (Vgl. Otto, der freilich 
den ganz unmöglichen Gedanken herauskünstelt: Im Dienste dessen, 
der Euch kräftigen kann, steht nach meinem Evangelium auch das 
χήρυγμα ἴησ. Xo.). Nur die Fassung des Gen. als Gen. subj. könnte 
eine Unterscheidun ermöglichen. Diese aber ist ganz unmöglich, 
mag man nun an die Predigt denken, welche Christus durch ihn als 
sein Organ ausgehen lässt (Meyer, Rück., de W., Frtzsch., B.-Crus,, 
Ew.), was doch, auch wenn es möglich wäre, nur einen ganz formalen 
Unterschied beider Ausdrücke mit sich brächte, oder an die eigene 
mündliche Predigt Christi selbst während seines Erdenlebens (Grot., 


Meyor’s Kommentar. IV. Abth. 9. Aufl. 89 


640 Röm 1638. 


empfiehlt sich aber besonders dadurch, dass nun das xara 
ἀποκάλυψιν, dem κατὰ τὸ εὐαγγέλιον μου entsprechend, 
eine sichere Anknüpfung an στηρίξαι gewinnt. Dieses στηρίξαι 
erfolgt in Gemässheit dessen, was Gott bisher gethan hat, um 
diese Botschaft der Welt kundzuthun. In der näheren Aus- 
führung dessen schafft sich Paulus den Anlass, noch einmal 
zu dem Grundgedanken seiner Briefadresse (12. 8) zurückzu- 
kehren ἢ. Es ist nämlich durch die dem Apostel zu Theil 
ewordene Offenbarung (v. Heng., God. nach Gal 11. 12. 16. 
ἔοι 210) eine Offenbarung eines Geheimnisses erfolgt, welches 
in ewigen Zeiten verschwiegen, d. h. der Welt noch nicht 
verkün gt war. Als ein μυστήριον (vgl. 2. 112) betrachtet 
Paulus den göttlichen Rathschluss der Erlösung der Welt, 
nicht: das durch Christum offenbar gewordene (Greheimniss 
er übersinnlichen Welt, wie Lips., um die Doxologie als un- 
paulinisch darzuthun, einträgt), zu dessen Erkenntniss mensch- 
liche Weisheit von sich aus nie gelangen konnte, wenn er 
nicht von Gott offenbart wurde. Dies ist nun freilich ewige 
Zeiten hindurch nicht geschehen. Der Dativ steht von der 
Zeitdauer, vgl. Win. 31, 9. Kühner ἃ 426, 2, und χρόνοις 
αἰωνίοις bezeichnet im populären Sinne von Ps 766. 77e 
unendlich lange Zeiträume, während derer dieses Geheimniss 
noch verschwiegen war (σεσιγημένου, nur hier, da sonst 
σιγᾶν im A. und NT nur: schweigen heisst, wie Ex 141. 
TKor 1428), und nicht die Ewigkeit bis zur Zeit der Prophetie 
(Reiche), da diese noch keineswegs das Schweigen brach, son- 
dern nur verhüllt andeutete, was erst von der Erfüllung aus 


Wolf, Kopps, Böhme, Hofm., Böhmer), auf welche sich Paulus in 
seinen Briefen niemals ausdrücklich bezieht. Vgl. die vergeblichen 
Versuche von Sand., bei der objektiven Fassung einen Unterschied 
herauszubringen. 

*) Auch Meyer knüpft xara ἀποχάλυψεν an orne. an, aber indem 
er es dem χατὰ — Χριστοῦ koordinirt fasst (vgl. Zimmer), wogegen 
schon das Fehlen des Artikels vor &rzox. spricht. Anders Frtzsch. 
(vgl. Kölln.), welcher xara «anox. uvor. nicht bloss von στηρέξαε ab- 
hängen lässt, sondern von τῷ δὲ δυναμ. ὑμᾶς στηρ. zusammen, und 
xeta: zufolge nimmt, so nämlich: »qui potest vos corroborare in — — 
secundum patefactionem arcani, h. e. postquam facta est patefactio 
arcani, i. 4. ἐπεὶ ἀπεχαλύφϑη μυστήριονε; genauer Rück., Phil., Thol.: 
entsprechend der Offenbarung u. 8. w. Aber dieser Wechsel in der 
Beziehung des xara ist durch nichts indizirt, daher für den Leser 
schlechthin nicht zu errathen. Aeusserst hart aber ist die Verbindung 
dieses xara mit εὐαγγ. καὶ χήρυγμα (God.) oder mit dem letzteren 
allein (Mang. p. böf., Luth., Goeb,, Böhmer, Lips., Sand.), obwohl 
diese Verbindung der Sache nach wenigstens auf den Gedanken des 
Apostels hinauakommt. 


Röm 1635, 36. 611 


verstanden werden konnte (vgl. Weiss, bibl. Theol. $ 75, a). 
Hervorgehoben wird dies aber, um anzudeuten, wie die Neu- 
heit der Botschaft von Christo nicht ausschliesst, dass ihr 
Inhalt ein uraltes Geheimniss ist. 

V. 26. φανερωϑέντος δέ) ur 321, nach welcher 
Stelle das, was für den Apostel der Mittelpunkt dieses gött- 
lichen Heilsrathschlusses ist, in der Heilsgegenwart (ν Ὁ») kund- 
gemacht ist. Schon das Part. aor. zeigt, dass eg sich um die 
thatsächliche Erscheinung Christi handelt (vgl. Beck), in 
welcher das Heilsgeheimniss kundbar wurde, was freilich die 
Nothwendigkeit nicht ausschloss, durch ἀποκάλυψις die Be- 
deutung jener Erscheinung als einer solchen φανέρωσις τοῦ 
μυστηρίου dem berufenen κήρυξ verständlich zu machen. — 
διά τε γραφῶν etc). Die Verbindung mit τέ (vgl. 21) 
deutet an, dass die Bekanntmachung des Geheimnisses im 
weitesten Kreise die selbstverständliche Folge jener ersten 
Kundmachung war, die ja der ganzen Welt zu Gute kommen 
sollte.e Damit dieselbe aber nicht als ein Widerspruch er- 
schiene mit der alten Gottesoffenbarung, wurde dieselbe ver- 
mittelt durch prophetische Schriften (προφητικῶν, wie 
IIPt 1:19), aus denen ja auch der Apostel in seinem Briefe 
immer wieder nachwies, dass der Gott Israels, dessen Willen 
jene verkündigten, vorlängst den in der Gegenwart ofienbar 
gewordenen Rathschluss Gottes gefasst habe (vgl. 12). Wie 
sehr diese Näherbestimmung mit dem Grundgedanken des 
Römerbriefes zusammenhängt, darüber s. d. Einl. $ 3. Selbst- 
verständlich aber konnte diese Bekanntmachung eines so un- 
endlich lange absichtlich verschwiegenen Geheimnisses erst 
erfolgen au ausdrücklichen Befehl (κατ᾽ ἐπιταγήν, vgl. 
IKor 16. I1Kor 88) dessen, der in jenen ewigen Zeiten ge- 
schwiegen hatte, und der darum jetzt als der ewige Gott (τοῦ 
αἰωνίου ϑεοῦ, vgl. Bar 48.2. Susann 42) bezeichnet wird. 
Der Zweck aber dieser Bekanntmachung wird ganz wie 15 
bezeichnet als die Bewirkung von Glaubensgehorsam (δὲς 
ὑπακοὴν πείστδως), nur dass hier nicht mit ἐν die Sphäre 
bezeichnet wird, in der, sondern mit δὲς (vgl. 3a. 818) die 
Gesammtheit, für welche die Bekanntmachung erfolgt. Zu 
γνωρισϑέντος, welches im Unterschiede von der Kund- 
machung eines noch schlechthin Verborgenen die Bekannt- 
machung eines bereits an Andere und zu anderen Zeiten 
Offenbarten bezeichnet, vgl. 92. 28 *). 


ἢ Die φανέρωσις geschieht also nicht durch die Predigt des 
Evangeliums (Meyer, Mang. p. 63), was ja dem Folgenden vorgreift, 
geschweige denn durch die Propheten (Reiche), aber auch nicht durch 





612 Röm 1637. 


ΟΝ, 21. μόνῳ σοφῷ 389). Die V.25 von Seiten seiner 
Macht anrchobene Charakteristik Gottes geht am Schlusse 
der Lobpreisung in die Betonung seiner Weisheit über, wozu 
die Erwähnung der ἀσεοκάλυψις μυστηρίου — γνωρισϑέντος 
in sehr natürlichem Gedankenfortgang unwillkürlich über- 
leitete; denn so lange das Geheimniss mit Stillschweigen be- 
deckt war, war auch die Weisheit Gottes noch nicht voll- 
kommen offenbart, was aber eben mittelst jener ἀσεοχάλυψις 
geschah. Vgl. 11:--ὁ. Mit Recht aber bemerkt Otto, dass 
der artikellose Ausdruck nicht Apposition zu τῷ δυναμένῳ 
V. 25, sondern nur attributiv sein kann. Er, der die Macht 
zum στηρίξαι "εὶς hat sie zugleich als allein (vgl. IIMak 1asf. 
Joh 17s) weiser Gott, sofern er auch allein die Mittel und 
Wege kennt, seine Heilsabsichten hinauszuführen. Unmöglich 
aber kann damit das δεὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ verbunden werden 
(Meyer, de W., Mang. p. 70, Goeb., Otto, Zimmer, vgl. Läps.: 
ım Gegensatz zu falschen Quellen, aus welchen man die 
Weisheit zu schöpfen sucht), weil dabei immer der Gedanke, 
dass seine Weisheit durch ihn oflenbart oder in Ausführung 
gebracht ist, ganz willkürlich eingetragen werden muss. Viel- 
mehr zeigt schon dieser Zusatz, dass dem Apostel eine bereits 
ausgesprochene Lobpreisung nach Analogie von 18. 73. IIKor 
21 vorschwebt ἢ. So schliesst sich nun das ᾧ anakoluthisch 


ἀποχάλυψις (God., Lips), da ja eben von der ἀποχαλ. eines Geheim- 
nisses, das als φανερωϑέν charakterisirt wird, die Rede ist. Die pro- 
phetischen Schriften sind natürlich nicht apostolische, wie dieser Brief 
God.), wohl gar neutestamentliche Schriften überhaupt mit Einschluss 
er Evangelien (Böhmer); aber es handelt sich auch keineswegs bloss 
um die in ihnen zuvorverheissene Heidenpredigt (Goeb. Vgl. schon 
Beza, Beng., Thol., Phil. u. M., die unter dem Mysterium überhaupt 
speziell die Beseligung der Heiden verstehen). Aehnlich Hofm., 
welcher διὰ ygap. προφ. durch τέ im Sinne von »so wie auch« zu vür 
hinzutreten lässt. Allein das τέ müsste dem »üy etwas Gleichartiges, 
Ergänzendes (Baeuml. Partik. p. 211. Kühner $ 519, 8) hinzutreten 
lassen, nicht einen ihm disparaten Begriff. 

“ Die Verbindung: »dem allein weisen Gott sei die Ehre durch 
Christam« (Pesch., Chrys., Luth., Beza, Calv., Est., Grot., Morus, 
v. Heng. u. M.) ist wegen ᾧ unstatthaft, welches zwar von Beza u. 
Grot. nach der ed. Complut. getilgt, aber kritisch gesichert ist, obwohl 
es auch Rück., Sand. weglassen und WH., weil es in B. fehlt, ein- 
klammert. Ew., Hofm. (vgl. Märcker p. 8 u. Luth.) wollen das διά 
in den Relativsatz hinein konstruiren, als ob ᾧ διὰ 7. Xo. ἡ δόξα 
stände. Zwar finden sich bei Griechen solche Voranstellungen betonter 
Satztheile vor dem Relat. (Schaef. App. ad. Dem. IV, p. 462. Stallb. 
ad Plat. Phaedr. p. 238 A. 868A, vgl. z. Act 12); doch im NT haben 
wir eine derartige Stelle nicht (mit Unrecht zieht Hofm. IPt 411. 
Hbr 1821: hierher); ein besonderer Grund aber, weshalb Paulus διὰ 


Röm 1637. 613 


an (gl. Win. $ 63, I, 1. Buttm., neut. Gr. p. 252); denn 
dass Paulus durch die Zwischengedanken von der anfangs be- 
absichtigten Doxologie auf Gott abgeleitet, sich habe bestimmen 
lassen, den Lobpreis auf Christum, den Mittler und Offenbarer 
der Gottesweisheit, überzulenken (Phil, Reithm., B.-Crus. und 
God., der freilich dabei Gott von Christo nicht trennen will, 
vgl. auch Böhmer), ist ganz unwahrscheinlich. Dagegen lässt 
sich zwar nicht mit Meyer sagen, dass solche Doxologieen auf 
Christum sich bei Paulus oder gar in den wirklich apostoli- 
schen Schriften überall nicht finden (s. z. 95); aber es gehört 
nothwendig zur Abrundung des Gedankens, dass dem, den er 
gepriesen, die ihm gebührende Ehre (ἡ δόξα, wie 11x) nun 
auch in alle Ewigkeit zu Theil werden soll ἢ). 


T. Xg. so einzig betont hätte, wäre nicht ersichtlich. Unwahrschein- 
licher ist, dass dem Apostel ein παρατέϑεμαι ὑμᾶς (Act 2088) vorschwebt 
(God., vgl. Glöckl.: συνέστημε ἡμᾶς), und ganz gekünstelt Böhmer: 
durch ihn wird unser Amen vor Gott gebracht (nach IIKor 1 20). 

**) Meyer vergleicht noch das Anakoluth in der Doxologie Martyr. 
Polyc. 20: τῷ δυναμένῳ πάντας ἡμᾶς εἰσαγαγεῖν ἐν τῇ αὐτοῦ yapırı x. 
δωρεᾷ εἰς τὴν αἰώνιον αὐτοῦ βασιλείαν διὰ τοῦ παιδὸς αὐτοῦ μονογενοῦς 
Ἰησοῦ Χριστοῦ, ᾧ ἡ δόξα, τιμή, χράτος, μεγαλοσύνη εἰς αἰῶνας. Natür- 
lich ist nicht ἐστέν (Hofm.), sondern εἴη zu ergänzen. Das των αἰωγὼν 
nach τοὺς αἰῶνας haben Treg., WH. nach BC gestrichen (Ropt.), und 
es ist nach 135. 95. 1156 höchst verdächtig. 





Abkürzungen 


der in Meyers Kommentar citierten biblischen Bücher, 
Zeitschriften u. s. w. 


Act - Apostelgeschichte 
τὴν = Amos 
pk = Apokalypse 
Bar : BP 
Chr = Chronik 
Cnt = Canticum 
Dan = Daniel 
Dtn = Deuteronomium 
Eph - Epheserbrief 
Esr - Esra 
Est = Esther 
Ex = Exodus 
Gal = Galaterbrief 
Gen - Genesis 
Hab - Habakuk 
Hag - Haggai 
Hbr =: Hebracerbrief 
Hos - Hosea 
Jak = Jakobusbrief 
Jdc = Judicum liber 
Jdt = Judith 
Jer - = Jeremias 
Jes = Jesaias 
Jo = Joel 
Job = Hiob 
Joh = Johannes (Ev. u. Briefe) 
Jon = Jonas 
Jos = Josua 
Jud = Judasbrief 
Koh = Koheleth 
Kol = Kolosserbrief 
BG Beweis des Glaubens 
BL Schenkels Bibellexikon 


ChrW = Christliche Welt 


CR Contemporary Review 

DEBI : Deutsch- Evangelische 
Blätter 

Exp - The Expositor 

GGA = Göttingische gelehrte 
Anzeigen 

JBL = Journal of the Society 
for biblical literature. 

JdaTh - Jahrbücher für deutsche 
Theologie 

JPrTh = Jahrbücher für protest. 
Theologie 

LC Literarisches Centralblatt 

NkZ - Neue kirchl. Zeitschrift 

PrKR - Presbyterian and Refor- 
med Review 

R.E. - Realencyclopädie f. pro- 
test. Theol. u. Kirche. 

StKr = Theol.Studien u.Kritiken 


ThLBl - Theolog. Litteraturblatt 
ThLz - Theolog. Litteraturztg. 


Kor = Korintherbriefe 
Lev = Leviticus 

Lk = Lukas 

Mak - Makkabäer 
Mal - Maleachi 

Mch - Micha 

Mk - Markus 

Mt - Matthaeus 

Na : Nahum 

Neh - Nehemia 

Νὰ) - Numeri 

Ob « Obadja 

Phll =: Philipperbrief 
Phm - Philemonbrief 
Prv - Proverbien 

Ps - Psalmen 

Pt - Petrusbriefe 
Reg = Reges 

Röm - Römerbrief 

Rt = Ruth 

Sam = Samuel 

Sap = Sapientia 

JSir - Jesus Siracida 
Th = Thessalonicherbriefe 
Thr = Threni 

Tım - Timotheusbriefe 
Tit - Tituebriefe 
Tob = Tobias 

Zch = Zacharias 


ThQ = Theolog. Quartalschrift 
= Theologisch Tijdschrift 
: Texte u. Untersuchungen 
z. Geschichte d. altchrist- 
lichen Litteratur 
Win.RW= Winer, biblisches Real- 
wörterbuch, 2. Aufl. 


2Κὰ - Zeitschrift f. Kirchenge- 
schichte 

ZITh . Zeitschrift f. lutherische 
Theologie und Kirche. 

ZPK = Zeitschrift f. Protestan- 
tismus und Kirche. 

ZSchw = Theologische Zeitschrift 
aus der Schweiz 

ZTh = Tübinger Zeitschrift für 
Theologie 

ZThK - Zeitschrift f. Theologie 
und Kirche 

ZWL - Zeitschrift für kirchliche 
Wissenschaft und kirch- 
liches Leben 

ZwTh - Zeitschrift für wissen- 


schaftliche Theologie. 


TE TE 


ΟΝ ΣΝ Dez μὰ 














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